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Full text of "Das englische Arbeiterversicherungswesen : Geschichte seiner Entwickelung und Gesetzgebung"

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DAS ENGLISCHE 
ARBEITERVERSICHERUNGSWESEN: 
GESCHICHTE SEINER 
ENTWICKELUNG UND 
GESETZGEBUNG 



Wilhelm Hasbach 



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I 

Staats- 

and 

socialwissenschaftliche Forschimgeu. 



Heransgegeben 

von 

ftustay Schmoller, 



FSnfter Band. 




Leipzig, 

Verlag voa Dancker & Uumblot 

1886. 



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lüliiiltsverzeicliDiös. 



1. Daa englische Arbeitorverj^ichcrungsweaen. Geschichte seiner Eot- 
wiVkrlnng und Oesetzgebung. Von Wilhelm Uasi)ach. 

2. Die Unfall-Gesetzgcbnag der europäischen Staaten. Von T. H öd i ker 

3. Die Entwickelting der ttSodigen Diplomatie Tom fünfzehnten Jahr- 
hundert bis sa den BeacfaUlaeen von 1815 und 1818. Von Otto 
Krautke. 

4. Das engUaehe Annpnwoeoai in aaner historischen Entwiekelung und 
in seiner heutigen Gestalt Von P. F. Aschrott 



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Staats- Qud sooiaLwissenschaftliohe 

Forschungen 



herausgegeben 

von 

Oustay Sclimoller. 



FUiifter Baud. Einstes Heft. 
W. Hasbach, Das englische Arbeitenrersicheningsvesen. 




Leipzig, 

Verlag tod Dnncker & Hamblot 

1883. 



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Das 



EnglMe ürlmiterTersicberagsf esei 

Greschichte 

seiner Ent>Yickelung und Gesetzgebung. 



Von 



Wilhelm Hasbacli, 

Dr. phtlus. 




Leipzig:, 

Verlag von Dunckor & llinnblot. 

188:J. 



Dm UeberMtKuqgmwlik bleibt ▼oibehalten. 



itUliJUTUECAi 
REGIA. 



Seiueiii verehrten Lehrer 



Herrn Professor Dr. Adolph Wagner 



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Y o r w 0 r t 



In die enslische Arbeiterversicherun? theilen sich zu 
ungleichen Tlieilen die eingesehriebeiK n und nicht-eingeschrie- 
benen Hilfskassen, die alten Sparbanken und die Postsparkassen, 
die AktiengeseUschaften und die Gewerkvereine. Die Lasten 
der arbeitenden Klassen hat der Staat dadurch vermindert, 
daas er die Kosten der UnfallTersiclierung in gewissen Fullen 
dem Untrniehmer anfeile^4. Dies der Umfanjr des Stnffes, 
den wir zu bebandeln liabcn. Nun erhebt sich die Fra^e, 
welche Grenzen wir jeder dieser Institutionen im Rahmen 
unserer Schrift stecken. 

Die Wahrung der Rechte der Handarbeit ist das Hauptziel 
der englischen Gewerkvereine. Die Arbeiterversieherung, mit 
Ausnahme der UntentOtzung an beschäftigungslose Mitglieder, 
ist för sie ein Gegenstand ?on untergeordneter Bedeutung. 
„The trade- Union", sa^'t (leorge Howell S. 180 seines ,The 
Conflicts of Capital and Labour' (London 1878) betitelten 
Werkes, „deals primarily with questions of wages, hours of 
labour, conditions of employment . . . . The Friendly So- 
ciety benefits are at all times subordinate to those 
relating to trade Privileges; they were in reality an after- 
thottght, in most instances designed to keep the members to- 
gether by reason of the multiplied advantages and the increa- 
sed interests involved in, and bound up, with one society/ 
Nur die Sterbekasse hndet sich fast in allen Gewerkvereinen. 
„There are still, however"*, sagt Howell, „a large number 
of trade -unions which are for trade purposes only, ex- 
eepting the burial fund, which is well nigh universal** 
(B. 154). Nur die besseren Klassen der Oewerkvereine um- 
fassen die Ziele eines Gewerkvereines und einer Hilfskasse. 
Die Gewerkvereine haben sich also in dieser Beziehung nicht 
verändert, seit Brentano schrieb: ..Allein mit dem Wesen der 
Gewerk vereine haben sie (die Unterstützungen) nicht diis 
Mindeste zu thun. Der deutlichste Beweis bierfür ist, dass sie 



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VlU 

bei Weitem nicht mit allen Gewerkvereinen verbunden sind" 
(ArMtergilden II, 27). Ja, selbst die Schenkung an arbeits- 
lose Mitglieder, welche von allen Schriftstenem über die eng- 
lischen Gewerkvereine als ein wesentliches Merkmal der Trade- 

Unions aufpefasst wird, scheint sich nur bei den besseren Ge- 
werkvereinen einjjebürfrert zu haben (Howell, S. 154). Ks ist 
gewiss charakteristisch, dass Howell in seinen letzten Unter- 
suchungen über die rnterstützungsthätigkeit der Gewerkver- 
eine (CouLempürar} Review. September, 1883. ,The Work of 
Trade-Unions*) nur die äeben grossen englischen Gewerk- 
vereine behandelt Es unterliegt keinem Zweifel, dass die 
Aasbildung des Untei'stQtzttngswesens der Gewerkvereine durdi 
die zweimalige Verbindung mit flen Hilfskaissen gefördert wor- 
den ist. Aus diesen Gründen haben wir den Gewerkvereinen 
iu dieser Schrift nur wenige Seiten gewidmet. Dem Titel 
derselben entsprechend, berühren wir sie nur da, wo die 
Darstellung der Gesetzgebung und der Entwicklung des Ar- 
beiterversicherungswesens dies eifordert. 

Der weitaus grösste Theil beschäftigt sich mit den Hi]&- 
kassen (Friendly Societies) und zwar mit den eingeschriebenen. 
Denn der Löwenanthoil der Gesetzgebung über das Arbeiter- 
versicherungswesen fällt den Hilfskassen zu. und die Entwick- 
lung desselben vollzieht sich innerhalb der Kassen oder doch 
durch ihre Lage beeintiusst. Der unbefriedigende Zustand tier 
llilfskassen in veischiedenen Perioden gab sowohl den Anstoss 
zur Gründung von Lebensversicherungsgesellschaften wie der 
staatlichen Kapital- und Rentenversicherung. Die nicht ein- 
geschriebenen Hilfskassen kommen nur selten, hauptsAchlidi 
nur in der Einleitung, in Betracht. Die Gesetzgebung machte 
verschiedene Anläufe, ihnen gewi<ise Normen vorzuschreiben. 
Aber es gelang ihr nur, alle Sterbekassea unter die Oberauf- 
sicht des Staates zu bringen. 

Aus diesen Erörterungen wird man ersehen haben, dass 
die Aufgabe, welche sich der Verfiasser stellte, diese war: den 
Werdegang der englischen Arbeiterversicherung unter dem 
Einflüsse der englischen Gesetzgebung zu verfolgen. 

Die Einleitung beabsichtigte er ursprünglich mit wenigen 
Seiten abzumachen, nur den Kern dpi Austidirungen in 
J. M. Ludlow's Aufsatze ,GiId and Friendly Society' (Contem- 
porary Review. 1873) wiederzugeben und dann au das ei-ste 
liilfskassengesetz heranzutreten. Aber er sah bald die Unmög- 
lichkeit ein, «Uesen Plan auszuführen. Das ganze Wesen und 
Gebahren der englischen Hilfekasse wird erst verständlich, 
wenn man die Gilde genau betrachtet. Bei dem konser- 
vativen Sinne des englischen Vdlkes ist man :mf Schritt und 
Tritt gezwungen, im Mittelalter den Schlüssel zum Verständ- 
niss der Jetztzeit zu suchen. Jedoch hat sich der Verfasser 
auf das unumgänglich Nothweudige beschränkt. Wenige 



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IX 



der in der Einleitung erwähnten Thatsachen sind neu. Die 
gTundleprenden Untersuchunpren über das Verbältniss von Gilde 
zur HU&kasse hat schon Kden geliefert. Ihm verdanken wir 
die filcfatigsten Litteratoraiigabeii. Die Arbeiterorden kannte 
Eden noeh nicht Hier war un8 JQngeren ein grösseres Feld 
eröffnet. Nur in der Kritik und in der Zusammenstellnng der 
Thatsachen weicht der Veifasser in manchen Punkten Ycm den 
bisherigen Schriftstellern ab. 

Doch hat sich dein Verfasser die NotliNvendi«rkeit einer 
selbstständi^ren Arbeit über das Bindeglied zwisclien Gilde und 
Uilfiskasse mehr und mehr aufgedrängt. Wenn sie erschienen 
ist, wird es möglich sein, ein dünneres und lesbareres 
Buch Ober die moderne englische Arbeiterversicherung zu 
schreiben. Eine cint:ohende Darstellung des TJeberganges aus 
der Gilde in die Hiifskasse ist ein Stoti' für einen Gelehrten, 
der die Mus<e und die Mittel hat, lange Zeit an verschiedenen 
Orten in Kii'jland, Schottland und Irland Nachforschungen zu 
halten und welchen vor Allem der nicht unwahrscheinliche 
Misseifolg nicht abschreckt. 

Manche Mangel dieses Buches bittet der Verfosser damit 
ni entschuldigen, dass es mit Ausnahme von Lewins^ Schrift 
Ober die Geschichte der Sparbanken und der genannten Werke 
Ober die Gewerkvereine an guten Vorarbeiten fehlt. Die Ge- 
schichte der Hilfskassen hat drei Seiten: eine rechtljclir^ioli- 
tische, eine bevölkerungs-staristische und eine finanz-stafistische 
"K^e dei^seTben ist von Vorgangern ausführlich genug behan- 
delt worden. Ludlow hat im Anhang zum vierten Bericht der 
Könifj^lichen Kommission (1874) einen kurzen Abriss der Hilfe- 
kassengeset^bung geliefert, der den Ausgangspunkt dieser 
Schrift gebildet .hat, aber natfiriich den Zwecken des Ver- 
fassers nicht genügen konnte. Die ei-ste Seite hat Walford 
in seiner Versicherurpfsencyclopiidie nicht gründlich genug, 
die dritte ungenügend, dagegen die zweite zu austührlicb be- 
handelt. Einen grossen Theil der statistischen Werke hat er 
wörtlich abgediiickt Bis 1829 ist die Dai-stellnng sehr lücken- 
haft Am grOndlichsten ist sie für die Periode 1855—1876. 
Sem Buch besteht ans kurzen, dironologisch geordneten Notizen 
von sehr ungleichem Weithe. Das geistige Band fehlt ganz. 
Wer einem so bedeutenden Unternehmen, wie der Dar-^tellung 
des gesammten Vei*sicherungswesens, seine Kraft widmet, der 
kann einen Theil nicht ganz ersch(^pfen. Es ist im (legen- 
theil im höchsten Ma^se anzuerkennen, dass in dem Artikel 
,Fnendly Societies* so viel Belehrung vorhanden ist. Derselbe 
hat ausserdem den Vorzug, dass er die gesammte, Ober das 
Hilfekassenwesen erschienene — allerdings wenig werthyolle — 
Litteratur angiebt. und auch Notizen über manche kleinere 
Kassen bringt. Welclu-n Vortheil dem Verfasser die Verglei- 
chung seiner Arbeit mit derjenigen Walford's geboten hat, 



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X 



wird Jedem einleuchten. Hätte der Verfasser die Insurance 
Cyclopaedia, ehe er an die Vorarbeiten ging, gekannt, so würde 
sie ihn der rein bandwerksmassiffeD Arbeit des Forscbens nach 
Material in den Katalogen der Bibliotheken und BuebbftDdler, 
den Registern der Zeitschriften und in den Spallen vergilbter 
Zeitungen his zu einem gewissen Grade enthoben haben. 

Es sind aucli nur wenige Monographien vorhanden. James 
Spiy's (lescliirhte der Manchester Unity ist die trefflichste 
und leider auch die seltenste, weil sie als Makulatur verkauft 
wurde. Nur den persönlichen Bemühungen des Herrn Spry 
gelang es, ein Exemplar fQr mich aufzutreiben. Abbot bringt 
die Qeschichte der Foresters in der Yierteyahrs- Revue des 
Ordens. Ausserdem existirt eine kurze anonyme Geschichte 
der wichtigsten Arbeiterorden, eine Geschichte der Hearts of 
Oak und des Prudential, einer Vemcherungsgesellschaft. 

Um so werthvoller waren daher die schriftlichen und 
mündlichen Mittheilungen, für welche ich an dieser Stelle 
meine Erkenntlichkeit bexeige. Vor Allem bin ich Herrn 
J. M. Ludlow, dem Chief Registrar of Friendly Sodeties, 
der mich in der liebenswQrdi^stcn Weise immer wieder mit 
seinem Rathe und seinem Wissen unteistützt hat, sehr 
vei pflichtet. Grossen Dank schulde ich Herrn Samuel 
Shawcross, dem General-Sekretär der Foresters und seinem 
Sohne, Herrn Edward Shawcross, für die Freundliclikeit, 
mit der sie mir zu wiederholten Malen mündliciie, schriftliche 
Mittheilungen und den Orden betreffende Schriftstocke haben 
zukommen lassen. Weiter fühle ich mich Heim Co] lins, dem 
General Sekretär der Odd Fellows M. U. und Herrn J Spry, 
dem Sekretär des Distriktes Plymouth, Herrn Abbot, dem 
Sekretär des Distriktes Sheffield des Ordens der Foresters, 
Herrn Brooks, dem General-Sekretär der Locomotive Steam 
Enginemen and Firemen's Friendly Society, Herrn Blyth, 
dem General -Sekretär der Durhaui Miners Permanent Relief 
Fand, Herrn Dear, dem Sekretär der Abbot's Ann Provident 
Sodety, Heim Dewey, Manager des Prudential, Herrn 
Jeeyes, dem Sekretär der Hitchin Friendly Institution, 
Heim Jocliffe, dem Sekretär der London and Korth- 
Western Eisenbahnkasse, Herrn M a r f a r 1 a n d , dem General- 
Sekretär der National Deposit F. S., ilenn Marsliall, dem 
Sekretär der Hearts of Oak, Herrn Owen, <lem Sekretär der 
Wiltshire F. S., den Herren Liversage und Atherton, den 
Sekretären des Royal Liver, und Herrn Cashmore, dem 
Sekretär der Cannon Street Male Adult, sowie Herrn Henry 
Broadhurst M. P. , dem Sekretär des parlamentarischen 
Ausschusses der Gewerkvereine zu Dank verpflichtet. 

Der Liberalität, des Entgegenkianmens der Verwaltung 
des Britischen Museums hatte ich mich beim Sammeln des 
Materials zu erfreuen. Ausserdem fühle ich mich gedrungen, 



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XI 



mehreren deutschen Bibliothekaren meinen heimlichen Dank 
auszusprechen: Herrn Dr. Georjjes, Bibliothekar der 
Hofbibliothek zu Gotha, Herrn Dr. Lippert, dem Bib- 
liothekar de§ Preussischen Statistischen Bureaus, Herrn 
Dr. Matsen, Bibliothekar der Kommers -Bibliothek 2u Ham- 
burg und Herrn Dr. Foss, dem Bibliothekar des Hauses der 
Abgeordneten zu Berlin, für die Freiheit, die er mir bei der 
Benutzung der Bibliothek, insbesondere der BlaubQcher, ge- 
stattete. 

Berlin, am 31. Oktober 1883. 



Der Verfasser. 



Berichtigu ng. 

S. 99 Z. 15 V. u. lies „Die Treuhänder vertreten" aostalt: Der ScbaU- 

meister vertritt. 

S. 122 Z. 1 ^ 14 T. 0. lies „verwaltet wurden'' (statt werden). 

S. 122 Z. 17 V. 0. lies „feierten** (statt feiern). 

S. 126 Z. 12 V. 0., leute Altersangabe in der Tabelle lies „67- (statt 77). 
S. ISA Z. 10 T. Q. li«s „die edleren und die unedleren Motive*. 



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luhaltsverzeicbniss. 



Slatettug 1>61 

Einwirkung der Geldwirdisefattft auf Verarmung der unteren K. 
8. 1. — Das Ililfswescn dos Mittelalters beruht auf einem 
DatQriicb-recbtlicbeu und einem etliiscb-religiöseu Priozipe 
8. 2. — Cbarakter des letcteren 8. 3. — Die WoblthAtig- 
keit der Kirche s. 4. — Die üilde übt die siclien Werke 
der Barmherzigkeit S. 5 —7. — Das \'ersicberung8wesea 
beruht niclit auf sympathiBcben, sondern auf ^istiMlieii 
Instinkten S. 8 u. 9. - Itie Gilde giebt Almosen S. 10— 13. 

— Verschiedener Charakter der Beiträge in Gilde und 
Versicherungbgesellächalc S. 13 u. 14. — i>ie gebellige 
Seite, die Verwaltung der Gilde 8. 14 a. 15. — Die tieseU> 
gebung Heinrich Vill. über das Gildewesen, nur im An- 
Bchluäs an die Armengesetzgebuug verstanülicb S. lö - 17. 

— Die Gesetzgebung über die Gilde S. 17—20. — Die 
Gilde seltist wurde nicht aufgehoben, und hiUte weiter 
gedeibeu können, wenn nicht die ileformatiou das Lobens- 
prinzip derselben verletzt hfttte S. 20 29. — Die Gilde 
geht allonihli(h in die llilfskasse (Klub) über. Dieser 
rrozesB tiudet sein Seitenstück in der Entwickelung deä| 
Versicherungswesens S. 2o — 30. Die Hiltbkassen des! 
16. und 17. Jabrbiinderts S. 30. Französische Refiigi^' 
gründen liilfsknsRen, grümlen aber nicht die Hilfskasscn, 
ebensowenig Defoe 31 u. 32. — Die ililtskassea des 
18. Jahrhunderts S. 83. — Schilderung derselben S. S4>-40. 

— Die Klubs der OJd Fcllows und toresTcrs sind Vereine, 
welche auf maorerischer Grundlage beruhten. Die Um- 
bildung der alten Maurerd im 18. Jahrhundert Iler 
Charakter der Unterstützung S. 4()- 4(>. — Die rein ge- 
selligen Vereine des 17. Jalirluinderts, au( h Orden genannt 
8. 47. — Der Klub unfähig, die grosse s-o/iale Hevolution 
des 18. Jahrhunderts /u bew&ltigcn, welche sich in der 
Enteignung' des (inindbesitzes und der Einführung der 
Grosbiudustrie vollzieht S. 46. — .Steigerung der Armen- 
steuer 8. 49. — Ein Arbeitervorsicherungswesen soll dem 
Pauperismus entpepenwirken S. 49. — Die Ptarrrentenkasse, 
unter Mitwirkung der Steuerzahler. dieZwauj^^sbe uudj 
die Forderung der bestehenden Klara Sfii^rohTen S-IStT-^O. 

— Gilbert S. 57. — Howlett behauptet, dass die Ein- 
nahmen der Armen zu fjering wären, um sicli selbst helfen 
zu können S. 53. — Forderung der Uilfakas^se durch 
Private 8. 56 u. 57. — Die gesetzlich schatzlose Lage 
der ililf>kiissen /oiu't sich in Petitionen an das Parlament. 
Lokale Hiltskasseugesetze S. 57—61. 

I. 

Die Anitiulpe der einjreschrleboneii Hilfsknsse. Das Ringen 
zwischen Hilfsksissr und Sparbank llUll lsl9 62—107 

Geschichte des ersten Uilfskassengesetzes 1 (ü3 S. 62 — 64. — 
Inhalt desselben S. 64—66. — KnOpft Privilegiso an Eio- 
schrdbung. Die nlchate Wiikong h&ufig serstOrcDd. Hilft- 



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XIII 



ki»aea4er QvwmikuKtiaB S. 66—68. — Es Hessen sich g^ien 
9000 Hilftkassen bis Ende 1794 einschreiben S. 69 u. 70. 
— Novellen zum Hilfskassengesetze 8. 70—73. — Sir 
Frederick Eden über die UilfAkassen S. 74 u. 75. • 
Di» HiÄkaMe erfüllte nicht die an sie g(>kyiupfteri Hoff- 
nungen. Neue Projekte von Eden, Bentham, Colqhoun 
und Graf Salis 75-78. — Der Grand lag in den öko- 
nomisebeB Wiikungen der NanoleoniMfaeii Rriege und der 
ersten Friedensjahre S. 78—81. — Aufkommen der S par-, 
baok. a ls Konkurrentin der Hilfskasse aufgefas.st S. 81 u. 82. 
-^^nNThltbread scbligt schSTTm Jahre 1807 die Post- 
sparkasse und die staatliche Arbeiterverslrherung vor. Die 
Sparkasse in SchottlahiT D une an S. 8;^ u. 84. — Erstes 
Sparkafesengesetz S. 85. — Erfolge der Sparbank S. 86 u. 
8?. ' Ein parlamentarischer Ausschuss über das Armen* 
wesen und die Noth fl8l7). Empfiehlt die snbventionirte 
Kirchspieliiü&ae S. bb. — 1818 wird sowohl ein neues 
HJlnnneDgeselB als eine Bill Ober die Kirebspfellcatte 
▼orgelegt S. 89. — Schilderung der Hilfskassen. Furcht 
der Tones Tor freien Vereinen S. 90 — 94. - Die mathe- 
matische Basis des Versicherungswesens. Price S. 94 
bis 99. — Die beiden Gesetzentwürfe des Jahres 1819. 
Thomas Courtenay. Das Projekt der Kirthspielkasse 
wird zurückgezogen. Die andere Bill erleidet grosse Ver- 
loderungen in Folge dee Misstrauens der .\roeitar 8. 90 
bis 103. — Das Uesetz. Die Priimientafeln müssen von 
^ktaaren' bestätigt werden. Der erste Graf sc haiis- 
verein S. 108 - 107. 

n. 

Die Fragre nach der besten Prämlentafel. Schelfern 
wlehtiirer Reformen. Erste KoBsolidntlonsAkte« 1819 
bUltti. 108-167 

Becher. Die Sonthwell Tables 108—118. — Die Krank- 
beitsstatistik der Hochländischen Gesellschaft 114— 116. — 
Trauriger Zustand der Hilft<kassen. Hilfskassen und Ge- 
werkvereine S. 1 16—124. — F i n 1 a i 8 o n liir 5tuatsversiche- 
mng S. 124. — G 1 en ny and die «Royal Union Association* 
S. 125 u. 126. — Die ersten Landes v er eine und V er- 
sieh er ungsgesell Schäften füur die arbeitenden Klassen« 
Th«iUode vereine 8. 187. — Sebledite Aosflkbrung 
des leisten Gesetzes. Es existiren wenige Aktuare S. 128 
bis 132. — Ernennung eines parlamentarischen Ausschusses 
aber die Hilfskassen 1825 S. 188. — Bericht desselben 
8. 183-137. — Die Krankenversicherung. Der Bericht 
vo-wirft die schottischen Tafeln und empHehlt die South- 
irello* Tafeln 8. l:i7— 141. — Alters- und Ueberlebens- 
versicherung. Joshua Milne's (Carlisle Table) und 
John FinlHicon's Untersuchungen. Die Northamptoner Tafel 
verworfen, aber von dem Ausschüsse als sicher iür die 
UeberiebenSTersIcbemog empfohlen 8. 141—145. — Die 
Tafeln sollen von dem Aktuar der Siaatsschuldenver^'altun;^ 
geprüft werden S. 146. — Zweiter parlamentarischer Aus- 
schuss 1827. Untersuchung über Mortalit&tstafeln 8. 148 
bis 153. — Gesetzentwurf von ls2S. Strengere An- 
forderungen zum Wohle der Mitglieder S. Ihii IhS. — 
Petitionen dagegen. Neues bpiirkassengesetz 1828. Herab- 
aetiiing.des Zintfosses 8. 157. — Kener Entwuf 8. 158 




teil* 



XIV 



bis 1»>4. - Gesetz von 1829. Eine KrankheitS' 
uod Mortalit&tsstatistik aogeordnet Eine re- 
gistrirende Zentralbehörde geiefaaffenS. 164—167. 

III. 

DI*« raliipp Zeit. 182»— 1840 166-194 

Einfilbrung der staatlichen Rentenversichcruni 
S. 1G9. — Zustand der Hilfskassen, 2^hl derselben S. 17( 
l)is 174. — Die Htlfskasscn in Irland und SchottlaDd 
S. ITÖ— 180. - Uiizuträglichkciten des letzten (iesetzes 
b. I»l-lö3. — Geset* von lö34 S. 183— 1Ö4. — Der 
Einflute maogelhtfter Daridmskuwn S. 185. — Die 
Versieb erungskassen für die wohlhabenden Klassen führen 
zum Gesetze von 1640. welches alle Privilegien fiir 
Summen über 200 aufhebt S. 186—187. — Anseire 
KrankheitS- und Mortalitätsstatistik der Ililfskassen 
S. 188 189. — Andere rntersuchunpen S. 190—191. — 
Die Vereinigte Spar- und Uilfskasse. Samuel 
Best. Die Gewerbekaase der Maschinieten und die 
erste Eisen bahnkasse. Sonntapsschulkassen. 
S. 192. — Kuckblick auf die llilfskasseotypea S. 193—194^ 

IV. 

Ausdehiinuiir der HilfskaaseiigeaetigebiiiMP« Die Arballer* 

i.rdcn. 1840—1846 195—215 

i>it' Einkommensteuer S. 195. — Der Konsumverein zu 
Rochdale S. 196. — Sparkassengesetz von 1844. Erneute 
Befugnisse des Advokaten, welcher die Sparbanken ein- 
schreibt S. 197. — Neison's Krankhtits- und Mor- 
talit&tSBtatiBtik. rnterscheidun^ von ländlichen, 
Kleinstadt- und Grossstadtdistrikren, Wiclitipste Resultate 
derselben S. 198—204. — J^ie wichtigsten Arbeiterorden. 
EinfhiBS der Correspondinir Sodetie^ und Seditione Mee- 
tings' Art ZLT>iilitteruni: der Odd Fellows. Ersftzimg 
des karitativen Prinzips durch das privatwirthschaftiiche 
S. 205—206. — Gründun-: der Manchester Unity. 
Aristokratisch-hierarchische Verfassunfrsentwickluiii: S. 207. 
Hftform der Prämientafeln S. 208. — Der Chartist 
Duncombe sucht die Privilegien der Uiifskasaen auf 
alle Verebt zu Obertnmen. Gesetz von 164^ B^' 
s< liriinkte Ausdehnun<r dersolben auf Konsumvereine und 
FeuerversicherungskaAsen. Vermehrung der Befugnisse des 
BMjistrsfS. Die AaaiuJnwegceette lltr HiMakiaaen an&e- 
hoben. Besehrftokongen der Begrftbnisskaaaeii 8. 210 '215. 

V. 

Die Ordeu gesetxliob gesohiltst. Vorläullge« Eonsollda- 
tionsfeseta. 1846<-1850 TT 216-264 

0'( onnor's Bill 216—218. - Schwierigkeit, die Orden ein- 
zuschreiben S. 218—222. — Die Mumchester Unity ver- 
lan<;t nach gesetzlichem Schutz gegen Hetrug. Die Bill 
von 1848. Ausscbuss des Oberhauses S. 223— 229. — Die 
Bill auf Wunsch der Odd Fellows zurückgezogen S. 229. 
Bill von ]'^Vk AusiichuKS des Unterhauses. En- 
quete desselben. Trauhi^er Zustand der Hilfskassen S. 230 
—252. — Nene BilPS. 258. - ZttrQckgezo<reii 8^258. — 
Bill von 1850. Torlftofiges Oeseto von 1850 S. 268—264. 



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XV 



SeiU 

VI. 

Forts''1tritt auf dem Gebiete der Kranklieits- und Morta- 
lität »Statistik, kindersterblickkelt and Begräbniss- 
lummi. DflÜBlttTM KrasolidatlonsiMete. 265-317 

Bftteliffe*8 Statistik der Manebester Unity. Statistik nach 

r.<nver1)cn S. 2';9— 271. n ich Ortschaften S. 27'2 Fin- 
laiäon's Statistik auf Gruod der fünfjährigen Berichte. 
Ausschliessungen. Unterschied von schwerer und leicliter 
Arbeit. Statistik einiger Berufe 277— ^08. — Berieht 
des schottischen Registrar S. 2.^8- 2'^n. — Vermögens- 
stand der Hilfskussen S. 289— 2üÖ. Lage der staatlichen 
Rentenversicherung S. 295, 298, 299. - Da» Geseta voiB* 
Jahre 18ö3 über die staatliche Ka])ital- und Rentenver- 
sicherung S. 300. — Die Hiifskasseu der wohlhabenden 
Klassen 8. SOO-SOS. — Verlängerungsgesets von 1853 
S. :'0:t. - Die prnsse Kint1er?-terblichkeit in den Tndustrie- 
bezirken, welche den Bcgrabuisskassen zugeschrieben wird, 
fiibrt im Jahre 18.'>4 zur Linsetzung eines parlamentarischen 
Ausschusses S. 305. — Anssageo vor demselWen s. .Soi; 
bis 312. — Neues Verlängeninpswesetz S. 318. - I>ie 
BiU von 1855 >S. 314. — Die Einsetzung einer Zentral- 
behörde wird a^ehnt S. 815. — Oesetsvoo 1855 8. 816 
and 817. 

VII. 

fr^äuxungen und i'rujekte. — Weiterbildung der StaatK- 
Terslelienuw« — Kampf gegen die BegrBbnisskaHsen. — 
£nieiyiii]ig efaierKtaigUeheii KoniBlssloB. 1855-1870. 818-883 

Zwecke, welche der Staatssekretär genehmigte S. 319. — 
Das Viehversicherungsgesets von 1866 S. 320. Die üesetce 
▼on 1858 und 1860 8.se(>— 822. — Sotheron-Estcourt's Bill 
von 18(il über die Jahmberichte der Kassel und Gesell' 

Schäften S. 323. — Viele (lewerkvereine deponiren ihre 
btatuten ^. 324. — Die Jahresberichte des Keiüsirari 
8. S84'-834. — Die Ausweise der Staatsschuldenverwal- 
tunu über das Vermögen der Ililfskasscn S. 334— 33(i. — 
I>ie Begrabnisskassen S. 3;:U)— 341. — Das Projekt der 
Kircbspielkasse wieder Torgelegt ▼on Lord Wvcorobe im 
Jahre 1862 S. 341. - Hie Postsparkasse S :;42. Die 
staatliche Lebens» und Rentenversicherung vermittelst der^ 
, Postsparkasse 8. 848—345. — Antrag des Earl of Devon 
8. 846. — Die Bill des Earl of Lichfield über die Be- 
gräbnisskassen S. 348. — Scheitern dersell>en S. 349. 
Die Einsetzung einer Königlichen Komniisbion wird be- 
antragt S. 349. - Die Bill des Itoyal Liver S. 349 u. 3.50. 
I>ie BiU Lowe's will das Registrar - Oftice unterdrücken 
is. 'S52. — Die Einsetzung einer Köuigl. Kommission wie- 
der angeregt und genehmigt S. 858 a. 854. — 

Die .Manchester Warehousemen and Qerks' Provident Asso- 
ciation* S. 3.*».*». Eisenbahnk.^ssen. ,The London and 
North- Western Railway* E^enbahnkassen S. 35ü u. 357. ^ 
— ^The Northnmberland aod Durham Miners' Permanent 
Relief Fund' S. :{5>^— 361. - Diu Ber-rwerkskassen Eng- 
land's S. aaa. — Die .Deposit Friendly Societies' 8. 362 
bis 388. ^ Die _jAlilH>tt Ami Profident Sode^ 8. 864 
bis 874. — Die Willsbire Friendly Sode^. Die Hamp- 



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XVI 

sUie F. S. S. 376-380. ,The National Deposit F. Society' 
S MRo-HHa ^ x)ie GewerkireKiBe und AküeDgeaeU-^ 

schatten :SS3. 



VIIL 

Die statlstlsclicn Werke Ratcliffe^H und Nefsons^s. — Die 
Fnqnete ton 1870—1878. — Das Hilfkassengesetz Ton 
lH7o. — Geffenwärtige Lage der Ulifskassen. Von 
1870 bis rar «eseiiw«rt 834^0 

Die BtatistiseheD Werke N. ond R Untersuchnogen fiher die 

Zahl austretender und ausgestossener Mitglieder und über 
die Krankheitadauer in verschiedenen Perioden S. bis 
892. — Die Berichte der Hiltskommissarien 8. 892—404. — 
Danieirs Bericht über Irland S.393— :W6 Ueber Wales 
S. 8<»7 u. — Culley's Hericht filier Schottland S. 399 
u. 400. — Stanley's und Young's Herichte über England 
8. 401 — 404. — Der KoinnjibBionshcricht mit bis an die^ 
Oegenwart heranreichenden Zusätzen S. 404—41»). — Die 
Orden 8. 404 - 408. — ,The Locomotive Steam Enginemen 
aod Firemen*« Sodety' 8. 409. — Die Landesvereine 8. 
410. — Die patronisirten Vereine und EtAdtiseben flilfs- 
kaMen 8.411.— Die Dorfkiubs, die Begr&bniaakassen etc. 
S. 412. — Die Klagen Ql»er das Oesetx und die Tor- 
scbläfie der Kommission S. 413—416. — Die erste BUl 
von 1?574 8. 417. — Die zweite Bill von 1874 S. 41«. — 
Die Bill von 1875. Unheil der ,,Time8" über das (ieseta 
8. 420. - Inhalt des Gesetzes S. 421- 426. — Eijuich- 
tung der Centralbehörde S. 426. — Kritik und Wirkung 
des Gesetzes S. 427 — 429. — Kleinere Gesetze von lüHi bia 
1»82. HiUbkaaaen- ood AmenanteratQtzung S. 480—481. — 

I)a8 Haftpflichtgesetz von 1880 S. 432-433. — Das Ge- 

seta von I6t2 über die Staate versicheruM 8. 484. ^ 
Fortfatl der flknijährigeD Krsnkbeits- und Morttlltits- 
statistik S. 415. Au&weise über das Vermögen und die 
Zahl der Ililfskassen und die von (nworkvereinen und 
Aktiengesellscbatten gegebenen Unterstützungen S. 435 bis 
440. — 



IX. 

Bttckbliek und Ausblick 441—447 

Was hat das englische Arbeilerversicherungsvresen geleistet? 
Die Armenb teuer absolut noch immer wachsend S.441. — Der 
Msngd an grossen Erfolgen liegt an dem kleinen Bin- 
komnjen (^rr Arlieiter und an der schlechten Verwaltung 
der Uillskasseu 442—444. — Daher ein Zuschusa von 
oiind«8(eD8 70 Proseot tn den von den Arbeitern ange- 
brachten Summen nöthig, um die Existenz derselben zu 
fristen S. 443. — Die Einführung einer besseren Verwal- 
tung in die freien HilfiBkast»en unwahrscheinlich 8. 444. — 
Die Hoffnung auf Besserung beruht aui dem Zusammen- 
wirken der höheren Stände mit den niederen und der Er- 
« Ziehung durch die Arbeiterorden S. 445. — Einführung 
^ der staatlichen Zwingavefsicbening unwahrscheinlich. Aus- 
-•^ breitun<; der freien staatliehen Veraichening dagegen wahr- 
scheinlich 8. 447. — 



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Einleitung. 

Der Uebergang ans der 6Ude in die Hilt'skasse. 



Ein Ueberblick über die Reihe ökonomischer, sozialer und 
politischer Veränderungen, welche die frühe Einführung; der 
Greldwirtfaseliaft In das vorwiegend ackerbautreibende England 
des Mittelalters in jenem Lande hervorbrachte, gewährt den 
intellektuellen Reiz logischer lückenloser Verkettung und der 
Ueberraschung aus einem einfachen und anscheinend darren 
Prinzip einen mannigfaltigen Reichthnm von bedeutenden £r- 
eignissen hervorgehen zu sehen. 

Ihre ersten Wirkungen offenbaren sich in der Umwandlung 
der Frohudeu in Pachtzins und der Ausführung ländlicher 
Arbeiten auf den Beaitaningen des Gntsherm durch bezahlte 
Tagelöhner. Darauf bewog das Steigen der Löhne den Eigen- 
thfimer die Bewirthschaftun^' seines Landes au^Eiigeben. In 
der Folge wurde er durch die Aussiebt auf mannigfache 
Vortheile dazu bestimmt, sein Gut nur an eine Person zu 
verpju'hten. Damit war in vielen Gesrenden Encrlands die Leib- 
ei^'enschaft thatsilchlich, wenn auch nicht rechtlich aufgehoben ; 
Spuren derselben sind noch in der Zeit Jakob I. vorhanden. 
IMe Stärkeren, eine liemlich zahlreiche Klasse von Klein- 
besitsem, hatten Unabhängigkeit und vielfach Wohlstand er- 
worben, die Schwächeren entbehrten in Zeiten der Noth der 
Unterstützuni:, welche ihnen in früherer Zeit del* Feudalherr zu 
geben verpt1i( htrt wnr. Allein die Weiterentwicklung der agra- 
rischen Verhältnisse gefährdete auch die Lage der Kleinbesitzer. 
Die Weidewirthscliaft, deren Einführung die erwähnten ökono- 
mischen Wandlungen erleichtert hatten, verringerte den Bedarf 
nach Arbeitskräften. Frfiher schon hatte der Gutsherr versucht, 
ftberflflssig gewordene Arbeitskräfte zu verdrängen, weil die- 
selben , ohne für ihn vm Nutzen zu sein, noch an dem Wald- 
und VViesennutzrecht Tlieil nehmen wollten. Nun wurden ganze 
Ortschaften niedergerissen, die Menschen vertrieben. „Wo 
früher in einigen 15ezirken (der Insel Wj-^ht) 2<>(i Menschen be- 
schäftigt waren und von ihrer redlichen Arbeit lebten, sind 

t'orscbuQgen (M) V. I. — U^ulacii. 1 



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2 



V. 1. 



jetzt zwei oder drei Hirten l)eschUftigt'* , heisst es in dem Ge- 
setze 4 Henry VII. c. 19 (1488). 

So wurden Leibeigene, \Yelche die Bedfliinisse des Lebens 
kärglich befriedigen Iconnten, in freie Proletarier verwandelt. 

Eigenthumslos und heimatlilos zogen Viele in die Städte, 
Andere durchstreiften bettelnd das Land. 

Al)er auch den Feudalismus hatte das ökonomische Prinzip 
pebrochen, nocli ehe das Schwert den Adel bei ^orthampton 
und Tewkesbury dahinraflfte. 

Als Heinrich VIII. den Thron bestieg, hinderte kein poli- 
tisches oder soziales Element die rQcksichtslose Entfaltung des 
Absolutisnius. Die Beste der alten nobility und gentry helfen 
dem Könige die andere soziale und politische Macht des Mittel- 
alters, die Kirche, brechen und plündern, und der Pauperismus, 
dem die Rosenkriege neue Schaaren zugeführt hatten, war nun 
zu einem Gegenstande ernsten ^achdenkeu8 englischer IStaats- 
männer geworden M. 

Dass dem anscliwellendeu Pruletariate keine Organe gegen- 
überstanden, welche zur friedlichen Bewältigung derselben rabig 
gewesen wären , beweisen die harten und gransamen Gesetze, 
welche das Parlament im 16. Jahrhundert gegen Bettler und 
Vagabiniden erlässt Wahrsclieinlich wilren einige der vor- 
handenen Institutionen auf dem Gebiete des Armenwesens selbst 
in normalen Zeiten nicht mehr zu einer wirksamen Hilfe im 
Stande gewesen. — Das Hilfswesen des Mittelaltei-s bei-uhte auf 
zwei verschiedenen l'rinzipien, auf einem natürlich -rechtlichen 
und einem ethisch -religiösen. Jenes liegt der gegenseitigen 
Unterstfltzung der Familiengenossen, den Schutzgilden und der 
grundherrlichen Alimentation zu Grunda Letztere existiite im 
Anfang des 1 G. Jahrhunderts natürlich nur mehr in seltenen Fällen. 
Dagegen standen die Schutzgilden nocii in alter Kraft da, mit 
Ausnahnje der überlitissig gewordenen, zur Vertheidigung von 
Leben und Eigenthum gegrtlndeten Friedensgildcn (frith-gilds). 
Wenn auch die anderen Aeste der Schutzgilde, die Hand- 
werkergilden (craft-gilds) und Kanimannsgilden (gilds-mercbant) 
in dem fruchtbaren Boden wirtbschaftlicher Genossenschaft 
wurzeln, so sind sie doch reichere und lebensvollere Gebilde, 
als dass sie in den Rabnien der abstrakten Association gezwängt 
werden könnten, über den sie nicht nur mit ihrer geselligen 
Seite hinausragen. Von christlichen Ideen durclitränkt , ge- 
währen sie Unterstützung nicht nur an ihre Mitglieder, sondern 
auch an Nicht-Gildegenossen. Darum stehen ihre nicht gewerb- 
lichen Bestrebungen den Zielen der Vereine^ welche sich auf 
ethisch -religiöser Grundlage erheben, sehr nahe. Indem wir 
uns irorbehfdten, den Charakter der Unteratfitzungsthätigkeit 

Emile de Lav^leyc: I-a propri^t^' et scs formes primitives. La pro* 
priäte en Angleterre et en Chine. Froude : iiistory of England I, 74. 



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8 



der Schutzgilden noch eingehender zu schildern, hetrachteil 
wir vorerst das Wesen des ethisch-relifriösen i^rinzips. 

Die grossen Theologen, welche in den ersten Jahrhunderten 
des Christenthums lebten, liahen deutlich gelehrt oder still- 
schweigend anerkannt eine Gemeinschaft irdischer Güter, deren 
Idee ans dem Jndenthmn fibemommen wurde. Jehoyah be- 
trachtet das alte Testament a]s Eigenthümer der Erde, die 
Menschen als seine Verwalter. Die gesetzlichen Voi-schriften 
des Moses zum Zweck der Durchführung dieser theologisch- 
rechtlichen Idee haben in dem Lehrjjebilude der Kirche keine 
8ti\tte gefunden. Dagegen wurde die Idee selbst von, den 
Kirchenvätern rein und eigenthümlich erfasst und die Vei wiik- 
lichong deisdbeii Im Namen der christlichen Liebe wenigstens 
in den ersten Jahrhunderten gefordert. Das Privateigenthum 
anerkennt die Kirche als eine traurige mit der verderbten 
Meiischennatur zusammenhängende Nothwendigkeit. Aus diesem 
GriHide sehen wir die Kirche überall als eine konservative 
Macht, trotz ihrer kommunistischen Prinzipien. Selbst kom- 
munistisch und sozialistisch , verdammt sie tlberall den Kom- 
munismus und Sozialismus. Aber aus diesem Kommunismus und 
Sonalismus flieest andei^erseits, dass sie den Besitzenden die 
Pflicht aufsrlegt, von ihrem Ueberflusse den £nteri)ten, Nicht- 
besitzenden Almosen zu geben. Unter Ueberfluss versteht sie 
den Ueberschuss der Einnahmen tlber die zum Stand esmilssigen 
Auskonmion nöthi,u:en Aus^^aben. AlniosoTi ist in der Sprache 
der Kirche ein kurzer, die sieben Werke d^r HarmheivJj^keit 
zusammenfassender Ausdruck. Als solche bezeichnet sie: die 
Hungrigen speisen , die Dui'stigen tränken , die Nackten be- 
kleiden, die Kranken besuchen, die Fremdlinge beherbergen, 
die Ge&ngenen erlösen und die Todten begraben (visito, -poto, 
cibo, redimo, tego, colligo, condo). 

Das christliche Prinzip offenbart sich nun in der pressen 
Privatwohlthäti^'keit der Einzelnen, des Welt- und IClosterklerus 
und der religiösen Gilden. • 

Zeichnen wir zuerst in ^nossen Zügen ein Bild der Or- 
ganisation der kirchlichen Wohlthätigkeit, wie sie in England 
bis zur Reformation bestand Nach den apostolischen Ganones 
sind die Bischöfe die Verwalter des Kirchengutes. Die kirch- 
lichen Einkünfte flössen aus Legaten, Zehnten und Geschenken 
(decimae et oblationes). Kin Coiicil . welches zwar nicht auf 
englischem Bodfn stattfand, das Comil von Orleans, hatte be- 
stimmt, dass aus diesen Einkünften bestritten werden sollte: 
die Instandhaltung der Kirchen, der Lebensunterhalt der Geist- 
lichen und der Armen und die Loskaufung der Gefangenen. 
Oft wird in spftterer Zeit ausgesprochen, dass ein Viertel des 
Kirchengutes den Armen gehftre. in ^nem der unter Eadgar 

>) PMhley, Panperitm aad Poor-LawB, Seite 134— l<jO. 

1* 



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4 



erlassenen Canones wird der Antheil der Armen auf ein Drittel 
festResetat. Unter dem Bischof waren in den ersten Jahr- 
hunderten niedere Geistliche mit der Austheilung der Almosen 
beschäftigt. 

Das «ConfessioDale Ecgberthi' fordert die Geistlichen auf, 
den Olftubigen ans Herz cn legen, dass sie reichHdi Almosen 

und Zehnten für die Kirche und die Armen geben sollten. 
Das ,Poenitentiale Theodori' befiehlt den Geistlichen, bei Strafe 
der Excommunication von ihrem Ueberfluss auszutheilen. Sie 
sollen nicht bloss beten, sondeni auch arbeiten, und den Erlös 
den Armen zukouunen lassen. Der Canon 9 Edward I. be- 
stimmt, dasä non resident rectois iilr deu Unterhalt der Armen 
ZU sorgen haben. 

Als Zehnten und Opfer an die PfarrgeisUiehen bezahlt 
wurden, ging die Armenpflege auf das Kirchspiel über, dodl 
wurde hierdurch die Stellung des Biscliofs als Armenpflegei-s 
nicht verrückt. Eine im „Mynor of Justice'' aufbewahrte ordi- 
nance bestimmt, dass die Armen vom Rektor und den Pfarr- 
kindern unterhalten werden sollen ^). In diesem Zusammenhang 
fällt helles Licht auf ein noch von Sir Frederick Eden in 
seiner wahren Bedeutung missverstandenes Gesetz Richard IL 
15 Richard II. c 6 setzt nämlich fest, dass, wenn KirchenpfrQnden 
auf Klöster und Kathedralkirchen übertragen werden, der Bischof 
veranlassen soll, dass aus den Einkünften derselben eine hin- 
längliche Geldsuiiinie zurückbehalten und jährlich an die aimen 
Pfarrgenossen vertheilt werde. 

Aus dieser Skizze ist hoffentlich so viel ersichtlich, dass 
der Bischof der ei*ste Beamte des kirchlichen Armenwesens, 
die Pfarrei ihr eigentliches Verwaltungsgebiet 
war, und die Armenkassen des Kirchspiels aus Stiftungen, 
SSehnten und Opfern gespeist werden. 

Die Art dor Wirksamkeit der englischen Klöster auf diesem 
Gebiete übergehen wir, da sie nicht von deijenigen ähnlicher 
kontinentaler Institutionen abwich. 

Sowohl die Tliätigkeit der Kirche als der Klöster begann 
ZU erschlatfen, b\b die Ansprüche an ihr die leibliche Noth 
linderndes . Wirken mit jedem Jahre wuchsen. Die grossen 
Stiftungen, welche der Kirche zugewandt worden waren, wurden 
den Absichten der frommen Geber entfremdet. Es ist schwer 
aus widersprechenden Berichten eine deutliehe Vorstellung von 



Aehnliclies früh im Kränkischen Reiche. Schon Ö<)7 sucht das 
Concil zu Tours die Städte und Ortschaften zu ver])flicht<'n, für ihre Arniea 
zu sorgen. Ein Ca])itulare Karl des Grossen aus dem Jahre 779 legt Jedem 
die ZaBlang des Zehnten «nf, damit daraus Almosen an die Annen nach 
Anweisung des Bischofs gespendet würden. 

*) Kden, The Stote of the'Poor. S. 844. Eden polemisirt dort gegen 
Biim's Ansicht, dass im Mittelalter in Engliod eine regelmlnige Annen* 
pflege bestanden habe. 



L;iyiiiztjo by LiüOgle 



V. 1. 5 

dem Grade moralischer Verderbtheit zu gewinnen, «leren sich 
die Regularen schuldig machten : aber darin stimmen alle Zeit- 
genossen uberein, dass die Kloster nicht so viel gaben, als sie 
geben konnten, nnd dass 8ie mit ihren Almosen ein Heer von 
Bettlern gross zogen. 

Bei dieser Lage der Dinge musste die Thiltigkeit der 
religiösen Gilde intensiver werden; denn sollten nicht höhere 
Ansprüche an sie gemacht worden sein , als das Proletariat 
eich vermehrte und Kirche und Kloster venotteten? — 

Um die religiöse Gilde genau zu vei-stehen, ist es voi 
Allem nöthig, auf ihren tiefen und wesentlichen Unterechied 
Ton der Sehntigilde hinsnweisen. Die letztere bedarf der 
Vielen, van den Einzelnen zur Erreichung ihrer Zwecke su 
verhelfen. Sie verdankt ihr Entstehen dem Egoismus der 
Schwachen. Die Mitjilieder stützen, vertheidigen, helfen, rächen 
einander. Die Eintracht leiht ihnen Macht und Starke. Die 
Vereinigung ist ihr wesentliches Element. Dagegen kann der 
Einzelne ein gottseliges Leben führen, seinen religiösen PHicli- 
ten nachkommen, Almosen geben, Messen lesen lassen, auch 
ohne mit Andern einen religiiisen Verein zu bilden. Die reli- 
gkJee Oilde gewinnt erst da einen der Sehntzgilde verwandten 
Charakter, wo sie Werke ausfuhrt« weldie Ober das Vermögen 
der Einzelnen hinausgehen, wenn sie z. B. religiöse Schauspiele 
darstellt, das Hild eines Heiligen stiftet u. s. w. 

Aber die F^nm des Vereins war, wenn auch nicht noth- 
wendig für die Ptiege religiösen Lebens, so doch der Entwick- 
lung desselben ausserordentlich zuträglich. Die Gildegenossen 
beteten miteinander, beteten für einander. In kleinen Ver- 
banden Hess sich das Ideal christlicher Liebe in allen ihren 
Richtungen verwirklichen. Hier war das Material vorbanden, 
an dem ein Jeder sich zur Denuith, zur Geduld und zur Selbst- 
verl:\u<:nung eraiehen konnte, und welches die Gesammtheit 
nach den Voi-schriften der Kirche zu fomien im Stande war. 
Hier war dem Wohlhabenden tilglich Gelegenheit gegeben, 
"Werke der leiblichen Barmherzigkeit zu Oben. Arm und Reich 
mnsste sieh gedrungen ftkhlen, denselben Vereinen beizutreten. 
Weisen ja auch die erhaltenen Mitgliederverzeichnisse Männer 
und Frauen aus den verschiedensten sozialen Schichten auf 

Die einzelnen religiösen Gilden, obwohl im Wesentlichen 
einander gleich, gewinnen dadurch einen individuellen Cha- 
rakter, dass sie einen Heiligen besonders verehren und dieser 
Verehrung durch Stiftung von Wachskerzen in einer demselben 

S »weihten Kapelle eder Kirche und durch ein Fest an seinm 
alendertage Ausdruck geben. Ob sich darin Nachkllinge an 
Sffoiw, sodalitates oder heidnische Gilden Terraten, ist fftr 
unsere Zwecke gleichgültig. 

Deutlich offenbart sich der vorher entwickelte Charakter 
der Gilde in der Einleitung des Statuts der ,Gild of Garlekhith'. 



Digitizeu Lj ^jüOgle 



6 



„In 1)6 worship of god almighti oure creato''', heisst CvS darin, 
„and hys moder seinte' marie, and al halwes (Heiligen) and 
seint Jame apostle, a fiaternitee is bygonne of good men, 
in pe chirche oi seint Jame atte Garlekhith in Londone pe day 
of Saint Jame pB 3er (year) of our lord MCCGLXXV for 
amendment of her lyues and of her soules and to 
noriche more loue bytwene |>e bretheren and 
BUBtren of pe bretherhedC*). ^ 

Der Umfang der Werkthätigkeit der religiösen Gilden 
deckt sich mit dein Umfang des kirchlichen Almosens. Nicht 
jede Gilde hat sich die Uebung aller guten Werke zum Zwecke 
gesetat Ist doch die Brnderschaft keine notwendige Form 
religiteen Lebens. Diejenigen Werke der Barmherzigkeit, 
welcher sie ihre Kr&fte widmet, sind daher in ihrem Statut 
genau begrenzt. 

Die Bruderechaft hat für die Genossen einzutreten, wenn 
sie „falle in pouerte, or be aneantised thorw^ el de (Alter) 
or thorw fyr oder water, theues (Diebe) or syknesse 
(Gild of St. Katherine, Aldersgate, London) oder porow losse on 
pe 80 (See) (Gild of St Thomaa of Ganterbury at Lynn — mit 
ähnlichen Worten auch The Gild of St* Leonard, Lynn and The 
Gild of Toung Scholars, Lynn). Wenn ein Mitglied ins Qo- 
föngniss freworfen worden ist, sollen die Brüder und Sehwesteni 
„comyn and vesyten hym, and comfordyn hym in his powere" 
(Gild of St. Leonard, Lynni oder falls er durch Boshaftigkeit 
unschuldig im Kerker schniachtet, soll er wöchentlich 14 Pence 
erhalten (Gild of Garlekhithj. Noch energischer drückt sich 
die ,6ild of the Smiths of Ghesterfield* aus. Sie verpflichtet 
die Brüder, Alles in ihren Kräften zu thuen, um die Befreiung 
eines unschuldig verhafteten Mitbruders zu erlangen. ,The 
Gild of Kyllyngholm' in Lincolnshire bestimmt, dass wenn ein 
Bruder oder eine Schwester ein Hausthier verliert, welches 
eine halbe Mark werth ist, jeder Bruder und jede Schwester 
ihm oder ihr einen halben i'fennig geben soll, damit er oder sie 
sich ein anderes Thier kaufen könne. Wenn ein Mitglied gestorben 
ist, begraben es die Gildebroder. Wenn es nicht allzuweit 
vom Sitze der Gilde verschieden ist, holen sie die Leiche ab. 
Ertrunkene Mitglieder ,der Gild of Holy Trinity* zu Wygnale, 
der ,Gild of the Assumption* am seihen Orte und der ,(^ild 
de Gran hone' sollen 6 Meilen weit gesucht werden^). Wenn 



>)Toiilmin Smith. English Oilds. Seite 3. Die meisten 
der Yon T. S. gesammelten Statuten datiren aus der Zeit Richards II. Sie 
wurden auf Befehl eines 13H8 zu Cambridge versammelten Parlamentes ein- 
gefordert. Diesem Werke sind alle folgenden Citate aus englischen Giiden- 
■tatoten entnommen. 

-) Aehnlicbc Bestimmung in Bordolesischen Gilden: „Item es estably 
que si aulcCi giraire meuret ou perisset en mer. . . . la gfrairie ie doibt fere 
dierdur. Confrairie des Coustorien de Bordeeolz. Siehe K Laurent: Le 
pMpMme et lea aasoeiatioiia de pri6?oyaiice. S. 162. 



7 



der Gildebi-uder einen Voi-schuss nöthig hat. dann soll er „go 
to \>Q keepers of box and take f)at he h&p nede*'. (Gild 
of St. Katheiine, Aldersgate and Gild of St. Fabian and Se- 
bastian.) 

Wenn eine Schwester heirathen oder in ein Kloster gehen 
will, und der Vftter die dazu odihigen Mittel nicht aufbringen 
kann, dann soll die GOdesie aussteneiu (Gild of the Palmen, 
Lodlow.) 

Die Fälle, in denen die Gilde für den Gildebiiider und 
die Gildeschwester eintritt, sind also sehr zahlreich. Sie 
untei-sttitzt sie im Alter, in Invalidität, in Krankheit, in Fällen 
unverschuldeter Aruiuth, wenn sie beraubt wurden, wenn ihr 
Eigenthum durch Brand oder Scfaiffbrueh vemlehtet worden 
war, wenn sie im Gefitngnisse sehmachteten, sie giebt Aus- 
Btenem, ersetzt den durch Viehsterben erlittenen Schaden, 
veranstaltet ein anst&ndiges Begräbniss fOr sie und schiesst 
ihnen Geld vor. Alle Ereignisse, welche eine Versichern ngs- 
gesellschaft in den Kreis ihrer Geschäfte ziehen könnte, wer- 
den von der Gilde zum Ausgangspunkte ihrer hilfreichen Thittig- 
keit gemacht. £s ist daher nicht zu verwundern, dass eng- 
liaehe Sehriftsteller, welche das Wesen der Gilde nicht erfassteiL 
dieselbe kurzweg iQr eine mittelalterliche Versicherang ani 
Gegenseitigkeit, fQr eine friendly society gehalten haben. 
Toulmin Smith beging den grossen P'ehler, sie „socialgild" zu 
nennen; das war sie jedoch nicht, und konnte sie nicht sein, 
wie eine kurze Begriffserörterung tleutlich machen wird. 

Denken wir uns einen Staat, in welchem ein Kommunis- 
mus aller Gdter heri'schte, und alle Ui'sachen ao vollständig 
bekannt wären, dasa sieh alles Geaehehen berechnen Hesse. 
In demselben wfirde jeder Sehaden von Jedem als eine abso- 
Inte Vernichtung von Werthen erkannt werden, den die Bürger 
nur durch neue Werthe produzirende Arbeit ei*setzen könnten, 
und die Thätigkeit der Menschen würde sich darauf richten, 
den Eintritt des Schadens, wenn möglich, zu verhindern. 
Könnte man berechnen, dass ein bestimmtes Stück Land in 
einem Jahre von einem Hagelschlage getroffen werden niüsste, 
dann wOrde vieDeicht die sonst auf Bestellung des gefährdeten 
Landes gerichtete Arbeit anderen Zwecken gewidmet werden. 
In einem Staate dagegen, in welchem Privatägenthnm existirt 
und die Kenntniss aller Ursachen nicht so weit vorgeschritten 
ist, wird jeder Schaden von dem Betroffenen als etwas Zu- 
fälliges, und was viel wichtiger ist, als eine Ungerechtigkeit 
gefohlt. Nachdem sich ihm hierin die Kehrseite des Privat- 
eigenthums offenbart hat, erwachen in ihm die kommunistischen 
Instinkte y aber auf ganz individueller Grundlage. Denn er 
wünscht nicht nur, dass Andere ihm diesen Schaden ti^n 
helfen, nein er will, dass sie ihm denselben ersetzen, dass 
sein Schaden aufgehoben werde. Wodurch bewegt er sie 



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8 



Y. 1. 



nun <lazuV Wendet er sicli an ihre Menschenfreundlichkeit? 
Nein, an ihre Selbstsucht. Helfen sie ihm aus christlicher 
Liebe? Kein, aus Egoismus. Geben sie ihm einen Beitrag ohne 
eine Gegenleistung zu verlangen? Im Gegenthei), sie handeln 
nach der Maxime: Do, ut des. Sie ersetzen ihm seinen Schaden 
unter der Bedingung, dass er ihnen eintretenden Falles ihren 
Schaden zu ersetzen verspricht. Es bedarf gar keiner Erwäh- 
nung, drtss der einzelne Fall, von dem wir ausgingen, nicht 
aus der Wirklichkeit gegriffen ist. In der realen Welt werden 
Verträge zur gegenseitigen Aufhebung mdividueller Schäden 
vor dem Eintritt eines Sebadens abgeadilossen, sehlieast nicht 
Einer mit Vielen, sondern schliessen A119 mit Allen einen Ver- 
trag ab, und das Motiv in seiner konkreten Gestalt ist die 
Furcht eines Jeden, auf einmal mehr verlieren zu können, als 
periodisch einen kleinen Betrag. Aber das WVsen ist in dem 
fiktiven und jeder Art von wirklichen Versicherungverträgen 
dasselbe. F^ine Gesellschaft, in welcher Vei-sicherer und Ver- 
sicherte nicht dieselben Personen sind, muss die Piäitiieu 
um eine Quote des Gewinnbetrags des Versicherers erhöhen. 

Aus dieser Erörterung geht zweierlei hervor. Erstens 
enthält der Begriff der sogenannten Selbstversicherung 
einen Widei-spruch , da ja die Vei-sicherung den Scliaden des 
Einzelnen für denselben aufheben will. W^er in einer sol- 
chen wirthschaftlichen Lage ist. dass die sotienannte Selbst- 
vei*sicheinng ebenso billig ist, wie die Versicherung auf Gegen- 
seitigkeit, eignet eine solche Menge wirthschaftlicher Güter, 
dass er den Schaden ebenso als eine absolute Vernichtung 
von Werthen empfinden muss, wie ein kommunistisches Ge- 
meinwesen. Es fehlt uns der Raum, des inneren Wider- 
spruchs eines solchen Verhältnisses und der sozialen Perspek- 
tiven, welche es eröffnet, zu t^edenken. 

Zweitens zeigt diese Krüi terung, dass der im Versichei ungs- 
wesen pulsirende Egoismus das Individuum nur so lange einen 
Schadenersatzvertiag mit Anderen abschliessen lassen wird, als 
die SchadeneintrittonögHchkeit noch nicht durch die Sehaden- 
eintrittsgewissheit ersetzt ist Sobald dieser Punkt erreicht ist, 
hört das Versicherungswesen auf Dann besteht die wirth- 
schaftliche Fürsorge gegen Verlust im Sparen und Leihen, 
eine Versicheiungsgesellscbaft wird eine Spar- und Yoi'schuss- 
bank. 

Wenn wir auch den Eintritt jedes Schadens nicht be- 
rechnen können, noch jemals voraussichtlich können werden, 
80 zeigt sich doch schon Jetzt die das Versicherungswesen 
aufhebende Tendenz desselben in allen Zweigen, beson- 
ders im Lebensversicherungs- und auch im Krankenversiche- 
ningswesen. Die rohe Klassifizirung der Versicherten nach 
Alter, Gesclilecht, Beruf, Konstitution etc. suclit die l^eitriiae 
der nicht geschädigten Versicherten für den von einem Schaden 



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9 



Betroffenen zu reduziren und der Lebensversicheiunfrspesell- 
Schaft den Charakter einer Sparbank zu verleihen. Die Prä- 
mienzahlungen der Verlierer im Lebensversiclierungsgeschäfte 
bestehen aus 2 Theilen, aus einem Bruchtbeile x, der eine Quote 
d6B an aie oder an ihre Erben bei Erreichong einee beBtimmten 
Alters oder nach ihrem Tode auszuzahlenden Betftgee ist nnd 
einem Bi*uchtheile y, der in einen Fonds Hiesst, aus dem die 
Verluste bestritten werden müssen, welclie aus der mangelnden 
Kenntniss der Lebenserwartung: der Kin/olnen enü^pnnjzen. 
Die Tendenz des Lebensvei-sichei-unjrswesens geht also dahin, 
den Bruchtheil y in unendlichem Progresse z\x vermindorn. 
Jede verbesserte Mortalitätstafel bezeichnet einen kleinen 
Schritt naeh jenem fernen Ziel. Besässen wir jene oben 
eharakterisirte Kenntniss, dann wQrde der Bruchtheil y ver- 
schwinden, und das Element der Association wäre, wenigstens 
in seiner jetzigen Gestalt, eliminirt. Noch ein andei-es Symp- 
tom im Lebensvei-sicherunpswesen deutet auf diese Tendenz 
hin. Viele Spareinlagen werden gemacht nicht mit der Ab- 
sicht, sich für einen möglichen Schaden zu rüsten, sondern sich 
einen Vortheil, soweit die ThAtigkeit des Sparenden nicht durch 
fremde Einflasse durchkreost wird, in der Zukunft zu sichern. 
Dasselbe Motiv liegt manchen Lebensversicherungsgesch&ften 
SU Grunde. 

Vielfach gilt Aehnliches vom Krankenunterstützungswesen. 
Je mehr sich die Kenntniss der Krankheiten und Constitutionen 
vervollkommnet und spezialisirt , um so mehr werden sich — 
wofern nicht technische Schwierigkeiten entgegenstehen — 
auch die Beiträge individualisiren und eine Krankenkasse wird 
sieh in langsamem Fortsehritt dem Charakter einer Spar- 
ond Vorschussbank nähern, in welcher der Versicherte das 
Geld, welches er während seiner Krankheit ftlr seinen Unter- 
halt ausgeben inuss, in kleinen Betragen ansammelt, und aus 
der er, falls er früher krank wird, als erden zu seinem Unter- 
halt nöthigen Betrag angesammelt hat, einen Vorschuss erhält 
Wir werden es voraussichtlich nie vermögen, diesen Zweig 
des Versicberangsweeens bis m einer solchen HOhe m erheben, 
dass wir dem Versicherten bis auf Tag und Stunde vorrechnen 
können, wie lange er in seinem Leoen krank werden wird, 
und darnach die Prämien zu bemessen im Stande sein. In 
gewissen Grenzen wird Jeder, welcher Krankengeld erhält, ein 
Gewinner oder Verlierer sein. Aber es ist wahrscheinlich, 
dass wir jene Grenzen immer mehr einschränken lernen. Und 
die Kintheilung in Alters-, Geschlechts-, Konstitutions- und 



' ) Eine grosse Londoner Hilfskasse hält noch immer an gleichmässigen 
Pr&mien fest, weil das Erheben individualisirter Primiea Wik viel Zeit, n 
viel Yerwaltungspersonal erfordern würde. 



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10 



Berufsklassen ist ein roher Versuch, zu diesem Ziele zu ge- 
langen. 

Theoretisch hat also alles Versicherungswesen, welches 
ftitf Sehadendntrittamöglichkdt beruht, den Charakter einer 
Lotterie, das Lebenerersicherungsweeen hat die Tendens, rieh 
dem Charakter einer Sparbank, und das Krankenversiche- 
iningswesen, sich dem Charakter einer Spar- und Vorschussbank 
zu nähern. 

Und nun springt in die Augen, dass religiöse Gilde und 
Versicherungsgesellschaft auf ganz verschiedenem Boden er- 
wachsen sind. Krstere reflektirt in ihrem Wesen, ihrem Ge- 
bahren den kommunistlsehen G^anken, welcher aller 
chijstlieh-reKgiösen Wohlthätigkeit zu Grunde liegt. Letztere 
ist eine individualistische Institution in sozialem Gewände, 
eine Institution der sozialen Selbsthilfe. Ei'Stere ver- 
anlasst zu guten, aus der Idee christlicher Liebe fliessenden 
Werken Vi, letztere offenbart, was der Egoismus der Schwachen 
vermag. Jene gibt und erwartet keinen irdischen Dank, diese 

S'bt, damit wiedergegeben werde. Auf den Almosen hat kein 
it^ed dner Gilde ein klagbares Recht, wohl aber hat der 
Verricherte ein klagbares Recht auf Schadenersatz aus der 
Kasse einer Versicherungsgesellschaft. 

Von grösserer Bedeutung ist folgender Unterschied. Jedes 
Mitglied einer Versicherungsgesellschaft hat Anspruch auf Unter- 
stützung, mit Almosen können nur Anne bedacht werden. 
Smith's Sammlung legt davon Zeuguiss ab. 

3if (if) enyl of pe foresaide broI>erhede, bestimmt das 
Statut der Gild of Garlekhith (S. 5) falle in such meschief 
he hath nought, ne lor elde oper mischidf of feblenesse, 
help hym-self, dann soll er unterstfitzt werden. 

Die Gilden of St. Katherine and of Sts. Fabian and Se- 
bastian zu London (S. ü — 9j geben Unterstützung im Falle ein 

Bruder falle in pouerte {jat he may not helpe hym-self. 

Die Fratemitas Sancte Katherine und die Fraternitas 
Sancti Ghiistophori, beide stt Norwich (S. 20 nnd 24) geben 
Unterstützung, wenn ein Mitglied falle in potiert (powerte or 
mischief) thurghe auenture of ye werld. 

Als Almosen bezeichnet diese Gaben ausdrücklich the Gild 
of the Peltyers, Norwich (S. 31): yat quwat brother or syster, 
be goddis sonde, falle in mischefe er mys-ese, and haue nout 

to helpen himsclfe he schal han Alm esse But if it be 

his foly, he schal uuut han of ye e 1 m e s. 

Sehr klar drftekt denselben Gedanken ein Paragraph des 
Statuts der Carpentera* Gild in Norwich aus (S. 38). Also 



>) Kurz drOckt diesen Gedanken dts Statut der ,G!ld of tbe Lord't 

Prager' zu York mil folgenden Worten aus: Arul bec.iuse vain is the 
gathehng of the üaithful without &ome york otKindlinegs is done. 



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V. 1. 



11 



pese bretherin hau ordeyned, be weye of charite t)at if any 
broper or sister may noueht withe his craft (Ge- 
werbe) ne withe his godis (Vermögen) helpen himself, he schal 

han eueri woke, a ferthing ...... in honor of 

er ist and his moder, and for alle cristene sonles. 

Dass die Pflege des religitaen Lebens immer die Hanpt- 
saehe ist, das Spenden von iJmosen znrficktreten kann, ver- 
rnth das Statut der Aimengilde zu Norwich (S. 40) durch ein 
kleines Wort. Die Gilde war von den Annen einer arnien 
Pfarre „in helpe and amenduient of here pouere parish chirche** 
gegründet worden. Während nun in dem Statut immer nur 
TOD t>e bretheryn and sistrin of p\s gilde gesprochen wird, 
helsst es in dem auf die Wohlth&tigkeit der Gilde bezüglichen 
Paragraphen: And if any broper or sister of i^is pouere gilde 
falle in pouerte or sicknesse, dann soll er Unterstützung er- 
halten. Ks mapr als eine künstliche Deutelunpr ei-scheinen, 
aus dem Adjektiv pouere an der Stelle folgern zu wollen, dass 
die Gilde sich bewusst gewesen wäre, ein Uehriges zu thuen. 
Aber Jedem muss auffallen, mit wie vielen Negationen die Gilde 
ihre Th&tigkeit einzuschränken sucht Ein Mitglied soll nur 
dann unterstützt werden, wenn er „may nou;th helpe Imn-self 
with his Owen godis and he may nought ne haue no;the to 
snsteyne himself." 

Dass der Binder kein Hecht auf Unterstützung hat, geht 
aus dem Statut der Gild of the Holy Gross in Stratford upon 
Avon hei'vor. Er soll , in) Falle er beraubt wurde oder in 
Armuth gerathen ist, nur solange unterstützt werden, „ub he 
bears himself well and rightly towards the bretheren and 
sisteren of the gild/ 

Die in den Friendly Societies vorgeseliene Zahlung einer 
Summe beim Tode eines Mitglieds ist bei den Gilden eine Ireie 
Gabe, welche nur Armen /u kommt. 

Also, ;if any brother dye, pat ba|> nou;t of his owne 

to be beried withe panne schal he be beried 

wt pe moneye of pe comune box (Gild of St. Katberine and 
Gilds Ol St. Fabian and Sebastian, Aldersgate, London. S. 7 
und 10). 

Aehnliche Bestimmungen finden sich in vielen Schutzgilden. 

Wenn Jemand in Arnnith -reräth , bestininit die Lincnlner 
Schneidergilde (S. 182) and he has not the means of 
Support, dann soll er jede Woche 7 pence erhalten. 

Die einschläglichen Bestimmungen der Gild of the Smiths 
zu Chesterlield sind in so wahrhaft christlichem Geiste ab* 
gelasst, dass wir sie ganz folgen lassen: „Wenn ein Bruder 
krank ist'', heisst es Seite 169, „und er Unterstützung braucht, 
dann s(dl or täglich einen halben Pfennig erhalten. Wenn 
Brüder in Armuth jjerathen, dann sollen sie, einzeln, an be- 
stimmten Tagen in die üäuser der Brüder gehen, wo Jeder 



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12 



höflich empfanden werden soll, und dort soll ihm, als wäre 
er der Herr des Hauses gegeben werden, was er an Speise, 
Trank und Kleidung nöthig hat, und er soll einen balbea 
Pfennig wie Diejenigen haben, welche krank Bind, nnd dann 
soll er im Namen des Herrn nach Hause zurflckkehren." 

The Gild- Merchant of Coventiy bestimmt (S. 229), dass, 
wenn Brüder oder Schwestern durch Alter oder KrankluMt so 
schwach werden, dass sie für sich weder arbeiten noch Handel 
treiben können, sie auf Kosten der Gilde erhalten werden 
sollen. 

Ein Unterschied zwischen Scbutzgilden und religiösen 
Gilden besteht zuweilen darin, dass die ersteren Tomehmlich 
fremde Arme bedenken. 

Die Walkergilde zu Lincoln (S. 181) bestimmt, dass beim 
Tode eines Bruders Brod unter die Armen vertheilt werden 
soll. Wenn ein (Üldebruder in Armuth genith, soll ihm Geld 
vorgeschossen werden, welches er zurückzahlen muss, sobald 
er sich in besseren Umständen befindet. — Hier liegen die 
Anfänge des Versicherungswesens, oder, wenn man will. Credit^ 
Wesens und die christliche Bannherzigkeit nahe bei einander 

Im Gildestatut der Ziegelbäcker zu Lincoln (S. 184) ist 
keine Unterstützung für arme Gildebrüder vorgesehen. Da- 
gegen sollen die Armen am Fronleichnamfeste Bier erhalten. 

Genügen die von T. Smith gesammelten Statuten zu einem 
richtigen Bilde des en'jlischen Gildewesens, so tiieilen die 
Handwerker- und Kauiiiiaunsgilden häuhger Almosen an Nicht- 
GildebrQder aus, als die religiltoen* Das wttrde sich schon aus 
Uirem grösseren Reiehthum erklären. Die Schneidergilde su 
Lincoln begräbt TtMlen, der nicht die nöthigen Mittel dazu 
hinterlässt. An ihren Festtagen wird den Armen Bier gereicht. 
Jeder Bruder und jede Schwester niiiss jährlich oine })estinimte 
Summe für Almosen zahlen (S. 182 und 183). Die Kaufinanns- 
gilde zu Coventry unterhält nicht nur 31 invalide und arme 
Brüder und Schwestern, sondern sie besitzt auch ein Haus mit 
18 Betten far arme Beisende. In demselben wohnt eine Frau 
„to wash their feet and whatever eise is needed*. (S. 229). 

Es gibt aber auch religiöse Gilden, welche Almosen an 
Nicht-Gildebrüder nnd -Schwestern spenden. Jedes Mitglied 
der Gild of the Blessed Mary in Chesterfield ..sball on friday, 
in Pentecost week, give j. d. towards alms, and another for 
wax (S. 168). Das Statut der Gild of Sanct Benedict bestimmt, 
dass „every year, at the Said feasl ot tlie Turihcation, they shall 
feed as many poor as there are bretheren and sisteren, in the 



') Hoch öfter z. B. The Gild-Mercbaot of CoTentry. .ibe gild shall 
lend him a amii of monevi to trade with and nake nios with for ono 
V* ar, or two, BB Ihn tliink weU, witliont taking aoytiiiiig for the loao." 



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V, 1. 



18 



gild, with biead and ale and one dish of tlesli or tish, nt the 
cost of the pild" (S. 172). Am Bejrräbniss^tage eines Mit^^Iieds 
soll jeder Bruder und jede Schwester „give a helf-penny to 
buy bread to be given to the poor for the soul of the dead** 
(S. 173). Am FnmMehDamsfeste theilt die Gild of Saint 
Michael on the Hill Bier an die Armen aus. Bei Gelegenheit 
dee Festes, welches die Gild of the Holy Gross in Stratford 
lipon Avon veranstaltet, sollen die Armen Bier bekommen 
(S. 217). Wenn die Brüder und Schwestern der Gild of St. 
Peter zu Wypnale bei ihrem jährlichen Feste vei-sammelt sind, 

dann soll „qwat godes man come to our fraternite 

haue inete and dr)'nke, quyles (wbile) it will last". Andere 
Hilfe ist nicht vorgesehen (8. 117). Die erw&hnte Gild of the 
Holy Gross stellt auf ihre Kosten ein Wachslicht vor der Leiche 
eines Armen oder mittellosen Fremden auf (S. 215). 

Wenn unsere Ansicht richtig ist, dass die Unterstützungen, 
welche die GiUle ihren eiirenen Mitgliedern zukommen lässt, 
als eines der in den Statuten vorgesehenenWerke 
christlicher Liebe zu betrachten sind, kann es gar nicht 
verwundem, dass es Gilden gibt, welche weder armen Mit- 
gliedern noch Nichtmitgliedem UnteratOtznng angedeihen las- 
sen. Die Bretherhede of Barbres zu Norwich verfolgt nur den 
Zweck,- Wachslichter vor einem Altar zu unterhalten. (S. 27), 
Aehnliche Ziele hat die Saddlei-s' and Spurriers Gilde zu 
Norwich (S. 42 ff.). Die Gild of Corpus Christi zu York will 
die Fronleichnamsprocession feierlich trestalten. Kein Para- 
graph beschAftigt sich mit armen Brüdern. (Seilen 141, 142, 
143)1). 

Madi der Lektüre vorstehender Bestimmungen wird man 
sich leicht davon t^berzeugen, dass die Forderung bestimmter, 
regelmässiger Beiträge von Seiten der Gilden, welche bei ober- 
tiächlicher Betrachtung die Brüderschaft zu Versicherungs- 
gesellschaften auf Gegenseitigkeit zu stempeln scheint, Nichts 
für diesen Charakter beweist. Denn erstens bestreitet die 
religiöse Gilde aus diesen Beiträgen viele der gegenseitigen 
Yeisichening fremde Anagaben z. B. Wachsliehter, Almosen 
an Nichtvereinsmitglieder u. s. w.; zweitens fordern manche 



Wir AA'oIIeo den Gegeostand nicht Terlaseen, ohne auf den ParM 
irraplien einer Londnn'T (Jilde hinzuweisen, welche rton Unterschied von 
arbeitsonfähigen und arbeiteluhigcn (arbeitslosen?) Armen henroi hebt. „And 
nf it to bemlle pat he be ;ong ynows (jung genug) to werche, «od he 
fall»i in nu'sclief, and j at it may be take nat lir nc hath nouzt of 
his owenc to belpe h^nn-self witbe, tbat the bretheren helpe bym, eche 
man wt a pordoun, what his wille be, in wey of charite, aauynge bis 
e.st;iat. (S. 9.) Wie Toulmin Smitli dazu kam, dicben Paragraphen in die 
Worte zusammen zu fassen: „The young to be helped to work" ist mir 
OQverständlich. Der Unterschied zwischen der La^e eines jungen und eines 
alten Almosenempfftngers besteht darin, dan für jenen keine fette perio- 
disebe Unterttatzung bestimmt wird. • 



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14 



V. 1 



Gilden Beitiji^re ein. ohne ihre Mitirlieder zu unterstutzen, 
drittens er\vaiteii sdir viele Gilden von ihren Genossen auch 
noch freiwillige Schenkungen, viertens kommt es vor, dass das 
Eintrittsgeld Dach dem YermOgeii des Eintretenden noimirt 
wird. Kora: die regelmässigen Beitiüge sind keine Prämien 
sondeiii Quoten der Summen, ^Yelche zur Ausführung der von 
der Gilde durch Statut festgesetzten frommen Werke noth- 
wendig sind. 

Zur völligen Beschi eihung der religiösen Gilde ist es noth- 
wendig, ihren geselligen Charakter einen Augenblick ins Auge 
zu fassen. Dass sie überhaupt gesellig war, halten wir weniger 
für wichtig — weisen doch tgavoi und collegia Aehnliches auf, 
mag ja auch die Verbindung von Gottesdienst und Geselligkeit 
bei den teutonischen Gilden, wie Wüda nachgewiesen hat, 
auf die Sitten der heidnischen Germanen zurückzuführen sein 
— von grösserer Bedeutung ersclieint die Thatsache, dass in 
den Statuten das jährliche Fest, welches an dem dem Schutz- 
patrone der Gilde geweihten Tage statthndet, als eine ethische 
Massregel aufgefasst wird ,,to norishe more knowlech and 
loue** zwischen Brüdern und Schwestern. In Wirklichkeit 
scheint das Fest häufig die entgegengesetzten Gefühle erregt 
zu haben. Sonst wäre es unerklärlich , dass sich in fast allen 
Statuten Bestimmun^'cn über die Bestiafiin^jf von Brüdern und 
Schwestern finden, welche beim 1 e.^te lärmen und streiten. 

Ueberhaupt scheinen beide Gescliiechter von der Würde 
eines Giklemalils keine höheren Vorstellungen gehabt zu haben, 
als^ von der Wflrde jedes anderen Mahles. Es muss eingescliärft 
werden, dass Niemand im Mantel, oder in Waffen mit nackten 
Beinen oder baifOssig erscheinen darf, Brüder und Schwestern 
sollen den Bierkrug nicht in ihrer Nähe stehen lassen, oder 
mr beim Feste einschlafen Auf die dem Schlafe voran- 
gehenden physiolofiischen Vorgänge kann man schliessen, 
wenn man liest, wie dem Alderman ungefälir \^ Liter Bier 
als sein Deputat zuerkannt werden. Niemand darf das Bier^ 
Zimmer betreten, diese Bestimmung kehrt immer wieder, ohne 
Erlaubniss eines Beamten. Niemandem ist es gestattet, im 
Lokale zu bleiben, nachdem der Alderman es verlassen hat 
Die Gilde zu Kyllyngholm erlaubt jedem Gildebruder, im Falle 
er Besuch bekommt und kein "NVirtbshaus in der Nähe ist, 
sich Bier aus der Gildhall holen v.u. lassen : aber sie fühlt sich 
veranlasst, hinzuzufügen, sie werde nicht gestatten, dass ihr 
ein Streich gespielt werde. 

Wir würden den Platz, welchen das Fest im Leben der 
Gilde einnimmt nicht deutlich bezeichnen, ohne hinzuzufügen, 



>) Derartige Paragraphen lasten in den OildefiBBloa GemUde ftr Jan 

Steen ahnon. — Wor kranklieitslialbcr beim Gildefote nidlt tugegeo 86111 
kann, soU sein „potel of ale'* ins Haus erlialten. 



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Y. 1 



15 



dass iWe Brüder und Schwestern in einer von der Gilde vor- 
geschriebenen Uniform am Morgen des Festtages in ProcessioQ . 
nur Kirche gehen, oder reiten, um daselbst eine Messe zu 
bören^ und dass sie am Tage nach dem Feste einem Requim 
für die Verstorbenen beiwohnen müssen. In weldidh Zustande 
sich manche Brüder und Scliwestern bei Anhörung der Todten- 
messe befunden haben mö^'cn, kann auch eine milssijre Ein- 
bildungskraft zur lebendigen Anschauung brin^jen. Aussei dem 
Feste halten die Gildegenossen periodische Zusammenkünfte, 
wo die Angelegenheiten der Gilde beratheu, Beamte erwählt 
(die entweder das Amt annehmen oder hohe Strafe sahlen 
mfissen), und Schatzmeister bestimmt werden, welche die 
regelmässigen Beiträge und Eintrittsgelder der Bi-üder und 
Schwestem in Kmpfancr nehmen, das Eigenthum der Gilde be- 
wahren und einen jährlichen Bericht über den Stand des Ver- 
mögens abstatten müssen. Das Statut der „Gild of the Smiths*' 
of Chesterfield enthält schon die Bestimmung, dass die Gilde 
zuerst aus den Gütern eines ohne Testament Gestorbenen be- 
friedigt werden moss. Die Schatsmeister mttssen Kantion 
stellen. Streitigkeiten der Gildegenossen untereinander werden 
Ton den Beamten der Gilden ohne Appellation entschieden. 

Damit ist die Schild eninir des Hilfs- und Untei-stützungs- 
wesens, wie es beim Regierungsantritt Heinrich VIII. bestand, 
beendet Wir sahen, dass das Proletariat in stetem Zunehmen 
begriffen war, die feudale Alimentation fast ul)erull aufgehört 
hatte und Kirche und Klöster ihre sociale Pflichten ungenügend 
erftülten. 

Wenn wir uns jetzt za der Dai*stellung der Gesetasgebnng 
Heinrich VIII. auf dem Gebiete des Gildewesens wenden, 
müssen wir unser Bedauern aussprechen, dass dieselbe nur im 
Anschluss an die Armengesetzgebung verstanden werden kann, 
und das Wesentlichste derselben erwähnt werden muss. Das 
Gesetz 22 H. VIII. c. 12 hatte die Komuiunalbehorden er- 
mächtigt, arbeitsunfähige Arme mit Bettelbriefen zu ver- 
sehen, arbeitsfähige Bätier durchpeitschen zu lassen, bis 
Ihr Körper blutrünstig war und sie dann in ihre Heimath zu 
schicken. Die Folge scheint die gewesen zu sein, dass beide 
Klassen in ihre Heimath zurückkelirten. Welche Pfanei wird 
nicht gern jeden Bettler für einen arbeitsfähigen Vagabonden 
angesehen haben? Fünf Jahre später wurde das Statut 27. 
U. VIII. c. 2ö erlassen, welches sich ausdrücklich als eine 
Fortsetaing des erwähnten Gesetzes ankOndigt Es will Be* 
Stimmungen Ober die in ihre Heimath zurückkehrenden Armen 
treflfon. Sie sollen «most charitabl\ ' aufgenommen, die arbeits- 
jCUiigen unter ihnen beschäftigt und die arbeitsunfähigen durch 
Almosen erhalten werden, so dass Niemand gezwungen ist zu 
betteln. Pfarreien , welche diesen Anordnungen nicht nach- 
kommen, verfallen in eine Strafe von 2ü Schillingen. 



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16 



£s muss bis in die Zeit Heinrich VIII. eine kirchliche Aimen- 
pflege bestanden haben, sonst wäre es unverständlich, dass das 
Gesetz die Armen auf kirchliche Almoeen anweiBt, ohne nur 
im mindesten daa Bewusstsein sa verrathen, dass es eine gana 
neue Einrichtang treffe. Andererseits geht nicht minder deut- 
lich aus demselben hervor, dass die kirchliche Armenpflege 
vei fallen war. Das Gesetz will sie neubepründen, und erlässt 
darum eine Reihe von Bestimmunpen , die sich mit der An- 
drohung einer Strafe von 20 Schilling monatlich nicht recht 
vertragen. 

Den GdsUichen wird ans Herz gelegt, ihre Pfarrkinder 
auf der Kanzel, im Beichtstuhl und bei der Abfassung dea 

Testamentes zu reichlicher Spendung von Almosen zn ermahnen 
Doch ist Niemand gezwunjzen, Almosen zu peben. Wenn also 
nicht genug einkommt, um die Armen zu erhalten, ist die Pfarrei 
in übler Lage. Sie wird bestraft, kann aber Niemand zur 
Zahlung von Beitrii^eu vcrptlichten. Um eine tüchtige und 
geordnete Armenpflege möglich zu machen, unterdrückt das 
Gesetz das Austheilen von Almosen seitens Einzelner und Kor- 
porationen, da dieselben gewöhnlich solchen Armen zukämen, 
die ihrer nicht bedürften. Was dieselben geben wollen, sollen 
sie an die kirchlirlie Armenkasse al)liefern, welche jeden Sonn- 
und Feiertag Beiträge annimmt. An der Yeiivaltung derselben 
nehmen die Kirchenältesten theil. 

Wie sehr die Armenpflege als eine kirchliclie Angelegenheit 
angesehen wurde, leuchtet auch ans der Bestimmung des Ge- 
setzes 5 u. 6. Edward VI. c. 2 hervor, dass diejenigen, welche 
keine Almosen zahlen sollen, vom Geistlichen sanft ermahnt, 
und, wenn sie diesen nicht hören wollen, vom Bischof ebenso 
sanft überredet werden sollen. Dass der Bischof als die höhere 
Instanz, als der eigentliche Armenpfleger angesehen wird, ist 
von be.son(ierer Wichtigkeit. 

So selbst nach der Reformation. Allerdings glaubten die 
englischen Beformatoren nicht und glauben ja die anglikanischen 
Vertreter derselben noch heute nicht, mit der Vergangenheit 
gebrochen zu haben, sondern zu den reinen Traditionen der 
Urkirche zuittckLM'kehrt zu sein. Vergehen der Armenpfleger 
geliören nach dem nämlichen Gesetze vor das Forum des 
Bischofs 

Ei*st später, als der Kampf gegen die Gilden beendet ist, 
durch 5. Elisabeth c. 3 werden die l iiedensrichter ermäciitigt, 
einen Pfarrangehdrigen , der fOr die Ermahnungen und lieber- 



V) Confessionale Ecgbehrti! 

Eden erinnert daran, dass die von Elisabeth gescbati'eue liestiui- 
mung, Kirchenstratgelder sollten theilweise in die Armenkasse fliessen , an 
die innige Vorbindung von Kirche und Arrnenwesen gemahnt. (S. 138.) 
Dieselbe Anordnung in den ersten Jahrhunderten des CbristenthomB. 



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V. 1. 



17 



redunpen des Bischofs taub ist, die Zahlung eines wöchentlichen 
Almosens aufzuerlegen, sofern auch ihr freundliches 
Zureden nichts hilft 

In diesem Zwaoge zu einem freien Werke der Barm* 
herzigkeit offenbart sich das Ringen zweier verschiedener Prin- 
apien, welches im Jahre 1572 tmn A])sch]iiss kam. Das AI- 
mo'=^en wurde in eine J^teuor verwandelt. Damit war ein Ver- 
j^k'ich abgeschlossen zwischen der ethischen Macht der Kirche 
und der rechtlichen des Staates. In das moderne Gebäude 
des Staates war ein uralter Haustein eingefügt worden, eine 
Thatsache, welche von den Einen für eine Wohlthat, von den 
Andern fOr ein nationales Unglück gehalten wurde und wird. 

Nahm damit der englische Staat nicht die Gesetzgebung 
Mosis an? Er erkannte an, dass die Armen ein Redit am 
Unterstützung durch die W(dillia])Cnden hätten Der Arme, 
wel'diei im Ii». Jahrhundert sein Mahl im Armenhause ver- 
zehf l, verdankt e> der sozialen Gesetzgebung, welche der jü- 
dische Vuiksfuhrer vor Tausenden von Jahren erliess, einer Ge- 
setzgebung, deren ethischer Kern in der Hülle des Christen- 
thums nach England getragen wurde, und dort, nachdem die 
Form, in welcher sie auftrat, zertrQmmert war, gleichsam 
chemisch frei wnrde« und sicli wieder mit dem Elemente staat- 
lichen Zwanges vermählend, dieselbe politisch -soziale Ver- 
bin<lung in neuer Krystallisation herstellte. - 

Das erwähnte (besetz 27. lleiinicli VIII c 25 hatte die 
Klöster und Gilden ausdrücklich von der Bestimmung ausge- 
nommen, dass Korporationen ihre Almosen an die Kirchen- 
kaase ahsnliefern hätten. Aber schon bald wurde die Thätig- 
keit vieler KlOeter in Folge einer Untersuchung aber ihre Kor- 
ruption lahm gelegt. 

Durch 27. H. VIII. p. 28 wurden die kleinen, reiidrisen 
HAns(M-. welche an Land, Zinsen, Zehnten und andeitMi V.in- 
künfleii kein holteres Einkommen als 200 hatten, aut^elost, 
„For US mucii'', wie es Kingan^-s des erwähnten Gesetzes heisst, 
„as manifest synne, vicious, camal and abominable Living is 
daily nsed and eommitted commonly in such Httle and small 
Abbers** etc. Das Eigenthum wurde dem Könige zuge- 
sprochen, damit es „zu besseren Zwecken** verwandt 
werde Den Patronen und Allen, welche die Hänser mit mil- 
den Stiftuni^en bedacht haben, sollten ihre Hechte, Interessen, 
Titel, Annuitäten etc. unverkürzt bleiben. Diejenigen Personen, 
welchen der KOnig die Klostergüter übertragen würde, sollten 
zur Zahlung der an ihnen haftenden Almosen vei-pflichtet sein. 

Das Gesetz 31. H. VIIL c 13 verlieh dem König vier 
Jahre später das Recht, das erw&hnte Gesetz auf alle Kloster 
anacudelinen, die noch bestanden. 



1) Alle Ciute der Einleitung auaeDgiiicimQetcUen nach den t>tatote»>t]ari» 



18 



Diese (iesetze gaben indirekt die Veranlassung zur Kon- 
fiskation der Güter der Gilden. Die Enteignung der Klöster 
erschütterte •die Zuversicht auf Fortbestand aller auf religiösem 
Boden erwachsenen Organisationen. Patrone und Stifter such- 
ten fromme Stiftungen wieder in die Hand zu bekommen. Es 
fanden Uebertrngungen auch an solche Personen statt, welche 
keinen Kecbtstitel l)e-fiss('n. Um diesen Zustünden ein Ende 
zu nmclien, erliess Heinrich \\\\. <mii (io^ot/. (37. H. VUl c. 4), 
dessen Eingau}^' die zu dieser Maa.ssregel fülnende Veranlassung 
deutlich bezeichnet: „VVhere there .... niany of the Donors, 
Füunders or Patrons, or such as pretend to be Donors, 
Founders or Patrons of the same Colledges, Free - Chappels. 
Cbantries, Hospitals, Fraternities, Brotherhoods, 
Guilds and stipendiary Priest s . . . . of their avaricious and 

covetous minds have of late i^ntered into the 

Manors, Lands belonj-in^r to tlio same Colledges. Free ChappeN 

etc " soll das Eigentlium* aller solcher „For reliu'ious 

Services of diflerent kinds, for candles, offerings, Ornament of 
churches, and other useful and superstitious uses" ge- 
gründeten Institutionen kommen in „tne very actual and real 
Possession and seisin of thekingetc .... damit derselbe 
sseitgemässe Aenderungen (alterations) in der Ver- 
wendung ihrer Einnahmen vornehme. Die Armen, 
die Universitätsstiidenten, und die nlltremeinen Interessen der 
Unterthanen sollen besser bedaclit werden. Das Parla- 
ment erkannte also indirekt an, dass der König Rechtsnach- 
folger der Gilden, Bruderschaften etc. geworden war, und die 
EinkOnfte zu öffentlichen, den Zeitumständen entsprechenden 
Zwecken verwenden mUsse. Desshalb verleiht es ihm das 
Recht, Kommissäre zu ernennen, welche das Eigenthum der 
Gilden in Besitz nehmen und die geplanten Aenderungen vor- 
nehmen sollen. 

Ein so vag abgefasstes Gesetz nms.^te überall Sclu ecken 
verbreiten. Selbst die Colleges von Oxford und Cambridge 
waren ftlr ihren Fortbestand besorgt M. 

Kurze Zeit nach Erlass desselben starb der König. Da 
die Wirksamkeit des Gesetzes mit dem Ableben des Königs 
erlosch, bestand eine der ersten Regierungshandlungen des 
Herzogs von Somerset dann , dass er die diskretionären 
Vollmaclitcn . welche Heinrich VIII. besessen hatte, auf den 
jungen König übertragen Hess, öo entstand das Gesetz 1 Ed> 
ward VI. c. 14. 

Aus der peinlichen Sorgfalt, mit welcher die Paragraphen 
des ausserordentlich langen Statutes abgefasst sind, ersieht man, 
dass das Parlament sich wohl bewusst war, welche Waffe es 
in die Hand des Pi-otektors legte. Es wollte einen Kampf 



Siahe Fronde: Uistory of England. lY, 486. 



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Y. 1. 



19 



gegen die wie ihm schien falsche und verlebte Weltanschauung der 
Gilden, fiegen das Aufstellen von Wachskerzen, Bezahlen von 
Seelenmessen etc. etc., nicht treffen ihre soziale Thätifikeit. 
So lautet die Einleitung': Coiihiilennjr that a fircat part ot 
superstitious and errors in Christian religio» hath beeu brought 
into the Hinds and Estimates of Men, hy reason of the 
Ignoranee of their very true and perfect Salvation throngh tbe 
death of Jesus Christ, and t)y de?isin<]: and phantasyin^ vain 
Opinions of Purjratoiy and Masses satisfactory to be done for 
them which be departed; the which Doctrine and vain opinion, 
by nothinix more is niaiutained and upliolden, than by the abuse 
of Trentais ( ;iU SLelenmesscn) Chantries and otiier provisions niade 
for the continuance of the same blindness and Ignoranee . . . . 

Die enteil 8 Paragraphen des Gesetzes beschiftigen sich 
aosschliesslieh mit den mn kirchlichen und religiösen Zwecken 
der Gilden. Der wichtigste für uns ist der neunte. Er lau- 
tet: IX. And furthermore be it ordained .... that the King 

. . . . shall .... have and enjoy to him all Frater- 

nities. Brotherhoods and.Guilds being within the 

Realni of England and Wales and all Manors, Lands, 

Tenements belonging to theni (other thau such corpora- 
tiOBS, Guilds, Fraternities, Gompanies and fellow- 
ships of Mysteriöser Grafts and the Manors, Lands, Tene- 
ments pertaining to the said G., F., G., and F. of 

Mysteries or Grafts above mentionod) without 

any inquisitionorOffice thereoftobehadorfound. 
Die Handwerkergilden werden also ausdrücklich von der Wir- 
kung des Gesetzes ausgenommen. 

Paragraph X gibt den Kommissilren das Recht, Einsicht 
in die BQeher der Gilde m nehmen „to know what money 
and other things was paid or bestowed to the Flndiqg or 
Maintenance of any Priest or Priests, Anniversary or Obits, or 
other like Thing, Light or Lamp by them. also to enquii'O, 
search and try by all such Ways and Means, as to them shall 
be thought meet and eonvenient, what Manoi*s, Lands, Tene- 
ments, itents and other Hereditaments be given, limited 

or appointed to .... the King.** 

Das am diesem Paragraphen hervorblickende Bestreben, 
zwischen den abeigläubischen und nützlichen Zwecken dienenden 
Einkünften zn unterscheiden, tritt noch schftrfer im XL hervor, 
■welcher sie anweist, einen Theil des zu konfisziren- 
d e n (i i 1 d e e i g e n t h u m s auszuscheiden für den 
U n t e r Ii a 1 1 e i n e s L e h r e r 8, G e i 8 1 1 i c h e n , e i n e r S c h ul e 
und für andere gute Zwecke und Altsichten. 

Der XIIL Paragraph schärft ihnen ein, dass sie die Ange- 
legenheiten regeln sollen „beneficially to^yards the Deans, 
Masters etc. ... and towards the poor people*, sowie 
dass sie für die Erhaltung der von den Gilden unterhaltenen 

2* 



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20 



Deiche und Dämme gegen die Wutli der See Sorge tragen 
bollen. 

Im XVII. Paragraph wird ausdrttcklich bestimmt, dass dem 
König auch das Mobiliarvermogen der Gilden gehören solle. 

Von AVichtigkeit ist noch der XIX. Paraprapli , weil er 
ein helles Liebt auf die Tendenz des Gesetzes wirft. £& heisst 
dort, dass den Kathcdralkirclien n ur diejenigen Stiftungen ent- 
zogen werden sollen, welche ihnen aus «Aberglauben'' zuge- 
wandt worden sind. 

Der XXXIV. Paragraph nimmt die „general corporations 
of a town'^ von der Wirkung des Gesetses aus. 

Wer von der Berechtigung der Keformation überzeugt ist, 
muBS gestehen, dass die Absichten des Gesetzes löblich waren. 
Das Parlament suchte die „useful uses" des Gildewesens fort- 
bestehen zu l;issen und diejenigen Zwecke zu unterdrücken, 
die ibni überiel)t und schädlich erschienen. Dass es nicht so 
ausgefiiln t win de, wie es hatte ausgeführt werden sollen, niuss 
den Gesetzgebern nicht als Fehler angerechnet werden, sunderii 
der Aristokratie Englands. Welches aber auch immer die 
Folgen dieses Gesetzes gewesen sein mögen, jedenfalls hat es 
die religiöse Gilde als solche nicht aufgehoben, jedenfalls konn- 
ten nur diejenigen Gilden etwas verlieren, welche etwas be- 
sassen. Wenn aber das Bild der religiösen Gilde, welches die 
von Toulniin Smith gesammelten Statuten zeichnen, auch noch 
im .)alniiun<lert richtig war — und es liegt kein Grund 
vor, daran zu zweilelu — dann gab es viele Gilden, Welche 
weder Land noch nennenswerthen Mobiüarbesltz hatten. 

Die Custodes der Gild of St Nichohis zu West^Lyun geben 
an, dass „de honis dicte Gilde nichil habent" 0- l^ie ^»»hl of 
St. James in North -Lynn hat ebensowenig-). Die Gild of St 
Jdhn Baptist zu York .,has no goods other than what are 
raised by yearly payments"^). Die Schneidergilde zu Lin- 
coln hat ..no lands nor tenenients, in mortmain or otherwise, 

nor auy ciiattels except for fulfilling what has been 

set forth** The Gild of the Lords' Prayer besitzt nichts als 
die zur Aufführung eines Schauspiels, ,,in welchem die Tugend 
gelobt und jede Art Laster der Verachtung preisgegeben 
wird^, nöthigen Sachen nebst einer Kiste, in welcher dieselben 
verwahrt werden The ,Gild of the Peltyers' zu Norwich 
theilt Folgendes mit: Nec est dicta fraternitas in aliquibus terris, 
tenementis redditibus aut possessionibus immobilibus dotata; 
sed fuit et est, quando et quociens necesse luerit, pro oneribus 
eldem confratemitatiincambentibus subportandis, de collecta 
communi inter dictos confratres et sorores fieri consueta, ac 
de legatis in testamentis et ulUmis voluntatibus , aliisque piis 
devocionibus eidem relictis et coUatis, decenter sustenta et 

EogUsh Gilds. S. 99, 105, U7, 184, 139. 



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21 



hoc Qsque debita gubernata* ). Dasselbe fast mit jjleichen Worten 
in den Statuten der Taylors' Gild, nur hat sie keine Leirate^). 
The Saddlei-s' and Spurriers' Gild zu Norwich giebt über ihre 
finanziellen Verhältnisse folgende Auskunft: Non habcnt terra?, 
tenementa, redditus, nec possessiones, nec catalla, ultra valorem 
decem «olidorum 

Angesichts dieser Zengnisse wird man keine Unwahrschein- 
lichkeit in der Behauptung Sir Prederick Eden*s finden, dass 
viele Gilden so arm gewesen wftren, dass sie w eder ein eigenes 
Haus noch eigene Räume in einem Hause gehabt hätten, son- 
dern gezwungen gewesen wären, sich in der Wohnung ihrer 
Mitglieder zu versauinieln. 

Diesen konnte also das Gesetz Eduard VI. Nichts oder sehr 
wenig anhaben. Aber auch die reichen Gilden scheinen nicht 
immer mit der rohen Habsucht geplOndert worden zu sein, 
von der wir in Gesrhichtswerken lesen. Toulmin Smith\s Buch 
enthält einige Belichte von Kommissären, die in Folge der er- 
wähnten Gesetze emannt worden waren. Dieselben 7ei'-!on. 
dass sich die Kommissäre des Gegensatzes von iiseful and 
snperstitious uses deutlich bewusst waren. Der Report of the 
Conunissioners of 37. H. Vlll. über die ,Gild of Saint Nicholas' 
zu Worcester z. B. hat folgenden Absatz: Continuat.ur 
quousque the pore: for theSchole may cease, for there is 
one oiher in the towne .... and tfais is no Schole of any 
pnrpos, as it is credibly said 

Der Kommissar, welcher die Verhältnisse der ,Gild of the 
Holy Gross' zu Stratford upon Avon zu regeln hatte, ord- 
net das Umgekehrte an. Obgleich die Gilde ^4 arme Leute 
unterstützt, legt er kein gutes Wort für dieselbe ein; 
dagegen soll die Schule fortbest^ea «Continuetur schola 
quousque^). In einem Bericht aber die ,6ild of the Holy Gross* 
zu Birmingham wird darauf hingewiesen, dass die Gilde zwei 
steinemc Brücken and -diuers ftoule and daungerous high 
wayes" in Reparatur halte und dass die Stadt diest^ Last nicht 
Obernehmen könne*'). Uebrigens wurde die Konfiskation der 
Güter dieser Gilde zum Anlass genommen, um dasell)st eine 
Schule zu gründen, wenn wir nicht irren, die noch bestehende 
King Edward School. 

Ein anderes Beispiel von der Ausffthrung dieses Gesetzes 
liefert Blomefield ^) in folgender Stelle, welche w ir ganz hierher 
Fetzen wollen, weil sie die Vorgänge an einem bekannten Orte 
knapp und klar darstellt: There were three Gilds here (näm- 
lich zu Tibenham) the Bretheren and Sisters of which bad one 
common Gild-Uall, since turued into a School -House 



English Gilds. S. 29, 34, 42, 208, 223, 24U. 
Blomefield: An Essay towards a topographical lli&tory of the 
Comi^ of Norfolk 1789. ?ol. 8. S. 185. 



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22 



V. K 



These Gilds had diverse Lands here, which at their dissoiution, 
were seized by the crowu, where they continued tili 1609, 
and then Kin^ James l. granted them to Joiiu Eldred Esq. and 
Joan VerdoD, Geotlewoman and their Hein. The Furniture 
of the Gild-Hall remained tili 1650, when the Hall 
was ruined; for the Officers sold 30 1. of Pewters, 92 1. of 
Lead, four Spits that weighed 1691., a Metal Pot that weipheA 
41 1 . two Pots of Brass 89 1. and a Prass Pan of 9 1. A Plain 
proot of the JoUy Döings at these (lilds. 

Eine noch eiironthünilichere Perspektive erötVnet die Ge- 
schichte einer Gilde /u Basingstokc in Hampshire ' i. Dieselbe 
war „pro instructione et institutione juvenum** gegründet wor- 
den. Sie entging der Auflösung in Folge des Gesetaes H. VIII., 
jiber unter Eduard VI. wurden ihre Ländereien konfiszirt. 
Als in der Regierungsseit Maiia's ein Theil des Kloster-, 
Kirchen- und Gildenguts, welches noch nicht in dir H:\n(le von 
Hofleuten übergegangen war, den früheren EigentiiUniern zu- 
rückgegeben wurde, gelangte auch die Gilde zu Basingstoke 
wieder zu ihrem Eigenthum. Ihr Besitzstand wurde weder 
voD Elisaheth noeh von Jakob L angefochten, hatte ihre Thä- 
Ugkeit doch nichts mit aherglftubischen GebHiuchen zo than. 
Erst während des Bingei krici:o> im 17. Jahrhundert wurde das 
der Gilde gehörige Land wieder konfiszirt, Kapelle und Schule 
blieben geschlossen, ai)er im Jahre 1670 gelang es dem Bischof 
von Winchester, den König Karl U. zur Rückgabe der Lände- 
reien zu veranlassen. 

Sollte sich nicht, die Frage niuss sich aufdrängen, die 
Geschichte dieser Gilde häufiger wiederholt haben? — 

Fassen wir den Stand 'des Gildewesens im Anfsng der 
Begierung der Königin Elisabeth ins Auge, so ist es dies. Die 
Handwerkergilden bestanden fort. Die General-Korporationen 
der Städte waren ausdrücklich von den Wirkungen des Ge- 
setzes ausgenommen. Das bewegliche und unbewegliche Gut 
der religiösen Gilde hatten die (Jesetzt» Heinrich VIII. und 
Eduard VI., so weit dasselbe »abergläubischen Zwecken diente, 
mit Beschlag belegt Aber die religiöse Gilde als solche war 
durch jene Gesetze nicht vernichtet worden, die armen Gilden, 
lind diese bildeten wohl die Mehrheit« konnten Nichts verlieren, 
und das Gesetz scheint auch gegen die reichen Bruderschaften 
den Absichten desselben t'emäss häufig ausgeführt worden zu 
sein. Viele kleine Gilden, die nicht um Korporatinnsrechte 
nachgesucht hatten, grössere, weldie von Kdellcuten i)eschützt 
wurden, sind wahrscheinlich ebensowenig vernichtet worden*). 

M The Histon- of the lirotherhood and Guild of the Holy (Miost in 
tbe Cliaiiol of the Höh (iliost ncar Basinp^fnko in Hampshire tlissolved 
by Kiiig lldward VI. und reestablished bv Iving Philip and Queen Mary. 
Reading 1742. 

Eden; The sUte of the Poor, I, 596, 597. 



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V, 1. 



28 



Noch andere sind in der Keaktionsperiode Maria's wieder zu 
ihren Besitzungen gekommen. Kurz: den Schlag, welchen die 
erwähnten Gesetze den Gilden beibrachten, konnten dieselben 
leicht mwinden. Nichts hielt die nnTeraehrten Gilden ab, sich 
weiter zu entwickeln. Da die Existenz einer jeden anf den 
refzelmässigen Beiträgen . beruhte, warum konnten selbst die 
Gilden, deren Güter konfiszirt waren, sich nicht auf jener Basis 
neu konstituiren? Wa^ die (ülden durch die Konfiskationen 
verloren, war keine i'rämienreserve einer Versicheningsgesell- 
schaft. Die religiöse Gilde war keine Friendly Society. 

Und doch sehen wir, dass das Gildewesen abstirbt. 
Woran lag das? 

Das Lebensprinzip derselben war in seiner Wnrzel durch 
ilio Reformation vernichtet. Auch ohne die Konfiskationsgesetze 
Heinrich VIII. und Eduard VI. wäre sie allmählich abgestorben. 
Dadurch dass die Reformation die Hechtfertij^ung durch den 
Glauben lehrte und ^luten Werken keinen absoluten Werth bei- 
legte, sondern sie unter Umständen sogar für sündhaft erklärte, 
entzog sie dem religiösen Gildewesen den Boden. Die 4 Ar- 
tikel X (of Free -Will), XI (of the Justificatiou of Man), Xn 
(of Geod Works) und XIU (oS Works before Justification) der 
89 Artikel sind fhr die Geschichte des Gildewesens von e benso 
grosser Bedeutung wie die Statuten Heinrich VIU. und 
Eduard VI ') 

Wurden die religiösen Gilden durch die Reformation so- 
fort, mit Stumpf und Stiel ausgerottet? 

AVir haben zu wenige Zeugnisse, um diese Frage endgültig 
zu beantworten. A priori ist es unwahrscheinlidi. Denn das 
englische Volk geniesst alle Vortheile und leidet unter allen 
NMhtheilen, welche die Abneigung gegen prinzipielle Erfassung 
von religiösen, sozialen und politischen Problemen und das 
rücksichtslose Ziehen von praktischen Folgerungen mit sich 
hrinct. Mit voller Deutlichkeit tritt die Bedeutung dieser 
i ieistesrichtung hervor, wenn wir sie mit der gerade entgegen- 
gesetzten des Deutschen vergleichen. Soll sich sein Humlela 
anf socialem und politischem Gesetz cdnem neuen Ziele zu- 

M Wio mächtig die Reformation in Kngland auch auf die rasche Ver- 
aidittmg des Gildewesena wirken mochte, bo ist doch die Meinung nicht 
olme Grund, dass die englischen religiösen Gilden auch ohne die Refor> 
mation allmählich ahgestorben sein würden. In Frankreich, wo der katho* 
lischen Kirche der Sieg verblieh, iiiusste fast gleichzoitig niif England, in 
der Milte dcä l'i. Jahrhunderts, das Arraenwesen staatlich titregelt werden 
und die Gilden wurden ftst nnbeoierkt durch die Hiltskasscn ersetzt. 
Schon 1V?0 die Bestimmung, dass die Arbritsinifiihipon von den Gemeinden 
erhalten werden, AlmoseDsammlungeu btatttiudeu, AIniuäeubtöcke aufgestellt 
und das Geben ren Alraoeen empfohlen werden sollte. 1544 nnd 1551 
Anordnung einer Armenstcuer für l'ari? , sclirittwpi«o fnr ganz I Vankreich. 
15Ö6 die zosammeufassende Ordonnanz von Mouüus. bchon im Jahre 1580 
eine freosösisehe Hil&lnese tu Lille. F. d. letxte Notiz s. E. I^urent: 
Le penpdrisme et les aasodations de pr^voyanoe. Paria 1860. S. 202. 



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24 



wenden, so ist die schwere, zeitraubende Arlieit nöthig, er- 
mattende tlieoretisclie Kämpfe pegen das Alte zu führen. Be- 
griffe zu definiren, Prinzipien aufzustellen. Hal)en dieselben 
Überzeugte Anhänger gefunden, dann ziehen ihre Bekenner 
rOcksiehtslos die aus ihnen iiiesBenden Konsequenzen und 
suchen diese ebenso rücksichtslos zu verwirklichen. 

Daher in England die Erscheinung, dass faisdie Tendenzen 
hei dem praktischen, maassvollen, von grossem nempintr^'iste 
petrasenen (ieiste des Volkes selten eine pefahrdroliende Hohe 
en-eichen, dass niemals mit dem Vergangenen «zaiiz gebrochen 
wird, sondern, nachdem die schreiendsten Missstände beseitigt 
sind, auf dem Boden des Alten weitergebaut wird. Daher 
die merkwOrdige Kontinuität englischer Institutionen, da> 
her auch der lange Kampf zwischen dem Alten und Neuen. 
Koch immer ist in der anglikanischen Kirche der Streit «wi- 
schen Romanismiis und Protestantismus nicht ausgetragen ; 
l^nglaiids, des ersten Staates, in welchem der Feudalisinns zu- 
sammenbrach, agrarisclie Zustände leiden noch immer am 
Feudalismus. Die Reform des englischen Parlaments ist noch 
nicht beendigt Aus seiner Armenpflege ist der Geist des' 
Mittelalters nicht auszutreiben. Wie die Natur kennt die poli- 
tische und soziale Geschichte Englands keine Sprftnge. 

An zwei naturwissenschaftliche Thatsadteii werden wir darum 
erinnert. Die Potrcfakteiikunde lehrt die interessante That- 
sache, dass Organismen ganz verschwinden, mirn'ralisrhe Sub- 
stanzen in die entstandenen Hohlräume eindriniien und deren 
Formen annehmen. Gesteine treten in Krystallisationsforuien 
auf, welche ihnen ganz fremd sind. Die Zoologie macht uns 
mit einer andern ebenso anziehenden Thatsache bekannt. 
Manche Thierarten besitzen Organe, welche nicht mehr fonk- 
tioniren und sie machen zwecklose Bewegungen. 

Die Geschichte des Gildewesens insbesondere drängt uns 
diese Hetraehtungsweise auf 

Schliessen wir nach Analogie der Geschichte anderer eng- 
lischer Inslitutionen , so mussten natürlich alle charakteristi- 
schen Züge, weldie mit dem religiösen Prinzip zusammenhingen, 
yersch winden, z. B. das Aufetellen von Lichtem, das Messe- 
hOren, das jährliche Requiem. Dagegen wird der englische 
Konservatismus hartnäckig Alles bewahrt haben , was nicht in 
geraden Widerspruch zum Prinzip des Protestantismus trat. 
So vor Allem die Form der Gilde. Erfüllte auch nicht sofort 
ein neuer Inhalt die alte Form, so wird doch die grosse 
Masse der Gildegenossen gerne Lebensäusseruugeu fort- 
gesetzt haben, deren zureichender Grund verschwunden 
war, und die jetzt zu unwesentlichen Zttgen desselben wurden, 
so z. B. die Feier des jährlichen Festes, die Gewohnheit, am 
Begräbnisse der Brüder Theil zu nehmen, an gewissen Tagen 
durch die Strassen zu ziehen. Dass ein solcher Prozess vor 



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V. 1. 



25 



sich ging, beweist Rlomefield s Werk'). In der Beschreibung 
des Ortes Atleburgh finden sich folgende Notizen: 

1628, July 15. was a gild new erected by 4 young Bat- 

cbeioTS of the Town, and kept at the College Hoase 

«od the Poor then we^l relieved. 

1629. 'T was continaed by4 Widowers of the Town, 

where the old Gild Honse was the Poor well 

relieved. 

1Ü30. 'T was holden on Midsuninier- Day, and one Mr. 
James of Eccles, then the High-Constable, and one Mr. Robert 
AlleD of Great Eliughani , were two of the four Hey - masters, 
who for their own good credit, and our Towns Gild, procured 
Ouests that there were thought to be 2000 People then there 
ete. etc. 

Diese Aufzeichnunpen sind von der grössten W ji'liti^'keit. 
Sie beweisen, da.ss das Vei^tündniss fUr das Wesen der (ülde 
völlig verloren gegangen war. Nichts war von ihr übriu ge- 
blieben, als das jährliche, von reichen Leuten gegeheue Fest, 
an dem arme Leute gespeist wurden« Man könnte dies viel- 
leicbt auch so ausdrncken, dass die Gilde zu ihren AnfiLngen 
zurQckgekehrt war. 

Dass in einem Lande mit so zähem Konservatismus 
selbst das religiöse Element nicht ganz verloren ging, beweist 
folgende Anzeige in ,The Courant' vom 7. Juli 171t>:^) „For 
the Continuance of the Mutual Society the annual feast 
of the fraternity of St. James at (Jlerkenwell will be held 
as usual on Wednesday 25^ inst at Jerusalem Hall, witbin 
the Said parisb. The sermon to be preached by the Rev»^ 
Mr. Hendley." Dieser Verein ist offenbar eine Versicherungs- 
gesellschaft auf Gegenseitigkeit, aber er hält an den Tra- 
ditionen der Gilde, aus der er vielleicht herausgewachsen 
ist, fest. 

Ludlow=*) giebt ein Beispirl neueren Datums an. Die 
Mitglieder einer Friendly Society zu Lymington sind verptlichtet, 
wie die Gildebrttder und -Schwestern, am Festtage in Pro- 
zession zur Kirche zu gehen. 

Eine ganz moderne Friendly Society „The Amicable Society 
of Dublin * beginnt ihre Statuten mit einem kurzen (icbetc und 
betont dann ihren protestantischen Charakter. Ja, die „Dublin 
Tontine Sck iety" theilt im Eingang ihrer Statuten mit, ..tliat 
the furniatiiiu of this society has for its object in general llie 
glory of God, the houour of our Queen, and the good of our 
neighbours". 

') Vol. I ^ -m. 

^Conielius Walford: Tbe Inburuace tyclopaedia. 8. 389. Lon- 
don 1978. 

>)J. M. Lttdlow: 'Gild and Friendlr Society. Contemporary Ke* 
Ti«w 187a. 



Digitizeu Lj ^jüOgle 



26 



Noch haben wir nicht der Folpreu gedacht, welche die 
Vernichtung des Prinzips mittelalterlicher Wohlthätipkeit 
haben musste. Die neben den llandwerkergilden bestehenden, 
und sehr oft aus deoBelben Fmonen bestehenden Handwerker- 
Bruderschaften sind yielleicht die kräftigsten FSrderer des 
Ifilfi^assenwesens nach den vorher geschilderten Ereignissen 
geworden. Denn sie waren keine Gesellschaften, welche ledig- 
lich durch religiöse Motive zusMiiimen^elialten wuiden. Die 
Noth des Lebens mag ihnen (im (uMhinkeii naiie gelegt liaben, 
die L^egenseitige tlnterstüt/ung fortzusetzen. Eden berichtet 
auh Kundul in VVestmorelaud , dass dort 7 sogenannte ,trade- 
clnbs* existirten, die nnr Personen desselben Gewerbes anf- 
nähmen. Als später die Zänfte abstarben, mag dann die 
gegenseitige Untersttitzung sich noch als ein Kitt des zei-fallen- 
den Gebäudes erwiesen haben. Es ist jedenfalls Ijeachtensweilh, 
dass der grössere Theil aller T^nterstützungskasseii , welchen 
wir in den ersten Zeiten des Unterstützungswesens heL-^egnen, 
ihren Namen von einem (iewerbe haben. Besonders lallt dies 
in Schottland auf. Gavin Burns, welcher im Jahre 1821 eine 
Schrift, welche ich mir nicht Terschaflfen konnte, unter dem 
Titel: An Inquiry into the Principles and Management of 
Friendly Societies in Scotland veröffentlichte, scheint, wie aus 
einem fitat in Walford's Insurance Cyclopaedia zu ei'sehen, 
anzunehmen, dass sie sich in Schottl!\nd allein aus den Zünften 
entwickelt hätten. Burns sagt: The plan of F. S. in Scotland 
seems to have arisen from the regulations of trades in royal 
l)urghs. These corporations, besides the Privileges they enjoyed, 
and the laws hj which they were regidated under the royal 
charter, appear at an early period to bave appropiiated a fund 
for the Support of such members as might fall into indigence 

or distress The Ln eat advantages arising to members 

in distress from these provisiims were soon observed, and duly 
appreciatod by other classes of the Community, who were not 
connected with any of these public Ijodies, but who, from this 
examples gradually entered into voluntary associations for the 
same usefiil purposes Im Falle Gavin Bums keine Beweise 
für diese Ansicht betbiingt, ist sie sehr schwach fundamentirt. 

Das protestantische Prinsip hatte noch andere Folgen. 
Es fiel für l eicbe Leute der religiöse Anti ieh foi t, mit ärmeren 
Leuten zusammen in eine Gilde einzutreten um! Im- die letzteren 
in Fällen der Noth zu sorgen. Der natürliciien Neii^ung des 
wohlhabenden Engländers zur Wohlthätigkeit mag die unter 
Elisabeth auferlegte, regelmässige Armensteuer hinderlich ge- 
wesen sein. Die fortbestehenden Gilden sind wahrscheinlich zu 
Vereinigungen von Leuten mit geringerem und gleichmiissigerem 
Einkommen geworden. Ohne Zweifel hat das gesellige Element 



') S. 410. 



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27 



der Gilde oft ein um so stärkere? Banrl gebildet, als die Re- 
fonnatiou dem Leben einen nüditernen Anstrich verlieh, und 
die gesunde Menschennatur nach irgend einer Richtung hin sich 
ftnasem mnsste'). 

Eine Vereinigung also von geringen Leuten mit gleidi» 
iiKissipem Einkommen scheint uns die Güde geworden za sein, 
die durch den Geselli^keitstrieb zusammengehalten wurde und 
sich an überlebten Formen ergötzte. Eine leere Form mit 
zwecklosen Bewegungen, aber darum keine werthlose Form, 
denn allmählich wird ein neuer Inhalt in sie iregossen: die 
anlänglich noch rohe und unentwickelte Fumi des Ver- 
sicberangBwesens. FQr diesen Zweclc eignete sich die 
Form der Gilde vorzlkglieh. Sie widmete sich denselben Auf- 
gaben, wie eine Versicherungsgesellschaft, nur aus anderen 
Motiven und in beschränkterem Maasse. Sie erhob Beiträge, 
wenn auch keine Prämien. Diese Uniwandliinij: wird sich doit 
am leichtesten vollzogen haben, wo die reicheren Elemente 
aus der Gilde austraten und nur ärmere Leute übrig blieben. 
Bei ihnen brauchte nicht die Voifrage gestellt zu werden, ob 
sie sich selbst helfen ktinnten. Jeder Unfoll traf sie so, dass 
sie der Hilfe Anderer bedurften. Nun zahlte Jeder den Beitrag, 
den wir in allen Gilden finden, nicht mehr, um ein Almosen 
zu empfangen, sondern um durch die Leistung der Prämie die 
GeL'efileistung des Schadenersatzes in den in der (iilde vor- 
gesehenen Fällen zu erlangen. Die Verhältnisse waren am 
günsti^^sten für die Entwicklung der Versicherungsgesellschaften 
auf Gegenseitigkeit, wo eine Arbeiterbevölkerung aus allen 
Tbeilen Englands zusammenströmte. Das fand schon zur Zeit 
Elisabeth's statt. Eden berichtet, dass unter der grossen 
Königin viele Städte mit Korporationsrechten verfielen, weil 
sich (las (bewerbe nach Orten zog, wo keine Zunftbeschränkungen 
seine un^u^störte EntfaltnnL^ hinderten. So entstanden neue 
lodustriebezirke, z. B. Birniiii^^hani. Unter diesen von allen 
früheren Organisationen losgelösten Arbeitern niusste sich das 
BedUrfniss nach gegenseitiger Hilfe am ehesten einstellen. Es 
ist daher zu yermuthen, dass dort die ersten Versichemngs- 
gesellschaften auf Gegenseitigkeit in's Leben traten. 

Damit hatte sich die chiistliche Association in eine wirth- 
scbaftliche verwandelt. Das Kassenwesen trat in den Vorder- 
grund, die alten Namen .. Bruderscliaff und ^riilde*" niussten 
versehwinden und durch den in den Gildestatuten vorkommen- 
den des gemeinen Kastens „the commune box*" ersetzt werden. 



') Unter dem Papste, sapt Harrison in seiner Beschreibung Englands 
(1577— '•Ti, hatten wir Feste und So Vorfeste, ausser den Son«4agen, 
* die »ind alle zu 27 zusammengeschrumpft und mit ihnen die überHüssigen 

Oelace, llocbzeitsschmäuse, Kirchweihfeste etr. Siehe Lujo Brentano: Oa 
the History and Developmeiii of OUds in T. bmith's EDglith GUd«. & XCL 



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28 



V. 1. 



Dass the ,cominiine box' in ,box' verkürzt wurde, findet in der 
Redekargheit des Ent^^länders seine • ausreiclu-nde Erklärunf^:. 
Aus box entstand box club, und aus diesem club. Club ist 
noch heuti^'en Tapes, weni^^stens in ländlichen Distrikten, die 
Bezeichnung für Friendly Society. Letztere scheint erst gegen 
Ende des vorigen Jahrhunderts gewählt worden zn sein, tun 
die geselligen Hilfsvereine der arbeitenden Klassen von den 
geselligen Vereinigungen der Reicheren und der Freimaurer 
zu unterscheiden. Offiziell wurde das Wort erst durch das erste 
nicht bloss lokale Gesetz auf diesem ( rehieti^ vom Jahre 1793, 
welches den Titel führt: An Act for tlie Eiicoura;:einent and 
Relief of Friendly Societies. In der Presse ringt noch ianjje 
die Bezeichnung ßenefit Society mit diesem um die Palme, 
und, wie sehon bemerkt, die offiinelle Bezeichnung ist heutigen 
Tages Ton der Migorität des Volkes noch nicht anerkannt 

In dieser Bewegung sehen wir nur einen Ausschnitt aus 
einer allgemeinen. Wie die Refonnation die Tendenz hatte, 
den Einzelnen aus den Schranken geistlicher Autorität zu be- 
freien, so la<;en in ihr auch Keime zu Bestrebungen, alle die 
Individuen zusammenhaltenden sozialen Bande zu lösen. Der 
Einzelne fühlte sich isolirt, auf seine eigene Thatkraft an- 
gewiesen. Sein Sgoismus wurde sein bester Fahrer. Das Natur- 
recht des 17. Jahrhunderts spiegelt den ungeheuren Umschwung 
der Ideen, welcher sich vollzogen hat. Es ist nicht allein auf 
Rechnung der höheren intellektuellen Kultur zu setzen, dass 
die Wiege der modernen Rechtsphilosophie in protestantischen 
Ländern steht. Bedeutsam ist es, dass sowohl Spinoza als 
Hobbes den Kampf Aller gegen Alle zum Ausgangspunkte ihrer 
Betrachtung machen. Noch bedeutsamer aber ist es, dass das 
Ende des Jahrhunderts die erate Tolkswirthschaftliche Institution 
auf individualistischer Grundlage entstehen sieht: nämlich das 
Versicherungswesen. Was die Gilde als eine innige Lebens- 
gemeinschaft betrachtet hatte, fiel in mehrere Geschäftszweige 
auseinander. Im Jahre 1681 wurde zu London die erste Feuer- 
vei'sicheruugsgesellschaft gegründet „at the backside of the 

Tmm Beweise, dus im ▼origen Jabrfaanderte der Ausdraek box, 

box-club, club der allgemein gebräuchliche war. genügt ein Blick in die 
Eeitgeuosäisciie Literatur. Wir verweisen nur auf Thomas Bi^gles' History 
of the Poor, S. 181, 184, 215, 288, 353, 359, dann auf den Titel folgender 
Broschüren: A Plan for rendering the Poor independent on Public t'on- 
tributions, lounded on tlie Basis of tlif rriciuUv Society, conimonly 
called Clubs (17^6) and A Method ior the Kcpuhu Management of those 
Societies called Box-Tlubs (1728). l)ie ersten schottischen G( s< 11- 
Bcbaften nannten >'\ch ebenfalls boxes isieho s. .'?0i. Eine Edinlmrjher 
Gesellscbaft , welche im Jahre 1«)94 gegründet wurde, benennt sich noch: 
The Fralernity of Fellowship Porters. Der Titel der Mber (S. 85) 
angeführten Gesellschaft war Mutual Society. 

Das früheste Dokument, in welchem' die Bezeichnung „F. S." vor- 
konnit, ist, soweit dem Vomsser bekannt, ein Feuerversicherungsprospekt 
MS dem Jahre 1684, welcher in British Moseom aufbewahrt wird. 



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29 



Royal Exchange"'. Gegen Ende des Jahrhunderts wurden 
noch mehrere Rentenvei-sicherungsgesellschaften in's Lehen ge- 
rufen, so von der Meroers' Co?npany zum Wohle der Wittsven 
und Waisen. Dieselbe bracli aus iMaugel an hinreichenden 
ErfahrungsthatsacheD wieder zusammen. Die erste erfolgrdebe 
Gesellschalt: „The Amieable Society yerräth dadurch noch 
den Gilde-Ui'sprung, dass sie im Anfang; dieselbe Prämie für 
alle Mit^'lieder festsetzt. Die Periode der auf christlicher Liebe 
fussenden Hilfe war vorüber; nachdem die Reformation die 
(ieister zum Egoismus erzo^^en hatte, fand der Krie^ Aller 
j^e^en Alle seinen Ai>s(')iluss in einer auf d^ Boden des 
Egoismus stehenden Hille. 

Dihee mussten auch die auf Gründung von ,clubs* sielenden 
Bestrebungen der arbeitenden Klassen einen um so gi-itoseren Er- 
folg haben, je schroffer der E^'oismus der höheren Klassen 
hervorgekehrt wurde und je schwerer es war, Annenunter- 
Stützung zu erlangen. 

Die Armentresetze wurden al^er in dem rr>ten Jahrhundei t 
nach ihrer Koditikation durch Elisabeth un^'enü^ii'ud aus^'elührt. 
Eden berichtet, dass unter der Regierung Elisabeth's so un- 
bedeutende Armensteuem erhoben wurden, dass viele Arme 
vor Hunger starben *). In einer von ihm angefahrten Broschare 
aus dem Jahre 1622 findet sich die Behauptung, dass in manchen 
Gegenden seit 7 Jahren ül>erhaui)t keine Armensteuer mehr 
• erhoben worden sei; die Armen wiiion veijnLit worden-). Um 

die Mitte des 17. .lalnimnderts verheerten die ßürgerkriege 
England. Die Landstreicher wurden am Ende desselben auf 
80 000 geschätzt-*). Im Jahre 1(562 wurde das Niederlassungs- 
gesetz erlassen, nach welchem jeder in das Kirchspiel Ein- 
wandernde, welcher nicht ein Pachtgeld von 10 j^* zahlte, 
innerhalb 40 Tagen nach seiner Ankunft auf Klage eines 
Kirchenvorstehers von zwei Friedensriditern ausLrewiesen werden 
konnte, insofern er denselben nicht ^^-enügende Sicherheit für 
Entschädigung des Kirchspiels zu geben schien. Es lässt sich 
darüber streiten, ob dieses Gesetz den Geist der sozialen iSelbst- 
hilfe eher erstickte, als gross zog. In Llanferran wurde bis 
zum Jahre 1768 keine Armensteuer erhoben *). 

Hierzu kommt noch, dass die oberen Klassen im 17. und 
18. Jahrhundert in weniger lebendigem Verkehre mit den 
unteren Klassen gestanden zu haben scheinen, und der Ab- 
sentismus derselben vielfach schädliche Wirkungen äusserte^). 



>) The State of tho Pnor. I. S. 144. 

riie Mati' Ol thf Poor. I. S. 154, 155. 
^) The State of thc Poor. T. S. ITC. 
*) The State of the Poor. III. S. 889. 

"^j Im Jahre 1632 miuB Karl L der Dobihty and gentrv, die anlangen, 
taonA In London und Wettaniniiter in wohnen, befenlen, imeilinlb 
40 Tagen London und Weetminiter an verlassen. Eden, I, 164. 



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80 



V. 1. 



Der anonyme Verfasser einer 1738 erschienenen I'rosrhOre 
^An Kn(iiiiry into the Causes of the Knerease ot the Miseries of 
the lN)or in Enjzland" versteijrf sich sogar bis zu dem Satze: 
Der Aufenthalt eines begüterten und einHussreichen Gentleman 
ist sicherlich einer der grössten Segen, welche die Nachbar- 
schaft haben kann, wenn er ein rechtschaffener Mann ist und 
Tagend und Ordnung liebt')* 

Zweifellos haben diese Zust&nde nicht bloss schftdigend auf 
die Entwicklunj? der clubs gewirkt. In unserem Jahrhundert 
hat die lebhaftere Theilnahnie der nobility und gentry für das 
Wohl der Jirneitenden Klassen zur (iiünduiii; von ( lesollschaften 
geführt, welche ohne (lienelhen nicht entstanden waren Jedoch 
hat man allgemein die Erfahrung gemacht, dass solche Gesell- 
schaften am gedeihlichsten vorwärts schreiten, wenn die Tbätig- 
keit der oberen Klassen sich auf das Maass einer zur sozialen 
Selbsthilfe ermunteniden Hilfe beschränkt und bestehende 
Gesellschaften der Selbstverwaltung der Mitglieder ttberiässt 

Die woiiiücn Zeugnisse, welche uns die Entwicklung der 
' Arbeiterklubs veifolgen lassen, bestätigen im Allgemeinen diese 
Erörterungen. 

Um die Mitte des lü, Jahrhunderts wird zu Leith the 
Friendly Society or Incorj)oration of Carters gegründet. Im 
Jahre lt.)34 wird in Borrowstouness die General Sea-box, im 
Jahre 1659 die Landsmanns Box, im Jahre 1738 the Ship- 
master's Society, im Jahre 17&7 the Friendly Society of 
Shipmasters und im Jahre 1782 the Beneficent Society ge* 
gründet. Diese yier Gesellschaften vereinigten sich spüter zu 
einer einzigen, unter dem Namen: United General Sea Box. 
Dass die alten Gesellschaften mit den jüngeren zusammen- 
schmelzen konnten, beweist, dass sie ähnliciie Ziele verfolgten. 
Die Gesellschaft gibt Krankengeld, ihren arbeitsunHihigen Mit- 
gliedern (bis zum Alter von üO Jahren), allen über (50 Jahre 
alten Mitgliedern, sowie Wittwen und Waisen von verstorbenen 
Mitgliedern eine jährliche Rente, sie zahlt eine Summe beim 
Tode eines Mitgliedes, seiner Frau, seiner Wittwe, sowie bei 
Schiffbruch und völligem Verluste des Schiffes. — Borrowstouness 
liegt am Ffith of Förth in der Nähe grosser Steinkolilonb erg- 
werke und betrieb im 17. Jahrhundert einen schwunghaften 
Handel, besoiMh-rs mit den Ljlndern der Ostsee-). 

Die Aulbel)ung des Kalikts von Xaotes fulnte bedeutende 
Mengen von Hugenotten über den Kanal. Dieselben gründeten 
in London verschiedene Hilfsgesellschaften, welche theil weise 



1) S. 2(1. 

^) Siebe E. Lynch DanieU's Keport. Iq den Keporte of the Com- 
minioners appointed to inqnir« hito Friendly «ad Boiefit Building Socie- 
Um. London 1870. 



V. i. ai 

noch existiren. Die alleriilteste bestand schon vor dieser Zeit, 
denn sie wurde im Jahre 1666 in Prinirose Street, Bishops^iatc, 
in s Leben gerufen. Dieselbe löste sich erst vor einigen Jahren 
auf. Ein anderer im Jahre 1687 als die Society of Parisians 
gegrOndeter Verein hat sich in der sweiten Hälfte des Jahres 
1882 auf neuer Grundlage konstituirt 

Die Vermuthun;; lag nahe, dass die französischen Gesell- 
schafton die Idee der Friendly Society nach P'ngland gebracht 
hatten Diese Meinung ist aber rlipnsn imboLn ündet wie die 
Fabel, dass Defoe durch die VerötU'mlichufi^^ seines ,,Fssay on 
Tnijects'' im Jahre lü'JT die Veranlassung zur Gründung von 
Hilfs- und Unterstützungsvereinen gegeben habe. 



M So die Franxosen. Siehe Notice historique et docomento statisti- 
qaes sur les toci^t^s de secours mutuels par M. Octuvc Teissier. Paris 
1860. Desmarest geht in seiner Schritt . I j'-L^slation et orj,M!ii<;»tion 
des sacietet» de secours mutuels" so weil, zu behaupten: Lhonneur 
dTaToir fond^ Ics premieres associations moUielles en Anizleterre seuble 
appartonir aux I ran^ais. S. 192. (Ohne .honneur' geht's einmal nicht ab.) 
nesentlich richtiger £. Laurent: Les Fran^ais ont concouru poor aae 
certaine pari 8. 224. Die Ansieht der Frausosra tpricbt aoeh noeb 
Stanley aus. riner der .commissioners' des T tlirrs 1^70. 

Keiner der firanzösiscbeD Geschichtschreiber der Kelugies bestätigt 
diese Annahme. Im Mittelalter sah Frankreich ein Gildewesen erblQhen, 
das ans der doppelten Wurzel der römischen und teutonischen (iilde ent- 
sprang. T)ie Olioderung ist dieselbe, wie in allen ainicron Landern Eiuronas, 
Corporation (Zuntu. ( ont'rerie (religiöse Gilde) und couujagnonage (Gesellen- 
Tweine, .Vrbeiteroiddi); die Statuten der reJijgiOfen Gilde haben eine über- 
raschende Aehnlichkeit mit den)('iii<?en anderer Länder Europas. Siehe 
das schon mehr erwähnte Werk von £. Laurent. Den einzigen 
Unterschied hat man in der Bestimmong dea Charakters des Kranken' 

Seldcs gesehen. Im übrigen Europa ist es ein Almosen wie alle Gaben 
er Gilden, in Frankreich manchmal ein Vorschnss. s. B. bestimmt La 
Confrcrie des Coostoriers (Schneider) de Bonrdeaolz (Bordeanx): 
estably que sil y a aulcü gfraire ou gfrairesse qui tumbet en pauvrete 
on maladie que aiet par chescun iour (von Jedem von ihnen) douze denierSf 
et si garust (wenu er wieder gcsuud wird) il sera tenu les tourner 
ad la bonrae anant qne partir de la ville.** — «Si lodeyt mestra o« 
compaignon retonme ensentat, (Gesundheit) et a de que satisfar. sera 
tingud (gehalten) de rendre et reatituir ä ia dicte confrairie tout l'argcnt 
qne aura recebnt (erhaitenX oomme deit ia* (Statut des SelUers). — „Et a'il 
aduenoit que Dieu lui donnast santr, et il eust de quoy, il 8Pra tonu 
de rendre ledict argent ausdicts quatre maistres pour le remettre en la 
dicte bo&ttc de la dicte confrairie" (Statut des Chaussetiers). Siehe E. Lau- 
rent S. 1(>0, Vüi. Bei näherem Zusehen scheint diese Unterscheidung nicht 
recht stichhaltig. Die französische Gilde gab Jedem Krankengeld, und 
erwartete es von denjenigen, welche es konnten, zurück. 

Aus diesen (iiiden sind sicher die Reibrmirten aosgetreten. Ob sie 
hierauf sofort den Gilden nachgebildete Unterstützungsvereine oder Yer- 
sicherungsgesellschaiten auf Gegenseitigkeit gegründet haben, darüber findet 
sich in finmaösischen Werken Kichta. Es wftre ganz gegen den Geist 
historischen Geschehens. In Schäflfer*8 rhetorisclit r _Les iluguenots du 
seizieme siöcle" wird die grossartige Mildtbätigkeit der lieformiitcn gegen 
einander gepriesen. Es scheint auch logischer anzunehmen, dass die He- 
fonnirten, da sie zu der reinen Kirciie früherer Jabrbundi rte zurückkeliren 
wollten, deren Wohitb&tigkeit wieder haben aufleben lassen, und dass 



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82 



Aus dem 18. Jahrhundert stehen uns reichere Zeugnisse 
über die Entwicklung^ des liilfskasseuwesens zu Gebote. Viele 



Gilden , welche weg( ii ihres ausgeprägt katholischen Charakters verhaait 
sein mussten, uicht einmal zeitgemässe Nachbildungen erfuhren. Man matt 
zudem bedenkeu, dass die Erfahrung in anderen protestantischen Lindem 
sich nickten SctdOssen auf die französischen lieforroirten verwenden InsBen; 
denn diese waren in ihrem Vaterlaiide eine gehasste Minderheit, was nUe 
mildthutigeu ln»tiakte zu gesteigerter Aeusserung erwecken musste. 

Anders gestaltete sich die Lage, als grosse Mengen derselben in 
fremde Länder auswanderten, die heimath liehen Bauden zerrissen wurden 
und die W ohilbfttigkeit der Wohlhabenden nicht ntehr für alle Bedürfnisse 
der Armen sorgen konnte. Die Mehrsahl der nach England FlQchtenden 
gerieth in furchtbare Notli. Jakob IL gab die Erlaubniss zu "^ariirnlnngeu 
fOr die armen Flüchtlinge. Eine allgemeine Kollekte im Juhre 1(3^7 ergab 
200000 Im Jahre 168^ erhielten noch 770 Familien wöchentliche 
Unterstützung, obgleich viele Handwerker und Arbeiter beschäftigt wurden« 
Trotz grossartiger Mildthätigkeit blieb die Lage vieler Kefugies eine ver- 
zweiielte. Jakob IL bemühte sich im Geheimen , jeder energischen liilfe 
entgegenzuwirken. In dieser Lage wies I'ran^ais expatrics creercnt enfin 
des associations pour des secoiirs mutuels qui coustituercnt entrc ceux 
qoi en faisaient partie une v^rital;le noiidarite et realis^rent ainsi parmi eux 
le plus i)ur id^al de la fratemite cbi < tit une." (iiistoire des r^fugies prote- 
stants de France par M. Ch. Wei^^s Paris 1853. Tome premier, liv. IIL 
chsp. 1, VL rag. 264. 26ö. 2«&. 301 j. 

Die OMcmditechridber lirfem also kefaien Anhalt lär die Annahme« 
dass die Kefugies die Friendly Society nach England gebracht hätten. 
Erst als die Mildthätigkeit, ah welche sie von Franicreich her gewöhnt 
waren, ihnen nidit dauernd helfen konnte, entschlossen sie sich endlich 
zu der sozialen Selbsthilfe, nachdem die Handwerker und Arbeiter in eng- 
lischen Werkstätten Aufnahme gefunden hatten und mit den Sitten der- 
selben vertraut geworden waren. Liegt da die Veriiiuthung nicht viel naher, 
dass sie in England erst das Prinzip der modernen Assoziation kennen 
lernten? Dass m England zu dieser Zeit solche Gesellschaften bestanden, 
lernen wir aus Detoe's Essay on Projects kennen, aus dem man eigenthtUn- 
licherweise hat beweisen wollen, dass sein Verfasser dieselben erst erAin- 
den habe. 

Dieser ausgezeichnete bchriltsteiier , der selbst in seinem Yaterlande 
am besten durdi sdnen Robinson CVosoe bekannt ist, schlagt in dem ge- 
nannten Aufsatze vor. dass ein ^Pension - Office'^ gegründet werde, eine 
Bank, in welche gesunde Arbeitsleute von gutem Rufe und unter 5Ü Jahren 
6 d Eintrittsgeld, und vierteljährlich 1 Schilling bezahlen sollen. Daflkr 
erhalten sie Arznei und ärztliche Behandlung, und eine Rente in Alter 
und Invalidität, sofern sie sich nicht selbst helfen kennen. Er 
deünirt diese und ähnliche Vereine als eine Anzahl von l erboneu, die einen 
Yertng abgeschossen haben, einander zu nnterstatien. Er sieht auch ein, 
dass die sozialen Verhältnisse der Vereins^enossen ähnlich sein müssen 
und daher eine Vielheit von Kassen nöthig ist. Ausdrücklich sagt er, 
„diura er keine neuen Gedanken entwickle" (»Nor is this a new thing«! Er 
erinnert an die 1 »pichverbände in Kent, Essex und Isle of Ely, an einen 
l\citer-(Trooper-jVerein. dessen Mitglieder periodische Einzahlungen in eine 
Kasse machen, ans der ihnen die Kosten cor Ansdialftang enm nenen 
Pferdes bestritten werden, falls ihnen ein Thier stürzt, und endlich macht 
er auf eine Matrosenkasse (ehest) in Chatam autmerksam. Auch ohne 
diese Angaben würden wir es lüi" unwahrscheinlich halten, dass Defoe einen 
originalen Gedanken entwickelte. Schrieb er doch sein Werk 63 Jahre 
nach der Gründung der General 8ea-Boz nnd 81 nach der der ersten 
französischen Gesellschaft. 



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98 



GeseHsehaften werden gegi-findet Es wäre übereilt, daraus zu 
Bchliessen, dass die ganze Bewegung erst im 18. Jahrhundeit 

recht in Fluss gekommen sei. Wenn man den ephemeren 
Charakter der heutigen Friendly Societies betrachtet, welche * 
wie Pilze aus dem Boden schiessen, nach einem Menschenalter 
wieder vergehen, aber den Keim zu neuen Gesellscliaften zurück- 
lasBen, dann scheint es dniäaus nicht ungerechtfertigt, an- 
sonehmen, dass yiele der GeeeDschaften , deren Geburtsjahr 
uns ein erwachtes Interesse fbr die Institutionen der Annen 
tiberliefert hat, nur die Nachkommen zusammengebrochener oder 
an natürlicher Entkräftung gestorbener Gesellschaften sind. 

In London wurden im Anfang des 18. Jahrhunderts folgende 
Gesellschaften gegründet: The Norman Society 1703, the So- . 
ciety of Lintot 1708, and The Friendly Society 1722 \). Zu 
Newcasüe on Tjrne wurde im Jahre 1719 eine Friendly Society 
of Shoemakers gegrflndet*). Dieselbe zeigt ganz deutlich den 
Typus der modernen Friendly Society. Die Beiträge bestanden 
aus regelmässigen und unregelmässigen: alle sechs Wochen 
musste ein Schilling und <> d. beim Tode eines Mitgliedes bezahlt 
werden. Das Krankengeld betiug im ersten Jahre 6 Schillinge 
wöchentlich, darauf 3 s 6 d bis zur Wiederherstellung der Ge- 
sundheit. Ebensoviel eriuelteu altersschwache Mitglieder. Die 
Gesellschaft hatte im Jahre 1776 99 Mit^eder, und einen 
Resenrefond von ^ 108 4 s. 8 d. Im Jahre 1796 besass sie 
160 Mitglieder und 350 £. Ansell entdeckte, w. Walford i. d. Art 
F. S. seiner Versich.-Encycl. niittheilt, die Gesellschaft der tobacco- 
pipe makers, welche im Jahre 1715 fieciründet wurde. Dass 
auch in andern Gegenden Englands Gesellschaften existirten, 
geht aus einer 1752 erschienenen Schrift T. Alcock s: ,()hser- 
vations on the Poor-Laws' hervor. Im Westen Englands be- 
standen nach dieser Schrift Vereine, welche bis zu ^nem 
gewissen Grade die Zwedce eines Gewerkvereins und einer 
Friendly Society umfassten. Sie geben den Arbeitsuchenden, 
auf der Wanderung Begriffenen ein Geschenk. — Von einigem 
Interesse ist es für uns Deutsclie, dass eine der englischen 
Gesellschaften von Landsleuten im Jahre 1763 gegründet wurde 

Eine Gesellschaft in Newark, „The Friendly Society" hat 
auf gemeinsame Kosten eine Kornwindmühie gekauft „für the 
mutnal benefits of themselves and families". Hier umschlingt 
also ein gemeinsames Band Klub und Produktivassodation^). 



Itoport of tbe Afsistaat Gomminionen. Beport by The Hon. H 
Lyoliih Stanley l'^74 s 132 

*) Eden, The State ol the Toor. I, 617. 

') Report des IWdstrara iür i8r>8. — Die Gründer heissen Jakob 
Winkler, Johann Conrad KnHuhtar, Christopher Behn, Johann Christian 
Ledebahr, Jacob Schlumberger, Ulrich Gros, Johann Andreas MiUlVi 
Jacob Engeback, Elias Schenk und Joseph Danssy. Sie sind Weber. 

«) Edfln, The Stalo of tbo Poor. U, 506^ 
AiMhniM (SO) 1. BMbMk. 8 



84 



V. 1. 



Einen Ueberblick über die grosse Ausdebnnog, welcbe 
die Bewegung angenommen hatte, geben zwei Werke, welche 

. beide, wie gewöhnlich das Beste in England, persönlicher Ini- 
tiative entsprangen. Im Jahre 1795 Hess Sir Frederick Morton 
Eden Nachforschiin^ren ül)er den Zustand und die Zahl der 
Fricndly Societies in Kndand und Wales anstellen, um die 
Resultate dei*selben in dem von ilnu damals hcjionnenen Werke 
„The State of the Poor" zu verwerthen, welches zwei Jahre 
spätei' erschien. Diese Notizen sind nach Grafechaften und 
Orten geordnet. Ks fehlt uns der Raum, um einen Auszug 
hier folgen zu lassen. Zudem bringen wir an einer andern 
Stelle mehr kondensirte Notizen aus einer späteren Schrift 

- desselben Verlassers. Eine kurze Inhaltsangabe tindet sich in 
Cornelius Walford's Insurance Cycloi»aedia, S. 389 — 393. Das 
andere Werk ist the Statistical Account of Scotland. Auf 
^ eranlasöuug Sir John Sinclair s wurden an sämmtliche Tfarrer 
Sehottlands Fragebogen Uber alle wichtigen Verhältnisse des 
nordlichen Königreichs geschickt, deren Beantwortungen zu 
einem innerlich zusammenhanglosen, unverarbeiteten, bände- 
reichen Werke zusammengestellt wurden. Die erste Aullage 
hat nicht einmal ein Ketiister. Der erste Band erschien im 
Jahre 1791. Nach diesem Werke waren die Fnendly Societies 
sehr zahlreich. Es zeigte sich schon damals die Eigenthüm- 
lichkeit schottischer Gesellschaften, dass die aus den Bei- 
trägen gebildete Kasse zu gleicher Zeit den Mitgliedern als 
Vorschusskasse diente, was Übrigens ein Anklang an die 
Gilde ist. 

So ei-frenlich auch für den Naturalökonomen Ausblick 
auf die dem Aufschwung der Friendlx Societies zu Grunde 
liegenden Eigenschaften der englischen Hevölkerung ist, so 
abstossend wirkt manchmal die Betracliiung des Charaktei-s 
der einzelnen Gesellschaft. Dagegen bietet sie dem Kulturhisto- 
riker vielfache Anregung. 

Die Anklagen, welche die Zeitgenossen gegen die dubs 
und bo.xes vorbringen, sind um so herber, als die Ankläger 
das Prinzip dei-selben warm befürworten. Vor Allem wird ge- 
tadelt, dass die Gesellschatten für eine gesunde Skala der 
Beiträge gar kein Verständniss haben, sondern dieselbe Prämie 
für jedes Geschlecht, jedes Alter, jeden Beruf erheben Auch 



Doch finden vir zuweilen, dass die Ililfskassen ein Abgeltuftes 
Eintrittsgeld erheben. Eine Gesellschatt in Kirby Lonsdale, Westmoreland, 
fordert von allen Neueintretenden vom 18—25. Jahre 3 Schillinge, vom 
95—80. Jahre 4 Schillinge Eintrittsgeld. Von dem Eintrittsgelde gehen 
2 d. an den Sekretär, 2 d. werden vertrunken. I>ie Kasse selbst erhebt alle 
4 Wochen einen Beitrag von 1 Schilling. Davon 2 d. ,to be spent at the 
house where the box is kept". Wer in die Loyal Union Society in Lan- 
caster eintrat, und mehr als 36 Jahre alt war, hatte für jedes nach dem 
m. .labf> vollendete Jahr 5 Schillinge Eintrittsgeld att zahlen. The State 
of the Toor. III, 774 und II, iUl, 312. 



V. 1. 



35 



dort, wo Leute gleidieii Berufes, gleichen GesdileefateB und 
glelefaen Alters saflaiDmentreteo, fragt man sich nicht, ob man von 

diesen Prftmien den ^^rösseren Ansprüchen der Mitglieder gerecht 
werden kann. Im Anfang sind die Beitretenden meist jung. Mit 
geringen Beitrilgen lassen sich üeberschüsse erzielen und Alles 
scheint in bester Ordnung. Aber wenn die Mitj^lioder älter 
geworden sind und häufig Untei-sttitzung beansprudien, zeigt 
sich allmäblig, auf wie unsicheren Grundlagen der \ erein er- 
richtet war. Die Reserven schmelzen rasch zusammeni die 
Öesnnden sträuben sich dagegen, die Kranken jahrelang aus 
ihrer Tasche zu erhalten, und treten vielfach aas, jun^ie Leute 
treten nicht mehr ein, weil ihre Beiträge sofort von den alten 
Mitcrliedcrn verzehrt würden, und diejenigen alten Genossen 
und (ienossinnen . welche das Un^^lück hal)en, Innerer als ihre 
Mitbrüder und Milschwestern zu leben, selu^n sich nacli einer 
langen Reihe von Jahren, in denen sie ihre'iieilräge pünktlich 
und gewissenhalt besahU haben, schliesdich auf Unterstittzung 
durch Privatpersonen angewiesen, oder mOssen ihr Leben im 
Armenhause beschliessen. 

Es zeigt sich ein ei^enthümlicher Zug: die alten Mitglieder 
sind empört, wenn die jüngeren Mitglieder dein Klub den liiicken 
kehren; sie erlauben ein Anrecht auf Unterstützung durch die 
jüngeren Alterskiassen erworben zu haben. 

Die Höhe des Krankengeldes wird nicht so sehr an- 
gegriffen, als die unverhftltnissmftssig hohen Beträge, welche bei 
TodesfiUlen der Mitglieder ausgezahlt werden. Auch ist die 
Alterspension meistens /u hoch für die kleinen Beiträge. 

Mancher Klub würde trotzdem in einem besseren Zustande 
sein, wenn er besser verwaltet würde. Eden erwähnt eine 
Gesellschaft in Corby in Cumberland (The State of the Poor I. 
618), der keine re^'elniässipe Buchführung' hatte. Wir h;il»eii 
schou erwähnt, dass manche Klubs der damaligen Zeit auch 
die ersten Keime der Gewerkvereinsbewegung enthalten. Da 
• kommt es denn oft vor, sagt Acland ^, dass sie während einer 
Arbeitseinstellung ihre sämmtlichen Reserven aufzehren. Das 
war nicht so schlimm, wie man anzunehmen geneigt ist, wenn 
man sich auf den ökonomisch -technischen Standpunkt einer 
Versicherun^rsgesellschaft stellt. Denn wenn der Klub ein- 
tretenden Falles aussei ordentliche AuHagen erheben durfte, und 
in vielen Gesellschaften war das die Kogel , konnte jedes Be- 
dürfbiss leicht befriedigt werden, wenn es nur gelang, einen 
regelmftsidgen Znfluss von Jungen Leuten zu erhalten. Es war 
das anerkannte Prinzip, und ist es noch heutigen Tages in 
vielen Gesellschaften, dass die jungen Mitglieder die alten zu 
unterstützen haben. Gelang es einer Gesellschaft, diese Mischung 

M John Acland: A Plan for randeriog the Poor independent on 

PabUc Contributiona etc. 

8» 



Digitizeu w-j ^jüOgle 



36 



V. U 



der Altersklassen zu erreichen, dann konnte sie jahrelang blQheo, 
und doch vom rein kalkulatorischen Standpunkt bankerott sein. 

Auch den wirklieh guten Gesdlschaften drohten Gefahren^ 
welche das Gesetz von 1793 endlich beseitigte. Das Bank- 
wesen war noch nicht so ausgebildet, dass jeder Beitrag hätte 
leicht angelegt erden können; die ei^sten unklaren Versuche, 
Sparbanken zu errichten, werden erst nach Erlass des ersten 
.Friendly Societies* Gesetzes gemarht. Die Mitglieder sind 
tiaher gezwungen, ihie Kapitalien häufig in höchst uubicherer 

Weise aussoldhen, wenn sie es nicht Tonsiehen, sie unter 
Schloss und Riegel zu halten. In beiden Fällen haben sie 

keine Sicherheit, dass ihnen ihr Besitz erhalten werde. Die 
Gesellschaft hat keine Korporationsret hte, sie kann weder klagen 
noch verklagt werden. Sie steht gc^cn Betrug ihrer Gläubiger 
und Beamten völlig schutzlos da. .,Sie locken geradezu den 
Pltlnderer an und näufig nicht vergeblich", sagt Acland*). In 
der Stadt ehester wuiUeu mehrere Gesellschaften durch den 
Bankerott einer Bank und einen unproduktiven Kanal, in 
welchem sie ihre Kapitalien angelegt hatten,, ruinirt In Llan- 
ferran in Denbigshire wurden 3 oder 4 Gesellschaften auflöst, 
weil sie von Schurken, denen sie ihr Vermögen anvertraut 
hatten, um dasselbe betrogen wurden*). 

Die Klubs waren Lokalvereine. Die Zahl der Mitglieder 
ist manchmal beschrankt, z. B. auf 41 oder 51 in Nottingham. 
Eine Gesellschaft zu Newark in Nottinghamshire, welche sich 
den Titel beilegt: „The Friendly b^ociety" darf die Zahl 81 
nicht fiberschreiten'). Die Durehschnittssahl der Mitglieder 
geben die Schriftsteller verschieden an, Golquhoun und Eden 
weichen sogar für London ab. Wenn man aber die Zahlen 
der Gesellschaften in Betracht zieht, welche sich in Eden's 
Werk vorfinden, wird man ihm nicht nur für London Recht 
geben müssen, sondern anzunehmen geneif;i sein, dass die 
Durchschnittszitfer etwa 80 betragen hahe*). 

Aus dem lokalen Charakter der Vereine hätten sich manche 
Missstände ergeben müssen, wenn die Freizügigkeit niclu durch 
das Niederlassnngsgesetz von 1692 so sehr beschränkt gewesen 
wäre. Allerdings wird ja auch damals Mancher es bitter 
empfunden haben, dass er alle Ansprüche aufgab, wenn er von 
seinem Heimathsorte vei-zog. Aber dieser Uebelstand scheint 
nicht allgemein gefühlt worden zu sein. 

In diesen Verhältnissen erkennt man unschwer die Nach- 
wirkungen des Gildegeistes. Die Engländer des 18. Jahrhunderts 



») 8. o. 

«) Eden, Tbe State of the Poor II, S. 34 und III, S. 888. 
>) Eden. The Sute of the Poor, II, b. 566 and 674. 
«) «, a. 0. I, 461. 



Liyiiizuo by LiOOglc 



V. 1. 



87 



Idellen fest an Traditioiien des MitteUlten. Die Gilde 
war mit eiDem gleichmässigen Beitrage aoBgekommen , die 
Klubs glaubten damit ebenfalls auskommen zu können. Wir 
Tneinen nicht, dass dieser Gedankengang den Mitgliedern der 
Klubs klar zum Bewusstsein gekommen sei, im Gegentheil wir 
halten dafür, dass sie an tiberlieferten Sitten festhielten, oline 
den Charakter der Zeit zu wtlrdigen, welche die Gilde aus 
sieh hervortrieb und deijenigen, in welcher sie lebten. EUtm 
sie rieh darober Bechenschaft geben können, dann mllsste ihnen 
aufgefallen sein, dass die Gilde aus reichen und armen Leuten 
bestand , dass manche Bruderschaften bewegliches und un- 
bewegliches Vermögen besassen, dass die Wohlhabenden durch 
Legate die Kasse bereicherten, was aber noch viel wichtiger 
ist. dass eine religiöse Gilde sich auf ewige Dauer*) berechnet 
wähnen durfte, weil das religiöse Motiv zu fortdauerndeia Bei- 
tritt aufforderte und in Verlusten an arme Oildebmder gerade 
die erfolgreichste Bethfttignng christlicher Liebe sehen musste, 
wifarend die wohlverstandene Selbstsucht der Klnbmitglieder 
vor dem Eintiitt in eine Gesellschaft warnte, TOn der man 
nicht einen Vortheil erwarten durfte. 

^Vie gesagt, für den Kulturhistoriker hat die Beobachtung 
solcher Erscheinungen einen besonderen Reiz. Sie liefert einen 
neuen Beleg zu der alten Erfahrung, dass die grosse Menge 
der Menschen anch noch dann an den verknöcherten Formen 
vergangener Jahrhunderte festhalt, wenn der Geist, der sie 
als seinen lebendigen Leib schuf, in ihnen verglommen und 
verloschen ist. Sie lilsst ihn an einem raschen Fortschritte 
der trägen, gedankenlosen Masse verzweifeln. Einmal in jeder 
Stunde steht der grosse Zeiger über dem kleinen. Nur einmal 
in langen Zeitrönmen deckt sich der Geist der Zeit mit seiner 
Form. Voi-wärts eilt mit Ideen, Theorien und Phautasien eine 
kleine Schaar grosser Geister, nachhinkt die grosse Masse der 
kleinen K5pfe, fost unverrOckbar — wie der kleine Zeiger. 

Zu ähnlichen Betrachtungen fuhrt uns die Darstellung des 
geselligen Charakters der boxes und clubs. Der Klub hatte 
wie die Gilden seine periodischen Zusammenkünfte und sein 
jährliches Fest mit Prozession und nachfolgendem Essen. Nur 
war der Geist auch hier entwichen, den man im Mittelalter 
vielleicht künstlich genug in sie hineingelegt hatte. Scheint 
sehen das Gildefest sich nicht durch Beobachtung der Grenzen 
schöner Sitte ausgezeichnet zu haben, so verdienen die Zu- 
sammenkünfte und die Feste der Klubs den Namen von wtisten 
Saufgelagen , welche die Zeitirenossen mit den schwärzesten 
Farben malen. Völlerei und Zank sind ihre hervoi-stechenden 
Züge. Die Summen, welche bei denselben für Speise und 



)) «aad perpeUially tchil ben holden". T. S. Engli«h Oilds. S. 42. 



38 



Trank ausgegeben werden, betragen häufig ein Drittel der 

jährlicben Einnahmen 0- Wie die Gilden gezwungen sind, so- 
wohl Brüder als Scliwfstern zur Beobachtung der Miissii^keit 
und guter Sitte anzuhalten, so müssen die Mitglieder der clubs 
und sosar der leinaie clubs vor übermässigem Trinken 
und rolier Streitsucht gewarnt werden. „Ich erinnere mich 
einer Gesellschaft", schreibt Eden „in der aus 46 Paragraphen 
16 oder 17 sich auf Essen oder Trinken beziehen/ Dasselbe 
wird von einer alten Gesellschaft in Stapleton berichtet; wahr- 
scheinlich ist es dieselbe^). Einer ihrer Paragraphen lau- 
tete folgendermaassen : ..Kein Mitglied soll an dem Festtag 
ein anderes dadurcli reizen, dass es ihm Schimpfnamen zuruft, 
oder Spott mit ihm treil)t, oder Fleisch oder Knochen nach 
Anderen oder in's Zimmer wirtt, auch soll kein Mitglied ein 
anderes zum Spasse füttern oder die Lebensmittel zum Aei'ger- 
niss der Gesellschaft vergeuden. Wenn so etwas gethan wird» 
dann sollen Diejenigen, die es thuen, einen Sehilling besahlen, 
oder ausgeschlossen werden.^ 

Gegen diese Seite der Klubs führen die Schriftsteller des 
vorigen Jahrluinderts einen erbitterten Kampf. Er dauert bis 
in unsere Zeit fort. Keiner der Kei)orts, welche Tidd Pratt, 
der Registrar (»f Fiieriilly Societies, in den sechzi^jer Jahren 
veröffentlichte, ist frei von Anklagen gegen die Verschwendung 
und die Trunksucht der Vereine. Sie kaufen Fahnen, um am 
Festtage feierlieh durch die Strassen ziehen zu können, sie 
vertrinken ihre Einnahmen in Bier, ja, hier und da lebt etwas 
von dem edleren Gildegeiste in ihnen auf. Bei Gelegenheit 
der Veimählung des Prinzen von Wnb's zeichnen verschiedene 
Gesellschaften Beiträge zu einem Essen, welches den Armen 
der Stadt gefrcben werden soll. 

Herr Tidd I'rntt tritt gegen diese Ungehörigkeit mit der 
Scharfe auf, welche die Schriftsteller des 18. Jahrhunderts an 
den Tag legen. Man kann Beiden wohl nachsehen, dass sie 
keinen Sinn für das historisehe Element in dem Gebahren der 
Klubs und Friendly Societies hatten. Aber man darf ihnen nicht 
nachsehen, dass sie in ihren Bestrebungen, Klubs und Friendly 
Societies zu nüchternen Versicherungsgesellschaften zu machen, 
den Werth von Vereinen, welche, wenn sie auch den ganzen 
Menschen nicht mehr erfassen konnten , so doch ihre Wurzeln 
tiefer als in die selbstsüchtigen Instinkte zu schlagen suchten, 
nicht voll begriffen. Denn der gesellige Verkehr schuf ein 
Band zwischen den Individuen, welches zwar die christliche 
Bruderliebe nicht ei-setzen konnte, aber Gefühle des Wohl- 



1) Edeo, Qbservations on Friendly Sodeties. 1801. Seite 23. 
•) IL a. 0. 

*) Qoarterly Review. YoL 116. 1864. 8. 325. 



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89 



wottens und der Freundschaft nfthrte^). Auch vom reinen, 
humanen Standpunkte Iiätte man den arbeitenden Klassen, deren 
Leben in Kncilanrt ein so (hIos Einerlei bietet, ein wenig mensch- 
liche Erholung gönnen sollen. Wenn der engli^^clie Arbeiter 
seine Stunden der Mu>se am liebsten in der Scbenke ver- 
biiogt, dann liegt es doch zum grossen Theile au dem Maugel 
an TeriBdelnden Vergnügen. Gltteklicherweise hat sich das seit 
der GrOndnnf^ der working men*s dube etwas gebessert. — 
Dagegen sind die Vorwürfe berechtigt wenn die Hilfskasse nur 
ein trOgeriseher Vorwand ist, welche ein schlauer Wirth grün- 
det, um Kunden an sein Haus zu fesseln. 

Auch den rein praktisclien Wei tli liieser (ieselli^'keit iiber- 
sah und übersieht man. Hätte der Klub den Mitf?liedern Nichts 
geboten, als eine rein materielle Versicherung, dann würde er 
wenige Mitglieder bekommen haben. Aber der feierliche Aufzug 
durch den Ort, die gemfithlichen Kneipabende und das Fest 
lockten zum Beitritte an. Ohne dieselben hätte sich die grosse 
Mehrzahl englischer Arbeiter in Krankheit, Alter, Invaliditäts- 
nnd Arlieitslosidkeit ruhig vom Kirclispiel ernähren lassen. 
Die ärmeren Klassen im Süden Englands halten das Kirchspiel 
für den besten Klub, klagte einer der Beamten,- welche die 
letzte Kni|uete ül)er Frieudly Societies veranstalteten. Ein 
Versicherungsvertrag geht auf Seiten des Versicherten aus der 
Furcht vor lebhafter vorgestellter Noth in der Zukunft hervor. 
Leute, bei denen der Mangel der tägliche Gast ist, werden sidl 
aber die künftige Noth nicht sehr deutlich machen können. 
Die sehr abgeblasste Furcht wird ihre Kräfte nur wenig an- 
zuregen im Stande sein. Soll die Furcht vor Noth wirken, 
so muss das Imiividuum den Heiz rier Wohlhabenheit empfinden 
oder nicht lange vorher empfunden haben. Aber auch in solchen 
Individuen der niederen Klassen, welche dieser heilsamen 
Furcht fUiig waren, erstickte die staatliche Armenpflege den 
Trieb wirthschaftlicher Fürsorge. Auch sahen sie in dem Em- 
pfang der Armenunterstützung nichts Erniedrigendes. Hatte 
sich doch die staatliclie Armenpflege an Stelle der kircldichen 
gesetzt; die Kirche heftete dem Kmjifang der Armenunter- 
stützung keinen Makel an. Es bettelten bekanntlich auch 
Mönche und Studenten. Der moralische Abscheu vor Bettelei 
ist modernen Ursprungs, er hängt innig mit dem modernen 
Individualismus zusammen. Jahrhundert alte Sitten forderten 



1) Herr Sotheron-Esteonrt legte vor der KAniglicbeo Komminion, 

welche ilie letzte Enquete veranstaltete, grosses Gewicht darauf, dass die 
Mifdieder der „Wiltshire Frieudly Society" alle „Wiltshire men" seien. ' 
Er hielt das Gefühl der Zusamiuciigelitirigkcit , wenn auch nur das Be- 
wtustsdn, sa derselben Grafschaft zu gehören, für einen kräftigen 
Kitt. Kr schrieb auch den jährlichen testen eine zivilisatorische Aufgabe 
zu. Wer erinnert sich dabei nicht daran, dass die Gildefeste mehr „know> 
ledge and love* verbreiten wollten. 



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40 



den englischen Armen dazu auf, sich iu allen Nothlagen an 
die Wohlthätigkeit der wohlhabenden Klassen zu wenden. 

"Wenn auch vereinzelte Individuen jene inoralische Scham em- 
pfinden konnten, wenn ihre Kinnahinen ihnen gestatteten, etwas 
zurückzulegen, so hinderte sie oft genug der Mangel an ökono- 
mischen Tugenden. Der Engländer will das Geld mit vollen 
Händen ausgeben, und er will zeigen, was er besitzt. Show 
and display sind seine GOtzen. Dem nicht wohlhabenden Eng- 
länder kostet die Spai-samkeit grosse UeberwindunR — Ans 
diesen Granden sind wir der Meinung, dass ein nflchternes Ver- 
sicherungswesen bei den arbeitenden Klassen Enirlands kein Glück 
gehabt hätte. Der spekulative "Wirth, welcher einen Kiub grün- 
dete, um eine tüchtige Kundschaft von Zechern in sein Haus zu 
ziehen, hat einen giösseren, wenn auch im Einzelnen verderb- 
lichen Antheil an der Entwicklung des Arbeitervei-sicherungs- 
wesens gehabt, als die den oberen Klassen angehörenden Sdirift- 
Bteller anzunehmen geneigt sind, welche die Klage vorbringen, 
dass die arbeitenden Klassen in den Wirthshäusem die Summen 
vertränken, aus denen sie Kapitalien ansammeln und sich für 
alle Fälle der Noth versichern könnten. Aus ihren Ausführungen 
klingt allzu deutlich der Wunsch heraus, dass die ärmeren 
Klassen doch auf jede Lebensfreude verzichten möchten, damit 
die i*eicheren keine Armensteuer zu bezahlen brauchten. 

Der Klnb verwaltete sich wie die Gilde selbst Die Selbst- 
verwaltung desselben scheint viele Missstände gehabt zu haben. 
Es kam nicht selten vor, dass die Majorität alle abwesenden 
Mitglieder auf die geringfügigsten Vorwände hin ausschloss und 
deren Beiträge konfiszirte Solch eigenmächtigem Verfahren 
stand der Einzelne ganz schutzlos gegenüber. 

Wir glauben die vorhergehenden Erörterungen in dem 
Satz zusammendrängen zu dQifen: Der Klub hatte die Form 
der Gilde ohne ihren Geist. Alle s^ne Gebrechen iUhren von 
diesem Widerspruche her. Am, schär&ten offenbart er sich in 



') Treffend schUdert Defoe seine Landslaate in der Schrift „Glving 
alms no charity. Artrpss to Parliament, 1704", wenn er humoristisch sagt: 
Good husbandry is no English virtiic. It may have been brought 
OTW, and in some places, wbere it has been planted, it haa thriven well 
enou^b. bat it is a foreign species it noither loves nor is beloved 
by any Englishman. Mit wenigen Strichen zeichnet er den Engländer 
in dem Satze: works tili he has flot his poeket foU of money, and 
then go and be idle." Rascli reich werden, dann sich auf die B&renhant 
l^en und das Geld gentlemanlike ausgeben, ist das Ideal des Engländers. 
Arbeit ist eine Last, Reichthum das höchste Gut: dies einige Eardmalsätze 
aller englischen Lebensweisheit — Die englische Nationalökonomie hat 
also einen Theil des Trieblebens richtig abstrahirt, wenn sie auch irrthüm- 
lich den Tlieil fürs Ganze hielt. Aber es ist falsch, nationale .\n8chau- 
nngen zur Basis der internationalen Wissenschaft und der Volks» 
wirthschaft.s]>olitik zu machen und muss in der Folge die eigoatliftmUche 
Individualität fremder Völker vernichten. 

*) Eden, The State of the Poor. 1, 602. 



V. 1. 



41 



dem Charakter des Krankenbesuches (Liebespflicht - Kontrolle 
gegen Betiiig). Die Selbstsucht konnte nidit die Früchte 
christlicher Liebe tragen. 

Unter den Klubs des von;,^en Jahrliunderts befanden sich 
manche, die nicht direkt aus den mittelalterlirlien Gilden ent- 
standen waren, und keine Versicherungsgeselibchalten auf Gegen- 
seitigkeit genannt werden können. Wir mfissen etwas weiter 
«nsholen 

Die Maurer hatten in England im Mittelalter eine Zunft 
gebildet. Wie in Deutschland, waren die Kathedralstildte, 
z. B. York, ihre Hauptsitze. Das Dahinsiechen der Gilde wurde 
in England im Anfange des 17. Jahrhunderts durch die Ein- 
führung des italienischen Baustiles und die dadurch herbei- 
geführte mächtige Anregung der Baukunst eine Zeit lang 
Angehalten. Besonders der Bau der Paulskirche liess die 
ersterbende Gilde wieder aufflackern. Fördernd und umbil- 
dend wirkte eine folgenschwere Neuerung. Es kam nämlich im 
17. Jahrhundert vor, dass vornehme Kunstfreunde (accepted 
masons) von den zünftigen Handwerkern (operative masons) als 
Mitglieder ihres Bundes aufpenctnimen wurden. Als im Anfang 
des 18. Jahrhunderts die Maurerei sehr tief gesunken war. 
besehloss man auf der betretenen Bahn weiter fortzuschreiten. 
Die Privilegien der Masonry sollten nicht länger auf Architektoi 
und Werkniaurer beschränkt bleiben, sondern auf Personen von 
verschiedenen Gewerben, welche geeignet wären, die Würde 
fics Ordens, als einer alten und respektabeln Gesellschaft 
auirecht zu erhalten , übertragen werden dürfen In 
Folge dieses Beschlusses wurde die Zunft in einen Verein mit 
geistigen und sittlichen Zwecken yerwandelt. Zu gleicher Zeit 
geschahen wichtige Verfossungsändemngen. Die vier noch 
llbrigen Londoner Logen traten zusammen und konstituirten 
eine Grpssloge. Am Johannistage 1717 fand die ei-ste Gross- 
meisterwahl statt Es wurde festgesetzt, dass das Privileg, sich 
als Maurer zu versammeln, nicht länaer in der Macht der 
Brüderschaft insgemein liegen, sondern dass jede neue Loge 
gesetzlich zu arbeiten ermächtigt werden sollte, dass mit andern 
Worten von nun an ohne solche Ermächtigung keine Loge 
ftr regelmässig und konsütutionsgemäss erachtet werden könne 
Im Jahre 1721 fügte man hinzu dass jegliche jährliche grosse 
Lof^e die Macht hätte, neue Regulationen zu machen, oder die 
gegenwärtigen zum wahren Besten dieser alten Brüderschaft 
abzuändern^). Im Jahre 1723 wurde der Freimaurerorden 



1) Für diiü 1 olgende siebe Findel 's Geschichte der Freimaurerei 
wd K lo s s f GcMhichte der l'^eiinaarerei bi England, Irland und 8chottUuid. 
«) Kloss a. a. 0. S. 4. 
*) Kloss a. a. 0. 6. 6. • 
*) Kloss a. a. 0. 8. S. 
•) a. a. 0. 8. 10. 



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42 



noch mehr durch die Bestimmung rentialisii t. dass ohne vorher 
erlangte Zui>tinimuug der Grossloge keine Abänderung oder 
Neuerung in der Gesellschaft vorgenommen werden dürfe. Nur 
Lokalgesetze könne sich jede Loge geben, in welclieD die in 
den alten und neuen Regulationen niedergelegten Verfügungen 
Im Sinne und Gdste derselben weiter auszuführen wAren 

Doch betrachten wir, ehe wir die weitere Entwicklung des 
Freimaurerordens in's Auge fassen, einige HauptzOge desselben 
vor der Errichtung der Grossloge. Jede Zunft hatte sittlirlio, 
gesellijre, ökonomische Zwecke, folglich auch die Maurerzunft. 
Sie bekannte die drei Prinzipien der brüderlichen Liebe, der 
Hilfe in der Noth und der Wahrhaftigkeit. (Our Principles of 
Brotherly Love, Relief and Tnith.) *) Die UntersttttzuDg trug 
wie bei allen Gilden den Charakter des Almosens. Wie jede 
Zunft hatte sie ihr jährliches Fest, ihre periodischen Versamm- 
lungen, ihre eigenthümliche Kleidung. l>io gesellige Seite 
scheint seit dorn Verfall der Gilde so sehr überwogen zu haben, 
dass die alten Logen sich nacli den Wiithshäusern nennen, wo 
sie sich versammeln. Die Namen der vier zusammentretenden 
Logen sind z. B. die „zur Gans und Rost'', die „zur Krone", 
die „zum Apfelbaum" und die f^zvan Römer und Trauben'*. 
Ln „Apfelbaum** fond die Konstitution der Grossloge statt. 

In dieMasonry hatte sich, wie in alle Zünfte '), eine Neigung 
zu Ceremonien. symbolischen Gebräuchen, unbedeutenden, klein- 
lichen Gemtlthern imponirenden Heimlichkeiten eingeschlichen. 
Als in London der den Freimaurern feindliche Orden der 
Gormogonen (wie Kloss vermuthet, ein von Jesuiten geleitetes 
Konkurrenzunternehmen) viel von sich reden machte, wurde 
zum Lobe der Gormogonen verkündet dass sie keinen Werth 
9xd fldffektirte Grimassen legten, und die bedeutungslosesten 
Lappalien nicht für die tiefsten (ieheimnisse ausgäben Auch 
befände sich in dem Versammlungsaale der Gormogonen kein 
gezogenes Schwert an der Pforte, und keine Leiter in einem 
dunklen Gemache-'). Das Ceremonienwesen muss bei den 
Maurein besondera stark ausgebildet gewesen sein. Die Sinn- 
losigkeit desselben fiel schon der Königin Elisabeth auf, sie 
Melt dasselbe für papistisch — Die Maurerei hatte noch eine 
andere l&cherliche Seite, welche sie erst in diesem Jahrhundert 



*) a. a. 0. $. 51. 

2) Kloss a a. 0. S. r,8, s3. 

^) Siehe Brentano, Die Arbeitergilden der Gegenwart I. Band. Cere- 
monien bei den periodischen Versammlungen, s. 47, beim Gericht der 
Maurer zu Strassbuiv, S. 48 u. 49, beim Eintreten in die Herberge, beim 
Begegnen, S. 77, Vererbnog derselben auf die Gewerkrereine alter Ge- 
werbe, S. 82. 

*) KI088 S. 92. » 
a. a. 0. S. 93. 

«J a. a. 0. S.103. 

0 



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V. 1- 



48 



abgelegt hat Sie führte ihren Ursprung in die nächste Nähe 
der Erschajfunp der Welt zurück. Die bedeutendsten Männer 
des Alterthums waren nach ihren L eherliefeningen Maurer 
gewesen. Die den Freimaurern feindlieheu Publizisten schrieben 
daher iromscli, dasB der Orden der Gormogonen noch viel älter 
sei, denn er sei schon mehrere tausend Jahre vor Adam ein- 
geführt worden, wahihaft alt und adlig \). Zu seinen ( Iründem 
gehörten Jabal, Jubel, Tubal-Cain und deren Schwester Nahama, 
auch Niniveh, Marcus Gracchus, Eudid, Hieram, Charles 
Martel, Athelstane etc. =*) 

Die Maurerei erkannte drei Grade an , welche sich aus 
dem Handwerke ungezwungen eiklaien, den Lehrlings-, Gesellen- 
und Meistergrad. 

Diese Zöge bildete in der Folge die Freimaurerei noch 
weiter aus. Für uns ist die Entwicklung ihrer wohlthätigen 
Bestrebungen besonders wichtig. Auch auf diesem Felde ver- 
schwand die individuelle und spontane Thäti^'keit der Logen. 
Schon im Jahre 1729 wurde eine ^ e ni e i n s a ui c Unterstützung 
eingeführt. Die einzelnen Logen sollten vierteljährlich nach 
Belieboi Beiträge an die Grossloge einsenden, und aus diesen 
sollten unterstOtsungswQrdige BrOder, die dem Orden drei 
Jahre angehört hiltten , ein Almosen erhalten. Nur in Fällen 
prösster Dringliclikeit , wenn die Versammlungen der grossen 
Loge nicht mehr abgewartet werden könnten, sollten 3 £ oline 
Anfrage gegeben werden dürfen Un» der alli^emeinen Unter- 
stützungskasse aufzuhelfen, wurde festgesetzt, dass jede neue 
Loge für ihr Konstitutionspateut 2 Guineen an dieselbe be- 
zahlen sollte*). In der Kloss^schen Geschichte wird noch ver- 
schiedene Male der Mildthätigkeit des Ordens erwähnt Er 
heriehtet unter Anderem , dass die Groesloge manche wUrdige 
Personen unterstützt habe^). dass die neue Kolonie in Georgia 
in Nordamerika der WohlthiitiL'keit der Logen empfohlen wor- 
den sei^ und dass sich im Jahre 1733 eine Almosenkommission 
gebildet habe^). 

Die Freimaurerei hatte von Anfang an ein entschieden 
aristokratisches Gepräge. Schon als sich die vier Logen zur 
Konstitnirung der Grossloge im Jahre 1717 vereinigten, wurde 
beschlossen, nur so lange einen Grossmeister unter sich zu wäh- 
len, bis sie die Ehre haben würden, einen adligen Binder an 
ihrer Spitze zu sehen Die nach Sayer folgenden Grossmeister 



») Klofis S. 96. 
2) Kloss S. 97. 

a. a. O. 8. 58. 

ibidem. 
») 8. 122. 
•) 8. 126. 
^) s. 124. 

S. 7. 



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44 



V. 1. 



Bind alle Edelleata Geistreiche Hftnner stiebten danach, Mit- 
glieder des neuen Bundes zu werden Der hohe Adel hielt 
unter Lovel seine Anwesmiheit in der grossen Loge fiir einen 

Ehrenpunkt 

Unsere Zwecke erlortlern es nicht, die Geschichte der 
Maurerei weiter zu verfolgen und zu beobachten, wie der ein- 
fache, klare angelsächsische Gedanke für den französischen, 
ZOT Unnatur, Masslosigkeit und Uebertreihnng geneigten Geist 
zo ein&ch und natürlich war, wie die Franzosen, den An- 
regungen eines schottischen Konvertiten Bamsay folgend, dem- 
selben einen keltischen Zusatz von Uebei-spanntheit und Tollheit 
gaben, wie endlich die Maurerei dem unklaren, mystischen, 
träumerischen deutschen Geiste zu uücliteni erschien und bei 
uns die Geheimnissjägerei einiiss. Dagegen möchten wir noch 
einmal an den Ui-spiiing der Freimaurei-ei aus einer mittel- 
alterliehen Zunft, w^ter an ihre geseUige und wohlthätige 
Seite, sowie an ihre bundesstaatliche Vemssung und endlich 
an ihren aristokratischen Charakter erinnern. 

Dieser aristokratische Charakter nun musste die pressen 
Massen der wohlhabenden unteren Stande vom Eintritte ab- 
halten. Bei der Berühmtheit jedoch, welche der Orden erlangt 
hatte, und der Neugierde, welche seine geheimnissvoUen Formen 
erregten , wäre es nicht befremdlich , dass sich neben den die 
höheren Kreise umfassenden Logen Nachahmungen derselben 
unter den niederen Klassen gebildet hätten. Wir kennen uns 
nämlich nicht anders die Entstehung von gewissen Klubs er- 
klären, welche um die Zeit, da die Freimaurerei in hoher 
Blüthe stand, zum eisten Mal erwähnt werden, und welche in 
ihrer Veifassunp , ilnem Gebahren eine grosse Aehnlichkeit 
mit der Masonty haben, ohne mit derselben in Verbindung 
SU stehmi. 

Arbeiterklubs in dem gewöhnlichen Sinne sind sie nicht, 

wie man aus einer kurzen Charakteristik derselben ei*sehen 
wird. Um das Jahr 1745 treten in der Nähe der beiden 
ITanptsitze der Freimaurerei London und York die Logen der 
,Üdd fellows* und , Foresters' auf. Schon früher hatte Daniel 
Defoe die Gesellschaft der .Odd Fellows' erwähnt, und „The 
Gentleman's Magazine'^ für das Jahr 1745 spricht von der 
Loge der Odd Fellows als einem Orte, wo man s^r angenehme 
und erheiternde Abende zubringen könne. Die älteste olfisielle 
Notiz erwähnt die Aristarcus Loge, welche sich im Jahre 1748 
in vei*schiedenen Londoner Wirthshäusern versammelte. Der 
Orden der ,Odd Fellows' war eine ausgewählte Gesellschaft, deren 
Ziele sein sollten : die Aufrechterhaltung der Würde des Königs, 
der gegenseitige Beistand in Zeiten der Koth und gegenseitige 




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V. 1. 45 

Bildung und Unterhaltung^). Anscheinend scheinen das erste 
und letzte Ziel die Hypothese einer Verwandtschaft mit dem 
Freimanrerbnnde nicht zu anterstfitsen. Aber nur anscheinend, 
denn bei genauerem Zusehen erweisen sich die Abweichungen 

als ebenso viele Gründe für die Annahme dersellien. Die Frei- 
maurerei hatte vor ihrer Reform auf Seiten des freieren Prinzips 
in der englischen Verfassung und des protestantischen (ilaubens 
gestanden. Wilhelm III. war Mitglied einer Logo gewesen, 
dagegen hatte Jakob II. die Freimaurer mit scheelen Augen 
angesehen. Weiter erinnern wir an den Gormogonenbund, 
dessen Entstehung Kloss den Umtiieben der Jesuiten und An* 
hlingem der Stuarts zuschreibt. Endlich fuhren wir die That- 
Sache an, dass erst im Jahre 17 iG die Hoffnungen der Stuarts, 
den en'.'lischen Thron wieder zu erobern, durch die Niederlage 
bei Cullüden begraben wurden. Alle diese Umstände bewegen 
uns zu glauben, dasö die Odd Fellows sich eng au die Tradi- 
tionen der Freiroanrerd hielten, als sie f&r die Würde des 
konstitutionellen, protestantischen Königs Georg II. ein- 
traten. 

Man mag versucht sein, den dritten Zweck, einander zu 
bilden, aus den Bedürfnissen einer intelligenten Arbeiter- 
bevölkerung herzuleiten. Doch aurh in dieser Vorschrift zeigen 
sich Anklänge an die alte Maurerei. Kloss führt die Rede eines 
Yorker Grossmeisters an, welche noch die ,working masons' 
und die ,admitted membera d other trades and occupations' 
unterscheidet, in der es in dem an die Gentlemen gerichteten 
Schlüsse beisst: „Man bat mich glaubwürdig beriditet, dass in 
den meisten Logen in London und in manchen andern Theilen 
des Königi-eichs bei jerier Versammlung eine Vorlesung über 
irgend einen Gegenstand der Geometrie und Baukunst gehalten 
wird-).'' Aus dieser Stelle ^reht ausserdem hervor, dass die 
Aufnahme von Nicht-Zunftgeuossen vor der durch Desaguliers 
bewirkten Reform eine Heranbildung der Dilettanten zum Ver- 
ständnisse der Gewerbefragen nöthig machte. 

Nach diesen Erläuterungen fahren wir in einer kurzen 
Schilderung des Ordens nach Sprv fort^). Die Brüder kamen 
von Zeit zu Zeit zusammen ; bei ihren Versamml untren präsidirte 
der ,Noble Grand', welcher mit unumschränkter Macht, Ge- 
horsam zu erzwingen, bekleidet war. Wenn ein Mitglied auf- 
gefordeil wurde, etwas zur Erbauung und Erheiterung der 
gesammten Loge zu sagen, musste er den Anordnungen des 
Msidenten Folge leisten oder eine Strafe bezahlen. Auf diese 



') Die vorliegenden und die folgenden Notizen nach James Hpry: 
The History of Odd l ellowship: fts origin, Tradition and ObjecU. 
8. 3 und fg. London 1867. 
• «) Kloss s. a. 0. S. 88. 

«) a. a. 0. S. 3, 4. 



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46 



Weise buciiten sie die Fähigkeiten ihrer Mitbrüder zu entwickeln. 
Auch Warden Aufis&tze bei ihren Versammlungen gelesen. 
In den Arbeiterorden findet sich dieselbe Geheimnias- 

krämerei wie in der Masonry. Bei der Aufnahme eines Kan- 
didaten in «len Orden der ()]<l FpIIows wurde derselbe mit ver- 
Imndenen Auuen in das Zimmer geführt, während die Andern 
ein feierliches Stillt^chweigeu beobachteten. Plötzlicli befahl 
man ihm, als einem anmaassenden Sterblichen, stehen zu blei- 
ben. Ivetten rasselten, die Mitglieder stiessen sinnlose Töne 
ans. Der Kandidat wurde dabei zuweilen in Reisig gestossen 
oder kopfüber in einen grosen Zuber geworfen. Dann wurde 
die Binde von seinen Augen genommen, und nun sah er eine 
Person vor sich, welche ihm ein Schwert auf die Brust setzte, 
und die Frairc an die (iesellscbatt richtete, ob er (inade erwei- 
sen sollte. Weiter hatte er die Toilesszene zu übeistehen; man 
führte ihn vor ein menschliches Skelett. Eine Maske bedeckte 
das Gesicht der Mitglieder während dieses Vorgangs. Ueber- 
au in dem Versammlungszimmer waren Symbole angebracht, 
welche dem Eintretenden allmähHch gedeutet wurden. 

Bei den Odd Fellows dieselbe sagenhafte Vergangenheit. 
Sie behaupteten, von einer geheimen jüdischen Gesellschaft^) 
abzustammen, die sich während der babylonischen Gefangen- 
schaft gebildet hätte, und die durch eine aus Juden bestehende 
Legion zur Zeit (ies Kaisers Titus nach England verpflanzt 
worden wäre. Ihre oben geschilderten Ceremonien bei der 
Aufnahme eines neuen Mitgliedes betrachteten sie als eine 
Nachahmung der Eleusinischen Mjsterien. 

Ueber die ,Royal Foresters* hören wir Aehnliehes *). Der 

Orden wurde kurz vor dem Jahre 1745 in Leeds gegründet» 
Zunächst f illt, ww. hei den Odd Fellows, der wunderliche Cha- 
rakter ihrer geselli^^en Zusammenkünfte in's Auge. In der 
Bewilligung zur Eröffnung der zweiten Loge in Knaresborough 
wird den Brüdern die Erlaubniss gegeben „dort alle Rechte 
und Ceremonien der Alten Förster (Ancient Foresters) auszu- 
üben , wie sie seit Alters bei ihrem geheimen Waldgericbte 
(Secret Swain Mote) ausgeübt worden wären**. Auch sie hatten 
mystische Umgebungen und hielten ihren Orden für sehr alt. 
Das Datum des Schriftstückes ist: ,.der 23. Dezember im Jahre 
5817 nach der Zeitrechimng der Försterei". Adam war der 
erste Förster, wie in der Vorrede zu den Statuten lange Jahre 
hindurch zu lesen war. Die Höchsten nach Rang und Stellung 



M Bf'ktinntlich wurde im unhistorischen 18. Jahrhundert dii^ Meinung 
ausgesprochen , dass die Engländer von einem der verloren gegangenen 
Stämme Israels abstammten, dMB die englieche Sprtehe ans dem Hebrftr 
ischen abgeleitet werden müsse n. ? w. 

*) A Short Historv ot the (Jhict Affiliated Frieodly Societies. Leeds. 
S. 15 ffg. (ohne Datnm> 



V. 1 



47 



wären stolz anf den Namen Förster gewesen. Alfred der Grosse, 
^Wilhelm Rnfiis und König Jakob L hätten dem Orden angehört >). 

ViiT sehen also in diesen beiden Orden, wie nns scheint» 
trene Nachbilder der Freimaurerei, welche die edlen wie die 
fratzenhaften Zttge der Masomy spiegelten. Beide bestehen ans 
einer grossen Anzahl von Vereinen, die in unabhänjzi^^er, aber 
en«: verbundener Stell unir zu einantler, und in abhän^^iuer 
Stellung zu einem Central vereine, der Mutterloge, stehen, (ie- 
selligkeit und gegenseitige Unterstiit2ung sind ihre Hauptzwecke. 
Wie die Freimaurerei nennen auch sie ihren Bund ,Order*, 
in den offiziellen Schriftstflcken der Maurerei kommt der Name 
»brotherhood^ noch vor Der Name ,order* scheint überhaupt 
eine alte Bezeichnung für einen Klub in dem geselligen Sinne 
gewesen zu sein. In Waliord's Insurance Cyclopacdia findet 
eich in dem Artikel „Friendly Societies" folgende Notiz 

„1623. — Tlieie is preserved in tlie Uecord Office, Fetter 
Lane, the „Examination of Mich. Coustable of West Kaisen, 
Lincolnshire, relative to the oriL'in of the order of the ,Bui^lo' 
in Newport, Isle of Wight, on üieir vuyage to Spain. They 
iormed themseWes into a Friendly Society , called the ,Bugle' 
and on their retum met with another society called Tityreto, 
with whom they had Friendly intercourse; 40 more joined their 
Company. They had officers, coloure and a general fund, but no 
articles of agreement. Then there is recorded the names of 
the Orders of „Tityre" and ^the Bügle" and the names of those 
of ihe Order of the „Blew" : beinjr a list of knights and gent- 
lemen, some uf whom were, and some were not, at the supper, 
bot of the colonr/ 

Dass dieser Klub, wie V^alford behauptet, eine HilMasse 
gewesen sein sollte, kam mir sehr zweifelhaft vor. Ich wandte 
mich daher an das Public Hecord Office mit der Bitte, den 

Charakter der Gesellschaft zu bezeichnen und der Frage, ob 
das Wort , Friendly Society* in dem Dokumente vorkäme. Herr 
Cartwright antwortete, „that the , Society' formed was not a 
friendly' one in the modern sense of the word, neither is that 
Word used in the document at all. The Society was simply a 
eonvivial or drinking club composed of genUemen of good means 
and Position in that day**. 

Wenn also, wie sich aas dem Dokumente ergibt, das Wort 
^Order* im 17. Jahrhundert einen geselligen Verein bezeichnen 
konnte, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Forestei-s 
und Oflfl Fellows sich nicht erst in Folge der BlOthe der P>ei- 
maurerei bildeten, sondern schon früher bestanden, aber durch 



') a. a. 0. 8. 5. 

2) KlosB a. a. 0. S. 95. 

») 8. 382. 



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48 



V. 1 



den Einfluss der Freimaurerd nach Geist und Vei&anmg 

reformirt wurden. 

Naehden wir hjei-mit, die dritte QoeUe des modernen Hilfr- 
kassenwesens aufgezeigt haben, veTsuehen wir die Folgen dar- 
zustellen, welche der Zustand der Hilfskassen nach sich zog. 

Der Klub konnte der Arniuth nicht so energisch steuern» 
wie seine Ahnfrau, die Gilde. Er war vielleicht den Anforde- 
rungen ruhiger, behäbiger Zeiten gewachsen, aber dem An- 
sturm gewaltiger, soraaler Wandlungen vermodite er nicht sa 
widerstehen. Das Uebel des 16. Jahrhunderts kehrte im 18. 
wieder. Mit dem zunehmenden Verderben hielten das Armen- 
wespü und da? freie Vereinswesen nicht gleichen Schritt 
Konnten sie es bewälti^ien? 

Die Beraubung und Vernichtung des Bauernstandes, welche 
im lo. Jahrhundert begonnen hatte, wurde Jm 10. u, 17. Jahi*- 
hundert durch die Politik des kräftigen Königthums der Tadors 
und der selbstbewussten der beiden ersten Stuarts aufgehalten 
und periodisch zum Stillstand gebracht. Die Habsucht der 
Aristokratie krümmte sich unter der wuchtigen Faust des par- 
lamentsfeindlichen Lord - Protectors. Aber im Stillen ging der 
Diebstahl seinen schleichenden Weg weiter, wie eine ver- 
heerende Krankheit, die zuweilen aussetzt, aber um so schreck- 
licher wieder ausbricht, wenn sich die Bedingungen für ihre 
Entwicklung von neuem günstig gestaltet haben. Die herr* 
sehenden Klassen konnten sich endlich schäm- und gewissen- 
los gebärden, als das KOnigthum von ihnen abhängig geworden 
war. Nun begann jene schreckliche Kette von Beraubung und 
Verbrechen, welche fast zwei Jahrhunderte dauerte. 

Unter Karl II. als Vorspiel die Aufhebung der Feudal- 
verfassung und das Niederlassungsgesetz, unter Wilhelm III. 
die Verschleuderung der Domänen, als unter den Hannove- 
ranern Adel und Gentrv an*s Ruder kamen, d. h. sieh der 
Parlamentarismus entwickelte, 138 Jahre lang nEinschliessung" 
der Gemeindeländereien, in Summa ungefthr 8000000 Acrest 
Dieses im „freiesten Lande" Europas, unter einer „parlamen- 
tarischen** kegierunj?, auf Veranlassung einer .,in der Selbst- 
verwaltung geschulten" Aristokratie mit „unerschöpflichem 
politischem Talente" und wahrhaft „staatsmännischer Auf- 
fassung" I Wie im 15. wurden die Menschen im 18. ver- 
jagt, man verhinderte sie an der Auswanderung, um sie in 
die Städte zu treiben, wo sich der folgenschwere Uebergang 
von der Klein- zur Grossindnstrie vollzog, welche grosse Ar- 
beitermassen periodisch brotlos macht. Die Arbeitgeber hiel- 
ten den Preis der Arbeit künstlich nieder, und bezahlten den 
Arbeitern den zur Bestreitung des Existeozminimus nöthigen 
Rest aus den Armensteuei-n. 

So häufte Geldwirthschaft, Weidewirthschaft, liosenkriege, 
Bürgerkriege, Beraubung des Kirehoigntes, des Gildegutes, 



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49 



der Kronpüter, Einschliessiin? der Gemeindelitndereien, und end- 
lich die Grossindustrie eine unbeschreibliche Summe von Flond 
und Xoth auf die unteren Klassen Kndand's. Der Enteif^- 
nuugbpruzess spiegelt sich im Wachsen der Armensteuer. Wüh- 
lend dieselbe nach einer zu hohen Schätzung im Jahre 1673 
if 840000, und nach einer genaueren im Jahre 1685 nur 
£ 665 3(52 betrag*), ging sie im Jahre 1714 auf £ 950 000 
bei einer Bevölkerung von 5^ 4 Millionen hinauf. Im Jahre 
1776 hatte sie schon eine Höhe von £ 1530 000 bei einer 
Bevölkerung von 7 000(X)0 erreicht. Im Jahre 17S8 stieg sie 
auf £ 2 132 486 und im Jahre 1784 auf £ 2 285 880«). 

Englische Staatsmänner, Politiker und Tublizisten wandten 
sich angesichts dieser Verhältnisse einem eifrigen Studium des 
Armenwesens zu. Das einzig wirksame Mittel zur Bekämpfung 
des Pauperismus: Rückforderung der Domänen, (iemeinde- 
ländcreien, der gelegten Bauergüter gegen Entschädigung der 
Besitzer und Fortbildung fies Lohntaxsystems wurde niclit an- 
gewandt. Man erstrebte statt dessen zwei Ziele : Reform des 
AiTiienwesens und Scliatfung einer wiiksanien Arbeiterversiche- 
rung. Das erstere liutlte man 1834 nach manchen fruchtlosen 
Projekten durch die Rfickkehr zu den Elisabethischen Prin- 
dpien zu erreichen. Alles lief daraus hinaus, den jetzt häufig 
nicht nur pauperisirten, sondern auch demoralisirten Armen vom 
Almosenempfang abzuschrecken. Der ?^rfolg war unbedeutend. 
Konnte man ileni zweiten Projekte einen grösseren versprechen ? 
Das hing von der Gestaltung desselben ab. Jedenfalls konnte eine 
Summe nicht grösser sein, als sämmtliche Addenda zusammen. 

Nichts ist wichtiger, als an dieser Stelle nachdrucksvoll 
hervorzuheben, dass die Bestrebungen der wohlhabenden eng- 
lischen Stände zur Hebung der unteren Klassen aus ihrem 
Egoismus entspi-ungen sind. Man hat die Bedeutung der 
Elisabethischen Armengesetzgebung dadurch kui"z bezeichnen 
wollen, dass man sie das Sicherherheitsventil des englischen 
Staates genannt hat; wir glauben eine wenig beachtete Seite 
derselben zu beleuchten, wenn wir sie das Manometer, das 
Pulsometer des englischen Staatslebens nennen. Das Steigen 
der Armenlast ist flir den Engländer das Symptom einer gesell- 
schaftlichen Krankheit, an der er mit Aufbietung aller Kräfte 
arbeitet, — um sich Abgaben zu ersparen^. 



1) Eden, The State ot' the l'oor. S. 229. 

*) Sir (ieorge KichoUs. History of the Engllsh Poor Law. II, 57 flfjf. 

*) Mit naiver Deutliclikeit tritt dies in der Petition eines gewissen 
John Wilkinson anf, wolch«' nn'- d »s ,l<<nr?ml of tho Flotise of rommons 
anter dem 4. Fel»riiar IT^^-^ uut (Ui Au>tulirluijk(;it üliorliolert, welche sie 
▼er<liont. Herr Wilkinson hat Eisenwerke angelegt, welche in Stetem Wach- 
sen l>t'i:riff»n sind und eine steigende Anz;tlil von Arbeitern an den Oit 
sieben. .Mit jeder Vergrösserung seiner Werke wächst der Betrag der 
Anseittteiier, welche Herr WilkiiiBon m zahlen hat, und die Feiudseweit 
der Armeoanfseher, welche die Arbdter mit Ausweisang bedrohen, u^rr 

FondiUMcm (20) V. 1. ~ HaabMli. 4 



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50 



Es kann nur ein Lächeln hervoiTufen, wenn George Rose 
bei der Berathung des ei*sten Sparkassengesetzes im Jahre 
1817 und ein Schriftsteller im Jahre 1854 in der Quarterly 
Review einschärieu, man solle in den unteren Klassen nicht 
den Glftttbeo erwecken, daas sie nur gefördert wOrdeo, nm den 
oberen Klassen die Armensteuer za cdeichteni, wäbrmid doeh 
die Parlamente bei der Berathang aller Sparkassen- und 
Friendly Societiesgesetze an ei-ster Stelle bei den Ersparnissen 
an Armensteuern verweilen, welche solche Institutionen herbei- 
führen sollen, während verschiedene Gesetze diesen Standpunkt 
in der Präambel zu allu^eineincr Kenntniss bringen und die Zei- 
tungsliteratur ihn immeiiort predigt. 

Die Vorschlage, welcbe zur Entwicklung eines Arbeiter- 
versichemngswesens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts 
gemacht werden, verkörpern drei Tendenzen, denen sich drei 
andere gegenübei-st eilen. In den einzelnen Vorschläj^en durch- 
kreuzen sie sich mannigfaltig. Das erste Paar streitet sich 
um das Verwaltungssebiet des Arbeitervereicherungs- 
wesens. Wie sehr diese Bewegung durch das Almosen ihren 
Anstoss erhielt, erhellt daraus, dass manche Politiker die 
UnterstntsnngSTereine in den Grenzen des Kirchspiels er- 
richten woUten. Hier tritt die innige Verbindung kirchlicher 
Armenpflege und des Untei-stützungswesens in England zu Tage. 
Hätte diese Richtung Erfolg ^^ehabt, dann wäre durch eine 
merkwürdi*:e .Lreschichtliche Entwicklung eine moderne pro- 
testantische Gilde in's Leben gerufen worden, und zwar ver- 
mittelst des Bindeglieds der auf mittelalterlichen Institutionen 
beruhenden Armengesetzgebung. Die entgegengesetzte Tendenz 
halt sich nicht an die engen Schranken der Pfiirrei. Die Frage 
ist kurz die: Soll diese soziale Frage des 18. Jahrhunderts 
durch Kirchspiel, Verein oder Staat gelM werden? Dieselbe 
wird in der Friendly Societies-Bewegimg immer wieder auf- 
geworfen, und ist auch jetzt noch nicht eiidp-iltig erledigt. Die 
zweite Richtung will Zwaiigskussen , l)ezü^lich freie Kassen. 
Die dritte verlangt neue Organisationen. Die gegenüberstehende 
mochte die bestehenden boxes und clubs ermuthigen. 

Francis Maseres schlug in einer nn Jahre 1772 ge^ 
druckten^) Broschfire Tor, dass in jeder Pfarrei, wo zwei 



Wilkiuson will nun eine UnterstützuDgskasse fiir seine Arbeiter gründen, 
to dass dieselben der i'farrei nicht mehr zur Last fallen ktanen, und bittet, 
nach der Gründung der Gesellschalt von der Armensteuer befreit 
zu werden. Ob Herr Wilkinson seine Arbeiter die BeHcige zur Kaase 
aUein tragen lasMD wollte, aa^ die Petition nicht Wenn die Petition 
gewahrt woidtti wlie, hätte er m jedem FaUe ein gutes Geschäft gemacht 
') A proposal for establishing liff annuities in Parishes for the Benetit 
of tbe Industnous Poor. Vorher hatte er seine Gedanken im Public Ad- 
vertiser vom 22. Juli 1871 entwickelt Siehe Eden, State of the Poor. 
1, S. 3o0. 



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V 1. 51 

Kirchenälteste und zwei oder mehrere Armenaufselier wären, 
die Aimensteuem bezahlenden Einwohner eine Korpora- 
tion bilden sollten, zum Zweck der Zahlung von Altei*s- 
renten an Pfarrgenossen, welche im Stande und willens wären, 
eine einmalige Prämie zu erlegen. Die Rente sollte jedoch 
für kein Alter 20 ^ abmteigen und ihr Gennss beim Manne 
mit 50, bei dem Weibe mit 35 Jahren beginnen. So sollte 
die auf den Gütern wohlhabender Leute lastende Armenstener 
vermindert werden. 

Im Jahre 1773 wurde auch eine Bill, welche diese Ideen 
enthielt, von Dowdeswell dem House of Commons voi-gelegt. 
Die Prämien sollten in dreiprozontiL^en Staatspapieren angelegt 
werden. Durch Zuschlag der Zinsen zum Kapitale hoffte man 
mit geringen Einzahlnngen hohen Ansprachen gerecht werden 
stt können. Im Falle jedoch das ans Prämien und Zinsesiinsen 
gesammelte Kapital nicht genüge, sollte das Fehlende aus der 
Armenkasse 'jjenomnien werden. Die Geistlichen , Kirchen- 
ältesten und Arinenaufseher waren nach dem Gesetzentwurf 
die Beamten der Korporation. Doch sollten sie keinen 
Versicherungsvertrag ohne die Zustimmung der Annensteuer 
bezahlenden Kirchspielangesessenen ahschliessen dürfen, und 
xwar mussten die Zustinunenden mehr als die Hälfte der Armen- 
steuer des Kirchspiels aufbringen. Der Uebergang der Policen 
an andere Personen war sehr erschwert. Dem Gesetzentwurf 
war eine sorgsam ^rearbeitete Tafel beigefügt , welclie sich auf 
Deparcieux's Tafel sttUzte. Dieselbe hatte Maseres ausgear- 
beitet und Dr. Price durchgesehen. Der Gesetzentwurf ging 
durch das Unterhaus, aber das Oberhaus verwarf ihn in 
Folge einer Rede des Lord Camden Die Lords befürchteten, 
dass ihnen die Ausführung dieses Projektes neue Lasten auf- 
bürden würde, worin sie sich jedenfalls täuschten. Denn 
Maseres' Voi schlag war so unpraktisch, dass an eine Verwirk- 
lichung (lesselljen gar nicht zu denken war. Die geringste 
Primiie sollte ö £ betragen. Bei dem damaligen Stande der 
Löhne und den» Charakter der englischen Arbeiter war aber 
nicht zu erwarten, dass sich viele Arme die langen und schwe- 
ren Entbehrungen auferlegen würden« welche zu einer solchen 
Prämienzahlung nöthig waren. 

Im Jahre 1787 legte Gilbert, welcher in der Geschichte 
des Armenwesens durch seine partielle Durchführung des in 
der Armengesetzgebung Heinrich's VI II. und Elisabeth 's ent- 
haltenen Gedankens der Zusammenlegung von Kirchspielen zu 
grösseren Armengemeinden bekannt ist, in diesem Gesetz- 
entwurfe auch folgende Massregeln zur Ermuthigung der 
bestehenden Friendly Societies vor, die jedoch nicht den 
Beifall des Parlamentes fanden 

') Eden, The State ot the Poor. I, S. 350. 
Eden, The State of the Poor. I, 391 und 600, ßOl. 

4* 



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52 



1. In den Grafschaften sollen die Ausschüsse, welche zum 
Zweck der Durchführung des Amienpesetzes angeordnet werden 
Mitgliedern von Friendly Societies, deren Statuten von denselben 
gebilligt worden sind, wenn dieselben von ihrer Gesellschaft 
Untentatzang eriialten, aach eine UntergtQtamng von Seiten 
des Ausschusses (nicht mdir als einen Sehilling wöchentlich) 
pfewäbren dttifen. Diese Beträge soUen aus einer Hundesteuer, 
Sonntagszöllen und vei-schiedenen Gebühren bestritten werden. 

2. Finden die Statuten einer neugebildeten, aus wenitzstens 
100 Mitgliedern bestehenden Gesellschaft die Zustimmung.' des 
Ausschusses, dann dai-f derselbe dem Vereine eine einmiiiige 
Schenkung zuwenden. 

3. Werden die Statuten eines neugegrttndeten VereinB 
dem reisenden Richter vorgelegt und von diesem gebilligt, dann 
soll die Staatsgewalt den Beamten ihren Arm zur Eintreibung 
der verhängten Strafen leihen und die Ansprüche der Mit- 
glieder an die Gesellscliatt nöthigenfalls durch Pfilndung und 
Zwangsverkauf durchsetzen. Unter diesen Vorschlügen ist 
der dritte der wichtigste. In veränderter Form findet er 
11 Jahre spater seinen Weg in das erste Friendly Societies- 
Gesetz. Ja, das ganze Gesetz ist nur eine reiche und aUseitige 
Entwiclclung dieses Gedanicens, und auf diesem Grundgedanken 
beruht die Gesetzgebung bis auf den heutigen Tag. 

4. Die letzte bezweckte die Beseititriing des Gnindilbels 
aller freiwilligen Arbeitervei^sicheruimsvereine unter unserer 
heutigen Wirthschaftsordnung. Mit dem rulligen, vorurtheilslroien 
Blicke des Englanders erkannte Gilbert die Achillesferse aller 
clubs und boxes in dem Unvermögen des Arbeiters in Zeiten 
der Arbeitslosigkeit, seine wöchentlichen Beitrfige zu bezahlen. 
Er schlug desshalb vor, dass die von ihm geplanten Ausschüsse 
der Armenverbände berechtigt sein sollten, die Prämien der 
arbeitslosen Mitglieder von Arbeiterklubs zu entrichten. 

Thomas Gilbert inuss daher als der geistige Vater der 
eingeschriebenen Hilfskasse (Registered l?'riendiy Society) an- 
gesehen werden. 

Haben wir nun hierin zwei Pläne besprochen, welche die 
Prinzipien der Freiwilligkeit verwii^licben, von denen der eine 
eine neue Organisation auf dem Gebiete des Kirchspiels bdin - 
woitet, der andere bestehende Gesellschaften zur höchsten Kraft- 
entfaltuiy? aufmuntern will, so tritt uns in der Schrift Acland's 
eine Vereinigung der l^cgritl'c Zwaim und Staat entgegen')- 

Acland schlägt vor, dass durch Gesetz eine Kasse gegrün- 
det werden soll, zu der Jeder, sei es Mann oder Weib, zwi- 
schen dem 21. und 30. Jahre beizutragen verpflichtet ist. 

M A Plan for rendering the Poor independent od public contribations, 
founded on the basis of the Friendly Societies, commonly called clubs by 
the Rev. John Adaad. Exeter 1786. Inhaltsangibe bei £d6o a. a. O. 
I, S. 873— m 



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V, 1. 



Von der Beitraii?j)flicht ausgenommen sind alle Personen, 
welche entweder durch dauernde Krankheit an einem regel- 
mässigen Erwerb verhindert oder über 30 Jahre alt oder ver- 
heirathet ^lud und eins oder mehrere Kinder haben. Aber die 
beiden letzten Klassen dQrfen zu der Kasse beitragen. Wenn 
Gesunde swisehen dem 90. und 60, Jahre der GeeeUschait bei- 
treten wollen, dann müssen sie neben den gewöhnlichen Bei- 
trägen einen Jahresbeitrag als Eintnttsgeld und 1 Schilling 
fiir jedes nach dem 30. Lebensjahre abgelaufene Jahr bezahlen. 
— Nieman<len soll der Besitz von Geldkapitalien vom Eintritt 
befreien. Nur diejenigen, welche ein Einkommen von ^ 10 
bis ^ 1000 aus Grund und Boden haben, brauchen sich nicht 
sa betheiligen. 

Adand ftigte seinem Plane eine nach der Venehiedenheit 
der Beiträge ^^raduirte Tabelle zu. Dieselbe weist vei-schie- 
dene Ansätze für bettlägeiige Kranke und umhergehende Kranken 
auf. Die Altei-spensionen sind verschieden, je nachdem sie 
mit dem ()5., 70. oder 75. Jahre beginnen. 

Acland's phantastischer Vorsriilag wurde nie emstlich 
diskuüi't. Er bot viele Angridspunkte, welche Uowiett in einer 
1788 erschieBenen Broscbflre') glttcklich heransfiBad. Ver 
Allem srheint uns die Aufdeckung der Thatsadie von der 
grOssten Bedeutung, dass die Einnahmen der Armen zu genug 
waren, um daraus die Prilmien zu einem umfassenden Ver- 
sicheiTingswesen zu bestreiten. „The whole indeed '\ sagt er 
S. HO, „appears to go upon this fundamentally enmeous con- 
ception, naniely that the present earnings of the Poor, if pro- 
perly managed, are perfecti} adequate tu their cuutior table 
maintenanee. This, is by no means trae; to which I will 
▼oiture to add, that nine Tenths, at least, of the . 
country fabouring Poor, wboform, perhaps, threefourths 
of the whole body of labourei-s in the kingdom, which re- 
ceive parochial assistance, have been reduced to 
that necessi ty . not froni vice and profligacy, not 
frojn laziness and indolence, but unavoidable in- 
ability to support themselves und ianiiiies by the 
income of their labour, and with that degree of aldll 
and maaagement tbey possess.'* 

Es ist anziehend, zu sehen, wie schon zu dieser Zeit 
da der erste Plan auftauchte, eine allgemeine Zwangskasse zu 
gründen, die sich durch die Beiträge der Arbeiter erhalten 
sollte, Front gemacht wurde treffen die stillsehweiL'ende Voraus- 
setzung, dass der Anne aus seinen eigenen Einuahmen, wenn 



^) The l\p\. J. Uowiett: The insufficiency of tbc rauses to which the 
increase of our Poor and of the Poor's Kaies have been comiuonly ascri* 
bed «le. iCe. London 1788. Eine Inhaltsangabe bei Eden a. a. 0. 



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54 



er nur sparsam und voi*sorglich wäre, sich ein behagliches 
Dasein und eine sichere Zukunft schaffen könne. Selbst bei 
den heutigen Löhnen der meisten Arbeiter ist es zweifellos, 
dii88 die Schaffung von Kassen, die allein auf ihren Beiträgen 
basiiw, nur m(yglich ist unter der VoratusetKiing ?oii Kon- 
sumvereinen, deren niedrigere Verkanftpreise ihnen die 
Zahlung von Prämien ermöglichen, von Gewerkvereinen» 
welche die Löhne auf der Höhe, ^^'elche sie vor (Gründung 
der Konsumvereine hatten, gegen die natürliche Tendenz der 
Unteruehmer, erhalten, die Löhne um die Differenz der 
Konsum Vereinspreise und Ladenpreise zu drücken, und end- 
lich von staatlich von den Unternehmern erhobenen Krisen- 
steuern, aus denen der Arbeiter in ArbeilslOBigkeit er- 
4ialten wird. 

Neben den vielen trefflichen Gedanken Howlett's steht ein 
anderer, welcher so falsch ist, dass man sich wundert, ihn von 
einem so verstandesklaren Manne ausgesprochen zu hören. Kr 
befürchtet, ein junger Mann, der sich durch Zahlung einer 
Prämie die Aussicht auf ein sorgenfreies Alter erworben habe, 
werde keinen Sporn zur Spai-samkeit fühlen und verkommen. 
Diese Ansehannng wird anch noeh heutigen Tages gehegt. 

Wir können uns nicht weitläufig mit den Ansichten des 
Vei-fassers und seiner Anhänger Ober die wirthBchafÜiche Be- 
deutung der Noth auseinandersetzen. Wir können nur bemer- 
ken, dass, wenn dieser Gedanke konsequent verfolgt wird, er 
zur Vernichtung jeder Kultur führen muss. Muss da nicht 
jedem Manne, wenn er beruhigt in die Zukunft schauen kann, 
sein Besitz genommen werden, da, ihm derselbe den Stachel 
zur ThäUgkeit nimmt? Moss nicht die Vererbung von mate* 
riellon Gütern verboten werden? Es ist richtig, dass die wirth- 
schaftliche Noth in Leuten, welche an eine höhere Lebens« 
haltung gewöhnt sind, den Verstand schärit, die Energie ent- 
wickelt, aber es ist nicht minder wahr, dass sie sein hiiufig 
die Sittlichkeit untergräbt und in den änneren Klas^^u die 
TriebfedeiTi zur Sparsamkeit und Fürsorge sehr wenig an- 
spannt Und wenn die wiithschafüiche Noth von so grosser 
Bedeutung ist, warum, gehen wir denn nicht einen Schritt 
wmter, lösen den modernen Staat auf und fahren das Leben 
wilder Völker. Niemand kann leugnen, dass in einem un- 
civilisirten Zustande der Mensch muthiger, selbständiger und 
weniger vei'zärtelt ist, als in einem hochcivilisirten Zustande. 
Wir wollen gar nicht einmal bei dem wohlthätigen Einflüsse 
verweilen, welchen eine gesicherte materielle Stellung auf 
die Thätigkeit des Menschen hat. da sie aDein Untem^- 
mungen, welche sieh Ober lange Zeiträume erstrecken, mOg- 
licli macht, sondern nur kurz daran erinnern, dass John 
Stuart Mill in seinen Bemerkungen Ober den stationftren 



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V. 1. 



55 

« 



Staat ^) Zeiten, in welchen die roheste Selbstsucht Motiv 
wirthschaitlicher Thätipkeit ist, für Vorstufen einer höheren 
Kulturepocbe hält, da edlere Beweggründe an die Steile des 
wirthsdialtlichen Egoismus getreten sind. 

Die Idee der Zwangskasse wurde in den achtsiger Jahren 
noch dareh zwei andere Männer, von jedem in originaler 
Weise vertreten. Zugleich mit Aeland kämpfte dafUr The Rev« 
Joseph Townsend 

Er sähe am liebsten die ganze englische Armenpflege auf- 
gehoben, und den Armen auf die Privatwohlthätigkeit ange- 
wiesen. In allen Kirchspielen, schlägt er vor, sollen Werk- 
stätten errichtet werden, welche dem arbeitsamen Armen Be- 
acbftftigong gegen tftgliche Entlohnung gebra. Ein Korrelat 
ist die obligatorische Fnendly Society. Jeder Arbeiter muss 
einer solchen Kasse anpehi^ren. „Um sie in diese Gesellscliaften 
zu treiben, sollte Niemand zur Unterstützung aus der Armen- 
kasse berechtigt sein, der nicht einer Friendly Society ange- 
hörte." Unter den vielen Missstanden dieser Vereine rügt er 
besonders die Gleichheit der Beiträge für Verlieirathete und 
UnTerfaeirathete. Der Vater von vier nnerwaehsenen Kindern 
durfte nieht mehr als Vto seines Wochenlobnes bezahlen, wah- 
rend der Junggesell ein Viertel desselben zur Kasse beitragen 
sollte. 

Bekanntlich hat kein Gerin^rerer als Maltluis 'i diesen Vor- 
schlag kritisiil. Es kann Niemanden in Verwunderung setzen, 
dass er sich vornehmlich gegen die Absicht Townsend's wemiet, 
den Unverheiratheten stärker heranzuziehen, als den Verhei- 
rmtheten. Es sei eine Piftmie auf eine hohe Kinder^alil, meint 
er. So lange sich Malthus auf dem Gebiete der Populatio- 
nistik bewegt, muss man ihm Recht geben. Aber wo er die 
Zwanprskasse verwirft, sind seine Gründe nicht stichhaltig. Er 
glaubt, dass ein allgemeiner Kassenzwang den Preis der Arbeit 
und aller Waaren um die Prämienbetriige erhöhen würde. 

Dagegen ist zu bemerken, dass die Tendenz allerdings 
da sein, aber es doch von vielen anderen Umständen abhäogen 
würde, ob die Tendenz voll sum Ausdrucke käme. Dasu 
wären vor Allem hohe Schutzsdlle auf alle Waaren nöthig. 
Malthus meint ferner, die Lage wfirde nach wie vor dieselbe 
sein. Was die Steuerfähigen früher an Armensteueni bezaldt 
hätten, würden sie jetzt in den höheren Preisen entrichten. 
Al^o solle man beim Alten bleiben. Wir schliessen daraus, 

' ) IMDciples of Political Eeooomj. § 2. Wbile minds are eoane^ 
they require co;irse Stimuli. 

•) The liev. Joseph Town&end: Dissertation oa tbe Poor Laws etc. 
London 1816. Eden a. a. O. I, 387—388. 

>) Malthus. An Kssay on the PHndolo of Population. 5*^ edidon 
London im, Ul, 8. 229-233. 



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56 



V. 1. 



(lass iDaii S(tt(jit zu dem System einer allp:eTneineii Zwanps- 
kasse uber^elien i-ollte, wenn jene Abwälziin;^ stattfände. Denn 
dann verlieren die wolilhabenden Klassen Nichts und man ent- 
reisst die Aimen der Schande, von Zeit zu Zeit Wohltbaten 
und Unteratoteongeii annehmen su mttssen. 

Auf gleichem Boden bewegt sieb der Vorschlag von Haweis \). 
Er pTiipfiehlt örtliche Zwangskassen, zu denen jede um Lohn 
ariitMicndo Person, welche wöchentlich mvhv als 3 Schilling 
verdient, ' j. — ' 20 ihres Wochenlohnes beitragen muss. Die 
Prämien der Erntearbeiter sollen nur * ,s ihres Wochenlohnes 
betragen. Die Arbeitgeber sind für die pünktlichen Einzah- 
lungen ihrer Arbeiter verantwortlich. Die Aimensteuer soll 
aufgehoben werden, und an ihre Stelle ein Beitrag (^ 20 der 
Grundrente) der .,occui)ier of lands and tenements" treten. 

Gegen diesen Vorschlag erhoben Bich alle Einwftnde, 
welche man p:ep:en die friilieren Projekte geltend pemacht 
hatte. Man befürchtete, dass eine all^^enieine Zwangsversiehe- 
rung ein allgemeines Heraufgehen der Löhne zur Folge ha))en 
werde und die ökonomischeu Instinkte des Armen ertödt^^n 
ifcttrde 

Es sind vereinigte Zeugnisse dafür vorhanden , dass man 
in dieser Zeit theoretischer Erörterung, in der alle Weisen 
angeschlagen werden, welche wir in jüngster Zeit in Deutsch- 
land zu hören pflegen, auch praktisch an einer gesunden lie- 
staltunjr des Klubwesens arbeitete. Eden erwähnt in seinem 
grossen Werke einen Klub auf den («ütern des Lord Harcourt 
zu Nuneham in üxfordshire dem Arbeiter beitreten durften, 
welchen der Lord die Erlaubniss dazu gab. Der Arbeiter 
zahlte einen periodischen Beitrag, und ebensoviel zahlte Lord 
Harcourt. So bildete sich eine kleine Summe, welche dem 
Arbeiter jiehörte. Wurde der Arbeiter krank, so entnahm er 
aus der auf seinen Namen stehenden Summe das nöthige 
Krankengeld. Glaubte aber Lord Harcourt, dass der Arbeiter 
leichtsinnig seine Ersparnisse angritl. so gestattete or nicht, 
dass der von ihm stammende Bruditheil an ihn ausgezahlt 
wurde. Bei dem Tode des Arbiters wurde das Begräbniss 
desselben aus der Kasse bestritten, ein vorhandener lieber- 
schuss der Wittwe aus]>ezahlt. Eden behauptet, dass arme 
Arbeiter 5—6 jC in dei Klubkasse besessen hiltten. 

Ein anderes Beispiel liefert die Rath Society. Im vorigen 
Jahrhundert bildete sich im Westen Englands ein landwirth- 



M The. Wey. T. Haweis : Hints rospectiog tbe Poor etc. LoadOD 1788. 

Ein Auszug l>ei Eden a. a. U. 8. 

*) „Aq eiueu ZwaM zum Eintritt in solche Gesellschaften dachte in 
England m keiner Zelt irgend ehi theoretischer oder praktladier Politiker" 
versichert Oppenheim. PrenatiKhe Jahrb&ciiar. II, 622. 

I, Seite 014. 



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V. 1. 



57 



schaftlicher Verein, welclier seinen Sitz in der damals bp- 
i-ühniten Badestadt Bath hatte. Die Gesellschaft hat in einer 
stattlichen Reihe von Bänden Aufsätze ökonomischen Inhaltes 
Teroffentlicht unter dem Gesammttitel : Letters and Papers on 
Agneoltore etc. selected from the CorreBpondence Book of the 
Society institated at Bath. Später nannte sie sieh The Bath and 
West of Enj^land Society. In einem Aufsatze derselben werden 
die Klubs einer wohlwollenden Kritik von bekannten Gesichts- 
punkten unterzogen. .,Üie von dieser Gesellschaft auf^rebrachten 
Summen,'' heisst es dort, „ist ebenso viel dem Wirthshaus ent- 
zojrenes Geld." Im seilten Rande. Seite :i74, findet sich ein 
Bericht über eine im Jahre 17ü5 gegründete Gesellschaft, 
welche den Namen The SeribUers* Club führt und seine Ver- 
samniluniren im Schwarzen Boss zu Devuses in Wiltshire abhält 
Derselbe hat in 18 Jahren 748 £ 15 s. Id. an Unterstützungen 
ausbezahlt. Hätte der Klub nicht existirt, meint der Verfasser, 
dann hatten die Armensteuern um ebensoviel höher sein müssen. 
Beide Korrespondenten sprechen den Wunsch aus, dass die 
Bath Society die Grüiuiung von Friendly Societies l)efördern 
möge. Die Gesellschaft kommt dem Wunsche in einer Form 
nach, welche an die Vorschläge Gilbert*8 erinnert. Sie setit 
einen Preis von 10 Guineen fttr eine Friendly Society aus, 
welche gevrissen yon der Bath Society vorgeschriebenen Be- 
dingungen genügt. 

Diesen Reformbestrebunjren der höheren Klassen^) kam 
ein Reformbediirfniss der unteren erit^^e^ren. 

Von allen l'ebeln, welche man den Klubs nachsagte, 
empfiinden deren Mitglieder nur den Mangel an gesetzlichem 
Schutxe gegen Veruntreuung der Gelder, die gewissentose 
Exklusion der Mitglieder und die Unsicherheit der Unter- 
stützung als Missstände. Ftlr die theoretischen Erörterungen 
Ober eine Skala der Beitrage, an der Dr Prire arbeitete, hatten 
noch weni'je Köpfe Verständniss, und was den höheren Ständen 
als der s('li\\;irzeste Fleck des Klubs erschien: ihre geselligen 
Zusanimeiikiinfte und jährlichen Feste, in Wirklichkeit das 
Kiickgrat der Gesellschaften, musste ihnen als der einzig leuch- 
tende Punkt in ihrem Dasein vorkommen. Von den Wünschen 
der arbdtenden Klassen legen die Jonmals of the House of 
Commons klares Zengniss ab. 

<) On the Advaottges of Friendly Sodeties aniong Htndicraftsniai 

tnd Labotirers. Vol. III. 

-') Her Ausdruck ^holurc Klassen" i>t sehr ungenau. Die meisten von 
aA erwähnten SchriftsteiliT, mit alleiniger Ausnabnie von Maseres, welcher 
Jurist war. sind Cieistliche, deren herTorraßendcs Wirken, wo es sich 
um die leibliche Noth der Bevölkerung handelt, bei der Bewunderunj^ der 
eoglischen nobility aud gentry immer übersehen wird. Der englische Geist- 
li<£6 spendet eben nicht bloss gdstUcbeii Trost , sondern ftsst sthie Stel- 
luf Ton dem Standpunkte eines Gentleman aof. 



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58 



Am 25. Fehruar 1774 lag dem Unterhause eine Petition 
der „Landable Society for the Benefit of Widows" vor. Die- 
selbe war im Jahre 1761 zum Zweck der Gewährung von 
WittweDpendonen gegründet worden. Im Jahre 1770 betrug 
die Zahl ihrer Büßlieder beinahe 700. Nach dem Verlaufe 
Yon 10 Jahren entdeckte man, dass die Beitiäge zu gering 
waren. Der Verwaltungsausschuss schlug den Mitgliedern vor, 
die Pensionen zu verküi-zen. Davon wollte natürlich Niemand 
hören. Cliarakteristisch für den völligen Mangel an Verständ- 
niss lür das Versicherungswesen ist die Thatsache, dass der 
Gesellschaft noch fortwährend neue Mitglieder beitraten. Der 
Yerwaltungsaussehuss und einige Mitglieder bitten das Unter- 
haus, das angesammelte Vermögen verhältnissmässig unter die 
Mi^lieder vertheilen zu dürfen. — Am 14. März 1774 läuft 
eine zweite Petition der ,Lan(lal)le Society' ein. Sie theilt mit, 
dass sie ihre Beiträge erhöht und sich auf dieser Basis neu 
konstituirt hat. Dieselbe Gesellschaft beschäftigte das Unter- 
haus noch verschiedene Male. 

Unter dem G. Februar 1776 erwähnt das Journal eine 
Petition von Schauspielern des Drurylane-Theatre, in welcher 
sie ausführen, dass sie im Jahre 17ti6 einen Verein gegründet 
haben, welcher zu gleicher Zeit Kranken-, Sterbe , Unfall-, 
Wittwen- und Waisenkasse ist. sowie gelegentliche Unter- 
stützung gewährt. Sie haben ein Kapital von £ 3400 in Händen 
und ])esitzen ein Haus. Aber es fehlt ihnen an aller gesetz- 
lichen Sicherheit. Sie bitten um Verleihung von Korporations- 
rechten. Ein Gesetz, welches ihre Wünsche gewährt, erhielt 
am 25. März 1776 die königliche Zustimmung. 

Um dieselbe Vergünstigung bitten, wie aus den Journalen 
zu ersehen ist, Schauspieler vom Coyent^Garden-Theatre unter 
dem 12. Februar 177<>. Ihr angesammeltes Kapital beträft 
• £ 43UÜ. Es fehlt ihnen ebenfalls an aller gesetzlichen Sicher- 
heit. Korporationsrechte werden ihnen unter dem 13. Mai 
177ti gewährt. 

Unter dem 8. Februar 1788 bitten KohlenscbilTer und 
Bootsknechte (skippers and keelmen) auf dem Flusse Tyne um 
ein Gesetz zur Begründung einer Hilnkasse. Ihre Beschäftigung 
zwingt sie, sich in grossen Mengen in einer kleinen Anzahl 
von Dörfern niederzulassen. Das Ki ichspiel muss befürchten, 
dadurch schwer belastet zu werden, und sie sind in Gefahr, in 
ihre Heiniath geschickt zu werden. Ihre Bitte wurde durch 
ein Gesetz vom 11. Juni 1788 gewährt (28 Georg UI. c 59), 
Dasselbe Ist einer kurzen Betrachtung werth, da es ganz ver» 
schieden von der spateren Gesetzgebung auf einem bevor- 
mundenden Standpunkte steht, was sowohl dem Charakter der 
Gentry des vnritien Jahrhunderts, als auch den Tendenzen 
entspricht, welche wir in den erwähnten Schriiften gekenn- 
zeiclmet haben. 



59 



Von vornherein wird den Arbeitern die Selbstverwaltung 
aus der Hand genoiiinien. Das Gesetz schreibt die Organi- 
sation der Gesellschaft bestimmt vor. 21 Aufseher haben die 
Leitung der Gesellschalt iu Händen. Von diesen verwalten 
drei die Finanzen unter Kontrolle der übiigen. Vier Siebentel, 
also die Majorität, denelben rnttssen gebfldet werden tm den 
Vertretern von New -Castle, dem Mayor, Recorder, 4 Senior 
Aldermen and Sheriffi?, Govemor and Stewards der Company or 
Fraternity of Hoastmen. Die Obripren sollen Mitglieder der Com- 
pany of Hoastmen sein. Also schrumpft die Zahl der nicht 
vom Gesetz Bestinimten auf 9 zusammen. Diese dui-ften die 
Arbeiter aber auch nicht direkt wählen, sondern das Gesetz 
bestimmt, dass die Arbeitgeber ihre Arbeiter versammeln und 
die Stewards wfthlen lassen sollen; diese wählen die 9 Auf- 
seher. Die Unternehmer haben das Reeht, den Arbdltem die 
Prämien am Lohne abzuziehen. 

üehripens war dies nicht der erste gesetzgeberische Schiitt 
auf diesem Gebiete. Schon im Jahre ITf)? wurde aus ganz 
gleichen Gründen erla.^sen ein „Act for the Relief of Coalheavers 
working upon tlie River Thames; and for enabling them to 
make a Provision for such of themselves as sball be Sick, 
Lame, or past their labonr, and for their Widows and Orphans". 
(81 Georg IL c. LXXVI.) Die Kohlentrftger und Eohlenschiffer 
auf der Themse in London hatten schon einen freiwilligen 
Verein gegründet, der Beitrag betrug den hohen Satz von 
10 des Lohnes. Derselbe scheint aber die Funktion nicht 
eifüllt zu haben, die man vor Allem von ihm erwartete, denn 
es wird iu dem Gesetze hervorgehoben, dass die Auslagen 
(welche der Klub bestreiten soll) eine schwere Last für die 
Kirchspiele sind. Desshalb sollen alle Arbeiter gezwungen 
werden, dieser Kasse beizutreten, und aus den Beiträgen sollen 
vorab die Kosten gedeckt werden, welche die Einbringung 
des Gesetzes kostete, sowie die Gehälter der Beamten gezahlt 
werden. Wenn die Kasse dazu im Stande ist, sollen aus dem 
Reste ^'ewilhit werden (if such fund shall prove sufficient to 
auswer the same) Krankengeld 7 s. wöchentlich, Alters- 
pension 6 d. täglich, Begi'äbnissgeld 40 s. eventuell, einmaliges 
Wittwengeid 6 jedem Kinde, welches beim Tode des Vaters 
noch nicht 10 Jahre alt ist, 40 8. 

Dieses Gesetz wurde schon im Jahre 1770 aufgehoben, 
da es die erwarteten Hoffnunp:en nicht eilYillt habe. 

Im Jahre 1789 wurde ein Gesetzentwurf dem Parlamente 
vorgelegt „For the better Relief and Employment of the 
Poor within the Hundi ed of P orehoe ^) , in the County of Nor- 



' > Dieses Hundred hatte die Gesetzgebung ?chon verschiedene Male 
beschäl tigt. Siehe 23. G. III. c. 29 und auch im Jahre 1776. 



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eo 



V. 1 



folk" Bei-selhe fand die Zustimmung: des Unterliauses, nachdem 
er dasselbe vom 8. April bis zum 10. Juni beschäftigt hatte. Er 
scheint zuletzt zu einer grösseren Massregel erweitert worden 
zu sein. Denn es wurde bei der diitten Lesung beschlosseo, 
dtfs der Entwarf den Titel ftthren solle : „An Act for tlie inore 
effectoal Relief of the Poor*'. Ueber die Massregel selbst kann 
ich keine Auskunft geben*). Das Parlament seheint eine 
allgemeine Annen Versicherung haben einführen zu wollen. 
Dr. Price wurde auftiefor<l**rt . Prämientabellen zu entwerfen, 
die uns überliefert sind. l>ieselben werden im 2. Kapitel dieser 
Schrift im Zusammenhang mit andern auszugsweise mitgetheilt. 
Wenn auch die Bill vom Überhause verworfen wurde, so war 
doch nonmehr eine, wenn aocfa noch seh wache mathematische 
Basis für das Hilfekassenwesen gegeben. 

Am 5. Februar 1790 liegt dem Hause eine Petition einer 
Rentenkasse (annuity-society) für Witt wen in Devonshire vor. 
Die Mitglieder derselben bitten um Korporationsrechte, damit 
ihr Geld nicht verschleudert werden könne, üin Gesetz vom 
29. Marz 1790 gewährt diese Bitte. 

Unter dem 24. Februar 1792 theilt das Jouraal eine Pe- 
tition mit von Schiffern und Bootsknechten auf dem Flusse 
Wear in Sunderland. Auch sie weisen darauf hin , dass sie 
gezwungen sind, in grossen Mengen in derselben Pfarrei zu 
wohnen und derselben dndiirch schwere Tvasten aufbürden. 
Aus diesem Grunde wollen sie einen \ erein gründen. 

Die Organisation, welche das Gesetz vom 30. Apnl 1792 
vorschreibt (32 Georg Iii. c. 29), ist von derjenigen der New- 
castler nur wenig verschieden. 41 Aufseher werden hier vor- 
geschlagen, von diesen sollen 85 Arbeitgeber, die Obrig^ 6 die 
Parlamentsmitglieder für die Grafschaft Durham und die Stadt 
Sunderland, sowie dienstthuende Friedensrichter der genannten 
Stadt sein. Die Aufseher sollen ebenfalls von Wahlmänneni 
ernannt werden, und diese sollen von den an gewissen Tajzen 
auf Veranlassung der Arbeitgeber vei'sammelten Arbeitern ge- 
wählt werden. 

Wir sehen also: wie die Vorschläge zu einem Arbeiter- 
versicherungswesen durch die wachsende Annenlast veranlasst 

werden, so muss die Gesetzgebung ihren Anstoss erhalten durch 
drohende Missstände, welche der Charakter des englischen 
Armengesetzes und Niederlassungsgesetzes mit sich führte. 
Dreimal tritt dabei der Kohlenhandel in den Vordergrund. 



') Siehe Joonal of the Honte of Commons. 1789. ToLU, Seiten 1(18, 

276, 4a:i, 441. 

Weder in £dens The State of the Poor, noch in NichoU's lüstory 
of the Poor Law, oder in anderen einschUgUdien Wethen habe ich etwas 
aber den Inhalt des OeseCsentwnrfiBB gefonden. 



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61 



Von vei-schiedenen Seiten des Landes wird um gesetzliche 
Sicherheit für das KlubvermÖßen gebeten. 

Die Zeit war für eine Gesetzpebunp: auf diesem Gebiete 
reif. Aber bei dem Chaos von Vorschlagen, Bestrebungen, 
IV ansehen musste man gespannt darauf sein, welchen Weg 
das Parlament einschlagen werde. Man musate sieh fragen: 
werden freiwillige Kassen oder Zwangskassen gegründet werden? 
Wird der Staat einen Einfluss auf dieselben zu gewinnen 
suchen, oder wird er die Verwaltung der Unterstützungsvereine 
ganz den Mitgliedern der Vereine überlassen? Wird man auf 
der Basis der vorhandenen Vereine weiterzubauen versuchen, 
oder neue Organisationen auf dem Boden des Kirchspiels, der 
Grafschaft, oder ein grosses, den ganzen Staat umiaasendes 
Arbeitenrersicherungswesen schaffen? Werden die künftigen 
Vereine oder wird der künftige Verein unter die bevormun- 
dende Verwaltung der Gentry gestellt werden ? Soll die Kirche 
Eintiuss auf die .\rbeiterversicherung erlangen? Wird man eine 
Pi'ämientafel vorschreiben V 

Nur Eins ist sicher: das künftige Gesetz wird die Sicher- 
heit der Gesellschaften gegen Betrug zu begründen, Rechte und 
Pflichten der Beamten und Mitglieder genau abzugrenzen suchen. 



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I 

Die Anfänge der eingeschriebeneii Hilflnkaese. 
Das Bingen zwischen Hilfskasse und Sparbank. 

1793—1819. 



Junge Dramatiker, welche die Gründung eines ß^rossen 
Unternehmens behandeln, lassen gern eine Pei-son des Stückes 
mit bewundernswerther Klarheit die weitere Entwicklung, den 
endlichen Triumph des gemeinsamen Werkes vorhersagen. 
Wenn wir heute die an Siegen und noch mehr an Niederlagen 
reiche Geschichte der Friendly Societie*: betrachten, wenn wir 
uns eriimern, dass die engliadien Politiker vor hundert Jahren 
grosse Hoffnungen an ein wohlorganisiites Hilfskassenwesen 
knüpften, dann drängt sieh uns die Frage auf, mit welchen 
Gedanken und Erwartungen die Mitglieder des Parlamentes 
im Jahre 1793 den Grundstein der sozialen Gesetztiebung 
Englands legten und mit welchen Gefühlen und Hetiexionen 
das englische Volk die Vorlage auf den verschiedenen Stufen 
ihres Werdens begleitete. Wir dnrehbl&ttem ▼erge4>lidi die 
Parlamentsherichte und die Zeitungen Englands. In der Presse 
Stessen wir auf die Skandalgeschichten der vornehmen Welt. 
Aber wir hören die Stimme eines Propheten weder in West- 
minster noch in der City. 

Hansard's Debates haben die Verhandlungen über das 
eiiste Hilfskassengesetz der Mühe der Aufzeichnung nicht für 
Werth gehalten. Die bedeutendsten Zeitungen jener Zeit: 
„The Public Advertiser«*, „The Star** und „The Times«', welche 
denselben parlamentarischen Berichterstatter gehabt zu haben 
scheinen, begnügen sich damit, in einem kurzen, gleichlauten- 
den Paragraphen die Einbiingung der Vorlage mitzutheilen. 
Von dann an hüllen sie sich in Schweigen. 

Es ist verständlich. Die Welt stand in Flammen. Lud- 
wig XVI. war am 21. Januar 1793 hingerichtet worden. Im 
Konvent tobte der Streit zwisdien Berg und GIronde. Dumouriec, 



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63 



welcher nach der Schlacht bei Jemappes Belgien erobert hat 
und Holland bedroht, wird am 18. Mäi-z 1793 bei Neerwinden 
geschlagen. Um Mainz, welches von COstine im Herbste vor- 
her leicht genominen worden ist, zieht sich das preussische 
Heer zusammen. Savof en und Nisza werden in raschem Sieges- 
znge Ton den franzOeisehen Truppen erobert Das tapfere 
Yelk der Vend^ erhebt sich gegen die Republik. Aber in 
dem konservativen England ünden die i-epublikanischen Ideen 
einen fruchtbaren, wohl vorbereiteten Boden. Der Drang nach 
einer gründlichen Parlamentsrefoiin wird nun leblmfter gefühlt. 
Der Widerstand dagegen kräftigt sich. Es bilden sich geheime 
Gesellschaiten zum Stui-ze des Königthums und der englischen 
OUgarehie. Der jüngere Pitt nnd Bnrke aber suchen die 
Revolution zu Termcbten. Sie sind die Seele der ersten Koa- 
lition. Schon hat der Prozess gegen Wanen Hastings 6 Jahre 
gedauert, aber er beschäftigt noch immer das Parlament. Die 
auf religiösem Boden erwachsene Agitation für die Abschaffung 
der Negersklaverei, welche im Jahre 1782 begonnen hat, er- 
hält durch die Ideen der französischen Revolution neue Nah- 
rung; aber der gewaltsame Umsturz führt ihr auch neue 
Gegner zu. 

So geben die YeibandlangeQ Uber eine der wichtigsten . 
Massregeln der englischen sozialen Gesetzgebung an den Ge-' 

mOthem der meisten Zeitgenossen vorüber, ohne in ihnen ein 
Bewusstsein ihrer Bedeutung zu erwecken. Die Zeitungen, 
welche ihren Lesern ein Verständniss für die parlamentarische 
Massregel eröffnen konnten, haben, wie heute, mehr Sinn für 
den aufregenden Ueiz politischer Debatten und geschichtlicher 
Aktionen, als filr dem feurblosen Charakter ^onondseher 
Fragen. 

Wir wüssten gar Nichts über das Schicksal des Oesetzes 
ohne die mageren Protokolle des Journals des Unterhauses. 
Aus diesen ersehen wir allerdin^'s wenig genug. Lunae 22 " 
die Aprilis Anno 33" Georgii Tertii 1793 bitten Mr. Rose, 
Mr. Wilberforce und Mr. Stanley um die Erlaubniss, eine 
„Bül for the encouragemeut and relief of Friendly Societies" 
einbringen zu dürfen. Die Vorlage wird am 25. April zum 
ersten, am 29. April zum zweiten Mal gelesen und dem als 
Komite versammelten Hause überwiesen. Auf den Mangel an 
Interesse an dieser Vorlage, oder auf die Ueberladung mit 
anderen Geschäften deutet auch die Thatsache, dass die für 
den 0. Mai festgesetzte Ausschusssitzung auf den 7., vom 7. 
auf den 9., vom 9. auf den 10. Mai verschoben wird. Am 
10. endlich wird die Vorlage von einem Komite des ganzen 
Hauses berathen. 

Mr. Rolle, welcher als VoRfitzender desselben dem Sprecher 
einen Bericht abzustatten hat, weist darauf hin, dass mehrere 
Zusätze gemacht worden seien, und dass er Uber die Vorlage 



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64 



V. 1 



an einem vom Hause festzusetzenden Tage belichten werde. 
Leider kann ich Uber diese Zusätze keine Auskunft geben. 
Am 13. Mai soll der Bericht erstattet iverden. Aber erst am 
folgendeo Tage finden die Abgeordneten Zeit, denselben anzn- 
hO^&n. Am 22. Mai wird die Vorlage zum dritten Male ge- 
lesen und um 2 neue Zusätze vermehrt. T'eber diese sind 
wir unterrichtet. Sie hetreft'en gewisse Befreiungen von den 
"Wirkungen des Niederhissungsgesetzes, dessen Durchbrechung 
das englische Junkerthum furclitete. Die Vurlage wird darauf 
ZU den Lorda hinttbergeschiekt , welche derselben einige neue 
Bestimmungen hinzufügen, welche sieh ebenfalls auf das Nieder- 
laasungsgesetz bezogen zu haben scheinen. Am 12. Juni liegt 
sie wieder dem Unterhause vor. Am 17. wird sie von diesem 
in der vom Oberhause anicndirten Form angenommen, und am 
21. Juni, dem Ende der Sitzung, erhält sie die königliche Zu- 
stimmung. 

Dies Gesetz nun (33 Georg III. c. 54) lautet im Auszüge 
folgendermaassen ^) : 

, I. Da der Schutz und die Emiutlii^^ung von Gesellschaften, 
welche aus freiwilligen Beiträgen der Mitglieder ein Vermögen 
ansammeln zur gegenseitigen Unterstützung in Krankheit, 
Alter und Invalidität, wahrscheinlich die Glückseligkeit (hap- 
piness) der Einzelnen befördern und die öftentlichen Lasten 
erleichtern werden, so suU es jeder Auzalii von Britten ge- 
stattet sein, eine oder mehrere ans freiwilligen Beiträgen unter- 
haltene Gesellschaften Ar die oben genannten Zwecke und Dar 
die Unterstützung von Wittwen und Waisen der Mitglieder zu 
gründen. Die Mitglieder oder ein Ausschuss der Vereine sollen 
das Rocht haben . Stiituten zu erlassen, welche jedoch den 
Gesetzen und den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht entgegen 
sein dürfen, auch Strafen anzudrohen, die Statuten zu ändern 
und alte Bestimmungen durch neue zu ersetzen. 

II. Die Statuten sollen bei den Vierteljahrssitzungen der 
Grafschaft oder des Bezirks vorgelegt werden. Die Fnedens- 
richter prüfen, ob dieselben der wahren Absicht dieses Gesetzes 
entsprechen, verwcifen oder bestätigen dieselben. Die be- 
stütijzten Statuten sollen schön ;uif Pergament abiresclirieben 
und vom Clerk of the peace zu den Akten genommen werden. 
Kin Verein kommt jedoch nur dann den Anforderungen des 
Gesetzes nach, wenn die Statuten einige Zeit vor oder kurz 
nach Michaelis 1794 vorgelegt werden. 

III. Die bestätigten Statuten dtttfen nur in einer gehörig 
zusammenberufenen Generalversammlung (d. h. sie muss auf 
Ansuchen von drei Personen schriftlich vom Sekretär zusam- 
meuberufen und die Ankündigung muss zweimal bei den ge- 

'1 Alle (iesetze in dieser ächrift nach den ätAtutes ot England resp. 




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V. 1. 



65 



wöhnlichen VersammlungeQ gelesen werden) verändert oder 
ergänzt werden und müssen in der neuen Form sur Bestätigung 
wieder den Friedensrichteim bei den Vierteljahrssitasungen vor- 
gelegt werden. 

IV. Der Verein darf Beamten (Verwalter, Kassirer, * 
Schriftführer etc.) ernennen und alle Personen, welche mit der 
Verwaltiui'z der Gelder zu thun haben, Sicherheit stellen lassen. 
Für das dein clerk of tlie peace zu übersehende Bürgsehafts- 
Dokument brauchen keine StempelgebUhreu bezahlt zu werden. 

V. Auch darf die Gesellschaft ständige AusschOsse er- 
wflhlotty die aus mindestens 11 Personen bestehen mOssen und 
deren Befugnisse in den Statuten zu lei^eln sind. Zur Fassung 
eines gültigen Beschlusses ist die Anwesenheit von mindestens 
fünf Mitgliedern erforderlich. Die l^cfufcnisse der nicht stän- 
digen Ausschüsse müssen in einem Buche auf^jez ei ebnet werden. 
Alle Komites stehen unter der Kontrolle des Vereins. 

VI. Der Schatzmeister und die Treuliänder (trustees) 
aollen alles Geld, welches sie nicht unmittelbar brauchen, 
gegen von der Gesellschaft gebilligte Privatsicherheit oder in 
Staatspapieren auf ihren Namen anlegen. Auch soll es ihnen 
erlaubt sein, die Effekten wieder zu verkaufen. 

VII. Alle Dividenden, Zinsen u. s w. sollen von den Treu- 
händen oder dem Schatzmeister verrechnet und zum Nutzen 
der Gesellschaft anpelejit werden. 

VIII. Die Treuhänder oder Schatzmeister müssen einer 
Generalyersammlung Rechenschaft ablegen. Sie werden ent- 
lastet oder im Falle der Nachlässigkeit soll eine Klage gegen 
dieselben vorgebracht werden in the Hijih Court of Chancery, 
or the Court of Exchef|uer in England, Court of Session in 
Schottland, or the Couit of (ireat Sessions in Wales. 

TX. Für die Ausfall runir dieses Gesetzes darf kein Kirhter 
eine Bezahlung' annehmeu und dUrfeu keine Stempelgeb Uhren 
erhoben werden. 

X. Im Falle ein Beamter des Vereins, welcher Geld oder 
Effekten desselben besitzt, stirbt oder bankerott wird, sollen 
die Exekutoren innerhalb 40 Tagen die Gelder oder Effekten 
dem Vereine einhändipjen , resp. vor Abtraß^unp aller Schulden 
den Ver}itii( htun^en des Verstorbenen oder Bankerotteurs gegen 
den Verein nachkommen. 

XI. Der Verein kann im Namen seiner Schatzmeister 
und Treuhänder klagen und verklagt werden. 

XIL In den den Friedensrichtern vorzulegenden Statuten 
mnss der Verein angeben, welche Zwecke er verfolgt, wosu 
das Geld verwendet werden soll, unter welchen Umständen 
die Mitglieder zur Unterst ützunp: berechtigt sind und welche 
Verwendung den Absichten der Gesellschaft nicht widersprechen 
soll. Keine Gesellschaft darf sich auflösen, ehe sie allen ihren 

Fonehangea {M) V. 1. — Hubach. 5 



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66 



V. 1. 



Vei-pflichtuugen nachgekommen ist und ohne die Zustimmung 
von fünf Sechsteln der vorhandenen Mitglieder und aller zur 
Unterst&tzung berechtigter PersoneD erlangt za haben. Das 
angesammelte Vermögen darf nur zur Erfüllung der allgemeinen 
Zwecke der Gesellschaft verwandt werden. 

XIII. Alle von der Gesellschaft eriassenen Regeln und 
Satzungen sollen in ein Buch eingetragen werden und dienen 
in jedem Genchtshofe als Beweismittel. Kein Writ de Cer- 
tiorari kann eiuschläglicbe Klagen vor einen Court of Becord 
bringen. 

XIV. Es ist einer Gesellschaft eilaubt, Geschenke anzu- 
nehmen. 

XT. Klagen der Mitglieder gegen die Gesellschaft sind 

\oi- zwei Friedensrichter des Distrikts au bringen, wo die Ge- 
sellschaft ihr Domizil hat. 

XVI. Wenn aber in den Statuten ein Schiedsgericht vor- 
gesehen ist, dann soll die Entscheidung desselben bindend und 

endgültig sein. 

XVn. Eine Person, welche einei- eingeschriebenen Friendly 
Society angehört und in einem Orte wolint, wo sie nicht hei- 
mathberechtigt ist, und ein von zwei Beamten der Friendly 



weisen kann, soll nur dann aus der Pfarrei ausgewiesen werden 
können, wenn sie derselben thatsächlich zur Last fällt oder sie 
um Unterstützung nachsucht. 

XVm. (In diesem Paragraphen wird angegeben, in wel- 
cher Form das Zeugniss auszustellen ist.) 

XIX und XX (bestimmen das Verfahren in gewissen Fällen 
gegen Nicht-Heimnthben'chtigte.) 

XXI. Die Appellinstanzen p:ep:en Entscheidungen der 

Friedensrichter sind die Vierteljahrssitzungen. 

XXII. Jedoch soll Niemand d.Hlnrch heimathberechtijzt 
werden, dass er unter diesem Gesetz an einem Orte seinen 
Wohnsitz genommen hat, oder 

XXIII. die Annenlasten des Ortes bezahlt. 

XXIV. Auch soll kein Lehrlin^^ und kein Dienstbote eines 
unter diesem Gesetze Geduldeten heiniathberechti?t werden. 

Die beiden folgenden Paiaorraphen enthalten Bestimmungen 
über die lleiniathberechtiyuiii^ von Bastarden und über die 
Kosten der Ausweisung. 

Die Bahn, welche die Begierung einschlägt, weicht also 
weit von deijenigen ab, weläe ihr fast ausnahmsweise die 
theoretische Erörteiiing und frühere Gesetze von lokaler Be- 
deutung vorzuzeichnen schienen. Man vei-sucht es nicht, neue 
Organisationen zu schatten, man zwingt Niemanden zum Bei- 
tritt in die eingeschriebene Uilüskasse, man nimmt den Mit- 



Society unterzeichnetes Zeugniss 




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V. 1. 



67 



gliedern die Selbstverwaltung nicht aus der Hand^), man 
bringt diese Gesetzpebunjr durch keine Maassregel in Verbin- 
dung mit dem Kirchspiel und dem Annenwesen, sondern knüpft 
«n das Vorhandene an, und sucht es, die Freiheit des Indivi- 
duums 80 wenig wie möglich einschränlcend , in zeitgeinftsser 
Weise zu reformiren. Man mOchte die Friendly Societies auf 
gesunder Basis sehen. Es werden daher gewisse Normativ- 
bestinnnungen aufgestellt, aber keine Gesellschaft wird ge- 
zwungen, sich nach denselben zu richten. Das Parlament 
sucht sie durch Gewährung gewisser Vortheile geneigt zu 
machen. Wenn sie sich den Vorschiiften über Aendening der 
Statuten, Auflösung der Gesellschaft, Verwendung der Gelder 
u. 8. w. ftgen, dann wird der gewissenlosen Ausschliessung der 
Mitglieder vorgebeugt, dann können Mitglieder und Beamten 
klagen und verklagt werden, und dann erhalten sie nicht un- 
bedeutende Privilegien : Fortfall der grossen Prozesskosten, der 
hohen Stempelgebühren, und eine Ermässigung des harten Nie- 
derlassungsgesetzes, welches 2 Jahre später durch ;'.5 Georg III. 
c 110 auf alle Britten ausgedehnt wurde. Wir machen noch 
besonders darauf aufmericsain, daas von Anfang an Friedens- 
gerieht und Schiedsgericht von den Mitgliedern zur Entschei- 
dun;-' ihrer Streitigkdten gewfthlt werden können. 

Auf der Grundlage also, welclie Gilbert für die Reform 
der Fiiendly Societies vorschlug, baut sich das Gesetz 
Rose's auf. 

Die woihthätigen Wirkungen, welche es bezweckte, er- 
reichte es nicht immer. Das Misstrauen der unteren Klassen 
gegen den Staat war an manchen Orten zu tief gewurzelt, 
und leider auch zu begründet, die Furcht vor seiner Ein- 
mischung zu gross. Sie sahen in dem Gesetze eine verdächtige 
Polizeimaassregel und eine fiskalische Falle, welche sie mit 
einem neuen Steuernetze umspannen oder ihr Vermögen kon- 
fisziren sollte Zur Erkliirung dieser Zustände müssen wir 
zunächst bedenken, dass Hilfskassen und Gewerkvereine noch 
häufig innig mit einander verquickt waren und dass die Orga- 



') „The protection wouM have bcen more elficaciouä if, according to 
hiB (n&mlich Kose's) Intention, a power of cffectual interposiUon in the 
affairs of tb» SodetieB bad been given to the magiitntes; but this in- 
tention was very properly given up, when it was ascertained ihat the 
meinl>er8 were jealous of such interfereuce.'" Quarterlr Review. 1816. 
XV, 218. 

^) Die nämliche Erscheinung noch viel spilter. Im Jahre IS 19 fragte 
Wilbraham im Linterhause. um den Aussenstehendeo eine Beruhigung zu 
gewähren, ob es wahr sei, dui die R^erung beabsichtige, die Gelder 
sümmtlicher Friendly SociPlies und Sparbaii!:pn za konfisziren. Viele V. S. 
und Sparkassen h^ittcn sich auf dies Gerücht hm aufgelöst. Urougham wies 
daraut liin, dass solche grundlose Gerüchte schon häufig in Umlauf gesetzt 
worden seien. Lewitts, History of Baaks for 8avicgs. S. 56. London 
(ohne Datum). 

6* 



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68 



V. 1. 



niäiiuDg der Arbeit auf dem Boden des organisirten Kampfes 
von den herrscliendai Klassen Terdammt wurde. Als 6 Jahre 
sp&ter die Gewerkvereine gesetslieh verboten wurden, fahndete 

man auf ihr Vermögen^). Das Koalitionsgesetz vom Jahre 
1800 drängte die Gewerkvereine dazu, sich dieser Maske zu 
bedienen Zudeiii hatte die französische Revolution eine 
üppig wuchernde republikanische Saat gestreut. Wo die Ge- 
sinnunpr zu einem Wirken nach aussen, zum Ansdiluss der 
Mitglieder an einander drängte, war wiederum die Frieudly 
Society eine fertige Forni, in welche sich mit Leichtigkeit ein 
politischer Inhalt giessen Hess. In Verbindung damit stand, 
dass die niemals schlummernde Agitation für Parlamentsreform, 
welche vor der französischen Revolution begonnen hatte, aber 
durch ihren Ausbruch ins Stocken gerathen wai-, einen leiden- 
schaftlichen Charakter anprenommen liatte und Zwietracht zwi- 
schen die herrschenden und beherrschten btände trug^J. 



*) Brentano, Arbeitergilden der Gegenwart. I. S. 99. 

Vüi die enge Verbindung von Gewerkvereinen und Hilfiskassen ver- 
wfliBen wir noduuu auf Alcock^s früher erwähnte Schrift. Die Hilfskasae 
war ja im vonVen .T.Uirhuntlert die Hauptinstitution sozialer Selbsthilfe, 
welche alle den arbeitenden Klassen nützliche Bestrebungen thatsächlich 
lunfiUBte oder doch nmfiassen konnte. Für die Wirkunif des Koalitions- 
gesetzes siehe Hrentano: Die Arbeitergilden der Gegenwart. I, 100, 103, 
105, lOti, 114, 131. Dass sich, was auf den ersten Blick unwahrscheinlich 
eracbefait derartige Hilfekassen haben registriren lassen, beweist der Report 
of the KcLMStrars of Friendly Sociftics fiir das Jahr lH»;r.. Dort ist auf 
Seite 19 zu lesen, dass sich die lirinders' Society zu Sheffield im Jahre 
1&05 als Hilfskasse einschreiben liess. Wie sicher sich ein Gewerkverein 
in dieser Maske f&hlen dm^ geht daraus hervor, dass die Pseudobilfs- 
kasse <ler Soliifinjaner zu Liverpool einmal vor der Reform des Parlaments 
gegen den W iderstand der Wliigs und Tories ihren Kandidaten ins Unter- 
haus schickte. Siehe Fourth Uepurt of the Commissioners appointed to 
inquire into Fhendly aad Benefit Bnüdiog Sodetifla. Fart L Appendix. 
S. 20. 1Ö74. 

*) Siehe Second Report from die Commona Coramittee of Secreey. 

1^01. S. H und 13. Ge|en die geheimen GesollschaftPii wurde die soge- 
nannte „Corresponding bocieties Acf* erlassen (179U), wonach die im Ge- 
setae ausdrücklich genannten geheimen Ge^^elliu-liatten und „all societiee 
of like nature'' aufgehoben wurden. Jede Gesellschaft, deren Mitglieder 
einen Eid schwören müssen , welcher vom Gesetze nicht vorgesehen ist, 
oder welcher aus verschiedenen selbststandigen Zweigen besteht, ist unge- 
setzmftssig. Ausgenommen sind die Znsammenkttnfte der rot Erlass dei 
Gesetzes bestehenden Freimaurerorden. 

Die Zustände dieser Zeit spiegeln sich auch in den Statuten verschie- 
dener Yerdne. So «listirte s. B. m Dnrham dne Hilfskaase, der niemand 
beitreten durfte, welcher der bestehrndcn StaatsordnunL' oder der Tloch- 
kirche feindselig gesinnt war. Ja, in Empingham in Rutlandshire wurde 
ein neuer Paragraph folgenden Inhaltes & die Statuten eingefügt: Jede 
Person^ welche von jetzt an in den Verein aufgenommen wird, soll erkllno, 
dass sie dem Könige treu und den (Jef^etzen des Landes gehorsam sein 
will. ~ Keine Person, welche dei- gcueii wartigen Verlassung feindselig er- 
funden wird, soll Mitglied dieses Vereines werden können , dessen Pflicht 
und Kuhm es ist, Gott zn fürchten und den König zu ehren: jede solche 
Person soll aus dem Vereine ausgeschlossen und aller ferneren Unter- 



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V. 1. 



69 



So erklirrt sich die auffallende Thatsache, dass viele Ver- 
eine nach Erlass des Gesetzes aufgelöst wurden, und das Ver- 
mögen unter die Mitglieder vertheilt wurde V). In Yarniouth 
bestanden vor 1703 20 Klubs, Ini Jahre 1795 existirten nur noch 
drei. Viele von Denjenigen, welche sich nicht auflöaten, Hessen 
ta€tk nicht eiiisehreibeii. Von 34 Vereinen in Wolverhampton 
lutte sieh im Jahre 1795 nur ein einziger, von 10 in Chester- 
field ebenfalls einer, von 50 in Sheffield keiner registriren 
lassen, weil sie befürchteten, dass die Regierung von ganz 
anderen Beweggründen geleitet würde, als das Gesetz angebe. 
Und doch waren die Shefheider Kassen sehr tüchtige Exem- 
plare ihrer Gattung. Sie hatten im Jahre 1786 £ 3670 an 
ihre Mitglieder bezahlt. Fast jeder Handwerker war Mitglied 
einer Kasse*). Desto eiirenlfcher ist es zu sehen, dass an 
maochen Orten ein klares Verstftndniss für die Wohlthat dee 
Gesetzes herrschte, z. B. in Windsor, Sunderland, Monmouth 
Bury, Hcreford, Monmouth, Newcastle, Northampton, Norwich, 
Windsor etc. — 

Im Jahre 1794 Hessen sich in England registriren: 



In Yorkshire 195 

r, Worcester 63 

r Westmoreland 17 

„ Warwickshire 110 

„ Surrey 89 

^ Suffolk 214 

„ Staffordshire ..... 70 

„ Somerset (03 und 94) . . 104 

„ Shropshire 73 

„ Oxford 25 

^ Nottingham 87 

n Northampton 50 

„ Norfolk 123 

„ Wiltshire 18 

« City of London • . . . . 135 

„ Middlesex 3S4 

„ Leicester 74 

„ Lancaster 410 

Latus 2^41 



stfltzung nach der Ausschliessuna: verlustiL' if^hon. - In Kirby Lonsdale 
BoUen solche Mitglieder autfi^eschlossen werden, welche die bestehende 



VÖrfusang in Kirche und Staat arnzastflnen tochen. Eden, The Suite of 

tfae Poor. Vol. II, »lOl. III, 778. 

>) Für die folgenden Angaben verweise ich aut Eden's Werk: The 
State of ibe Poor, ohne in jedem Falle die Seitenzahl 8nza|;ebeii, da der 
Stoff im 2. und .M. Bande nach Grafschaften und Orton 'iei^hedort, foljlicli 
ein Nachschlagen mühelos ist. Uebriaens finden sich diese Angaben auch 
zusammengedrängt in Eden's Ueiner Sebrift. S. 1—9. 
EdflD. The State of the Poor. III, 878, 874. 



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70 



V. 1. 







TransD. 2241 


In 


Kpnt 

IVVliL • • • 4 


40 


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.... 114 


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. . . . . 44 






, . . . . 42 


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. . . . . 23 
Summa 2873 




la Schottland: 


Tn 
All 




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14 


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11 






7 


Ii 










13 


Ii 


Roxburgb. . , 


» . . . • 5 
Summa 16ü 



In Irland 

liess sich erst im Jahre 1799 1 Verein zu Drogheda, im Jahre 
1796 2 in Dublin, und im Jahre 1798 1 in Dublin registriren, 
so dass Irland zu Knde des vorigen Jahrhunderts 4 einge- 
schriebene Hilfskas^en ziililte. Im Jahre 1793 wurden in jedem 
der beiden andern Ileiche nur wenige Kassen registrirt Im 
Lichte dieser Zahlen, welche erst viel sp&ter gesammelt wur- 
den QDd einer „Retum of the Number of Friendly Sodeties 
filed by the Clerks of the Peace .... sioce 1*^ January 1793 
to the time of maltinjr such return" entnommen sind, seheint 
bei ^ der bestehenden Vereine von Anfang an ein deuthches 
Bewui^stseiu vou der Wobltbat des Gesetzes vorhanden gewesen 
zu sein. 

Eine Ei-scheinung , die sich in der englischen Liste zeigt, 
wiederholt sich in späteren immer wieder: die meisten Gesell- 
Schäften finden sich in Lancaster ond einigen der GraÜBchaften, 

zu welchen London gehört. 

Eden schätzt die Zahl der im Jahre 1796 noch nicht ein- 
geschriebenen auf ein Drittel oder Viertel der noch bestehenden 



Accountfi and Papers. Vol. XXVI. 1831—32. 



71 



Vereine. Die einzige Tliatsache, welche diesem Urtheile zu • 
Grunde lag, scheint die Mittheilun^ gewesen zu sein, dass sich 
von 213 Klubs in verschiedenen Distrikten 93 noch nicht hat- 
ten rogistriren lassen. 

Die ^'ennge Beschränkung der Freiheit der Selbstverwal- 
tung, welche die Einschreibung auferlegte, schmerzte viele 
En^O inder tief. Am 2s Mai 1795') liest dem Unterhause eine 
Tetition von Manchester vor, welclie heftig gegen jede staat- 
liche Maassregel protestirt und behauptet, dass „interference 
whatever in the conduction and internal goveinment of such 
Bodetiefl is improper'' ^j. 

Die Unkenntniss des Inhaltes des Gesetzes scheint bei den 
arbeitenilen Klassen und den Behörden sehr gross gewesen zu 
sein. Viele Vereine an Orten mit besonderer Gerichtsbarkeit 
richteten ihre Statuten nicht bei den Friedensrichtern der 
(irafscbaft, sondern bei den städtischen Beamten ein, und diese 
scheinen sie hilufig bestätigt zu haben. 

Eine Bestimmung des Gesetzes, welche man sich besonders 
segensreich voigestellt hatte, blieb vorläufig ein todter Buch- 
stabe. Den Mi^liedern war in gewissen F&llen das Recht der 
Klage, dem Vereine das Recht, Strafen zu erlassen, eingeräumt 
worden. Im Gesetze war aber kein Zwang vorgesehen. Der 
Mangel wurde nicht soL^leich bemerkt. Denn einmal sind Fülle, 
in denen der Zwang nothwendisi wird, verhilltnissmllssig selten 
und dann erkennen nur Wenige, ohn^ eine vorhergehende 
richterliche Entscheidung, die Lücken in einem bestehenden 
Gesetze. Ich habe die erste Petition um Erlass von Zwangs* 
bestimmnngen in dem Journal des Unterhauses iür das Jahr 
1809 gefunden. Unter dem 22. Februar 1800 erklären ver- 
schiedene Mitglieder von Friendly Societies in Staffordshire, 
dass sie sich dem Gesetze gemäss konstituirt und Strafen für 
-olcbe Mitglieder vei-ftigt haben, die sich den Bestimmungen 
der Statuten nicht fügen wollen. Da Hl»er im Gesetze kein 
Zwang für Zahlung der Strafen vorgesehen sei, hätten sie Schaden 
gehabt und bäten desshalb dämm, dass den Fdedensrichtem 
Gewalt gegeben werde, solche Strafen einzuti^eiben. 

Dagegen hatte das Gesetz Wirkungen, welche man nicht 
vorhergesehen hatte. Die bedeutenden Privilegien, welche es 
den Fnendly Societies zuerkannt hatte, legten wohlthätigen, 
wohlhabeodeu Gesellschi^ten den Gedanken nahe, nach der 

M Journal of the Ilouse of Commons 179'». Vol. öO. 

-) .MuQ kaso sich über eine so niedrige Idee vom Staate unter den 
imtereii Klasaeo nicht wimdem, wenn man das Verhalten dar oboren 
^las^*"ii in Betracht zieht. Als Porter im Jahre 17',.'^ einen Gesetzentwurf 
einbraclite zum Zweck einer umfassenden, statisti&chen Auüiahme über die 
Bevölkemnß Englands, bekämpfte Thomton den Antraft Iddenscbaftlieh als 
die Vernichtung des letzten Restes englischer Fk«ibeit The State of fhe 
Poor. I, Seite dl4, 315. 



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72 



V. 1. 



fresetzliclien Erlaubniss zu streben, sich unter dem Gesetze 
33 Georp III. c. 54 einschreiben zu lassen. 

Das (iesetz ei^streckte sich natürlich nur auf Omssbritannien. 
Ju Irland wurde aber die Frage lebhaft erörtert, ob es sich 
nicht enipf5ble, dem armen Volke durch eine ähnliche Gresets- 
gebunf? au&ohelfen. 

Diese Verh&ltniBse und ZnBtftnde gaben die Veranlasaung 
zur Abfassung folgender kurzen Gesetze. 

Vm den Vereinen . weli'he sich nicht kurz vor und nach 
Michaelis 1794 hatten einschreiben lassen, die nacht ri\j?liche 
Einrejzistrirunp: zu ermöfrlichen , wurde durch das (iesetz vom 
2C. Juni 1795 (35 Georg UI. c. III; der Terniin für die Vor- 
legung der Statuten bis zu Miehaelis 1796 verlängert 

Die Privilegien, welche 33 Geoig III. c 54 den Friendly 
Societies zuwendet, sollen auch Gesellschaften ^wohlthiltiger Art 
(of a charitablo nature), z. B. Kassen zur Unterstützunj; von 
"VVittwen, Waisen und aimen Geistlichen, zutlieil werden, wenn 
dieselben den in jenem (iesetz pep:ebenen all^^emeinen Be- 
stimniunjjen nachkoninieii. Der Gesotzentwurf wurde ebenfalls 
von Wilberforce und Rose eingebracht. 

Dnrch das Gesets 49 Georg III. c 125 (1809) wurde die 
Registrirung an keinen Termin mehr gebunden. 

Im Jahre 1790 wurde durch ein Gesetz des inschen Parla- 
mentes (36 Georu' III. c. 58) die bisheripfe, enprlisclip Gesetz- 
pebunp Uber Friendly Societies zusaiumen^efnsst und auf Irland 
übertragen. Die Gesetze sind sich, einzelne Stellen ausgenommen, 
bis auf den Wortlaut izleich. Nur ist zur Auflösung eines Ver- 
eines nach dem irischen Gesetze eine blosse Dreiviertelmajorität 
erforderlieh. Der Paragraph XVIII enthalt die Bestimmung 
des Gesetzes 35 Georg IlL c. 111, welche sich auf wohlthätige 
Vereine bezieht. Als äussersler Termin für die Einschreibung 
der Vereine ist der 25. März 1798 vorgesehen. Ein Gesetz 
vom 27. Juli 1803 (43 Georg III c. 111) verlieh den Gesell- 
schaften, welche ihre SUituten irrthündich anderen als den im 
Gesetze vorgeschriebenen Behörden vorgelegt hatten, die Er- 
laubniss, dieselben nuchträglich mit dem Zeugniss der ersten 
Behörde versehen, bei den Vierte^jahrssitzungen der Oraftchaft 
einreichen zu dttrlfen. Wenn sie von diesen genehmigt würden, 
sollten sie vom Datum der ei'sten Bestätigung an giltig sein. 

Sechs Jahre spilter werden durch Gesetz vom 20. Juni 
1800 (49 (ieoiv HI. c. 125) die Fliedensrichter ermächtigt, die 
KlaL'e eines Mitgliedes einer eingeschriebenen Hilfskasse gegen 
ein anderes Mitglied desselben Vereins zu liören , und falls 
dem Kläger eine Geldsumme zugesprochen worden ist, die 
Ansprache des Mitgliedes durch Beschlagnahme und öffent- 
lichen Verkauf durchzusetzen (by distress and sale). Wenn 
ein Mitglied einer eingeschriebenen Hilfskasse nicht die ihnen 
ätatutenmassig zukommende UnterstQtzung erh&lt, so soll der 




V. 1. 



73 



Friedeiisrichtor ihm dieselbe zusprechen, und wenn ihm die 
Ilnterstüt/.unp: nicht sofort ausjiezahlt wird, dann soll der 
Richter den Verein auspfänden lassen. Die Entscheidung: des 
Richtei'S ist endgiltig. Der Prozess kann vor keine andere 
Instanz, auch vor keinen Billigkeitsgericbtshof gebracht wetrden. 

Das letzte jener ausgestaltenden Gesetze der ersten Periode 
wandtt^ den Hilfskassen Vorthoile zu, welche andern Pei-sonen 
durch die (iesetze 36 Geor^^ III. c. 90 und uniiiündijzpn KlAprern 
durch 52 Georg ITT. c. 158 zu Theii geworden waren Beide 
Gesetze hatten den Courts of Chancery and Exchequer das Recht 
verliehen, für abwesende, bankerotte, blödsinnige, widerwillice 
und sonst verhinderte Treuhänder Geld und andere Werthe 
za obertragen. Das Gesetz wurde erst im Jahre 1817 erlassen 
(57 Georg III. c 39), wohl ein Beweis, dass die Nothwendig* 
keit desselben sich in den Hilfskassen nicht früher fühlbar 
machte. Ob die finclitbare Noth , welche nach dem Friedens- 
schlüsse 1815 England lieimsuchte, die wirtbschaftliche Lai?e 
mancher Treuhänder so vei"schleehterte, dasa das Gesetz er- 
lassen werden musste, weiss ich nicht. 

Damit war die erste Periode der englischen Hilfskassen- 
gesetzgebnng zum Abschluss gekommen. Ein einfacher Ge- 
danke war in einem Hanptgesetze verkörpert und in Novellen 
nach neuen Richtungen hin entwickelt worden. 

Wegen dieser inneren ZiisammengehöriLrkeit haben wir die 
licihe der Gesetze nicht durchbrechen wollen, um einer Maass- 
regel zu gedenken, die 21 Jahre vor dem zuletzt erwähnten 
Gesetze entworfen wurde, aber weder eine Charakterähnlichkeit 
mit jenen zeigt, noch auch zur Ausfühinug kam. Im Jahre 
1796 wurde im Parlament eine umfangreiche Vorlage Ober das 
Armenwesen eingebracht, die als Mr. Pitt*8 Poor Bill bekannt 
ist In derselben kam der grosse Staatsmann auf die Kirch- 
spielkasse zurück. In jeder Pfarrei oder Vereinigung von 
Pfarreien sollte ein „parochial fund • gebildet werden, aus dem 
die Armen ge;»'en einen periorlischen Beitrag eine l'nterstützung 
zu beziehen hätten. Selbst Mitglieder bestehender Hilfsvereine 
sollten mit der Kirchspielhilfskasse Alters- und Invaliditäts- 
versieherungen abschliessen können*). 

Wir wenden uns nach dieser Abschweifung zur einge- 
schriebenen Hilfskasse zurück« und zwar zu einigen statistischen 
Notizen, welche die früheren ergänzen. Nach Berichten, welche 
bir Frederick Eden voo Deputy Clerks of the Peace uud Towu 

') Pitts Maassregel würdo heutigen Tages mindestens als sozialistisch, 
wahrscheinlich als kommunistisch ^ebrandmarkt werden. Denn in dem* 
selben Entwürfe finden sich auch noch Bcstinimungen, dass ihn Arbeitern« 
welche den ortsüblichen Lohn nicht verdienen können, die Differenz aus 
den .\ rmensteuern gedeckt werden soll, und dass für die Armen von der 
Behörde Arbrit gesucht werden m&ne. Siehe Eden a. a. O. Hl, CCCXXUI, 
bes. die Paragraphen 48— «^S. 



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74 



V. 1. 



Clerks erhalten hatte und ^velc]le er in der erwähnten Schrift 
„Observations etc/' zusammenstellte, zahlte England und Wales 
im Jahre 5117 eingeschriebene Hilfskassen, 414 davon waren ia 
Yofkshire, 600 in Middlesex, ja Laneashire weist nicht weniger 
als 820 auf. Die Zahl derselben war ebenfalls bedeutend in 
London mit 250, Suffülk mit 235, Siirrey und Warwickshire 
mit je 188. Leicht erklärt es sich, dass die Grafschaften von 
Wales nur geringe Zahlen aufzuweisen haben, so Merionet- 
shire 1 , Cardiganshire 8 , Flintshire und Radnorshire je 9, 
Caerniailhenshire erreicht das Maximum von 25. 

Eden knüpft an diese ZMen. folgende Betrachtungen. 
Da er von manchen Orten keine Angahim erhalten bat, nüt 
er (\s für nöthig, 283 Vereine hinzuzufügen, um die annähernd 
richtige Zahl der Vereine zu erhalten. Das würde eine Ge- 
sammtzahl von 4500 iür England und Wales ergeben. Da 
noch immer ein Viertel aller Vereine nicht einfzeschrieben sei, 
so müsse man der bekannten addiren, um die Zahl aller 
bestehenden Hilfskassen zu hnden. England und Wales hätten 
also nach Eden gegen Anfang des Jahrhunderts 7200 Yer^e 
besessen. 

Um die Durchschnittszahl der Mitglieder eines Vereines 

zu finden, geht er von der Thatsache aus, dass 400 Klubs 
88 800 Mitglieder zählen, .leder Klub hat also im Durchschnitt 
*J7 Mitjzlieder. Er hiilt diese Zahl selbst für zu hoch, er glaubt, 
dass ungefähr 90 die Durchschnittszahl sei. Nimmt man diese 
geringere Zahl als die richtige an , dann wurden 04 000 In- 
dividuen zu den Hillskassen von England und Wales gehört 
haben. Wenn man voraussetzt, fährt er fort, dass Jedes dieser 
Mitglieder eine FamDie von 4 Personen zu ernähren hat, dann 
kommt man zu dem Schlüsse, dass 2 592 000 Menschen un- 
mittelbar an dem Gedeihen des llilfskassenwesens betheiligt 
sind. Im Jahre 1801 fand flie erste Volkszählung auf dem 
Inselreiche statt. Danach hatten England und Wales eine 
Bevölkerung von 9 872 980 Menschen. Wenn die Aimuhmen 
£den*s richtig sind, hätten also mehr als ein Viertel der Ein- 
wohner von England und Wales direkt oder indirekt mit irgend 
einer Friendl} Society in Verbindung gestanden. Kden gibt 
zu, dass die Zahl zu hoch gegriffen sei. Ein kleiner Abzug 
müsse desshalb gemacht werden, weil manchmal mehr als ein 
Familienmitglied zu einem Klub gehöre. Aber es fragt sich 
doch auch, ob die Annahme richtig ist, dass jedes Mitglied im 
Durchschnitt den Unterhalt von 4 Personen zu bestreiten hat. 
Die Frage ist nicht so zu stellen, ob eine englische Arbeiter- 
familie durchschnittlich aus mehr als 4 Pei-sonen bestehe — 
(las thut sie <;anz sieher — , sondern ob Eden das Verhftitniss 
der Verheiratheten zu den verheiratheten Alten ohne unter- 
sttitzungsbedinftigc Kinder und der grossen Zahl der Unver- 
heiratheten richtig angegeben habe. 




V. 1. 



75 



EUen nimmt weiter an, dass jeder Klub jährlich im Durch- 
schnitt 62 £ ausgebe, 7200 Klubs also 44G 000 Um so 
viel geringer seien also die Armenlaäten. Da« nach offiziellen 
aWen, die Armensteuem in den Jahien 1802/8 4077891 £ 
betragen, 80 liätten, die Ricfatlglcdt jener Annahme ▼orans- 
gesetzt, die Friendly Sodeties ans eigener Kraft Vs— Vio 
gebracht. 

Der jährliche Durchschnittsbeitrag eines Mitgliedes betrug 
nach Eden 13 Schillinge. Im Süden Englands schwankten 
die monatlichen Beiträge zwischen 1 Schilling und 2 Schilling 
G Fence. 

Die Zahlen Eden'a werden durch einen « Ahetraet of Poor- 
ReUuns** yenrollstäadigt, der im Jahre 1802 dem Parlamente 
vorlag. Derselbe gab die Zahl der Vereine auf 9672 an*). 
"Vorausgesetzt, dass jede Hilfskasse 1>0 Mitglieder zählte, hätten 
also 870 480 Personen den Vereinen angehört, also iaat Vii 
der Gesammtbevölkerung nach dem Census von 1801. 

Eden zeigt sich sehr hoflfnunpsvoll in betreff der weiteren 
Entwicklung der Friendly Societies. Er beliauptet, „sie hätten 
jetzt auf der breiten Grundlage der Erfohrung eine groBse nnd 
nuidamentale Wahrheit bewiesen, dass mit Ausnahme sehr 
weniger Fälle die Menschen, unter allen Umständen, bei g u t e r 
Verwaltung im Stande wären, für ihren eigenen Unterhalt 
zu sorgen'**). Er kenne keine Pfarrei, die, Zeiten grosser 
Theuerung abgerechnet, in die Lage gekommen sei, Mitglieder 
einer Friendly Society zu unterhalten. Dass sie Überhaupt 
zuweilen zusammenbrechen, das liegt, seiner Ansicht nach, 
wesentlich nur an 2 Umständen: an dem Mangel an indivi- 
dualisirten Prämien nnd in der Vergeudung der Beiträge in 
Sehmausereien und Gelagen. 

Hätte Edon die Berechnung, dass die Fiiendly Societies 
jährlich etwa oOIMMH) y;^ an Untei-stützuniren ausgaben, die für 
die öffentliche Arnieiipriege nöthigen Summen aber das Neun- 
fache betrugen, verglichen mit der andern Berechnung, dass 
die von den Frieudly Societies unterhaltenen Armen mindestens 
ein Viertel der gesammten Bevölkerung; ausmachten, dann hätte 
er durch ein einfaches Rechenexempel zur Erkenntniss kommen 
müssen, dass die Hilfsvereine nicht im Stande waren, ihre Mit- 
glieder und deren Angehörige zu unterhalten und dass Viele 
derselben ganz oder theilweise auf Kosten des Staates ernährt, 
beherbergt, bekleidet und gepflegt wurden. 

Welche Bewandtniss es mit den Gelagen hat, haben wir 
an einer andern Stelle zu zeigen versucht. Der Behauptung, 
dass die Armen aus eigenen Mitteln für alle ihre BedOrfiiisse 



M Heport from tbe Select Committee on the Laws Respecting Friendly 
Sodeties 1825. S. (>. 

ObtenAlions etc. Pag. 10. 



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76 



V. 1. 



sorp:en könnten, empfiehlt es sich immer wieder, die Worte 
Howlett's ^) entgegenzuhalten. 

Es ist allerdings für den Politiker eine grosse Beruhigung» 
wenn er sich einreden kann, dass alle Noth auf den 
LeichtsinD, die Verschwendung, sowie den Mangel an Umsiebt 
und Energie der Betroffenen zurückzuführen sind. Wer sieh 
aber aus der langen Leidensgeschichte der englischen Armen 
nur der Thatsarhen erinnert, dass die englische Nobility und 
Gentry vermittelst der Enclosure Acts Vs des gesammten acker- 
baufilhigen Landes an sich brachte, dass man lange Zeit jede 
Gelepenheit für die arbeitendtin Klassen, aus dem Gesetze von 
Angebot und Nachfrage Nutzen zu ziehen, vereitelte, dass man 
darch ein kleinliches Niederlassungsgezetz die Energie und die 
Erwerbskitift der unteren Klassen untergrub, den würde es in 
Erstaunen setzen, dass die Armen aus eigenen Mitteln sich 
für alle Fälle des Lebens hätten sioherstollen können. 

Eden's Schriftchen widerspricht sich auch noch an andern 
Stellen. Wenn es wahr ist, dass keine Pfarrei für diejenigen 
einzutreten liatte, die einer Hilfskasse beigetreten waren, dann 
muss man sich doch billig darüber wundem, dass er an einer 
andern Stelle von der ungenttgenden Wirkung der Friendly 
Societies spricht und den Yon ihnen gebotenen Nutzen zweifei* 
haft (equivocal) nennt. 

Ja. der Mangel an einer abgestuften Skala, die grossen 
Summen, welche Essen und Trinken verschliniien , die That- 
sache, dass revolutionäre Vereine unter dem Deckmantel einer 
Friendly Society ihr Wesen trieben, bewegt ihn, auf die Pläne 
der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ; wenn auch in 
bedeutend veränderter Form, znmekzukommen, was sich tkber- 
haupt immer wieder zeigt, wenn das Prinzip der Frdwilligkeit 
im Hilfskassenwesen seine Dienste versagt. Er schlägt die 
Gründung einer jirossen. unter Autorität der Reirionmir stolion- 
den . im Besitze aller in das Lebensversicherungswesen ein- 
schläglichen Daten befinfUichen grossen Versicherungsgesellschaft 
vor, die ihre Agenten in den verschiedenen Theilen des Landes 
hätte. Diese Gesellschaft würde, so hotft er, allen Bedürfnissen, 
welche die Friendly Societies befriedigen und noch vielen 
' andern gerecht werden und von Trinkgelagen game frei sein. 
Aber sie soll die bestehenden Gesellschaften nicht unterdrücken. 
Wie sich Eden das Verliältniss dieser Gesellschaft zu den 
Tlilfsknssen denkt, ist so eigenthümlich, dass sich ein kurzes 
Verweilen l)ei seinem Plane lohnt. 

Die (iesellschaft soll die mütterliche Beratherin und der 
Bankier der Ililfskassen sein. Sie soll den Gesellschaften, 
welche Reformen wOnschen, mit Versicherungstabellen an die 
Hand gehen und ihr Vermögen annehmen und verwalten. 

0 Binleitoiig. 8. 5a 




V. 1. 



77 



Aber weit davon entfenit, die bestehenden Gesellschaften über- 
tiüssig zu machen, soll sie dieselben eibt zu rechtem Leben 
erwecken. Er denkt sich, dass die staatliche Versicheiiings- 
anstalt von soleben Leuten benutzt wird , welcbe dureb Alter, 

Geschlecht, Beschäftigung oder aus anderen Ursachen von der 
Mitgliedsebaft in einer Hilfskasse ausgeschlossen sind^), oder 

welche wegen ihrer sozialen Stellung abgeneigt sind . einer 
Friendly Society beizutreten, deren überwältiLrende Majorität 
die BedOi-fnisse der arbeitenden Klassen in 's Auge lasse. 

Kden begnügte sich nicht damit, seine Vorschläge gedruckt 
zu sehen. Als ecliter Englander gab er sich Mühe, sie in die 
Wirklichkeit überzuführen. Die von ihm geplante Globe In- 
surance Company sollte das Venn()gen der Hil&kassen zn 5 % 
verzinsen, in laufender Rechnung mit den Scbat-zmeistem stehen, 
und eine gewisse Vermittlerrolle zwischen den kleinen lokalen 
Vereinen fibemebmen, indem sie verziehenden Mitgliedern die 
Möglichkeit böte, ohne Verluste aus einem Klub in einen andern 
überzutreten. 

Die Vorschläire F]den"s siüd. obwohl sie niemals in der 
von ihm befürworteten l^onii ausgeiülirt worden sind, doch 
desshalb merkwürdig, weil sich in denselben wirkliche Bedfirf- 
nisse aussprachen. Um den letzten gleich vorweg zu nehmen, 
so ist er in dem clearance-system der Arbeiteroraen zur Aus- 
fühnmg gekommen. Nach diesem Systeme ist ein Mitglied, 
welches das 4o. .lahr noch nicht überschritten hat, berechtigt, 
nach Bezahlung eines abgestuften Eintrittsgeldes, von einem 
Zweigvereine zu einem andern üherzuirelien , indem es einen 
Beitrag nicht als neuas Mitglied nach seinem derzeitigen Alter, 
sondern seinen frflheren Beitrag weiter zahlt*). 

Durch die beiden andern Vorschlage aber wurde Eden 
der MitbegrQnder der eingeschriebenen Hilfekasse. Ebenso- 
wenig wie .Gilbert*s Idee der Aufmunterung bestehender 6e- 

Seilschaften und der Kontrolle derselben durch die Staatsgewalt 
von ihm selbst verwirklirht wurde, ist es Eden gelungen, 
seine Idep eines Institutes, welches den Vereinen Hath ertheilen 
und ihre Gelder verwalten sollte, in die Wirklichkeil ein- 
zuführen. Aber der (iedanke senkte sich in die Gemüther der 
Zeitgenossen und ging auf, und Courtenay war es vorbehalten, 
diese zweite Fundamentalidee in die Gesetzgebung Ober das 
Hilfekassenwesen zu verweben. 



>j Deren giebt es nach i^lea so riele, dass er die Schwierigkeit, 
Mitglied einer BUfskawe in werden, zu einer Schattenseite der Friendly 
Societies rechnet*. Doch wohl auch ein Beweis, dass freiwillige Kaaaen 
allein die VenicbemngsbedQrfiusse der unteren Klassen nicht befriedigen 
können. 

2) Siehe Fourth Report of the Fkiendly Sodettes' Comnusaion. 
Pnrt X. 8. XXVL 1874. 



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78 



Dass die eingeschriebene Hilfskasse die Erwartungen nicht 
eifiillte, welche man erhoiit hatte, geht auch aus einem Anf- 
satte Beotliam's bmar, dessen ADsehaaungen sieh mit den- 
jenigen Eden's berfihren. JHm Projekt der nationalen Spar- 
samkeitsbank (National Frogality Bank) le^t Bentham in einem 
„Pauper Management Improved" betitelten Aufsatze nieder. 
Er hält eine grosse nationale Versicherungsgesellschaft für den 
besten Ausweg aus unhaltbar gewordenen Zuständen. Sie ver- 
hindere erstens die Zusammenkünfte im Wirthshause und gebe 
aucii solchen ländlichen Arbeitern, die keine Gelegenheit haben, 
einem Klub beirotreten, die Mflglicbkeit, ideh za versicbeni. 
Die Gelder konnten weder zu Arbeitseinstellangen noch zu 
politiaehen Zwecken verwandt werden. Kr sieht wohl ein, dass 
eine grosse Vei-sicherungsgesellschaft sich nicht wohl mit der 
Krankenversicherung beschäftigen kann, aber er glaubt, dass 
sie besser als eine Friendly Society im Stande sei, die Lebens-, 
Alters-, Invaliditäts-, Wittwen- und Waisenversicherung zu 
überneluuen. 

Die Ansichten Eden's und Bentham's erhielten noch mehr 
Gewicht durch Peter ColQhoun, welcher im Anfang dieses 
Jahrhunderts grosses Ansehen besass und der schon frOher 

eine einschlilgliche Schrift: „The State of Indigence and 
the Situation of the Casual Poor in the Metropolis" ver- 
fasst hatte. Der Plan, welchen Colqboun in dem 180<3 er- 
schienenen ,Treatise on Indigence' (Mitwickelte, setzt sich aus 
zwei Ideen zusammen, von denen die eine Maseres, die andere 
£den entnommen zu sein scheint. Wie Jener wünscht er Kirch- 
spieWereine, dieselben sollen in einer Depositenbank mit Filialen 
im Lande ein freiwilliges Rttckgrat erhalten. Acht Jahre später 
veröffentlichte der Graf Jerome von Salis eine Broschüre, welche 
ähnliche Gedanken verkörpert. Jede Pfarrei sollte eine Kirch- 
spielhilfskasse besitzen, die unter der Leitung des Lord of the 
Manor oder der Ki rebenältesten und Annenaufseher stände. 
Der Titel verräth übrigens so deutlich den Gedankengang des 
Grafen, dass wir ihn Merher setzen : A Proposal for improving 
the System of Friendly Societies, or of Poor Assurance Offices; 
and, by increasing their Funds, rendering, in Process of Time, 
on the Principle of Accumulation, all Parochial Taxation for 
the Relief of tlie Poor unnecessary. 

Der ungeheure Umschwung, zu Ungunsten der freiwilligen 
Hilfskasse, welchen die vorher erwähnten Schriften spiegeln, 
wird erst verständlich, wenn man folgende Zalilen über- 
blickt: 



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79 



Im Jahre 


Anumtuitenlfttiuiig 


Einwohoenahl 


1760 
1776 

1 lOO 

1784 
1785 
läOl 

1808« 


1 529780 (Eden, SUte I, 363, 
872) 

2 0042J^x (im Durchschnitt) 

41000uO(nBch der fol^'enden 

Zahl ge&cbatst) 
4907M5(offiiieIl) 


6 479 780 (Finlaison) 

7 200 000 (interpolirte Zahl) 

8 000 000 (beide nach Nichulls) 

9872980 (VoIkssAhlnng) 

9300000 (gesehllit nach der 
TorhergehendeD) 



In diesen Zahlen ist der Schlttssel za den WidersprOcben 

enthalten, welche der für ein freies Arbeiterversicherungswesen 
bef^eisterte und der in seinen Erwartungen getäuschte Eden 
in seine Schriften einflies>;en lilsst: in ümen sohen wir die Be- 
weggründe, welche Benthani, Colqhuun zum Schreiben ver- 
anlassten. Die einfreschriebenellilfskasse w ar nicht 
voUwerthig befunden worden. Man hatte sie in schweren 
Zeiten gegrQndet, als eine Maaer gegen die anschwellendmi Massen 
des Proletariats, welche man damals noch zu bewältigen hoffte. 

Die bestgeleitete Hilfskasse wäre zu schwach gewesen, um 
gegen solche Gegner anzukämpfen, aber nun kam noch hinzu, 
wie wir Eingang dieses Kapitels geschildert haben, dass sie in 
einer Zeit des gewaltsamsten politisclion Umsturzes zu wirken 
begann. Wie zerstörend der Krieg auf die llilfskassen wirkte, 
beweisen folgende Zahlen, die einer Schrift Marshall's^) ent- 
nommen sind. Der Verfesser behauptet, dass im Jahre 1^ 
4047 Vereinsmitfflieder in der City of London vorhanden ge- 
wesen wären, im Jahre 1813 nur noch 3573, in der Graf= 
Schaft Middlesex 1803 72 741 , im Jahre 1813 nur noch 57 340 
Mit^rlieder von Vereinen. 

Und doch litt bekanntlich England während des Krieges 
wenig im Vergleich zu den Zeiten, welche dem Friedensschlüsse 
zunächst folgten. Die Steuern verdoppelten sich zwar. Sie gingen 
von 35 415 096 M auf 72 210 512 M hinauf. Die Staatsschuld 
stieg von 520207 101 i£ im Jahre 1803 auf 758 646654^ im 
Jahre 1817. Aber auch der Export hob sich nicht trotz des 
Krie^ies und der Kontinentalsperre, sondern in Folce derselben 
von \\\ •>:<' 0(31 r auf 53 573 234 £ von 1 ^05 1814', der Import 
in dei-selben Zeit von 28 561 270 i auf 755 2)51 

Die Lage der ärmeren Klassen verschlimmerte sich be- 
deutend nach dem Ende des Krieges. Die fremden Völker 

') The Mortality of the Metropolis 1832. 
hir George Nicholls, Hittory of the EngUeb Poor Law. II, 172. 178. 



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80 



V. l. 



ächlosseu sich durch Schutzzölle gegen England ab, um ihre 
binsieGhendeii oder keimenden Indttstrien zn heben, z. B. PreasBeo, 
oder sie fingen an, mit ihm in Konkurrenz za treten. Zunftehst 

aberschätzten die Enp;länder die Konsomtionsfähigkeit des 
erschöpften Kontinentes für englische Waaren, welche entweder 
;rar nicht verkauft, oder unter dem Preise losueschla^HMi wurden. 
Die Fabriken mussteii theilweise ihre Arbeit einstellen oder 
verringern. Die Werlhschwankungen des englischen Papier- 
geldes wirkten nachtheilig auf den Volkswohlstand. Grosse 
Kapitalien, die in Unternehmen angelegt waren, welche sich 
w&hrend des Krieges lohnend erwiesen hatten, z. B. die Ver- 
fertigung von Waflfen, mussten dislocirt werden. Der Lnnd- 
und Seekampf hatte viele Menschen beschäftigt, welche im 
Frieden die Konkurrenz vermehren halfen. Dazu kam, dass 
auf die günstigen Ernten, welche die letzten Kriegsjahre er- 
träglich gemacht hatten, der furchtbfire iMangel des Jahres 
1816 folgte, welcher zu den Unruhen der brod- und arbeits- 
losen Klassen im Jahre 1816/17 führte 0. Wie schrecklich die 
Zeit für die arbeitenden Klassen war, geht aus der wachsen- 
den Hohe der Armensteuer hervor. 



1802/1803 : 4267965 1801: 9 872980 
1813 : 6 331 249 1811 : 10 150 615 
1818 : 7 870 801 1821 : 11 978 875 

Nehmen wir für 1818 dieselbe Bevölkerungszahl wie fQr 
1821 an, so h&tte sieh seit Anfang des Jahrhunderts die Be- 
völkerung um etwa 20 die Armensteuer um etwa 90 % 

vermehrt. 

Ein gedankenreicher Aufsatz der Fldinburgh Review*) 
gibt einen Ueberblick über das Verliultniss der Bevölkerungs- 
zunahme zum Anwachsen der Armensteuer seit der Mitte des 
vorigen Jahrhunderts. Der Verfasser kommt zu dem Resultate, 
dass sich von 1750 bis gegen 1820, also in der Periode, welche 
den üebergang von der Klein- zur Grossindustrie, einen 
grossen Theil der Landbesitzvei ilndernnjren, die Napoleonischen 
Kries:e, die Noth der ersten Friedensjatire in sich bep:reift. die 
Bevölkerung um die IlÄlfte, die Armensteuer um das Zehnfache 
zugenommen haben. Ist aucii die ßeweisfUhiiing nicht ganz 
zutreffend, weil die Zahlen, von denen er für das Jahr 1750 
ausgeht, uns nicht richtig zu sein scheinen, — die Bevölkerungs* 
Ziffer scheint zu hoch (8 000 000), der Betrag der Armensteuer 
zu niedrig (750 000^^) gegriffen, — so geben doch auch die 
Annahmen, dass die Bevölkerung zu jener Zeit nur 6 000 000, 

M Siebe Tooke, History of Prices II. Anfang passim und Pauli, Ge> 
schichte Euuiatids seit den FriedensächlüsSMl VOn lülA, 1815. L 8.1471^. 
'-) The bavings ol ihe Poor. lüTd. 



Armensteuer 



Einwohnerzahl 



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81 



die Annensteuer schon 1 000 OüO £ betragen habe , auch ein 
sehr düsteres Bild. 

Sehr viele Hilfekassen brachen zusammen, Iflsten sich auf, 
▼ertheilten ihr Yennftgen. Nun herrschte damals noch mehr 
ak heute die Vorstellung, dass die Hilfskassen sich allen Starmen 
mm Trotz halten müssten, wenn die Verwaltung gut wäre und 
weniger getrunken würde. Es ist ja richtig, dass, wenn die Bei- 
träge, aus denen Krank» n- und Begräbnissgeld bestritten werden 
soll , zum Theil vertrunken wenlen , die Kasse schliesslich zu 
Fall kommen muss. Aber ebenso richtig ist es, dass sehr viele 
Kassen überhaupt ohne ein soziales Glas Bier nicht existiren 
würden und man den Arbeitern einigen Lebensgenuss gönnen 
sollte. Jedoch das bedachte man nicht. Wenn es möglich 
wäre, eine Organisation zu schaffen, in der die arbeitenden 
Klassen keinen Theil mehr an der Verwaltunir hätten, und 
sich nicht mehr versammelten, dann hoffte man, wurde sich 
ihre Lage verbessern und die Armensteuer heruntergehen. 
Dazu kam die unauslöschliche Furcht vor Gewerkvereineu und 
Verschwörungen, die einige Jahre nach dem Frieden wieder 
auflebte Wir stehen in der Zeit der „6 Knebelbills'' und 
der Seditious Meetings Act. 

Und nun, wo das freie Vereinswesen in dem freien Albion 
verabscheut, und der Stab über das Arbeiterversicherungswesen 
gebrochen wurde, trat eine Organisation an die Oeffentlichkeit, 
die allen Ansprüchen, welche man vom politischen und sozialen 
Standpunkte an sie stellen konnte, zu genügen schien. Das 
war die Sparbank. Dies Gestirn, welches damals hell am wii*th- 
schaftlichen Himmel leuchtete und sich bald zu einem Stern 
erster Grösse entwickelte, nahm der HiUskasse allen Glanz 
und allen Ruhm. Sie schien im Stande zu sein, die soziale 
Frage im Handumdrehen zu lösen, und wurde daher von allen 
Nationalökonomen und Staatsmännern als der ökonomische 
Messias der Menschheit begrüsst. Eins muss besonders hervor- 
gehoben werden: man erfasste die Sparbank durchaus nicht 
in ihrem eigenthümlichen Wesen, sie wurde lediglich als eine 
Konkurrentin der Hilfekasse, beslsmmt, sie ganz zu verdrängen, 
aufgeiasst 

Die Gesetzgebung Uber die Sparbanken und die einge* 

schriebene Hilfskasse ist so eng mit einander verknüpft, die 
beiden Institute haben einen so ])pdentenden Kintluss auf ein- 
ander austreübt. Probleme, welche im (iebiele des Hilfskassen- 
wesens entstanden, sind so oft in der Gestalt von Sparbank- 
instituten gelöst worden, dass wir die Geschichte der Sparbank, 
soweit dieselbe zum Verständniss nöthig ist, hier skizziren 
müssen. 



1) PanH, G«tdiichte EngUods. I, 219. 

Pofifiksain (2(4 1. — HwbMk. 6 



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82 



V. 1. 



Wer die Quellen verfoliztj aus denei^ sie in Enorland ent- 
steht, stööst aul zwei Züge, die den Kenner des &üi:iaien Lebeas 
Englands durchaus nicht Obemsehen werden. Es sind Damen 
und Qeistliche, welche sie in*8 Leben rufen. Nicht genug kann 
in Deutschland hervorgehoben werden, dass die soziale Gesetz- 
gebung Englands undenkbar wäre ohne das theoretische und 
praktische Wirken erifrlisi-her Geistlichen, die ihren Beruf mehr 
auf dem gesellschaftlichen als dem politischen Gebiete des 
modernen Staatßlebens erblicken. Wie sticht davon ab die 
Ilerzenskälte, der dogmatische Zank und die politische Dema- 
gogie vieler kontinentalen Geistlichen! Vieles wftre unaus- 
gribhrt geblieben ohne die Hingebung engliacher Damen, die 
über den engen Horizont des kontinentalen Weibes erhaben 
und von staatlichem Gemeinsinne erfüllt, soziale Pflichten des 
weiblichen Geschlechtes anerkennen. 

Die Institute, welche Damen und Geistliclie urümlen, liehen 
hervor — und das ist der zweite charakteristische Zug — aus 
dem Grundsätze des Engländers, den untera Klassen so viel 
Hilfo zttkomm«!! in lassen, dass sie sich selbst helfen können. 
Ueberzengt davon, dass nur ein Zusammenwirken von fremder 
Hilfe und Selbsthilfe gedeihlich wirken kann, suchen sie die 
untern Klassen wirthschaftlich zu ei-ziehen. 

l)er erste Vereuch*), welcher von Frau Wakotield in 
Tottenham im Jahre 179l> gemacht wurde, entwickelte sich 
aus einer Veranstaltung, die Defoe's und Maseres' Pläne zu 
verkörpern schien. Um die Lage der Frauen und Kinder in 
ihrem Doife zu bessern, nahm sie von denselben monatlich 
kl^e Beiträge entgegen. Ans der so gebildeten Kasse er- 
hielten die Beitragenden eine Rente nach 60 Jahren und 
4 Schillinge wöchentlich während der Dauer ^ner Krankheit. 
In Todesfkllen wurde eine bestimmte Summe zur Bestreitung 
des Leichenbegängnisses ausbezahlt, in ausserordentlichen Fällen 
ein bestimmter Betrag bewilligt. Mit diesem Institute wurde 
eine Vorschusskasse und später eine Sparkasse verbunden. 
Hier liegen auch die Anfänge der penny-bank. Kinder wurden 
angehalten, einen Pfennig monatlich in eine Kasse zu zahlen. 
Aus den angesammelten Beträgen wurde später Lehrgeld, 
Kleidung u. s. w. bestritten. Ehrenmitglieder zahlten von Zeit 
zu Zeit Beiträge. Hier Uberwog also noch der ChArakter der 
Hilfskasse. 

Ein Jahr früher hatte der rtärrer von Wendover, mit 
Namen Smith, eine Sparbank gegrtlndet, in der jedoch anfangs 
das karitative Element sich sehr stark bemerklich machte. Die 
armen Pfarrgenossen wurden im Sommer 1798 angefordert, 
alles Qberflnssige Geld dem Pfarrer zu bringen. Die Erspar- 



^) Lewins; History of Banks for Savings in Great BiitaiB and fre- 
laad. Iii u. L Qoarterly Beview XVI, 97 % lölö. 



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V. 1. 



83 



nisse wurden ihnen mit Zinsen, die ein Drittel (leisell)en be- 
tnigen. um Weihnachten bei Gelegenheit eines Weihnachtsessens 
zurückgegeben, dessen Kosten ebensowohl wie die Zinsen vom 
Pfarrer und zwei reichen Einwohnern bestntten wurden. 

Die Idee der Sparbank bemächtigte sich nun der Gernttther. 
Schon im. Jahre 1803 schlug; Malthus Grafechaftsbanken vor. 
Aber nur selten noch wird sie in ihrer SelbstÄndigkeit erkannt 
Pas offenbart sich auch in dem ersten fresetzirelu^nden Schritte, 
V elcher im Jahi-e 1H07 vei*sucht wurde. Whithread brachte 
einen Gesetzentwurf ein, aus dem die eminente Begabung des 
Mannes klar hervorleuchtet. Die Pläne, für welche seine Zeit 
noch nicht reif war, haben spätere Generationen ausgeführt. Eine 
wibrdiffere, grössere Auffassung vom Staate, ist in ihm lebendig. 
Er befQrwortete z. B. zuei*st eine allgemeine staatliche Erziehung. 

Die Vorlage, „for establishin«; a fund and assurance office 
for investinjr the Savings of the Poor". welche er einbrachte, 
enthielt das l'rojekt einer staatlichen Sparkasse, welche sicli 
der Post als Mittelglied i)edienen sollte. Dieselbe Organisation 
sollte den einzelnen Individuen die Zahlung von Jahresrenten 
und die Abschliessung von Lebens Versicherungsverträgen er- 
möglichen. Die Gesellschaft sollte in der City of London oder 
in Westminster ihren Sitz haben und unter der Leitung von 
eidlich vei-pflichteten , vom Könige ernannten Commissioners 
stehen. Damit die Annen in den Genuss dieser für sie be- 
stimmten Veranstaltun;; kiimen , bestimmt ein Paragi'aph, dass 
jede Person Mitglied werden könne, welcher der Friedensrichter 
bescheinige, dass sie hauptsächlich oder ganz vom Arbeitskdin 
exiötire. Niemand soll mehr als 20 ^ in einem Jahre oder 
mehr als 200 £ im Ganzen einlegen dürfen. 

Eden*s Vorschlag taucht in der Bestinunung an( dass diese 
GeRellschaft Tafeln zur Berechnung von Prämien und Leib- 
und Jahresrenten herausgeben solle. 

Worauf wir beson<lers die Aufmerksamkeit richten möchten, 
ist die unausgesprochene Ueberzeugunti, dass derartige An- 
staltt'u nicht der Sellistverwaltunji kleiner Leute überlassen 
werden düi-feu, sondern dass eine höhere leitende Intelligenz 
das Arfoeiterversichernngswesen in die Hand nehmen mfisse. 
'Whitbread*s Gesetzentwurf wurde nicht angenommen. Es ist 
bezeichnend, dass die liberale Edinburgh Review den Spar^ 
banken abrieth. die Aufmerksamkeit der Regieiiing von ihren 
eigenen AntreleL'enheiten abzuziehen. 

f^er Man^^el des Parlaments :ui Vei-ständniss für die Be- 
duifiusse der arbeitenden Klassen trieb Private um so mehr 
au, die Angelegenheit zu fördern. * 

Im Jahre 1808 wurde in Bath eine Sparbank begründet. 
Charakteristischer Weise war es wiederum eine Dame, Lady 
Douglas, welche die Angel^enheit in die Hand nahm. Die 
Bank gedieh und wuchs zur „The Provident Institution" heran, 

6» 



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84 



die, wie viele ähnliche Vereine, nachdem sie prross geworden 
war, unter den Schutz eines Edelmanns, in diesem Falle des 
Marquis von I>ans(lü\vne gestellt wurde. In demselben Jahre 
wurde .,Tlie Sunday Bank"* zu Ilertford gegründet Diesmal 
war der GrQnder wieder ein Pfarrer : The Rev. Thomas Lloyd. 
Derselbe besahlte am Nenjahrstage die Einlagen mit 10% zarttek. 
Mit seiner Sparbank verband Lloyd eigenthttmlicher Weise kirch- 
liche Zwecke. Niemand konnte Einlagen in die Sparbank 
machen, wenn er nicht dem Gottesdienste recrelniässig beiwohnte^). 

Die vier Banken waren allein möglich unter der Voraus- 
setzung nicht nur hilfsbereiter, sondern auch wolilhabender 
Pei^sonen der oberen Stände. In allen stand, weil die Gründer 
aufmuntern wollten» der Lobn des Sparens nicht in richtigem 
VerhAltniSB zu den sittiiehen Eigenschaften, welche dasselbe 
bedingen. Anders musste sich der Charakter der Sparbank 
gestalten, wo ein Mann mit wohlwollender Gesinnung sich bei 
seinen Entwürfen nicht auf das Vermögen reicher Mitbürger 
stützen konnte. 

David Duncan, der Pfarrer von Hnthwell, einem abseits 
gelegenen Orte in DunilViesshire, wurde durch die Pläne Whit- 
bread's lebhaft angeregt. In einem Artikel, welchen er für 
den Dumfries Courier schrieb, sind seine Ansichten so deutlich 
ausgeprägt, dass wir demselben einzelne Stellen entnehmen. 
In dem Aufsatze tritt das Bewusstsein von der Nothwendigkeit 
einer wirthschaftlichen Erziehung der unteren Klassen durch 
die oberen besonders klar hervor. Die Sparbank fasst Dun- 
can als eine Erpinzung der Hilfskassen auf. 

Nur dann, sagt Duncan, können die oberen Klassen den 
unteren wirksam helfen, „wenn sie dem Fleiss und der Tüchtig- 
keit Jede mögliche Aufmunterung gewähren, wenn sie sie ver- 
anlassen, für ihren eigenen behaglichen unterhalt zu sorgen, 
wenn sie den Unabhängigkeitssinn, welcher der Vater so Irieler 
Tugenden ist, liebevoll pflegen und indem sie unirew ähn- 
liche Sparsamkeit und ungewöhnliche Beispiele 
des W () h 1 V e r h a 1 1 e n s ( good conduct ) belohnen. Friendly 
Societies scheinen nicht , so ausgezeichnet sie auf ihre Weise 
sind, nach jeder Richtung hin geeignet zu sein, die beabsichtigte 
Wirkung hervorzubringen. Es werden Vortheile angeboten, 
die man nicht immer gewähren kann; aber gegen einfache 
Kirchspielbanken kann man solche Beschuldigungen nicht er- 
heben'' 

Von dem Begriffe der Belohnung ist der der Strafe un- 
zertrenniich. Daher kann es nicht befremden, dass jedes Mit- 
glied der von ihm gegründeten, im Wesentlichen von den 

^) Siebe Lloyd's Aussage vor dem Lords Committee on tbe Poor 
L«WS. May 1817. S. 149. 
*) Lewms a. a. O. S. 82. 



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V. 1. 



85 



Einlegern verwalteten Sparkahae bei Strafe gezwungen war, 
jedes Jahr einen kleinen Beitrag einzuzahlen. Wer drei Jahre 
lor Sasse beigetragoo hatte, erhielt unter gewiBsen Bedmgungen 
5 % statt 4 ^0 Zinsen. Aus einer Bestimmung geht deutlich 
hervor, wie innig verwachsen Sparbanlc und Hilfskasse noch 
waren. Wenn ein Einle<;er krank wurde, konnte ihm nach 
Entscheidung der Direktoren aus seinem Oelde eine wöchent- 
liche Summe ausgeworfen werden. Es stand nicht Jedem frei, 
Einlagen zu machen, sondern die Mitt-diedsi-haft war von dem 
gUustigeu Ausfall von Nachforschungen über den Charakter etc. 
des Meldmiden abhängig. Diese Sparhank, deren Verwaltung 
eine eigenthümliche Mischung von patriarchalischen und demo- 
kratischen Einrichtungen bot, entwickelte sieb trotz aller Hinder- 
nisse und Schwierigkeiten in übeiraschender Weise. Im ersfen 
Jahre wurden 151 J;: eingelegt, im zweiten 17G j^, im dritten 
241 ^ und im vierten 922 f. 

Während sich in England in den Jahren 1J^15 und 181«) 
eine neue Form Ijerausgestaltete: die Sparbank mit Filialen, 
80 die «Provident Institution'' zu Southaropton (gegi-ttndet vom 
Vater des ersten Friendly Societiesgesetzes, George Kos^ und 
die nKxeter Savings Bank"" (gegründet von Sir John Amnd). 
welche schon im folgenden Jahre (50 von Geistlichen verwaltete 
Zweige hatte, bildete i^ich im Jahre lsl4 in Edinburgh das 
Urbild der heutigen Sparbank aus. Sie wurde von der Edin- 
burgher Gesellschaft zur Unterdrückung der Bettelei -gegründet, 
die unähnlich gleichen kontinentalen Vereinen sich nicht bloss 
mit negativeif Bestrehungen begnügte. Die Verwaltung lag in 
den Händen des Vereins. Jeder konnte nach Belieben Einlagen 
machen und sie wieder herausnehmen. Die GeseUschaft nahm 
Beträge über 10 ■£ nicht an. Ihr Charakter war ein rein 
geschiiftsmässiger. Keine Selbstv^waltung, keine wirthschaft- 
liehe Erziehunijl 

Schon Ende der Session 1815 und wieder im Jahre 1>^1(» 
bat George Koae um die Erlaubniss, eine Bill einbringen zu 
dflifen, um den Sparbanken Schutz zu gewfthren, also gerade 
um die Zeit, als die Noth der ftrmeren Klassen immer mehr 
zunahm. Um die wichtige Voriage gebührend zu prüfen, wurde 
sie zurückgezogen, im Jahre 1817 wieder vorgelegt und nun 
angenommen. Eigenthümlicher Weise legte George Kose auch 
den Grundstein der Sparbankgesetzgebung. 

Diesem Umstände ist wohl grösstentheils die grosse Aehn- 
lichkeit in dem Charakter beider G6&etze zuzuschreiben. £s 
ist in dem Akt von 1817 ebensowenig vom Geiste Whitbread's 
SU spttren, wie in dem Gesetze von 1793 von den Ansichten 
der Pamphletisten der siebenziger und achtziger Jahre. 

Jede Anzahl von Britten darf nach diesem Gesetze 57 
Georg III. c. VM^ eine Sparbank «iründen. Die Statuten werden 
vom derk of the peace zu den Akten genommen. Durch ein 



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86^ V. 1. 

späteres Gesetz uiussten sie auch vom Friedensrichter bestätigt 
werden. Die Bank kann im Namen ihres Treuhänder klagen 
und verklagt werden. Das Vermögen dei'selben stebt im Namen 
der Treubftnder, die kein pekuniäres Interesse an demselben 
haben dürfen. Die Banken geniessen ebenfalls Steropelfreiheit 
nnd den Vortheil eines summarischen Gerichtsverfahrens, Hier 
war also, das ist vorläufig für uns das Wichtifrste, die Ver- 
waltunjz den arbeitenden Klassen ganz aus der Hand genommen. 
Es wurde ihr ein Privileg verliehen, welches jedoch durch das- 
selbe Gesetz indirekt auf die Hilfskassen übertragen wurde. 
Die Sparbauken sollten ihr Vermögen in den Staatsscholden 
anlegen dOrfsn. Es wurde ihnen ein Zinsfuss yon 3 d. tSglich 
odpr 4ij^ 11 s. 3 d. jfthrlich gewährt. Der 6. Paragi-aph des 
Gesetzes heisst nun: Friendly Societies may subscribe any 
Portion of their F'unds into the Funds of Provident Tnstitutions. 
Im .lahre l<s20 erhielten auch wohlthätige Vereine die gesetz- 
liche Erlaubniss, ihr VeiTnögeii in Sparkassen einzuzahlen (1 
Georg IV. c. 83). Damit war eine von Kden's Ideen, wenn 
auch in einer von ihm nicht vorhergesehenen Fom verwirklicht. 

Diese Bestimmung war von unttbersebbarer Bedeutung. 
Sie war weniger daraiu berechnet, den Hiliskassen und Spar- 
banken einen direkten pecuniären Vortheil zuzuwenden. Sie 
gewährte ihnen, was weit wichtiger war, finanzielle Sicherheit, 
welche in Verbindung mit dem niltssig hoben Zinsfusse alle 
unreellen Leiher aus dem F'elde scldug. 

Der nächste Erfolg des Sparbankgesetzet war ungeheuer. 
Ein Jahr nach Erlass desselben waren 227 Banken in England 
und Wales und eine ungefähr gleiche Anzahl in SchoUland 
und Irland gegrQndet Die kleinen Ersparnisse, welche in 
Strümpfen, in Mauerspalten^ in Tdpfen, in Kisten und Kasten 
verwahrt waren, wurden an die mit so grossen Privilegien be- 
dachte Sparkasse abgeliefert. In 9 Monaten flössen ü51 000 jß 
in die Banken Englands. 

Die Freude über die betrachtlichen Summen, welche den 
begeisterten Freunden der Sparbank alle aus den urvaterlichen 
StrQmpfen alter Männer und Frauen geflossen zu sem schienen, 
wurde sehr gedämpft, als es sich herausstellte, dass das charakter- 
lose, grosse Kapital, die Privilegien, welche für die unteren 
Klassen bestimmt waren, auch für sich zu erlangen strebte. Ein 
,gentleman', welcher ein Vermögen von 4<i00(i _/? besass, Hess 
in einer Sparbank bedeutende Summen auf den Namen seiner 
6 Kinder eintragen. An einem Tage wurden in eine neue er- 
öffnete Bank 20 000 £ eingezahlt ^ ). Davon gehörte den ar- 
beitenden Klassen sehr wenig. Es gab schon damals Politiker^ 
welche wohl erkannten, dass man sich täusche, wenn man 
glaube, dass das Loos der arbeitenden Klassen dauernd durch 

') Lewins a. a. 0. S. 54, 55. 



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V. 1. 



die Syarbaiik verbessert werden künne. Cobbett hielt das 
Sparkassen wesen fUr ^Schwindel". In der XluiL haben ja auch 
die VerOffeDtlicbangen ; welche von Zeit zu Zeit stattfinden, 
gezeigt, dass die SehichteOf welehe die meisten Einlagen maeben, 
nicht die sogenannten arbeitenden Klassen sind^). 

Wohl ist es falsch, von einem Institute sozialer Selbst- 
hilfe die Losung der sozialen Frage zu erwarten. Aber Cobbett 



1) Folgende Znhion, nach einem Abschlösse för den 20. iNov. 1^52. 
Rq>orts XVI, 8H6, :«7. 1857—58. 



Stmd der Einleger 



1. Tradesmen and fhdr assistants, small 

f&nners, Clerks, mecLanics, artisans 

2. Lnbonrcrs. türm-servants, jonrneymen 
mechanics and their wires 

3. Domestic Spants, charwomen, nnraes. 

4. Minors having accounts in their own 
names 

5. Penons of independent means. . . . 
f>. Professinnri] mon and thdr wiveB . . 

7. Kngaged in education 

8. Soldiers, marinen 

9. Police-men. letter • aniers 

10. Dr^'ss-makerB, milliners, shopvromeii 

11. M&rried noomeo, widows, spinsters. . 
18. Psn. widumt any giTen descriptien . 



Durch- 
Gesanunt- 1 eclinitts- 

betrat; des 



summe 
der , , 
Personen ^ 



235338 

119705 
205781 

144 7ti2 
11704 
5 250 
b457 
14 878 

20 02(i 
110 401 
48542 



6394079 

3 384377 
54762581 

I 1910 016 
I 315 804 
I 151 028 
261 201 
509905» 
75 720 
4ti22a5 
3 18Ö 628 



Einlt^ert) 

27 

28 



13 
28 
30 
32 
86 
35 
21} 
29 



1 102004 j 22 



Diese Zahlen beweisen , dass Cobbett sehr scharf fih&c den wahren 
Werth der Sparkasse urtheilte, dass er unendlich mehr als ein „Demajioüf" 
war, als er in seinem Reinster schrieb (Januar 1817): „Was für ein 
Sdiwindel ! Zu einer Zeit, wo es ofienkondig ist, dass die eine Hillle der 
pinzrn Nation sich in einem Zustande befindet, der nicht weit vnm Ver- 
hungern enttemt ist, wo Hunderttausende von Familien beim Aulstehen 
njdit wisaen, wo sie am Tage eine Middaeit finden «ollen, wenn nm der 
weit grösseren Anzahl des ganzen Volkes viel mehr als dlo Tlälftr vnn 
Almosen lebt: in einer solchen Zeit legt man ein Projekt vor, die Erspar- 
nisse der Tagelöhner und Arbeiter zu sammeln, um sie der Kegierung zu 
leiben, nnd ein Vermögen zur Unterhaltong der Leiher in Krankheit und 
Alter zu bilden". — Man hat sich sehr gegen die Anklage ereifert, das 
damalige Kabinet habe die Ersparnisse nur an sich ziehen woUen, um sich 
ana der Noth zn helfen. Whr gtaaben keineswegs, daaa daa Kabinet die 
Ersparni-sr habe konfisziren -wollen, wir trlanlrn ebensowenig, dass die 
Anklage b^ründet ist, denn man sah damals die Kntwicldong nicht vonus, 
wakhe die Sparimnken genommoi haben. Aber wenn man den grotsartigen 
Aufschwung vorausgesehen hätte, glauben wir, wäre das damalige Kabinet 
einer finanziellen Nebenabsicht fjlhig *iewesen und man hatte ihm dieselbe 
nicht verdenken können, weu^ es seinen Verpflichtungen redlich nach- 
kam. Man denke doch einmal diran, ans weldien Grfinden die Staati- 
tontinen ins Leben gerofm worden. 



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b8 V. 1. 

ging in seinem Urtheile zu weit. Jedenfalls hat die Sparkasse 
dem vierten Stande sehr viele Wohlthaten erwiesen, wenn sie 
auch dem fnnfteo nicht zu helfen vennochte. Zweifellos hat 
de den ungeheuren Nutzen, dass sie grosse Massen die ahsolote 
Tagend der Sparsamkeit lehrt, welche, wohl verstanden und 
allL^emein f^eübt, den Aibeitsdnuk der Menschheit erleichtem 
inuss. Sie hat erzogen und ei-zielit wie jede Anstalt der sozialen 
Selbsthilfe zu den ökonomischen Tugenden, welche unsere 
jetzige Wirthschaftsordnung verlangt, und hat mit ihnen das 
bedeutende Verdienst, darzuthun, dass mit der Association allein 
die sozialen Fragen nicht za liisen sind. Sie weist Oher sich 
hinaus auf den Staat 

So klug waren denn auch die Männer, welche die san- 
guinischsten IIotTiuinjjen von dem sozialen Kinfluss der Spar- 
banken liatten, einzusehen, dass es mit einer solchen Maassreirel 
allein niclit •;ethan sei. Die Rückkehr zur (iold Währung, die Ab- 
schati'uiig der Einkommensteuer, die Korngesetze, Ersparnisse 
aller Art, wurden gefordert und theilweise erreicht.» Vor Allem 
aber sah man ein, dass die giündlich verfahrene Armenpflege 
vollständig umgestaltet werden müsse. Im Jahre 1817 ernannte 
das Haus einen Ausschuss, welcher unter Stnuges Bonme*s Vor- 
sitz alle Seiten der schwierigen Fragen zu ei-schöpfen suchte. 
Dei-selbe sass vom 27. Februar 1><17 bis zum lu. Juni lsl7. 
Auch das Oberhaus eniannte einen Ausschuss, welcher unter 
dem Vorsitz des Earl uf Hardwicke vom 14. Mai 1817 bis zum 
17. Juni 1817 dieselbe Frage erwog. Die Rolle, welche die 
besitzenden Klassen Englands den Hilfekassen von An&ng an 
im sozialen Leben zugewiesen hatten, musste nothwendiger 
Weise zu einer Eröiierung derselben und zu einem Vergleich 
mit den Sparbanken führen. 

The lle])ort from the Select Committee on the Poor Laws 
vom 4. Juni lbl7 weist darauf hin, dass sie unter tüchtiger 
Verwaltung in einigen Pfarreien viel Gutes gewirkt hittten. Um 
eine gute Verwaltung zu erzielen, bcliiagen die Lords vor, dass es 
erlaubt smn solle, Kirchspielkassen zu gründen. Das Komite 
glaubt, dass diesäben, um erfolgreich konkumren zu können, 
den arbeitenden Klassen mannigfaltigere und bedeutendere 
Vortheile bieten müssten, als die gewöhnlichen Hilfskassen, 
und dass ihnen dies durch Zuschüsse aus der Annenkasse 
ermöglicht werden müsse. Der Ausschuss hotit, dass eine solche 
Maassregel allmählich das bisherige System der Armen u n te r- 
stützung in ein System der Armen vei-sicherung verwandeln 
wttrde. Von gi-osser Wichtigkeit ist auch das Zengniss des 
Ausschusses, dass „unter den gegenwärtigen Umstftnden das 
Unvermögen der Leute, selbst den kleinsten Abzug von ihrem 



») Seile 12. 



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V. 1. 



89 



Lohne zu machen, diese Art von Veranstaltung in einigen 
Thailen des Königreiches unanwendbar machen kann." 

Das Koniite spricht weiter die Uel^erzeuaung aus, dab-s 
der grosste Theil (1er Armensteuer nicht verschlungen würde 
von der Fttnerge ftr YorfiUle, für welche die Friendly Societies 
wirkten, sondern von den Gaben fQr die Kinder proletarischer 
Eltern. Darum, schlägt der Ausschuss vor, solle die Pfarre 
für solche Familienväter die Prämien bezahlen, damit in ihnen 
au«;uerottet werde „the familianty with parish-pay which it is 
above all thinixs dosirahle to eradicate". 

Am 20. Mai IHlyi) wurde im Unterhause der Antrag ge- 
stellt, dass der Report, über den soeben berichtet wurde, 
gelesen werde. Naendem die Lektfire desselben beendet war, 
baten Thomas Gourtenay, Stnrges Boume und Robert Smith 
um die Erlaubniss, eine Bill, die Errichtung von Kirchspiel- 
bilfskassen betreffend, einzubringen. Am selben Ta^e suchten 
Thomas Courtenay und Mr. Estcourt um die Erlaubniss nach, 
eine Bill vorzulegen „for the Encouragemeut of Friendly 
Societies**. 

Thomas Courtenay, dessen Name bei beiden Maassregeln 
an erster Stelle steht, tritt dadurch in die Fusstapfen Sir 
F. £den*s, dass er nicht mit einer grundstttrzenden Maassregel 

die bisherige Entwicklung zu unterdrücken sucht, sondem neben 
der KirchspielhilfBkasse die refonnirte eingeschrieben Hilfskasse 
fortgedeihen lassen will. 

Am 27. Mai bringt Brogden einen Gesetzentwurf ein ..for 
the further encouragement and i)rotection of Friendly Societies"" 
und am 2H. Mai einen andern „For the establishment of Paro- 
chial Societies''. Am 30. Mai werden beide Entwürfe zum 
2. Male gelesen und einem Komite des ganzen Hauses Ober- 
.wiesen. Dasselbe sitzt am 3. Juni. Die Gesetzentwürfe scheinen 
ihm so schwerwiegender Natur, dass man sie auf Antrag der 
Kinbrinizer für dir laufende Session abziilclmen beschliesst, um 
in der Zeit zwischen dieser und der nächsten Session in nähere 
Fohlung mit den Wählern zu treten. Denigemäss wird be- 
schlossen, dass der Report vierzehn Tage später wieder in 
Betracht gezogen werden solle 

Wir haben bis jetzt des Ausschussberichtes des 
Oberhauses*) nicht gedacht, um den Zusammenhang nicht 

1) Journal of the flouso ol" fornmona. 1818. Seite 389. 

*) Nach dem parlatueDt&riäclieii Report dea „Morniog Herald'' vom 
4. Juni 1818. nC^hey) were ordered to be tek«D into fiutlMr eoDsideration 
this day forfnighf, 5lr ( onrtenay huving stated that the Promoters of tbese 
biÜB put tliem oti tiU next seäsion in Order that they inight be circulated 
throDgb the country , with the vtew of obtainiiig eftrj informatioii which 
aii^t teiid to promote tlie objects tbey bad in view.'' 

*) Report of the Lords ('onimittees oii the Poor Laws. Dated 
10 July lÖlT. Ordered by the House of Commoos to be Prioted I. June 

im. 



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90 



zu zerreissen, der zwischen dem Berichte des Unterhauskomites 
und den beiden Bills Couitenay's besteht. Kr ist auch für 
uns von gar keiner Bedeutung und steht an Werth bei weitem 
hinter dem Report des Ausschusses des Unterhauses zurOek. 
Nur die Enquete, welche die Lords veranstalteten, giebt manches 
werthvolle Material. Die Resultate derselben wollen wir zu- 
sammen mit den Resultaten der vom TTnterhausausschusse vor- 
genommenen Zeugenvernehmung zusammenstellen, ehe wir in 
der Erzählung der Geschicke der Gesetzentwürfe Coiutenay's 
fortfahren. Die Aussagen vor dem Ausschusse des Oberiiaubes 
wollen wir dadurch von den andern unterscheiden, dass wir 
der Angabe der Seitenzahl die Buchstaben L. G. hinzufingen. 

Im Ganzen und Grossen stimmen alle Zeugen darin über* 
ein, dass die Friendly Societies höchst unsicher sind und leicht 
zusammenbrechen. Die Gründe, welche die vorgeladenen Zeugen 
angeben, sind verschieden. Der Vikar von Harrow M, The Rev. 
J. W. Gunnin^^ham tadelt, dass der Wirth, welcher gewöhnlich 
der Schatzmeister des Vereines sei, das Vermögen allzuleicht 
fbr sich oder seine Freunde vorwenden kOnne. Unter 7 — 8 
Klubs, welche in seiner Nftbe ihren Sitz hätten, wftren ver- 
schiedene fast bankerott und zwei hätten in den letzten 
5 Jahren fallirt. Cunningham schlftgt desshalb dem Parlamente 
vor, es solle nur solchen Klubs zu existiren erlauben, die ent- 
weder nicht im Wirthshause tagten oder Nichts für Getränke 
ausgäben. Das Geld dürfte, fügte er hinzu, nur sicher augelegt 
werden. John Tunier*) berichtet, dass auch in Birmingham 
eine grosse Menge Klubs zusammengebrochen seien, dass Kranken- 
geld und Alterspensionen hätten verkürzt werden müssen und 
dass die Hilfskassen bei den dermaligen Löhnen 
überhaupt nich tauf recht er halten wer den könnten. 

Das Zeugniss wird ergänzt durch die Aussage von P. M. 
James, welcher mittheilt, dass die reichen Leute Birminghams 
für die Armen Eiiizahlunaen in die Kassen gemacht hätten, 
um denselben eine kleine Summe im Alter zu sichern^). 
Von weit grösserem Interesse sind einige Antworten von 
W. D. Eyans^), stipendiary magistrate in Manchester. Der 
selbe wird vom Vorsitzenden gefragt: Glauben Sie Ober- 
haupt, dass ein auf Freiwilligkeit gegründetes Unterstützungs- 
wesen einen durchgreifenden wohlthätigen Einfluss auf eine 
Bevölkerung, wie Sie sie beschrieben, haben kann? 

Worauf Evans erwidert: Ganz entschieden nicht^). 



») S. 133. 

^ 8. 104 

•) 8. m. L. C. 

*) 8. 164. L. C. 

Have you any belief that any voluntary made of seif •Support can 
be extenaively benencial thioosboat sadi a populatioii ai yon aavo de- 
Bcribed ? 

1 think, eertaialy not 



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V. 1. 



91 



Ueber den Chaiakier vieler Vereine h(>ren wir auch jetzt 
noch viel Unvortheilhaftes. Der oben jrenunnte Vikar von 
HaiTOW tadelt, dass die Mitglieder nicht immer mit dem wohl- 
thätigen Sinne gegen einander verführen, welchen man von 
ihnen erwarten soUte. Es sei ihm durch seine Einwirkung 
gelungen, einen ^ssen Theil von Ungerechtip:keit der Mit- 
glieder f?ejren Miturlieder zu verhüten. Die höheren Stünde, 
meint er, mUssten sicli an der Verwaltung und Leitung der 
Friendly Societies betheiligen. 

Dieses ungünstipre Urtheil wird von Evans, der in seiner 
Eigenschaft als Friedensrichter wahrscheinlich mehr die 
scMechten, als die guten Seiten der Vereine kennen gelernt 
hat, noch bestätigt Er sagt ausdrOcktich, von ihren wohl- 
tUUigen Wirkungen sähe man leider weniger, als von ihren 
nachtbeiligen. Es seien viele Streitfälle vor ihn gekommen. 
Die Gesellschaften suchten sich alter und kranker Mitglieder 
auf schmähliche Weise zu entledigen 

Am schärfsten wendet sich The Rev. Thomas Lloyd gegen 
die Hilfskaßsen. Die wohlthätigen GeselLschaften seien durch- 
aus nicht wohlthätig^ sie seien das Allersehlechteste, was sein 
kOnne, behauptet er*). Neben das Zengniss Lloyd's wollen wir 
die Urtheile John Adand's ') und John Garter's *) aus Coventry 
stellen, die beide von dem Nutzen, welchen Fricnrily Societies 
gewähren, überzeugt sind. Ebenso günstig ist die Aussage 
George Moncrief s, eines Kaufmanns aus Edinburgh, der ihnen 
das Zeufxniss ausstellt, dass durch ihre Thätigkeit die Armen- 
lasten wesentlich vermindert würden^). John Carter hat 
memals bemerkt, dass mit dem Vermögen der Hilftkassen 
Strikes durchgefochten worden wären. Desto eothnsiastischer 
druckt sich Thomas Lloyd®) über Sparbanken aus. 

Sie würden sich als die Erlösung (salvation) des Landes 
erweisen, wenn sie all^^emein einsefülirt würden. Personen, 
welche früher den Friendly Societies angehört hätten, seien 
zurückgetreten, um Mitglieder der Sparbanken zu werden. In 
einem Falle wären 4üu £ an das Licht gebracht worden, welche 
in Kissen und Federbetten genl&ht waien. 

Lloyd*s Aensserungen stälen das Dnrchschnittsnrtheil vieler 
gebildeter Menschenfreunde der damaligen Zeit dar. Zu einer 
klaren Würdigung der Vortheile beider Institute ist man noch 
nicht ^'ekonimen. Beide scheinen ihnen demselben Zwecke zu 
dienen. Es handelt sich für sie nur um eine Auswahl und 
Verwerfung eines der beiden. Wie so viele Andere blendet 

M 8. 16.3 a. a. 0. L. C. 

*) The lienefit clnbs are by no means beneficial things. 1 Uunk, they 
are the worst tbiogs that cau possibly be. S. 150. L. C. 
S. 110. L. C. 
*) 8. 187. L. & 
») S. 133. 

•) 8. 149. m L. C. 



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92 



V. 1. 



auch ihn die einmalige Bergun^i von 460 J^^ vielleicht harter 
£i*spai'nisse mehrerer Generationen, und er bedenkt nicht, 
dass diese ErscbeinUng, der Natur der Sache nach, eine vor- 
übergehende sein muss, und dass nun das harte Ringen um 
Pence und Schillinge xvieder beginnen wird. 

* Man mus? dem trefflichen Manne sein rasches Urtlieil, 
seine sanguinischen Hoffnungen verzeihen. \Viir er doch der 
Gründer der Sunday Bank in Hertford, welelie später zu so 
trauriger Berühmtheit gelangen sollte. Zudem werden seine 
Behauptungen durch die Aussagen von P. M. Jamee ^) auf ihr 
richtiges Maass zarttckgefflbit, der in nüchterner Weise kon- 
Btatirt, dass eine Sparbank in Birmingham wegen der schlech- 
ten Zeiten hätte geschlossen werden müssen. Cunningbam er- 
klUrt, dass sie auf dem Lande nur geringen Nutzen haben 
könnten. 

Zum Schlüsse wollen wir aulnierksani machen auf eine 
Betrachtung des mehrfach genannten Vikars von Ilarrow, Cun- 
ningbam^), Uber den Unterschied von Friendly Society und 
Sparkasse. Dieselbe bewegt sich auf psycbologisch-pädagogi- 
schem Gebiete. Die Friendly Society, sagt Cunningbam, wen- 
det sich an die sympathischen Instincte, denn hier tritt der 
Starke für den Schwachen ein. In der Sparbank wird ein be- 
stimmt Selbständiges Prinzip gehegt und gepflegt^). 

Diese Betrachtung ist für die Geschichte der englischen 
Hilfskassen von um so grösserer Wichtigkeit, als einer der 
tre£flichsten und edelsten Männer des modeiiien Englands, 
The Hon. Samuel Best, Pforrer von Abbot's Ann, von einer 
fthnlichen Betrachtung ausgehend, aber das Berechtigte eines 
selbstsüchtigen Strebens neben entwickelten sympathischen 
Trieben einsehend, eine Form moderner Selbsthilfe erfand, die 
sogenannte ,. Deposit Friendly Society", in welcher Sparbank 
und Hilfskasse eine ökonomische Ehe eingegangen sind. 

Die Lage der Hilfskassen in Schottland war ähnlich wie 
in England. Ein Keport of the Select Committee on the Poor 
Laws*) berichtet von grossen pekuniären Verlusten, welche 
schlechte Verwaltung und Betrug der Beamten veranlasst 
h&tten. Vide Gesellschaften hatten sich aufgelöst, weil die 



S. 133. 134. 
«» S. 180. 

^) Dass das Dictum ,üuo cum faciunt idem, non est idem' wieder ein- 
mal, und zwai- in humoristischer Weise, bewahrheitet würde, dafür sorgte 
,riie Times', welche sich zum Vertheidiger der Hilfskassen aufwarf und 
die SparbankcQ heftig befehdete. Die SparbanlMD, schrieb sie, machten die 
arbeitenden Klassen zu Gcizhi\l?en. ein grosser Theil der Noth rühre da- 
her. „Die Sparsamkeit erniedrige das Gemüth", bdiauptete sie« »and das 
Arbeitshftos verlOre teloe Sdireeken." Ein andermal erklArle oat Welt- 
blatt, dass der grössto I'ienst. den man einem ^Ienpcllen mit GOO £ auf 
der Sparkasse erweisen kouute, daiin bestäudei ihn darum zu besdiwindelxu 
Lewiaa, a. a. 0. S. 84 fb. und S. 105. 

«) Poor in Scotland. Y. 1818. 8. 87. 



V. 1. 



93 



Prämien un«renOgend wären. — Ausserhalb Edinburgh und 
Glasgow ^'iibe es 327 Gesellschaften mit 72 153 Mitgliedern. 

Die Ansichten der damaligen Zeit fasst ein Aufsatz in der 
Qaarterly Review^), welche überhaupt manchmal in sozialen 
Dingen nicht hoch genug über den Meinungen ihrer Zeit stellt« 
dabin zusammen, dass die Friendly Societies einigen Werth als 
^Krankenkassen' hätten, aber keine andere Art Versicherang 
mit Erfolg übernehmen könnten. Der Veifasser tadelt vor 
Allem die Völlerei und Eiederlicljkeit , welche sie beförderten. 
Mit Besorgniss sieht er, wie der weite und bequeme Mantel 
der iiilfskasse jede Art von unlauteren Zwecken verbirgt. Sie 
geben dem Arbeiter Mittel an die Hand, gegen die Unter- 
nehmer Krieg SU führen. Und nnn kommt der furchtsame 
Eonservative zum Wort. .,Wir müssen uns vor Allem hüten/ 
fährt er fort „was politische Verbündelnng erleichtert, was die 
Menschen dazu verleitet, kleine Senate aus sicli heraus zu 
bilden. Das wird bald die Bestrafunfj jedes Verbrechens ver- 
hindern, wofür die Bevölkerung es passend finden wird, Straf- 
losigkeit auszusprechen." 

Waren viele Männer aus ökonomischen Gründen zu Geg- 
nern der Hilfekasse und zu Freunden der Sparbank geworden, 
so sehen wir in dem Verfasser einen der früher charakterisir- 
ten M&mier, die politische Gründe zum Feinde der Friendly 
Society gemacht haben. Das Aneinanderschliessen . die Or- 
ganisining des Volkes, welches alle Herrscher und Parteien, die 
sich ihrer Zeitgenossen nicht, sicher fühlten, zu verhindern gesucht 
haben, lässt auch die Quarterly Review sich für die Sparbank 
entscheiden. Denn hier herrscht weiter keine Gemeinschaft 
zwischen den Einlegern. Es ist darum auch nicht zu ver- 
wundem, dass der Veileisser des Aufeatzes sich g^gen Oun- 
ningham wendet, ohne ihn jedoch zu nennen, weil derselbe 
vor dem Ansscbnsse des Oberhauses i'uisserte. flie Sparbanken 
beförderten im Gej^ensatz zu den Hilfskassen die Selbstsucht. 
„Ein solcher Grad von Selbstsucht", sagt der Verfasser, ..macht 
die pei-sönliche Respektabilität aus." Wenn man diese Artikel 
der Tory Kevue aus dem Jahre 1818 liest, erkennt man wieder 
den durchdiingenden Scharfblick des «Demagogen* Cobbett, der 
in seiner „New Years Gift to old George Rose'* sagte, die 
Sparbank wftre eine Institution , um die Pfennige der Armen 
zusammen- und deren Eigenthümer auseinander zu halten (to 
get the pennies of the poor together, but to keep their owners 
asuoder). 

"Noch im Jahre 1816 glaubte die Quarterly Review in 
einem Artikel „the l'oor ", dass sie nicht zu viel behaupte, wenn 
sie Ton der HUfekasse sage, „dass eine wohlthätigere Institution 
niemals, seit der Grundstein der civOisirten Gesellschaft gelegt 



0 Quarterly Beview. Vol. XVUI. 1818. S. 277, 278. 



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U V. 1. 

wurde, «zef^rüiidet worden sei, und dass man seine Hoffnun^^en 
nicht zu hoch spanne, wenn man erwarte, dasj< sie sich als 
eine Tilgungskasse (Tilgungsfonds der Staatsschuld!!) füi die 
Armensteuer erweisen warden, als eine ättlielie Impfung gegen 
die sich immer mehr ausbreiteiide Ansteckung des Pauperismus 
und des Palendes ^)'\ 

Bei denjenigen Männern, welche die Hilfskasse zwar 
für reformbedüi-flig hielten, aber den eigenthümlichen Nutzen 
derselben nicht niisskannten . sich auch nicht durch die 
raschen Erfolge der Sparbank blenden Hessen, tritt nun ein 
Element in den Vordergrund der Diskussion, welches von den 
Theoretikern zwar immer betont worden war, doch aus Mangel 
an wissenschaftlich beobachteten Thatsachen doch zu keinem 
rechten Leben hatte kommen können: wir meinen die Basl- 
Tung der Hilfskasse auf richtig bemessenen Prämien. 

Der Zweck dieser Schrift verbietet zwar ein näheres Ein- 
gehen auf die theoretische Fundamentirunfj des Versicherungs- 
wesens damaliger Zeit, aber wir müssen <lie Fäden aufzeigen, 
welche das Arbeiterversicherungsweseu mit dem allgemeinen 
Versicherungswesen verbinden. 

Bekanntlich waren es Graunt und Halles^, welche, der 
erstere auf Grund Londoner Sterbelisten, der letztere mit 
Benutzung der von Kaspar Neumann gesammelten Breslauer 
Sterbelisten das Gesetz der Sterblichkeit zu ergründen suchten 
(1G93). V^Miiiittelst einer geistvollen Hypothese über die Zahlen- 
verhältnisse einer stationären Bevölkerung stellte Halley, 
ohne die Bevölkerungszahlen zu kennen, eine Mortalitätstafel, 
besser Ueberlebenstafel auf, deren mit 1000 Geburten begin- 
nende Foim von allen Späteren angenommen worden ist Die 
Mortalitätsstatistik wurde durch D^parcieux (1746) einen be- 
deutenden Schritt weiter gefiihrt, indem er, wie vor ihm Kersse* 
boom (1738) in Holland, die Zahlen der Lebenden zu ermit- 
teln suchte, ans denen die Zahh^i der Todten liervorj^'ocranL^en 
waren. Er aiheitete zu dio>eiii Zwecke die Listen fran/ö^isciier 
Tontinen durch (Kerssebooni hatte die Listen von hulländischen 
und westfriesischen Rentenempfängern zu Gi*unde gelegt), und 
erhöhte den Werth seiner Arbeit durch Benutzung von Sterbe- 
registern aus Mönchs- und Nonnenklöstem. Döparcieux' Mor- 
talitfttstafeln, welche nel)en Halley's und Kersseboom's Tafeln 
einen grossen Fortschritt lie/eirhneten, wurden auch nicht durch 
Wargentin's Arbeiten in Schatten gestellt. Waruentin hatte 
ein vorziiirliches Material. Kr fusste auf Aufzeichnungen über 
Bevölkerungsbewe^Min^ und auf Volkszählungen, aber seine 
Methode war schlecht. 

Einer der englischen Theoretiker auf diesem Gebiete, 
Dodson, welcher mit den einschläglichen Arbeiten Halley's, 
Simpson's, Demoivre's und D^parcieux's wohl bekannt war, 

>) XV. 219. 



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V. 1. 



95 



gab den ersten Anstoss zur praktischen Benutzung dieser Ar- 
beiten. Als er wegen vorgerückten Alters in die 1706 ge- 
gründete Amicable Society, welche von 12 — 45 Jahren von allen 
venieherteD dieselbe Prftmie erhob, nicht angenommen wurde» 
berechnete er nach der Halley'schen Mortalit&tstafel die erste 
priLmientabelle mit steigender Skala. Darauf suchte er eine 
Lebensvei-sicherungsgesellschaft ,,on more equi table terms" zu 
begründen. So trat „The Equitable Society" im Jahre 1762 
auif dem Prinzip graduirter Skalen in's Lehen. Aus diesem 
Grunde gab diese Geseliscliaft in der Folge den kräftigsten 
AnsLosij zur rationellen Ausbildung des Lebensversicherungs- 
wesens. Die Gesellschaft berechnete später ihre Prftmien niu^h 
der Northamptoner Tafel, wodurch dieselben erniedrigt wurden 
Die ersten theoretischen Arbeiten von Bedeutung gingen von 
Männern ans, welche in Verliindung mit dem Equitable 
standen. Eine Tafel wurde von (ii iftith Davies im Jahre 1825, 
welche sich auf Vorarbeiten von William Morgan stützte, eine 
zweite von Arthur Morgan im Jahre 1834 berechnet. Beide 
waren Beamte der „Equitable Society", 

Erst im Jahre 1807 folgte „The Amicable Society dem 
Beispiele, welches ihr die jnngere Schwester vor beinahe einem 
halben Jahrhundert gegeben hatte. Wenn ein für die mitt- 
leren und gebildeten Klassen der Gesellschaft gegründetes Unter- 
nehmen so spät zur Einsicht in die Bedingungen des Lebens- 
vereicherungswesens kam, dann wird man sieb nicht wundern, 
dass die Klubs der ungebildeten, arbeitenden Klassen vorläutig 
ihren Jahrlunuleite alten Gang weiter gingen. Der Doktor 
der Theologie, Price, hatte, wie in der Einleitung ausgeführt 
wurde, im Jahre 1789 das Element der gradnirten Pi*amien- 
skala in das Arbeiterversicherungswesen übei-zuführen gesucht. 
So wurde er neben Gilbert und Eden der geistige Mitbegründer 
der eingeschriebenen Ililfskasse. Price erzählt in seinem 1771 
zuerst erschienenen Werke „Observations on Reversionary 
Taynients'', wie er auf die malhonintisclie Grundlage des Ver 
siciierungswesens durch die Gründer und Beamten von Renten- 
kassen für die Wittwen von Männern der liberalen Berufe, 
welche ihn um Rath fragten, aufmerksam geworden wftre. Das 
Gebiet der Ueberlebens Versicherung und Lebens- 
versicherung beschäftigte ihn also zunächst. Er machte 
sich mit allen einschläglichen Arbeiten bekannt , mit Halley. 
Kersst'lMtom, Döparcieux, Süssmilch u. A. Er ist zuerst durch- 
aus nicht original. Er steht noch auf dem Boden der beiden 
Hypothesen von De Moivre. Die eine derselben uaiiui an, dass 
die Lebenswahrsebeinlichkeit mit der Zuniüime des Alters in 
arithmetischer Progression, die zweite, dass sie in geometrischer 
Progression abnehme. Da die erstere durch die Halley'sche 

1) Siehe Knrup, Uaudljucb «1^ Lebensverbicherufigswesena. 166d. 

I. Theil, beite 17. 



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V. 1. 



Tafel bestiitigt wurde, berechueLö er auf ürund derselben 
PiftmientafelD. Die zweite .Terwaif er. Aber «teh die erstore 
]egte er beiadte, nachdem er auf Qrund von Nortbamptoner 

Geburts- und Sterbelisten im Jahre 1781 eine Ueherlebens- 
tafel konstruirt hatte, die bekannte Nortbamptoner Tafel. In 
den Pfarreien All Saints', St. Sepulthre's, St. Giles' und St. 
Peters' zu Northampton waren seit dem Jahre 1741 die Zahlen 
der Geborenen und Gestorbenen aufji:ezeichnet worden. In 
der All Saints - Pfarrei existirte seit 1735 die Angabe des Al- 
ters der Gestorbenen. Ausserdem hatte im Jahre 1746 eine 
Einwohner- und GebAadezAhlung zu Northampton stattgefon- 
den^). Daneben standen ihm zu Gebote Sterbelisten aus 
Norwich fftr die 30 Jahre 1740—1769, dazu eine Einwohner- 
zählung von Shrewsbury aus dem Jahre 1750, welche zugleich 
die Zahl der Einwohner für jede Altersklasse vom 21. Jahre 
an angab, ein Todtenregister aus Chester und die Ergebnisse 
einer Volks- und riebäudez.lhhing in Warrington. Er studirte 
die Arbeiten von Wargentiu, dessen treffliches Material er wolil 
ZU schätzen wusste. Auf Grund der verschiedenen Ueber- 
lebenstafeln berechnete er eine grosse Menge von Prftmientafeln, 
welche im 2. Band seines Werkes enthalten sind. Seine eigene, 
die Nortbamptoner Tafel erhielt lange ein unbestrittenes 
Ansehen. Sie unterscheidet schon die Sterblichkeit im ersten 
Lebensjahre nach kleineren Perioden von drei Monaten. 

Aber mit diesen theoretischen Arbeiten war Price durch- 
aus noch nicht voi-bereitet. einem Arbeiterversicherungswesen 
die nothwendige, theoretische Fundamentirung zu geben. Wohl 
konnte er Maseres unterstützen, der Nichts weiter als die 
Aasgabe von Altersrenten an arme Leute durch die Kirch- 
spiele plante und die Däparcieux'sche Moi-talitätstafel zu Grunde 
legte. Aber welche Daten besass Pnce über die Krankheits- 
dauer und die Invalidität der arbeitenden Klassen? 

Die Klubs der damaligen Zeit kannten nur eine einzige 
Prämie, aus welcher alle fallige Verbindlichkeiten gedeckt 
werden mussten. Wo eine Scheidung existirte, bestand sie in 
der Gegenüberstellung von Kranken- und Ueberlebensver- 
sicherung. Die Ueberlebensversicherung bezweckte die ein- 
malige Auszahlung einer Geldsumme zur Bestreitung der noth- 
wendigen Ausgaben beim Tode des Mannes oder der Frau. 
Die Krankenversicherung umfasste also in allen Fällen die 
eigentliche Krankenversicherung, die Unfallversicherung, die 
Invaliditätsversicherung und die Altersversicherung, wo dieselbe 
bestand. 

Price wandte diesem Gebiete seine Aufmerksamkeit zu. 
Unter dem Eindrucke, dass eine Hypothese, wie z. ß. die De 
Moivresche, zu guten Resultaten fahren kOnne, griff er selbst 



M ObBer?ations on RerersionAry Payments. 4U> edition 1788. I, 355. 



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97 



zur Hypothese und entwarf das Schema einer Friendly Sotiety 
„die wahrscheinlich gedeihen würde". 

Er geht von der Voraussetzung: aus, dass 100 Personen 
zwischen 30 und 40 Jahren eine Gesellschaft begründen, so 
dass das mittlere Alter derselben oO Jahre ist. Die Zahl der 
Mitglieder sull immer auf 100 gehalten werden dadnindi, dass 
die Sterbenden dnreh eine gleiche Anzahl von Neu-Eintreten- 
den zwist lien 30 und 40 Jahren ersetzt werden. Spukt nicht 
der Begriff der stationären Bevölkerung in dieses Schema hinein? 
Weiter wird vorausgesetzt, dass jedes Jahr 7 Leute 7 Wochen 
krank werden. Auf diese Voraussctzun,i;en hin und die wei- 
tere, dass das Vermögen der Ililfska^se zu 3^/^ ^'o ausgeliehen 
werde, setzt Price den wöchentlichen Ueitrag auf 4 d., das 
Krankengeld auf 12s. und die Altersrente, welche beim Ein- 
tritt in das 68. Jahr beginnt, auf 5 £ jährlich fest mit der 
weiteren Besüromnng, dass dieselbe Jedes Jahr um 1 ü^* zu- 
nehmen soll, bis sie beim Eintritt des 75. Jahres 12 £ er- 
reicht hat. 

Seine Hypothese erhielt eine grössere Verbreitung, als John 
Acland sein Projekt einer allgemeinen Zwangskasse verötfent- 
lichte. An der in der Broschüre enthaltenen Tafel war Price mit- 
betheiligt. Im Jahre 1780 wurde Price, wie in der Einleitung 
bemerkt wurde, von dem Parlamente aufgefordert, eine Prämien- 
tafel zu entwerfen. Price l^gte dem Parlamente 8 Tafeln vor. 
Die eine enthielt die Prftmientafeln, welche der Krankenver- 
sicherung zu Grunde gelegt werden sollten. Bei Berechnung 
derselben ging er von der Hypothese aus, dass in Vereinen, 
•leren Mitglieder weniger als 32 Jahre alt sind, ^48 immer 
wegen Unfall oder Krankheit arbeitsunfähig ist, von 32—42 
nimmt das Verhftltniss um ein Viertel zu, von 43—51 um die 
Hälfte, von 52—58 um drei Viertel und von 58—64 um das 
Doppelte. Die zweite Tafel enthielt die Pr&mientafeln, welche 
der Altersversicherung, die mit vollendetem 64. Jahre begann, 
zur Basis dienen sollte. Die dritte war eine Vereinigung 
der beiden ersten. Er tbeilte nach der Höhe des Krankeo- 
treldes und der Altersrente und den entsprechend steigenden 
Beiträgen die Mitglieder in 11 Klassen ein. Der niedrigste 
Krankengeldbetraj: betrug für Bettlägrige 4, für Umher- 
gehende 2, der liöchste £ 1. 4 s. bezüglich 12 s, Die nied- 
rigste wöchentliche Altersrente war nach 65 2 s., nach 
70 4 s., die höchste 12 s. bezüglich ^ 1. 4 s. Die Alters« 
rententafel berechnete er auf Grund der Northampton-Tafd 

Die Wichtigkeit dieser Tabellen liegt weniger in ihrem 
Inhalte, als darin, dass ein Theoretiker es unternahm, eine Son« 



') Siehe die Tabellen in den sp&teren (•'i. <>.) .\uflagen der 0. o. 
Heversionary Payments, auch in dem Report nt thn ""» l' rt ('ommittee 1817 
(die dritte). S. 101. 102. Ein .\u8zag im lolgenden Kapitel. 

Forfcbongen (20j V. 1. — Hwbarh. 7 




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98 



V. 1. 



derung der verscliiedenen Arbeiterveisicherun^rszweiire vorzu- 
nehmen. Wurde diese Eimichtunp: allgemein in Hiltskaissen 
durchgeführt, dann musste sich am Stande der verschiedenen 
Kassen leicht tiberblicken lassen, welchem Vei-sicherungszweige 
falsche Annahmen zu Grunde lagen. 

William Morgan, der Neffe Price's, der Actuar des 
Equitable, welcher auch die spftteren 3 Auflagen der Schrift 
seines Oheims besorgte und auf dem Gebiete des Arbeiter- 

Tersicherungswesens neben seinem Verwandten einen weit- 
gehenden Eintiuss gehabt hat, erkannte die Wiolitii:keit 
der von Prire gemachten Unterscheidung. Als er für die 
Liverpool Friendly Society eine Tabelle aufzustellen hatte, 
theilte er die Mitglieder in 3 Klassen ein : in solche, die Unter- 
stützung nur in einer Krankheit empfingen, in solche, die nur 
eine Altersrente erhielten und in solche, die sowohl Kranken- 
geld als eine Altersrente zu erhalten wOnschten. Von dem 
mehrfoeh erwähnten Ansschuss des Unterhauses im Jahre 1819 
wurde auch Morgan vernommen. Seine Aussagen sind unbe- 
deutend. Er zeigt sich als unwandelbaren Anhilngor der 
Pnce'schen Tafeln und behauptet, dass nur so] die Gesellschaf- 
ten zusammenbrechen, die mit einer fehlerhatten Prämientafel 
beginnend. Auf seine Aussage liin scheint der Ausschuss 
noch einmal die Tafeln Price's empfolileu zu haben -). 

Zum ersten Male tindet sich eine Kritik der Konstruk- 
tionen Price's in John Barton's Bi*oschüre „Qu the Conditiou 
cf the Laboniing Classes'* >). Es sei eine traurige Thatsache, 
dass eine Hilfekasse selten Alter als 50 Jahre werde. Er habe 
sich nach genauer Prüfung der Jahresabschlüsse verschiedener 
Gesellschaften davon überaeugt, dass der Bankerott nicht her- 
rühre von Misswirthschaft oder Betrug, sondern von einem 
Fehler in dem ureprüuglichen Zahlungsplane. ^Selbst" Dr. Price 
habe das Verhältniss der kranken Mitglieder zu den gesunden 
nicht richtig erfasst. Während er annahm, dass je einer unter 
48 krank werde, sei das thatsuchliche Verhältniss in einer 
Gesellschaft im Weichbilde London^s in drei Provinzial- 
stttdten V35 und in einem Doifs Vm* 

Die verschiedenen Gesellschaften schwankten sehr in dieser 
Beziehung. Barton hftlt es ebenfalls ftlr unrichtig, dass 
Price eine Altei-srente mit einem bestimmten Alter be^nnen 
liesse. Es gäbe Mitglieder, die im Alter von 75 Jahren noch 
rüstig und Andere, die schon mit 25 Jahren arbeitsunfähig 
seien. 



») S. 138. 

Siehe S. 12 und Appendix F. 

Siehe diesen Auszug in Appendix A. 8. Seite 123 zum Report Irom 
the Select Gommittee on the Laws respectiug Frieudly Societies. 1825. 



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V. 1. 



99 



So ungenOgend war das Material, auf welches hin die 
Kefoimatoren des HilMassenwesenB eine abgestufte Pr&mien- 
skala verlangten. 

Wei fen wir nun einen kurzen Rückblick auf die Meinungen 
der Freunde (ies Hilfskassenwesens in Betretf der weiteren 
(Te>taltung derselben. Bei allen ist die Ueberzeugung vor- 
handen, dass eine höhere Intelligenz, als diejenige armer Ar- 
beiter, in die Verwaltung eingreifen muss. Der Stabil oder die 
CKnneinde sollen entweder konkurrirende Anstalten gründen, 
oder die SelbstTerwaltung der eingescbriebeoen HiUskaasen 
bedeutend beschränken. Den letzteren soll die Wahl einer 
Präniienskala nicht mehr freistehen. Sie mOssen erleichterte 
Beziehungen zu einer grossen Bank haben. 

Courtenay s Gesetzentwürfe, welche er dem Parlamente 
im Jahre ISVJ vorlegte, stellen sich als die Zusammenfassung 
dieser Forderung dar. 

Das Projekt der Kirchspielhilfskasse hat in den Grundzüjren 
und auch in manchen Finzelausführungen mit dem Plane des 
Baron Maseras Aehnlichkeit. Nur ist es weitei und praktischer. 
Oourtenay*s Kasse soll nicht nur Altersrenten titel ausgeben, 
sondern alle Ziele einer Friendly Sode^ verfolgen. Nieht ein- 
malige Eunahlnng einer hohen Prämie, welche den Arbeiter 
snrQekscheucht, sondei-n periodische kleine Beiträge werden 
vorgeschlagen. Auch das ist ein abweichender Zug, dass die 
churchwardens und oversee!*s von allem Einflüsse auf die 
Parochial Benefit Society ausgeschlossen werden. 5—15 Per- 
sonen, deren Majorität ,substantial householdei-s* sein müssen, 
bilden den Verwaltungsrath der Kirchspielhilfskasse, 3 oder 
mehr Personen werden zu Treuhändern ernannt. Sie haben 
unter der 0berau6icht der Friedensrichter Regeln and Tafeln 
tu entwerfen. Der Verwaltungsrath wählt den Schatzmeister 
und lässt ihn Kaution stellen. Der Schatzmeister vertritt die 
Gesellschaft nach aussen, klagt im Namen der Gesellschaft und 
in seinem Namen wird die Gesellschaft verklagt. Eine Nach- 
wirkung der Gilbert Act erblicken wir in der Bestimmung, 
dass mehrere Pfarreien eine United Parochial Benefit Society 
bilden dürfen. Auch darin untei-scheidet sich das Projekt voii 
demjenigen des Richters Maseres, dass die Pfarreien, wenn sie 
Überhaupt eine Kirehspielhilfekasse in*8 Leben rufen, zu einem 
Beitrage TOn 25 % beipflichtet sind. Auch müssen sie Zuschüsse 
leisten, wenn aus dem Vermögen der Kasse die legalen An- 
sprüche nicht bestritten werden können. Daiin stimmen aber 
Maseres und Courtenay Oberein, dass sie es in das Belieben 
der Pfarreien setzen, die Kirrhspielhilfskasse wieder aufzulösen 
• und zwar drei Monate nach einer Erklärung solches Inhaltes. 

Der Gesetzentwurf von 1819 schlug eine Maassregel vor, 



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100 



welche in der Bill von 1818 nicht enthalten ist*). Die Männer, 
welche die Bill im Jahre 1S1<» einhrachten, scheinen sich seit 
ileni Knde der vorherrrehcTiden Session tiberzeugt zu haben, 
dass auch beim besten Willen einer Pfarrei eine Kirchspielhilfs- 
kanae nicht zu Stande kommen würde, wenn nicht ein direkter 
oder indirekter Zwang auf die Klassen, welchen sie eine Wohl- 
that erweisen wollten, ausgeübt werde. Dessbalb bestimmt die 
Bill YOD 1819, dasB wenn Jemand ans einer Pfarrei ist, in 
welcher eine Paroehial Benefit Society besteht, und eine Unter- 
stützung verlangt, welche die Kasse ihren Mit^?liedern prowährt, 
er erstens Nichts erhalten soll und zweitens als eine faule, aus- 
schweifende (extravagant) und leichtsinnige (profligate) arme 
Person betrachtet werden soll im Rahmen eines Gesetzes, be- 
titelt: An Act ktr mending the Laws for the Relief ofthe Poor. 
Der Bill sind zwei Tafeln angefügt. Die erste stellt ein fünf- 
klassiges Sehema von Unterstützungen fest, die zweite normirt 
die wöchentlichen Beitrage in den fftnf Klassen in der Manier 
des Dr. Price. Wir lassen die erste folgen: 



I. 





dase L 


GlMS IL 


GUm UL 


Clan VI. 




Benefitt 




































8. 






8. 


d. 


£ 


8. 


d. 




8. 




£ 


8. 


d. 


Bed-lyiog Pay . 




4 






6 






s 







10 






12 




Walking Pay. . 




2 






3 






4 






5 






6 




After 65 . . . 




2 






3 






4 






5 






6 




After 70 . . . 




4 






6 






8 






10 






12 




On Death . . . 


2 






2 






2 






2 






2 







II. Payments per Week. 



Age 


Claas I. 


Class II. 


Class UI. 


Class IV. 


Claas V. 


1 ' — - — — — ~ 
21 

etc. 

50 













'! Vergleiche Dills: l'ublic Sessions II. isis, Text „aa amended by 
the Coaunittee" and Bills: Public Scs&ioos II. 1819. 



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« 



V. 1. 101 

Der zweite Gesetzentwurf suchte die Uebel der ein- 
geschriebeneu Hilfskasse so gründlich, wie es bei den enp:lischen 
Anschauungen über den Staat möglich ist, zu helien. In London 
soll eine Beliörde gebildet werden, aus 5 oder mehr Personen 
bestehend, welche „skilled in arithmetical calculation" siiul. 
Diesen Mfinneni mttsm die Statuten jedes Vereines vorgelegt 
werden, bevor er von den Friedensrichtern bei den Viertel- 
jahrssitzungen bestätigt werden kann. Gourtenay und Genossen 
scheinen kein rechtes Vertrauen zu den Daten jrehabt zu haben, 
auf deren Giundlage die Höhe der Beitrüge und Unterstutzungen 
abgemessen werden sollte. Denn der Gesetzentwurf bestimmt, 
dass die Behörde von den eingeschriebenen Hilfskassen Berichte 
über die Zahl der Erkrankungen und Sterbefälle einfordern 
dürfe, um aus diesen Berichten ein tüchtiges Material zusammen 
zu tragen. — Der Gedanke an sieh war von grosser Wichtig- 
keit. Kr stellt den vierten Baustein in dem theoretischen 
Gerüst der eingeschiiebenen HiUskasse dar. Er erhob Courtenay 
neben Gilbert. Eden und Price zur Würde eine.s Begründei"S der 
eingeschriebenen Hilfskasse. Im Zusammenhang des Gesetz- 
entwurfes negirte er die Londoner Behörde. Denn wenn sie 
noch auf Material zu warten hatte, dann konnte ihre Thätig- 
keit iu den ersten Jahren nicht sehr erspriesslich sein. 

Um den eingeschriebenen Kassen eine durchaus solide 
Basis zu verleihen, sollen die GrOnder eines Vereines nur solche 
inUiner zu Trenhftndem wählen dürfen (trustees), die mit 
5n ]£ zu der Armensteuer eingeschätzt sind. Aus den Treuhändern 
soll der Schatzmeister gp^v;^]l]t werden. Man hoffte, dass die 
Schwierigkeit, solche Männer zu finden, die Bildung von grossen 
Vereinen verursachen würde. 

Als das Ge.^etz am 25. März 1819 >) berathen wurde, ver- 
breitete sich Courtenay über die Prinzipien, welche dem Gesetz- 
entwarfe Aber die eingeschriebenen Hiliiskassen an Grunde 
Ilgen. Die Hilfekassen seien in letzter Zeit vielfiuh, unter 
andern von Malthus, angegriffen worden. Man hätte gesagt, 
dass Leute, welche wenig hätten, nicht einen gegenseitige 
Hilfe versprechenden Vertrag eingehen solltf^ü Die Gebrechen 
der Kassen hätten ihre Wurzel nicht in der Aniiutb der Deute, 
sondern in dem Mangel an zuverlässigen Prämientafeln, in den 
sanguinischen Hoffnungen der Unwissenheit und in der Nichts- 
würdigkeit mancher Gründer dei*selben. Darum müssten sie 
unter der wachsamen und aufmerksamen Oberauibicbt der Be- 
hren stehen. Vor Allem mOsse Alles, was auf das Rechnungs* 
wesen der Vereine Bezug hätte, von tüchtigen Rechnungs^ 
beamten geprüft werden, und ohne die Zustimmung dieser 
Männer dürife kein Verein registrirt werden. Viele seien da- 
gegen, dass die Friendly Societies ihre Zusammenkünfte in 

^) Housard's Debatei. 



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102 V. 1, 

■Wirthslüiiiseni hielten, aber er sehe nicht ein. <lass es uöthig 
wäre, die ärmeren Klassen von jenen ,convivial nieetings' ab- 
zuhalten. Auch hatte man ihnen zum Vorwurfe gemacht, dass 
sie ^^eheimen GmllscliaftBn zum Deckmantel dienten. Erstens 
könne man geheime Geselischaften nicht verhindern und zweitens 
sei es ungerecht, desshalb den Friendly Sodeties den Schutz 
des Gesetzes zu entziehen. 

Courtenny nnterzo.fr auch das Verhältniss der Hilfskassen 
zu den Sparbanken einer Betrarhtunjr. f^.r erinnerte daran, 
dass sich in weiten Kreisen die Ansicht ^^ebildet liätte, seit 
die Sparbanken in's Leben <,'erufen worden wären, seien die 
Hilfskassen überflüssig geworden. Das sei jedoch falsch. Duncan, 
der Courtenay den » Vater der Sparbanken nennt, habe jüngst 
ausgesprochen, dass die Sparkassen allein ohnmftchtig wären. Die 
beiden Institute müssten neben einander und zusammen wirken 

Was er über die Kirchspielliilfskasse sagt, ist von geringer 
Bedeutung. Unbedeutend sind alle übrigen Reden. 

Die Trennung der Bills missfiel dem Hause. Estcourt zog 
daher die GesetzentwOi-fe zurück und bat um die Erlaubniss, 
eine IV\\\ einbringen zu dürfen, welche die Bestinmiungen beider 
enthielte 

Bei der Lesung des nun zusammengeschweissten Entwuffes 
am 26. April 1819 wurden verschiedene Ausstellungen gemacht 
Lewis tadelte die Zusammenwerfn!i^ und sagte, das Haus müsse 
eine Gelegenheit haben, die beiden Maassregeln getrennt zu 

berathen. 

Sir R. Wilson machte darauf auinierksam, dass die Be- 
stimmung, welche den Armen, der einer in seinem Kirchspiel 
bestehenden Hilfskasse nicht beigetreten sei, unter Umständen 
zu einem „idle and profligate Poor" mache, ihn in den Bereich 
des Yagrant Act bringen warden^. Courtenay jedoch wies 

') Nach dem Report frora the Committee on the Poor-Laws 1819 
sagte Duncan, — obgleich er die Nachtheile der Friendly Sodeties nicht ver- 
k^ut, die darin bestlnden, dus ihre B ri rtwi« anf einem fortwährenden 
Zuflüsse von neuen Mitgliedern beruhe, während neue Gesellschaften diese 
Quellen häufig abgraben — dass eine soziale Selbsthiile der untern Klassen 
sar nicht ohne dieselbe möglich wäre. IMe Sparbanken ktantto nur lang- 
sam dn Vemiftinil ansammeln, wahrend die HiHskassen in jedem Augen- 
blicke dem Annen zu helfen und ancli in schlechten Zeiten fortzuwirken 
in der Lage wiren. bparbanken und Hilfskaasen müssten xusammengehen. 
Er preist besonders den woUthitigen moralisehen Elnflnss der HilMnaseo» 
da sie Leute der untern Klassen zur Ausführung eines gemeinsamen guten 
Werkes vereinigten Siehe Enquete vom 29. März. — Wach dem Keport 
of the Highlaad .Society on F. S. vom Jakre 1824 naiurte er de .insorttiee 
aoiaiist incapacity for labour^. Anstatt Rivalen zu seb, stl&den sie »in 
aftsolute need of mutual support and co-operation". 

2) Er meinte das berOchtigte Gesetz 17. Georg U. c. b (1744X welches 
u. A. bestimmte, dass Jeder, welcher einen Vagabundoi vor den Friedens- 
richter fahre, zu 10 8. Belohnung berechtigt sei und dass jeder .rogue* 
oder ,vagabond- öffentlich gepeitscht und zu Geiängniss mit harter Arbeit 
verurtheilt werden bolle. 



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V. 1. 



103 



darauf hin, dass sie nur Bezielumg auf ein in derselben Session 
erlassenes Gesetz habe, welches die Friedensrichter veranlasse, 
einen Unterschied zwischen einem arbeitsamen nnd einem 
arbeitscheuen Armen zu machen. 

Nicht bloss dieser Punkt der Kirchspielkassenvorla^re er- 
regte Anstoss. Das ganze Projekt bcirppnete dem unverhohlenen 
Uei»el\vollen des Parlamentes und wurde fallen gelassen. Der 
Gesetzentwurf über die eiugeschrie])eiien Hilfskassen fand mehr 
Gnade. Aber auch er erlitt in seinem wesentlichsten Punkte, 
der SchatVun^' einer begutachtenden Behörde, so tiefgi-eifende 
Umgestaltungen, dass die nrsprQn^liche Absicht von Courtenay 
nnd Genossen vollständig verloren ginfr. Man muss ja zugeben, 
dass die von Courtenay vorgeschlagenen Maassregeln verfrüht 
waren. Aber man hätte vorläufig überhaupt auf eine solche 
Behörde vei-zichten und nur der trefflirheu Bestimmung Ge- 
setzeskraft geben sollen, dass alle Hilfskassen regelmnssi<:e 
Berichte über Krankheits- und Todesfälle einzusenden hiltteu. 
Solcherlei Betrachtungen stellte das Parlament aber nicht an. 
Das Gerücht hatte sich wieder verbreitet, besonders im Norden 
Englands, das Parlament wolto das Vermögen der Kassen kon- 
fisziren und da gab man klein bei Was das Parlament als 
scheinbar praktisch an die Stelle der von Courtenay projektirten 
Maassregel setzte, war 80 unreif, dass es unfehlbar missglOeken 
und den Engländern ein dauerndes Misstrauen gQgen eine 
begutachtende Reehenbeliorde cinHcssen musste. 

Der zweite Para^Maj)!! des Gesetzes (59. Georg HI. c. 128), 
web-hes in einer langathmigen Einleitung betont, dass die Ge- 
wohnheit, sich mehr auf fremde Hilfe als auf eigenen Fleiss und 
eigene Vorsieht zu verlassen, zur morafischen Versehlechterang 
des Volkes führe und die Bttrde der Pfiureien erhöhe, dieser 
zweite Paragraph setzt fest, dass die Friedensrichter die Sta- 
tuten keiner Gesellscliaft bestiltigen sollen, wenn nicht zwei 
berufsmässige Kalkulatoren (actuaries) oder andere Personen 
flSkilled in eaiculation" bestätigt haben, dass die vorgesehene 
Prämientafel lieiträ^re und Unterstützungen in ein richtiges 
Verlniltniss stelle. Zur Veränderung der Statuten von Seiten 
der Kichter ist die Zustimmung der Treuhänder erforderlich. 
Ansserdem sollen sich die Friedensrichter, ehe sie eine Hilfe- 
kasse registriren, ttbenEeugen, dass dieselbe wohlthfttig und 
nützlich sei in Anbetracht einer andern Gesellschaft, die sich 
dort schon gebildet haben möge*). 

Der dritte Paragraph giebt den Friedensrichtern „sitting 
for any county or riding*" noch weitere Vollmachten. Sie 



1) Siebe Report from the Select Committee on tbe La«t respectiiig 

iWendly Societies 1«2-. S. 19. 

^/äiebe Uuncan s erwähnte Aussagen über die verderblichen Wir- 
koogai aeiMr flwellicbaften. 



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104 



sollen das Reicht haben, allgemeine Normen für die Bildung 
und Verwaltung von Hilfskasseu zu erlassen, nach welchen 
sich die neuzubildenden VereiDe zu richten haben. Friendly 
Sodettes, deren Verfassung sich mit den idlgemeinen Normen 
deckt, sollen auch Yon den Friedensriefatem bei den pet^ 
sessions bestiitijrt werden dürfen. 

Im vierten Paragraph wird angeordnet, dass jede Fiii'jabe, 
die Bildung einer Friendly Society betreffend, zu enthalten hat 
die Namen, die Wohnung und lieschät'tigung von wenigstens 
drei Personen, deien Mehrheit „substautial huuseholders as- 
sessed to the relief of the poor upon a sum not less than fifty 
pounds** sein muss. Diese Personen sind die trustees (Treu- 
händer) der Gesellschaft. Sie dürfen ohne ihren Willen, ohne 
die Billigung der Friedensrichter nicht von ihrem Platz ent- 
fernt werden. 

VI. Die Beamten sollen zur Stellung von Kaution, welche 
von Stempelt;ebUhren befreit ist, angehalten werden. Die 
trustees wühlen den Schatzmeister. 

VIL Das Eigentum der Vereine steht auf den Namen der 
Treuhänder, in deren Namen die Gesellschaft klagt und ver- 
klagt wird. 

VIII. Die durch Majorität, nach Beobachtung aller 
Formen, beschlossene Auflösung einer Hilfskasse und die 
Teilung des Vermögens ist ungesetzlich ohne die Zustimmung 
aller trustees oder der Majoiität derselben, welche ihre Zu- 
stimmung nur dann geben düi-fen, wenn zwei oder mehrere 
„professional actuaries** diesen Schritt gehOHgt haben. 

IX Der Ort, wo der Verein seine Versammlungen ab- 
halten will, sowie Rechte und Pflichten der Mitglieder müssen 
in den Statuten genau angegeben und definiit sein. 

X. Diese Vereine düifen einen Theil ihres Vermögens 
oder ihr ganzes Vermögen in Sparbanken anlegen. 

IX. Weiter sollen die unter diesem Gesetze eingeschrie- 
benen Hilfskassen ihre Geldkapitalien über 50 £ in der Bank 
von England anlegen dürfen „to the aecount of the Commis- 
sioners for the Reduction of the Natural Debf^ auf die Er- 
klärung der Trustees hin, dass die Gelder der Gesellschaft ge- 
hören. Zuvor müssen sie der Staatsschuldenverwaltung Ab- 
drücke der bestätipten Statuten schicken. 

XII. Sie düi-fen sie auch in anderen Staatspapieren und 
hypothekarisch anlegen. 

XIII. Die Trustees sind nur dann zur Erstattung von 
Kassendefekten verpflichtet, wenn sie sich schriftlich dazu ver- 
pflichtet haben. Sie dürfen die Höhe der Summe bezeichnen, 
bis zu welcher sie sich binden wollen. 

XIV. Sollten die Trustees fürchten, dass aus dem vor- 
handenen Verniögen der Kasse die fillligen Zahluneen nicht 
bestritten werden könnten, dann sollen sie dies den Friedens- 



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105 



rirhtern bei den Vierteljahrs- oder „petty'--Sitzunffen anzeigen, 
und die Richter sollen solclie An()r(lnuii;ien treffen, welche 
ihnen zur Regulirung deri^elben pausend eisclieinen. Jeder 
Partei, welche sich durch die Entscheidung der Friedensrichter 
geschädigt fuhlt, soll es erlaubt sein, an die nächsten Viei teljahrs- 
sitzungen zu appelliren. 

XV. Die Friedensrichter sollen die Gewalt haben, fdr 
solche Wittwen und Waisen gestorbener Mitglieder einzu- 
schreiten, welche durch die Beamten der Kasse geschädigt 
werden. 

XVI. Alle Bestimmungen der Gesetze vom Jahre 1701 
und 1809 sollen, soweit keine neue Bestimniun^zeu in vorlie- 
gendem Gesetze getroffen sind, und sie demselben nicht wider- 
sprechen, auf alle Vereine und Kassen , welche unter diesem 
Gesetze gebildet werden, Anwendung finden. 

Den Charakter der Zeit spiegeln die Definitionen, welche 
das Gesetz von den Hilfskassen giebt. Ks sind Institutionen 
zum Zweck der ,iii;iintenance or assist^aiice of the Cdntributors 
thereto their wives or children, in sickness, infancy. advanced 
age, widowhood or any other natural State or contingency 
whereof the occurrence is susceptible of culcu- 
lation by way of average'. 

Und an einer andern Stelle bezeichnet es die Mitglieder 
als „pei-sons who may be Willing to appn^riate s ui a 1 1 s u m s , 
from time to time. to the formation ota common fund for the 
purposes aforesaid"". 

Wenn wir jetzt unsern Blick noch einmal auf den wich- 
tigsten Punkten des Gesetzes verweilen lassen, dann erkennen 
wir, in wie zahmer, schüchterner Weise das Parlament die 
Gmudafttce der Bills von 1818 und 1819 zu verwirklichen 
sudite. Der Nothwendigkeit einer stärkeren staatlichen Inter- 
Tention kann sich das Parlament nicht verschliessen , aber es 
fürchtet sich rlavor. eine neue Behörde von urtheilsfdhigen, 
berufsmässig mit ihrem Fache vertrauten Milnnern zu schaffen. 
Ks legt die Kntscheidung in die Hände der Friedensrichter, 
deren Majorität vom Versicherungswesen buchst wahrscheinlich 
nicht viel mehr verstand, als die Mitglieder der Friendly 
Sodetiee. Diese Beamten haben allgemäne Nonnen m er- 
lassen und bei der Bestätigung jeder einzelnen Kasse sich 
davon zu ttbeneugen, dass die Tafeln von berufsmässigen 
Kalkulatoren oder, wie das voi-sichtige Parlament hinzufügt, 
von Personen ,ski1]efl in aritbmetical calculation' gebillitit wor- 
den sind. In der Haui)tstadt war es leicht, ein Kollegium von 
tüchtigen Kalkulatoren zu bilden. Aber wie es in jedem 
kleineu Flecken oderDorfclien des Landes möglich sein sollte, 
die Unterschrift von zwei Rechnungsbeamten oder anderer 
Personen ,skilled in arithmetical calculation' su erhalten, ist 
schwer zu verstehen. Das Versicherungswesen befand sich damals 



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106 



V. 1. 



noch in den Anfängen, tttchtige actuaries gab es nar in London, 
und hier auch noch wenige. Die wenigsten hatten eine sti'onge 

Schule (hircligeniacht. Die Geschichte des Wortes «actnary** 
beweist dicb. Wie die Encyclopaedia Britannica in einem Ar- 
tikel über dieses Wort iiiittlieilt und wie aus der allmählichen 
Eiitwickluim des Versirlierungsw(^spns ersichtlich ist, bildete 
sich der Begritf eines Berathers einer Vorsii henin^sLrosellschaft, 
und weiter eines Mannes, welcher „Berechnungen iu Beziehung 
auf die Wahrscheinlichkeit des menschlichen Lebens'' anstellt, 
aUm&hlich heraus. In der Rechtssprache, behauptet das Werk, 
kftme es ei-st in dem Hilfskassengesetze vom Jahre 1819 vor. 

Darin bleibt das Gesetz den Vorlagen mehr treu, dass 
von vornherein die Freiheit der Kassenniitizlieder, ihre Beamten 
zu wählen, sehr beschrankt wird. Schon bei der Einreichung 
der Statuten müssen die wichtigsten Beamten, die Treuhänder 
genannt werden. Es mttssen Männer sein, welche durch 
grössere Wohlhabenheit das Vertrauen gewähren, dass sie ihren 
Pflichten ehrlich nachkommen. Die Schwierigkeit, so quali- 
fizirte l^änner zu finden, hoffte man, würde die Hil&kasse 
zwingen, sich über einen giösseren Bezirk auszudehnen. Diese 
Bestimmungen schienen praktisch und sie entsprechen dem 
bevormundenden Zuge der Zeit. 

Die Auflösung eines Vereins wird dadurch erschwert, diiss 
sie von der Zustimmung der Treuliänder abhängig gemacht 
wird und diese an die Meinungsäusserung der Redinnngs- 
beamten gebunden sind. Um die Wiithshauskassen zu unter- 
drücken, wurde im 9. Paragiaph bestimmt, dass die Vereine 
den Ort, wo sie ihre Versammlungen abhalten wollten, in den 
Statuten angel)en müssten. Auf diese Weise wollte man den 
Friedensrichter.'! eine üandhabe zum Einspruch gegen Wirths- 
hauskassen ^ehen. 

Eine Bestimmung von grosser Wichtigkeit ist die, dass 
die eingeschhehenen Hilfskassen nun unter günstigen Bedin* 
guDgen in direkten geschäftlichen Verkehr mit der Staats- 
schuldenverwaltung treten dürfen, wenn sie Summen über 
50 £ anzulegen haben. Alle Summen unter 50 ^ zahlen sie 
zuei*st in die Sparbankon » in. So hatten die Hilfskassen end- 
lich das finanzielle Rückgrat erlangt, welches schon Eden und 
Cohjuhoun gewünscht hatten. Es ist nicht zu übersehen, dass 
dies Privileg nur die Kassen gewannen, die sich unter diesem 
Gesetze registriren; Hessen. Das Vorrecht wurde nicht auf 
die früheren übertragen. — 

Das war die Frucht einer Geistesarbeit von mehr als 
25 Jahren! Dies die Niedei-schläge der Ideen von Eden, Price, 
Bentham, Courtenay und vieler Anderen! Dies der Erfolg einer 
mühevollen parlamentarischen Thätigkeit im Ausschuss und 
im Plenum, welche sich über mehrere Jahre erstreckte 1 Bietet 
sich irgendwo das Bild des «ridiculus mus' ungesuchter? 



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V. l. 



107 



Damit jedueh das Kapitel in erfreulicherer Weise abge- 
schlossen werde, lassen wir die Zahl der Mitglieder der einge- 
schriebenen Himkas&en Groesbritannlens für das Jahr 1815 
folgen. Dieselbe war 925429^). Ausserdem haben wir der 
Tliatsache zu gedenken, dass sich im Jahre 1818 eine neue 
Hilfskassenforni bildete. Unter dem Eindrucke der ganzen 
Zeit und der Gesetzosvorschlä'jo auf verschiedene Gentlemen 
in Essex, dass nämlich zu einem gesunden Fortschritte die 
Leitung wohlhabender Männer höherer IntHligenz und eine 
grosse Mitgliederzahl nothwendig sei, gründeten sie zu Chelms- 
md die Essex Ptovident Society, die sich vermittelst Zweig- 
vereine bald über die ganze Grafschaft ausdehnte. So bildete 
sich der Charakter aus, welcher von dem NVesen des Graf- 
scbaftsvereines unzertrennlich ist: eine Gesellschaft, die sich 
über einen grossen Distrikt erstreckt und deren Leitung fast 
ausschliesslich in der Hand von Gentlemen liegt, die als Ehren- 
mitglieder zu dei-selben gehören. 

Bepoit of tht Seleet Ogmiiiittee on tlie Lam respeeCiDg Friendly 
S. e. 



Zu Seite 87. Wir wollen diesem Kapitel noch einige spätere Daten 
aber die Einleger in Sparbanken hinzufügen, welche diefrOhenn beleoehten. 
Aoeonnli & Papen Lm 186S. S. 5d6-587. 



l ■ i 

Es hatten damals eingelegt ' 


80-40 £ 


40—50 £ 


Mehr als 
50 £ 


Gectlfnien etc 






CM 


2 820 




• 1 




2Ö3 


1 2(;4 






843 


472 


2 039 






23443 


13 120 


of.TlT 




• 


1480 


829 


3584 








125 


544 


Labourers, Servants etc. . . . 




10955 


6130 


2n 503 


l'ersons w. ;i. descriptiou . . 




3 966 


2 219 


9 595 






1Ö40 


1028 


4 449 


j, Metropolitan rountios ... 
„ M;iinimcturini^ aiid niixed - . 


16147 
6 472 


9731 
3649 

6 9<>9 


44 000 

15 288 
:>1 723 



Total in England 
n „ Wales . 

n „ Scotland 
_ Ireland 



:3.5 787 
1862 

4 545 

?5 724 



20379 
765 
2271 

1 452 



91011 
2 936 
7407 
«161 



United Kingdom i 44 43« | 24867 10? 515 



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II. 



Die Frage uacli der besten Prämieutafel. — Scheitern 
wichtiger Reformen. — Erste Konsolidations&kte. 

1819-1829. 



Der Ton, welcher in der letzten HiUfte des zweiten Jahr- 
zehntes angeschlagen worden war, klang nicht nur fort, nein 
er schwoH an und fibertdnte bald alle anderen. Knrz und 
knapp könnte man die Zeit von 1B19— 1829 die Periode der 
Prämientafeln nennen. Dem Arbeiterversicherungswesen eine 
genügende mathematische Basis zu geben : das ist die Aufi?ahe, 
welclie man im forden und Sttden Grossbritanniens zu lösen 
suchte. 

In Enpfland steht in dieser Bewegung ein Geistlicher, 
Thomas Becher, Allen voran. Becher scheint ein Geistlicher 
von altem Schlage gewesen zu sein. Von Werken dogmatischen, 
moriJtheoloRiseben, kritischen und apologetischen Inhaltes, die 
er verüasst hätte, ist nichts bekannt geworden. Dagegen wid- 
mete er seine Miisse unermüdlich dem Dienste des Staates 
und dem irdischen Wohlergehen seiner Mitmenschen und 
brachte damit, wie nun einmal die Menschennatur geartet ist, 
auch die himmlisclie Glückseligkeit in erreichbarere Nähe. Er 
lebte im Genüsse einer der IG l'lVUuden ^) der Stiftskirche zu 
Soutiiwell, wie Einer, welcher die ihm verliehene materielle 
Freiheit als die üebemahme einer ernsten Pflicht auffasst 
Seit Anfang des Jahrhunderts war er in der Selbstverwaltung 
thätig, seit 1809 Vorsitzender der Vierteljahi-ssitzungen zu 
Newark und South well. Er hatte einen lebhaften Antheil 
an der Beförderung der Kolonisation des Kaps der guten 
Hoffnung genommen 

•Ein Mann, der als Geistlicher und Staatsbeamter so mitten 
im sozialen Leben stand, war besonders geeignet, das Hilfs- 



V) NichoUs. Ilistory of the Enjilish Poor Law II. 241. 

^) Siehe über das Folgende Becher's Aussagen vor dem Select Com« 
mittee on the Lftws respecting Friendly Sodetiei 1825. Miiintes of Evi- 
dsnoe. S. 27. 



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V. 1. 



109 



kassenWesen zu fördern. Die zahlreichen Klagen, welche von 
Mitgliedern der Friendly Societies vor die Gerichte kamen, 
der häuhg geübte Betrug, die ungenügenden Prämientafeln, 
Alles dies beweg Becher, seine Aufmerksamkeit der Frage der 
ArbeitenrersicheruDg za widmen. Das Studium derselben 
iDhrte ihn naturgemäss auf Price's Tabellen. Wie man sich 
erinnern wird, hatte Dr. Price im Jahre 1789 für das Unter- 
haus drei Tabellen entworfen, von denen die erste eine Prä- 
mientafel für die Kranken- und Unfallversichorung darstellte 
und die zweite die zur Erlangung einer Altersrente nöthigeu 
wuchentliehen Beitiäge festsetzte. Die Vei-sicherten waren 
nach der Höhe ihrer Prämien in 11 Klassen eingetheilt Naeh 
dem Beitrittsalter hatte er in der Kranken- und Uniallver- 
sidierung die fünf Altersklassen bis 82 , 32 — 42, 43 — 51, 
52—58 und 59—64 mit steigenden Prftmiensätzen untersehieden. 
In der Altersversicherung* normirte er die Beiträge nach den 
einzelnen Lebensjahren. Die dritte Tabelle war eine Zusam- 
menstellung der beiden ersten. Die Versicherten waren auch 
darin nach der Höhe ihrer Beiträge klassifizirt. Die Beiträge 
in jeder der eilf Pramienklassen waren nach den einzelnen 
iUtersjahren abgestuft, Die Prämienzahlung soDte mit vollen- 
detem 55. Jahre aufhören 0. 



M Um die Tuliellen Dr. Ftiee's möglichst in ▼enrnsehAolichen, mUaii 
Uer einige Aaszüge folgen. 

Sehednle I. 

Showing the Weekly Allowances, darioK Incnpacities of Labour, 
nrodoeed by Siekn^ss or Accidents, and the corresponding Weekly 
GootribotioDS neeeauury to «Dtitte Penoos to those AUowancae. 



Ages of 

Contributors 
at AdmissioD j 


Weekly Contribations 


Weekly AlIowaiioeB 


ünder 

1 S2 


From 
32 to 
42 


From 
43 to 
51 


From 
52 to 

58 


From 

50 to 


Bed-lying 

Pay 


Walking 

Pay 

' — 




d. 


d. 


d. i 


d. 


8. d. 


£ 8. d. 


£ 8. (l. 


Clais ht 


1 


VU 


Vi j 


P4 


0 2 


0 4 0 


0 2 0 


Class 2nd 


1' a 


Vl9 \ 


2»'* ' 


2''H 


0 3 


0 i\ 0 


0 3 0 


Class Sti ' 


2 


2> j 




3' 3 


0 4 


0 8 0 


0 4 0 


Claas 4th 




d^'t 


t 


4«/8 


0 5 


0 10 0 


0 5 0 


Class lOth 










0 11 


1 2 0 




Class lUh 


1 ^ 


Vi* 


" ! 

■ 




1 0 


1 4 0 


1 12 1 



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110 



V. l. 



Diese Tabellen hielt Becher aus mehrei*en Gründeu nicht 
für genü^^end. Vor Allem schienen sin ihm nicht einfach penu":. 
Er glaubte, dass die Armeu eine übersichtlichere Tabelle be- 
dürften. Sie führten ausserdem viele Gesellschaften in*e. Da 
die erste nur die Vei-sicberung iu Kruukheitäfälleu bis zum 
iüter Ton 65 Jahren behandtite, die zweite die AUersYersiche- 



Schedale II. 

Showinii tbe Weekly Allowances to Persons in Old Age, after 65 and 
70, and the corresponding Weekly Contributions in early life, necessary 
to «Btiile Penom to those AUowanc». 



Ag» 

at Ad- ff- 



W9okly Contribvtions 



Weekly 
Allowancei 



miggion | 


l n- 
der 
12. 


21 

and 

22 


23 

and 
24 


25 

and 37 

26 


38 


48 




dO 


Ate 

85 1 


Ate 

70 






d. 


d. 


d. s. d. 


8. d. 


8. d. 


3. d. 


s. d. 


s. 




Claas Ut 
GImb 2Bd 
CIbbb 3id 




VU 
Vk 
2V8 


Vm 
2V4 
3 


2»/«^0 SV» 
SVaO V/t 


0 4 
0 6 
0 8 


0 9>/ji 

1 2*/4 

l 7 


,0 lOVs» 

1 8»/4 

1 9 


0 IVi^ 

1 5V4 
1 11 


2 
8 
4 


4 
8 

8 


CllSB lltb 


6 


7V8 


9 


lOV« 1 lOVf 


80 


4 9 


5 3 


5 9 


18 


1 4 



Behedttle III. 

Showing the Weekly Allowanoai dnriog SidcDen ind Old Age» aod 
tbe coiresponding Weekly Conüibutions Cor tapportjog tbose Allowinoes; 
belog Tables Ui and 2tA combioed. 



Aget 
■t Ad- 

missioo 



Weekly Gontribulione 



Uli 
(der 
21 1 



21 


23 i 




and 


and^ 81 i 85 


40 1 50 


22 


24 = 





Class 
Class 
ClasB 
Clus 



|jB.d.]är 



d. is. d. B. d. s. 

Ist 0 2 0 2''-! 0 2' jO 3' jO 
2*4 0 3,0 3^/8 0 3»/4 0 5^4 0 
3rd0 40 4V«0 6 10 7 jO 
4th^ 50 5»/s!0 eV40 8*/40 nV4;l 

Class llth'l O l IVfIl 8 !l 9 =2 8 12 10V»6 8 



d. :8. d. is. d. 

4' ' 0 5«ai 1 
6^4 0 8";« 1 7>;8 
9 iO nVs2 2 
2«/»8 



Weekly Allowances 



dming 



Bed- 
lying 
Pay 



Wal-| 

king 

Pay 



during 
Old Age 

After j AfUr 

05 1 70 



0 410 2 

0 6 0 3 

0 8 0 4 

8VdO 10 0 5 



8. 

2 
3 
4 
5 



\£ s. 

!0 4 
(0 6 
0 8 
0 10 



1 4 0 12 



12 1 4 



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III 



innjr nach diesem Alter, die meisten Mitglieder aber nicht 
wohlhabend penug waren, si(h eine Altersrente zu sichern, so 
wurde nur die erste Tafel an^'enommen. in dem Glauben, dass 
dieselbe die Zahlunjr des Kranken^^eMes Ms zum Tode des 
Mitglieder geblatte. Dadurcli eut^taiid Zaiiiungsuufilhigkeit. 
Kr kODStniirte eine Reihe von Tabellen, welche die Beiträge 
nach ftknQährigen Altersperioden normirten, die Prftmien nadi 
den einzelnen Verdcheruegszweigen sonderten nnd endlich zu* 
sammeniassten 



Zor dentlicbereo AnscluHiuog der Beeher*teb«n Methode lassen wir 

Feine Tabellen im Auszujre folfjen, welch»' in der S. 112 erwähnten Bro- 
schüre enthalten sind. Siehe auch Appendix (A. 2) to Report firom Select 
Coramittee on the Laws Resp. F. S. d. 109. 

FIrtt Claas. ^ TaUe L 

Showin«! the Single and Monthly Contributions for assuring 2 Shillings • 
per Weck, dming Sickness, Hed-lyinj l*ay and One Shillinu per Week, 
Walking Pay; a Weekly Allowance oi One Shilling alter the Age of 65; 
•ad Two Pomids on Oeath. 



C1M8 Ui ^ 

1 
1 


As£urance of 


Assurance of 


AanuraiiM of 






Weeklv ! 


'av in 


1 s. Weekly I'ay 


jC 2. on 


Daath 


Total 


Sickueüs 


alter Üö 






Aga 


«affto 




aiiiffi« 1 Hmiuüj 


Stafto 




Siiiffl« 


MoalUy 


Years 


Ä s. d. 


d^ 


l s. d. s. d. 


l 8. d. 


d. 


£ 8. d. 


s. d. 


Undtf 20 


1 14 3 


2'« 


1 2 0 0 1» 2 


0 18 0 


1 


3 14 3 


0 4^1 


25 


1 14 3 


2"4 


1 8 9' a 0 2 


0 lö Ü 


1 


4 1 0' i 


0 5' 4 


SO 


1 18 0»'4 




1 18 0» 4 0 2» 4 


0 19 1' . 


1 


4 Vy 2»/4 


0 6*/9 




1 18 9»/4 


3"i 


2 10 7>'2 0 4 


1 1 6 


V» 


5 10 11' 1 


0 S8'4 


40 


1 18 9'/* 


3>/4 


3 8 0 0 5' 2 


1 1 6 


Vil 


6 8 3»/4 


0 10V4 


45 


1 17 0 




4 12 6>/4 0 8' 4 


1 44 


2 


7 18 10«/4 


1 2Vt 


50 


»1 17 0 


8'/4 


6 8 0 1 2 


1 44 


2 


9 9 4 


1 7«/4 



Dia vier folgenden Tabellen sind Vielfache der ersten; sie 
sIeDen das Doppelte, Drei&die, 'Vterfiwba and FOnlikdie an QevibranMn 
in Aussiebt und fordern damgeniss daa Doppalte, Dreifiwlke, Viarfiim, 

F&nfTache au Prämien. 

Becher giebt eine einfache, charakteristische Anweisung, wie man aus 
den vorhergebenden fünf noch fünf andere konatrniran kdmta, die wieder 
nur Viel&cne der ersten sind. 

6. Tabelle = 4. TabeUe + 2. Tabelle. 

7. n ■—8. „ +4. „ 

S, p ■■4 ff multiplizirt mit 2. 
9. „ =4. , -f- 5. Tabelle. 
10. „ => 5. „ multiplizirt mit 2. 

Zweifdloa hatten diese Tabellen für den praktischen Gebrauch unge- 
bildeter Leute ihre grossen VorsQge vor den Fnceschen. 



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112 



Damit diese Vereinfachung die rinanzielle Sicherheit der 
Vereine nicht bedrohe, nahm er uiiguustigere Krankheitsver- 
haltnisse als Dr. Price an. Da seit dem Tode Price*6 — er 
starb im Jahre 1791 , also vor Erlass des ersten Hilfekassen- 
gesetzes — den eingeschriebenen Hilfel<as>cn über 4°o >^insen 
vom Staate zugesichert worden waren, glaubte er einen Zins- 
fuss von 4^Vö der Prämienberechnunn zu Grunde legen zu 
düiien. Der üeberschuss sollte in den Verwaltungsfond fliessen. 

Bei der Berechnung der Ueberlebensvcrsicheruugspramien 
nahm er dii^^^egen nur einen Zinsfuss von :\ ' ^, an. Er glaubte, 
dass er damit alle Einflüsse, welche ein angenommener höherer 
Lebenswerth auf die Sicherheit der Kasse haben mttsste, para- 
lysiren konnte. 

Die Becherschen Tabellen wurden dem schon mehrfach 
genannten William Morgan, dem Aktuar des ,Equitable', sowie 
William Frend, dem Aktuar der »Piock Life Assurance lustitu- 
tion' vorgelegt und von Beiden gebillifrt. 

r>as Resultat seiner Studien veröffentlichte Becher in einer 
noch jetzt lesenswerthen Broschüre ^ und gründete im folgen- 
den ;iahre (1823) die Hilfskasse zu SouthwelP)> welche lange 
Zeit als ein Mosterinstitut betrachtet wurde. Becher wurde 
vielfach bei der Gi-Ondung von Hil&kassen zu Rathe gesogen. 
Ja, es bildete sich ein Typus von Vereinen, welche die ganze 
Veifassun? der Southwell Institutions annahmen und , Becher 
Clubs' genannt wurden. Sie sind in den Midland-Grafschaften 
sehr verbreitet und stellen territorial das Mittelglied zwischen 
Lokal vereinen und Grafschafts vereinen dar, indem sie sich 
über den Distrikt eines Hundred, oder einer Poor Law Union 
erstrecken. 

Die Southwell Tables wurden einem in Hampshire im 
Jahre 1825 gegrOndeten Grafschaftsvereine, der sieh, in Anbe- 
tracht der trostlosen Zustände der selbstverwalteten kleinen 

Kassen bildete, mit kleinen Veränderungen zu Hninde gelegt. 
Die Hampshire Friendly Society nahm einen neuen Versiche- 
rungszweig auf. Arme Frauen konnten einen hei ihrer Nieder- 
kunft auszahlbaren Betrag von versichern. John 
Fleming, der Gründer derselben und ein Mitglied der bald zu 
erwähnenden Enquete- Kommission gab vor dem Ausschusse 
einen so klaren Bericht ttber den Verein, einen Bericht, der 



'j The Constitution of Friendly iSocieties upon Legal and Scientitic 
Principles ete. Newttk 1829. Eme yennehrte Auflaire mehien im 
Jahre 1823. 

-I Minutes ot Evidence betöre the Select Committee on the Lftws 
respeciing Friendly Societies. S. 92 uud 'J8. 

Die Güte des Rev. John Trebech, des Kektors von Southwell, setzt 
micli in den Stand, mitzutheilen, das^ du Southwell Institution sich ihrem 
Knde iiubt, da nur noch einige alte Leute existiren, welche aus derselben 
eine Untmtfitxong erhalten. 



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113 



gewissermaassen yorbildlich für alle Grafeehaftsvereiiie ist, dass 

wir denselben im Auszuge folgen lassen. 

„Ich glaube," sagt John Flemin.L^ „flnss (]vv Vorzug eines 
solchen Unternehmens der ist, dass es ein System rler Gleich- 
fbrniigkeit und des Zusammenwirkens einführen und die Ober- 
aufsicht und Gönnerschaft der hauptsächlichsten Gentlemen 
und Beamten auf alle Theile der Grafschaft ausdehnen niu^^se, 
anstatt die Gesellschafken, wie jetzt, der wohlwollenden Aufmerk- 
samkeit der Herren der Umgegend zu überlassen, wenn die- 
selben geneigt sind, sich mit ihnen zn befassen. Ich brauche 
nicht zu bemerken , dass die grössere Ausdehnung eines Ver- 
sicherungsplanes wesentlich zu der Genauigkeit der Berech- 
nungen beitragen, die Aussichten, zu falliren, natürlich ver- 
mindern und die Wahrscheinlichkeit eines günstigen Resultates 
erhöhen muss. . . . Die Gesellschaft wird von einer Ueliörde 
von Treuhändern und Direktoren geleitet, welche aus den ersten 
Gentlemen, dem Klems und den zu Winchester yersammelten 
Friedensrichtern der Gra&chaft besteht^ und welche, von einem 
Generalsekretär und einem Schatzmeister unterstfitzt, die ganze 
Leitung und die Regelung der Gesellschaft in Händen hatten. 
Die Grafschaft ist in Distrikte getheilt, welche aus den haupt- 
sächlichsten Städten und deren Umgegend besteht. In diesen 
Distrikten werden aus den ansässigen Gentlemen örtliche Aus- 
schtlsse gebildet, welche einen Agenten und einen Ai-zt zur 
Besorgung der laufenden Geschäfte ernennen Gegen- 
wärtig existiren nur erst 18 Distrikte in Hampshire . . . Schon 
ist ein Hilfsfonds von 4 — 5000 ij^ und ein jährlicher Beitrag 
seitens der Ehrenmitglieder von 200 £ gezeichnet worden, 
wodurch ein entsprechender Betrag (für erste Kinrichtung and 
Verwaltung) den Mitgliedern erspart werden wird/* 

Von besonderer Bedeutung für das en^lisebe Hilfskassen- 
wesen war die Aufmerksamkeit, welche Becher den statistischen 
Grundlagen der Krankenversicherung widmete. £r ist sich 
zwar noch nicht ganz klar darQber, dass eine derartige Unter- 
suchung allein am indnctivem Wege erfolgen mnss. Er hält 
es noch für wissenschaftlich zulässig, dass man, von dem Axiom 
ausgebend, die Krankheit ist die Ursache der Sterblichkeit, 
aus einer Mortalitätstafel eine Krankheitstabelle entwerfe. 
hoch he^^Miüiite er sieh damit nieht Kr berechnete die 
mittlere KrankheiU^dauer von zwei Vereinen, der Castle Eden 
Soeiety, welche im Jahre gegründet worden war, und 

eiuer l^asse zu iSouthweii, welche ebenso lange bestanden hatte. 
Ausserdem setzte er mit mit einer grossen Menge anderer 
Vereine in Verbindung, welche in gesehäftlichen Beziehungen 
zur Bank von England standen. Die gefundenen Daten machte 



<f Min Utes uf Evidence belbre Seleet CovmittM on tbö Laim Be- 
lliecting b . b. 1825. S. 27 ff. 

FMMkanfm (SO) V. 1. - HMbaeh. 8 



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114 



V. 1. 



er jedoch nicht zur aileimgen Grundlage seiner Prftmien- 

hei'echnunp:. 

Price hatten die Krfahrunjien vei-schiedener Krankenkassen 
zwar darüber belehrt dass das Verhiiltniss der Kranken zu 
den Gesunden im Allgemeinen nicht so gross wäre, wie er an- 
genommen hatte. Aber Rücksichten auf die finanzielle Sicher- 
heit der Vereine Hessen ihn dennoch an seiner Hypothese 
festhalten. Von derselben Erwägung wurde Becher geleitet, 
aJs er folgende Verhältnisse der Kranken zu den Gesunden an- 
nahm: unter 25 Jahren 1:46,22; von 25 30 1:37,81: 
von 30 40 1 :32: von 40—50 1:27,73. Die Krfabrun^^en 
in büuthwell waren geringer. In der Castle f'den Society zeigte 
die Erfahrung das Verhältniss von 1 tort während Kranken 
100,1, in Southwell 1 : 135,8; in einer Hilfskasse zu Leuth 
in Lincolnshire 1 : 163,5 Mitgliedern. Die Berechnungen Becher's 
hatten nur einen geringen Werth, da die Krankheit«)uanta der 
verschiedenen Lehensalter nicht angegeben waren, sondern nur 
die Zalil, welche man erhält, wenn man die gesammte Krank- 
heitsdauer aller Mitglieder durch die Zahl aller Mitglieder 
dividirt. Es ist leicht ersichtlich, dass diese Zahl sehr ver- 
schieden ausfallen muss, je nachdem in einem Vereine die 
Altersklassen zusammengesetzt sind. Aber es war ein Ver- 
dienst des tüchtigen Geistlichen, sein Augenmerk zuerst auf 
diesen Punkt gelenkt zu haben. 

Um diese Zeit beschäftigte man sich in Schottland mit 
demselben Probleme auf rein induktivem Wege'). 

Auf Veranlassung von Charles Oliphant schrieb die Hi^zh- 
land Society im Jahre 1820 zwei Preise von je 20 Guineen für 
diejenipjen Vereine aus, welche der Gesellschaft die besten Be- 
richte über die Krankheitsdauer auf den verschiedenen Altei-s- 
stufen einsenden würden. Die Gesellschaft schickte ein f^edi-uck- 
tes, mit Anweisungen versehenes Schema an alle bekannten 
Hilftkassen und forderte sie auf, das Alter jedes Mitgiedes für 
jedes Jahr festzustellen, darauf die Mitglieder nach zehiyäb- 
rigen Altersklassen (von 20 zu 30, 30 zu 40 u. g. w.) einzn- 
theilen, und schliesslich die Mitglieder jeder Klasse zu zählen. 
Weiter sollten sie die Krankheitsdauer jedes Mit^rliedes an- 
gjeben, und dann die Summe des KrankheitsqiiMntiims jeder Alt('r>- 
klasse durcl) die Summe aller Mit^rliedei' derselben dividii cn. Die 
Hochländische Gesellschaft hielt es für zu schwierig, nel)en den 
Nachrichten über die Krankenversicherung' genügende Daten 
Ober die Sterblichkeit der Mitglieder zu erlangen. Sie ent- 



>) Mmntes of Evidence a. a. 0. S. 29. 

-) Der Norden hatte auch seinen Price gchaht. Schon im AnÜMig 
dieses Jahrhunderts versuchte ein Geistlicher, Namens Wilkie, auf Anregung 
▼on GhwlM Oliphant, diier MatroaenkasM in PrestonpaDs eine sichere 
Basis filr die Berechnung der Trämien zu geben. Er nahm demgemtor 
an, dass immer '/la der Mitglieder krank wäre. 



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V. 1. 



115 



hielt sich daher jeder Anfrage über die Todesfälle, obwohl sie 
den mangelhaften Charakter der vorhandenen Ueberlebens- 
tafeln wohl erkannte. Als die Berichte der Hilfskassen vor- 
lagen, bedauerte sie die Unterlassung? lebhaft, da die Erhebung, 
wie sie jezt sah, leichter gewesen wäre, als sie sich vorge- 
stellt hatte, und da ihr noch deutlicher zum Bewusstsein kam, 
dass die SterbliebkeitsEiffer in Gesellschaften, welche schlechte 
Konstitutionen grundsätzlich ausschliessen , natttrlich geringer 
sein mOsse, als sie in Sterbetafeln erseheine, welche aus Daten 
Ober alle Arten von Menschenleben zusammengestellt seien. 

Die Hijzliland Society erhielt aus 1<) von den 33 Graf- 
schaften Schottlands Berichte von 70 Vereinen, die sich über 
Perioden von 3, 10, 20, 30, 40 und 50 Jahren ei-streckten. 
Von vornherein muss die leicht entstehende Ansicht berichtigt 
werden, dass die Hochländische Gesellschaft sich nnr das schot- 
tische Hochland zu ihrem Arbeitsfelde ausersehen habe. Im 
Gegentheil, sie erhielt die meisten Berichte aus dem bevöl- 
kerten Unterland, da der gebirpj?e und (lüiui bevölkerte nörd- 
liche Theil des Königreiches der Erriciitung von Hilfskassen 
grosse Schwierifikeiten in den Weg legt. 

Aus dem einge^ian^enen Material stellte die Hochlandische 
Gesellschaft Tabellen über die durchschnittliche Krankheits- 
dauer der verschiedenen Altersklassen her und veröffentlichte 
dieselben im Jahre 1824^). Wir geben im Folgenden die 
Quintessenz des Reports, nämlich das nach Jahresklassen 
bereebnete Krankheitsquantum Die einschneidendste Kritik 



Report OQ i'rieadly or Benefit Societiea, exbibitioA the Law of 
SickoesB , as dedaeed from retnnts by Friendly Soeieties in afferent parts 
of Scotland; t . . . . Drawn up by a rommiftee of the Ilighfand 
Society of Scotland and published by order of the Society. Kdin* 
bvgfa 1884. — Siehe «atBerdem die Anssagen von» Charles OU- 
haut vor dem Select Comrnittee on the Lawi retpectiag 
rieodly Societiea. 1825. S. 73—75, 79 ff. 



< 

21 
23 

23 
24 
25 
26 
27 
28 
29 
30 
31 
83 
88 



daa«r in 
Wochen 
Mf dkM>r 
Altemtvlii 

,570 
,576 
,578 
,581 
,5^5 
,590 
,590 
,603 
,611 
,621 
,631 
,641 
,652 



34 
35 
36 
37 
38 
89 
40 
41 
43 
43 
44 
45 
46 



KrankheiU- 
daarr in 
I Wochen 
Auf ditMT 

Altemtad» 

,6ti3 
,675 
,688 
,702 
,718 
,737 
,758 
,784 
,814 
,852 
,902 
,962 
1,082 



47 
48 

49 
50 
51 
52 
53 
54 
55 
56 
57 
58 
59 



Krankhoitü- 
dauiT in 
Woch.«n 
•llf dlMtf 

AlterMtnf» 

1,108 
1,186 

1.272 
l,:Uil 
1,451 
1,541 
l,63i 
1.72«; 
1,^21 
1,918 
2,018 
2,122 
2,280 



60 
61 

62 
63 
64 
6.') 
66 
67 

69 
70 



Krankheitt- 
dauer in 
WoobtB 
Mf diMer 
Altmrtnfc 

2,346 
2,500 
2,736 
3,100 
3,700 
4,400 
5,400 
6,600 
7,9t K) 
9.300 
10,701 



8' 



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116 



V. 1. 



des Werthes dieser Tabelle piebt die Hiphland Society selbst. 
Die meisten Hilfskassen seien aus almosenj^ebenden Instituten 
entstanden und bewahrten noch vielfach die Sit ton früherer 
Zeiten. Wohlhabende Mitp:lieder zahlten, aber verlangten keine 
Untei-stützuDg. Das auf sie entfallende Kran kbeitsquan tum 
wäre nicht in die Listen der HilfeTereine eingetragen worden, 
und hätte desshalb bei der Aufnahme abgeschätzt werden mfissen. 
Weiter war die Karenzzeit in vielen schottischen Gesell- 
ßchaften ausserordentlich lanj^. In einigen dauerte sie 5 Jahre. 
Ausserdem durfte ei*st nach einer gewissen Krankheitsdauer 
Anspruch auf Untei*stützung erhoben werden. Schliesslich darf 
die Buchführung vieler Vereine nicht übersehen werden. Viele 
Gesellschaften wären gern dem Rufe der Hochland- Gesell- ' 
Schaft gefolgt, aber durch ihre mangelhaften Bttcher daran 
verhindert worden. Francis 0. P. Neison *) macht in einer Zu- 
schrift an die Enqu^tekommission, welche sich in den sieben- 
ziger Jahren mit dem Hilfskassenwesen beschäftigte, deutlich, 
welchen bedeutenden Kinfluss diese Bostimmungen auf die veröf- 
fentlichten Zahlen haben mussten. In einer Noifolker Gesellschaft 
war eine Krankheitsstatistik aufgenommen worden, welche sich 
über 18 Jahre und 27S4 Fälle erstreckte. Unter diesen dauer- 
ten 892 nur eine Woche, 591 zwei Wochen. Der grössere 
Theil derselben wäre also in einer schottisehen Gesellschaft 
nicht bekannt geworden. Diese Verhältnisse erklären in den 
Krankheitsquanten der Tabellen der Hochländischen Gesell- 
schaft das auffallende Anschwellen von unglaublichen Minimen 
zu beänjrstifienden Maximen. Eine weitere Kritik behalten 
wir uns für den fol^renden Theil dieses Kapitels vor, wo wir 
die Erörterung der Präniienfrage vor zwei parlamentarischen 
Ausschüssen behandeln werden 

Vorei-st versuchen wir den Zustand der Hilfskassen zu 
schildern, um die Aufgaben der Gesetzgebung präcisireu zu 
können. 

Um das statistische Material vorwegzunehmen, tiieileu 
wir mit, dass sich in England und Wales bis zum Jahre 1824 
etwa 500 Vereine unter dem Gesetze von 1819 registiiren Hessen 



') Third lleport. S. 222. 

^) .Ich betrachte," sagt OUphant bescheiden vor dem AusBcliusse von 
1825, „aie UDtenaehnng aer Hochlloditehen Oeselkchaft nur als eine 
Omndlegung und als einen Anfang. Minutee of Evidence. 8. 79. 

^) List ot the Friendly Societies and other institutions which have 
bewi regibtered in the severäl counties of England and Wales, in virtue ot 
tbe Act 59 George III. c 128. Accounts and Papers. Vol. XVIII. 1824. — 
Die Liste weist, nach 40 enL'lischen und 9 wallisischen ' irafscliaflcn ge- 
ordnet, ungefähr die oben genannte Zahl auf. Idh habe sie nicht gexlüüt, 
sondttn gaKhfttit» eine Adomon ist nicht Torbaaden. . 



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117 



Nur w«iige Veraine hatten ihr Vennögeii bei der Staats- 
fichnldeiiyerwaltuTig deponirt. Bis zum 28. Mai 1824') 
waren es nur 0. h\s zum Juni 1825 -i ei-st 17: von diesen 
hatte eine zwai ihre Statuten eingeschickt, aber noch keine 
Einzahlungen gemacht. 

Wenden wir uns nun zu einer Charakteristik der Vereine. 
Immer wieder tritt die Behauptung auf, dass sich in ihrer 
Gestalt Ge werk vereine bergen. Dieser Ansicht wird in der 
9. Resolution des „Report of the Committee on the Combi- 
nttion Laws" Tom Jahre 1824 beatiniinter Aosftruek gegeben. 
„l>er AusschusB**, lautet die Stelle „bedauert aus den Zeugen- 
aussagen zu ersehen, dass eingesehnebene fiil&kassen häufig 
der Deckmantel für die Ansammluni? eines Vermögens zur 
Ennöglichung von Verbündelungen und Arbeitseinstellungen, 
welche von gewaltsamen und einschüchternden Handlungen 
begleitet waren, gewesen sind; und ohne bestimmte Maass- 
nabmen zu empfehlen, wünscht er die Aufmerksamkeit des 
Hauses auf die h&nfige Abwendung dieser Vereine von ihren 
Toigeblichett und gesetimässigen Zielen zu lenken.** 

Dass die Thatsache richtig war, haben wir im vorher- 
gehenden Kapitel gesehen. Die Unterdrfiekung gerechtfertig- 
ter Bestrebungen der arbeitenden Klassen hatte die Gewerk- 
vereine zur Anlegung jener Maske gedrängt. Jetzt scheint 
diese den unteren von den oberen Klassen aufgezwungene 
Heuchelei auch ihren als segensreich anerkannten Bestrebungen 
gefährlich zu werden 

Der parlamentarische Ausschuss, welcher im Jahre 1825 
die Gesetze über die eingeschriebenen Hilfskasseii auf ihre 
Wirkung piilfte, bemühte sich über tüesen Punkt zur Klarheit 
zu kommen. Die Erhl^hnng der Lohne und die Aasschliessung 
Fremder yon der Arbeit in einem bestimmten Gewerbe wären 
häofig der Gesprftchsgegenstand in den Klubzimmern, sagte 
ein Aktuar, Namens Glenny, aus. Jedoch sei ihm kein ein- 
ziges Beispiel der Verwendung des Vereinsvermögens zur 
ünter.-^tiUzung streikender Genossen bekannt. Aber er erkenne 
an , es wäre Gefahr vorhanden , dass in einer Gewerbekasse 
das Vermögen zu Gewerk Vereinsbestrebungen verwandt würde 
Der ii liher erwähnte Oliphant, writer to the sigoet, hält, soweit 
seine eigenen Beobachtungen in Schottland reichen, die Be- 
schuldigungen tSar unwahr; was er daraber gehört habe, be- 



Vi A List of the several Friendly Societies or other institutions to 
vbich debeotures have been issued by the Commissioiien for the Reduction 
of Che Nfttional Debt Aceoonte and Pape». Vol. XVIII. 1884. 

^) Appendix (i. to Report from Select Committee on the Law» re- 

•pecdog Friendly Societies. 1825. 8. 177. 

*) MinatM of Endence. S. 38. 



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118 



stimme ihn zu glauben, dass die Behauptungen nngegrftndet 
seien 

Ein Londoner, mit den arbeitenden Klassen vertrauter 
Zeuge, zudem der Sekretär einer Aktiengesellschaft, welcher 
also kein Interesse daran hat, das Loblied der freien Hilfs- 
kassen zu singen, antwortet auf die Frage: Have you fbund 

any otber abuses, such as combinations? No. I never have*). 
Becher's Ausführungen widersprechen den landläufigen Behaup* 
tungen ebensosehr. Wir setzen die bezügliche Stelle aus seiner 
.Vernehmung ganz hieher'): Have you any experience of the 
abuse of Friendly Societies to pun^oses of combination for raising 
wages? — No; I am not aware of any enroUed socie- 
ties having been involved in any such transactiona. 

Your acqnaintanee is chiefl^ wifh agricuHural Friendly 
Sodeties? — I am acquainted with Societies of every deserip- 
tion, and very much with Nottingham. 

Are you acquainted with Friendly Societios in the town of 
Nottingham? — Not particularly with their practices and 
habits; but I know there are artificers clubs for obtaining an 
advance of wages; but I do not know, and neither could Mr. 
Rose discover any enrolled Society that had applied its 
founds for the pufposes of combination. Ebenso vorsidlitig wie 
Glenny di-ückt sich Thomas Shelton, der Clerk of the peace 
der Stadt London, aus*). I never knew it ascertained, ant- 
wortet er, so as to he able to say that such is tho fact. Aus 
seiner Aussage ersoheii wir ebenfalls, dass das Misstrauen gross 
war. Some of the societies, fährt er fort, are confined to par- 
ticular trades, and the magistrates have looked alwnys with 
a great degree of jealousy, where it has been conhned to 
parUcular trades. 

Die Lösung des offenbaren WidersprucheSi in welchem die 
Berichte der beiden Ausschüsse zu einander stehen, scheint uns 
in der Aussage Becher's angedeutet zu sein, dass keine ein- 
geschriebene Hilfskasse Strikes unterstützt habe. In dieser 
Allgemeinheit war zwar die Behauptung Bechers falsch, denn 
wir sahen im ersten Kapitel, dass sich Pseudo-Friendly Socie- 
ties registriren Hessen. Aber die Verniuiliung spricht dafür, 
dass die meisten Gewerkvereine, welche in der Maske einer 
Hilfskasse ihr Wesen trieben, alle BerOhmng mit den Behörden 
vermieden. Die Männer, welche der Ausschuss TerhÖrte, wies 
ihre Beschäftigung auf die eingeschriebenen Kassen hin. Es 
ist leicht vei^ständlich , dass sie von den jährigen Vereinen 
wenig wussten, besonders wenn diese sich bemühten, ihre Thä- 
tigkeit in volles Geheimniss zu hüllen. Den Ge werk vereinen, 



>) Minotes. S. 77. 

'-) Minutes. 8. 82. 

^) Mioutes. S. ao. 

*) Mhitttes. a 6& 



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V. 1. 



119 



welche wohl häutiger die Beitrilfze in jedem einzelnen Falle im 
Namen das Erkrankten oder der Hinterlassenen des Gestor- 
benen einsammelten fehlte, da sie kein \'ermo«;en aiisara- 
melten, auch die Veranlassung; den Behörden einen Einblick 
m ihre VerbftltoiSBe zu gestatten. 

Das waren jedoeh nicht die schlimmsten Beschuldigungen, 
welche man gegen die Hilfskassen erhob. Die Klage erstirbt 
nicht, dass sie einen grossen Theil ihrer Kinnahmen vertrinken 
und dass es manchen von ihnen geschweige an hrQderlicher 

Gesinnung, ja so?ar an dem Sinne für Gerechtijxkeit und Bil- 
ligkeit fehle. Das zum Empfang einer Untersttltzung berech- 
tigte Mitglied ausschliessen , die Kassen l>etrügerischerweise 
auflösen: der daraus entstehende Zank und Streit sind her- 
vorstechende Züge in den Ililfskassen der damaligen Zeit. Das 
Schiedsgeriebt dient ihnen dazu, sich alter Mitglieder zu ent- 
ledigen 

Die Vei*wa)timg der Hilfskassen können wir uns nicht 
schlecht genug denken. Die Sekretäre und andern Beamten 
bestehlen die Kassen der Vereine^) und sind im höchsten 



V) Brentano, Die Arbeitergilden der Geirenwart T. T^d, S. 103. 

„Their annual feast is usually a scene Qf drunkenness and dia- 
ndsr.* Minatea of Evidence before oelect Committee ISSS. S. 81. — Do 
■Ott of Ibeie meet at public honses? Nearly all. Do you conceive an^ 
efffl was occasioned by that circumstance ? The greatost evil 1 find in it 
iS| that tbe best members sUy away troui public houseii, and consequently 
the mtnagement is in the hands of tbe worst. a. a. 0. S. SB. — Is there 
not a great dp.il of money wastcd in feasting? A jreat deul. a. a. 0. S. S2. 
— I have been induced to think very unfavourably ot them (Ton kleinen 
Kassen) hanng heard of numerons instances of failnre in fhlfilliog thair 
engagements , as well as of disorder and intemperance. a. a. 0. S. 98. — 
Aiwh Weiber versammeln sich in Bierkneipen, a. a. 0. S. 3(5. 

^) Have you >ftitne8sed an extensive ill effect arising from societies 
badly constituted? Constantfy to ft very great extent; frand, drankenneas 
and ^narralling to a lamentabfe exkent Minutes ofEvidcnce. 1825. S. 31.— 
Has it come witbin your obserration that societies of tliat sort have been 
firaudulently dissolved, so as not to do justice to the eider members V Very 
freqnently. a. a. 0. 8. 88. — I have known the mngistratea decide an 
appeal in favour of a member, and the sorioty selects arbitrators of their 
own appointment, and readnd tbe determination of the justices. a. a. 0. S. 31. 
Sne Ungere ÄnallUiiiiiig Aber daa Yeiftbren der HOftkaaBeD a. a. 0. 
& 67. 

*) I h;ive hpard many complaints, that the spcretaries, or sorae of the 
o£dcer8 have invaded the catih of the Bociety; and of several societies of 
females, that the secretary has purlofaied the greater part of the caah; 
1 have heard that said upon several occasions. 

Nothing of this sort has come witbin your own Observation? Onlv 
the members have come aud complained of it to nie. Der Zeuge ist cl^x 
of the peace. >Gnates. S. 65. 

Has jour Situation given you opportunities of observing the State 
oi l^riendly Sodeties? I believe that a great number of them have been 
plontoed. a. a. 0. S. 67. 



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120 



V. 1. 



Grade unwissend^); ein Zeuge sagt aus, dasR er eine Gesell- 
schaft in Porlsniouth kenne, die nocli ininier nicht ihr Geld 
verleihe *). Wir brauchen uns deeshalb nicht darüber zn yer- 
wundem, dass eine geordnete Buchführung nicht existtrt. „Ich 
habe die Bttcher von beinahe 200 Hilfskassen gesehen," sagt 
ein Aktuar aus, „aber es ist mir kein Beispiel einer selbst den 
bescheidensten Ansprüchen jrenügenden Huchführunfr zu Gesiclit 
^iekonimon (of even a decent System of book-keeping) •^)." Es 
war eins der Ziele der Hocldjuidischen Gesellschaft, die Ililfs- 
kassen an eine solche zu gewöhnen, indem sie Preise für schot- 
tische Schollehrer ausschrieb, welche die Hil&kassen in der- 
»elben unterrichteten^). Eine periodische Berechnung des 
Werthes aller Ansprüche und Vergleichung mit dem angesam- 
melten Vermögen war ungewöhnlich. Die Hochländische Ge- 
sellschaft wirkte auch in dieser Beziehung' reforniirend •'). 

Wir werden den Charakter fler llilfskassen noch besser 
verstehen . wenn wir die Beamten dei-selben etwas genauer 
in's Auge fassen. Eine grosse Menge der Klul)o wurde nicht 
durch die Mitglieder sähst gegründet, sondern durch fin- 
dige Bierwirthe, welche sich dann zu Sekretären der Ver- 
eine erwählen Hessen. Mit wenigen Worten schildert Becher 
die ganze Erbärmlichkeit dieser Menschen. „The evil," sagt 
er „arises in two ways; fii*st, they wish to hold out induce- 
ment to establish these chibs at an alehouse, and then they 
endeavour to increase the menibers by lowering the terms; so 
that by abandoning the principle they obtiiin their purpose*')." 
An einer andern Stelle lesen wir, dass schlaue Menschen 
das Geld der Vereine auf ungenügende Sicherheit hin bor^ 
gen'). Die Aussagen von Glenny sind noch werthvoller — . 
wir wollen sie aus Gründen, die man bald" verstehen wird, 
ganz hierher setzen — wie sie -^idi aus den von Courtenay an '* 
ihn gestellten Fragen ergeben : Do you not conceive there are* 
persons interested in keeping Up the present delusive System 
of Friendly Socicties? 

Unquestionabl^r. There are many men in London 
who get their living as Clerks of Friendly Socio* 
ties. There are two who are at the head of a'number of 
societies, which they knew the day they were esta- 
blisbed would fail. 



„Out ui the iiiunense uumber of secretaries of societies in London, «i»- 
soine of wliom have been 20 or W years secretarieSf thore are scarody ** * 
three nien who know the last Act of Parliameot in all ita Proviaioiis. 
a. a. 0. S. Öö. 

«) Minotes. S. 9». 
^) S. 87. 

Minutes S. 75. 
a. a. 0. S. 77. 
a. a. 0. S. 31. 
^) a. a. 0. S. as. 



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V. 1. 



121 



You do not coDsider the Clerks tbe ouly pei'sons ioterested 
in keeping up the delusion? 

The landlords of pub lic-bouses are the great 
contribators to the systein. A number of soeieties 
are established by the landlords; and those mea, whom 
you may call hacknied Clerks, are applied to manage them. 
There are sorieties est;i Ul i shed by undertakers 
and the poor man is buried by these iindeitakers, instead of 
bis family reeeiving the amount. Tliere are a nuni))er of these 
in London, and some of thein exceedingly iarge. There is a 
quarterly payment demanded to provide, what they call in the 
bills „a deeent bnrial'*. They attend at a public hoase to pay 
this money; there is a pint of beer to be spent out of itO. 

Die Aussagen sind lehn'eich. Die meisten Hilfskassen 
verdanken ihre Entstehung nicht der Initiative voi*sichtiger 
Männer der arbeitenden Klassen, sondern dem Ejroismus von 
Bierwirthen , Begräbnissunternehmern und einer Reihe von 
catilinarischen Existenzen, welche als Sekretäre von Arbeiter- 
vei-einen ihr Leben zu fristen hoffen. Unter dem Scheine, für 
das Beste der Armen zu sorgen, yerlocken sie Termittelst 
trOgerischer Vorspiegelnngen die Arbeiter zum Beitritt in 
Vereine, welche auf wissentlich falscher Grundlage gegründet 
sind. — Sollte sich noch einmal das Geschrei erheben, der Staat 
dürfe sich nicht in die Angelegenheiten der Bürger inischen, 
dann wissen wir, es heisst, der Staat soll die Bierwiithe, ver- 
kommenen Schreiber und andere dunkle Existenzen nicht daran 
hindern, sich als Blutegel an den Körper der arbeitenden 
Klassen zu setsen. 

In der Bescfanldigung, die GrQnder der Hilftkassen böten 
unei-füllbare Boflingnngen an, Hegt eingeschlossen, dass die 
Prämientafejn so ungenügend \\'aren, dass die Kassen zusammen- 
brechen mussten. Der Bankerott wird durch die Gewohnheit 
der Mitglieder, die Kosten des jährlichen Festes aus der Kasse 
zu bestreiten, noch beschleunigt. Nach Belieben erlassen sie die 
festgesetzten Beiträge. Sie verändern die Beiträge und theileu 
zuweilen einen Theil des Vermögens*). 



») S. 42. 

*) Hiiiiitai of ETidence. 8«venl dobs brokan ap. a. a. 0. S. 31. — 

They arp in a sUte of bankroptey this moment. a. a. O. S. 92 — They 
^ coiUd not be called Tables; a simple paymeot, 2 s. 6 d. a inooth, would 
^ entitle a man to % jnmble of benefits , tqr wmeh thero ean scareely be a 
proper caiculation. a. a. 0. S. 38. — Have you found that the smnll 
Friendly Societies have generally been founded upon erroneous principlos? 
— (.«rtkinly, clearly so. That the contributioDS have not been »uiticient 
in Proportion to the beoefits V By no means adeqiiate. S. 82L In general 
their calculations are extreinely faulty, and .... they cannot possibly 
fulfil tbeir engagemeuta for an/ considerable period of years. Darauf 
spricht der Zeqge Ton .tiie nomerouB eomplainta of fiülnrea in ftilfillii^ 
toeir eng^^enenti whieh wer» bronght bmre the magiatmtes*. S. 98. 



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122 



V. 1. 



Eine treffliche Charakteristik der Mitglieder der schot- 
tischen liilfskassen ist auch im Berichte der Hochländischen 
Gesellschaft enthalten. Wir erwähnten schon früher, dass sehr 
viele Vereine wegen deB nngenügenden Zustandes ihrer BOeher 
keine statistische Aufnahme machen konnten, indre wollten 
keine Nachrichten ^eben. Sie hatten kein Verständniss dafür, 
dass die Untersuchung zu ihrem eigenen Besten angestellt 
werden sollte. Es wurden Versammlungen gehalten, in welchen 
Resolutionen angenommen wurden, dass derartige Enqueten 
ruchlos (sacrilegious) wären, dass ein finsterer Zweck mit ihnen 
verbanden sein müsse, und iass auf alle Falle nichts Gutes 
aus ihnen kommen könne. Doch lobte die Hoehlftndische Ge- 
sellschaft die Redlichkeit, mit welcher die Vereine verwaltet 
werden und die vordchtige Weise, aof welche sie ihr Vermögen 
anlegten. 

Die einzige Grafschaft, in welcher sich die Vereine in 
einem blühenden Zustande befanden, war Kent Dort feiern 
sie ihre Feste auf anständi^^e Weise. In jener Grafschaft tha- 
ten, wie wir noch vernelimeu werden, die 1- i iedensnchter ihre 
Pflicht nnd dn Beamter gab sich die grösste Mühe, dieselben 
mit Rath nnd That zu fördern >). Dort trog die ökonomische 
Ersiehung der unteren Klassen durch die oberen ihre Früchte. 

Becher fasst die Schattenseiten der Klubs in folgenden 
Worten zusammen: Thegeneral imperfections of Friendly Clubs, 
as far as a measure of public policy, seem so me, that, being 
held at ulthouses, they lead to habits of idleiiess and intoxi- 
cation ; that the funds being managed exclusively hy the mem- 
bers, who are necessarily interested, great frands and injustice 
frequently prevail; that the ignorance respecting the pnnciple 
of Compound interest and the mode of investing their fands, 
prevents their availing themselves of the pecuniary opportuni- 
ties presented; that the calculations are in almost eveiy in- 
stance erroneous; indeed, on inquiring concerning every society 
which has invested any portion of its capital in the Bank of 
Kugland, I found that several have declared themselves insol- 
vent, and concerted arrangement, to prevent a total failure; 



j^eiy cornnMooe by giving the feast gratnitoiisly, with ezcwing memben 
from pay^Mg the sums stipulated according to the mies for funerals, and 
CTBAte other defideDciee according to their discretion. S. 30. — I hafo 
^owv the eontribation rednotd ud advaneed Mvenl tfmes io tbe p«riod 

of 30 ycars; at other times the Itoek is drafted, that is, apportioned partly 

amOD^ 8-35 the too frrqupnt tnilure of their own 

BOciet>6®' 8. v9. — Th^ are perpetually distovenug their errors 

S. 94. appears from the calcnlatioDB 1 h&Te nade that they oeanot pot- 

^) ^^^^ ®^ Kvidence. .S. 49. 
«) S. 55. 



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V. 1. 



12S 



aiid I scarcely tind any wlücb, io my estimatiou, were eom« 
pletely solvent 

Die Folgen solcher Zustände für die Weiterentwicklung der 
Hilfskassen waren mannigfach. In Vereinen, welche nicht voU- 
stiiadig unter der Vormondschaft der Bierwirthe und der 
oben gekennzeiehneten Sekretäre standen, war ein BedOifhiss 
nach Belehrung, ein ausgesprochener Wunsch nach Beflsemng 
des Znstandes vorhanden. Oliphant und Andere bezeugen, 
da&s sie fortwährend um Rath angegangen werden Glenny 
erzählt, dass er Briefe aus allen Theilen des Königreichs habe, 
welche um Hilfe und Unterstützung bei der Abfassung der Sta- 
tuten und Tabellen bäten. They seem tho lock for sonie hig- 
her antbority than at present exists, fügt er lunsu*). 

Diese Aussagen bestärken uns in der Ueberzei^gung, dasB 
der Widerstand, welcher sich gegen die staatliche Einmischung 
zum Wohle der ärmeren Klassen erheben kann, nicht aus den 
Kreisen wohlunterrichteter Arl)eitpr stammen, sondern von Leu- 
ten ausgehen wird, die ein Interesse daran haben, dass der 
• Staat ihr unsauberes Treiben nicht zu genau beobachte, und 
die sich desshalb mit dem Schilde liberaler Phrasen decken. 

Ueber die Art der Hilfe dachten die genannten Männer 
venehieden. Olenny sprach sich für eine Behörde aus, welche 
die Statuten und Regeln aller Vereine z\r prOfen hätte; die 
Thätigkeit der Friedensrichter und der Aktuare wünschte er 
abgeschafft; wären die Statuten und Regeln von der Central- 
hehurde gel)illigt, dann sollte es nur noch einer rein formellen 
Recistrirung durch den clerk of the peace bedürfen*). Oli- 
phant wies deiu gegenüber auf die grosse Verantwortlichkeit 
hin, welche die Regierung bei dem mangelhaften Charakter 
der bestehenden Prämientafeln, durch die Errichtung dner 
Statuten und Tabellen prüfenden Behörde auf sich laden 
würde. Glenny hatte vorgeschlagen, alle nicht von der Centrai- 
behörde anerkannten Vereine für ungesetzlich zu erklären. 
Oliphant glaubte, dass man durch ein solches Verfahren die 
Bildung von Vereinen fördern würde, welche der Einwirkung 
des Gesetzes ganz entgegen wären. Er empfahl die Einsetzung 
von 4 Behörden in London, York, Edinburgh und Dublin, welche 
die Hilfskassen gegen billiges Entgelt bemthen sollten, da- 
gegen den Registrirungsmechanismus in dem früheren Zustande 



') Minutes ot Evidence. b. 30. 

-) I have received a grMt naiiy appUettions (for advice and informa- 
tionl. S. 75. — More than von could conveniently attend toV Certainly; 
1 have been obliged to decline many. And are you DOt aware tbat similkr 
appUcatioBS bave been made (o fentiflaMD in Scotlaad who have takan the 
same interest? — I am qnite aware of it, and it Bbowa the deiira Friendly 
ftocieties have to obtain adviee. 

*) S. 100. 

*) Minutea. S. 



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124 



V. 1. 



zu lassen. — Ausserdem wies Oliphant auf die Notliwendig- 
keit einer periodischen Bilanz hin; diese Maassre^^el isei l)ei der 
verschiedenen Grösse und dem unalei»"hartiaen Charakter der 
Vereine auch guten Kassen sehr zu eniplehlen Dass ilie 
Hilfekasseo sich nicht ganz überlassen werden dftrften, diese 
Uebersengung wird auch noch von andern Männern ausge- 
sprochen. Beclier ist ein warmer Verfechter der PfaiThilfs- 
kasse und der Untei-stützung der freien Kassen durch staat- 
liche Verbände. Er hebt das unausrottbare Grundübel aller 
freien Hilfskassen liervor: das periodisch eintretende Unver- 
möjjen der arlteitenden Klassen, ihre Prilmien zu zahlen. ' 
Sollteu nun eine Reihe von ungünstigen Ereignissen die Ehren- 
mitglieder an der Unterstfltzung der Vereine verhindern, dann 
mflsste ein grösserer Verband für sie eintreten: die Pfarre 
oder die Grafschaft. Nur gegen regelmässige Beiträge dersel- 
ben verwahrt er sich ; er wünscht die Kassen auf eigenen Füssen 
zu sehen, doch muss nach seiner Ansicht die Gesammtheit für 
Fin/.i'hie und ganze Klassen in jenen volkswirthschaftlichen 
KraTikheitszustanden einstehen, welche von unserer heutigen • 
Wirthschaftsordnung unzertrennlich sind *). In dieser Lage 
wollte bekanntlich auch Gilbeit einen Zuschuss eintreten 
lassen >). 

Finlaison^) wiederholte den Vorschlag, welchen wir im 
vorhergehenden Kapitel zu erwähnen hatten, die Hil&kassen 

sollten sich nur mit der Krankenversichening beschäftigen, 
alle anderen Zweige der ArbeiterversicheruiiLi aber dem Staate 
überlassen, da er viel besser dazu im Stande wäre •'). Finlai- 
son war kein idealer Jüngling, welcher sich mit socialistischen 
und communistischen Studien beschäftigt hatte, sondern der 
Prineii»al Accountant der englischen Staatsschuldenverwaltnng 
und mit dem staatlichen Versicherungsgeschäfte wohl vertraut. 
Für den praktischen Blick des Mannes zeugt es auch, dass er 
das Versicherungsgeschäft dei- Vermittlung der Sparbank über- 
tragen wollte, ein Vorschlag, der in den dreissiger Jahren 
zur Ausfuhrung kam. 



') a. a. 0. S. 7n. 
Minutes of Evideoce. S. 33. 

*) Becher war auch der Meinung, dass man eine eben begründet« 
Kasse staatlich unterstützen dürfe. I conceive pauperism to be the evil 
against wbicb we bave principally to « ontf'nd; every arrangemeut, that, in 
feeling or in fuct, removeü an industrious man hirtüer trom that humilia- 
tiog dcgradation, makes him a bettcr and a happler menber of aodetr. 
a. a. 0. S. 33. 

♦) a, a. 0. S. 78 und 91. 

Bat the greateat advantage will be foond to exitt In the eertaintf 
that these provident persons would bave of realizing tbe Im iK^fit which thof 
expect, inatead of the very great uncertainty wbicb at prescnt nrevaiis 
hj tho too freqnent i'ailure of their own societies. Minutes 
of Eridenoe. S. 02. 



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V. 1. 



125 



Doch begeben wir uns aus dem Bereich der Discussioa 
auf (las Gebiet der Thatsachen. 

Der ungenügende Zustand der Hilfskassen regte in prak- 
tischen Männern den Gedanken an, denselben Konkurrenz 
zu bereiten. Den Arbeitern nahestehende Personen gründeten 
Gegenseitigkeits-Vereiiie auf gesunder Basis, theilweise wohl 
tun sich als SekretSien derselben eine Lebensstellung su er- 
werben; ausserdem bildeten sich Aktiengesellschaften, welche 
die Ziele der Hilfskassen verfolgten. 

Der bedeutendste und erste jener Vereine war ,The Royal 
Union Association*. Sie wurde von Glenny gegründet und von 
der Nobility und Gentry Englands patronisirt. Sie war zwar 
ein selbstverwaltender Verein, aber Glenny leitete sie mit dem 
technischen und geschäftlichen Geschicke eines Yersicherungs- 
beamten. Jeder Zweig der Versicherung hatte seine beeondem 
Prämientabellen, und man konnte wählen, in welchen man sich 
aufnehmen lassen wollte. Daneben verfolgte sie weitere, an 
Edensche Pläne anklingende Zwecke: sie gedachte die Errichtung 
und Verbessemng von Hilfskassen im ganzen Königreiclic zu 
befördern, indem sie Preise für die Gründer der besten Ge- 
sellschaften aussetzte und Pei-sonen, welche gute Verbesserungs- 
voi"SchIäge, z. B. über Buchführung, über die Art statistischer 
Erfahrungen etc., machen würden, zu belohnen versprach 
FOr diese Gesellschalt berechnete Glenny mehrere Tabellen, 
welche wir auszugswdse folgen lassen *). In der Folge wurden 



Minates oi Evidence. S. 6ö und 87. 
*) Nr. 1. Table showintc the Monthly Gontributions reauired for Inso- 
riog Weekly Allowances, MecUcal Att^dance, and Medicine auring Sickness, 
and Anaoitiet in Sapenuumation; calculated for the Boyal Union Asso- 
ciation. 



Weekly 

1. Bed-lying Pay 

2. Walking Pay 

3. Per VVeek at 65 

4. Per Week at 70 


B. d. 

4 0 

2 0 
0 6 
i 1 0 


a. d. 

8 0 

4 0 

1 u 

2 0 


8. d. 

12 0 

0 0 

1 6 
3 0 


s. d. 

16 0 

8 0 
2 0 
4 0 


t. d. 

90 0 

10 0 
2 6 
5 0 


B. d. 

94 0 

12 0 

3 0 
6 0 


B. d. 

48 0 

24 0 
6 0 
12 0 


Age ander 
21 

23 
28 

• * • 

51 


1 

1 1 

1 1 

Iii 

1 

1 

2 2 

1 


1 7 
1 7 
1 7 
1 8 
1 8 

3 9 


2 0 
2 0 
2 1 
2 1 
2 i 

5 4 

1 
■ 


2 6 
2 6 
2 7 
2 8 
2 9 

6 n 


3 0 
3 0 
3 1 
3 2 
8 3 

8 6 


3 5 
3 6 
3 7 
3 8 
8 9 

10 1 


6 8 

r> 

6 7 
6 9 
6 11 

19 7 



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126 V. 1. 

noch mehrere Vereine dieser Art gegiUndet, welche sich jedoch 



Nr. 2. Table showing the Monthly Contributions required for secu- 
riDg Sums of Money payable at Dsathj' caiculaied for the Royal Union 
Anodation. 



Som ' 
iDiimd ! 




£ 10 


£ 15 


£ 


20 


£ 25 


ä 30 


£ 40 


£ 50 


£ 100 


Age imder 


8. 


d. 


s. d. 


s. d. 


8. 


d. 


s. 


d. 


s. d. 


sTd. 


8. d. 


8. d. 


14 ' 


0 


6 


0 s 


0 10 


1 


0 


1 


2 


1 4 


1 ö 


1 11 


j 3 6 


SO 1 


0 


7 


0 9 


0 11 


1 


1 


1 


8 


!l 6 


1 10 


. 2 2 


' 4 0 


36 

• • 


0 


8 


0 11 


l 8 


1 


s 


1 1 


8 


1 11 


2 6 


2 11 


S 6 


• • 


0 


9 


1 2 


1 7 


1 


11 


2 


3 


2 8 


3 6 


4 2 


7 11 


77 


1 


2 


1 10 




1 


3 


4 


0 


4 S 


6 2 




14 9 






t 










4 

\ 









. ^1^* 8. Table sbowiiu; the Monthly Contributions required for secu' 
nng ummnA Annnities caleidated for the Royal Union Association. 

£ 20 per Aonum to commence at the following Age. 



Age ander 


|l 55 yeitfs - 


60 years 


65 


years 


















f 






d. 


s. 


dT 




1 2 


10 




11 


1 


4 


• * 


1 . . 


• • 


• 


> • • 






85 
• • 


l 9 


4 


5 


5 


3 


2 


40 


1 


• • 


7 


9 


• 

4 


• • • 

5 


• • 


• • 


• • 


« 


• • * 


* 


• • • 


45 


ii — 








6 


4 



«iation wni *''*®^®°^ Annuities. — For everj- £ 100 deposited, the Asso- 
depoaitlwjg Annnity pUced opposite the Age of the party 

dieser Versicberunfrezweig 

i, - ^var eigentlich nicht ge- 

5 19 10 setdidit denn nach dem 

^± 6 Q 8 ^ fiosctz waren F. S. nur 

^ 6 1 6 ( solche Vereine, die durch 

— — — regelmäss ge Beitrage klei- 

ner Summen ein Vermögen 

70 Ol. ansammelten. 




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V. 1. 



« 



127 



streng auf das Vei-sicheningsgeschäft beschränkten. Der Natur 
der Sache nach entstanden sie in grossen StUdten. Es traten 
ihnen voraugsweise grossstädtische Arbeiter bei, welche nicht 
auf das Klub vergnügen der ländlichen Tagelöhner niigewiesen 
waren, die das Wesen der Versicherung besser begrilfen und 
wenige Beziehungen zu einander hatten. In diesen Vereinen 
▼erkQmmerte allmählich und erstarh endlich die gesellige 
Seite der alten Klubs, wie die Selbstverwaltung allmählich aas 
den Händen der Mitglieder ^tt und auf die Sekretäre Ober- 
gintr. So entwickelte sich jene nüchterne, moderne Form der 
Hiifskasse, welche nach Tidd Pratt's Vorgang die Engländer 
the ordinary large society nennen. Der , Standard*, welcher im 
Jahre 1828 entstand, ist die bedeutendste der ersten Exemplare 
dieser Gattung. 

Die früheste AktiengesellBchaft war ^The General Benefit 
Insurance Company*, gegründet im Jahre 1820. Als der 
Sekretär derselben vor dem Ausschusse von 1825 vernommen 
wurde, hatte sie schon 45nC) Mitglietler, darunter 3320 Unter- 
stützungsberechtigte Eine andere ,The Mutual Insurance 
Benefit Institution* liess sich als Hiifskasse einschreiben. 

Ein Zeuge -) vor dem mehi fach genannten Ausschusse 
bringt mit dem unsicheren Charakter der Hilfskasseo die 
GrQndung von nur auf kaize Dauer berechneten Vereinen in 
Verbindung. Die Mitglieder derselben sicherten sich durch 
Ihre Beiträge nur eine Unterstützung in Krankheitsfällen, den 
Kassenrest theilten sie am Ende des Jahres. Die Vereine 
wurden daher „dividing societies'* genannt. Diese Kassen sind 
in gewissem Sinne auch eine Verwirklichung von Fiulaison's 
Plänen. Zweifellos kann ein so primitives Versicherungswesen 
hohen, socialen Anforderungen nicht entsprechen. Betrachtet 
man aber die traurige Lage mancher Arbeiter, welche nach 
jahrelanger Mitgliedschaft an zahlungsnnfthigen Hiifekassen, 
doch dem Elend und dem Arbeitshause anheimfielen, dann 
wird man diesen Ausweg nicht nur nattirlich, sondeni sogar 
vortheilhaft finden. Die Freizügigkeit und grosse, nur kurze 
Zeit dauernde Unternehmungen begünstijiten ihre Entwicklung. 

Wir werden in den nächsten Jahi-zehnten, welche den Auf- 
schwung des Eisenbahnwesens und die Bildung nomadischer 
Arbeitermassen sahen, noch häufiger auf dieselben stossen^. 



S. ÖO u. 82: „It was upon a consideration of the abuses exiatiüg 
in Friendly Societtet .... tbat ioduced the formatioD of that todoly ii 
die outset." 

«) S. 94. 

The torm in which dividing clubs are most common is as shop 
ebbs . open to the members of a woiluhop so long as they eontinne to 
work there. in which caso the suhscribers naturally do not wish to acca> 
mulate a tünd which thev may have to leave behind them. The Hon. 
E. L. Stiakiy'i Report London 1874. S. 25. 



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128 



Nachdem wir die Schilderung der Hilfskassen der zwan- 
ziger Jahre soweit geführt liaben, erinnern wir an die unge- 
nügenden Reformen des Gesetzes vom Jahre 1819, welche so 
wenip den weitblickenden Planen Courtenay's und anderer 
Muuner euLsp rächen. Trotz all der vorausgesehenen Miss- 
Stände, welehe dieses Gesetz mit sieh brachte, wird von ter- 
schiedeoen Seiten bezeugt, dass die unter demselben Ange- 
schriebenen Hillskassen sich vortheilhaft von den froheren 
unterscheid«! 

Aus den Aussagen orfribt sich zur GenOpe, einen wie 
schweren Fehler das Parlament im Jahre 1819 machte, als 
es eine Centraibehörde von Berufsbeamten verwarf. Aktuare 
gab es nur wenige, die Fnedensrichter thaten ihre Pflicht 
nicht, und Trustees von den geforderten Eigenschaften konnte 
man nur in wenigen Fällen hndeu. Dalier in den meisten 
Fftllen eine gänzliche Unwirksamkeit des Oesetases. 

Eine solche Lage der Dinge betrachtet der englische Radi- 
kalismus als eine Tollgiltige Bestätigung sdner These, dass 
kein modernes Volk eine Klasse besitze, welche im Besitze 
höherer pohtischer Weislieit und grösserer Kenntnisse als die 

tlbrigen Klassen sei. Die Konsequenzen, die sich aus einer 
solchen Prämisse ergeben, sind die Forderung einor aiisp:edehn- 
ten Se1bstverwaltun«r, des Parlamentarismus, worin eingeschlossen 
ist, dass die gesetzgebende Versammlung: als höchste Norm den 
Willen des Volkes betrachten soll, da sie doch nichts Bes- 
seres zu schaffen im Stande sei. Wir wollen nicht die Frage 
anfwerien, ob nicht die These von der intellektuellen Homo- 
genität eines Volkes zur UnterstQtzung der genannten For- 
derungen erfunden worden ist, noch die andere, ob nicht die 
Geschichte der englischen Gesetzgebung oder Vcrwaltiintr die 
FiUtwicklung derselben gefördert hat. Wir wollen blos aus- 
sprechen, dass man Nichts gegen das Berufsbeamtenthum be- 
weist, wenn man seine Funktionen in die Hände von Leuten 
legt, welche keine Berufsbeamten sind. 

Die englischen Friedensrichter hatten, uocli haben sie die 
edleren nur die unedleren Motive, welche einen Berufsbeamten 
zur gewissenhaften Eribllung seiner Pflichten bewegen. Die 
rechtlichen Geschäfte, welche ihnen die Registrirung der Hil&- 
kassen auferlegte, nahmen sie besonders lau. Im ersten 
Kapitel sahen wir schon, dass an manchen Orten ihre Ge- 
setzeskenntniss so gering Aar, dass sie Statuten genehmigten, 
ohne dazu befugt zu sein. Hier hören wir von ähnlicher T'n- 
kenntniss. Sie registrirten Paragraphen, welche dem Gesetze 
schnurstracks widersprachen, z. B. dass eine Kasse ihre Statu- 



>) Minates of Evidenoe. 8. 87. 65. 89. 



. ij i^ud by Google 



V. 1. 



129 



ten nur mit Vs Migoritftt abimdeni dürfe 0; Vereine waren 
bestätifit worden, welche regelmftssige Beitra^re für Mit^eder 

im Gefängniss erhoben, eine unzeit^emässe Reliquie aus der 
Gildezeit*); eine Aktiengesellschaft hatte man registrirt^X ob- 
gleich das Gesetz sich nur auf Vereine auf Gegenseitigkeit 
bezog. Das liesse sich noch bis zu einem gewissen Grade ent- 
schuldigen, da es Sitte, obwohl eine sehr schlechte Sitte war, 
dass ein Sachwalter die Registrirung der Hilfskassen beantragte, 
und dass die Richter auf das Wort des Advokaten, die Statu- 
ten seien dem Gesetz entsprechend, dieselben bestätigten, ohne 
sie gelesen zu haben. Der Advokat las sie auch nur ober- 
flächlich *). Jedenfolls deutete das Verfahren auf Nachlässigkeit 
und Mangel an Gewissenhaftigkeit. Von der Existenz dieser 
Eigenschaften werden uns noch andere vollgiltige Beweise 
gegeben. 

Das Gesetz vom Jahre 1819 hatte den Friedensrichtern 
gestattet, allgemeine Nonnen fUr die Bildung der Hilfskassen 
anfrustelien. Das war nur In WStshire und Gloucestershire*) 



Minutes of Evidencp. S. 62. 
*) „l do not tbiok tbere is an otgection made by magistrates gene- 
rally to die infNrisonnieiit bcanne Ün&n un w mnj lociettot wUdi naTo 

it.** S. 39 auch S. Gl. Ein clerk of the peace vertbeidigt das Verfahren; 
darüber erhebt sich eine geradezu lächerliche Diskussion, ob Gefangenschaft 
natural contingency cah ulable by way of average" sei. Der Beamte 
^ndet .,tbe terms are veiy general". S. 64. 66. Ein Zeuge erzählt, dass 
ein Mitglied das Gefängniss nicht habe verlassen wollen, da durch die 
Beitrage der Hilftkasse Desser für ihn gesorgt sei, als im Zustande der 
FMittt S. 90. 

■'s S. -0. Diese Gesellschaft suchte von vornherein die Versicherten 
zu betrügen, indem sie ihnen vorspi^elte, sie habe 20 000 ^ KapitaL 
Seite ♦U. 

*) 39. (A, 98. 

•^j Die Vierteljahrssitzungen der Grafschaft Gloucester ernannten nach 
Lrlass des letzten Gesetzes einen Ausschuss von 5 Personen , welcher das* 
selbe genau iwOfte. Eins der BfiteHeder, ein Geistlicher, namens Richard 

Wetherall, rntwarf verschiedene Tabellen, damit nicht jede (icsellschaft 
genöthigt wäre, Aktuare zu konsultiren. Dieselben wurden von Mor- 
<;an und Frend bestätigt und in der Amtsutube des clerk of the peace be- 
hi>sen, wo sie jeder HflfclnMltm nur Einsicht offen lagen. Wir lassen einige 
der 24 Tabellen folgen, om dne deutliche Ansehenmis der Methode der* 
selben zu geben. 



L 




Allowance 



Contribution 



In Si^kness 

Not 8 B. per iveek ibr the 
eiceeding nrst 20 weeks 



25 6 s. per week for the 
next 26 weeks 
4 B. per week tili re- 



1^ 2 to- 

wards the 
Funeral of 
a Member 



Per Menth 

Eleven 
Pence 



covery 

rtnehnag« (») Y. 1. - HMbacb. 



9 



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ISO 



V. 1. 



geschehen ^). Weiter wai* ihnen im Interesse der Bildung grosser 
Vereine empfohlen worden, hei der Bestätigung von neuen Hilfs- 
kassen sich danach zu erkundigen, oh sich schon Geselltschaften 
an dem Orte befänden. Beweise dafür, dass sie sich an diese 
Bestimmung gekehrt hätten, liegen nicht vor*). Ausserdem 
war ihnen die Nachforschung nach der Qualifikation der Trus- 
t666 Kur Pflicht gemacht worden. In vielen Ftilen kOmmerten 
sie sich gar nicht dämm, ob der Tmstee wirklich mit 50 £ 
zu den Armensteuern eingeschätzt war. Darüber sind uns 



IV. 



Age of 

Aamis- 

SiOD 


Allowaace 


ContribiitioB 


Not 

exceediog 
80 


In ^ ick IIP.-? ' 

8 B. per week lor the.^ s. perji^ 2 to- 
nnt 26 ireeks Iweek to ajwards fhp 

6 8. per woek for tlic meniber 'Funoral of 
next 20 weeks pnst G5 Member 
4 8. per week tili re- yeara of 
oo^eiy lageunable; 

jto eam48.: 
1 P- w. i 

XX. 


totbe 
WIdow er 

lative of a 
Memlier 


Ppr \lnntli 

Eighteen 
Penoe 


Age of 
Aamis- 
sion 


Allowance 


Contribution 


Not 
exeeeding 
dO 


In Sickness 

6 8. etc. 
i 8. elc 
3 8. etc. 


8 s. per 
week etc. 

XXIV. 


£ 2 etc. 


£ 10 etc. 


Per Month 
Kighteen 
Fenoe 


Age of 
Admis- 
sion 


Allowance 


Contribation 


Not 
eneediDg 
40 


In Sickneas 

6 B. etc. 
4 8. etc. 
8 8. etc. 


d, 2 towards tbe 
Fonenlofa Member 


Per MoDtb 
Elevea Peooe 



Siehe Appendix A. 4. to Report from tbe Select Committee etc. 8. 112. 

M Report from tbe Select Committee on tbe Lawa respecting Friendly 
Societies. b. 20. 

*) a. a. 0. 8. 11. 



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131 



klassische Zeugnisse aus dem Munde eines Clerk of tlie Peace 
und eines Fried ensriditei-s erhalten. Der Erstere wird fjefragt: 
^What Steps are taken to ascertain the sufticiency of the trus- 
tees?" Er antsvortet: The inafiistrates take no Steps V). Dr. 
Daniel Quarrier, ein Fnedensrichter für the County of Süut- 
hampton erwidert auf die Frage: What meai» did the bench 
take to ascertain tbat the tmstees were properly qualiiied by 
the amoiint of their assessment? — I have never heard that 
any inquiry was made into that; no inquiry was made until 
the last sessions^). Er berichtet jiiisserdem, dass verschiedene 
Vereine ohne Trustees gCfrrUndet worden seien ^j. 

AVenn die Friedensrichter ihre Pflicht thaten, dauerte es 
manchmal sehr lange, bis der Verein registrirt wurde. Ein 
Zeuge sagte aus , dass er fast 2 Jahre habe warten milssen, « 
ehe der Verein eingeschrieben wurde ^). An einer andern 
Stelle geschah dieselbe Procednr in 48 Stunden. Ein anderer 
Zeuge musste sich 6 Monate gedulden'). 

Ueber die Kechnungsbeamten, welche bekanntlich 
die Prämientafeln der Vereine zu prüfen hatten, ehe sie den 
Friedensrichtern vorgelegt werden konnten, lässt sich nicht 
viel Gutes sagen. Ueber dieselben findet sich im Ausschuss- 
bericht folgende Stelle: „Wer sind denn Uechnungsbeamte von 
Beruf oder im Rechnungswesen ei-fahrene Personen? Und auf 
welche Weise sollen sich die Friedensrichter Ubeneugen, 
dass diejenigen, von denen die Tabellen unterzeichnet sind, 
wirklich dem Begriff eines erfahrenen Rechnungsbeamten ent- 
sprechen? Ihr Ausschuss hat aus jeder Grafschaft eine Zu- 
saniiiienstellunR aller Personen verlangt, auf deren Begut- 
achtung hin die Prämientabellen genehmigt worden sind, und 
au? einem Blicke auf die Namen, verbunden mit genauerer 
Auskunft, welche die Mitglieder des Ausschusses gegeben 
haben, ersieht Ihr Koroite, dass sich in vielen Grafschaf- 
ten die Friedensrichter mit der Unterschrift von unbedeu- 
tenden Scfaulmeistem und Rechnungsrevisoren haben begnügen 
müssen *).^ 

TTm die finanzielle Sicherheit der Vereine zu begründen, 
und um die Bildung von grossen Vei-einen zu befördern, hatte 
das Gesetz von 1Ö19, wie man sich erinnern wird, die Be- 



1) IfiBateH of Eridence. S. 65. 

«) a. a. 0. S. 98. 

a. a. 0. S. 99. 
*) a. a. 0. 8. 88. 

a. a. 0. S. no. 

Keport. S, 12, 18. Morgan sagte vor dem Ausschusse, dass die 
Regeln bestätigt worden seien von Leuten ,,who call them eelves actuaries 
vbo are nothing bot leboolmasters and aceonntiots, and Bome of the 
tables eiceediogly ivroDg. The mischief is now rery great". Minotee. 
ß. 52. 

9* 



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182 



Stimmung getroifen, dass die Treuhänder \volilhal)ende, mit 50 
zu den Armensteuern eingeschätzte ,householders' sein sollten. 
Es stellte sich bald heraus, dass bei den geltenden Bestim- 
mangen über die Eiaachfttgung zur Armensteaer viele wolü- 
babende und ebrenbafte Leate von der Beklddnng solcber 
Stellen nusgescbiossen waren, da sie ibre Hftuser und Güter 
verpachtet hatten. So war es schwer geworden, passende 
Kassenbeamte zu linden Wenige qualitizirte Personen waren 
geneigt, sich mit den Kassenangelegenheiten zu beschäftigen. 
Diejenigen, welche die Bürde auf sich nahmen, wollten ihren 
Nutzen davou haben '^). „Sie haben alle Bedienstete im Ver- 
eine aogeetellt,'' sagt ein Zeuge, „und alle Lieferanten und 
baben sieb zu Hauptlieferanten gemaebt Das hat der GeaeU- 
Schaft grossen Scbiulen sugefQgt und sie baben weiter- 
hin einen Sekretär gegen den Willen der andem Beamten im 
Amte erhalten, lange Zeit nachdem seine Bücher grosse De- 

ticite aufwiesen Ich veimuthe, die Trustees sollten dem 

Vermögen mehr Sicherheit verleihen, und liier liegt ein 
Fall vor, wo das Vermögen mehr als unter dem irüheren Ge- 
setse verscbleudert werden ist*).** Zweifellos lag bier die 
Hauptschuld an den Mitgliedern. Denn im Gesetze stand 
Kichts von diesen Machtbefugnissen der Kassenbeamten, wenn 
auch der Wortlaut des 22. Paragi*aphen sehr unbestimmt war. 
Ohne dass der Zeuge die Manipulationen der Trustees offen 
dargelegt, kann man sich vorstellen, zu welchen Missbräuchen 
beispielsweise die Erlaubniss, das Vermögen der Kassen hypo- 
thekarisch auszuleihen, einen gewissenlosen Mann veranlassen 
konnte. Yielleiebt bat auch den Einen oder Andem die Leichtig- 
keit, mit der er das Vermögen der Kasse in den Sparbanken 
unterbringen konnte, dazu verführt, auch seinen eigenen Kapi- 
talien einen hohen Zins zu vei-schaffen. 

Wir haben damit die Zustandsschilderung der Hilfskasse 
beendigt. Werfen wir einen Rückblick auf die Hauptpunkte 
des entworfenen Bildes: die Betrunkenheit der Mitglieder bei 
den Klttbversammlungen , deu inneren Hader, den Beti-ug der 
Mitglieder gegen einander, den Kassendiebstabl der SekrefSre, 
den Missbrauch des Schiedsgerichts, die Anschuldigung, dass 
sie häufig Gewerk vereine in sich bergen, die ungesetzmftssige 
Auflösung, den schmilhlichsten Zusammenbruch, dann begreift 
nian leicht, warum die Feindschaft gegen diese Vereine nicht er- 
lischt. Immer wieder wird die Sparbank als die bessere Institution 
^S*oWen, und die Hoffnung ausgesprochen, dass dieselbe die 
nilnkasse bald ganz verdrängen werde. In der Abneigung 
sie vereinigen sieb aus den yerschiedensten Gründen 

Uinnt«t of Evidence. S. 99. 
,) a. a. 0. & 6S. 
S. 62. 



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V. 1. 



133 



liberale Fabrikbesitzer, welche die Gewerkvereine fürchten und 
die richtigste Form der freien Hilfskasse, n.inilich die ein Ge- 
werbe umfassende, unterdrückt sehen wollen, Tories, welche 
die Organisirung des Volkes in freie Vereine fürchten, Geist- 
liche, welche über dem Wirthshausbesuch der Mitglieder den 
Nutien der HOfikatten flbenehen, weiter die Patrone der 
Sparbftnken, sowie die in vollcswirthsebaftlichen Dingen un- 
wissenden Zeitungen, meistens der Widerhall des Widerhalls, 
endlich, von ihnen wieder beeinflusst. diejenigen Leser, welche 
diesen Angelegenheiten fern standen 

Ziehen wir nun weiter in Betracht die Nachlässigkeit, die 
Unwissenheit, die Gewissenlosigkeit der Friedensrichter, die 
krasse Ignoranz der vorgeblichen Aktuare, die Selbstsucht der 
Kaasenbeamten, den Betrug der Sekretäre, dann versteht man 
den lebhaften Wunsch nach einer neuen gesetzlichen Regelung 
dieses llilfskassenwesens. Zur Erkenntniss der Zustände trug 
eine Broschüre bei, welche Glenny zugeschrieben wird, und 
die den Titel fuhrt: ,Considerations on the Necessity of Ap- 
pointing a Board of Commissioners for the Protection and 
Encouragement of Friendly Societies. 1824/ Wie aus dem 
Titel zu ersehen ist, suchte er darin die Idee einer schützen- 
den, aofinunternden, berathenden Behörde zu Yerbreiten. 

Das Parlament ernannte einen Ausschuss, welcher die Ge- 
setze ttber das Hilfskassenwesen einer genauen Untersochttng 
unterziehen sollte. Zum Vorsitzenden desselben wurde Thomas 
Peregrine Courtenay ernannt. Der Ausschuss vernahm Zeugen vom 
8. Marz bis zum 21. Juni 1825. Die Gediegenheit, mit welcher 
englische Gesetze oft vorbereitet werden, tritt in diesem Falle 
besonders hervor. Der Ausschuss war bemüht, das gesammte 
vorhandene Material zusammenzutragen, um das Parlament 
ans den besten Quellen zu informiren« Mit dem Hnftkassen- 
wesen vertraute MiUiner: Aktuare, Aerzte, Gründer tou Ver- 
den, Sekretäre, Kassenbeamte, Beamte der Selbstverwaltung 
wurden^ vorgeladen und theilweise mehrmals verhört. Wir er- 
wähnen unter andern Becher, Finlaison, Frend, Glenny, Milne, 
Morgan, Oliphant. Unter dem 5. Juli 1825 veröffentlichte der 
Ausschuss seinen in diesem Kapitel schon so oft angezogenen 
Bericht unter dem Titel: „Report from the Select Committee 
on the LawB respecting Friendly Societies". Es ist ein statt» 
lieber Folioband von 177 Seiten. Er übertrifft an inhaltlichem 
Werthe, an trefTlicher Verarbeitung und Gruppirung des 
Stoffes, sowie an Klarheit der Darstellung die meisten, welche 
über diesen Gcj^'onstand verriffentlicht worden sind. 

Die Punkte, über welche der Ausschuss dem Parlamente 
Vorschläge zu machen hatte, betrafen also das Verhältniss der 
Hilfskasse zur Sparbank und zum Gewerkverein, die Reform 



Siehe hinftr ancii Minutea of Evidence. S. 42 und 92. 



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134 



der gelteiulen Bestinuniingen über die Tieuliiinder, die Frage 
der Zulassifjkeit eines Scliieds;:eiiclits, die Wahl der PrUiin'en- 
tafeln und die Zweckmässigkeit der Einsetzung einer Centrai- 
behörde. 

Ueber den Unterschied von Sparbanken und Hil&kaasen^) 
verbreitet sich der Bericht in so meisterhafter Weise, dass 

von da ah die Meinungen über die verschiedenen Ziele und 

das Recht der beiden Institute, neben einander zu existircn, 
geklärt waren-). Wir können uns nicht versagen, einige Stel- 
len zu ü))ertragen. da es auch jetzt noch einseitige Sparbanken- 
enthusiasten giht^). Der Au.sschuss leitet eine Erörterung mit 
einem Passus aus der genannten BrosciiUre von Glenny ein, 
worin dieser Schriftsteller die Frage stellt, ob die einseitigen 
Veriechter der Sparbank geneigt wftren, ihre Feuerversidie- 
rungsprilniien zu sparen. Dann fährt der Bericht fort: «Der 
billigste Weg, sich gegen jedes zufällige Ereigniss zu sichern^ 
besteht in der Vereinigung mit Andern: in der W^ise, dass 
Jeder sich einer kleinen EiitbehrunLr aussezt, damit Niemand 
einen gruhsen Verlust zu erleiden braucht. Derjenige, welchen 
das Ereigniss nicht tririt, erhält sein Geld nicht zurück, noch 
erhält er dafür irgend einen sichtbaren oder fühlbaren Vor- 
theil: aber er erlangt Sicherheit gegen den Roin und folglich 
Gemüthsruhe. Das Mitglied einer Sparbank« nicht Deijenige, 
welcher einer Hilfskasse beitritt, ist in Wirklichkeit der Speku- 
lant. W^enn ihn keine Krankheit in den Jahren seiner Kraft 
und Thätigkeit befällt, und er stirbt, ehe er zur Arbeit un- 
fähig wird, ist er in seiner S|ickuliition LiUicklicli gewesen: 
wenn er aber in einer irUheren Periode krank werden, oder 
ein hohes Alter erreichen sollte, verliert er viel; denn seine 
Ersparnisse nebst Zinsen werden ihn nur eine kurze Zeit in 
der Krankheit erhalten, oder, selbst wenn er etwas fttr daa 
Alter zurückgelegt haben sollte, wird die Jahrespension, welche 
er dann zu kaufen im Stande ist. nachdem er für gelegent- 
liche Krankheiten gesorgt hat, weit geringer sein, als diejenige, 
welche er erlanjit haben würde, wenn er eine Berechtigung 
auf die N'ortheile der gesammelten Ersparnisse aller Derjenigen 
erworben hatte, welche jalirelancf zu einer Altersrentenkasse 
beigetragen haben, ohne (las zum Genuss der Rente nöthige 
Alter zu erreichen," 



Die verschicdone sociale "Stellung der Mitglie'ier der Ililfskasse und 
der Sparbank beleuchtet Becher in einem einzelnen Falle lolgendermaassen : 
in der Sparbank besteht aus MS Mitgliedern nur ein Drittel aus Arbei- 
tern und den dienenden Klassen angehangen Leuten; aber in den Hilfs* 
kassen sind 4 entweder Arbeiter oder ^servants", welche ohne den 
Verein in Krankheit oder Alter von der Pfarrei uaterlialten werden mUss- 
ten. Minutes of Evidence. 8. 32. 
■-) s. 8, 10. 

^1 Siehe z. B. Oppenbeim's Aufsatz über das englische Hilfskassen- 
Wesen. Preuss. Jahrb. II. 1874 



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V. 1. 



135 



^Eine gemeinsame Kasse .... ist nicht wenitjer augen- 
scheinlich für (las Interesse des Publikums. Der unglückliche 
S^kalant, welcher in dem letzten Beispiele beschrieben wurde, 
mit andern Worten, der Einleger in eine Sparbank, der in 
dauernde Krankheit fällt, oder das Greisenalter erreicht, mosB 
entweder verhungern oder sich ganz oder theilweise an seine 
Freunde oder Nachbarn seines Unterhaltes wegen halten. In 
diesem Lande werden ihn die Armengesetze zur Last seines 

Kirchspieles machen Die Pfarrei wird Alles verlieren, 

was die glücklicheren Spekulanten gewinnen." 

„Ihr Komite möchte nicht bei dieser Verprleichung von 
Sparbanken und Hiltikiisseu für Verkleinerer der cisLcieii ge- 
halten werden; worauf sie das Hauptgewicht legen, ist, dass 
zur Erreichung der besonderen Zwecke, für welche die Hil&- 

kassen passen, die Sparbanken ganz untauglich sind 

Daraus folgt, dass die Sparbanken die Hilfskassen nicht ver- 
drängen sollen: aber es folgt nicht (das ist imderorseits eine 
Folgerung, welche Ihr Ausscliuss energisch abweisen wünle), 
dass die Sparbanken von den Hilfskassen ei^et/.t werden sollen. 
Es gibt Ziele, welche durch iiidividuoiles Sparen und 
durch dieses allein erreicht werden 'müssen. . . . Dem Aus- 
schnsse ist kein Bmspiel einer Vereinigung von Sparbank und 
Hilfskasse bekannt geworden. Er ist der Meinung, dass eine 
solche Vereinigung sehr nützlich sein möchte und dass, wenn 
zu diesem Zwecke, eine Aenderung im Gesetze nothwendig wäre, 
sie gemaclit werden sollte." Hier lag ;ilso von rein ökonomi- 
schem Standpunke eine nocli viel deutlicliero Anregung zu der 
Vereinigten Sj)ar- und Hilfskasse, welche von dem im ersten 
Kapitel schon erwähnten Samuel Best gegründet wurde. 

In welcher Weise der Ausschuss die Behauptung, manche 
Hilfskassen seien nur ein Deckmantel für Gewerkvereine, be- 
handeln wfirde, war vorauszusehen. „Weder die Aussagen, 
welche gelegentlieh vor Ihrem Ausschusse gegeben worden sind, 
heisst es im Report*), noch die Aussätzen, welche dem Ihrem 
Komite überwiesenen Bericht (des Ausschusses über die Com- 
bination Laws) angehängt sind . scheinen die Befürchtung zu 
rechtfertigen, dass die Angaben der Resolution in ausgedehn- 
tem Maasse wahr sind Es ist angeregt worden, dass 

Vereine, welche auf bestimmte Gewerke beschränkt sind, von 
den Wohlthaten des Gesetzes ausgeschlossen werden sollen; 
aber es scheint Ihrem Ausschusse, dass selbst, wenn diese 
Ausschliessung fQr gerecht und billig gehalten wQrde, dieselbe 
nicht die Wirkung hätte, die Kombination zu schlimmen 
Zwecken zu verhindern, sondern die Assoziation für nützHche 
Ziele zu entmuthigen." Nach dieser scharfen Abfertigung des 



1) S. 28. 



136 



V. 1. 



Fabrikantenstandpunktes hörtOD die Klagen und Einfittste* 

rangen auf. 

In Betreff der Treuhänder hält es der Bericht noch ein- 
mal für nützlich , daran zu erinneni, dass der Gesetzgeber mit 
den Bestimmungen bezweckte, jeder Gesellschaft einen Bruch- 
theil von achtbaren und verantwortlichen Beamten zuzuführen, 
und die Bildung von grosseren Gesellschaften zu befördern, 
fOr welche es nieht schwer sein könne, eine hinreichende An- 
zahl von wohlhabenden Trmitees zu finden. Auf den Vorschlag, 
Mobiliar- und Immobiliarbesitz bei der Qualifikation zur Stel- 
lung eines Tinistees in Bedacht zu nehmen, antwortet der Bericht 
indirekt folfiendennaassen. Va übersieht die Schwierigkeiten 
nicht, welche die Zeugenaussagen herausgestellt haben. „Nichts- 
destoweniger ist Ihr Komite nicht in der Lage, einen andern 
Paragraphen als Ersatz anzubieten; der Staat möchte nicht 
berechtigt sein, die wichtigen pekuniären Vortheile, welche die 
staatlichen Schuldverschreibungen bieten, einer Klasse von 
Personen zuzuwenden, für deren Vermögen nieht zwei Männer 
von Vei-mögen (no men of the degree of substance), wie es 
in dem Gesetze vorgesehen i«t, verantwortlich sein wollen. 

„Diese Trustees, in deren Namen alles Eip-enthuni steht, 
sollen den Schatznieister ernennen, eine SiL-heiiieit, deren Bei- 
behaltung Ihr Komite für richtig hält. Es liat Grund zu glau- 
ben, dass Fragen über die Befugnisse der Trustees aufgeworfen 
worden sind. Es hält dafür, dass die bei den Trustees ruhen- 
den Befugnisse die im Gesetze definirten Befugnisse sind und 
sicli nur auf die Sicherheit des Vermögens erstrecken. Diese 
Befugnisse können die Statuten einer Gesellschaft vermdiren, 
aber nicht vennindern ')." 

Auch die Erschwerung der Auflösung einei Gesellschaft, 
welche das Gesetz von 1819 einführte, indem es die Zustim- 
mung aller oder der Majorität der Trustees, welche von der 
Zustimmung zweier Aktuare abhing, forderte, hftlt das Komite der 
Beibehaltung für werth, wenn auch vielleicht in Beziehung auf 
die Aktuare eine Veränderung vorgeschlagen werden möchte. 
Docli i:hiul)t es, dass keine wirksame Vorkehr gegen den Bruch des 
Gesetzes getroffen worden sei. Die Tmstees würden nicht so 
geschädigt, dass sie zur Klage berechtigt wären. Unwissende 
Mitglieder möchten schwer geschädigt werden, aber wenn sie 
eine haare Summe in die Hand bekämen, wenig geneigt 
sein zu klagen; aber auch, wenn sie klagten, mttsston sie 
abgewiesen werden, da im Gesetze nur eine Klasse bei Nicht- 
auszahlung einer Geldsumme vorgesehen sei. Das Komite 
schlägt daher vor. dass 'jegen einen l^ruch des Gesetzes seitens 
eines Trustees, Mitgliedes oder Beamten der Gesellschaft auch 

') S. 20, 21, 22. 



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V. i. 



137 



ohne Klage eines j?eschädipften Individuums auf eine leichtere 
^Veise als durch eine Klage nach gemeinem Rechte^; vorge- 
gangen werden könne. Es mOebte deb vielleicht empfehlen, 
dUB swei FHedensriehter in petty sessions, welche von der 

Absicht, das Vermögen anders als in gesetzmässiger Weise zu 
theilen, unterrichtet würden, das Reidit erhielten, das Ver- 
fahren zum Stillstand zu bringen. 

Das Koinite ist weiter der Ueberaeugun^, dass den Trus- 
tees die Freiheit, das Vermögen der Gesellschaft hypotheka- 
risch anzulegen, genommen werden müsse. Auch sollten die 
Hilfskassen nicht länger ihr Vermögen in die Sparbanken ein- 
zahlen dOrfen, sondern sich direkt mit der Verwaltung der 
Staatsschuld in Verbindung setzen. Viererlei Grfinde bestimm- 
ten den Attsschuss zu diesem Vorschlage, unter andern die 
Erwägung, dass die Gesellschaften, welche vor 1819 einge- 
schrieben wurden, obpjleich sie sich nicht den beschränkenden 
Bestimmungen des Gesetzes von 1819 zu unterwerfen brauchten, 
doch indirekt dieselben Privilegien i^enossen, da ihnen die 
Einzahlung ihres Vermögens in die Sparbanken gestattet war. 
Ausserdem sollen auch dann die Tmsteea ein Zeugniss eines 
,Actuary* beibringen, wenn sie in der Befürchtung, dass aus 
dem Vermögen die fälligen Verbindlichkeiten nicht bestritten 
werden können, sich an die Friedensrichter wenden. Die be- 
schrankte Haftbarkeit der Trustees findet das Koniite .eiiren- 
thümlich", aber es ist auch bei diesem Punkte nicht in der 
Lage, Reformen in Anie^j:ung zu briu^^en. 

Das Schiedsgericht schlägt der Ausschuss vor, vollständig 
ZU unterdrncken, und die Iriedensiichterlicbe Entscheidung in 
allen Streitfällen eintreten zu lassen 

Endlich kommen wir zu dem wichtigsten Theile der Ver- 
handlungen des Ausschusses, nänilirh zu seinen Untersuchungen 
über die vorhandenen Präniientafeln. 

Die Fragen des Vorsitzenden über verschiedene wichtige 
Punkte der Krankenvei*sicherunfr und die Antworten, welche 
er erhielt, verrathen den Mangel an planmässig angestellten 
Beobachtungen. Das Komite suchte darflber in's Klare zu 
kommen, ob Krankheit und Sterblichkeit in geradem Verhftltniss 
zu einander ständen. Finlaison bejahte die Frage, Glenny ver- 
neinte sie. F.r habe z. B. gefunden, dass Verpolder zwar 
kränklicher seien, als Arbeiter in anderen Bcnifszweigen, alter 
nicht, dass ihr Leben dadurch verküi-zt würde. Auch wurde 
verschiedenen Zeugen die Frage vor^^elefit. oi> die Lebens- 
dauer in den letzten Zeiten zugenonunen halte (was Finlaison 



*j ^An indictmeDt at common law"* ^ schrifUiche, vor einer grossen 
Jury vorgebncbte Anklage. 
*) Repoti S. 28. 



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138 



bejahte), ob die Kindersterblichkeit seit der EinführuDg der 
Pockenimpfung abgenommen habe u. s. w. 

Wir erwähnen diese Aussagen nur, um es erklärlich za 
machen, dass auch in andern Punkten eine grosse Abweichung 

in den Ansirhteii herrschte. Allerdings über Eins war man 
einig, die Hochländisclie Tafel wurde allgemein verworfen. 
Die Einen thaten es, weil sie bei den Umständen, unter wel- 
chen sie zu Stande frekommen war, nicht an die Mö-zliclikeit 
eines lichti^'cn Resultates glaubten. Andere, weil die Hochlän- 
dische Tafel zu sehr von der Hypotiiese des Dr. Price abwich 

FinUdson, Joshua Milne, der Aktuar der ,Sun Life Assunmce 
Society*, hielten es bei den existirenden Daten nicht fbr mög- 
lich, eine Krankenversicherun«:: rationell zu betreiben. Beide 
erkliirten, dass sie den Hilfskassen, welche sie um Rath be- 
fragten, rietheu, zwei Kassen anzulegen, die eine für den unbe- 
rechenbaren Theil des Arbeiterversicherungswesens, nämlich 
die Krankenversicherung, und eine andere für den berechen- 
baren, die Alters- und Ueberlebensversicherung. Die vorhan- 
denen Mortalitatstafeln genügten zur Berechnung der Prämien 
dieses Zweiges. Während also in die Kasse der Alters- und 
Ueberlebensversicherungsvei-sicherung regelmassige Beiträge 
flössen, sollte das Krankengeld aus unregelmässigen Umlagen 
nach dem zufälligen Bedüiiniss gedeckt werden ^). 

Dagejien hielten Morgan und Frend an der Priceschen 
Hypothese lest Sie gingen zwar bei der Aufsteilung von 



Folgende Yergleicfatmg nach Becher. Appendix A. 9. 



Nach Dr. Trice 


Nach der Highland 
Society 


Nach Becher 


Jahren 


Wochen 
Krankheit 


Jakreu 


Wochen 
Krankheit 


Jahren 


Wochen 
Krankheit 


Unter .S2 
32-42 
48-51 

51— "iS 
ob— 64 


1,08:« 
1,3541 
1,6249 
1,89Ö7 
2,1666 


Unter -20 
20—30 
30-40 
40-:»0 
50—60 
60-70 


,3797 
,5916 
,68e5 

l,bb06 
5,6637 


10-25 
25—30 
80-40 
40— .jO l 
und zu 65 / 


1,1250 
1,3750 
1,6250 

1,8795 



Wie aus der Tubelle zu ersehen it>t, wäre die Kränklichkeit bis zum 
60 Jahre nach der Hochländischen Gesellschaft viel geringer, als nach 
Price und Becher. Nach 60 steigt sie auf einmal um das I)op]H'!te bis 
Dreifache der beiden andern Tabellen, und der eigenen Kraukheitszififer 
▼on 5U— 60. Die Bechex'scbe nimmt bis sum 51. Jiüiro ein hdherea Krank- 
beittquantum an, als die Price'sche. 

<) Minutes of Evidence. b. 46 u. 57. 



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V. 1. 



139 



Prämientabellen von einem hiiheren Prozentsatz von Kranken 
aus, als Price, aber nur aus dem Grunde, weil, wie aus Mor- 
jian's Woi-ten hervorgeht, viele Mitglietler der Hilfskassen 
KrankheitOD nmuHrteo 0. Auch Glenny scbienen die Prieesehen 
Tabelleii am meisten den wirklichen Veritältnissen gerecht zu 
werden In London dagegen wurde ein höherer Prozentsatz 
der Kranken zu den Gesunden festgestellt. Eine Gesellschaft 
ersah aus dem Stande ihrer Kasse, dass die von Morgan und 
Frend konstruirten Tabellen zu .aerin^^e Prämien vorschrieben 
Glenny, obwohl von dem Werthe der Price'schen Hypothese 
überzeugt» schrieb hüliere Prämien vor, als die SouLiiwelier 
Geselisdaft und der Hampshirer Verein, weil die von kleinen 
Leuten verwalteten Hilfskassen höhere Verwaltungskosten erfor- 
derten, als die durch Ehrenmitglieder der höheren Klassen 
verwalteten Vereine. 

Eine eigenthtimliche Bekehrun^r trug sich zu. Finlaison 
erklärte am 11. März: „Es gibt ein beständiges und gege- 
benes St(Mblichkeitsv§rhältniss, aber es existirt kein solches 
Gesetz in Beziehung auf die Krankheit." Schon am 18. März 
sagte er: «Ich hin zwar noch der Meinung, dass wir mit den 
existirenden Materialien nicht im Stande sind, die Krankheits- 
erscheinungen auf ein l)estimmtes Gesetz zui-ückzuführen," aber 
er glaubte, dass sich durch periodische Aufnahmen über die 
Krankheit, z. B. der Arsenalarbeiter und der Soldaten, ein 
Gesetz finden Hesse. Nachdem sich Finlaison melirere Monate 
mit der Frage beschäftigt, und das Werk der Huchländischen 
Gesellschaft studiert hatte, erklärte er am 17. Juni, dass er 
seine Ansichten nunmehr geändert habe und er sehr geneigt 
sei zu glauben, „dass die Wiederkehr der Krankheit in 
einem vicd höheren Grade, als bisher vorausgesetzt worden, 
konstant sei." Ja, er lieferte selbst einen Beitrag zu der 
Krankheitsstatistik, indem er die von dem Heer gelieferten 
Materialien zusammenstellte. Danach waren beständig krank: 
In der Kavallpiio. ..... 4.02n4%, 

in der Infanterie 4,9773%, 

in der Gardeinfanterie .... 4,2642%. 

In dem ganzen [leere: 4,47s r>r)3 '-'o^)- 
Um eine genügende, einschlägliche Statistik zu ermöglichen, 
entwarf Finlaison folgendes Formular, welclies von jeder Gesell- 
schaft ausgefüllt werden sollte. — Appendix (B. 10), S. 153. 

(Formular siehe folgende Seite.) 



>) Minutcs of Evideoce. S. 49. 
«) a. a. 0. .S. 40. 
*) a. a. 0. Tlioiiias Dean S. 72. 
*) Appendix B. 9. S. 189. 



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140 



V. 1. 



1735 
1736 
1737 
1738 
1739 
1740 
etc. 


Year of our Lord in which any of the memben of 

1 this Society was born. 


1 


Nr. born in $ay of thote yean who bdonged to 

the socie^ on tlw Ui of Jannary 1825. 


1 


Nr. of these last wo have served the tiiDe entitUngj 
them.to be free of the society. | 




Nr. bom in any of those ycars who joiued the 80- 1 
dety as oew nemben smee Jannary 1825. 




Nr. of Members bom in any of those years who died 

since .Tanuary 1825. ' 




Nr. üt tliese last who left widowi whether chargeable 

or not. 




Nr. of Memben born in any of thote yeart «ho 

quitted or who wen eoqpelled the aodety sinoe Jai- 

nuarv 182.5. 




Nr. of Members bom in anv of those years who 
wen rdleved in siekneis nnee Jannary 1885. 




was paid to then maltogether since .Tnnuary 1826. 




f^f thia ljic;t Tntftl ttiA fnllntvino' Nr ot wppk<5 wprp 

on reduced allowance by reason of convalescence 
or slight illness. 


■ 


And the following Nr. of weeks were on reduced 
allowance by reason of the long continoance of the 

illness. 




And the remainder being the Nr. of wedn nnder- 

mentioned was bed-fast aidcneea. 




Nr. of !\lembers born in any of those years, who ^ 
continued sick longer thnn they were relicved. 




Nr. of weeks for which allowance was refused, and. 
which extra sickneis is not cootained in the fbree 

1lirCvQiUU|{ CUlliUilio* 


1 


Nr. of niomhers bom in each year who are now aliTO 

and coni])nse the society. 




Nr. of them who are mamed men. 




Nr. ont of these last who hwe ciuldreo ahve. | 




Total number of children alive ander 5 years old. 




Total nnmber of children alive between 5 and 10. 


i 


Total number of children alive between 10 and 15. 


1 


Total number of children alive above 15. 


j Nr. ot widows born in any of thoee years wiio werej 

l! rhargeable on Ist of .lanuary 1825. 1 


! 

i 


Nr. of then who died since that data. 


1 


Nr. of then who married again since that date, and 
lost tbeir allowance thenby* 


1 


Ilemarks 
containing 
any particu- 
lars which 
the society 
may think 
proper to 

communi- 

j catc. 

1 



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V. 1. 



Ul 



Der Bericht des Koniites verwail die Schottischen Tafeln 
und empfahl die Southweller Tafeln , obgleich es wohl einsah, 
dass dieselben auf gar keiner statistischen ßaüis beruhten. Er 
empfahl sie, weQ die bisherigen Erfahningen ftor sie sprftcheo, 
weon man auch nicht wissen k(inne, ob niebt andere von Price 
und Becher nicht vorgesehene Ursachen das gonstige Besnltal: 
erzielten. 

Da jedoch nach den Southweller Tafeln das Krankengeld 
mit 65 Jahren aufhören und dann eine Altersrente beginnen 
solle, so sei es nöthig, dass dort, wo keine Altersversicherung^ 
bestände, eine besondere und hinreichende rrUniie für Krank- 
heit und Arbeitsunfähigkeit nach dem 65. Jahre vorgeschrieben 
wfirde. 

Wir gelangen nun zu dem 2. grossen Zweige des Arbeiter- 
▼ersicherangswesens, der Alters- und UeberlebensYersicbening. ' 

Nicht als ob alle Arbeiter für sich eine Altersrente, und & 

ihre Wittwe die Zahlung' eines Begrftbniss^eldes gesichert hätten. 
Im Ge^entheil; in Schottland war die Altersvei-sicherung fast 
iranz unbekannt*) und in England wurden wenige Kontrakte 
dieser Art abgeschlossen, weil die Prämien so hoch waren, 
dass sie aus dem Lohne des Arbeiters nicht bestritten werden 
konnten ■). Man zog es daher in vielen Kassen vor, die Kran- 
kenversichening bis nun Lebensende dauern zu lassen. 
Altersrente jedoch, welche die Arbeiter mit ihrem k&glichen 
Lohne erwerben konnten, war so gering (sie betrug, wie man 
aus den Tabellen dieses Kapitels ersieht durchgängig die Hälfte 
des ersten Satzes des Krankengeldes „bed-laying pay"), dass 
die Aussichten durchaus nicht verlockend waren. Wollte aber 
ein Arbeiter im Alter von 25 .lahren für eine Rente selbst 
nm* von 5 Schillingen wöchentlich kontrahiren, so hatte er 
nach der Sonthweller Tafel monatlieh ;nerzig Jahre lang 
10 Penee za bezahlen. Fünf Schillinge in einem Alter, wo 
die sorgsamste Pflege nöthig wird, mit 65 Jahren kaum die 
Hälfte dessen, was er als Mann erwarb. Die Altersrente war 
jedoch in den wenigsten Fällen so hoch. Sie betrug häufig 
genug nur 1 Schilling oder 1 Schilling ßPence'). „Wenn eine 
Person, welche von Handarbeit lebt, 05 Jahre alt wird, hat sie 
nur ein Viertel von Dem, was zu ihrem Unterhalte nOUiig ist,^ 
sagt ein Zeuge knrz: die Attmrenten, welche die Arbeiter 
befahlen .konnten, waren nngenOgend, and diejenigen, weldie 
snm Lebensunterhalt nöthig waren, konnten sie nidit becahlen. 



]) Minates of Evidencce. S. 80. 
a. a. O. 8. 48 oad 81. 

Minutes. S. 82. 
*) Minat«8. 71. 



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142 



Das nnisste absrhrecVen. üiid war nicht der Staat verpflichtet, 
den annen Arbeiter im Alter zu erhalten V War es lil)erbaupt 
wahrscheinlich, dass er nach 5<t Jahren schwerer Arbeit, fast 
täglicher Entbehrung und periodisch immer wiederkehrender 
Koth noch leben würde? Die Altersvei*sicheruug schien und 
seheiiit dem eDg^isehen Arbeiter noch immer eine sehr uiiBieiiere 
Spekulation 

Die Prämien dieses Veraicherungszweiges wurden fast all- 
gemein nach der Northamptoner Tafel normirt. Die erste und 
wichtigste Frage war also, ob dieselbe eine richtige Absterbe- 
ordnung resp. Ueberlebensordnung angebe. 

Auf dem Gebiete der MortalitAtsstatistik war inzwischen 

ein entschiedener Schritt vorwärts gethan worden. Der er- 
wähnte Joshua Milne hatte im Jahre 1815 ein Werk ^Trea- 
tise on Annuitiis-' veröffentlicht und in demselben eine Mor- 
talit'ätst<afel veröffentlicht, weklie auf jrenauen, sich tiber die 
neun Jahre von 1779—1787 erstreckenden Beobachtungen das 
Dr. Heysham zu Garlisle beruhte. Dr. Heysham hatte nicht 
nur das genaue Alter jedes Gestorbenen, sondern auch die 
Todesursache bei jedem Todesfall angegeben. Ausserdem 
standen Milne noch zwei Volkszählungen der beiden Pfarreien, 
welche die Stadt und ihre Umgebung umfassten, zu Gebote. 
In denselben war das Lebensalter jedes Gezählten angegeben. 
Solche Materialien hatte bis jetzt, ausser Wargentin, Niemand 
besessen. Milne arbeitete sie sorgsam durch und koustruirte 
daraus die bekannte Garlisle Table, die, obwohl sie nur auf 
Beobachtungen Uber 1800 Personen basirte, doch an Genauig- 
keit alle andern vorhandenen fibertraf. 

Finlaison hatte im Jahre 1819 von der Regierung den 
Auftrag erhalten, eine Sterblichkeitstafel aus englischen Quellen 
aufeustellen, und z^ar aus den Listen von Pensionären der in 

den Staatstontinen Versicherten. Dieselbe sollte nach Ge- 
schlechtern gesondert sein. Ihm standen 25 000 Fälle zu Ge- 
bote. Ausserdem bearbeitete er die Daten, welche ihm die 
Listen der Pensionäre zu Chelsea und Green wich vom 31. De- 
cember 1813 bis zum 1. Juli 1821 lieferten^). 

Die von Finlaison gefundenen Kesultate stimmten mit den- 
jenigen Milne's in hohem Grade überein. Seine Tafeln be- 
zeidbneten einen weitem Fortschritt Er tronnte die Tafeln 
nach Geschlechtem und fand, dass die Lebenserwailung der 
Frauen im Allgemeinen eine grössere ist, als die der Männer. • 
Aber diese Talein wichen um so bedeutender von der ^'ort- 



*) We bave none for annuitv, sagt der Sekretär eioer aus 160 Mit- 
em bestehenden HilftkHse aus. a. a. 0. S. 61. 
') Minutes. S. 44 und 45. 



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V. 1. 143 

hamptoner Tafel ab. Price's Tabelle zeigte ein schnelleres 
Absterben M. 

Gab, wie nach den neueren Untersuchungen schien, die 
Kortbamptoner Tafel eine zu niedrige Lebenserwartung auf 
fttt allen AlterastnüBii an, dann vei'langten Gesellsehaften, 
welche sich ihrer bedienten, für die UeberlebensYersieherung, 
zu hohe, für die AlteiTersicherun? zu geringe Piümien. Dieser 
Schluss wurde durch die hohen Gewinne, welche die Ver- 
sichei-ungs-Gesellschaften im Ueberlebeosversicherungsgeschäfte 
machten, vollauf besUUigt^). 

Die Northamptoner Tafel wurde allgemein verworfen. Nur 
die Herren Morgan, Frend und Becher bekannten sich zu ihr, 
obwohl ans ihren Antworten und der Art, wie sie antworteten, 
deulJich hervorgeht, dass sie Oberzeugt waren, fttr eine ver- 
lorene Sache su kämpfen. Frend und Morgan konnten nicht 
leugnen, dass die Listen der Gesellschaften, welchen sie 
als Beamten angehörten, eine viel höhere Lehenserwartuug 
zeigten, aber sie glaubten dies daraus erklären zu können, 
dass die Lebensversichcrungs-Gesellschaftcn nur Leute mit 

Suten Konstitutionen aufnähmen und die Northamptoner Tafel 
och f&r die Gesammtheit der BevOlkerang richtig sein könne. 
Frend fügte hinzu, dass, wenn auch die Prämien filr die Ueber- 



') Appendix B. to Report from Select rommittee von 1827. S. 60. 



Age 


Expectation of Lite at tbat Age 
according to the 




Government 
AoBoitaiitB 
doring the 
last 40 yeart 


Cferlisle 
Table 


Northampton 
' Table 


0 


52.84* 


88.72» 


25. IX 


* Die bedeutende 


5 


51. M 


51.25 


40.84 


Verscbiedoibeit bei 


10 


48.31 


48.82 




0 Jahren zwischen 


15 


44.48 


4Ö.00 


3«;. 51 


FinlaisoD und Milne 


20 


41.19 


41.46 


33.43 


erklärt sich wohl 


25 


38.36 


37.86 


30.85 


daraus, dass Finlai- 


90 


35.37 


84.34 


28.27 


son tür diei^o Zeit 


85 


32.24 


31.00 


25.68 


keine genügen den 


40 


29.07 


27.61 


23.08 


Daten za Gebote 


45 


25.78 


24.46 


20.52 


standen. 


50 


22. S3 


21.11 


17.99 




55 


18.97 


17. 5S 


15. 5s 




60 


15.86 


14.34 


13.21 




65 


12.82 


11.79 


10. »Ö 




70 


10.11 


9.18 


8.60 




75 


7.79 


7.01 


6.54 




80 


5.72 


5.51 


4.75 




85 


3.98 


4.12 


3.87 





*) Mfanitei. S. 87. 



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144 V. U 

lebensveracheniiig theilweise zu hoch bemessen wären, für die 
Hilfskassen daraus kein Schade erwüiiise, da ilir erstes Ziel 
Sicherheit sein müsse. Frend schien vollständig zu übersehen, 
dass diese Forderung bei den Friendly Societies der damalifren Zeit, 
welche keine gesonderten Kassen hatten, nur so wirken konnte, 
dass aus dem Uebei*schüssen eines Versicheiiingszweiges die 
Defisite eines andern bezahlt inirden, oder anders ausgedrOekt» 
dasB die Mitglieder, welche ihrer Wittwe ein Begrftbniasgeld 
• sicherten, zu gleicher Zeit einen Theil der Altersversicherangs- 
prämien und vielleic ]it auch der Krankheitsversicheiiingsprämien 
ihrer Vereinsgenossen tragen mussten, da jene zu niedng 
waren und ein Arbeiter gewöhnlich ein Begi'äbnissgeld , aber 
keine Altei*srente vei-sicherte. 

Jemand entdeckte eine Kompensation eigentliünilicher Art, 
wie der Report l)erichtet. Ein Versicherter im Alter von 65 Jahren, 
wnrde behauptet, habe wahrseheinlich nur wenig Krankengeld 
erhalten. Also werde das Defizit in der Altersversicheningslaisse 
durch den Üeberschuss in der Krankenkasse gedeckt werden. 
Dagegen Hessen sich erstens die eben gemachten Erörterungen 
geltend machen, zweitens, dass es nicht erwiesen war, dass 
Krankheit und Tod in einem geraden Verh.lltniss zu einander 
stehen — Glenny's Erfahrungen sprachen für das Gegentheil. 
Der Report bemerkt dazu^^ «Es ist augenscheinlich, dass 
dies nur wahr ist, wenn die beiden Versicherungen ein rich- 
tiges Verh&ltniss zu einander haben.' Diese Art der Kom- 
pensation ist jedenfalls nicht vor dem Ausschusse von 1825 
vorgetragen worden. Becher ist der Einzige, der an zwei Tagea 
von einem Kompensationsprinzipe sprach *). Aber er glaubte, dass 
sich die Alters- und Ueberlebensversicherun^^sprämien kom- 
pensiren würden. Wenn der Werth des Lebens gestiegen sei, 
und daher die Beiträge für das ßegräbnissgeld zu hoch be- 
messen wären, so kämen dieselben den zu niediig bemessenen 
Beiträgen iür die Altersversieherunff zu Gute. Das ist zwtifd- 
los in einer Hilfskasse, in der beide Arten der Versichening 
mit einander ?erbunden sind, richtig. 

Es wäre noch möglich, dass der Beriehteretatter Becher 
missverstanden hätte. 

Der Bericht des Ausschusses empfiehlt dämm die Nort- 

hamptoner Tafel für die Ueberlebensversicherung , und glaubt, 
dass die aus dei-selben berechneten Priimien veiinindert werden 
könnten, wenn alle andern Vei*sicherungszweige auf solider 
Grundlage beruhen-*). 



*) B/&fiWt S. 16. 
*) Minutes. S. 21 und 67. 
Ileport. S. 17. 



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V. 1. 



14& 



Ueber die Prämien , welche eine gut geleitete Alterver- 
sit'herunp erfordern würde, wagt der Aussrhuss nicht, ein end- 
guluge^ Urtbeil abzugeben. Die Nothweudigkeit, seine Arbeiten 
absoflehlieflsen — der Sdüuss der Session stand beror ^ be- 
ihn, den Grflndm von Hil&kessen Voreicht anzaempfeh- 
len. Wenn die Mitglieder eines Vereins gleichalteiig wären, 
und ausreichende Prämien für die Krankenversicheiiing, nicht 
aber für die Altersversichemnjr vorgeschrieben seien, würde 
der Irrthum erst entdeckt werden, wenn sie alle in den Ge- 
nuss der Altersrente trilten. Dann wäre plötzlicher Ruin das 
sichere Loos. Vielleicht wären Finlaison's Tabellen am 
empfehlenswerthesten 

Wdl die Frimien der AltenversicheruDg sehr hoch wären, 
nnd andererseits in den Armen der Geist der Unabhängigkeit 
erzeugt werden müsse, so sei jede Ei-muthigung und jede Leich- 
tigkeit denjeni|2en zu gewähren, welche eine genügende Altei*s- 
rente versichern wollten, damit sie nicht im Alter der äussersten 
Armuth anheim tielen, und nicht so lange ihre Arbeitsunfähig- 
keit irgendwie zweifelhaft wäre, sich der Plackereien der Kassen- 
beamten ztt erwehren hätten. 



Report. S. 16. Der Ausschuss meinte wahrscheinlich folgende 
Tabelle, die uns unter den vielen von Finlaison eingereichten für eine 
AibeiterkMt« $m pMoendstaD eneheiBt Yfir geben da im Ammse iMeh 
Appendix B. 9. 8. l'»0. Sie ist nach Zeiträumen von 2 Jahren normirt. 
Alle Zahlungen hören mit 65 auf. In dieser Tabelle wurde zum ersten 
Male versucht, den Unterschied der Lebenserwartung zwischen Mann und 
Wdb in dM ArbeitenrsnicheniagvweseB einniAhren. 



Age of tiid 
nemh. ob i 

1 

1 




Weekly AUowauce oi ■ 


> sh. for Life after 65 


Single Premium 


Yearly I^emium 


For * Male 


For a Female 


For a Male 


For a Female 


18 

20 

22 , 


12 
13 
14 


s. 

11 
12 
10 


d. 
7 


£ s. 

19 1 

20 11 
22 4 


d. 

7 

4^/4 


£ s. 

0 12 
0 14 
0 15 


d. 

8 
0 
6 


£ 

0 
0 
1 


s. d. 

18 G^U 

19 10V4 
1 Wh 


• • • 

1 

86 
88 


27 
29 


1 
9 


0 
1 


88 7 
41 18 


l«/4 


1 18 
1 18 


11 
6 


2 
2 


6 2>/« 
12 2 


« • • 

1 

48 

SO i 


4o 
49 


8 
18 


8 




62 19 
68 8 


O'/i 
11V4 


4 1 
4 17 


5V« 


5 


6 O'ü 
6 2«/4 



FMMkUfn <90) T. 1. — BMbadi. |0 



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146 



Ein anderer Zweig des Arbeitervei-sicheniugswesens, über 
welchen der Ausschuf^s berieth. war die Aussteuerversiche- 
ning. Das Konnte e^la^i^te das Problem richtig. Es suclite 
festzustellen, wie viele Kinder im Durchschnitt in einer Ehe 
geboren werden und wie viele in den verschiedenen Le- 
bensjahren sterben. Anf diesem Felde war aber noch weniger 
Yorgearbeitet, als auf andern. Es erhielt hauptsächlich Ton 
Dr. Granville einiges Material über die Kindei-zahl fimchtbarer 
Ehen. Aber es war Nichts über das Verhältniss von frucht- 
baren zu kinderlosen Ehen b»Aaiint. Das einzige Resultat, 
welches damals von einigem "Werthe schien und uns jetzt pe- 
läuti^' ist, war, dass die englischen Ehen der unteren Kla«^sen 
durchgängig fruchtbarer sind als die frauzösischen derselben 
Klassen, dass aber ein grösserer Pi*ozentsatz der Geburten in 
England stirbt 0- 

Wie gedachte der Ansschnss das Resultat seiner Be» 
mtthungen in die Gesetzgebung überzufuhren? Man hatte 
vorgeschlagen, dass das Parlament Tabellen aufteilen sollte. 
Dagegen erklärt sich der Bericht aus dem Grunde, dass selbst, 
wenn genügende Tabellen existirten, doch parlamentarische 
Tabellen Verschiedenheiten der Oertlichkeiten und der Beschäf- 
tigungen nicht in Betracht ziehen könnten. Der heitige Wider- 
Stand, welchen die EiTichtung einer Centraibehörde im Jahre 
1818 gefanden ^hatte, bestimmt den Aasschnss, anf einen Aus- 
weg zu sinnen,* der zu dem erstrebten Ziele fhhre, nur geringe 
Verändeningen des Gesetzes nOthig mache und weder nnbe» 
gründete Furcht, norh Misstrauen erwecken könne. 

Diesen Ausweg glaubt er in der Vorschrift gefunden zu 
haben, dass alle Gesellschaften hinfort ihre Statuten vor der 
Registrirung derselben an die Staatsschuldenverwaltung , der 
sie dieselben bisher nach der Ke^istriining zu übermitteln 
hatten, einsenden, und dass der Aktuar und vielleicht noch 
ein KoUege desseiboi die Präroientabellen prOfen und bestä- 
tigen sollen. Das von ihm ausgestellte Zengntss darf Bemer- 
kungen und Uathschläge enthalten. 

Um diese Ziele zu erleichtern und die Bedeutung der 
Hilfskassen zu erfahren, sollten sie nicht mehr ihr Vermögen 
in Sparbanken niederlegen dürfen, sondern dasselbe der Staats- 
schuldenverwaltung übergeben. 

Ein Sparbankgesetz vom Jahre 1824 hatte fur alle Spar- 
banken jährliche Absdilttsse ober Einnahmen und Ausgaben 
in vorgesdiriebener Form angeordnet, die der Staatncholden- 
verwaltung eingesandt werden mussten. Der Ausschuss schlägt 
für die llilfskassen ähnliche Ausweise vor. Sollte dieses Pro- 
jekt Misstrauen erregen, dann möchte es angezeigt sein, jeden 
Verein mit einer Anweisung über Buchführung und einem vor- 



') Siehe vorzugsweise die Aussage des Dr. Granville S. 63 fl%. 



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V. 1. 



147 



geschriebenen Fonnolar Ar die veilangte statistische Aufnahme 
sa Tenehen. 

Erst an dieser Stelle wollen wir eine wichtige prinzipielle 
Erörteiiing behandeln, wenn sie auch auf den ersten Seiten 
des Bericlites steht. Der Ausj^chuss foisrljt nach dem Rechte, 
den Hilfskasson so schwere Besclnihikun^eii aufzuerlegen. „Zu 
keiner Zeit war es, noch ist es jetzt Gewolinlieitsi echt oder Ge- 
setz'*, beisst es dort M „die Untertlianen des Königs des Rechtes 
zu berauben, sich zum Zwecke gegenseitiger Unterstützung zu 
▼ereinigen.'' Wesshalb also gesetzliche Beschränkungen? „Nur 
in Anbetracht der Vortheile, welche das Gesetz gewahrt, kann 
eine beschränkende staatliche Einmisdiung in die Angelegen- 
heit freiwilliger Assoziationen, diefQr gesetzmiissige und unschul- 
dige Zwecke gegründet ^frurden, gerechtfertigt werden." 

Durch besondere Feinheit und Tiefe des Geistes auf tlieo- 
retischem Gebiete haben sich die En^Oander nicht aus-iezeichnet. 
Es fehlt ihnen an Ideen, wenn wir das Wort im Kantibchen 
Sinne nehnnen. So verkennt denn auch diese prinzipielle Er- 
artening das Wesen der Ftage. Der Bericht geht offenbar in 
seinen Betrachtunp:en von einem längst veiigangenen Zustande 
aus, wo die staatliche Macht gering, das politische Band lose, der 
Einzelne selbstherrlich , ohne von einem Andern etwas zu ver- 
langen, oder seinen Nachbarn etwas zu geben, auf seinem 
Grund und Boden lebte. Diese Periode ist vorüber. Wirth- 
schaftliclie Abhängigkeit ist der Charakter unserer Zeit. Wenn 
nun die Gesammtheit wie in England verbindlich ist, tur den 
Brod- und Obdachlosen zu sorgen, dann hat sie doch anch 
wohl das Redit, dem Einzelnen solche Beschränkungen auf- 
zuerlegen , die ihr gewährleisten, dass er sich nur in Fällen 
imveiBchuldeter Armuth an sie wendet Er wieder muss ver- 
langen , dass solche Gesetze gegeben werden . welche es ihm 
ennöglichen , den Lohn seiner Arbeit zu erhalten. Sind aber 
wirtbschaftliche Tiieilnahme des Einen für den Andern das 
Grundgesetz eines Landes, dann begründen nicht die Vortheile, 
welche das Hilfskassengesetz gewährt, die Beschränkungen, 
welche es auferlegt, sondern dann ist das Armengesetz der 
zoreichende Grand tOtr alle gesetzlichen Normen auif sozialem 
Gebiete. 

Der Ausschuss machte schliesslich den Voi-schlag, alle 

bestehenden Hilfskassentresetze zu konsolidiren und empfiehlt 
die Fortsetzung der Untersuchung in einer andern Session, da 
der Schluss dei-selben zur Beendigung der Arbeiten dränge. 

Um so ei-staunter ist man, in den Journalen des Unter- 
hauses unter dem 14. März 1826 zu lesen, dass CourLenay, Fle- 
ming, Monck und Bransby Gooper um die Erlaubniss bitten, 
einen Gesetzentwurf einzubringen ,to consolidate and ameod 



Seiten 4 und 5. 

10* 



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148 



V, 1. 



the Laws relating to Friendlv Societies\ Seit der Zeit hört 
man von dem Gcsct /entwürfe Nichts mehr. Zup^leich baten 
sie um Anordnung einer umfassenden Statistik über die vom 
25. März 1825 — 25. Milrz 1826 erhobene Armensteuer. 

Ausserdem weist das Journal verschiedene Petitionen auf, 
welche in Beziehung auf einige Hauptpunkte des Gesetzes 
stehen. Am 15. Fehruar bittet Robert Sontar um Aufmunte- 
rung der Hilfskassen, da sich in Zeiten der Noth die letzteren 
wirksamer als die Sparbanken erwiesen hätten. Am 2H. Fe- 
bruar petitionirt (ieorp^e Glenny wieder um die Kinsetzung 
einer Centraibehörde, da viele Gesellsciiaften mit der Gruud- 
la^'e des Versicherun^'swesens ^ranz unbekannt seien. Den- 
selben Inhalt hat die retition von John Button, welche unter 
dem 15. März dem Hause vorliegt Am 14. März bitten Mit- 
glieder aus Portsea, den das Schiedsgericht betreflfenden Para- 
graphen nicht ausfallen zu lassen. Um die Beibehaltung des 
Schieds^reiirhts bitten eine Londoner Kasse unter dem 
1:3. Apiil, und ,The Social Brothers' unter dem 18. Mai 1826. 
Unter dem 18. April beklagt sich Thomas Spraiiirs aus 
Portsea tlarüber, dass eine Hilfskasse ihm eine Zalilung, zu 
der er berechtigt wäre, nicht länger leiste, und ihn darauf 
ausgeschlossen habe, ohne ihn zu hören. Er bäte darum, dass 
die Gesetzgebung Sorge träfe, dass die Versprechungen, wdche 
die Hilfskassen machten, auch von ihnen gehalten werden 
müssten. Am 4. iMai 1826 liluft eine zweite Petition von 
Glenny ein. Kr bittet um Einsetzung-: einer .temporary Gom- 
mission', damit der Zustand der Hi]fsl^as>en während der par- 
lamentarischen Ferien weiter untersuelit würde. 

Diese Petitionen sind desshalb interessant, weil sie eine 
Skizze der Erwartungen und Rafftrchtungen geben, welche sich 
an die Einbringung der Vorlage knüpften. Es gesdiah jedoch 
in dem Jahre Nichts und eret in der folgenden Session 1827 
hesrhäftifite man sich wieder mit den Hilfskassen'. Kin parla- 
mentarischer Ausschuss setzte die Arbeiten des Select Com- 
mittee vom Jahre 1825 dort fort, wo sie 2 Jahre vorher stehen 
geblielien waren. Er sass vom 3. April bis zum 12. Juni 1827 
unter dem Präsidium von Courtenay. Er veröffentlichte am 
29. Juni 1827 einen 135 Folioseiten starken Bericht unter dem 
Titel „Report from the Select Gommittee on the Laws Be- 
specting Friendly Societies". 

Die Kranken- und Ueberlebensversicherung schienen dem 
Ausschuss durch den Report von 1825 hinreicliend erschöpft. 
Er empfahl ebenfalls die Southweller und Northamptoner Tabelle. 
Als sein Arbeitsfeld betrachtete er die Altersversicherung. 
Nichtsdestoweniger beschäftigte er sich mit einer neuen Ta- 
belle Becher*s, welche derselbe der Dorsetshire Friendly Society 
entworfen hatte, die im Jahre 1826 als der dritte Grafechaft»- 
verein gegründet worden war. In derselben hatte er die scharfe 



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Y. 1. 



149 



gegen die Northamptouer Tafel gerichtete Kritik benutzt, 
so entschieden er auch an seinen Ansichten festhielt und die- 
selbe In einem literarischen Kampfe gegen Glenny verfocht 
Die nun nach einjährigen Perioden normirten Prftmientafem 
der Altersveraehenini; der Doi*setshirer Gesellschaft fordern 
höhere Prämien, als die Southweller Gesellschaft. Dies er- « 
reicht Becher durch den Kunstgriff, dass er zwar an der Nort- 
hamptouer Tafel festhält, aber einen j^erinireren Zinsfuss 
(3Vi"/o) zu Gi-unde legt. \Vie man sieht, war auch darin ein 
Fortschritt enthalten, dass er dieselbe Alterspension für die 
Zeit nach 70 berechnete 

Diese Tafel legte der Ausschuss den bedeatendsten ma- 
thematisch gebildeten Versicherungsbeamten der damaligen 
Zeit, den Herren Baily, Gompertz, Davies, Milne, Naylor, 
Finlaison mit der Frage vor, ob dieselbe genüge, vorausgesetzt 
dass der Zinsfuss 4^, betrüi:e. Die Urtlicile waren im 
Ganzen günstig. Finlaison betonte nin-, dass dieselbe für 
Klubs mit weiblichen Mitgliedern uicht genügte. Wir halten 
es nicht für nöthig, Finlaison^s Tabelle abzuschreiben, noch 
ehie neue nmiassende Prämientabelle, welche der nnermüdliche 
Becher dem Ansschnsse von 1827 vorlegte, da wir von der 
Ansicht ausgehen, dass, da jene Tabellen keinen dauernden 
Werth haben, es nur unsere Aufgabe sein kann, die allniUh- 
liche £DtwickluDg der mathematischen Begründung des Arbeiter- 



Corndios Walford, The Insurance (Jyclopaedia. lY. 421. An- 
ph9 rar TItfll der StreitMhnfteii. 



Afs 


6Mlhw«n 


Age at 
Adflrit* 
sion 


Dorsetshire 


Assurance of 4 s. 

Weekly Allo- 
1 wance after 65 


After 65 


After 70 


1 Sliifl. 


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0 


6 








29 


9 


0 


0 


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4 13 


8 


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7 12 5 


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4 18 


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0 


1 2 


5 8 


8 


0 


7 



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150 



V. 1. 



Y6f8icherttngBweBeii8 aBsebanlieh m machen. Becher normirCe 
in denelbeiiO die Beitrige in allen Zweigen des Versiehe- 
rnngswesens nach einjfthrigen Zeitrftiinien. 

Der Report empfahl denn auch die Dorsetshire Table» 
oder die neuesten Tabellen Becher's unter dem Vorbehalt, 
dass 1) eine besondere Kasse aus Strafen, Eintrittsgeldern, frei- 
willigen Beiträgen gebildet würde, woraus die Verwaltungs- 
kosten bestritten werden sollten; dass 2) das Verhältniss der 
Frauen zu den Männern Vs der gesammten Mitpliederanzahl 
nicht erheblich übei*steigen dfiife; dass 3) die Alteisversiche- 
mng immer mit einer Lebensversichening verbunden werden 
müsse, welche die Hälfte des monatlichen Beitrages fhr jene 
erreiche (Kompensationsprinzip von 1825!); 4) dass der jetzige 
Zinsfoss nicht verändert werde. Die Bedingungen, an welche 
der Ausschuss seine Zustimmung Icnapfte, sind nach dem 
Vorigen leicht verstandlich. 

Der grössere Theil der Arbeit war Untersuchungen über 
den Werth der vorhandenen Mortalitäts tafeln gewidmet. Ein- 
mal ist Alles, was damals erst für die grosse Masse der (ie- 
bildeteo an s Licht der Oeffentlichkeit gebracht wurde, längst 
bekannt, zweitens kann es nicht unsere Au%abe sein, diese 
Fragen allgemein theoretischer Natur zn behaadehi. Wir 
müssen jedoch bemerken, dass durch Morgan die Mortalitäts- 
statistik indirekt berichtigt worden war. Er hatte die Daten 
über Sterblichkeit, welche die Listen der ,Equitable' auf- 
wiesen, im .lahre 1800 veröffentlicht. Die meisten Londoner Ak- 
tuare -) hatten dieselben verwerthet, und unter andern Griffith 
Davies, Aktuar des , Guardian Insurance Office', daraus eine 
Mortalitütstufel konstruirt, welche tiie Unriciitigkeit der ^urt- 
hamptoner Tafel schlagend nadiwies. Morgan war Uber das 
Unterfangen der jüngeren Generation nicht sehr erbant, und 
behauptete, dass die auf seine Materialien gestützten Arbeiten 
nur sehr beschränkten Werth hatten, weil die meisten Ver- 
sicherten bei der Aufnahme über 30 Jahre alt gewesen wären. 
Auch hätten in den letzten Jahren seine Eriahrungen mit der 
Northamptoner Tafel übereinp:estimmt. 

Ausserdem hatte Finlaison seine frühere Arbeit noch ein- 
mal durch«j:esehen. Dieselbe fand allgemeinen Beifall. Folgende 
Vergleichung zeigt kurz den Standpunkt, bei welchem die Ver- 
sicherungswissenschaft in der zweiten Hiüfte der zwanziger Jahre 
angelangt war'). 



Appendix I. to Report (1827). S. 119. 
*) Minutes of £Tidence. S. 4ö u. 47. 
*) Report S. 7. 



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V. 1. 



151 



By l)r. 
Price*8 
Table. 

Nort- 
Ibampton 
Table 



By the 

first 
Swedish 
Table 



By Mr. 
De Par- 
cieux'8 
Table 



By Mr. 
Milne's 
Table 



Bv Mr. 
Grif- 
fith 
Davies" 
Table 



By Mr. Finlai- 
Bon's Tables 



Accor« 



Accor* 



ding to ding to 

hia Ist bis 2n<l 

investi- investi- 

gation gation 



Of 1000001 
peraonsaged 

25, there 

woald be i 
alire at thel 

age of 65 j 

Of 100 000] 
penons aged 

65 there 

would be 
alive at thel 

age of 80) 



34286 



28738 



43 137 51 03:1 51 33*. 40 330 



23 704 



29 873 31 577 37 267 



53470 o3JCjO 



38605 37350 



Die Aktuare waren durchgängig der Meinung, dass die 
Tafeln Finlaison's und Griffith Davies' nicht in Hilfskassen 
gebraucht werden dürften, da die Materialien andern Lebens- 
kreisen entnonimen seien, und die Versicherten sorgfältig aus- 
gewählt würden 

Griffith Davies und Finlaison wurden daher vom Aus- 
schusse beauftragt eine kurze Tabelle nach den neuesten 
Untersuchungen zu entwerfen. Dieselben kamen der Auf- 
forderung rasch nach. Wir geben die Tafel im Auszuge. 
Die Beiträge hören mit 70 Jahren, der Eintritt hört mit 
50 Jahren auf. Die Verwaltungskosten sollen aus Beitrügen 
von Ehrenmitgliedern, Strafen oder besonderen Umlagen be- 
stritten werden. Die beigegebenen kurzen Regeln sind eben- 
so klar. 

Die Versicherung ging auf 10 Schillinge bed-lying pay. 



') Dürfen wir hier einen Irrthum berichtigen, den wir zuweilen in 
Werken Qber MortalitätsBtatistik gefunden haben? Dieselben setzen häufig 
▼oraos, dasB die Theoretiker jener Zeit die richtigen Methoden zur Her- 
stellung einer genügenden Mortalitätstafel nicht gekannt hätten, dass der 
richtige Weg erst durch Moser, (^uetelet, Hermann gefunden worden sei. 
Diese Ansicht ist nicht richtig. Was den Männern jener Zeit fehlte, waren 
die Materialien, und möglicherweise die Zeit, die wohlbekannten Methoden 
anzuwenden. Sie standen alle im praktiscnen Leben als Versicherungs- 
beamte und mochten vielleicht auch nach echt englischem Grundsatze die 
aofzawendende Mühe nicht des materiellen Lohnes werth halten. Milne 
hat das Problem so klar eri'asst. dass in den kurzen Erörterungen, welche 
er vor dem Ausschusse gab, alle später angewandten Methoden angedeutet 
siod. Mhiutes S. 24 und 25. 



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152 



V. 1, 



5 Schillinge Walking pay, ceasinu at the age of 70, an Al- 
lowance for Life of 5 S. weekly. after the ase of 70 and a 
Sum of 10 £ payable at Death Die Krankheitsprämien 
bmchneten ne nach der Hocblftodischen Tafel, aber sie nah- 
men als Kompensation nur einen Zinsfuss von 3% an« die Obiigen 
Vereicheningen berechnete Davies auf Grund der Carlisle Tafel, 
Finlaison nach seiner Mortalitiitstafel. Darauf wurde ein Korn« 
promiss zwischen beiden «zeschlossen. 

Die Tabelle ist die Verkörperung alles Erstrebten. Sie 
normirte die Beitrage nach Jahren, sie vereinigte eine Ueber- 
lebens- mit einer Altersversicherung, sie führt die Kranken- 
versicherung bis zu 70 Jahren hinauf und sie war für Jeden 
▼entiindlich. ilnlaison yerächtete zu Gunsten der Einfach- 
heit auf den Unterschied der Lebenserwartung ftr Mann und 
Weib. Der Ausschuss empfahl-) sie denn auch „mit viel Ver- 
trauen" künftig zu bildenden Vereinen, obgleich er lieher eine 
Trennung nach den 3 Versicherungszweieen gesehen hätte'). 
Er hatte gehofft, durch dies Verfahren <len Vereinen zu er- 
möglichen, aus dem Stande der vei^schiedenen Kassen auf die 
Riclitigkeit der Annahmen zu schliessen, auf welche die be- 
sogliehen Pribnien Kegi-Ondet waren. Ausserdem empfahl er 
noä die Carlisle Tafel. 

Die Untersuchungen des Ausschusses Ober Geburten und 
Kindersterblichkeit führten audi diesmal zu keinen genttgenden 
Besultaten. Der Bericht betont die Nothwendigkeit einer um- 
toenden Statistik. 

Im Ganzen enthält der Bericht die Ansichten des friUieren. 
Er empfiehlt noch einmal gi-osse Gesellschaften, Die Minimal- 
zahl dürfe nicht weniger als 100 Mitglieder betragen. Nur 
darin weicht der Ausschuss von 1827 von dem ersten ab, dass 



1) Appendiz. S. 185. 
*) Baport 8. 11. 

^1 



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Birth -Day 

before 
AdmiMioii 


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1 i'ajiueot 

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Payment 


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2 5>/i 


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7 11 


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2a 3 \VI* 


2 6 









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153 



er die Uebei-seiulung der Statuten zuerst an den Clerk of the 
Peace für zweckmässig hält. Dieser soll sie der Staatsscbulden- 
verwaltuug übermitteln. Die im Jahre 1825 vorgeschlagenen 
Berichte sollen nicht von der StaatsschnMenTerwaltiiDg, ^um 
kein Misstranen m erregen*, sondern Ton den Friedensrichtern 
nnd zwar alle 5 Jahre eingefordert werden. Diejenigen Vereine, 
welche sich dieser Anordnung nicht unterwerfen werden, sol- 
len der Vortheile des Gesetzes verlustig jrelien. Der Ausschuss 
hält es nicht für richtiir, und das ist di^r zweite Unterschied, 
die Kassen davon abzuhalten, ihre Gelrier in Sparbanken an-" 
zulegen, da ihnen aus dem Verbot ein grosser Zinsenverlust 
erwachsen mOsste. Doch solle man alle vor 1819 gegründeten 
Hilfskassen von dem Privileg ansschliessen. 

Da die Session für die Vorlegung einer Bill zu sehr vor- 
gerückt war, wurde beschlossen, einen Gesetzentwurf erst im 
folgenden Jahre einzubringen Am 21. Februar 1828 -) wird 
die Krlaubniss ertheilt, eine Bill einzubringen „to consolidate 
and anieud the laws relating to Friendly Societies". 

Der von Courtenay und Genossen abgefasste Entwurf, 
datirt 6. März 1828, hat folgenden Inhalt ^j. Diejenigen, welche 
eine Hilfekasse gründen wollen , sollen Statuten nnd Prftmien- 
tafeln an den Clerk of the Peace der Grafschaft schicken, wo 
die Gesellschaft ihren Sitz haben soll , und der Clerk of the 
Peace übermittelt die Schriftstücke der Staatsschulden Verwal- 
tung, welche sie ihrem Accountant zur Begutachtung voilegt. 
Nachdem dei*selbe Statuten und Tafeln geprüft hat, sendet er 
sie an den Clerk of the Peace zurück. Er billigt dieselben 
entweder oder er macht auf ihre Mängel aufmerksam , wobei 
er den Gesellschaften mit Rathsdilftgen an die Hand geht, 
auch allgemeine Normen, welche die Staatsschuldenverwaltung 
erlassen haben mag, zur Kenntniss der Vereine bringt Wenn 
die eventuell angerathenen Verändeiiingen von den Vereins- 
gründern angenommen worden sind, unterbreitet der Clerk die 
Statuten und Tafeln den Friedensrichtern bei den nächsten 
Vierteljahrssitzungen, wo sie die gesetzliche Sanktion erhalten. 
Eine von der Behörde unterschriebene Copie geht au den 
Verdn, ^ne andere wird zu den Akten genommen, eine dritte 
der Staatsschuldenverwaltnng ühersandt Der Clerk wird tBar 
seine Mühe entlohnt. 

Die Statuten sollen schon bei der Einreichung die Namen der 
Trustees enthalten, deren Majorität „substantial householders" 
sein müssen. Dieselben wätüen die Nachfolger ihrer ausge- 



«) 8. 11. 

Die Daten nach dem Journal of the Home of Commoos. Sieh« 
die Verbandlungen an den genannten Tagen. 

•) Ver^äe fiiUs Public. SeMion 29. Jinuary — 28. Jidy 18S8. 
VoL I. 



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154 



schiecienen Kollegen. Die Rechte und Pflichten dieser Beamton 
werden genauer präcisirt. In ihrem Namen steht alles Ver- 
mögen; sie yartreten die Gesellschaft nach aussen als Kläger 
und Verklagte. Ihre Verantwortlichkeit ist wie irOher be- 
schränkt. Sie ernennen den Schatzmeister. Die Statuten 
müssen den Ort bezeichnen, — dieser Paragraph erscheint auch 
diesmal wieder — wo die Gesellschaft ihre Versamralunfren 
abhalten will, weiter die Rechte und Pflichten der Mitjjlieder 
abgrenzen und hinreichende Vorschriften über die Aufbewah- 
rung und die Art der Anlegung des Vennögens geben. Die Klagen 
der Mitglieder gegen einander, sowie die Klagen von Wittwen 
gegen den Verein werden durch 2 Friedensrichter entschieden. 
IHe Gesellschaften dürfen sich nicht ohne die Zustimmung der 
Treuhänder auflösen, diese sind an das Gutachten des Accoun- 
tant der Staatsschuldenverwaltung gebunden. Wenn die Be- 
amten mit BewilligunL: der Majorität der Treuhänder eine 
Aendening der Statuten eintreten lassen wollen, dann sollen sie 
sich an den Clerk of the Peace wenden. 

Einen Theil ihres Vermögens düifen einzelne Klassen von 
Vereinen in solchen Sparbanken anlegen, weldie den Anfor- 
derungen des Gesetzes von 1817 naägekommen sind, und 
zwar solche Kassen, welche sich unter diesem Gesetze haben 
einschreiben lassen oder unter dem Gesetze von 1819 registrirt 
worden sind. Alle älteren Ka.ssen gehen des Privilegiums 
eines hohen Zinsfusses verlustig. Jede Gesellschaft, welche 
um Registrirung von Zusatz-Statuten bittet, ist nacli Uegistri- 
rung derselben diesem Gesetze unterworfen. Um die nicht 
arbeitenden Klassen von der Wohlthat des Gesetzes auszn- 
schliesBco, wird bestimmt, dass Gesellschaften mit hohen Unter- 
stützungssiltzen die Vortheile 'eines hohen Zinsfusses nicht 
haben sollen. Jedes Jahr haben die Hilfskassen Berichte über 
ihre finanzielle Lage an den Clerk of the Peace zu senden, 
welcher sie den Beamten der Staatsschulden Verwaltung 
übermittelt Dort werden sie vom Accountant geprüft. 

Aus diesem Auszuge geht klar hervor, von welch' ein- 
schneidender Natur die Maassrege] war, welche Ckmrtenay planta 
Alle Gesellschaften, die sich vor 1819 hatten rogistriren lasaeii, 
und diese bildeten die Mehrheit, sollten gezwangen werden, 
die in dem Gesetzentwurf vorgeschriebene Form anzunehmen. 
In Zukunft hätten nur die theilweise auf solider Gnindlage 
i-uhenden, unter dem Gesetze von 1819 eingeschriebenen Hilfs- 
kassen, die aber auch allmählich die neue Form angenommen 
hätten, und solche Vereine existirt, die nach den Bestininmugen 
vorliegender Bill registrirt worden wftren. 

Der Gesetzentwurf war kurz, enthielt alle vorgeschlagenen 
Verbesserungen und man musste sich von der Durchführung 
desselben nicht nur eine gründliche Heilung aller bestehenden 
Schäden, ein Vorbeugen gegen zukünftige Midsstände, sondern. 



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V. 1. 



165 



was weit wiclitigei war, eine ökonomische Erziehung des 
Volkes versprechen. Das Tagea im Wirthshause war ausge- 
sehloflsen. Den Hilftkassen sollte eine richtige mathematisdie 

Basis gegeben, die Vermögensverwaltung in die HSnde wohl- 
habender Milnner mit genau definirten Rechten gelegt und 

die Streitigkeiten von unahh.ingigen Richtern, von Nicht- 
Mitgliedern der Hilfskassen geschlichtet werden. Dazu kam die 
weitere Forderun|i periodischer Beridite, um die mathematisch- 
theoretische Basis zu prüfen, immer mehr zu berichtigen und 
nm die finanzielle Sicherheit zu gewährleisten oder zu erhöhen. 
Inn^halb dieser für das Wohl der Kassenmitglieder nnd fllr 
die Armensteuer bezahlenden Mitbürger woUth&tigen Schranken 
existirte freieste Selbstverwaltang. Welche maasslosen Leiden, 
welclje Enttäuschungen wären flen arbeitenden Klassen, wie 
viele Millionen Armensteuern Emiland ei-s^part worden, wenn 
Courtenay's Gesetzentwurf hätte Gesetzeskraft erlangen können, 
wenn in England ein rocher de bionze existirt hätte, gegen 
den die Wellen der Selbstsucht und des Radikalismus vergeb- 
lich angeschlagen hatten, an dem sich der von Bierwiräen 
nnd nngebildeten Sekretären kleiner Klubs aufgewühlte Sturm 
hätte brechen müssen >). Aber ein solcher Felsen existiile in 
England nicht. 

Schon bei der ei-sten Lesung am 6. März^) konnte man 
voraussehen, was kommen würde. Mr. Hume, der bekannte 
schottische Radikale und Sparsamkeitsverfechter, theilte dem 
Uause mit, dass im Lande grosse Besorgniss über die Ziele 
des von Herrn Ck>artenay eingebraditen Oesetaentwnifes 
herrsche. Die Hilfskassen farchteten, dass er ihnen ihre 
Selbstverwaltung, s. fi. das Recht, ihre Beamten zu er- 
nennen, nehmen wolle. Courtenay vertheirligte seinen Stand- 
punkt in wtirdiper Weise. Er sagte, dass die von ihm vorge- 
legte Bill die Wahl der Beamten nicht mehr beschränke, wie 
das Gesetz von 1819, dass die Selbstverwaltung, abgesehen 
von den für die Sicherheit der Kassen vorgesehenen Beschrän- 
kungen, weit grösser nnd direkter sei, als in den unter dem 
Roseschen Gesetze eingeschriebenen Tereinen. Die Ueber- 
sendung der Statuten an die Staataschnidenverwaltung werde 
nur desshalb vorgeschlagen, weil die von dem letzten Gesetze 
geforderte Bestätigung der Statuten durch zwei Aktuare zu 
Unzuträglichkeiten geführt habe. 

Der Gesetzentwui-f sollte am 14. März zum zweiten Male 
gelesen werden. Aber er kam lu s Stocken. Die zweite Lesung 



^) Fleming erzählt vor dem Ausschusse, wie der von ihm begründete 
Orafschaftsverein Schritt vor Schritt von ^ale-house keepers, and 
those who are interested in preserving the System of old 
elobs" angefeindet worden sei. Miniitei of Efidenee. S. 92. 

<> HusMd's Debates. 



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156 



* wird verschiedene Male verschoben. Endlich am 26. März 
wird derselbe zum zweiten Male gelesen und einem Ausschusse 
überwiesen, in dem sich die besten Kenner des Hilfskassen- 
weeens befinden: Courtenay, Portman, Estcourt, Fruicis 
Baring, Adniiral Sotheron. In diesem Ansschusse wurde er 
auch begraben. 

Denn der Sturm war entfesselt : Bierwirthe, die ilire Kund- 
schaft nicht verlieren, neue gewinnen und mit den Geldern der 
Hilfskassen nach Belieben schalten wollten, Sekretäre, welche 
um Stellung? und Einfluss zu komnien fürchteten. Radikale, 
welche den Leuten vorspiegelten, dass der Gesetzentwurf die • 
beiligsten Redite der PerBönlichkeit antaste, sie alle hetzten 
die Arbeiter, die grOsstentheils nicht lesen und schreiben 
konnten, die ohne die genannten Volksfreunde von dem Ge- 
setzentwurfe Nichts vernommen liaben würden, an, gep:en den- 
selben zu petitioniren. T7nd drei Monate wehte der Petitions- 
sturm über das ersclireckte l nicrliaus, von Nord und büd, 
von Ost und West. Die Aufzaidun^^ der Petitionen füllt an 
einem Tage drei Spalteu der Folioseiten des Journal of the 
Hoitse of Commons. Dasselbe enthält sich jeder Inhaltsangabe. 
Es berichtet nur ober das Schicksal , welches das Parlament 
denselben angedeihen lilsst, ob sie auf den Tisch des Hauses 
gelept, gedruckt oder dem Ausschusse überwiesen werden. Die 
Inhaltsangabe ist auch nicht nöthi?. Die Petitionen von 1826 
um Beibehaltung: des Schiedsgerichts, die Rede Hume's am 
ö. März und besonders die Vergleichune: mit den (iesetzent- 
wttifen des folgenden Jahres geben deutlich die Punkte au, 
velche die Petitionen mit so viel GlOck bekämpften. 

Es giebt nichts Schmachvolleres, nichts NiederdrOcken- 
deres, als das Parlament, die Blüthe der politisch gebildeten 
Klassen Englands, im Kampfe für eine gute Sache vor Bier- 
wirthen, Sekretären und Maulhelden die Flucht ergreifen zu 
sehen. Die Erklärung scheint zum Theil in den politischen Ver- 
hältnissen zu liegen. England stand ohne das Gegengewicht eines 
sicher befestigten Königthums am Vorabend einer folgenschweren 
MaassregeL In Irland spitzte sich unter O'Conneirs Ftthrung 
die Erbitterung des Volkes zu einem BOrgerkriege zu. Im 
folgenden Jahre kapituliite Old England vor Green Erin. 

Die Schlacht um die Parlamentsreform sollte bald ge- 
schlagen werden. Das Unterhaus wagte es nicht, der Ver- 
dächtigung die Stirne zu bieten, die Fieiheit werde von einer 
aristokratischen Volksveilretun-; bedroht. Auch ein Beitrag 
zu dem Charakter der parlauientarischen Regierung, ein Be-^ 
weis, wie schwachfüssig und ohnmächtig sie ist Mr. Courtenay, ' 
der seine Müsse, seine Energie langer als zehn Jahre den 
nothleidenden Arbeitern zur VeifQgung gestellt hatte, räumte 
das Feld. Der Bierwiith triumphirte und hatte noch ausser- 
dem die Genugthuung, eben diesen Klassen, welche er betrog, 



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V. 1. 



157 



Courtenay als einen ei hitterten Volksfeind darzustellen. Wenn 
dies schon Regierung nach dem deutlich erklärten Willen des 
Volkes ist, was muss die Foljre sein, sobald die Abgeordneten 
nach dem Reiormgesetze in grüssereni Maasse abhängig von 
ihren Wählern werden! 

Verlief dieses Jahr aneh resnltatios fbr das Hilfekassen- 
Wesen, so machte die Sparbank einige Fortschritte. Es wurde 
ein Gesetz erlassen (9 Georg IV. c. 92), das in mehr als einer 
Hinsicht für die Entwicklung der eingeschriebenen Hilfskasse 
merkwürdig ist. Schon durch das Gesetz von 1824 (5 (ieorg IV. 
c 62) waren die Einzahlungen im ersten Jahre auf 50, in 
jedem folgenden auf 30, im Ganzen auf 200 £ festgesetzt 
worden. Diese Bestimmung war die Folge der Praxis der 
reichen Lente, an den Privilegien der Armen theilzunehmen. 
JAhrliche Berichte an die Staatsschuldenverwaltung wurden in 
demselben Jahre voigeschrieben. Diese Behörde sollte jährlich 
einen Ausweis über das von ihr verwaltete Vermögen der 
üilfskassen und Spnrbanken dem Tarlamente vorlegen. Um 
die Umgehung des (Gesetzes zu verhindern, wurde von jedem 
Einleger die Erklärung verlangt, dass er nur zu einer Spar- 
kasse beigetragen habe. Im Jahre 1828 wurde die Höhe der 
Summen, welche jährlich und im Ganzen eingezahlt werden 
konnten, noch mehr beschrankt, um sie auf das Niveaa der 
möglichen Ersparnisse der arbeitenden Klassen za bringen, 
und zwar auf 30 bezüglich 150 j^. Die Hilfskassen erhielten 
die Erlaubniss, bis zu 300 im Ganzen (Kapital und Zinsen) 
einzuzahlen. 

Die grossen Einlagen, welche zum Theil von reichen Leuten 
und von Wohlthätigkeitsvereinen') gemacht worden waren, hatten 
dem Staate bei dem hohen Zinsfasse bedeutende Verluste bereitet. 
Hume regte im Jahre 1828 die Au&tellung einer Statistik 
ttber diesen Punkt an. Dieselbe ergab, dass die Differenz der 
von der Staatsverwaltung eingenommenen und ausbezahlten 
Zinsen etwa 700 000 £ betrug Von dieser enormen Summe, 
welche England anscheinend für die ökonomische Eraehung 
der Armen und Enterbten bezahlt hatte, war ein grosser Theil 
direkt und indirekt in die Taschen der Reichen und vom 
Sdiieksal Wohlversorgten geflossen. Indirekt, weil die wohl- 
habenden Klassen um so weniger für wohlthätige Zwecke aus- 
zugeben brauchten. Das Erstaunen war gross, und die ar- 
beitenden Klassen hatten dafür zu büssen. Vom Standpunkte 
der ökonomischen Erziehung des Volkes Hess sich die Gewäh- 
i-ung eines höheren Ziosiusses, als der Staat erhielt, wohl 



1) Im Jtbre 1S42 betragen die jährlich ans Offentlieher WoUtfaltis- 

kdt Respendeten Simnne 1 'L'l .'tö £ 18 s. Nicholls, History of fhe Eng- 
lish Poor Law. Ii. S. lUU. Die Armensteaer betrug im selben Jahre 
4 911 4^6 £. 

*) Lewint a. a. 0. S. SS. 



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158 



rechtfertigen, und auf die Dauer verlor das Land auch Nichts 
dabei. Hob sich die Lage der Arbeiter, so nahm ihre Steuer- 
kraft zu und ihr Kedüifniss nach Armenunterstütziing ab. 
Man beliebte jedoch den Zinsfuss auf 2V2 Pence tj\j;lich, also 
auf 3 £ 16 s. d. herabzusetzen^). In anderer Weis« 
wirkte der vierte Paragraph des Sparkassengesetzes. In dem- 
selben wurde bestimmt, dasa der Clerk of the Peace die 
Statuten einem von der Staatsschulden Verwaltung angestellten 
Advokaten (barrister-at-law) übei-schicken solle, damit derselbe 
entwetlei- bescheinige, das dieselben „in conformity to ].iw and 
with the provisions of this Art'' seien oder die Mängel der- 
selben bezeichne. Dafür wurde ihm eine Guinea zugesprochen. 

Ob in dieser Neuerung ein Misstrauens votum gegen die 
Intelligenz oder den guten Willen der Gentry enthalten ist, 
ob man ihnen nicht so viel Geseteeskenntntss* zutraute, dass 
sie diesen auf neuei'e ökonomische Verhältnisse bezQglichen 
Zweig ihrer Tb&ügkait beheiTSChten oder ob sie ihre Pflichten 
versäumten, oder endlich, oh man nur aus Zweckmässigkeits- 
gründen, zur Kntlastung der Friedensrichter, die neue Behörde 
schuf, weiss ich nicht. Dort, wo man die meiste Heiehrung 
erwarten sollte, bei Lewins, ist keine vorhanden. Jedenfalls 
war diese Anordnung einer der ersten Schiitte, wenn nicht der 
erste Schritt auf der Bahn der Ersetzung des Ehrenamtes 
durch das Berufeamt *). Diese Maassregel auf die Hilfekasse 
zu tibertragen, wurde vorgeschlagen und gebilligt. Ein neues 
Beispiel der Einwirkung der Sparbank auf die Hilfskasse. Wir 
haben 'm\ Bereich der Hilfskassen allerdings gesehen, dass die 
Friedensrichter es oft an der nöthigen Sorgfalt bei der Kegi- 
strirung der Statuten fehlen Hessen^). 



M Von welcher Bedeutung diese Maassregel war, geht tot einer Rede 
Spring Rice s hen'or, wonach im Jahre ls2s l oOOöOO £ aus den Spar- 
kassen enUioiiimeu wurden, während zur Zeit der kommerziellen Krisis von 
1825 nur 8<il 000 und der politischen Krisis nur 550000 £ zurück- 
vprlangt wurden. Siehe Lewins, S. 77. — Die Beschränkung in den Ein- 
lagen war auch fOr den Staat keine wohlthätige Einrichtung. Denn £ng* 
laod hatte in der Folge grosse VoiiheUe von der Verwaltung des Spar* 
und Hilfsk i-senvermögens. Die Zinsreduktion der Staatsschulden im Jahre 
l&i4 war nur möglich, weil der Staat über dasselbe verfügen konnte. 
Diese Operation ersparte dem Lande jährlich 58 ODO 4. . Unter Goulbum 
ersparte eine weitere nur aus jenem Grunde durchttihrbare KedulcAieii dee 
Zinsfusses von 4 — :?» •.• — 3' 4 - :?f* o jährlich 750000 £. Grosse Er- 
sparnisse während des Krimkrieges. nThe funds . . a source of consi- 
derable gain to the State.* Lewins, 8. 174. 

■) „Ueberau wo die Seibatverwaltung des gemeinen Rechts in Verfall 
gerathen, wo der Gemeinsinn erschlafft, tritt die Parlamentsgesetzgebung 
ein, und die Bureaukratie setat sich an die Steile der nicht mehr vor* 
handenen KtochepielstliAtigkelt'' Fisehel, Die VefftMimg Eo^ds. 1862. 
S. 262 

^) Siehe ausser den früheren auch noch folgende Urtheile nach dem 
Beport Ton 1825. But to apportton to eaeh iooindiiia the shere of the 



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V. 1. 



159 



Nach dem, was wir über das Schicksal des Gesetzentwurfes 
von 1828 und die Einwirkung der geltenden gesetzlichen Ver- 
fassung der Sparbank gesagt haben, kann man sich den 
wesentlichen Inhalt des Gesetzentwurfes vom 17. März 1829, 
der unter dem Titel Bill to coDSolidate and amend the 
LawB TdaÜDg to Friendly Sodeties'' eiDgebraeht wurde, leicht 
konstniiren ^). Die Petitionssturmflut von 1828 riss Alles 
nieder, was irgend wie nach wohlthätigei- Beschränkung 
schmeckte. Sie schwemmte den Act vom Jahre 18]!> fort und 
führte das Hilfskassenwesen wieder auf die Grundlage vom 
Jahre 1793 zuiiick. Hieran die Uebei-fOhrung der auf dem 
Boden der Sparbank erwachsenen Bestimmungen über die 
Tbätigkeit des banister - at - law , über die jährlichen Berichte 
und die Redunrunpr des Zinsfusses: damit haben wir die 
Hauptpunkte des neuen Entwurfes skizzirt Die neuen Be> 
Stimmungen Ober die Entscheidung von Streitigkeiten suchten 
ein Kompromiss hei'zustcllen. Alle Streitigkeiten snllten durch 
ein Schiedsgericht geschlichtet weiden. Die Sclüedsgenchte 
aber durften weder ein direktes noch ein indirektes Interesse 
an dem Vermögen der Kasse haben. Die Entscheidung der 
Schiedsrichter sollte, wenn sie von 2 Friedensrichtern bestätigt 
wurde, endgiltig sein. 

Doch auch die Bestimmung aber die jährlichen Rechnungs- 
legungen wurde abgeschwächt. Einer Pi-üfung der Berichte 
durch die Staatsschuldenverwaltung bedurfte es nicht mehr. 
Es wurde eine Aufmachung durch drei Rechnungsrovisoren 
vorgeschiieben. liier sclien wir deutlich, dass einer der Haupt- 
angriflFspunkte die Reclmungslegung vor einer kompetenten 
Behörde gewesen sein uiuss. Zweifellos haben es gewisse 
Personen verstanden, den Massen vorzuspiegeln, die Regierung 
wolle einen Einblick in ihr Vermdgoi gewinnen, uro es dann 
SU konfisziren. Es gab bekanntlich viele Ehrenmänner, welche 
das grösste Interasse daran hatten, mit den Pfennigen der 
Armen, ohne zu genaues Zusehen, schalten und walten zu 
dürfen. 

renaiiiinff fbnd to wbieb he was jostljr entitled reqnired more of contlde- 

ation and caiculation tban could be expocted froni overv Justice of the 
peftce. S. 3. „Ihr Komite bat die wohlbcgründcte Ueberzeugung , dass 
ninrcicbonde Aufmerksamkeit iiiclit immer dieser Anweisung des Gesetzes 
geschenkt worden ist (bttidit sich auf Registrirung von Gesellschaften, die 
Mitjiliedern im GpfArifjnisse eine Sninme zahlen). S. 11. Knipfiehlt das 
Beispiel der Friedeosricbter in Kcnt, wo „tbe Act appears to bave been 
exoecttttMl with propriety and indgement** 8. 12. Ihr Vonehlag war ge- 
macht worden, die Friedensrichter sollten Personen beniäinen, von denen 
sie nur Zeugnisse über Präuiientafeln annebmen wollten. ^^^Qi^ sicher 
wäre.'" beisst es Seite 18, „dass die Friedensrichter nur Aktuare von an- 
erlouuiter Filiigkeit und Erfabrunf^ nennen würden, ohne Rücksicht auf 
Konnexionen, möchte dieser Gedanke mit Vortheil tuagefikhrt werden.* 
Ueberau Misstrauen gegen die Friedensrichter! 
>) BiUi Pablie. Vol. l. 1829. 



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lÖO . ' V. 1. 

Es erfüllt mit Bitterkeit zu beobachten, wie durch die 
schädliche ThäUgkeit solclier Parasiten die besten Absichten 
verkOmmei-t werden, aber es erweckt höchsten Unwillen, das 
Parlament, in sdner Schwäche bestrebt, den Schein zu wahren, 
einen Vorschlag annehmen zu sehen, der eine falsche Sicher- 
heit in den arbeitenden Klassen hervonoifen und allen Schuften 
den Rücken decken musste. Denn wie konnte es nach den 
Erfahrungen, welche es über die Kenntnisse provinzieller liech- 
nungsbeamten vom Versicliorungswesen iresainiiiplt hatte, noch 
vermuthen, dass dieselben im Staude sein wurden, den Jahres- 

äbsehlnsB Mner Hüfekasse zu machen? Und, selbst wenn sie 
es vermochten, waren die Rechnangsbeamten unabhängig? 

Mussten sie nicht gerade auf gute Kundschaft rechnen, wenn 
sie den Beamten, von denen sie tliatsäehlich ernannt wurden, 
bei Gelegenheit durch die i'iager sahen? Und existirte eine 
kontrollirende Behörde? 

Das Parlament wird von dem Gedanken ausgegangen sein, 
mit dem man sich in England so häufig trOstet, wenn man 
nichts Entscheidendes zu tbun wagt, dass die Zeit dafür noch 
nicht gekommen sei. Die Parlamentsmitglieder werden ihr 
Gewissen damit beruhigt haben, dass das Volk durch die Vor- 
schrift einer jährlichen Rechnungslegung auf den Nutzen der- 
selben aufmerksam worden würde, und dass man, wenn ein 
volles Vei*stiln(lniss eingetreten sei, es mit strengeren Maass- 
regeln versuchen könne. Nur Nichts gegen den Willen des 
VSkes! Man bedenkt nicht, dass jede Erziehung, also auch 
die wirthschaftliche, ihrem Wesen nach sehromhaft sein mnss, 
weil sie ein Anpassen an gegebene Verhältnisse ist Die Er- 
findungen und Ideen des 18. Jahrhunderts haben unser ganzes 
wirthschaftliches Lehen umgestaltet, aber die Kräfte und Triebe 
der meisten Individuen sind noch nicht so gebildet, dass die 
Majorität der Menschen mit Gltlck in den veränderten Formen 
zu wirken im Stande wäre. Erst nach mehreren Generationen 
kdnnen wir erwarten, dass der Kampf um*8 Dasein die Kiflite 
entwickelt und durch Vererbung den Neugeborenen fibermit- 
telt haben wird, welche das Gelingen, der Sieg in unserer 
wirtlischaftlichen Ordnung erfordert. Erst dann dürfen wir 
horten, dass die aus vergangenen Ordnungen überkommenen, 
veralteten Anschauungen, Sitten und Traditionen, welche sich 
80 oft dem erfolgreichen Streben in den Weg stellen, ausge- 
storben sein werden. Sind die Ideen über Ehe und ehe- 
liche Fruchtbarkeit, in deren Banne die meisten Menschen 
leben, nicht die uns tiberlieferten Anschauungen von Gene- 
rationen, die in Zeiten lebten, da die Erde noch Raum für 
Millionen hatte und die Wohlfahrt der Völker und Herrscher 
einen raschen Bevölkerungszuwachs erforderte? ist das Standes- 
bewusstsein einer todten Zeit in einem ständelosen Zeitalter 
nicht ein innerer Widerspruch? Ist die unberechnete Kon- 



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161 



sumtion von Nahrungsmitteln unter der reichen bäuerlichen 
Bevölkerung nicht eine Sitte, die aus yerkehi-sarmen Zeiten 
überkommen ist? Ist die ganze englische Hilfidcassengesetisgebiiiig 
nicht der noth wendige Kampf der Idee der Versicherung mit dem 
Gildegeiste? Wenn das Vorhergehende riditig ist, dann ver- 
dient ein Staat höchste Bewundeninpr. dessen leitende Manner 
so rasch wie möglich die Erziehung zur Erfüllung der eigen- 
thümlichen Lebensbedingungen ihrer Periode tibernehinen. und 
nicht so lange warten, bis unsägliches Elend die schwächeren 
Geister sur Erkenntniss des doch UnveimeidKdien bekehrt 
bat. Da ist Zwang das geringere Uebel, die bittere Arzenei, 
welcher die Genesung folgt. Ein Zeitalter ist beneidenswerth, 
dem die Macht zu Gebote steht, das Berechtigte, Gute, gegen 
den Widerstand der Unwissenheit und des Egoismus durchzu- 
führen und mit hartem Zwang zur echten Freiheit zu erziehen. 
Solche Erziehungsmittel, nicht die einzigen, sind die Institu- 
tionen sozialer Selbsthilfe, die Hilfskasse, die Sparbank, der 
Gewerkverein, der Konsumverein. 

Und nun gelangen wir zu dem letzten charakteristisehen 
Zuge des Gesetzentwurfes. Die Begutachtung der Priünien- 
tafeln durch den Aktuar der Staatssrhuldenverwaltung wurde 
aulgegeben. Wahrscheinlich witterte man auch darin eine un- 
gerechtfertigte Einmischung des Staates. Das Parlament 
machte gute Miene zum bösen Spiel. Portman sagte am 
15. Mai 1829 0: es existire keine Tafel, auf welche man sich 
verlassen könne und desshalb habe die Sanktion der Priünien- 
tabellen durch eine Behörde keinen Werth. Hier war das 
Bessere der Feind des Guten. Man kann Portman bis zu 
einem gewissen Grade Recht geben , und das Aufgeben des 
Standpunktes, welchen die Reports von 1825 und 1827 fest- 
hielten, nichtsdestoweniger lebhaft beklagen. Es war doch 
festgestellt worden, dass die Altei*s- und üeberlebensversicheruug 
mit den vorhandenen Tabellen ohne Furcht betrieben werden 
konnte; die Grundlage der Krankenversicherung war schw&cher» 
aber die Er&hrung sprach für sie, und eine fehlerhafte Basis 
konnte leicht aus dem Stande der Kasse ersehen werden, wie 
dies ein Londoner Verein bewies. Zudem war ein Korrectiv 
in guten Jahresabschlüssen gegeben, die in kurzen Zeiträumen 
die wunden Punkte der Hilfskassen aufzeigen und zeitig genug 
auf die Notbwendigkeit einer Refoim aufhierksam machen 
mussten. Und jedenfalls waren die von einer Londoner Be- 
hörde gebilligten Prämientabellen besser als diejenigen, welche 
die Bierwirthe und andere dunkle Existenzen filr die Vereine 
vollschreiben würden Wahrlich, bei genauem Zusehen stellt 
sich die ganze Vorsicht der Väter des Gesetzes von 1829 als 
eiUe Furcht vor den Petitionen der Arbeiter dar. 



1) Haosard's Debates. 15. Mai 1829. 
FeiMkMBtn 00) V. 1. - BaäbaA, 11 



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162 



V. 1. 



Was Portman iDr die aosgefiallene Maassregel ▼oneUag, 
war tbeoretaadi ▼onOglich, aber er mosste klar voraussehen, 
dass 66 im gttnatigsteQ Falle erat in einem Jahrzehnt den 

Hilfskassen nützen könne. Wir werden bald zeigen, dass es 
dem Arbeiterversicherunf?swesen bis jetzt noch wenig geholfen 
hat Er fügte nämlich dem Gesetzentwurfe den Paragraphen 
hinzu, dass die Hilfskasäen alle 5 Jahi-e eine Statistik über 
die in dem JahifUnft stattgehabte Krankheitsdauer und Sterb- 
Ucfakeit einreichen sollten. 

Wie diese Maassregel segensreich wirken sollte, darüber 
waren sich Portman und Genossen noch völlig unklar. Sie 
schlugen vor, die Berichte an den Oberbibliothekar des Brit- 
tischen Museums zu senden. Dort solle Jeder, welcher sich 
für das Arheiterversicherun^swesen interessire, dieselben ein- 
sehen dürfen. Man dachte al60 noch nicht an ein systematisches 
BBarbeiten der Materialien. Zorn Zwecke gräidlicher Er- 
hebungen war ein der Bill angehängtes Sdiema vorgeschrieben. 

(Siehe fblgende Seite.) 
Noch einige Worte Aber das Schicksal des Oeseti- 

entwurfes. Am 6. März erhielten Portman und Genossen die 
Erlaubniss, die Bill einzubringen^) Portman theilte dem 

Hause mit, das Misstrauen gegen Courtenay sei so gross, dass 
er es nicht gewagt habe, die Bill vorzulegen. Man hätte 
fürchten müssen, eine gesetzliehe Maassregel, die in Verbindung 
mit seinem Namen stehe, würde dem grössten Wideratande 
begegnen 

Dies w«r der Dank f&r den Mann, der nun fünf Jahre 
hintereinander das Wohl der arbeitenden Klassen im Ange 

behalten hatte. 

Die Bill erhielt im Ausschusse noch verschiedene neue 
Paragraphen und Bestimmungen 3). Vor allem suchte man 
durch ein Hinterthürchen eine Prüfung der Prämientafeln, 
welche man in Eiiolg versprechender Weise nicht offen zu 
▼erlangen wagte, wieder in das Gesetz einzuschmuggeln. Das 
Verfahren des Parlamentes war muthlos und komisch. Die 
Friedensrichter sollten sich n&mlieh, ehe sie die Statuten re- 
gistriiten, davon übei-zeugen, dass die Prämientafeln auf Be- 
rechnungen begründet wären, welche die Sicherheit aller Be- 
theilipten verbürgten. Die Friedensrichter, denen man schon 
den grössten Theil ihrer Befugnisse genommen hatte, weil sie 
das ihnen angetragene Geschäft bisher mit Lässigkeit betrieben 
hatten , wurden auf einmal zu Beurteilem von PrAmientafeln 
erhoben. Die Parlamentsmitglieder haben wahrscheinlich ge- 



^) Die Daten nach dem Journal of tbe House of OommoiiB. 1S29. 

Siehe Hansard's Debates. May 15th 1829. 
*) BUU Public. SessioD 1829. ,BU1 aa amended by tbe Committee'' 
Ibigt im 1. Baada ^eidi hinter der enten. 



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V. 1, 



168 



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164 



V. L 



dacht, die Friedensrichter könnten vielleicht ihren Charakter 
ftddm; und in der Erkenntniss, in welcher Kothlage sich das 
Parlament befinde, <ri ossmnthig die Ani^aben eines Yersiche- 
rnngsbeamten Übernehmen. 

Die anderen Zusätze sind von grösserer Wichtigkeit. In 
Fällen, wo der Advokat die Statuten einer Gesellschaft nicht 
gebillifit hat, darf dieselbe sich an die Vierteljahrssitzunjien 
wenden, und diese dürfen, wenn sie der Ueberzeugung sind, 
dass dem Vereine Unrecht geschehen ist, die Hil&kasse anch 
ohne die Zustimmung der Londoner Beamten einsehreiben. 
Zwestens wird den Vereinen auch gestattet, alle Streitigkeiten 
Yor die Fnedensrichter zu bringen. Es wird also in das Be- 
lieben der Vereine gelegt, ob sie für ihre Streitigkeit ein 
Schiedsgencht oder ein staatliches Gerieht wählen wollen. 
Weiter enthält der Entwurf die Bestimmung, dass die alljähr- 
licheu und fünQährigen Berichte einem der Staatssekretaire 
eingereicht nnd von diesem dem Parlamente vorgelegt werden 
sollen. 

Obgleich die Vorlage sich wieder auf den Standpunkt von 
1793 stellte, wurde sie heftig in Petitionen angegriflfen M. ^^ie 
wurde jedoch in der Nacht vom 19. zum 20. Mai zum dritten 
Male gelesen und erhielt am 19. Juni die königliche ZusUm- 
muDg. 

Das Gesetz wm 19. Juni 1829 (10 George IV. C..56) 
.An Act to consolidate and amend the Laws relating to« 



Friendly Societies" hat im Auszuge folgenden Inhalt. Nach- 
dem es in der Einleitung die früheren Gesetze au%ehoben hat, 
bestimjnt es, dass 

II. Durch freiwillige Beiträge und Geschenke ein Ver- 
mögen angesammelt werden düi-fe .,for the mutual Kelief and 
Maintenance of all and every the iMembers thereof. their Wives 
or Children, or other Belations, in Sickness, Infancy, ad?anced 
Agf , Widowhood or any other natural State or Contingency 
whereof the Occurrence in snsceptible of Calculation by way ä 
Average*^. 

IV. Die Statuten werden in England und Berwick-upon- 
Tweed von dem zur Begutachtung der Statuten der Spar- 
kassen ernannten Advokaten, in Schottland von dem Lord- 
Advocate, in Irland von einem Advokaten, <ler vom Attorney- 
General ernannt werden soll, geprüft. Der Beamte erhält eine 
Guinea. & sendet die Statuten an den Clerk of the Peace. 
Dieser legt sie den Friedensrichtern vor, welche sie bestätigen. 
Die Portokosten müssen die Vereiue tragen. 

V. Im Falle der Weigeining des Advokaten, die Statuten 
SU registriren, sind die Vierteyahi-ssitsungen Appellinstanz. 



1) Journal ittr 1829. 4., lU 19- Mai. 




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165 



VI Die Friedensrichter düiüm die Statuten nm* dann 
bestätigen, wenn sie die Ueberzengung gewonnen haben, dass 
die Prftmientabellen die Sicherheit aller Mitglieder TerbOrgen. 

IX. Aendemng der Statuten ist nur bei Miijorität in 

einer gehörig zusammenberufenen Vei-sammlung gesetzlich. 
Eine gehörig zusanimenberufene Versammlung ist eine solche, 
die auf Ansuchen von 7 Mitglipdern vom Sekretair angesetzt 
und bei zwei Versammlunsren bekannt gemacht worden ist, 
cfr. III des Gesetzes von 1793. 

X. Hält fest daran, dass der Ort, wo der Verein seine 
Versammlungen abhalten will, in den Statuten beseicbnet wer- 
den moss. 

XL Verleiht dem Vereine das Recht, alle seine Beamten 
zu ernennen. Die Trustees und der Schatzmeister sollen Can- 
tion stellen. 

XII. Die Uilfskasse hat das Recht, Ausschüsse zu er- 
nennen. 

XIII. ^ Die Beamten dürfen das Vemögen anlegen in 
Staatspapieren, Sparbanken, in den privDegirten Baaken (char- 
tered Banks) Schottlands nnd in der Bank der schottischen 

Handelsgesellschaft. 

XIV. Die Kassenbeamten müssen von Zeit zu Zeit Rech- 
nung legen. Die Gerichtshöfe, in denen Beamte verklagt 
werden können, sind die im Gesetze von 1793 § VIII ange- 
gebenen. 

XV. Wenn die Trustees veriiindert sind, ihre Pflicht 
anssuQben (Krankheit, Abwesenheit etc.), darf der Court of 

Exchequer in England und Irland, die Lords of Sessions in 
Schottland, die Richter eines Hofes der Great Sessions in 
Wales eine Person zur Uebertragung des Vermögens er- 
nennen. 

XVI. Dieselben Höfe können die Bank von England 
autoiisiren, Geld zu übertragen, iiu Falle ein Trustee bankerott 
ist, etc. etc. 

XVII. Für die Ausführung dieses Gesetzes durch die ge- 
nannten Gerichtshöfe dürfen keine Kosten berechnet werden. 

XX. Die Hilfskassen haben vor anderen Gläubigem das 
VoiTecht auf das Vermögen bankerotter oder gestorbener 

Trustees. 

XXI. Die Trustees veitreten die Gesellschaft nach aussen 
(klagen und verklagen). 

XXII. Der Schatzmeister ist nur für die Summen ver- 
antwortlich, welche er wirklich erhalten hat. Trustees sind 
fbr Defizite nur dann haftbar, wenn sie sich verbindlich ge- 
macht haben und bis zur im Voraus festgesetzten Hohe. 

XXIIL Eine Zahlung an Personen, welche nahe Ver- 
wandte zu sein scheinen, ist gUtig. 



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166 



XXIY. WeDD ein Mitglied ohne Testament gestorben ist, 
BO darf die eine Summe nicht Ober 20 £ ansbenblt werden, 
ohne dass der Erbe letters of adroinistration Torw^t 

XXV. Die Friedensrichter schreiten ein, wenn ein Mit- 
glied, ein Boamter, ein Testamentsvollstrecker u. s. w. unter 
falschen Vorspiegelungen Geld von einer Kasse erhält. 
Nöthigenfalls wird Zwangsverkauf angeordnet, ergiebt derselbe 
nicht die zugesprochene Summe, so kann auf Zuchtbaus er- 
kannt werden. 

XXVI. Anfliteang einee Verdnes nnr mit Zustimmung 
Yon tdler Mitglieder erlaubt Zum Schutze der alteren 

gegen die jüngeren Mitglieder erhält jedes Mitglied für jede 
fünf Jahre seiner Mitgliedschaft eine Stimme mehr. Unge- 
setzliche Auflösung null und nichtig. Die Treuhänder werden 
im Falle ungesetzlicher Auflösung wie bei Betrug bestraft. 

XXVII. Der Verein erklärt bei Einreichung der Statuten, 
ob er Klagen vor ein Scliiedsgeiicht von Männern bringen 
•will, welche durch kein materielles Interesse mit der Kasse 
verbunden sind, oder vor die Friedensrichter. Die'Entschei- 
dung der Schiedsgerichte ist endgilt ig. Im Falle eine Partei 
sich nicht fügt, können Friedensrichter sie in Strafe nehmeUt 
nötbigenfalls Zwangsverkauf anordnen. 

XXVIII. XXIX. Handeln über die ähnlichen Befugnisse 
der Friedensrichter, wenn Klagen vor sie gebracht werden. 

XXX. Ein unter diesem Gesetze eingeschriebener Verein 
darf sein ganzes Vermögen oder einen Theil seines Vermögens 
in eine Sparbank einzahlen, welche unter dem Gesetze 9 
G. IV. c 92 registrirt worden ist 

XXXI. Alle Bestimmungen des Sparkassengesetzes über 
die Reduzirung des Zinsfusses beziehen sich auch auf die 
Hilfskassen. Vereine, welche vor dem 28. Juli 1828 einge- 
schrieben wurden, sollen ihren früheren Zinssatz weiter er- 
halten. Ks ist nicht erlaubt, Geld, welches einmal der Ver- 
waltung der Staatsschuldenkommission entzogen worden ist» 
wieder einzulegen^. 

XXXII. Minderjährige können mit Brlaubniss ihrer Eltern 
und Vormünder Mitglieder werden. 

XXXIII. Ordnet die jährlichen Berichte an. Mitglieder 
sind bei Zahlung von nicht über 6 d. zu einer Kopie be- 
rechtigt. 



M In England muss jedes Testament vor einem (ierichtshote (Court 
ot Probate) be&Utigt werden, wenn beweglic hes Vermögen (personal estate) 
und Ertilaitiie aus Pachtvertitfen, Forderungen etc. (chatteis real) vorerbt 
■werden. Wenn der Verßtorbene, ohne ein Testament gemacht zu haben, 
stirbt, dann muss der Gericbtsbot die Ermächtigung zur Erbebimg der 
Erbschaft geben (to grant letters of administratioii^ 

2) Diese M uis^rcpel wurde ergriffen, um die Kassen bei niedrigieni 
Kurse der btaatspapiere an Haussespekulationen zu verhindern. 



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167 



XXXIV. Schreibt die fbnQährigen Berichte Ober Krank- 
heit und Moiialität vor, weil korrekte Tabellen nothwendig 

und die bisherigen Daten ungenügend seien. 

XXXV. Der Clerk of the Peace sendet sie an einen 
Staatssekretär, dieser au das Parlament. 

XXXVI. Vereine, welche diese Berichte nicht einsenden, 
gehen der Wohlthat des Gesetzes verlustig. 

XXXVII. Freiheit von Stempelgebühren. 

XL. Alto Vereine mOssen sich innerhalb 3 Jahre nach den 
Vorsehriflen dieses Gesetzes neu konstitniren. In der Zwischen- 
seit gemessen sie die Privilegien des Gesetzes, unter dem sie 
eingeschrieben wurden. 



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III. 



Die raJiige Zeit. 
1829—1840. 



Das vierte Jahrzehnt dieses Jahrhunderts siebt auf nicht 
mibewegtem poHtisehen Hintergninde scbneU aufeinander- 
folgende, bedeutende Maltesregeln innerer Reform das alte 

England zu Grabe tragen. Die brittischen Ptaatsinänner ar- 
beiten mit fieberhafter Sclinelligkeit, als ob sie in einer kurzen 
Spanne Zeit die Versiiumniss vieler Vorgänger nachholen, die 
Schuld von Generationen süinien, den Schutt von Jahrhunder- 
ten forträumen wollten. In zehn Jahre drangen sich zusam- 
men: die Parlamentsreform, die Aufhebung der Sklaverei, die 
Reform der Stftdteordnnng, ein wichtiger Fortschritt in der 
Fabiikgesetzgebung, der erste Ansturm gegen die anglikanische 
Kirche in Irland und viele kleinere Maassregeln. Ein her- 
vorstehender Zug dieser Zeit ist die kraftvolle Durchbrechung 
der alten Selbstverwaltung durch das Berufsbeamtenthum. 

Vor so schweren Fragen tritt das Hilfskassenwesen zurück. 
Kein Probleni von Bedeutung wird erörtert, kein neues Motiv 
setzt ein, keine allseitige Entwicklung eines socialpoUtlschen 
Gedankens, wie in der Gesetzgebung von 1793—1819, keine 
neue, die Betrachtung der alten zurflekdr&ngende Seite wird 
dem Arbeiterversicherunpswesen abgewonnen. Um so bunter 
und manniglaltiger gestaltet sicli der Stoff, welchen wir auf 
den folgenden Seiten darzustellen vei-suchen. 

Diese Mannigfaltigkeit nun und das Zurücktreten der 
Thätigkeit der Beamten der Selbstverwaltung ist das Band 
zwischen der allgemeinen Geschichte und der Geschichte der 
Hilfekasse dieser Perioda 

Wenn wir dieselbe in chronologischer Weise schreiben 
wollen, haben wir zunächst einen Blick auf die Geschichte der 
Sparbank zu werien. Denn es bewahrheitet sich wieder ein- 
mal, dass Probleme, welche auf dem Boden der Hilfskasse 



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169 



entstanden waren, im Gebiete der Sparbank gelöst werden. 
Wir berichteten, wie geringe Fortschritte bisher die Alters 
TersicbeniDg in England gemacht hatte. Die Lohne der Majo- 
rität aller Arbeiter waren nicht hinreichend, um ihnen die 
Zahlung der hohen Prämien zu ermöglichen. Mancher, der 
im Stande dazu gewesen wäre, befürchtete, das zum Genuss 
einer Altei-srente befähijrende Alter nicht zu erroiclien oder es 
schreckte ihn der fortwährende Zusammenbruch , die Möglich- 
kdt der AuflOsang der Hilfekassen davon ab, seine Ersparnisse 
emer sg unsicheren Anstalt anzuvertrauen. 

Um der letstgenannten Klasse von Arbeitern »(»glichst 

entgegen zu kommen, petitionirte Cadogan Williams im Jahre 
1829 an das l'nterhaus Ilm eine den ArbeiterverhAltnissen 
angepasste Ausdehnung der staatlichen Rentenvei-sicherung, 
welche 1692 zuerst, zum Zwecke der Aufnahme einer Anleihe, 
in der Form der Staatstontine Eingang in England gefunden 
hatte. Es wurde ein Select Parliameutary Conmdttee einge- 
setst, welches neben Cadogan Williams mehrere andere Männer 
als Zeugen vorlud, so Higham und FInlaison, und sich in 
einem kurzen Report für das von Williams angeregte Projekt 
aussprach M. Der Ausschuss erwähnt die im Jahre 1773 von 
Dowdeswell eingebrachte Bill, um daran die Bemerkung zu 
knOpfen, dass er die damals beliebte Weise der Ausführung 
nicht für zeitgemäss halte. Er schlägt vor, ila>> das Ver- 
sicherungsgeschäft von den Sparbanken vermittelt werde. Der 
Gedanke war bekanntlieh nicht neu. Zuletzt hatte ihn Fin- 
huson, wie wii* erwähnten, einem parlamentarischen Ausschusse 
vorgetragen. Auch die Form, in welcher er verwirklieht 
werden sollte, war von Finlaison einige Jahre früher vorge- 
zeichnet worden. 

Die Maassregel wurde jedoch nicht sofort in Angriflf ge- 
nommen. Vielleicht war der Kampf um die Parlameutsreform 
ihr nicht günstig. Erst im Jahre 1833 legte Lord Althorp 
dem Parlamente das Projekt einer staatlichen Rentenkasse f&r 
die Gewähiiing von sofort oder in Zukunft fälligen Renten 
vor, welches von demselben fast unverändert angenommen 
wurde. Bisher hatte die niedrigste Summe, welche vei*sichert 
werden konnte. 3(i i betragen. Jetzt wurde in diesem Ver- 
sicherungszweige das Minimum auf 4, das Maximum auf 20 ^ 
festgesetzt. Das Einzahlen der Prämien und Auszahlen der 
falligen Summen sollten die Sparkassen und andere zu diesem 
Zwecke errichteten, staatlich befugten Banken flbemehmen'). 



') Report frora the Select roimniitee ou Life Annuities. 1S29. 
Vol. III. Im selben Jahre wurde dem Parlamente das Projekt vorgelegt, 
eine etaatUcbe Lebeosversidiening in's Leben m rufen. Es lehnte <a» 
BiU ab. 

*) Lewins a. a. 0. S. 69 fig. 



L-iyiii^üd by Google 



170 



Mit dieser Maassregel trat der Staat als Konkurrent der 
Hilfskassen und der Aktiengesellschaften in der Altersvei-siche- 
rung der arbeitenden Klassen auf. Wirkte sie segensreich? 
Stand die Arbeiterversicherung vielleicht an einem Wende- 
punkte ihrer EntwickluDg? Diese Fragen sind zu natttr- 
lieb« als dass sie sieh nieht sofort aufdrängen solltem Wir 
werden sie bei Besprechung einer weiteren Phase in der Ent» 
wieklung der staatlichen Altei-srentenkasse beantworten. 

Noch näher liegt die Frage nach dem Zustande der 
Hilfskassen und weiter nach der Wirining des letztet Hil&- 

kassengesctzes. 

Wenn unsere Ansicht richtig ist, dass die Projekte der 
S^wangskasse oder der Kirchspielhilfskasse im Vordergrund der 
wirthschaftspolitisclien Diskussion stehen, so oft die freiwilligen 
Hilfskassen unfähig erfunden werden, den Arbeiter gegen die 
Zufälle des Lebens und das Land gegen die Armensteoem za 
schützen, dann deutet ein Artikel der Quarterly Review aus 
dem Jahre 1834 auf eine wenig erfreuliche Periode im Leben 
der Friendly Societies hin Der Veifasser greift auf die 
alle Arbeiter des Landes umfassende Zwangskasse zurück. 
Jedem Arbeiter solle in den Jahren seiner Kraft und Gesund- 
heit eio Tlieil seines Lohnes genommen werden, um ihn wäh- 
rend der Zeit seiner Arbeitsnnftiiigkeit damit zu nnterbalten. 
Wenn das auch eine Steuer auf die Arbeit wäre — man sieht, 
er richtet seiuen Angriff gegen Malthus — so würde die Steuer 
auf diejenigen abgewillzt, welche die Arbeit des Annen in den 
Jahren seiner Kraft reich gemacht habe, und die Steuer stände 
im gi-aden Verhältniss zum Quantum der gemietheten Arbeits- 
kraft. Einige Jahre später, im Jahre 1838, wird der Plan 
einer allgemeinen Arbeiterversicheruugsunstalt von De Morgan 
in seinem »Essay on Probability* wieder au^nommen*). 

Wir haben die Ansicht der Qu. R. schon in der Ein- 
leitung auf ihre Biehtigkeit geprüft und enthalten uns einer 

Wiederholung dieser Kritik. Wir enthalten uns ebenso der 

Frage, ob vielleicht nicht in den vorgetragenen Anschauungen 
der Groll des LMundhesitzenden Tory gegen die homines novi 
nachhallt, die sich seit dem Reforuigesetze in Westminster so 
bemerklich machen. Wenn man aber erwägt, dass um diese 
Zeit die englische Fabrikgesetzgebung einen bedeutenden 
Sehritt vorwärts geführt werden musste, dass die Armensteuer 
in England und Wales ungefähr ISO Millionen Mark betrug; 
dass die Massen, welche man zuei*st durch jahrhundertlanges 
Unrecht pauperisirt hatte, nun durch die falsche Anwendung 
des Armengesetzes demoralisirt waren, dann ist der Schluss 



M Vol. L. 1833—84. S. 171. 172. 
Walford, Iniarance Gydopaedia. IV, 439. 



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V. 1. 



171 



wohl nicht fttlsch, dasB anch die iDstitatioDen der sosialea 
Selbsthilfe Bich Dicht gerade in einem blQhenden Zustande be- 
fanden. 

Es fehlt uns an genügendem Material, um die La^ie der 
Hilfskassen zu schildern. Die wenigen Notizen haben nur 
^niptomatische Bedeutung, allerdings von hohem Weithe. 
Hier und da stossen wir m der Literatur jener Zeit auf ein- 
zelne Stellen, welche düstere Perspektiven eröffnen, a. B. in 
dem Berieht des pai hm) entarischen Ausschusses über die Hand- 
weber, in dem mit fürchterlicher, leidenschaftsloser Deutlich- 
keit , an der sich die Phantasie eines Zola entzünden könnte, 
der allmähliche Untergang der Handweberfamilien dargestellt 
wird. In der ti'ockenen Beschreibung der gradweis fortschrei- 
tenden Verschlechterung der Wohnung, Kleidung und Nahrung 
des Webers findet sich aneh die Stelle, „dass die Hilfiskassen, 
denen er firOher angehörte, untergegangen sind, weil. er un- 
flhig war, die Beiträge zu zahlen*^ 

Es ist auch kein Beweis von dem blühenden Zustande 
der Hillskassen, dass im Jahre 1835 ein Verein „zur Auf- 
munterung und zum Schutze der Hilfskassen" gegründet wurde, 
ein Ziel, welches die Gesetzgebung nun schon länger als 
40 Jahre nicht sehr erfolgreich vei-folgte. Die Zwecke des- 
sdben waren die folgenden: 

1. Ein Vermögen anansammeln rar UntersMlttnng ven 
llitfifliedem von Hilfekassen in Perioden plötzlicher (unexpected) 
Noth, for i^elche die Statuten ihrer Vereine keine hinreichende 

Hilfe gewähren. 

2. Den rresellschaften. ihren Mit^^liedern oder Vertretern 
Beistand zu leisten, um Gerechtigkeit von Jedem zu erlangen, 
der in irgend einer Weise versuchen mag, sie ihrer gesetz- 
massigen Rechte und Privilegien zu berauben (? !). 

3. Die Interessen der Hilfekassen zu Tertreten und zu 
befördern, entweder durch Rechtsbeistand, Rath oder auf irgend 
eine andere Weise etc. 

4. Untersiichiincren und Foi-schungen Ober die Gesetze 
und Statuten der Hiifskassen; Erörterung und Vorschläge von 
Verbesserungen; Correspondenz mit den verschiedenen Hilfs- 
kassen, und Sammlung und Verbreitung von Belehrung über 
Alles, was mit ihrem Wohlergehen zusammenhängt. 

5. Ermuthigung zur und Beistand bei der Bildung von 
Hilfskassen. 

6. Anlegung einer Bibliothek etc. 

Der erste Zweck ist sehr edel, leider nicht genau definiit, 
und sehr wahrscheinlich nicht ausführbar. Der zweite ist ver- 
wunderlich. Die vier folgenden sind ein Hinweis darauf, dass 



>) S. IT. Yol Xni. 1885. 



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172 



V. 1. 



die arbeitenden Klassen bei dem damaligen Stande ihrer Bil- 
dong dem VersicheruDgswesen nicht gewachsen waren. 

Die Existenz dieses Vereins verriUh das ökonomische und 
technisclie Grundübel der freien Hilfskassen. Ub er jimssen 
Nutzen gestiftet liat, kann der Verfasser nicht mittheilen. 
Jedenfalls spricht die Vernuithung dagegen. An der Spitze 
desselben stand Lord brougham >). 

Aeusserlicfa nimmt sich die Hiliskassenbewegung dagegen 
gans stattlich aus. Die zahlreichen Lehmhäoser Terschuldeter, 
armselig lebender Gebirgsbauern im Schatten bHihender Obst- 
bäume sehen von weitem \\if ein bedeutendes Dorf aus. So 
weit Zahlen, welche die Vorstellung einer abstrakten Gleich- 
heit der gezählten Gegenstande erwecken, eine Erkenntniss 
vermitteln können, hiitte das Hilfskassenwesen eine hohe Blüthe 
erreicht. Man wird uns nicht zumutiien, die bedingungslose 
Verehrung grosser Zahlen zu tbeilen, in denen Statistiker so 
hftufig geschwelgt haben. Uns allen ist s. B. bekannt, wie sie 
aus der Zunahme von Spindeln, Fabriken, Dampfmaschinen in 
einem Lande auf den zunehmenden Wohlstand desselbw ge- 
schlossen haben. In Wirklichkeit bewiesen die Zahlen zuweilen 
eine Verarmung des Landes, denn wurden die Spindeln, Fa- 
biiken, Dainpfmasrhinen nicht hinreichend oder gar nicht be- 
schäftigt, so war das Land armer geworden. 

Wohl begründet ist der Skepticismus gegen den Werth 
der Zahl schechthin, mit welchem wir ein Veneicbniss sAmmt- 
licher, seit dem Erlass des ersten Hil&kassengeeetzes bis in 
den Anfang der d reissiger Jahre registrirter Friendly Societies 
Überblicken. Wie viele von denselben existirten noch? Wie 
viele wurden ehrlich verwaltet, hatten bescheidenen Ansprüchen 
genügende Prämientufoln, verschwendeten ihre Reserven nicht 
in Bier, Roastbeef und Roastmutton? Darüber verräth die 
Zahl nichts. Aber, wenn sie auch alle noch existirt hätten, 
alle nach Verfassung und Verwaltung Musterinstitute gewesen 
wftren, bOte dann die Lage einen freundlicheren Anblidc? 
Wir haben schon verschiedene Male gehört und werden es 
immer wieder hören, dass die Freiheit aller Britten, eine oder 
mehrere Kassen zu gründen, dem Gedeihen dei-selben ausser- 
ordentlich schädlich gewesen ist. Abi^eselien davon, dass die 
Konkurrenz die schlechtesten am leichtesten Hoden fassen liess, 
weil sie die grössten Unterstützungen bei den kleinsten Bei- 
trägen versprachen , verteilte sie auf die nieibten Kassen so 
wenige Mitglieder, dass an eine finanzielle Sidieiheit nicht zu 
denken war und vergrOsserte sie die Verwaltungskosten in einem 
hohen Grade. 

Von grösserem Werthe erscheint uns die Vergleichung 
der Zahlen der Uiliskassen in den drei Königreichen, weil sie 



») Wallord, a. a. 0. IV. m 



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V. 1. 



17a 



zur kraltigeren Belcuchtunij eini^jer fniher berührter Punkte 
führt Von nicht zu unLerscliätzender Bedeutung ist auch der 
UmstaDd, dasB das VerzeiehDiss, mit wenigen Ausnahmen, das 
Datom der Einsehreibung der Vereine angiebt. Es ist daher 
niö^lich, das allmähliche Erstarken der Bewegung Jahr für 
Jahr zu verfolgen. Doch ist diese Beobachtung sehr zeit- 
raubend (ia sich der Bericht jeglicher Addition enth&lt und 
47 Seiten lang ist. 

"Wir entnehmen ihm ^) folgende Zahlen. Es gab damals 
einprescbriebeue Hilfskassen in 



Bedtoidshire« . . 
Berkshire . . . 
Borough of Reading 
B. of New Windsor 
County of Bucks 
Bueküigham . 
Cambridge • 
Isle of £ly . 
ehester 
City of ehester 
Com wall . . 
Derby . . 
Durham . . 
Essex . . 
Gloncester . 
Devon . . . 
Gloucester . 
Devon . . 
Hauts „ 
Hertford . 
St. Albans . 
Hnntingdon . 
Kent. . . 
Lancaster 
Middlesex 
City of London 
Korfolk 
Northunibcrlanf 
Newcastle upon Tyne 
Nottingham . 
Oxford . . 
Counfy of Salop 



an 
an 



an 



77 

73 
31 
2 

129 
2 

70 

4 

342 
26 
246 
410 
271 
580 
200 
300 
200 
300 
310 
148 
95 
41 
575 
2113 
2154 
300 
411 
102 
82 
209 
67 
100 



gegen 



S 0 ni e r s e t . , 
Stafford . , 
Suffolk. . . 
Surrey . . . 
Snssex. . . . 
Warwickshire . . . 
Wostmoreland . . , . 

Wiltshire 

Worcestershire .... 
York East and West 

Riding 

Biecon 

Cardigan 

Caermarthen . . .an 

Glainorgan 

Montgomery 

A berdeenshire • . 

Ayr 

BaufT 

Caitliness 

Dumfries 

Dumbarton 

Edinburgh . 
Elgin .... 
Fife .... 



.an 



Forfar . . 
II ad dington 
L a n a r k . 
Linlithgow 
Perth . . 
Rmifrew . 
Roxburgh 



539 
404 
579 
300 
186 
538 
38 
152 
264 

500 
88 
34 
120 
148 
36 
299 
96 
74 
30 
72 
21 
200 
38 
70 
235 
40 
297 
18 
107 
122 
85 



Keturn to an Address to bis Majesly, dated 6th Oktober 1831 for 
t Betnni of the Number of Friendly Societies filed by the Clerks of the 
Ptaee of each Tounty, Riding and hivi^ion in r.reat ßritain and Iroland 
iinee l«t January 1793 to the tiioe ot uiaking such return. Accouota and 
Fipen. YoLXXYL 1881-82. 



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174 V. 1. 

Naeh amifihenider Schätzung beti-ug die Gesammtzahl 
etwa 15500. Davon waren etwa 1200 schottische Vereine. 
Vergleicht man damit die offiziellen Zahlen am dem Anfang 
dieses Jahrhunderts, so hätten die Hilfakaswn um etwas mehr 

als die Hälfte zugenommen. 

Nach einem in demselben Bande befindlichen Berichte, 
der bald darauf aus Irland einlief, betrug die Zahl der einge- 
schriebeueu Hülfelutssen auf der grtlnen Insel nur etwa 270, 
and swar: 

Autrim 

Annagb 

Carlow 

Cavan 

Carrickfeigus .... 

Cläre 

County and City of Cork 
Donegal 



Drogheda. . . . 
City of Dublin . . 
Fermanagh . . . 

Galway . . . . 
Town of Galway . 

Kerry 

Kildare . . . . 
Kilkenny .... 
King*» County . . 
Leitrim .... 



10 


T.iniArifl» 


0 


8 


Town of liimeriek 


1 


7 

ff 


TiOndondenr 


4 


0 


Londord 


0 


2 




1 


0 


Mayo 


0 


25 




12 


0 




0 


15 


Queen's County . . . 


0 


6 




0 


112 




5 


0 




1 


0 




0 


2 


Waterford 


1 


0 


County of Wiiterford. . 


21 


2 




10 


S 




16 


0 


Wicklow ....... 


5 


1 







Die ausserordentlich geringe Zahl von Hilfskassen in Ii*- 
land befremdet weniger, wenn man sidi erinnert, dass sie &8t 
als eine gans fremde Institution durch das Gesetz vom Jahre 
1796 auf die grOne Insel übertragen wurden Vor 1800 

wurden, wie früher erwähnt, nur 4 Vereine i-ep:istnrt. In einem 
Falle hat der Clerk of the Pence zur Erklärung: des Mangels 
an Hilfskassen hinzugefügt: „Es existiren hier Darlehnskassen 
für die Armen." Aber, selbst wenn konkurrirende Anstalten 
dieser Art an allen Orten Irlands existirt hätten, würden sie 
nur das Wenigste erklären. Im Vergliche au seiner Ein- 
wohnerzahl hat England zu viele, Irland zu wenige Hilfii- 
kassen. 

Die gelinge Zahl der irischen Hilfskassen wird bedingt 
durch die religiösen und sozialen Verhältnisse der InseL Vor 



^1 ..Das Datum der ältesten Hilfskasse, welche ich in Irland ange- 
troffen habe, ist 176<l" Lynch Daniell's Report, Vol. XXIII. Pt. II, S. 2. 
Haben die Gilden in dem katholischen Laude länger geblüht und die Ver- 
hreituDf der Hilfiikman gehindert? 



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V. 1. 



175 



Allem felilte die scgeDsieiclie Thätigkeit einer Geistlichkeit, 
irddie wie die englische bewiust die ökonomiBche Enäehinig 
des Volkes fiberaommen hätte. 

Von einer heilsamen Wirksamkeit der irisch-anglikanisehen 
Geistlichkeit kann der Gcschichü^schveiber der Hilfshassen 
Nichts berichten. Die Thatsache ist allgemein bekannt, dass 
die Nachkommen der Angelsachsen, welche sich mit Kelten 
vermischten, in wenigen Generationen alle Charakterzüge der 
Iren annahmen. Kennte man nicht die geheimen und offenen 
Wunden der anglikanischen Kirche in Irland, dann wäre man 
&8t versucht, an einen lähnlichen Prozess, an einen demorali- 
sirenden EinÜuss der katholischen Kirche zu glauben. Obgleich 
die römische Kirche über die Majorität aller Iren eine unbe- 
schrankte geistige Herrschaft übt, sucht man vergeblich nach 
Beispielen einer materiellen Hebung des Volkes durch den 
katholischen Klerus. 

In einigen andern rein katholischen Ländern dnd die 
Zostinde nicht erfrenlicher. Immer mehr zieht die furchtbare 
Krankheit, welche an dem Marke der italienischen Landbevöl- 
kerung zehrt, die Augen aller Politiker auf sich. Sie machte 
sich schon bemerklich, als Italien noch von den katholischen 
Bourbonen und dem Papste regiert wurde. Welclie Anstren- 
gungen macht die katholische Geistlichkeit in Spanien, um 
diesem Lande gesundere, ökonomische Säfte zuzuführen? Wer 
kennt die Verhältnisse in Polen nicht? Wer weiss nicht, dass 
die katholische Partei das Staatsruder in Belgien lange in der 
Hand hatte, und doch kein einziges arbeiterfreondliches Gesets 
schuf- Woran liegt das? 

Es liisst sich mehr als ein Grund anführen. Wir lenken 
unsere Aufmerksamkeit nur auf denjenigen, welcher in direkter 
Beziehung zu unserer Aufgabe steht: auf die verhängnissvolle 
Stellung , wddhe der katholische Klerus su den socialen und 

Elitischen Fragen der Zeit Annimmt Wenige Mitglieder des 
tholischen Klerus haben ein Bewusstsein ihres modernen, 
sozialen Berufes. Wie die katholische Kirche eine mittel- 
alterliche ist, so ist auch ihre soziale ThJitigkeit noch immer 
eine mittelalterliche: die Gewähiiing von Almosen. Vei"steigt 
sie sich höher, so ist es die theoretische Wiedererweckung 
unwiederbringlich verlorener Institutionen. Man bedenkt nicht, 
dass es liel erspriesslicher ist, durch thatkiilftiges Handeln 
dem Armen in seinen gesunden Tagen zu einem bescheidenen 
Wohlstande zu verhelfen, ihn für den modernen wirthschaft- 
lichen Kampf zu stählen und zu rüsten, als ihn in seinen 
üblen Tagen von der Mildthätigkeit Anderer zu nähren, und 
ihn mit unstillbaren Hoffnungen zu erfüllen. 

Der mittelalterliche Charakter seiner Kirche setzt den 
Geistlichen zweitens fast Oberall in Gegensatz su der modernen 
Entwicklung. Er wird ein KAmpfar, ein Zdtungsschrdber, 



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176 



ein Agitator, Wiu> beiue KialL voll in Anspruch nimmt. Das 
ist die Kehrseite der VortiieUe, welche der Besitz der Wahi^ 
heit Air ewige Zeiten gewährt. 

Wie viel glücklicher» als manche kontinentale Staaten ist 
darum Eiifzland zu preisen, weil es eine Staatskirche hat, weil 
sein Klerus nicht mit dem besten Theile seines Geniiitlu?« in 
einem fremden Lande weilt. Man hat den anglikanischen 
Klerus angefn'ilfen , weil er bis in dieses Jahrhundert hin- 
ein sein Vergnügen an der Fuchsjagd hatte, weil er am 
Spieltische und bei Trinkgelagen nicht fehlte, knrz, weil er 
sich mehr als Gentleman denn als Geistlicher fühlte. Aber 
eben weil er sich als Gentleman fühlte, diente er, wie die 
Gentrv, dem Staate in der Selbstverwaltung, lernte er die 
Bedürfnisse des Volkes kennen, eiiüllte er sich mit einer 
staatlichen Auffassung seines Berufes, schritt er mit der Zeit 
vor und stellte er sich nicht in Gegensatz zu ihrer lebendigen 
Entwicklang. Wie es ans sdieint, übertraf er die Gentry bei 
weitem in seiner sotialen Thätigkeit. Daher die Erschei- 
nung, dass so viele treffliche Männer, die wahi-scheinlich ihre 
Predigten abschrieben und in einem tlieologi sehen Examen wie 
der Kandidat Jobs durchgefallen wären, unermüdlich für die 
Hebung der unteren Klassen wirkten „Während Katholiken 
und Separatisten sich für die Berührung mit der Fremde 
empfänglicher zeigen, gewisseimassen kosmopolitisch er- 
scheinen, hftlt sie (die anglikanische Kirche) an ihrer natio- 
nalen and, wie sehr aach die Umstände sidi Andern mOgen, 
an ihrer aristokratischen Bestimmung fest" V). 

Angesichts der obenerwillmten Thatsachen nimmt sirli die 
stolze Behauptung einzelner katholischer Politiker, die soziale 
Frage könne allein durch die katholische Kirche gelöst werden, 
wunderlich genug aus. Das wirthsc haftliche Handeln der 
Menschheit vermag die Kirche nur in engen Grenzen za be- 
einflnssen, znr wirksamen Einschrftnknng der Selbstsocht fehlt 
ihr vor Allem die universelle Herrschaft. So iMige sie diese 
nicht besitzt, waltet die rücksichtslose Macht der Konkurnnz 
und nicht die !)rüderliche Liebe des Christenthums. Bis zum 
Anbruch jener Zeit aber, da der ganze P'.rdkreis das moralische 
Gesetz der katholischen Kirche anerkennt und es auch be- 
folgt, wird jeder Katholik, der kein Schwärmer ist, und nicht 
anf die elende Lage der kathoUsdien Massen sein poMseheB 
Kartenhans baut, die Lösung der sozialen Frage dem Ver- 
einswesen, der individuellen Hilfe von Männern und Frauen 
aus den reichen, unabhängigen und gebildeten Klassen, und 
wo diese Agentien unwirksam sind, der Gesetzgebung des Staates 
überlassen müssen* 



^) K. Pauli, Geschichte Englands seit den Friedensschlüssen von 
1814 und 1816. I, 8. 68a . 



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V. 1. 



177 



Doch der Mangel des irischen Klems an sozialem rtiicht- 
bewuflstseiQ ist nicht die einzige Quelle, aus welcher der 
MaDgel an Institutionen der sozialen Selbsthilfe entspringt. 
Auch die irische Gentry und Nobility erkannten ihren modernen 
- socialen Beruf n'wht in der ökonomischen Erziehung der unteren 
Klnssen. Die trostlose, pekuniäre Lajre, die Gefahr für Leib 
und Leben mancher Vertreter dieser Stände ist der Fluch, 
welcher sich der Veniachlüssipunjj sozialer Pflichten untehlliiir 
anheftet. Unwillkürlich wird man an Lureuz v. Stein s Aus- 
spruch erinnert: »Der soziale Gegensatz gewinnt erst da seine 
Gestalt und Macht, wo die höhere Klasse irgend einer Gesell- 
schaftsordnung am ihrer Sonderinteressen ilvillen ihre höchste 
Mission verpisst, mit den ^eistip:en und wirthschaftlichen 
Kräften, welche ihre Stellung: bieten, die P'ntwicklunp der 
niederen Klassen, die aufstei^rende Klassenbewe^ng dei-selben 
im Namen der höheren Gesittung freiwillig und mit Liebe zu 
fordern." 

Die erwähnte Erscheinung überrascht zuerst 
Die irische Aristokratie ist doch ebensowenig eine Kaste, 
wie die englische. Hier wie doit treten immer wieder Bürger» 

welche sich den Staiit'^izeschäften gewidmet haben und denen 
ihr Keichthum eine angemessene äussere Keprasentation ge- 
stattet — nicht bloss ihres Reichthums wegen, wie in andern 
Staaten — in die Reihen der Aristokratie hinüber. Hier, wie 
dort, treten die Töchter und nachgeborenen Söhne, mit einem 
wiTererbliehen HOfliehkeitstitel geschmOckt, in die Reihen des 
Biirgerthums zurück. Jun^?er Reichthum, sagt man uns, wird 
so im brittischen Reiche in den Dienst höherer Ziele, einer 
edleren Auffassung von Staat und Gesellschaft crestellt, wah- 
rend er andei*swo nur die Neijrun'r hat, aristokratische Schul- 
den zu bezahlen und den Besitzer auf ewicr von dem Geburts- 
stande zu trennen. Weiter, sagt man uns, werden durch 
diesen Vorgang die mittleren Klassen mit wfkrdignren Ideen 
▼om Leben, yon Staat und Gesellschaft durchsetzt wenn auch 
dieser soziale Prozess nicht an eine Himmelsleiter gemahnen 
darf, auf welcher selbstsüchtige Sterbliche empor- und reine 
Engel herriiedersteigen, so ist doch nicht zu leugnen, dass er 
die Kastenbildunp: verhindert und das aus sehr vielen unaus- 
rottbaren egoistischen Instinkten flicssende Bedürfniss nach 
einem Adel dem Ganzen am wenigsten schädlich und am 
meisten dienstbar macht. 

Jede Kaste, hOren wir, hat ein natürliches Streben nach 
Privilejnen: nach Ehrenbevorzugungen, nach einem eigenen 
Genclitsstand nach materiellen Vortheilen. Wir sehen häufig 
die höheren Kiass(Mi die Steiioni auf die niederen Stände ab- 
wälzen. Wenn diese Ziele erreicht sind, ja schon, wenn sie 
nur erstrebt werden, ist aller staatliche Genieingeist erloschen. 
Je weniger die Kaste gesunden Lebensgrund unter ihi'en 

Imdkuf«) (20) V. L - ImM. 12 



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178 



Füssen fühlt, je mehr sie ihre Pfahlwurzel allein in dem 
Kastenbewusstsein findet, je mehr sich der Einzelne mit dem 
Genossen als Glied einer Gemeinschaft fühlt mit eigenen Göt- 
tern, eigenen Sitten, mit Verkehr nnd Ehe, wenn möglich nur 
unter sich, gräbt sie sich selbst, den anderen Ständen nnd 
▼ielleieht dem Staate ein Grab. 

Alles dies kann im brittischen Reiche nicht stattfinden, 
hören wir, weil lebendige Beziehungen zu allen Ständen her- 
gestellt sind. Wollte der englisclio Adel nach kastenartiger 
Abschliessung streben, so würde er in sein eigenes Fleisch 
schneiden. Im Gegentheil, behauptet man, wird er in die Holle 
eines Vorkämpfers für die anderen Stünde gedrängt, um ihnen 
zur Erreichung der Ziele zu verhelfen, nach welchen sie gerade 
streben. Im Mittelalter trug die Promachie einen politischen 
Charakter, der Bmf der Aristokratie ist in jedem Jahr- 
hundert verschieden. An Stelle des Ritterdienstes steht heu- 
tigen Tages die allgomeine Wehrpflicht und der militärische 
Beruf. Die obrigkeitlicheu Aeiiiter werden von Berufsbeamten 
und Ehrenbeamten aus allen Ständen verwaltet. Neben die 
Kirche hat sich ein eigener Lehfstand gestellt, bestehend aus 
Elementarlehrem, Gymnasiallehrem und Professoren. Auch 
die Kunst liegt nicht mehr in den Händen der historischen 
Stände. Der prunkende Hof, das dunkle Gemach auf der 
Felsenburg, die stille Klosterzelle sind nicht mehr der Lieb- 
lingssitz der Muse. Sie wohnt in elegant ausgestatteten Ar- 
beitszimmern und leeren, annseligen Dachstuben. 

In unserer Zeit, hören wir, wo einzelne Klassen ihre Macht 
schrankenlos 7ai erweitern trachten, und wo andere im Kampfe 
um ihre Existenz unterzugehen fürchten, ist die ökonomische 
Hebung der Massen der eigentliche Beruf der Aristokratie, 
wie die ^richtigste Seite des staatsmännischen Berufes. Und 
diesem widme sich die englische Aristokratie. Warum aber 
nicht die irische? 

Niemals konnte die Kluft, welche das keltische, katho- 
lische Volk und die protestantische Gentry und Nobility angel- 
sächsisch-normannischen Ursprungs trennte, ganz überbrückt 
werden. Die höheren Stände waren nicht das Haupt des 
Landes, welches für die anderen Glieder sah, hörte, dachte, 
nein, sie waren ein müssiges Glied, welches sich von den ande- 
ren ernähren Uess. Ihr Blick war auf die Nachbarinsel, auf 
rl» n Kontinent gewendet. Sie lebten und leben am liebsten 
fern von der grünen Insel. Sie bildeten und bilden eine Kaste 
nicht im rechtlichen, sondern im sozialen Sinne des Wortes 



Für unsere Bemerkungen aber Irland stützen wir uns auf Lyneh 
Danieirs Report. Lynch Daniell war einer der Assistant Commissioners 
der letzten En^uöte über das üiUskassenwesen. Seine Urtheüe aber die 



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V. 1, 



179 



Die geringe Zahl der schottischen Hilfskassen erklärt sich 
aus ganz anderen Gründen. Das Land hatte irn Jahre 1831 
nur eine Bevölkerung von 2 300 000 Menschen. Weiter ver- 
hinderte die Verbindung von Darlehnskasse und Ililfskasse, 
welche wir sehon in der Einleitung erwfthnten und noch in 
diesem Kapitd zu besprechen haben, sehr viele Vereine an 
der Registrirung In den ländlichen Bezirken ist das Be- 
dürfniss nach Hilfskassen noch nicht dringend. Ein Theil des 
Lohnes wird noch an vielen Orten in natura ausgezahlt, da 
der Arbeitskontrakt auf ein Jahr lautet, während der eng- 
lische Arbeiter auf kürzere Zeit gedungen wird und nur einen 
Geldlohn erhält 



heutigen Verhaltnisse sind auch für das erste Drittel des Jahrhunderts 
richtig. .,It will be my duty," beisst es in dem Berichte, „to draw voor 
attentioD to u featare which oversbadows and affecta them all (die IiiUs- 
kusen) — 1 mean tbe almost total absence of any feeiing of 
STmpathy or intereat in these institution, on tbe part of 
the wealtby and influential classes in this country. Not oolr 
bave tbe apper classes in Ireland bitberto beld ont ao bdpiog haiu( 
eitber in the sbape of money or intelligent advice, to tbose wbo wbere 
tboB endeavooring to protect each otber against want and the workhoua^y 
bot even wheii the purpose of theie soeieties was pointed oat 
and explained, their great ntility and importance, if pro- 
perty conducted, both to iudividuaJis and the empire — an 
•ntire apatby, an atter want, of intereat in the annject, was 

ttill more strongly and painfully manifested I too 

soon recognised that the better-off classes in Ireland are, M'ith a very few 
exceptions, in a State of total want ot kuowledge of even tbe existence 
of IFriendly Societiet; and tbat tbe only persons who knew anything <^ 
eitber tbe princinles or practice of Friendly Soeieties were tbe secretariea 



tbe Otter want of interest displayed by Irish Protestant clergyroen . . . . 

migbt be acconnted tor in mofO than one way which it is not incum- 
heai on me now to dweli upon. * . . . Maring been led to beliere that tbe 
Boman Catholie elergy minRied more intimately with tiieir piriahlo- 
ners, and identified themselves more pcr-onally with their interests, I bad 
bopcd froni them at least to obtain some valuable Information founded 
on tueir experience of tbe principles and practice of Irisb soeieties. Bnt 
to my great regret I foand that they ara almost as little 
cognizant of wbat is going on in tbese soeieties as tbeir 
Episcopalian brethren, and that their asso«iation with Friendly 
Soeieties is conflned ahnest ezclasivcly to their being .Spiritual Onar- 
dians'' to a very (ew of tbem, cbicfly Burial Soeieties. Moreover, 
that this quasi-official connezion by no meausimplieB any 
knowledge wbaterer of the Organisation or eondition of 
theßociety to which their name is appended. S. 1. 

In einem Briefe des (Jardinais Cullen findet sieb folgende bezeich- 
nende Stelle: „I must add tbat I know notbing of the working of the Friendly 
Soeieties, not hating bad anythini: to do with them." S. 3o. Ist es 
denkbar, daaa ein anglikanischer Bischof diesen Brief gtichrieben haben 
könnte? 

M In Schottland fand Giille^ (Anfimgs der 70er Jahre) daa Veriiiltaiit 

dar nicht eingeschriebenen Vereine zu den Vereinen wie 158 ; 80| die ZsU 
dv Mitglieder wie 2ää56 1 15042. S. 16 seines Kepoiti. 




As to the clergy, 



12* 



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180 



Von besonderem Interesse ist das Vorhandensein einer 
Sitte, welche in einicren Bezirken eine Hilfskasse überfltlssig 
niaclit. Im Norden Englands und im Süden Schottlands» wo 
eine ausgedehnte Viehwirthficbaft hemcht, existiren s^t Altere 
yiehversieheningsaDstalteii , die sogenaDiiten Cow - Clubs. 
Man wird sich vielleicht noch erinnern, dass im Mittel- 
alter Kubpilden bestanden. In eini^^en Oefjenden Schottlands 
scheinen die Verbältnisse aber noch ])atiiarchalischer zu sein, 
auf die Existenz von Gefühlen zu deuten, deren Erlöschen in 
manchen Fällen die Gilde erst nöthig machte. Denn, wo das 
Familienband noch alle Mitglieder kräftig umschlang, wo ein- 
zelne Sitten das Vorhandensein einer langst zerrissenen , dem 
Gedächtniss der Menschen entschwundenen Fanuliengemein- 
schaft bekundend, die Aeusserungen des Familiengeistes wirk- 
sam ersetzten, da war das Bedtii-fhiss nach einer Gilde noch 
nicht vorhanden. Und in diesem Zustande scheinen einige 
Striche Schottlands noch zu sein. Als die letzte grosse Enquete 
über die üilfskasseu veraustaltet wurde, sagte ein alter Schäfer 
in Selkirkshire zu einem Kommissar: „Wir kennen in dieser 
Gegend keine Kuhkassen. Wenn einem Schäfer eine Kuh 
gefallen ist, dann schiessen wir zusammen, um ihm ein Thier- 
chen zu kaufen" (We ken naething aboot coo clubs hereaway. 
If a shepherd's coo happens death, we just get up a sub- 
SCription to buy him a bit beast) M. — 

Wenn uns also auch für die Kenntniss der allgemeinen 
Lage des üilfskassenweseus nur wenige Materialien zu Gebote 
stehen, so sind uns die Mängel der Gesetzgebung um so besser 
bekannt. 

Die HauptunzutrÄglichkeiten waren die Beschränkungen 

der Höhe der Summen (omO ^ i, welche seit dem Gesetze von 
1828 in Sparkassen eingezahlt werden durften, die sonderbare 
Theilung der liegistrirungsgeschilfte, welche kostspielige Schrei- 
bereien aus den Provinzen nach London und von London nach 



Für diese Notizen über Schottland siehe Culley's Report, wie 
stanley's und Daniell's Report, in den Reports of tbe Aasistant Commis- 
biuncrs. Vol. XXIII. Pt. IL 1874. S. 18. AehnUches berichtet Eden (II. 74) 
aus dem vorigen Jahrhundert. In Cumwhitton in Cumberland war es Sitte, 
den Eltern eines neugeborenen Kindes ein Geschenk zu machen. — In Deutsch- 
land Aehnliches. Im Bergischen herrschte wenigstens noch vor 15 Jahren 
die Sitte der Schenkhochzeiten. Dftijooge Ehepaar lud die Einwohner seines 
Dorfes oder df r nächsten Dörfer zu einem iHachmitta^rskaffee ein und er- 
hielt von Jedem eine kleine Summe (10 SilbeiKToschen bis zu einem Thaler), 
die stine AnSBteoer «nemaehte. — Solehe Umlagen yerschwinden , wenn 
der moderne, die Individuen durcheinanderwürfelnde Verkehr das Gefühl 
der Zusammengehörigkeit ertödtet und alle Sitten veniichtet. Zuweilen 
▼erwandeln sich die Umlagen in periodische Beiträge. Mit anderen WoP* 
ten , es entsteht eine Hilfiiifssse ans jenen Anfitaigen eines muegelminigen 
Unteistatningswesens. 



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V. 1. 



181 



den Provinzen venii-sachte M und die durch den Umstand, 
dass der Clerk of the Peace die Mittelspei*son zwischen den 
Kassen und der Londoner Behörde bildete, verdoppelt wurde, 
endlich die früher schon erörterte Pflicht der Friedensrichter, 
die Prilmientafelii zu prOfen. 

Dazu kam, dass der Wortlaut des Gesetzes verbot, andern 
als nächsten Verwandten Summen zu sichem, und dass viele 
den arbeitenfien Klassen nützliche Ziele wohl im Rahmen des 
Arbeiterversicli nun [:s Wesens gefördert und erreicht werden 
konnten, aber bis jetzt im Gesetze niclit unter den Zwecken 
autgezählt worden waren, welche in einer registrirten Gesell- 
schaft angestrebt werden durften« Wir denken z. B. an Kon- 
sumvereine und Prodttktivgenossenschaften. Aus den Jour- 
nalen des Unterhauses für das Jahr 1834 ersehen wir, dass 
schottische Kassen um die Krlaubniss bitten, das Kassenver- 
mögen in kleinen Theilen auf persönliche Sicherheit an die 
Mitglieder ausleihen zu dürfen. Diese Anlage war im ersten 
Gesetze gestattet worden, aber von den letzten verboten wor- 
den. Wir erwälintcn in diesem Kapitel und in der Einleitung 
die VerhAItiusse, ans wddien sich die Bedeutung dieses Ver- 
botes für die sdiottischen Kassen erklärte. Es verdient noch 
hinzugefügt zu werden, dass die schottischen Hillskassen auch 
einander Geld liehen 

Ein viel schwererer Missstand hatte sich herausgestellt. 
Bekanntlich sollten sich alle alten Vereine innerhalb 3 Jahre 
nach den Bestimmungen des Gesetzes von 1S29 neu konstituiren. 
Die Hilfskassen hatten sich aber an den Gesetzesparagraphen 
nicht gekehrt, und durch 2 William IV. c. 37 war die 
Frist der Neuregistrirung bis zu Michaelis 1834 verlängert 
worden. 

Die Langmutli des Parlamentes erwies sich nicht erfolg- 
reicher. In der zweiten Hälfte des Jahres 1834 forderte es 
eine Statistik der Hilfskassen, welche sich seit Michaelis 1831 
hatten wiedereinschreiben (alte) und einschreiben lassen (neue 
Vereine). Der Bericht, welcher bis zum 10. Hirz 1884 reicht, 



M Ein Zeuge vor dorn Ausschasse von 1825 sagt schon aus, dass 
die Correspondenz der Vereine mit den Behörden „runs away with one 
luJf of the benefits to be eontered apon aepant« indifidoftlf.^ MInntet 

öf Evidcnce. S. 09. 

'■^) Die Journale tur dieses Jahr enthaltea sehr viele Petitionen von 
HilfelruBen. Leider ist ihr Inhalt nur in den seltensten FiHen angesrebcn. 

Dies ist lim so bedauerlicher, als die Journale in der ersten Ilälfte (liesos 
Jahrhunderts eine nicht zu unterschätzende (Quelle lür die soziale Geschichte 
Englands biideu, da Journalisten. Literaten und Geschichtschreiber wenig 
YerätAndnias f&r die soziale Gesdiit liic Englands haben. — Von rai^m 
Interesse ist eine Petition vom 14. Ajiril. dass ein Gesetz erl;»ssen werde, 
welches allen Hilfskassen Korporatiunsrechte gewähre und dass kein Ad- 
vokat, kän Friedeuriebter etc. irgand efaie KontroUa ftber dfesalbe habe. 



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182 



war nicht erfreulich. Wir lassen aus demselben die wichtigsten 
Daten folgen^). E& hatten sich einschreiben lassen in 



1 


Ge- 








sammt- 


alte 


neue 


1 
1 


1 zahl 






1 

C&oibridi?e . . 


1 

13 


6 


7 


Obttter . . . . 


20 


1 


19 


Cornwall. • • * 


29 


18 


11 




81 


Hö 


46 


Dnrhani . . . . 


1 25 


8 


17 


Essex . . . . * 


21 


13 


8 




12 


8 


4 


GloaCMtOP * • . 


11 


^ 


4 


Ilereford. . . . 


10 


6 


4 


Hertford .... 


10 


3 


7 


Kent 


ö8 


34 


24 


Lancaster . . .| 


79 


19 


60 


Liverpool . . . 


49 


3 


46 


Middlesex • • 


108 


51 


57 


City of L<Midoii. 


85 


l 


26 


Northampton . . 


8 




7 


Northumberland 


1 1^ 


7 


7 


Kottisgham . . 


10 


8 


7 


Salop 


32 


9 


23 


bomeiset. . . . 


1 10 

1 







Stafford . 
Bath . . 
Suffolk . 
Surrey . . 
Warwiek. 
Worcester 
York (W. R.) 



Ge- 
sammt* 



: :il 



93 
4 
16 
30 
SO 

<").") 



alte Ineue 



26 
1 

10 
2 
4 

10 



67 
3 
6 
28 
16 
15 
45 



Caermarthen . .|| 21 
Denbigh . . . . • — 
Glamorgaa. . . : 50 



8 , 18 
- 1 11 

25 25 



Nach dem Sapplementary Betaro 
aus Schottland 



Edinburgh . 
PIfe. . . . 

Kiocardine . 
Aberdeen . 



56 


1 


55 


11 


8 


8 


12 


1 


11 


19 


1 


18 



Aus Irland ist kaum eine Zahl vorhanden. Die Berichte 
der Clerks of the Peace enthalten fast überall die Ausdrücke: 
No Society; Nene; Nil. 

Was das Parlament in dieser Lage thun wird, ist leicht 
vorauszusehen. 

Ausserdem haben wir noch den Ausweis (und die Klage 
über seine geringe Einnahme) des Hen'en Tidd Pratt, des Ad- 
vokaten, zu erwähnen, welcher zur Begutachtung der Statuten 
der Sparbanken und Hilfskassen ernannt worden war. Sie ist 
insofern wichtig, als sie neben den Herrn Prait persönlich be- 
trofTenden Angelegenheiten wichtige Notizen über die Ent- 
wiiklung des Hilfskassenwesens enthält. Vom 19. Juni 1829 
bis zum 14. Juni 16'M habe er 3119 j£ 11 s. eingenumnieu. 
Er habe dnrchgesehen , verbessert und bestätigt die Statuten 
von über 8050 Vereinen (welche durchsdinitäich 30 Para- 
graphen enthielten) und 300 Statutenänderungen. Er habe 
mehr als 2500 Briefe erhalten und beantwortet ^ 120 4 s. 
für Porto, ausgegeben und für den Druck von Instruktionen 



^) Return to an .Xddress of the ITonourable the Houae of CommODS 

dated 'M. July 18><3 for a Return ot Frieiully Societies oewly eu- 

roUed and reenroUed. AccounUi aud Papers. XLI. 1834. 



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183 



und Tafeln 68 12 s. 7^/, d. bezahlt^). So habe er jährlich 
nar 586 3 s. eingenommen. 

Schliesslich haben wir noch des immer wiederkehrenden 
Uebelstaades zu gedenken, dass die Mitglieder der HiHslcasseii 
jetst, wo eine unparteiischere Entscheidung der Streitigkeiten 
erwartet werden konnte, sich dem Sprache der Friedensrichter 
und Schiedsrichter nicht fügen wollten. 

Diesen Veriiältnissen suchte eine Bill gerecht zu werden, 
welche im Oberhaus ihren Ursprung nahm und am ö. Juni 
ins Unterhaus gelangte, 

Ftlr die Geschichte des Gesetzentwurfes ist nur soviel von 
Interesse, dass die Lords die fünfjährigen Berichte haben aus- 
merzen wollen und dass in der ersten Ansscbnsssitzung des 
Unterhauses der Voi-schlag ernstlich diskutirt wurde, den 
üilfskassen die Ausleihung von kleinen Summen auf Pei-sonal- 
kredit zu erlauben, wenn sich eine Dreiviertelmajorität dafür 
ausspräche. Nur mit 30 Noes geL^cn 21 Yeas wurde derselbe 
abgelehnt. Der Gesetzentwurf erhielt am 30. Juii die könig- 
liche Zustimmung*). 

Das Gesetz 4 und 5 William IV. c. 40 (1834) „An Act 
to amend an Act of the Tenth Year of his late Majesty 
George IV. to consolidate and amend the Laws relating to 
Friendly Sodeties** bestimmt, nachdem in der Einleitung die 
in dem vorliegenden Gesetze zu reformirenden Bestimmungen 
des Gesetzes von 1829 aufgehoben sind, 

IV. Dass die (irtinder einer Hilfskasse sich von jetzt an 
direkt mit der Londoner Zentralbehörde in Verbindung setzen 
sollen. Die Statuten werden, von \\ Gründern und dem Clerk of 
the Peace unterschrieben, an den Advokaten geschickt. Wenn 
derselbe sie bestätigt, so sendet er ein Exemplar an den Clerk 
of the Peace, das andere an den Verein zurttck. Die Friedens- 
richter müssen sie zwar noch bestätigen, aber ihi e Zustimmung ist 
rein formell. Denn die Statuten sind von dem Tage an giltig, 
da der Advokat sie genelniiipt hat. Auf diesen Beamten pehen 
alle Pflichten und Petugnisse über, welche Irüher die Aktuare 
resp. die Pichter hatten. Denn er hat niclit nur zu prüfen, 
ob die Statuten dem geltenden Kechte entsprechen, sondern 
auch festzustellen, dass die Statuten die Absfditen der Grttnder 
zu verwirklichen im Stande sind (for the purpose of ascertain- 



V) Das Miniäterium hatte Tafeln und Statuten gratis vertheilen 
lassen. — Bei dieser Gelegenheit id auch erwähnt, dass Tidd Pratt im 
Jahre 1830 esne bcbritt herausgab unter dem Titel: The Law of Friendly 
SocieUes . . . . ; with £xplanator}' Notes and Observations oa the Fra- 
miiig of Rales." Nocb biufiger aufgelegt. 6«b6rte neben Htidwidce^B» 
Neuon's und Ansell's Schrift zii den populärsten. 

- ) Siehe .loumal of the Hoase of Lords und dmenigen des Howe of 
Comnions. 



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184 



V. 1. 



ing whether the said rules of such society or alterations or 
aniendinent tliereof, are calculated to carry into eftei t the in- 
tention of the Parties framing such rules, alterations or aiiiend- 
ments . . . .) — eine Bestimmung, die den Todeskeim in sich 
trag. Gegen sie konnte man noch mehr Einwendungen er- 
heben, als gegen diejenige, welche den Friedensriehtera ähn- 
liche Pflichten übertrug. 

Im Paragraph II. werden auch ,Noniinees' unter den 
Personen aufgezählt, für welche eine Hilfskassc Summen ver- 
sichern dürfe. Ebenso sollten von jetzt an Friendly Societies 
registrirt werden dürfen, die Zwecke verfolgten, welche nicht 
uugesetzmässig wären (. . . . or for any pui*pose which 
is not illegal). 

DasB ein solcher Paragraph von einem Parlamente ange- 
nommen werden konnte« ist unverstAndlich. Darin war es 

voreichtiger, dass es bestimmte, dass die Beiträge für derartige 
ausserordentliche Zwecke nicht in die gemeinsame Kasse fliessen 
odei* durch nicht regelmässig wiederkehrende Umlagen gedeckt 
werden sollten. 

VI. Die fünßährigen Berichte werden von den Uilfskassen 
direkt an die Zentrallieliörde geschickt. 

VII. Wenn ein Streitfall in einem Vereine, welcher die 
schiedsrichterliche Entscheidung gewählt hat, nicht innerhalb 
40 Tagen geschlichtet wird, dürfen 2 FHedensrichter unter 
nfther hestammten Bedingungen denselben vor ihr Forum 
ziehen. 

VIII. Wenn einem ausgestossenen Mitgliede die Mitglied- 
schaft von den Friedensriehtern oder Schiedsrichtern zuerkannt 

wird, der Verein diese Wiedereinsetzung nicht anerkennt, 
können Schiedsrichter und Friedensrichter dem Mitgliede nach 
Gutdünken eine von dem Verein zu zahlende Geldsumme zu- 
sprechen, welche wie amlere von dem Richter zuerkannte 
Summen eingetrieben werden darf 

IX. Die Hilfskassen dürfen Summen bis zu jeder Höhe 
in den Sparbanken anlegen. 

XIIL Briefe von und an die Zentralbehörde in Angelegen- 
heiten der Hil&kasse sind frei. 

XIV. Da viele Gesellschaften die Frist hatten yerstreiehen 
lassen, in welcher sie sich nach den Bestimmungen des Ge- 
setzes von 1829 hatten re^ristriren lassen sollen, so wird ihnen 
der weitere Genuss der Privilegien der fi-üheren Gesetze zu- 
gesichert. 

Im folgenden Jahre wurde ein Gesetz erlassen (5 und 6 
William IV. c. 23), welches direkt nur eine geringe Bedeu- 
tung für die Geschichte der eingeschriebenen Hillfekassen hat, 
aber indirekt eine desto griissere. In jenem Jahre trieb die 



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V. 1 



185 



englische soziale Gesetzgebung^ ihren dritten und dürrsten 
Zweig, die gesetzliche Anerkennung: der Darlehns vereine 
unter bestimmten, in jenem Gesetze bezeichneten Bedingungen. 

Dnreh dies« Gesetz wurde das VerniOgeii von Vereinen, 
welche den ärmeren Klassen Darlehen za machen bezweckten, 
gesetzlich geschützt Sie hatten ihre Statuten wie die Hilfs- 
kassen einschreiben zu lassen, erhielten Korporationsrechte, 
waren von Stempelgebühren befreit; geliehene Summen konn- 
ten durch jeden Friedensrichter eingetrieben werden; die 
Kassenbeamten und Treuhänder hatten Kaution zu stellen ; der 
ZlnsfiiSB war auf 5 ^/o festgesetzt Der zehnte Paragraph des- 
selben endlich dehnte die geltende Hilfekassengesetzgebong 
anf die Normannischen Inseln und die Insel Man aus, so dass 
von jetzt an die Gesetze von 1829 und 1834 in dem ganzen 
europäischen Theile des brittischen Reiches galten. 

Darin bestand die direkte und unbedeutende Beziehung, 
welche dies Gesetz auf die P'.ntwicklung der eingeschriebenen 
Hilfskassen hatte. Von der indirekten und schädlichen werden 
wir jetzt einige Andeutungen geben. 

Die Engländer werfen sich zuweilen mit behaglichem 
Schmunzeln ihre ,1ove of money* vor. Dass dieser milde Tadel 
berechtigt ist , davon giebt die Gesetzgebunir über die 
Darlehnskassen einen Beweis. Da^ Parlament hatte sich im 
Anfange derartige Gesellschaften als vorwiefjeml mildthätige 
Institutionen gedacht, es sollte aber bald daiüber belehrt 
W^en, dass die Gründer sie als geschäftliche Unteinefamungen 
auffassten. Schon im Jahre 1840 nftisste durch das Gesetz 8 
und 4 Vict. c. 110 bestimmt werden, dass keine Gesellschaft 
wegen Wuchers bestraft werden dürfe, welche direkt oder in- 
direkt mehr als 5 Zinsen genommen habe. Das Schuldrecht 
wurde härter und der Zinsfuss auf 12 "n erhöht. Die eng- 
lischen Darlehnskassen wurden grösstentheils gesetzlich ge- 
schützte Wuchergeschäfte. Unter der Maske einer Institution 
znm Wohle der untmn Klassen barg sieh die kapitalistische 
Anssaugung des Volkes. Es giebt Gesellschaften, welche nur 
4, 5, 6 Mitglieder haben *). Bie Gesetzgebung Ober die Dar- 

*) Vielleicht wäre es richtiger zu sagen den ,viertenS da das eben be- 
iproehene Oesetz von 1884 die FrodoktiT-GenosBeiisdiaften und Koniuiii- 
▼ereine unter den Schutz des Gesetzes stellte, es Veroine der arbei- 
tenden Klassen für nicht ungesetzmässige Zwecke erlaubte. Doch wir 
werden sie bestimmter aus dein gemeinsamen Stamme der Friendly 
Societies in dem HflfcktlieBytelie des Jahres 1846 hervorgeben sehen. 
Wir lietrtihten die ,cooperative soricties' als den vierten Ast der Geute- 
gebun^r tür das Wohl der arbeitenden Klassen. 

^) England war nicht nun ersten Meie imirlfickUeh in einem solehen 
Versuche. Im .labre 1730 wnrde eine Korporation pojrrfindrt . um armen 
Leuten Darlehen zu gewähren. Diese Maassre^^el artete zu einem schmAh* 
Sehen Bereicheningsffeschlfte ans. Did Mitglieder dieser Kecpontion ge- 
hörten dem Tarlaniente an. Sie Würden anagestossen. Eden, The Stile 
of the Poor. I, 29i). 



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186 



lehnskassen wurde weder auf Irland noch Schottland über- 
tragen. Schottland brauchte sie weniger, weil, wie fi-üher be- 
merkt wurde, sehr yiele schottiBche Hilftkassen zugleich Dar- 
lehnskassen rar ihre Mitglieder sind, und die Vereine sich 
untereinander mit Geld aushelfen. In Irland aber hatte seit 
dem Jahre 1J^2:> (durch 4 (ieorp: IV. c. 32) eine wesentlich 
mildthätige und nicht kapitalistische Darlehnskassen Gesetz- 
gebung Eingang gefunden (loan-funds). Der Zinsfuss war auf 
4 Vi % beschränkt. 

Das Bedürfniss der arbeitenden Klassen nach Vorschössen 
bestimmte viele Vereine, besonders in den nördlichen, Schottland 
benachbarten Gra&chaften, das fehlerhafte System der schot- 
tischen Hilfskassen anzunehmen ; dies wiederum schloss sie 
von der Registrirung aus. Ein Zelt des Arbeiterordens der 
Rechabiten und noch andere grössere Hilfskassen lassen und 
können sich aus diesem Grunde nicht einschreiben lassen. 

Der Grund liegt nicht m dm Abneigung der Vereine gegen 
Staatliche Binmischung, das geht aus den Petitionen hervor, 
welche wir in diesem Kapitel anftkhrten. So erweist sich der 
Mangel an gesunden Darlehnskassen für die arbeitenden 
Klassen als Hemmniss fftr die Ausdehnung der eingeschriebenen 
Hiliskassen 

Nachdem wir hiermit zum zweiten Male in diesem Kapitel 
ein benachbaries Gebiet betreten haben, kehren wir zur Ge- 
schichte der Hilfskasse zurück. 

Es ist einer der hftsslichsten Zttge in der Geschichte der 
englischen Gesetzgebung zum Wohle der arbeitenden Klassen, 
dass penodisch Maassregeln ergiiffen werden müssen, um die 
wohlliabenden Klassen davon abzuhalten, sich in den Genuss 
der für die Armen bestimmten Privilegien zu setzen. In dem 
vierten .lahr/.ehnt tritt dieselbe Ei'scheinunpr wieder auf. 
Geistliclie, Beamte, Ivauileute, Quäker gründeten \ ersiclierungs- 
gesellschaften auf Gegenseitigkeit, welche als Hilftkassen re- 

Sistrirt werden, und ftr ihre zum Theil hohen Policenbetrige 
en staatlich garantirten Zinsfuss genossen. 

Die erste dieser Art war ,The Clergy Mutual'. Sie wurde 
im Jahre ls20 gegründet. Wie der Name besagt, bestand 
die Gesellschaft aus Geistlichen. Der Umstand, dass Mitglieder 
des Klerus eine (iesellschaft giUndeten, bewog die Quäker 
,The Friends Piovident' im Jahre 1832 in's Leben treten zu 
lassen. Bisher hatten sie das Versicherungswesen f&r sündhaft 
gehalten. Es erschien ihnen als eine Auflehnung gegen Gottes 
Gfite und Vorsehung, als ein Eingriff in seine Begierungs- 



^) Sfelie fibor den die DarlehenskaMeii betreffenden Tbeil den Toa 

Ludlow abgefapsten Appendix I. to Fourth Report of the Conimissionen 
appoiated to inquire into Friendlv and Benetit Building Societics. London 
1874. 8. 15 u. 16. Siehe auch Stanley'» Report S. 203—204 und 112. 



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V, 1. 



187 



rechte, als ein Mangel an velijriösem Vertrauen. Auch hielten 
sie es für wenig besser als eine Lotterie V). Da jedoch alle 
menschlichen Dinge ein Janusgesicht iuiben, so gelang es denn 
anch den AnhAiigeni des VenicherongsweBens, ihneD das 
andere Antüts zn sdgen nnd m beweisen, ^^dass es eher das 
Gepräge eines Kommumsmos des Eigenthums, als den Charakter 
einer selbstsüchtigen, gewn^rten oder niisstrauischen Spokiila- 
tion tra^'e" *). Damit hatte man die Assekuranz bei einem 
den Quäkern wohlklingenden Namen })enannt, und da die Ab- 
neigung gegen den Namen verscliwunden war, verschwand 
auch die Abneigung gegen das Ding, welches den Namen trug. 

Wieder drei Jahre spater begann der «National ProvidenV 
seine Qesch&fte (1835). Das Jahr 1840 sah den «Provident 
Clerks* erstehen. Ein oder zwei Jahre später wurde die 
,Temperance Assurance Society' gcjjründet 

Erst im Jahre 1840 scheinen diese Vereine die öffentliche 
Meinung beschäftigt und die Aufmerksamkeit des Parlaments 
angezogen zu haben. Es griff schnell mit einer einschneiden' 
den M.aassregel ein, welche, ohne die HilfSskane der arbeitenden 
Klassen oder die 5 Gesellschaften mehr als nOthig zu gefährden, 
künftige Missstände der bezeichneten Art unterdrückte. Am 
6. Juli 1840 bat Robert Gordon um die Erlaubniss, eine Bill 
einzubringen ,to explain and amend the Acts relatim/ to 
Friendly Societies'. Schon am 17. Juli wurde sie zum diitten 
Male gelesen. 

Das Gesetz (3 und 4 Vict. c 73) bestimmte, dass von 
nun an die Fr^eit von der Stern pelgebohr nicht mehr ftür 
versicherte Beträge von Ober 200 £ gelten sollte, dass nur 
Prämien, welche fQr geringere Versicherungsbeträge einge- 
nommen worden seien, in den Sparkassen und bei der Staats- 
schuldenverwaltung anfrele^jt werden dürften. Doi-h wurde den 
Gesellbchaften ihr Hilfskassencharakier nicht genommen. Es 
wurde ihnen auch in Zukunft gestattet, Versicherungs- 
verträge fQr höhere Summen einzugehen; für die früher ein- 
gegangenen Versicherungen gestattete man den Fortbezug der 
froheren Zinsen. Um Betrug zu vermeiden, wurde ihnen bei 
künftigen Einzahlungen die Erklärung abverlangt, dass die 
eingezahlten (ieUier nicht aus Prämien beständen, welche die 
Gesellschatt für höhere, nach dem Jahre 1840 versicherte Be- 
träge als 200 £ erhalten habe. 

Das Parlament war geneigt, diesen tUnf Gesellschaften 
eine Kompensation zu gewähren. Der Sekratär des »Clergy 



' ) Minutes of Evidence taken Before Select Committee on Friendlj 

Societies. 1(^52. qu. 460 und 537. 
•) &. a. 0. qu. 587. 

^) Dieselbe nahm ursprfln^eb BOT Penonan «ifi wolohe ueh aller 
geistigen üetr&oke enthielten. 



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188 



V. 1. 



Mutual', The Kev"^ J. Hodfrson, bat das Ministerium, den ge- 
bchädif^ten Gesellischaften das Hecht zu verleihen, zu Gunsten 
von Testamentsvollstreckern, Verwaltern und Bevollmächtigten 
von fNominees* Versicherungsverträge abzuschliessen. Dieses 
wurde ihnen im § 3 des Gesetees gewahrt^). 

Die Angelegenheit erhielt Ihren vorläufigen Abschluss 
durch das Aktiengesellschaftenpesetz vom Jahre 1844 (7 und 
8 Virt. r. 110). Nach demselhon sollten sich alle Versiche- 
rungsgeselltjchaften, welche Policen auf höhere Beträge als 
200 ^ ausgaben, als Aktiengesellschaften registriren lassen. 
Doch scheint die Registratur wenig mehr als eine Spiegel- 
fechterei gewesen zu sein. Tidd Pratt legte 8 Jahre später 
einem Ansschnsse dar, dass die Gesellschaften „were ohüged to 
register under the Joint Stock Companies* Act, but only to 
register, not go through any other of the provisions of the 
Act". Sie verloren den Charakter einer Hilfskasse nicht - 
Für kleinere Beträge blieben sie Hilfskas&en, für grössere 
wurden sie Aktiengesellsciiaften. 

Damit haben wir den legislativen Stoff erschöpft und wir 
wenden uns zn einem Beitrage zur Krahkheits- und Mortalitäts- 
statistik. 

Die bekannte ,Society for the Diffusion of Useful Know- 
ledge' hatte gleich der Hochländischen Gesellschaft Daten zu 
einer Krankheits- und Mortalitätsstatistik sammeln lassen und 
zwar eine auf England beschränkte Statistik für die Zeit vom 
1. Januar 1823 bis zum 1. Januar 1828. Charles Ausell be- 
arhdtete die Materialien. Seine Untersnchungen erstreckten 
sich Ober 24828 Leben^ahre. Wenn man erwägt, dass för 
das 18. Jahr 4. für das 19. 45, für das 70. 12, für das 80. 8, 
und fnr das 05. 2 Personen sein Untersuchungsmaterial bilde- 
ten, dann wird man seinen Resultaten für die jüngeren und 
höheren Altersklassen wenig Werth beimessen. Die verhältniss- 
mässig verlässlichsten Zahlen ergiebt seine Schrift für die Jahre 
25—35, da er für dieses Dezennium 1100—1800-2000 Fälle 
beobachten konnte. 

Aus den von ihm veröffentlichten Tabellen lassen wir 
eine folgen, welche unmittelbar uuYerkttnstelt nach den Daten 
gearbeitet ist»). 

Die Resultate seiner Untersuchung veröffentlichte er in 
einem Werke, welches den Titel führt ,A Treatise on Friendly 
Societies, in which the Doctrine of Interest of Money and the 
Doctrine of Probability are practically applied to such Societies, 
etc. London 1835'. 



Minutes of Evidence vor dem genanuten Aasschusse vom Jahre 
1852. qa. 470. 

«) a. a. 0. qu. 1221»~123-'i. 

^) '6. 51. (Siehe Tabelle auf folgender Seite.) 



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189 



\Vie (lieser Titel besap:t und der Charakter der oben ge- 
nauuten Gesellschaft ahneu läsBt, hatte es Ausell weniger auf 

wisseDBChaftliche Schrift, als auf ein Handbach fhr GiUn- 
der, Mitglieder und Freunde der ffilfiskassen abgesehen. 

Die Zeitgenossen hielten Anseirs Werk für bedeutend, 
noch jetzt wird es von Planchen geschätzt. Es ist daher an- 
gezeigt, einen Augenblirk bei dem Buche zu verweilen. 

Es enthält so ziemlich Alles, was damals für den Laien 
zu wissen nnthig war, aber kaum einen originellen Gedanken. 
Nach einigen einleitenden Gemeinplätzen, unter denen sich 
auch der alte Satz findet, dass die Hilfekassen sowohl den 
Einzelnen, als dem Gemeinwesen ntttzen, giebt er eine kurze, 
zusammengestöppelte Geschichte der Friendly Societies. Darauf 
verln*eitet er sich ü])er die mathematische Basis des Versiche- 
rungswesens (Wahrscheinlichkeitsrechnung, Zinseszins etc.) 



Mean Annual Mean Annual 
Quantity of Rate of 
Sickness | Mortality 
expressed in showitiL' out 
Weeks and of wliat num- 
Decitnals of bers one 
a Week 1 would die 



0.500 

0,574 

0,671 

0,725 

0,785 

0,861 

0,888 

0,850 

0,712 

0.614 

0,711 

0,980 

0,828 

0,753 

0,927 

0,992 

0,9.39 

0,903 

0,81 H 

1,093 

1,291 

1,226 

1,127 

1,023 

1.094 

1,249 

1,328 



138,.50 
165,00 
186,50 
110,22 
10'^.82 
12.-.,27 
122,15 
96,95 
81,69 
74,59 
80,19 
109,32 
98,29 
83,25 
(>0,06 
51.24 
60,07 
53,03 
55,89 
75,00 
74,56 
51,60 
48.69 
58,71 




55 
56 
57 
58 
59 
60 
61 
62 
O-S 
64 
65 
66 
67 
68 
69 
70 



'.Mean Annual 
' Quantity of 

Sickness 
expre8Bed in 
Weeks and 
Decimals of 
a Week 



Mean Annual 
Rate of 

Mortality 
showing out 
of what num- 
bers one 
woald die 



1,308 
1,890 

1,379 
1,508 
1,816 
1,784 
1,706 
1,875 
2,040 
2,110 
2,526 
2,869 
2,758 
2,436 
9,675 
3,0 1'2 
3,7.s2 
4,553 
5,180 
5,88-. 
5,423 
5,615 
6,222 
8,852 
12,420 
18,990 



56,48 
48,48 

48,05 
48,56 
45,88 
42,59 
29,86 
37,63 
95,67 
55.40 
38,64 
24,91 
22,24 
31,08 
S4,86 
23,67 
27,67 
29,75 
21,20 
14,69 
16,18 
17,22 
18,14 
26,50 
17,60 
14,50 



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190 



Dieses ist der beste Theil des Werkes, aber leider auch der 
am wenigsten wirksame, denn er setzt eine gute Kenntniss 
der Mathematik voraus. Nun folp;en die Resultate der von 
Ansell bearbeiteten Kiankheits- und Mortalitätsstatistik und 

Prämientabellen. 

Der nützlichste war vielleicht der letzte Theil des Werkes, 
welcher die Verwaltung und besonders die Buchführunjz einer 
Ililfskasse behandelt. In denselben hat er noch manche 
andere guten Ilatbschläge einp:efloditen. Er kAmpft gegen den 
Wirthhausbesueh an, anstatt gegen den Missbrauch zu kftmpfen. 
In beliebter Weise reebnet er heraus, wie yiel die arbeitenden 
Klassen auf diese Weise jährlich verschwendeten. Er bringt 
die Summe nur auf 250000 i^, wilhrend Becher, welcher auf 
demselben Kriegspfade wandelte. 12 Jahre frtther fand, dass 
die Verschwendung 347 039 £ betrüge. 

Ansell lässt auch den Gedanken einer Ortsbehorde wieder 
aufleben. Dieselbe soll die Berichte der Uilfskasse in Empfang 
nehmen und denselben Rath ertheilen. 

Zweifellos war Ansell 's Schrift kein bedeutender Beitrag 
zur statistischen Seite des Versicherungswesens. Allein es 
waren seit den Arbeiten . welche wir im vorijren Kapitel be- 
sprachen, geringere erschienen. Dieselben wollen wir der Voll- 
ständigkeit halber kurz erwähnen. 

Im Jahre 1829 veröffentlichte Becher eine neue Auflage 
seiner frUher erwähnten Schrift In derselben gab er die 
Resultate einiger neuer Untersuchungen, welche jedoch nicht 
wesentlich von den froheren abwichen. In demselben Jahre 

wurde eine von John Finlaison im Auftrage des Ministeriums 
verfasste Untersuchung über die Sterblichkeit von Nominees 
in verschiedenen brittiscben Tnntinen und von "Rentenempfän- 
gern unter den Reports veröffentlicht In derselben findet 
sich auch-) eine Kranklu'itstal)elle, welche er auf Grund sechs- 
jähriger Beobachtungen einer Londoner Hillskasse aufgestellt 
hatte. Da die Kasse ihm für die Lebensjahre über 60 keine 
Materialien zur Verfügung stellen honnte, war er gezwungen, 
die Tabelle der Hochländischen Gesellsdialt zu Hilfe zu nehmen. 
Sie hat natorlich sehr wenig Werth. Da sie von John Fin- 
laison herrfthrt» soll die QuintessenK folgen. 



^) Report of John Finlaison, Artnary of the National Debt on the 
Evidence and Elemeutary Facts on which the Tables of Life Anuoities are 
franded. — Im 8. Bande der Reporta fta das Jahr 1829. 

*) a. a. 0. S. 02. 



i 

V. 1. 



191 



Alter 



Unter 100000 Bei- 
trigen fortwährend 
kitok 



In Tagen 
ungefähr 



25-ao 

30— a5 
8.5-40 
40-45 
45-50 
50—55 
55-60 



1,941 
1,907 

1,940 

2,387 
2.626 

2,*;i4 

2,70ti 
3,698 




7 Tage 



60—65 
66—70 
70 n. mehr 



5,700 
10,b04 
81,728 



21 

39Va 
116 



■ 



Auch in dem früher ei*wähntpn Report from the Select 
ComTnittee on Life Annuities finden sich eine Heihe von Tabelleo 
von Finlaison's Hand 

Im Jihre 1885 konstrnirte J. Flnlaison neue TftbeHen naeh 
Daten, welche die pariamentarischen Reports ttber die Krank- 
heiten der in Fabriken arbeitenden Kinder (als Vorbereitung 
für die b.'ild darauffolgende Gesetzgebung Ober die Beschäfti- 
gung von Kindern in Fabriken) geliefert hatten und nach Daten 
über die Arbeiten der Ostindischen Kompagnie 

Dieselben wurden in einer neuen Auflage der vom Staate 
gelieferten Statateo, Anweisungen und Tabellen mit den Tafeln 
TOD AnseH und Qr£ffith Davles abgedruckt*). 

Drei Jahre vorher hatte Edmonds nach im Heere ge- 
machten Eifahningen Tabellen konstruirt 

In dei*selben Periode fand eine jedoch nicht auf die Er- 
fahrungen der arbeitenden Klassen beruhende Fortführung 
statistischer Untersuchungen Ober Leben und Tod durch Arthur 
Morgan (die Erfahrungen des Equitable von 17(32 — 1829) und die 
Aktoare Ton 17 LebensTenicherangsgesellsehaften («Seventeen 
Offices Experience Table*), jene im Jahre 1884^ diese im Jahre 
1888 statt. 

Wahrend diese Männer mit der Befestigung der raathe- 
matischen Basis des Hilfskassenwesens beschilftigt waren, trieb 
es nicht weniger als drei neue Typen aus sich heraus. 

Ira Jahre 1831 wurde die erste Vereinigte Spar- und Hilfe- 
kasse von dem Geistlichen von Abbots Ann, dem Hon. Samuel 

S. 21—27. 

') Minates of Evidence taken before Select C!ommittee on Friendly 
Soeieties Bill 1849. qu. 685. 

Walford, The lotimiiee CydopMdU. Y, IS. 
*) Ibidem S. 14. 



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192 V. 1, 

Best gegründet. Er erfand eine Anstalt, deren Mitglieder 
einen Tlieil der ihnen zustehenden Unterstützung aus ihren 
eigenen in einer Sparbaok niedergelegtea Beiträgen und einen 
proportionalen Zuschnss aus den Yon den übrigen Mitgliedern 

in dieselbe Bank eingezahlten Beiträgen erhalten. Ein Mit- 
glied empfangt aber nur so lange Unterstützung, als es Geld 
in der Sparkasse besitzt. Das war die Versöhnung der egoisti- 
schen und sympathischen Instinkte, deren Wirken Cunnintrham 
in den zwei Institutionen getrennt sah, das war die Ilaiinonie 
der ökonomischeu Institute, deren Feindschaft der Report von 
1825 beklagt hatte. 

Der zweite ist mit der Entwicklung des Eisenbahnwesens 
verknüpft. Wir denken nicht an die theilenden Vereine, weldie 
ja ebenfalls ihre rasche Verbreitun^z theilweise dem Aufschwung 
des modernen Verkehrswesens vordanken. Dieser Verkehre- 
zwei^x war im Jahre l«S3ö schon so entwickelt, dass die Sub- 
altern- Beamten und Arbeiter einer der ältesten Gesellschaften, 
der allgemeiner durch die Weite ihrer Geleise bekannten Great 
Western Eisenbahn zur einer Hilftkasse yereintgt wurden. 
Diese Fonn hat sich mit der Entwicklung des Eisenbahnwesens 
immer mehr ausgebreitet. Die hervorstechendsten Züge der- 
selben sind Zwangsbeitritt der Mitglieder, Zuschuss der Ge- 
sellschaft und Theilnahme der letzteren an der \'erwa]tung 

Im folgenden Jahre (18310 ^rrtindeten Maschinisten in Bir- 
mingham eine iiilfskasse, welche den Namen führt ,The Locomotive 
Steani Enginemen and Firemen*8 Friendly Society', welche in 
der Folge Zweigrereine gründete. Eine merkwflrdige Ver- 
einigung von Gewerbehilfskasse und Arbeiterorden! In der- 
selben Periode trat eine Ililfskasse in's Leben, die zwar keine 
besonders abweichenden Züge aufzuweisen hat, aber doch viel 
Interessantes bietet. In England existirten bekanntlich seit 
dem Ende des vorigen Jahrhunderts Sonntagsschulen. Die- 
selben sind auch durch die modernen Elementarschulen nicht 
verdrangt worden. Am Sonntage bemühen sich noch jetzt 
Männer und Fnnien die Kinder der Annen im Lesen der Bibel 
2a untenichten. Das englische Kind geht also täglich in 
die Schule, Mit diesen Schulen sind nun sehr häiifijj: Hilfs- 
kassen verbunden, um die Kinder an eine bestimmte Kirchen- 
gemeinde zu fesseln. „Nachdem sie die Gemeinde verlassen 
haben, verlieren sie alles Interesse an der Gesellscliaft. Es 
giebt viele Gesellschaften dieser Art, und bis zu einem ge- 
wissen Grade entwickeln sie sich gfinstig und sammeln ein 
Vermögen an, aber nach 20 oder 30 Jahren gehen sie fast 
ausnahmslos zurück. Da die Beiträge, welche in den Sonn- 
tagsscbulen erhoben werden, klein sind, werden die Ansprüche, 

M Fonrth Report of the J^Viendly Sooieties Commiiuon. ISJi» 

S. LXVlii u. fg. 



• 

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193 



sobald die wenifjen Lehrer und Schüler, wek'lie Mitglieder 
bleiben, älter werdeu, zu hoch, und die meisten, wenn nicht 
alle, brechen zusammen Besonders in Birmuigluim lullt 
die Verbindung des religiösen Elementes mit dem Ver- 
sachenuigswesen auf). Hier hatte nmi ein nntemehmender 
Mann die glückliche Idee^ mehrere der alten Schulkassen zu 
einer grossen Hilfskasse zu vereinigten, welche den Namen 
,The Birmingham Genoral Provident und Benevolent Institu- 
tion' führt. Wir werden ihr nocli später begegnen. Sie wurde 
1838 gegründet, die eigentliche Keiorm scheint erst im Jahre 
1835 stattgefunden zu haben. 

In diesem Zusammenhange und dem Zeitpunkte näher, 
wo die miehtigsten Formen freiwilliger Hil&kassen, die Arbeiter- 
orden, in den schirmenden Bereich des Gesetzes treten, ist es 
anpozei^t , einen Rückblick auf die mannigfachen Typen zu 
\vcrfen, in welchen das Prinzip der Uilfskasse sur Erscheinung 
gelangt war. 

England weist kleinere ortliche, alle Berufsklassen um- 
fassende Vereine und üilfskasseu für Personen desselben Be- 
rufe, die Nachkommen der religiösen und Handwerksgilden des 
Mittelalters, auf, als die gesetzliche Regelung des Hilfekassen- 
wesens im Jahre 1793 beginnt. Im Westen EngluidSt in 
Devonshire und Cornwall bestehen lientenkassen. Die meisten 
Vereine erstrecken ihre Thäti^keit über fiust alle Zustünde, in 
welchen dem Lohnarbeiter eine Unterstützuni: nothwendig 
wird. Ja einzelne sind noch eng mit Gewerkvei einen verquickt. 
Mit SoontagSBChulen sind ebenfalls Hil&kassen verbunden. In 
dem zweiten und dritten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts geben 
die grossen Mangel des Hilfskassenwesens Veranlassung zur 
Gründung von grösseren (Distrikts- oder Grafschafts-) Vereinen, 
deren Verwaltung hauptsächlich in den Iiiinden der oberen 
Klassen liegt. Die Distriktsvereine werden nach dem Muster 
der Soutliwell Institution gebildet. Der erste der Graf- 
bchaftsvereine ist der Essex Piuvident, der zweite die Hamp- 
shire Fiiendly Society. Hierzu trat im Jahre 1826 die froher 
erwähnte Dorsetshire Friendly Society. Als vierten haben wir 
die noch blühende und im Jahre IS 28 gegründete Wiltshire 
Friendly Society zu erwähnen In (lemsell)en Jahre entstand 
als fünfte die Gounty of Kent Frieudly Society. Das Kapital 
zog Nutzen aus den bezeichneten Umstünden und gründete 
Arbeiterhilfskassen auf Aktien. In der Mitte zwischen den 
selbstverwalteuden Vereinen und den Aktiengesellschaften 



M Minutes of Evidenoe taken bofore Ihe Sdael ConinHtoe on Friendly 
Sodeties. Bill 1849. qii. r.i:,. 

') Stanley's achon mehrtach angezogener Report 1874. S. 182. 

•> SdKm Edtn erwihnt, in Bndford (Wiltifairo) wftrden die HiMb- 
kassen „nincb eneomtged by hononiy memben^ Uan gedeoke anch der 
Bath Society! 

ForMltuagMi (2U) V. 1. — Hacbacb. 13 



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194 



stehoii die BoLTäbnisskasseii. Ausserdem breiteten sich grössere, 
auf richtigeren Prinzipien ^regrüiidete Vereine aus, welche das 
gesellige Element völlig ausschieden und keine anderen Be- 
Beziehungen, als streng ökonomische zwischen den Mitgliedern 
duldeten. Diesen traten besonders nOcbteme, grossstädtische 
Arbeitnehmer bei. Als die erste von Bedeutung und noch be- 
stehende erwilhnen wir den Royal Standard, welcher sich 
ebenfalls im Jahre 1828 konstituirte. Als vierte Fo]p:e des un- 
genügenden Charakters der Hilfskasse sehen wir die Aus- 
breitung von periodisch theilenden Vereinen an. welche durch 
grosse moderne Unternehmungen besonders gefördert werden. 
Als iQnfte Wirkung erwfihnen wir die staatliche Altersrenten- 
kasae für die arbeitenden Stände. Inzwischen wurden gewerk- 
TereinUche Bestrebungen in den Hilfekassen ganz unterdrückt 
und auch gewerblichen Uilfskassen die Einregistrirung be> 
deutend erschwert. 

Als ein Produkt der geistigen Fehde über den Werth der 
Spar- und Hilfskasse stellt sich neben diese Formen die eben 
erwähnte Vereinigte Spar- und Hilfskasse (Deposit Friendly 
Society). 

Einem Anstosse von ganz anderer Seite verdankt die 
moderne Gewerbekasse in ihren beiden Tyipeu ihr Dasein« Sie 

ist ein Kind der modernen , weitverzweigten l'nternehmung. 
Wo dieselbe in gewissen drenzen den Charakter eines Mono- 
pols hat und grosse Arlieiterniassen unter einer Leitung ver- 
einigt, entsteht leicht die Zwaugskasse, z. B. der Eisenbahn- 
gesellschaften; wo nur Ortlich eine bedeutende Menge von 
Arbeitern sich ansammelt, tritt häufig die freie Gewerbekasse 
in's Leben, welche ein natürliches Bestreben hat, sich mit den 
Kassen desselben Gewerbes an andern Orten zu vereinigen. 
Es bedarf keiner langen Ei*örterungen, um einzusehen, welche 
Voi"züge dieselbe vor vielen andern Vereinsformen voraus hat. 

Zufällig in dem gewöhnliclien Sinne dieses Wortes sind 
also die Hilfskassentypeu nicht. Sie gehen mit strenger 2\oth- 
wradigkeit ans der Zeit, welche sie entstehen sah, hervor. 
An ihrer Evolution läset sieh ein Stück der sozialen Geschichte 
Englands studiren. 



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IV. 

Ansdehnung der Hilfskassengesetzgebung. 
Die Arbeiterorden. 

1840- m«. 



Das fünfte Jahrzehnt ist in der sozialen Geschichte Eng- 
iands merkwürdiger, als das Torhergehende. Die beldeii Pe- 
rioden gebdren innerlieh siuammen; die eine bedingt die 

andere. Von 1830—1840 vollzieht sich der Sturz des alten 
auf die Heri'schaft des Gnindbesitzes basirenden Regierunj:rs- 
systenis, das fo].i;ende Jahrzehnt sieht den sozialen Niederirang 
jenes Standes. Robert Peel verliilft der Klasse, aus welcher er 
hervorgegangen ist, durch seine Steuerreform zum Sieg. Die 
schon vorhandenen und die in Zukunft aus der Eiiiiedrigung 
und Anfbebnng froherer Zölle zu erwartenden Ausfillle suchte 
er durch die Einführung einer Einkommensteuer zu decken. 
Diese Maassregel ist insoweit für uns von Wichtigkeit, als auch 
hierbei die Hilfskassen begünstigt werden. Sie genossen 
Steuerfreiheit unter Scliedel C. Dieselbe wurde durch eine 
^lovelle aus dem Jahre 1853 auf Sehedel D ausgedehnt. 

Dem Kampfe um die Getreidezulle standen grosse Massen 
der Arbeiter gleichgültig gegenüber. Die Einen sagten sich, 
dass die Vertbeuerung der Lebensmittel ihre Löhne erfacihe 
und Zollermässigungen dieselben verringere, folglich der Nutzen 
nur ihren Hen-en zu Gute käme. Andere mit grossen welt- 
umstürzenden Zielen hielten den Kampf um die Zölle für 
kleinlich und unbedeutend. Nach den ZilVeni der Armen- 
ßteuer zu urtheilen, hätten sie nicht so unrecht gehabt. 
Denn dieselbe, welche im Jahre 1837 nur 4 044 741 £ betrug, 
Stieg inxwischen wieder langsam. Im Jahre 1843 hatte sie 
schon die Höhe von 5206027 jj^ erreicht, im Jahre 1848 stand 
sie fast auf gleicher Höhe mit dem Jahre 1^34. Im Jahre 
1834 wurden für die Armen ausgegeben 0 317 255, im Jahre 
1848 £ 61«0 7(34. Das günstigere Urtlieil, welches die höhe- 
ren Bevölkerungszahleu für 1848 leicht an die Hand geben, 

13* 



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196 



V, 1. 



wird durch die Erwägung: aufgehoben, dass die Abschreckungs- 
methode, weldie seit angewandt wurde, viek* dürfti^^e 

Personen von der Scliwelle der Armenaufseiier fern hielt. 
Man wird sich die Lage der ärmeren Klassen vergegenwärtigen, 
wenn wir dieselben nur soweit skizzireu, als zum Verständ- 
niss der Hilfekassengesetzgebung nöthig ist Wir erinnern an 
die Arbeiterexzesse, die Tumulte, die radikale Agitation, den 
Chartismns, die Arbeitseinstellungen» nnd die grosse Noth. 

Inzwischen aber trat die Genossenschaftsbewecrung in ein 
neues Stadium ein. Sie legte ihre jugendlichen Thorheiten ab, 
an denen sie gleich jeder grossen. berechtiirttMi Bewegung ge- 
krankt hatte — die philosophischiu, religiüseu, okunomischeo 
Thorheiten« weldie Holyoake im ersten Bande seiner Gesdiichte 
des englischen Genossenschaftswesens mit so viel Humor und 
Anschaulichkeit geschildert hat — und beschränkte sich auf 
die nüchterne Erlangung eines materiellen Nutzens 28 arme 
"Weber (im Jahre 1830 konnten sie nur 4 — 6 s. wöchentlich 
verdienen) «gründeten im Jahre 1844 einen den Profit nach der 
Höhe der Einkäufe der Mitglieder proportional vertheilenden 
Konsumverein mit einem Kapital von 28 ^ , welcher nach dem 
letzten Jahresbericht*) eine Mitgliederzahl von 10894 Personen, 
ein Kapital von 315243 £ aufweist und im Jahre 1882 einen 
Nettogewinn von 32 577 £ gemacht hat. Damit trat eine 
neue Form der sozialen Selbsthilfe in's Leben. Wie die Hilfs- 
kasse und die Spavbank eiregte sie die sanguinischsten Ilotf- 
nungen, und wenn uns unser Urtheil nicht täuscht, eire^t sie 
dietielben noch. Es ist eine schwer zu erklärende Thatöache, 
dass die grosse Menge der Engländer immer von einer Insti- 
tution der sozialen Selbsthilfe eine Keform gesellschaftlicher 
Missstände erw.irtet hat, während dieselben doch berufen 
sind, nebeneinander zu wirken, und das Maass ihres eigenen 
Vermögens bezeichnend, die Domäne der Staatshilfe abzu- 
grenzen. Man könnte die soziale Geschichte Englands dem- 
gemäss in 3 Perioden eintheilen. Der Gewerkverein hat der- 
artige Illusionen natürlich nie zu nähren vermocht, die meisten 
wohlhabenden Leute waren nur geneigt, in ihm einen Feind 
zu sehen. 

Während Konsumvereine nach dem neuen Profitvertheilungs- 
modus sirh bildeten, nahm das Anselien der Sparbank ab. 
Die Verwaltung derselben lag bekaauüich in der Hand der 



M Owen thdlt in einem Briefe (IS^^'^l mit, dass in Carlislc ,zu 
seiner üeberraschoDg* 6 oder 7 Genossenscbatten getundeo habe. Kr 
boneritt; ^It is, howerer, hii^h tlme to put an ena to the notion veiy 

prt'valent in the j)ul»lic mind, tliat this is the social eystem wliicli we 
contemplate, or tbat it will form any pari of the arraogemeate in the 




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V. 1. 



197 



Gentry und des Klerus, aus deren Keihen die höchsten Be- 
amten gewählt worden. Unter ihnen waren salarirte Beamte 
mit dem rein mechanischen Theile der Verwaltung beschäftigt. 
Die Gentlemen und an einigen Stellen leider auch die Geist* 

liehen fraben zwar gern ihren Namen her, aber sie beküm- 
merten sich um Hie Verwnltunpr sehr wenijür. Ungefähr ein 
Dutzend ßetrugsfälle kamen bis 1844 zur allgemeinen Kennt- 
niss, unter diesen ragt ein Fall in Dublin hervor. Hin Küster, 
Namens Dunn, den man zam Sekretär der Cuffe Street Bank 
angestellt hatte, beschwindelte dieselbe allmählich um SOOOOifi 
Der Keim der Spai-samkeit , welcher so schwer in der unvor- 
sichtigen, irischen Natur Wurzel gefasst hatte, wurde durch 
den ersrhütternden Vorfall wieder gründlich ausgerissen. Die 
Treuhänder wünschten nun ihre Verantwortliclikeit beschränkt 
zu sehen. Ihr Wunsch wunle durch ein Gesetz vom Jahre 
1844 gewährt. Sie waren in Zukunft zur Zahlung der Defi- 
zite nur yerantwortlich, wenn sie sich schrifUich dazu ver- 
pflichtet hatten, und nur bis zu der in der Erklärung be- 
stimmten Hohe. Das Gesetz enthielt verschiedene andere Be- 
stimmungen, welche von Einfluss auf die Weiterentwicklung 
der Hilfskassen waren. 

Wir sahen , wie die Stellung des zur Beurtheilung der 
Statuten ernannten Advokaten in der Verfassung der Hilfs- 
kassen allmählich so heranwuchs, dass sie die Mitwirkung der 
Friedensrichter zu einer formalen herabsetzte. Durch das 
ei*wähnte Gesetz wurden jenem Beamten neue Befugnisse er- 
theilt. £r sollte alle Streitigkeiten zwischen Mitgliedern und 
Treuhändern entscheiden; in diesen mussten die llilfskassen 
bekanntlich an die höchsten Genchtshöfe gehen. Von einiger 
Wichtigkeit, war es, dass die hocliste Jahresrento, welche durch 
die Sparbank bezogen werden konnte, nun auf 30 £ erhöht 
und der Zinsfoss auf 3 i^" 5 s. herabgesetzt wurde. 

In diesen Begebenheiten liegt nun der Anstoss zu einer 
Fortbildung der Gesetzgebung über die Hilfskassen, auf deren 
Zustand wir einen Blick werfen w(dlen. In dem Gesetze von 
1834 hatte man vej-sucht, den heilsamen Bestrebungen des 
Volkes entgegenzukommen, indem man den Kähmen der Hilfs- 
kassengesetzgebung weiter spannte. Für alle nicht ungesetz- 
mässigen Zwecke sollten Vereine gegründet werden dürfen, 
welche an den Wohlthaten der Gesetze Ober die Friendly , 
Societies Theil hatten. Der Wortlaut war jedoch zu allgemein, 
er hatte zu Unzuträglichkeiten geführt. In dem Bestreben, 
für alle nützlichen Beguncren der arbeitenden Klassen Baum 
zu schaffen, war die Versicherung von Kindern untiM- (> Jahren 
erlaubt worden. Diese Bestimmung schien dem Veriirechen 
die Wege gebahnt zu haben. Man behauptete, dass Entbeh- 
ruDgeo aller Art arme Familien zum Kindermorde getrieben 
habe, um das Begrftbnissgeld zu erhalten. 



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198 



V. U 



Der schmähliche Zusammenbruch vieler Vereine. <ler 
jammervolle Zustand anscheiucDd blühender Kassen drängte 
wieder die Erwägung auf, ob die EiDschreibaiig einer HiUb- 
kasse nicht an die Profung der Prftmientabellen diireh eine 
kompetente Behftrde geknQpft werden mflsse. 

Um die Erkenntniss dci y thwendigkeit si ebner Prämien- 
tafeln iti.icbte sich Francis G. P. Neison, damals der Actuary 
of the Medical Invalid and General Life Assurance Society, 
sehr verdient. Die giossen Abweichungen in den Resultaten 
Änseirs und der Hochländischen Gesellschaft veranlassten ihn, 
der Krankheits- und Mortalitätsstatistik der Ililfskasseu näher 
zn treten. Fftr England benutzte er die ihm von Tidd Pratt 
ttberlaesenen Berichte aber Krankheit und Todesfälle ans den 
Jahren 1836—1640, welche die eingeschnebenen Kassen kraft 
des Gcsctzos von 1820 abzufassen hatten, und die von der 
liepierun^j nicht benutzt wurden. Um Nachrichten über schot- 
tische Kassen zu erhalten die schottischen Hilfskasseu 
sträubten sich dagejjen, Berichte einzusenden — , suchte er 
zuerst den Einfluss der nordbrittischen Geistlichen zu gewinnen. 
Dieser Weg führte jedoch zn keinem Resultate. Erst als man 
sich durch die Ausschreibung von Preisen an die ep:oistischen 
Instinkte der Sekretäre wandte, liefen Daten ein. Diese Ma- 
terialien bearbeitete Neison mit dem bekannten eu;:lischen 
Statistiker Farr, mit Dr. Guy, Fletcher und Philipps. Die 
Statistical Society of London schwebte wie ein freundlicher 
Genius Uber allen Bestrebungen Neison's. Aus ihrer Kasse 
flössen die nöthigen Summen*). Neison's Untersuchung 
war die gro8sartigä;e, welche bis dahin stattgefunden hatte. 
Sie erstreckte sich aber 1217685 Lebensjahre und 241869B 
Wochen Krankheit. 

Die Hauptresultate seiner Untersuchungen, welche von 
1841 — 1845 dauerten, machte er zuerst in einem Aufsatze be- 
kannt, welchen er im Jahre 1845 vor der Statistical Society 
in London las^). Im selben Jahre verütVontlicbte er eine 
selbststündige grössere Schrift unter einem langathmigen Titel, 
dessen erster Theil lautet: Contribution to Vital Statistics: 
being a Development of the Rate of Mortality and the Laws 
of Sickness. Das Buch erlebte mehrere Auflagen und nahm 
an Unifanfz bedmitend zu. rla Neis»)n den früher bebiindelten 
Stoff erweiterte und vertiefte und auch andere Fraiieii in die- 
sem Werke behandelte, welche l^eine so (iirekte Beziehunt; zu 
dem ursprünglichen Gegenstande haben. In der dritten Auf- 
lage Yon 1857 ist es ein Quartband von über 600 Seiten. 



^iehe Neison's Anssagen bpfore Select Committee OD the Ffondent 

ABsocmtious Fraud Prevention Bill. S. 8-5. 

^) Journal of Statistical .Society. Vol. YIII. S. 290-343. 



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199 



An dem Inhalte des Buches ist die Methode za loben*). 
Hier wird zum ersten Mal vei-sucht, eine Antwort auf alle die 
Fragen zu geben, welche in den AusBchfissen Ton 1825 und 
1827 aufgeworfen worden waren: ob die Krankheiten und 
Todesfälle in den Städten häufiger, als auf dem Lande wären, 
ob Krankheit und Tod in einem bestiiiiniten Verhältniss zu 
einander stünden , ob die Beschäftigung von Einfluss auf die 
Lebensdauer und die Krankheitsmenge der Arbeiter sei u. s.w. , 
Neison schied den StuÜ', je nachdem er iiini hüh Utiullichen 
Distrftten, Idelnen Stftdten (Towns) und gi-ossen Stftdten (dties) 
zugekommen war. Die Rund Distriets sind Bezirke, welche his 
zu 5000 Einwohner haben, die Einwohnerzahl der Towns ist 
zwischen 5000 und 30000, Cities weisen mehr als 30 000 Ein- 
wohner auf. 

Aus dem reichen Inhalte des Aufsatzes wollen wir einige 
der wichticTsten Tabellen folgen lassen, die in ihrer klaren 
Sprache keines langen Koninientars bedtlrfen. Die dritte und 
vierte DezimalsteUe ist überall fbrtc^lassen, daher rtthren 
kleine Ungenauigkeiten. 



Table VII. (S. 302 des Aufsatzes.) 





Expectaüon of Life 


Excess in Favour of Uural over 


Town Districta 


City DiitrietB 


, Bona 


Town 




InYeus 


Per Cent 


InYea» 


Per Cent 


ao 

40 

00 
00 
70 


45,35 
36,40 
30,97 
23,47 
16,65 
10^71 


42,27 
34,57 
27,15 
19,97 
13,76 
8,70 


40.01 
32,S() 
26.U^ 
19,92 
13,76 
8,76 


3,08 
8,83 
M,sl 
3,41) 
2,bl> 
2,20 


(»,79 
9,97 
12,33 
14,90 
17,36 
20,24 


5,34 
5,54 

4,.S8 

a.')4 

2,8ö 


11,77 
14,44 
15,77 
15,10 
17,31 
19,69 


Total Ezcess 


19,32 


24,34 



Ob die rvosultate bo glaubwürdig sind, wie Neison versichert, dar- 
über haben wir kein Urtheu. Wollten wir den Gregnera Neison's, z. P. 

Ansell und Davies, die vor dem Lords Committee des Jahres 184S über 
Neison herfielen, Glauben schenken, so wiirc das Material ungenügend ge- 
wesen. Die Berichte seien ohne Oberaufsicht angefertigt worden und daher 
werthlos. Man habe sie ihm (Ansell i zur Bearbeitung nngebotea, aber er 
habe sie zurückgewiesen (AnseH's Material scheint auch nicht besser ge- 
wesen zu sein.j Neison behauptete, dass er und seine Freunde das Mate- 
rial mit der gr Aasten Sorgfalt aosgewlhlt h&tteo. — Wenn wir das Naturell 
Neison's und Ansoll'^ richtig auffassen, soweit es sich in ihren Schriften 
und in ihren Aussagen offenbart, so geboren sie zwei aasgeprägten Typen 
▼on StatistikerB an, wdebe wir niweuen ni beobachten Oeiegeiiheit haben. 
Der Eine ideenreich, grossen Fragen zugewandt, den Charakter seines 
Materials lei« ht vertiessend, nicht immer kritisch gcnnu . der Andere ruhig, 
umsichtig piulüud, au der Lösuug bedeutender Aufgaben leicht verzweil'elnd. 



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200 



Dieses Resultat setzte Niemand in Erstaunen. Desto 
mehr war man ttber die Thatsacbe verwundeit, dass die 
dttrchschoitOiche Lebeoserwai-tung der Mitglieder der Hil^ 
kaasen grösser war, als diejenige der englischen Bevdlke- 

ninpr überhaupt, als diejenige der in den Vei-?ichei*unpsgesell- 
schaften Vereicherten und der MitpliecUT des Adels. Wir 
kombiniren zwei Tabellen, einen Theil der Tabelle VIII des 
Aufsatzes S. 303 und zwei Kolumnen aus der Tabelle II 
des grossen Werkes S. 40 und 41. 







Lebenserwariuag 


in 




Alter 


(den drei D. 

zusammen 
geoommeuj 


England 

und 
Wales 


Lebensver- 
sicberungs- 
geeeUschaltcu 

(MAnner) 


Bdde 

Geschlechter 
zusammen 


Add 


80 
SO 
'40 
50 
60 
70 


43,77 
36,60 

2!*,3:i 
22, ly 
15,69 
10,90 


40,69 
84,09 

27.47 
20,sl 

14,58 
9,21 


39,ö4 
33,17 
2'i,o<; 
ly,41 
13,47 
8,84 


40,97 
84,25 

27,07 
20,11 
13,^1 
8,50 


3»,47 
80,87 
24.45 
17,92 
12,56 
8,15 



Auch diese Zalileu bedüi*fen nur einiger erklärender 
Worte. Neison fikhrt aa^ dass die Amiwahl, welche die HOfe- 
kassen treffen, ihnen die gesundesten, nttchtemsten Mftnner 

der arbeitenden Klassen coährt 

Die niedrige Lebenserwartuncr des en^Tlischen Adels im 
Ver^'leiche mit den arbeitenden Klassen möchte Manchen ein 
LoblK 1 niif den Segen der Arniuth, Genttgsamkeit und Arbeit 
anstiiuniüii lassen, wenn nicht bald darauf eine Tabelle folgte, 
welche die Lebenserwartung verschiedener Berufe darstellt. 



Table X. (S. 813 des An&atzes)* 



1 

1 

AgM 


1 

i Rani, 
Town, 


Glerin 


Piumbcn, 
Painten and 
Glici«n 


Bakers 


Miners 


20 
30 
40 
50 
60 


48,T7 
86,60 

29.:^ 
22,19 
15,69 

i 


81,83 
27,57 
21,85 
16,04 
12,42 


86,90 

30,50 
24,30 
17,09 
12,16 


40,02 

82,35 
24,47 
19.09 
14,06 


40,67 
33,15 
24,92 
17,53 
11,85 



Diese Resultate tragen am meisten zu der Erkenntniss 
bei, dass die Hil&kassen nicht mit derselben Priimientabelle 



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Y. 1. 



201 



auskommeD konnten, und dass eine Kasse nicht nothwendiger- 
weise sicher gdieii mnaste, wenn sie dieselbe einer blühenden 
Oeselisehaft entlehnte. Es war nun anch leicht einzaseheo, 

dass Städte nach der yerschiedenen Zusammensetzung ihrer 

Gewerbetreibenden eine vei"scliiedene Lebenserwartunff zeigen 
konnten, wie ISeison es in der Tabelle XVlll für Glasgow, 
Liverpool, Dundee bewies. Die Städte weisen für das Alter 
von 20 Jahren eine Lebenserwartung von resp. 3(),P(5 — 38,üO 
— 35,96 Jahren aus. Eine ähnliche Differenz lief durch alle 
Lebensjahre hindurch. 

Es ist nur zu bedauern, dass Keison die Krankheits- und 
Mortalitätstatistik der einzelnen Gewerbe nicht in umfassen- 
derem Maasse durch«:eführt hat. Unseres Erachtens ist die Thä- 
tigkeit des Mensclien von grösserem Einfluss auf sein Wohlbe- 
finden, als die Grösse einer Stadt, deren Einrtuss wir übrigens 
durchaus nicht übersehen. Ein Arbeiter mag in einem kleinen, 
wohlgeltlfteten Hause in der Vorstadt einer grossen Fabiik- 
Stadt und daher gesünder wohnen, als ein anderer in einer 
im Mittelpunkte liegenden Miethskaseme einer mittelgrossen 
Stadt. Diese Lage mag ihm den Genuss frischer Luft mehr 
entziehen , als seinem grossstädtiscben Genossen. Dagegen 
werden die Einflüsse des Gewerbes dieselben sein. Nur durch 
eine Kombinution der K.- und M.- Statistik narh Wohnort, Ge- 
werbe und Geschlecht kann man eine anuäliernd richtige 
Prämientafel konstruiren. Neison hatte, wie er vor dem ge- 
nannten Ausschusse des Oberhauses aussagte, vor, solche Ta- 
bellen zu veröffentlichen. Aber er scheute die Kosten, die sich 
auf 4000 ^£ belaufen haben würden. Ansell sagte an dem- 
selben Orte au«, dass eine so eingehende, sich über alle Ge- 
werl)e erstreckende Statistik nirlit nöthig sei, es existirten 
grosse Verschiedenheiten nur in einzelnen Gewerben. Vom 
wissenschaftlichen Standpunkte ist diese Ansicht jedenfalls ober- 
flächlich. Einzelbeobachtungen eines ,Actuary* sind bei weitem 
nicht so werthvoll wie systematische Massenbeobachtungen. 

Ausserdem Obersieht Ansell, dass der Einfluss krankhafter 
Zustände auf die Thätigkeit in vei*schiedenen OfMverben ver- 
schieden ist. Zwei Menschen in verschiedenen Benifen mögen 
in einem Jahre dieselben Krankheiten durchmachen, ihre Krank- 
heiten mögeu dieselbe Dauer haben, und doch werden in einer 
Krankheitsstatistik der beiden Berufe sich die grössten Ab* 
weichungen zeigen. Denken wir uns einen Schneider und einen 
ländlichen Tagelöhner, beide von einem Brustkatarrh affizirt, 
weiter einen Schreiber, der sich einen Fuss verrenkt hat, und 
einen Briefträger mit demselben Leiden, endlich eine Blumen- 
macherin und ein Ladenmädchen, welche sich einen Finger ver- 
letzt haben, und fragen wir uns schliesslich, welche von diesen 
sich event. an eine Hilfskasse wenden werden, dann ist die Er- 
kenntiiiss leicht, dass das wesentliche Kriterium der Krankheit 



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202 



ftr eine Krankenkasse ist: zeitweilige Unfähigkeit, 
den Beruf aussaaben. Es ist ein grosses Verdienst Nei« 
son's, dass er diesen Punkt vor 40 Jahren so heU beleuchtet 
hat, dass ihn Niemand mehr übersehen konnta 

Neison wies femer die höhere Lebenserwartung der weib- 
lichen Mitglieder der Hilfskassen auf allen Lebensstufen Ober 
diejenige der Männer und der englischen Frauen im Allge- 
meinen nach, wie aus der Xiil. Tafel d. A. zu ei-sehen ist. (S. 137.) 



Age 


ExpectatioD of Life in 
£iigUiid and Wales 


Expectation of Life among tho 
Menben of Friendl j SocMtiet 




Males 


Females jDifferenoe 


Males 


Females 


Difference 


20 
30 
40 
50 
60 

70 1 


1 40,69 
34,09 
27,47 
20,84 
14,58 
9,21 


41,09 0,90 
35,16 1,06 
28.73 1,25 
22,05 1,20 
15,52 0,93 
9,84 0,93 


43,77 
36,60 
29,33 
22,19 
15,69 
10,20 


45,26 
38,18 
30,78 
23,82 
17,28 
10,97 


1,49 
1,57 
1,45 
1,62 
1,54 
0,76 



Die Tfaatsaehe einer grosseren Sterblichkeit fttr Stadt als 
jRUr Land, welche Neison für England daigethan hatte, ergab 
sich auch aus den schottischen Berichten, sowie die andere That- 

Sache, dass die Lebenserwartung in Schottland geringer war, 
als in England. Wir kombiniren Tabelle XX und XIV. (Seite 
319 und 326 des Aufsatzes.) 



Ezpeetation of Life 





in Scotland 


in EoiilaDd 


Ages 1 


Roral 


Town 




Rural, Town 
and Citv 


Koral, Town 
and Olty_ 


i 

20 
30 
40 

50 

" 1 


r 

4t,99 
i> • ,7 8 
30,30 
'22.S9 
16,01 


42,7 n 
35,04 
27,64 
20,74 
13,12 


34,58 
28,63 
22,64 
17,38 
13,33 


42,72 
35,65 
28,65 
21,si 
.15,01 


43,77 
36,60 
29,88 
22,19 
15,69 



Ueber die Dauer der Krankheiten veröffentlichte er weniger 

einp:chende Tabellen, jedoch sind die wenigen, welche er auf- 
stellte, von dem gi-össten Werthe. In den Erläuterungen zu 
diesen Tabellen weist er darauf hin, dass bis zu einem ge- 
wissen Grade fUr die Krankheitsersclieinungen dasselbe Gesetz 
der Abhängigkeit von der Ortsgrösse gelte, welche für die 
Lebenserwartung nachgewiesen worden sei Doch bestftade 



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V. 1. 



208 



Dicht die direkte Beziehung vou Ui*sache und Wirkung 
zwischen Krankheit und Tod, die man gewöhnlich annehme. 
Es zeigten sich im Gegentheile sehr häufig neheneinander eine 
hohe Lehenserwartung bei einem grossen Krankheitsquantum. 
Es ist ja auch leicht verständlich, dass in einer langlebigen 
Bevölkeriiti«: das grosse Krankheitsfiuantum der hohen Altei'S- 
klassen die Durchschnittssunmie der Krankheiten aller Krank- 
heitsklassen vielleicht bedeutend erhöht, selbst wenn in den 
einzelnen Lebensjahren der Durchschnitt in dem langlebigen 
Lande geringer son sollte. Aber auch nach Altersklassen 
geordnet zeigen sich in den einzelnen Bezirken Verschieden- 
heiten, 



XXIIL Tabelle des Aufsatzes. (S. 328 d. A.) 



Age 


Increased Mortality per 

Cent above the Rural 
Districts in the 


Increased Sieknesi per 

Cent above the Rnnu 
Districts 


Tom Districts 


City Diitrieti 


Town Districts 


aty Diitricta 


20 
30 
40 
60 

60 
70 


27,60 
5,48 
20,45 
85,58 
51,52 
43,29 


12,72 
30,62 
75,78 

61,66 
41,01 
26,72 


2,11 
0,46 
18,65 
60.72 
25,51 
9,19 


32.76 
26,33 
87,84 

49,91 
16.72 
29,61 



Von grossen Interesse ist auch der Naclnveis, dass England, 
obwohl es eine durchschnittlich höhere Lebenserwartung als 
Schutthind zeigt, doch in allen Altersklassen ein grösseres 
Krankheitsquantum aufweist. 

XXIV. (S. 880 d. A.) 



1 

1 

Age 


Aviiage SicknsM yeariy in (Weefcs) 


Ezcess of SicJmesf 
in England per Cent 


England 


Scotland 


80 


0,91 


0,83 


8.02 


40 


1,18 


0.97 


17.2H 


50 


1.96 


1.X5 


5.38 


60 


4,16 


3,Ü4 


ö,36 



Vielleicht war für den Augenblick noch wichtiger, dass 
Neison den ungenügenden Charakter der Tafel der Ilorliliin- 
disclien Gesellschaft und der AnselVschen Tabelle nachwies. 
Wir konibiniren wieder zwei Tabellen, nämlich die XXII. (S.328) 
und die XXV. (S. 330 des Au&atzes). 



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204 



V. 1. 





Average Sickn^ per Annum to euch Person, expressed in Weeks 


Ages 














Distfiots 


Town 




TheThree 
Combined 


Higbland 
Sodetj 


Anaall 


20 

ßl) 

25 

80 

85 

40 

45 

50 

55 

60 

65 

70 

75 

80 


! 0,83 

^ 0,86 

0.87 

o,^y 

1,06 

1,25 
1.5S 
2,32 
3.S5 
7.n:i 
14,19 
20,78 
24,85 


0,85 

" 0.86 

0, «7 

1 AI 

1, ül 

1,26 

l.«3 

2.55 

3,30 
4.91 
9,13 
15,49 
24,01 
82,98 


0,56 

0,96 
1,10 

1,46 

2,3s 
3.30 
4.49 
6,90 
9,9«> 
22,38 
85,20 


0,83 
(U,«4) 
0,87 
0,91 
u,yo 
1,18 
1,49 
1,96 
2,70 
4,16 
7,75 
14,03 
21,46 
26,94 


(0,57) 
0,58 
0,62 
U,o 1 
0,75 
0,96 
1,36 
1.82 
2,34 
4,40 

10,70 


(0,"^) 
0,80 

0,86 

U,9ü 

Ml 
1,35 

1,70 
2,25 
3,29 
5,67 
11,79 



Kelsen zeigt in einem Beispiele, wie wenig genügend die bis- 
herige Krankheitsstatistik war. Die Edinburgher Setzer-Kasse 
veröffentlichte einen Beiicht über die Summe der Wochen 
und Tage der Krankheit ihrer Mitglieder. (8. 835 d. A.) 

Wochen Ttge 

Dieselbe betrug 2047 1 

Sie hätten zu erwarten gehabt 

Nach der Hochländischen Tafel 965 2 

- Ansell'schen Tafel 1357 n 

- Neison'schen (City Distrikt) .... 1748 0 

Zog man die Erfahrungen der Drucker in Betracht 2()i )0 0 

- Bergleute - - 2146 0 

Neison liess in dem Werke .Contrihutions etc.' ein Kapitel 
über Prämientafeln folgen Seine Untersuchungen hatten er- 
geben, dass die Prämien im Allgemeinen zu niedrig waren. 
Wo jedoch die Vereine für die einzelnen Zweige verschiedene 
Kassen hatten, waren die Beiträge zuweilen zu hoch, z. B. 
iQr die Ueberlebensversicherung, was ja die Aktuare vor 20 
Jahren auch schon gefunden hatten. 

Wir obergehen die trefflichen Bemerkungen Neison^s in 
seinem grossen Werke ttber den insolventen, bankerotten, ob- 
gleich äusserlich zuweilen blühenden Zustand der meisten 
Hilfskassen, welche er im Einzelnen drastisch belegt, da wir 
sie schon zu oft gehört haben. Das Schlechteste an diesen 
beiden Schriften ist die sanguinische Hoffnung Neison's, duss 
durch eine Refoitn der HilfskasseQ die Ursachen all der Armuth, 



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V. 1. 



205 



Noth und das Elend in den Fabiikstädten in wenigen Jahren 
vollständig gehoben werden können M. 

Neison gab durch diese beiden Schriften einen kräftigen 
Anstoss zur Reform des Ililfskassenwesens. Er that noch mehr. 
Er kräftigte den Geist der Reform in dem bedeutendsten 
Arbeiterorden. 

Es gab damals ein Dutzend Orden; neben den Odd Fel- 

lows, welche sich in mehrere Zwei-e gespaltet hatten, und 
den Forestei*s existirte seit 1781 ,Tl»e United Ancient Order 
of Druids', seit 1826 ,The Loyal Order of Sheplierds (Ashton 
Unity), weiter ,The National United Order of Free Gardenere*, 
>valirscheinlich im Jahre 1820 gegründet, dann ,The Ancient 
Order of Konians' seit 1833, weiter ,The Independent Order of 
Reehabites, Sallord Unity S seit 1885 endlich ,The Ancient 
Order of the Golden FleeceS welcher von deutschen Webern 
gegründet worden sein soll, vielleicht älter als der Orden der 
,Odd Fellows' und Foresters ist und sich 1835 neu konstituirte 

In einem Zweiire der ,Odd Fellows' vollzog sich um diese 
Zeit ein grosser Unibciiwung. Das karitative Piinzip seiner 
^^ uhlthätigkeit wurde langsam durch das privatwirthschaftliche 
verdrängt Man ersetzte die Umlagen durch feste Beiträge, 
die versicherte UnterstOtzung trat an die Stelle des Almosens. 
Nor ging dieser Prozess ohne plötzlichen Bruch mit der Ver- 
gangenheit vor sich. Es gab zudem viele wohlhabende 
Mitglieder, welche ausser ihren regelmässigen Beiträjien dem 
Orden Schenkungen machten , andere steuerten bei , ohne die 
Kasse des Ordens in Anspruch zu nehmen Der Gildegeist war 
noch nicht erstorben. Aehnliche Verhältnisse bestanden in 
Schottland, wie wir ans dem Berichte dar Hochlliidiscben Ge- 
sellschaft erfuhren,' und werden in vielen Hilfikassen in der 
Zeit ihres Uebergangs aus der Gilde in die moderne Ver- 
sicherungsgesellschaft bestanden haben. Ueberhaupt erinneni 
die Orden, wie wir bald sehen werden, z. B. in dem voj;el- 
fi*eien Zustande ihres Vennöjjens, an die iüifskassen des 18. Jahr- 
hunderts. Doch versuchen wir es kurz, die Entsvicklung der 
Arbeiterorden, soweit sie für unsere Zwecke wichtig ist, seit 
ihrem Auftreten um die Bfitte des 18. Jahrhunderts zu 
schildern. 

Die bandesstaatliche Verfassung der Orden zog ihnen im 
Anfang dieses Jahrhunderts viele Verfolgungen zu. Die Ver- 



*) Siehe Journal of the Statiitical Soeietj of Londo». TUL- S. 388. 
*) Diese Daten nach ,A short Hittoiy of the diief afBliated Frfendly 

Sodeties'. I>ef d? Ohne Datum. 

^) Smith, damals Grand Maater, nahm an, dass 15— 20" <> der Mitglieder 
keine Unterstützung annahmen. Minutes of Evidence taken before Select 
Committee OH the Arovident Anodetioiii Fnuid Pnreiittoii Bül 1848. 
8. 23. 



206 



V. 1. 



ßchwörunp:en, welche sich in Enf^laiid in Folge der französischen 
Revolution gebildet hatten, veranlassten das rarlanient. drei 
Gesetze zu erlassen, von denen das erste hohe ^traicu aui das 
Schwören ungesetsmftssiger Eide setzte (the admlnistration or 
takingr of tinlawfid oaths). Das zweite, knrz fCorrespondiiig 
Societies Act' Gesetz erwähnten wir schon froher. Es wieder- 
holte die im ersten angedrohte Bestrafung von ungesetzmilssi^en 
Eiden und suchte Gesellschaften mit selhsfändigon Zweifien zu 
unterdrücken. Die ungeheuere volksvvirtlisehaftliche Krisis, 
welche nach den Friedensschlüssen über England hereinbrach, 
die Uniiihen, welche sie erzeugte, veranlasste zum Erlass der 
Seditious Meetings Act, welehe gewisse nicht vorher angemeldete 
Versammlungen von mehr als 50 Personen nnter Strafe stellte. 

Zunächst hatten die Orden schwer unter diesen Gesetzen 
und der Angeberei, welche sie beförderte, zu leiden. Das 
feste band, welches Mutterloge und Töchterlogen bis jetzt ver- 
knüpft hatte, wurde vielfach gelöst. Der Mangel an Nach- 
richten über die Gesellschalten aus dieser Zeit erklärt sich 
ans ihrer sehr verstftndlichen Praxis, nichts Scfartftliches Ton 
sich zu geben. Ausserdem wurden sie von der Oeistiiehk^t^ 
die überhaupt, wenigstens in katholischen Ländern, seit der 
Mitte des 18. Jahrhunderts nicht gut auf geheime Gesell- 
schaften zu sprechen war, heftig angefeindet. Jedoch hatten 
diese Verfolgungen die Wirkung, die Sehnsucht der einzelnen 
Zweige nach innij;er VcrbrQdeiiing zu kräftigen . sie in dem 
Bewusstseiu des \Verthes ihrer Ziele zu bestärken und die 
Auswüchse des ceremoniellen Wesens abzuschneiden. 

Ein oberflächlicher Beobachter möchte geneigt sein, ein 
Zerfallen des Bundes, wenigstens des vornehmsten, anzunehmen. 
Aus den oben angegebenen Gründen wurden vei*schiedene 
Zweige der ,Odd Fellows' selbständig^). Doch sollte gerade 
diese Auflösung die Veranlassung zur Bildung eines Onlens, 
werden, der mit weitem Blicke und rücksielitsloser Selbstkritik 
die mächtigste Form aller freien Vereine auf dem Arbeiter- 
Tersicherungswesen schuf und wieder eiziehend und erhebend 
auf die übrigen Hilfskassen einwirkte. 

Im Jahre 1800 soll ein Steinmetz, namens Bolton, welcher 
dem Ancient Order of Odd Fellows in London angehörte, die 
Erlaubniss erhalten haben, in Manchester eine Loge zu eröffnen 

') Es ^ebt .r.rand Unitod Odd Fellowa'. .National Inde]>endent Odd 
Fellows', «Nottingham Ancient Imperial Odd J ellows', ,Ancient Noble 
Odd Fellows', .Uriiish United Odd Fellows', .Leeds United Odd Fellowa* 
und ,The Free and Independent Order of OaA FelJowa*. Ehiig« der ge- 
BAOSten sind Splitter der M 1 

') Nach einem andern lierichte hatte der spätere Grossmeister Na^lor, 
welcher mit Andern in einem Wirthshause zn Saltbrd zusammenkam, eniML 
Verein );egrQndet, der im Jahre 1810 die Gestalt einer llilfskasse «mnalitn. 
Dieser Klub sei der Anfang der Manchester Unity. Spiy, S. 5. 



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V. 1. 



207 



Von dieser Loge aus wurden andere Logen in der Umgegend 
von Manchester gegründet, welche jedoch in keinem straffen 
Verhältniss zur Mutterloge standen. Diese Vereinigung hiess 
,Maoche8ter Unity'O. Sie verfolgte znnftehst keine gemein- 
samen nützlichen Zwecke. In einem Distrikte wurde eine Be* 
grabnisskasse eirichtet Im Jahre 1821 Tersuchte man, die 
Töchterloiren näher mit der Mutterloge zu verbinden. Eine 
Versammlung von Vertretern vieler Loj^^en fand im Jahre 1822 
statt. Dabei beschloss man, jedes Jahr eine Wandervei-samm- 
lung abzuhalten. So trat das Annual Moveable Gonimittee in's 
Leben. Der genannte Auflschufts sollte das Recht haben, Ge- 
setze, welche von den einzelnen Distrikten vorgeschlagen wOr^ 
den, abzulehnen oder anzunehmen und aus ehemaligen oder 
gegenwärtigen Beamten bestehen. Im Jahre 1823 stellte der 
Wanderausschuss zu Henley die Ordensstatuten fest. Im Jahre 
1827 wurde die Ordensverfassung weiter geführt Es wurde 
ein vom A. M. C. jährlich aus Beamten des Manchester 
Distriktes zu wühlendes Direktorium mit seinem ständigen 
Sitze za Manchester eingesetzt Im Jahre 1848 geschah der 
wichtigste Schritt. Das A. M. G. beschränkte das Recht, ver- 
treten zu werden, auf die Distiikte. Vertreter konnten nnr 
noch höhere Beamte sein. Das Direktorium sollte von nun an 
aus den höchsten Beamten aller Distrikte gewählt werden 
düifen. So belebten die Odd Fellows die Oi*gauisation des 
Freimaurerordens. 

£s ist nicht ohne Interesse, daran zu erinnera, dass um 
dieselbe Zeit in andern dem Arbeiterwohle dienenden Institn* 
tionen ein ähnlicher Zug sich geltend machte. Das dritte Jahr- 
zehnt sieht ebenfalls die Grafschaftsvereine, die aristokratischen 
Seitenstücke zu den Orden, entstehen; nicht lange vorher hören 
wir im Süden Englands von Sparbankeu mit Filialen, und ein- 
zelne Gewerkvereine, deren Haupttessel, die Koalitionsgesetze, 
aulgehoben worden sind, denken au Amalgamation. 

Verschiedene unglückliche Streitigkeiteil und die grossen 
Sninmen, welche die Gesellschaft durch die Unehrlichkeit ^on 
betriigerischen Beamten verlor, machten die Delegirten - Ver- 
sammlung auf die gesetzlich sc hutzlose Ln^ic des Ordens auf- 
merksam ^. Jedoch geschahen vorläufig keine entscheidenden 
Schritte zur Hebung dieser Mis.sstäude. 

Der Orden hatte jedoch noch eine viel traurigere Erfahrang 
zu machen. Loge nach Loge brach zusammen, ja im Anfang 
der vierziger Jahre mussten in einem Jahre gegen 200 Logen 
aus Mangel an Vermögen geschlossen werden. Jetzt wurde der 
Werth einer intelligenten Vertretung offenbar. Der Jahresana- 

^) Die M. U. giebt omuell als Geburtsjahr lbl2 an. 

*) Spry. S. 88 1^. In Liverpool irorde Mitte der riendger Jahre cm 
Betrug von GOO / entdeckt. Den jährlichen Verlait durch oStiag Mbltete 
nuui auf 1000 ». a, 0. S. 55 und 76. 



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208 



V. 1. 



schuss zu Newcasile-on-T\ ne ^1844) verlangte von allen Logen 
eine Darlegung ihrer tiuanziellen Verhältnisse, um auf Giiind 
derselben Reformen vorzunehmen. Eine grosse Menge Logen 
Terweigerte die EinseDdirag von Berichten. Das Misstrauen der 
Arbeiter, die Furcht vor der Konfiskation des Vermögens darch 
das Direktorimn, der Glaube, dass die höchsten Beamten die 
Nachrichten an die Regiening verkaufen wollten, bewog viele 
Distrikte, die verlangten Nachricliton nicht einzusenden. Sie 
wurden von dem Direktorium, welches bei dieser Gelegenheit 
mehr Umsicht und Entschlossenheit als das Parlament bei 
ähnlichen verrieth, ausgeschlossen, um den Fortschritt der 
willigen und klar urtheilenden nicht zu hindern. Im Ganzen 
^Yaren es 15 840 Mitglieder, in 123 Logen und 3 Distrikten» 
Ebensoviele Mitglieder traten freiwillig; aus*). 

Im Januar 1845 theilte die Mancliester Unity den Logen 
die Resultate der eingesandten Berichte mit. Dieselben waren 
niederschlagend. Die Beiträge schwankten für dieselben Unter- 
stützungen zwischen 3\jf — 7Vt d. wöchentlich; die Kranken- 
unterstützung zwischen 7—15 s.; die Ueberlebensversicherung 
Unveriidratheter zwischen 5—25 ip, Veriieirätheter 11 — 48 iP. 
In einer Loge betrug das wäluend der letzten fünf Jahre be- 
zahlte Krankengeld 5 s., die Verwaltungskosten 11 s. auf jedes 
Mitirlied Das Direktorium wies eindringlicli auf den jämmer- 
lichen, dem Bankerotte nahen Zustand vieler Zweige hin. Die 
Kothwendigkeit einer gründlichen Krankheits- und Mortalitäts- 
statistik zum Zwecke der Aufstellung von Prämientabellen 
wurde ausgesprochen. 

Im Mai 1845 trat der Wanderausschuss zu Glasgow zu- 
sammen. Hier wurde unter Anderrn eine vorläufige Prämien- 
tabelle festgestellt. Das energische Vorgehen des Ordens führte 
zu erbitterten Streitigkeiten und zur Sezession des , National 
Independt iit Order of Odd Fellows'. Im Jahre l^-lr) i^eschloss 
der Wanderausschuss zu Bristol eine Krankheits- und Murtalitäts- 
st&tistik des Giddens auszuführen, um auf Grund derselben 
Prftmientabellen su berechnen. Ein Antrag, den Orden ein- 
schreiben zu lassen, wurde abgelehnt 

In dem Kampfe, den der energische und umsichtige 
Wanderausschuss furchtlos und klug führte, erhielt er die kräftige 
Unterstützung Neison's. In der ersten Auflage seiner Schrift: 
,Contributions to Vital Statistics' hatte er die Mancliester 
Unit} für völlig bankerott erklärt. Er hatte auf Grund einer 
Ordensstatistik berechnet, dass ein Zuschuss von nicht weniger 
als 9 185 000 SS nothwendi^ sein würde, damit der Orden allen 
Ansprüchen gerecht werden könne. Die Berechnung w\ir jeden- 
falls falsch, da der Orden freiwillige Beiträge erhielt und viele 

») Spry, S. 56 ffg. 



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V. 1. 



209 



Mitglieder keine Ansprüche an die Kasse machten, wie fillher 
bemerkt wurde. Erinnern wir uns» dass die Verölientlichung 
der Schrift in das Jahr 1845, also in die Zeit fiel, wo in Glas- 
gow eine vorläufige Prftmientabelle vorgeschrieben wurde, wo 
der Streit in allen Distrikten emporioderte, und die Mitglieder 
in zwei Lager schied. Wer Nei?on ancrriff, wo man über seine 
Schrift eine traurige Genu^'thuung emphuden nuisste, ist leiciit 
vorauszusehen. Der Londoner Aktuar wurde von der Kilmar- 
nock Lodge of Odd Fellows beschuldigt, seine Angaben auf 
Grund ungenügender Daten gemacht zu haben. Nelson ant- 
wortete in einer Broschttre, welche den Titel führt: «Obser^ 
vations on the Manchester Unity of the Independent Order of 
Odd Fellows\ von der er 700 Exemplare an den Kilmarnock 
District und 250 an das Direktorium schickte. Die Central- 
behorde kaufte 4<)0<) Kxeniplare, so dass sie an jode T.o^e ein 
Exemplar vertbeileu konnte. So hoffte sie ihre Bestrebungen zu 
fördern 

FOr Neison war dies eine Veranlassung, ein treffliche Bi-o- 
schQre zu schreiben, nämlich die „Observations on Odd Fellows 

and Friendly Societies", die in immer neuen Aufla^ien ei-schien, 
an Unifanfj, Gediegenlieit zunahm und mit Hardwirk's Manual 
und Pratt's erwähnter Sclirifi die bekannteste Literatur über 
das englische Hilfskasseuwesen ausmacht. 

So hatten diese Erörterungen, das mächtige Wachsen der 
Orden, die theils feindliche; tlieils freundliche Presse, Gerichts- 
verhandlungen, verschiedene Gutachten,, welche sich die Man- 
chester Unity von hervorragenden Junsten hatte ausstellen 
lassen, diesen Orden genugsam an die Oeffentlichkeit ge- 
zogen und in arbeiterfreundlichcn 1'arbmentariem den Wunsch 
geweckt, demselben die Bahn zu ebnen. 

Dies die Lage im Jahre 184(>. Zur Vervollst'lndipung 
füllen wir einige statistische Molizen Uber das Wachsen der 
iülfskassen hinzu. 

Nach einem parlamentarischen Berichte, welcher bis zum 
1. Januar 1836 reicht, betrug die Anzahl der seit dem Erlass 
des Gesetzes von 1829 eingeschriebenen Vereine 2862 Von 
da bis zum L Januar 1841 hob sie sich auf 432L Bis zum 
28. April 1842 hatten sich 5200 einschreiben lassen Diese 
Notizen werden durch eine Quittung von John Tidd Pratt ver- 



NeisonlB Annagen vor dem Lords Conunitteo im Jahre 1848. 

*) List of Friendly Societies enroUed in the several counties of Eng- 
land and Wales, undor tbe acts 10 Geor<;e lY. c 56 and 4 und 5 WilL Iv. 
c. 40. Accounts and i'apers. Vol. L. 1837. 

•) Accounts and Baperi. Vol. XXVI. 1842. List of Friendly Socie- 
ties enrolled in the several conntics of England and WnleSi nnder the 
Acte of Georne IV. c. 66 and 4, ö William IV. c 40. 

FoncbBsgeD (20) T. 1. - HMbftch. 14 



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210 



V. 1 



T0ll8tÄndi??t. Dei-selbe nahm von 1834—1842 57004? ein und 
prüfte 6680 Statuten neuer und alter Vereine 

Unter den vielen Gesellschaften, welche sich in diesem 
Zeiträume bildeten, erwühnen wir zwei, zunächst ,Tiie Ilearts 
of OakS die bedeatendste der froher cbarakterisirten »ordinaiy 
ütige sodetiee*» welche im Jahre 1841 gegründet wurde, zweitens 
,T1ie Cannon Street Adult Male Provident InstitntiOD* aus dem- 
selben Jahre , wohl die grÖBste aller Ortskaasen. Sie befindet 

sich zu Birminsjham. 

Reforinbedürflitrkeit bei einem steten Wachsen der Hilfs- 
kassen: das ist die Sipnatur dieser Zeit. Docli sollte diesmal 
der Reformgedunke in seiner ganzen Aubdehuuug nicht in einem 
Kopfe lebendig werden. Es soUte nicht ein dem Arbeiterwohle 
ergebener Mann, wie Conrtenay, ein umfassendes Programm 
aufstellen, an dem Widerstande der Massen SchitTbruch leiden 
und nur Weniges an's Ufer retten. Im Oe'jentlieil, die Reform 
wird auf einem beschränkten (lebiete anj^estrobt, nach und 
nach setzen sich um diesen Kern andere lUforniideen an, und 
verleihen der Bewegung ein ganz anderes Gepräge. Der erste 
Gi^etzentwurf gleicht einem Flusse, der immer mehr anschwillt. 
Bis jetzt sahen wir in der Geschichte des Hilfskassenwesens 
Wirkungen mit einer gewissen Nothwendigkeit aus ursäch- 
lichen Zuständen hervorgelien. Nun steht der Zufall an dem 
Webstuhl sozialer Gesetzgebung, und die Politik liefert den 
Einschlag. 

Wir befinden uns in der Glanzperiode des Chartismus. 
Um sich den Dank der en^^lischen Arbeiter zu verdienen, die 
Ober die Schwierigkeiten klagten, welche sich in EngUind der 
Erlangung von Korporationsrechten in den Weg stellen, wohl 

auch, um die Assoziationen zu fördern, in welchen der Char- 
tismus gepflegt wurde, brachte Duncombe, der Freunrl Feargus 
O'Connor's, am 17. Februar 1846 ein ,A Bill to aniend 4 and 5 
William IV. c. 40' ^j. Der Vorfall, der ihn gemäss seiner Rede 
im Unterhause zu diesem Schritt veranlasste, war unbedeutend 
genug. Er führte an*), dass eine Darlehnskasse , die South 
Shields Investment Friendly Loan Society als HOfskasse ein- 
geschrieben worden wäre. Jüngst hätten die Leiter derselben 
eine Klage g^n ein Mitglied derselben angestrengt, wären 
aber abgewiesen worden, da ihnen Justice Wi'jhtman erklärt 
habe, dass die Gesellschaft keinen Anspmch auf die Wohlthat 
des Gesetzes habe. Der Ausdruck, für irgend einen andern 
Zweck , der nicht ungesetzlich sei , niUsse juristisch als andere 
Zwecke „ejusdem geneHs*^ intei-pretirt werden („must be con- 

M A rcttirn of f( ( s received by Mr. Tidd Pratt AccounU and 
Papers. Vol. XXVI. 1642. 

*) Aoconnu and Pape». Vol. XXXII. 1844. 

^) Journals of tbc Hoiise of Cominons. IMü. 

*) liansard, Porliamentary Debates. 17. Febr. lö4G. 



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V. 1. 



211 



ridered so as to bear some relation to the objeets of this act**). 
Der erste Gesetzentwurf enthielt nur 3 Paragraphen. Um die 

erwähnten Schwieripkeken zu beseitigen, hatte Dunrombe in 
demselben hinter den Ausdruck „for any purpose wliatsoever 
which is not illegal" den Zusatz eingeschaltet „whether of 
the sanie description as is herein before mentioned 
er othernise" Die zweite Lesung ist fast ganz der £r- 
OrteroDg des Streit&lles gewidmet, welchen Dancombe in den 
Vordergrund der Erßi-terung schob 0* I^ie Parteien stehen sich 
schroff gegentlber, wie wir aus Hansard ersehen, der die De- 
batten ziemlich ausführlich bringt^). Auf der einen Seite Dun- 
combe, welcher jeden dem Arbeiterwohle dienenden Verein die 
Einsehreibung unter dem Hilfskassengebctze erlauben möchte, 
und behauptet, dass sein Autrag die Absichten des Parlamentes 
von Jahre 1834 zu Terwirkliehen suche , auf der andern Seite 
seine Gegner, Sir J. Graham und Henley, welche darauf hin- 
weisen, dass ja seit 1835 ein Darlehnskassengesetz existire, 
und fi'agen, wesshalb es für eine Leihgesellschaft nothwendig 
sei, sich als Hilfskasse einschreiben zu lassen. Die Privilegien 
der Hilfskassen müssten den Arbeiterversicherungszwecken ge- 
wahrt bleiben. Wortley behauptete, dass Duncombe sich über 
die Absichten des Parlamentes im Jahre 18^ täusche. Ein 
Herr Bemal, welcher im Jahre 1834 wie Duncombe das Gesets 
auf andere Zwecke habe ausdehnen wollen, habe durchaus 
nicht die Zustimmung des Hauses gewonnen. Sir J. Graham 
erklärte sich gegen Ende der Verhandlung bereit, mit den 
Behörden zu konferiren und dem Entwürfe seine volle Auf- 
merksamkeit zu schenken. Es wurde vielfach konferirt, aber 
man fürchtete, Gewerkvereinen und auderu austössigen Ver- 
einen Thfir und Thor zu öffnen. 

Am 11. Mirz^) steht die Vorlage wieder sur Berathung. 
Sir J. Graham theilte dem Hause in seiner Rede mit, dass er 
mit Herrn Tidd Pratt, den Kronanwälten und Duncombe kon- 
ferirt habe, und dass sich die Noth wendigkeit viel bedeutenderer 
Aenderungen herausgestellt habe, als bisher angenommen worden 
sei. Herr Duncombe wolle, dass alle Gesellschaften unter dem 
Hilfskassengesetze eingeschrieben werden düi lLen, und er wünsche 
gerade das GegentheiL 

Sir J. 'rraham machte dem Hause folgende Vorschläge. 
Es empfehle sich eine casuistische Behandlung der Angelegen- 
heit. (Bei dem unruhigen Zustan<Ie des Lan<les sehr begreiflich.) 
Alle Vereine ejusdem generis wurden am besten au^ezählt 



<) Bills Public. 2. 1846. II. 

«) Hansard. Dcbatts. 25. Februar 184<>. 

*) Ein Beweis, dass es sidi mehr um eioe politische, als eine soziale 
MaaMregd lumddte. 

«) Uamard, Debates. 11. Min 184«. 

14» 



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212 



und auf sie die Bestimmungen der Ililfskassengesetzgebung 
übertragen. Ausserdem solle von Seiten solcher Gesellschaften, 
deren Zwecke nicht im Gesetze aufgez^ililt waren, ein Gesucli 
um Kegistiirung an den Staatssekretär eingereicht werden 
dOrfen, ttiid wenn der Attorney General tacheinige, dass die 
▼on der Gesellschaft Terfo]|?ten Zwecke gesetzmftssig seien, könne 
sie registriil werden. Weiter schlug er Aendemngen in Be- 
ziehung: auf das Gehalt 'Ddd Pratt's vor. Demselben möchte 
er das Recht ertheilen, als Schiedsnchter in Streitigkeiten der 
Hilfskassen zu wirken. Diese Befugniss besitze er schon für 
die Sparkassen. 

Duncombe erwiderte, das sei ein ganz neuer Entwurf, der 
seine Bill veniichte. Sein Zweck sei gewesen, allen Vereinen 
die Wohlthaten des Gesetzes suznwenden. Sir J. Graham er* 
innerte an die Thatsache, dass Sparkassen nur einen Zinsfoss 
von 3 £ r> s. hätten, während den Hilfskassen 3 16 s. ge- 
währt würde, und ist überzeugt, dass, wenn Duncombe's Ent- 
wurf Gesetz würde, alle Sparkassen sich sofort als Hilfskassen 
registriren lassen würden. Es ist ersichtlich, dass Duncombe 
sowohl wie Graham die tiefere Frage, die politische, mit keinem 
Worte berührten. Die Regierung hatte gesiegt. Die genaue 
AuÜEfthlnng aller Zwecke, welchen der Schutz der Gesetze zu- 
kommen sollte, verhinderte die Einschreibung von Gewerk- 
vereinen und radikalen Klubs. 

Der so erweiterte Gesetzentwurf wurde gedruckt und in zwei 

Ausschusssitznntren am 24. März und am 22. April berathen* ). 
Es würde zu weit führen, wollten wir das alhnähliche Wachsen 
und Ausizestalten des Gesetzentwurfes noch weiter verfolgen. 
' Doch haken wir es für nöthig, einzelne wichtige Punkte heraus- 
zugreifen. 

Der Gesetzentwurf, wie er nach Sir J. Graham^s Rede am 
11. Mftrz dem Hause vorgelegt wurde, beginnt mit der Aus* 

führunjz, dass Zweifel dartiber beständen, für welche Zwecke 
eine Hilfskasse gegründet werden dürfe Der Kntw^urf zählt 
die Zwecke in fünf Nummern auf. Konsumvereinen, Feuer- 
vei-sicheiiingsgesellschaften etc. werden die gleichen Rechte, 
wie den Hilfskassen gegeben. Die Befugnisse des Uegistrars 
wurden von Neuem vermehrt Die Jurisdiktion der Keieba- 
gerichtshöfe ging auf ihn über, wurde aber im Parlamente 
stark beschnitten. Nicht nur eine Krankheit^- und MortalitSts* 
Statistik sollte von jetzt an diesem Kpaniten übersandt werden, 
sondern alle 5 .lahre ein Bihm/ausweis Uber die Einnahmen 
und Ausgaben der Kassen. Der letztere sollte aufgestellt und 
unterschrieben werden von einer Pei'sou, die wenigstens fünf 



Journals of the House of Commoiis. 1846. 
*) Bills Public, a. a. 0. 



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218 



Jahre lang Actuar einer Lebensvei'sicherungbgesellschaft in 
London, Edinburgh oder Dublin gewesen sei. 

In dieser Bill werden die Arbeiterorden mit deutlicheren 
Worten in das Hilfekassengesetz aufgenommen. Ein Verein, 
heisst 66, der vor Erlass dieses Gesetzes fOr irgend einen in 
diesem Akt aufgezählten Zweck, oder fQr ii-gend einen andern 
noch zu jrenehmiprenden Zweck gegründet worden, und welcher 
an keinem Gerichtshof als nicht unter das fiühere Gesetz fallend 
erklärt worden ist, soll sich einschreiben lassen dürfen. Ausser- 
dem werden die HeätimmunRen des .Gorrespondin^' Societies 
Act' tmd des ,Seditiott Meetings Act* als ntdit auf die HiU^ 
kassen anwendbar bezeichnet. 

So kam das Gesetz vom 3. Juli 1846 zu Stande (9 und 10 
Victoria c. 27), desson Hauptbestimmungen folgende sind. Da 
Zweifel entstanden sind, für welche Zwecke üilfskassen ge- 
gründet werden dürften, so wird bestimmt: 

I. Zwecke, für welche eine Hilfskasse gegründet werden 
darf, sind : 

1. Die Versicherung einer Geldsumme, die beim Tode der 
Mitglieder an ihre Männer, Ehefrauen, ^der. Verwandte 
oder sonst emannte Personen zu zahlen oder die zum 
Zwecke der Bestreitung eines Leichenbegängnisses der 
Mitglieder, ihrer Männer. Ehefrauen und Kinder zu zahlen 
ist. Keine Person unter G Jahren kann Mitglied werden, 
oder ihr Leben versichert erhalten. 

2. Für die Unterstützung der Mitglieder, ihrer Ehemänner, 
Ehefrauen, Kinder, Verwandten oder sonst von ihnen Er- 
nannten in Unmündigkeit (infancy), Krankheit, Alter, In<- 
yaliditat, im Wittwenstande und für die Versorgung ihrer 
Kinder oder irgend einen andern natürlichen Zustand, 
dessen wahrscheinliches Eintreten nach Durchschnittszahlen 
berechnet werden kann. 

3. Für Verluste durch Feuer, Fluth, Schiffbruch oder für 
irgend einen andern Unfall, dessen wahrsdieinlieher Eintritt 
nach dem Gesetz der grossen Zahl hei'echnet werden kann. 

4. Fttr die haushälterische Anlegung der Ersparnisse d«r Armen, 
um sie in den Stand zu setzen, Nahrung, Feueiiing, Klei- 
dung und Handwerkszeug zu kaufen, für die Erhaltung ihrer 
Kinder zu sorgen und andere nothwendige Bedürfnisse zu 
bestreiten unter den oben angegebenen Bedingungen. 

5. FOr irgend einen andern, von einem Staatssekret&r ge- 
nehmigten Zweck, nachdem der Attomey- General oder 
Soüdtor- General und in Srhottland der Lord Advocate 
denselben bescheinigt hat. Nur darf die Gesammtsumme 
des unter diesem Paragraphen zu versichernden Betrages 
nicht 200 £ übersteiiren. 

II. Wenn die Statuten die Zeit oder die Bedingungen 
nicht vorschreiben, unter welchen es Mitgliedern erlaubt sein 



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2U 



soll, aus dem Vereine auszutreten, dann soll es Mitj^liedem 
gestattet sein , nach Besahlung ihrer Bückstftnde die Kaase zu 

verlassen. — Mit andern Worten, es konnte ein Arbeiter in einer 

schlechten Kasse festgehalten und zur Weiterzahlung: seiner 
Beitrilge gezwungen werden, falls in den Statuten der Austritt 
verboten war. Kin Zeugniss über den jäünnerlii'hen Zustand 
der Hilfskassen, welche auf diese allen gesunden Versichei unp:s- 
prinzipien widersprechende Weise künstlich gestützt werden 
sollten und zugleich ein Beweis von der Unkenntniss der Ma- 
joritftt des Parlamentes. 

III. Schrdbt Trennung der Kassen und 

IV. getrennte Buchführung fUr die versehiedenen Ver- 
sicherungszweige vor. 

V. Neben der Krankheits- und Mortalitätsstatistik ist alle 
fünf Jahre eine Bilanz von jeder eingeschriebeneu Uilüskasse 
an den Kegistrar zu senden, unter 

VI. Strafe von 5 SS. 

VII Eine pede Gesellschaft» welche vor dem Erlass diesea 
Gesetzes fbr einen der oben genannten Zwecke gegründet 

wurde, oder für irgend einen' andern Zweck, welcher in der 
in diesem Gesetze angegebenen Weise bestätigt, oder erlaubt 
werden wird, auch nicht von irgend einem Gerichtshofe als 
ausserhalb des Gesetzes stehend, bezeichnet worden ist, soll 
gesetsmftssig sein von dem Augenblicke an , da seine Statuten 
vom Barrister genehmigt worden sind. 

VIII. Hebt die Bestimmungen der Gesetze 10 Geoi-ge IV. 
c. 50 und 4 und 5 William IV. c. 40 über die legalen Objekte 
der Hilfskassen und die Mitwirkung der Friedensrichter bei 
der Bestätigung auf. 

IX. Die Gesetze 39 George III. c. 79 und 57 George III. 
c. 19 sind nicht auf in gehöriger Form gegründete Kassen 
und deren Versammlungen anwendbar, wenn sie nur Unter- 
stntzungszwecke verfolgen. 

X. Gehalt des gegenwärtigen Registrars auf 1000 9S fest- 
gesetzt, in Zukunft soll es 800 £ betragen. 

XII. Der Clerk of the Peace hat die Statuten nicht l&nger 
mehr zu den Akten zu nehmen. 

XIII. Die Tafeln jeder Hilfskasse müssen vor der Re- 
gistration von dem Aktuar der Staatsschuldenverwaltung oder 
von einem Aktuar, der fiknf Jahre lang Aktuar einer Lebena- 
versicherungsgesellschaft in London, Edinburgh oder Dnbliii 
gewesen ist. bestätigt werden. 

XIV. , XVII. Der Registrar überträgt das Veimögen von 
Hilfskassen, im Falle die Treuhänder durch Wahnsinn^ Krank- 
heit etc. verhindert sind. 

XV. Er entscheidet in allen Stmtigkeiten, wo bisher die 
Beichsgerichtshöfe kompetent waren, falls der Betrag unter 
20 ist 



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V. 1. 215 

Die Foi*m, in welclier er die Statuten einer UllÜBkafise 
genehnngen soll, ist folgende: 

Ich bescheini^re hieniiit, dass diese Statuten (oder Abände- 
rung von Statuten) in Uebereinbtimmuug mit dem Gesetze und 
mit den Bestimmungen der geltenden Gesetse Uber die Hilft- 
kassen sind. 

Ein letzter Rfickblick zeigt die Entwicklung des Hilfe- 
kassenwesens nach vier Richtongen : der Umfang der vom Ge- 
setze geschützten Bestrebungen der arbeitenden Klassen hat 

sich ausgedehnt, den Arbeiterorden scheint die Möglichkeit 
gegeben, sich als Hilfskassen repistriren zu lassen Ein neuer 
Versuch ist iremacht worden, das Hilfskassen\s esen aui eine 
gesunde mathematische und finanzielle Basis zu stellen. Das 
besoldete Beanitenthum hat das Beamtenthum der Selbstver- 
waltung vollständig verdrängt. 



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Die Orden gesetzlich geschützt. — Vorliufiges 

Konsolidationsgesetz. 
1846-1850. 



Wir stehen im Anfan?: des manniprfaltijze Ereignisse und 
E rech einungen zeitigenden Jahres 1848. In England nahm 
der Chartismus unter FOhrung O'Connor's eine drohende Ge- 
stalt an, bis er am 10. April in Lächerlichkeit unterging. 
O^Connor beabsichtigte in der zweiten H&lfte der vierziger 
Jahre, vielleicht durch die Benefit Building Societies angeregt, 
nach and nach die ilrmeren Klassen zu kleinen Grundbesitzern 
zu machen. Ein hübsches Häuschen und vier Acker Land! 
war (las Ideal seiner Anhänger. Er kaufte melirere G fiter, 
weh-lie parzellirt und durch das Loos vertheilt wurden M. Das 
Unternehmen sclieiterte an dem Ungeschick, mit welchem es 
der Chartisteufllbrer in die Hand nahm. 



M HolyoAkOb The Hiatoiy of Cooperation in EnsUnd. London 1S75. 

I, 291—293. 

Zar Seite 218.- Das Bfisslinm dieses Planes hat einen politischen Bei* 
gesdimaek. Wesshalb konnten O'Conneirs Vereine nicht ebenso gut registrirl 

werden, wie die unter Owen's Auspizien (1837) frecründete und eingeschriebene 
„National Community Friendly Society'^, welche zum Zwecke hatte „the 
estaÜislinient of a System of nnited propertv, labour and education nmong 
the jnemhers thereof? Für diese Notiz siehe Holyoake a. a. 0. I. 101, 192.— 
In demselben Werke finden wir noch andere Zeuimisso für die frühe 
Verbindung von Arbeitsgenossenschaften (Cooperative .'^ocieties) mit Hilfs- 
kassen, u den dretssiger Jahren TerOffentUchte Taylor im «Guardian' eine 
Zusammenstellung der wichtigsten immer wiederkehrenden Paragraphen in 
den btatuten der damaligen Gesellschaften dieser Art Unter denselben 
noch folgender : „Every member engagcs to sabscribe weekly to n faaA 
for the relief of sick and distrsssed membert, wben called upon to do so 
by the societv " I, 152. — 

ist aer Mühe werth, einen Augenblick bei deu Bestrebungen der 
Engl&nder der unteren und mittleren Klassen sn Yerweilen. vollständige* 
Lebensgenossenschaften - sit venia verbo — 'u bilden. In der Einleitung 
erwähnten wir ein Beispiel, dass eine UilMasse eine Windmühle besass. 



V. 1. 



217 



Wir mussten dies Torausschicken, um das Folgende ver- 
ständlich zu machen. Am 16. iSIärz 1848, also fast einen Monat 
vor dem 10. April, erlangten O'Connor und Wakley die Kr- 
laubnigs, eine Novelle zum Hilfskassenpesetze einzubriii^^en. 
Die erste Lesung derselben fand jedoch ei-st am 12. Mai statt. 
Der Inhalt der Bill ist kurz. In den Rahmen der ein- 
geschriebenen Hilfskassen sollen auch Gesellschaften fallen , die 
^Land in dem Vereinigten Königreiche kanfien, und auf dem- 
selben Hänser bauen, welches durch Leos den Mitgliedern 
solcher Gesellschaften mit gewissen Theilen solches Landes für 
Ackerbauzwecke zufallen solle**. Mit diesen Gesellschaften 
sollen Kranken-, Sterbe», Wittwen- und Waisenkassen ver- 
bunden werden*). 



Mit Ge werk vereinen sind Ililfskaspcn verbunden. Brentano berichtet, dass 
ein von ihm beschriebener Gewerkvereia üiiran dachte, mit seinen Kapitalien 
dM Pti>duktiygeno8teii8dhaft sn bilden. Mit Produktivgenossenschaften ist 
man bestrebt, Hilfskassen zu verbinden. Viele Hilfskassen in Enf;land und 
besonders in Schottland sind zugleich Darlehnskassen für ihre Mitglieder. 

Dieses Land, in dem der Trieb zum Aneinanderschliessen, zur sozia- 
ültischen Gestaltung de» Erwerbslebens so scharf henrortritt, welches eine 
•0 reiche kommunistische Literatur besitzt, gilt uns noch imnur alt dM 
Uissiscbe Laad des volkswirthschaftlicheo Indiridualismus. 

Wie ist dieser Widenproeh m lOeen? HanplsSdiUeh deber, daat not 
vornehmlich die den individualihtisdi^'n Standpunkt betonende Mteratur 
bekannt treworden ist, und aucli daher, dass der Engländer kein Ge- 
lallen und wenig Talent für die abstrakte Seite der Volkswirthschatt hat, 
wenn ersieh dandi eb^bti einBeitig ist. «Englishmen,** sagt Holyoake a. a. 0. 
I, 176, ^as a rule, get so few generalised ideas into their beads, and are 
10 afraid of anvone who has any in hia, tbat tbev make rather too mach 
ef one when tbey get it If a new principle makee Its vay into their 
Bdada, vhether political, religioos, er social, they go mad about it for the 
first few years. Tbey see nothing but that. Everything eise in the world 
is otecnre to themj and they believe that their crotcbet U the high road 
to the milleiiiaiii Ibr aD fhe werld.* 

Neben diesen Wenigen, welche eine Theorie zu Tode hetzen, sieben 
dann die Vielen, welche, wie John Rae in einem Aufsatze über die Ka- 
thedersoziallstcn sagt, Maassregeln im Parlamente durchsetzen „out of no 
social theons but from a piain regard to the simple necessities of the 
hour. We nave heen virfunlly Sncinlists of the t'bair for a generation 
without knowins it, doiug trom a happy political instinct the work which 
they (die KathedersoziaHsten) dedaee out of an elaborate theory of eeono- 
Bdcal politics." 

„The German Manchester Party." fährt er bald darauf fort, „certainly 
gave to the principle of laissez - faire, laissez - aller a more uncouditional 
Süd amTersai apphcation than any party in this country thought of accor> 
dinfT ro it. They looked on it as a kiiid of orthodoxy wbich it liad come 
to be almost impious to challenge." The Contemporary Iteview. Vol. XXXIX 
(18811. S. 2:^t>. 237. Siehe über Nationalitikt der Gründer der klassischen 
Schule S. 240 dieser Schrift. 

Dies ist die Lösung jenes \N iderspnicbs und ein Beleg zu dem sehr 
wahren Satze, dass über England und englische Zustande immer die eine 
Behauptung richtig ist und' die eut'.'egengesetste ebenüüls. 

>) Poblic BiUs IL 1847— 184t^. 



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t 



218 V. 1. 

O'Couuui' veitheidigte beineu Entwurf mit hoclituneuden 
Worten. Er sei durch den Attomey - General gezwungen 
worden, einen Gesetzentwurf einzubringen, da derselbe nicht 

habe 1 c cheini^en wollen, dass die Zwecke seiner Gesellschaft 

legal seien'. Sir ficorge Grey erwiderte, dass er nicht im 
St;mfle ^.^eweseu sei, aus den Worten des Redners eine klare 
Vorstellung seines Planes zu gewinnen'). Der Gesetzentwurf 
wurde in der Sitzung vom 9. Juni endgültig begraben 

Fast zwei Jahre waren nun verstrichen, seitdem das 
Parlament yersncht hatte, den Orden die Registrirun» zu er- 
möglichen. Hatte das Gesetz von 184G die gehofften Wur- 
kun£!en? Nein. Nur wenige Zweigvereine hatten sich ein- 
schreiben lassen. Die (Geringfügigkeit der Resultate darf man 
nicht dem Widerwillen der Logen zuschreiben. Die Organi- 
sation des Ordens legte ihnen unüberwindliche Schwierigkeiten 
in den Weg, wenn sie iu dem Verbände desselben bleiben 
wollten. 

Die Manchester Unity setzte sich damals aus etwa 4200 

einzelnen Hilfskassen (Lodges) zusammen, deren wichJjigsteB 

Arbeitsfeld die Krankenvei*sicheninjr war. Mehrere Logen 
bildeten einen Bezirk (Distrikt), welcher eine Einheit für die 
Ueberlebensversicherung (Begräbnissgeld) bildete. Die Distnkts- 
beamten mussten alle Logengrade durchlaufen haben. Mit dera 
Distrikte war auch eine Wittwen- und Waisenkasse verknüpft, 
der jedoch nicht jeder beizutreten brauchte. Die 880 Distrikte 
hatten ihre Spitze in dem früher erwähnten Wanderausschusae 
(A. M. C), welcher aus solchen Distriktsabgeordneten bestand, 
welche schon Aemter in den Logen und Distrikten bekleidet 
. hatten. Die Delegirten traten jährlich einmal zusammen, um 
die Gesanmitla<:c des Ordens zu berathen und nothwendige 
Statutenveräuderungen vorzunehmen. Die von der Majorität 
beschlossenen Neuerungen waren fUr den ganzen Orden bindend. 
Der Wanderausschuss setzte eine aas 10 Personen bestehende 
Behörde mit dem ständigen Sitze in Manchester ein, welche 
die laufenden Geschäfte erledigte. 

In dieser halb hierarchischen, halb demokratischen Re- 
präsentationsverfassung, welche die Gesetzgebung und höhere 
Verwaltung den auf kurze Zeit gewählten intelligentesten und 
erprobtesten Beamten des Ordens in die Hand gab , lag der 
erste Stein des Anstosses. Das Gesetz kannte nnr die an- 
scheinend echt demokratische und doch in den meisten FSHeB 
von Sekretären, Unternehmern und Bierwirthen genasfbhrte 
Hilfskasse ohne Zweige. Alle Statuten oder Statutenver- 
ändei-ungen mussten nach den geltenden Akten von einer aU- 

I) Hansard's Debatet. Cbankteristisch, .dast diese Debatten in 
Hausard nicht fehlen. 

*) Jonnialt of tiie Honte of Commont. 



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219 



gemeinen Versammlung an^'enommea worden sein, welche in 
der Grafschaft taffte, wo der Verein seineB Site hatte. Bei 
dieser Lage der Dinge blieb den Logen Nichts fibrig, als auf 

die Rejnstrirung zu vorzii Ilten, wenn sie nicht das gemeinsame 
Band lösen wollten. Im Falle sie sich als isolirte Kassen ein- 
schreiben Hessen, betrug die (lebühr für den Orden nicht 
weniger als 4200 £. Die Fra^re dranL't sich natürlich auf: 
Aber hatten die vom Gesetze anerkannten Grafschaftskassen 
keine Zweige? Nein, wenigstens keine Zweige im Sinne selb- 
ständiger Kassen. Der Grafschaftsverein hatte seinen Sitz in 
der Hauptstadt der Grafschaft. Die Mitglieder an den ein- 
zelnen Orten, über welche sich der Verein erstreckte, bildeten 
keine selbständigen Einheiten, sie wnren Bruchtheile der 
einen, über das Gebiet des Shire aiis^'edehnten grossen Gesell- 
schaft. Darum hatte die Lokalverwaltun;: dei-selben keinen 
unabhängigen Charakter. Sie wurde von Agenten besorgt, 
welche die Vereinsverwaltung zur leichteren und rascheren 
Erledigung der Geschäfte ernannte. Kurz: das VerhAltniss 
zwischen Loge, Distiikt und Wanderausschuss ruft das Bild 
eines wnhlf:egliederten, in lebhaftester Wechselwirkung stehen- 
den Organismus hervor, der Grafschaftsverein erweckt die Vor- 
stellung des Aggregates, wenn wir die Agenturen in ihren Be- 
ziehungen zur Hauptkasse in s Auge fassen. 

Ebenso viele Schwierigkeiten bot die Schlichtung von 
Streitigkeiten. Auch hier standen OrdensTerfassung und ge- 
setzliche Bestimmungen in schreiendstem Widerspruch. Eine 
Kh\ge wurde zunächst von der Jury einer Loge entschieden. 
War Klüger oder Verklagter rnit ihrer Entscheidung nicht 
zufrieden, so appellirte er an die Distriktsversammluntr , die, 
aus Abgeordneten der einzelnen Logen gebildet, bich alle 
Viertel- oder Halbjahre versammelte. Schien einer der beiden 
Parteien die Rntsäieidung der Distriktsversammlung nicht ge- 
recht, so stand es ihr frei, als letzte und höchste Instanz den 
WanderaussehusB, seit 1846 die Centraibehörde, das Direk- 
torium, anzurufen. Dieser Instanzenzug verbürgte eine gründ- 
liche und gerechte Entscheidunpr von Streitigkeiten in höherem 
Maasse , nls der für die Hilfskassen bestimmte gesetzliche 
Apparat, aber er entsprach den geltenden Bestimmungen nicht. 
Es war bekanntlich entweder ein Schiedsgericht von pekuniär 
nicht an der Kasse betheiligten Minnem oder das Friedens- 
gericht Torgeschrieben. 

Daneben verfolgte der Orden Verstcherungszwecke, welche 
nach dem letzten Gesetze unstatthaft waren. Der Orden unter- 
stützte arbeitslose, umherreisende Mitfzlieder. Vereine mit 
Zweigen, besagte jedoch das Gesetz, sollten sich nur dann ein- 
schreiben lassen dürfen, wenn sie nur für die Gewahiung von 
Unterstützungen gegründet wären, „welche von den Gesetzen 
Qber Krankheit nnd Tod abhAngen**. 



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V. 1. 



Ausserdem hingen die Mitglieder mit grosser Liebe an 
den von den herrschenden Klassen mit Misstrauen angesehenen 
geheimen Zeichen und Losungsworten, an all den Geheün- 
nissen, die sie nicht zu verrathen versprechen mussten. Was 
sie aber in den Augen des Gesetzes und vieler Frommen gleich- 
massig unmöglich machte, war das den ganzen Orden durch- 
setzende sittliche Element, die Predigt christlicher, in Wohl- 
thuen und fiiedlicher Gesinnung sich offenbarender Bruder- 
liebe. An Sonntagen fanden in den Logen Vorlesungen mora- 
lischen Inhaltes statt; bei dem Begräbnisse der Mitglieder 
wurden Leichenreden gehalten. Die GlanbenswAchter erhoben 
die Anklage, dass der Orden hierdurch die christliche Religion 
zu verdrängen und zu ersetzen suche Aus einer Bede des 
Rev. M. Bywater in Huddersfiold . welche derselbe an dem 
Grabe eines Odd Fellow hielt, schäumt der ganze Zoin und 
Hass. welchen bigotte Gemüther gegen den Orden hegten, in 
leidenschaftlicher Beschimpfungen auf. „Eure Ordenszeichen," 
heisst es darin, ^sind Symbole der Bosheit, und Ihr seid 
schlechter als Teufel und Heiden; und wenn Ihr Eure Zeichen 
nicht aufgebt, werdet Ihr nicht allein in die Grube sinken, wie 
dieser Mann, sondern Ihr werdet für alle Ewigkeit zur Hölle 
fahren! .... Ihr seid eine Schande für die Gesellschaft — 
ein Aergemiss für das Land, in welchem Ihr lebt! Geht zu 
den Heiden, und sie werden Euch lehren -j!" 



^) Minutes Ol Evidcnce taken beforc Select Committee ou Uie Provi- 
dent Aßsociations Fraud Prevention Bill. S. 41. 

*) Spry. a. a, 0. S. ;'.4. Hier ist der Ort für die Beantwortung der 
Frage, warum die enpliscUe Geistliclikeit so häufig als arbeiterfeindlich, so 
sehr allen Fortschritten entfie^enstehend <z;i':^chi]dert wird, obgleich sie einen 
SO wichtigen Antbeil tn aroeiterfreundlichen Bestrebuntzen urenoinmea hat, 
wie wir immer hervorgehoben haben. Vor Allem sind die Differenzen 
geistiger Kultur und der Geburt in dieser Körperschatt zu ktoss. Nicht 
alle englisdMii Oeisdiehen erkennen ihren sozialen Beraf. Weiter betonen 
viele Geistticihe allzuselir dio Standesnntprscliiede, die sie ehrlich ^'fniiL' ;ils 

SottgewoUte betrachten mögen. Bis in die üirche hinein vieltach Trennung 
et oberen Klassen von den ,lower ordenf. Ja in mancher Kirehe wira 
das Sakrament, dessen Spendun^ am wenigsten an menschliche Unterschiede 
erinnern sollte, zuerst der Nobility und (^entry gespendet, ilann dürfen die 
niederen Klassen an den Tisch des Herrn treten. Wer in EuL'land auf 
dem Lande und in der Pfarre eines strammen high>chi:rcli man Lelebt hat, 
wird sich über dit* Knixe von Arbeiterfrauen und andt Zeichen von 
HöHichkeit gewundert haben! Der Kespect vor ihren ^bcttors'' ist ihnen 
von Jngend auf ein;;eimpft worden. Dies erre^ in Arbeiterklassen Ab- 
neigon^ pegen die llochkirche und ihre Diener, wie Verfasser aus den 
Munde von Arbeitern wiederholt g|^ört hau Geistliche leben noch vi^* 
fach in dem Wahne, dass das Volk diese Unterschiede liebe. T>ie8e 
Meiruii'j wurde dem Verfasser o]>( nfalls aus^^esprochen. Dazu Ivonnni end- 
lich, dass die Genossenschaftsbewegung im Anfang geradezu reiigionsfeind- 
lich auftrat und die (veistiichkeit verletzte (Owens Ausspruch: All the 
reli^ions of the world are so roany geographicai insanities), dass sie die 
Ansichten des in England besonders verbassten Malthus anerkannte, freie 
Liebe predigte etc., uberhaujit wie jede grosse Bewegung im Anfang jjleich- 



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221 



Dazu kamen endlich die eigenthümlichen Kassenvevhält- 
nisse. Der Orden hatte 4 Kassen: die Kranken- und i^terbe- 
kasse, die Wittwen- und Waisenkasse und die Kasse für Neben- 
Ettsgaben (Incidental Expenses Fund). In die letztere floss 
ein refirelmAssiger Beitrag von einem Penny für Jedes Mitglied ; 
rei-htc diese Summe nicht aus, so wurden UmlageD auB- 
geschrieben. Damit wurden die Verwaltungskosten bestritten. 
Es ijab eine mit der Centralverwalfim<j verbundene General- 
kas.^e, welche liauptsiichlich aus dem (Gewinne «gespeist wurde, 
welchen der Orden durcli den Verkauf von Drucksachen an 
die Logen und Distiikte machte. Weiter gab der Orden eine 

Seriodische Zeitschrift heraus, deren Reinertrag zur Hälfte in 
ie General-, zur andern in die Wittwen- und Waisenkasse 
floss. Auch dies stand im Widerspruch mit den Forderungen 
des Gesetzes von 1^16, welches Trennung der Kassen für alle 
in Zukunft zu registrirenden Vereine vorsclirieli 

Alles flies war so ei^^enthümlich. dass es einem juristischen 
Gemüthe, welches an dem Wortlaute des Gesetzes haftet, nicht 
recht gefallen konnte. Der Orden hatte zwar Manches von 
den Gebräuchen und Sitten abgelegt, auf welche der Yon der 
Gesellschaft gewählte Name des „Unabhängigen Ordens der 
wunderlichen Kftuze" so gut passte, aber es war far schwache 
Gemtither noch Stoff zu vieler Besorgniss vorhanden. Vor 
Allem wollte der Orden nicht von seinen I'aniiern und Prozes- 
sionen lassen, bei denen er seine stattliihe, die Herzen der 
Jugend beiüikende Macht entfaltete. Gerne &Uoniten die 
Männer der arbeitenden Klassen in einen Verein, der auch 
GemQth und Phantasie nicht leer ausgehen Hess. Der Orden 



•am aber ihre eigenen ßeine stolperte. Dennoch hatte sie auch unter der 

Geistlichkeit redliche Freunde. Kann man sich wundern, dass der \V( nigcr 
ßcbildete Theil des Klerus daclit(> , Away with such hapiiiness as is iacod- 
gistent with the gospel*. ([)ie>e Solu in Holyoake I, vll.) 

Man kann Uch auch nicht wundern, am die Geistlichkeit der Ge- 
werkvereinsbeweirun«; nicht mehr VerständntSS und Liebe entgegenbrachtet 
als die Miuohtät der gebildeten Engländer. 

Den Hass ftegen die Arbeiterorden theilten nicht alle Oebtlichen. 
Siehe Spry a. a. O 

Darum also, weil so manche den Arbeitern nützliche Ziele gegen den 
Widerstand des Klems haben erltlmptt werden mfissen, und weil er seinen 
.iristökrafisichi'n noriif vielfacli iiirlit iu der .ru-inokratisinin«; der (»esell- 
schatt nach oben' O^velUng upj versteht, werden auch seine grossen Ver- 
dienste übersehen. 

Seine Thätigkeit tritt hauptsächlich hervor im Hilfs- und Sparkassf>n* 
weseu, in neuerer Zeit auch in der Errichtunf? und Verwaltung von Kon- 
sumvereinen, ausserdem in einer Art mildthutiger ,C'o-operation'. für die es 
dem Verfasser an emer Bezeichnung fehlt. In manchen englischen Pfar- 
reien briniren die Armen während der Soniinprmonatr dim Pfarrer wöchent- 
lich oder monatlich kleine Ersparnisse. l>ie wohlhabenden Klassen zeich- 
nen einen Zuschnss. Ans der Gesammtsumme werden Kohlen, Stoffe, 
Kleider zu Engrospreisen gekauft und jedem Armen je oacb der Udhe 
seiner Einlagen die so verbilligten Waaren verabfolgt. 



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222 



V. 1. 



war mit vorschreitendem Alter ruhicrer, verstand i,o:er ge- 
worden. Aber er wurde alt gleich genialen Männern. Er 
suchte mit jedem Jalire alles tolle Treiben mehr und mehr ab- 
zustreifen und in höherem Maasse seine gemeinntltzigen edlen 
Ziele zu verwirklichen. Doch fühlte er sich noch nicht als nüchteiiie 
Hilfekasse. Noch durchwftnnte ihn ein idealeres Leben. Noch 
durchwehte ihn ein vollei' Hauch kosmopolitischer Menschen- 
liebe, der in seiner Aeusserung an das Gebiet des Humoristi- 
schen streifte. Mit Lächeln und einer gewissen freudigen 
Rührung wird man (Vws aus der lang gestrichenen Einleitung 
der damali^'en Statuten entnehmen, in denen sich ein treff- 
licher Most abklärt. „Es besteht gewiss." heisst es darin*), 
^keine andere Hil&kasse, welche einen Augenblick mit der 
vnsrigen verglichen werden kann, noch existirt eine Gesell- 
schaft, welche die mttssigen Augenblicke so angenehm und 
vergnüglich zu machen vei-steht. Man kann sich keine Ver- 
sammlungen entzückenderer und liefriedigenderer Art denken 
als die aus Männern mit übereinstimmenden Gefühlen und 
Gewohnheiten bestehenden, welche sich für die besten und 
lobenswerthesten Zwecke vereinigen. Die Loge wird immer als 
geheiligter Grund betrachtet, und sobald diejenigen, welche 
sich anderswo feindlich gegenüberstehen, in ihren Umkreis 
treten, scheinen alle bösen Gefühle wie duicb Zauber zu ver- 
schwinden, und an ihrer Stelle herrscht der Wunsch, die Wohl- 
fahrt und das Glück Aller zu befördeni. Wir sehen Männer 
aller Völker, aller Bekenntnisse und jeder Paiteirichtung zu- 
sammenkommen, und alle in achtun^^svoller und freundlicher 
Weise mit einander verkehrt. Die Vorurtheile, welche die 
Geburt in fremdem Lande anensogen hat, der Sektirergeisti 
welcher so leicht in religiösen Fanatikern erwacht, und der 
heftige Iniirimm politischer Paiteigänger verschwinden eine 
Zeit lang und werden von Allen vergessen, welche in die Tempel 
des wunderlichen Kauzthums eintreten. Es niuss also ein 
grosses und gutes moralisches Prinzip unter uns walten, mit 
dessen Hilfe wir Alles dies vollbringen können, es uiuss irgend 
ein mächtiger und tugendhafter Einfluss mit dem Orden ver- 
knüpft sein, welchen weder die Verläumdung der Hftroischen, 
noch die Reden der \'or urtheilsvollen, noch der Hohn der Un- 
wissenden verllindern kann, eine ungeheure und wohlthätige 
Wirkung auf die Geschicke der Menschheit auszuüben." 

Mit dieser Einleitung, welche an die Kanzel und die 
Tribüne erinnert, vergleiche man die geschäftsmässige Vorrede 
der jetzigen Statuten. 

Während die manni(^chen Hindemisse deutlich erkannt 
werden , welche der Registrirung der Logen entg^nstanden, 

M Appendix to Keport froni Select Committee 0& tlie PtOvidADt ASSO- 
ciations i^raud Preventioa ßilL lö4ti. Vol. XVI. 



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V- 1 



228 



wuchs das BedOrfbiss des Ordens nach gesetzlicher An- 
erkennung. 

Wir verliessen die Manchester ünity im vorijicn Kapitel 
auf der Versammlung zu Bristol, alä der Antrag, das Parlament 
um gesetzlichen Schutz anzugehen, nicht angenommen wurde. 
1>urch traurige Erfahrungen war die Stimmung renindert 

worden. Es war häufiger vorgekommen, dass Beamte üire 
Logen betropen und bestohlen hatten, oder dass die Treu- 
händer, welche mit ihren LotrenbnUleni nicht in gutem Ein- 
•rernehmeii lebten, sich weigerten die Summen, welche auf 
ihrem Namen standen, in die Kassen zurückzubefördern, wenn 
man ihnen nicht 10 bis 20 ^ fUr diesen Dienst zahlte Als 
Im Jahre 1847 der Wanderausschuss in Oxford tagte, fanden 
lange Debatten über die Nothwendii^keit der Registrirung statt 
Wir fahren die Rede eines gewissen Barrow gegen diese Maass- 
regel an, weil dieselbe charakteristisch ftlr viele Oppositions- 
reden tzegen gute und heilsame Maassregeln ist. Barrow be- 
hauptete zunärhst keck . dass die Registrirung den 0? den 
zwingen würde, alle Mitglieder, die alter als 40 Jahre waren, 
fkber Bord zu werfen. Zweitens würden die Friedensrichter, 
wenn dieselben einmal Gewalt Aber sie hatten, jedem faulen 
Mitgliede die Unterstützung zusprechen. Drittens — und das 
ist das Erstaunlichste — behauptete der Redner mit edler 
Dreistigkeit, die ai+>eitenden Klassen könnten niemals unehrlich 
gegen einander handeln. Die Arbeiter seien elirlicher. als die 
Gesetzgeber! hätte Dr. Bowring gesagt. Jedoch gelang es der 
klaren und eindringlichen Beredsamkeit des Grossnieisters des 
Ordens, einen grossen Theil der Mitglieder Ton den VortheOen 
des gesetzlichen Schutzes zu flberzeugen. Ein Antrag, das 
Parlament um eine solche Aenderung des Hilfskassengesetzes 
anzugehen, welche dem Orden den gesetzlichen Schutz zu- 
kommen liesse, wurde mit geringer Majorität angenommen, 
und darauf das Direktorium beauftragt, eine Petition vorzu- 
bereiten , 

Und nun trat ein Ereigniss ein, welches die Mitglieder 
in der Ueberzengung von der Nothwendigkeit eines Gesetzes 
bestärkte. In den Winter 1846 und das Jahr 1847 hei die 
fiirchtbare Hungersnoth in Irland. Der Distrikt Cork hatte 
schon Ende l!-^4r> die englischen Distrikte um Hilfe angerufen 
und die Manchester Unity war trotz der schweren Zeiten dem 
Aufrufe nachtiekommen. Diese Lage benutzte der Sekretär 
der Manciie5?ter Lnity, William Kulclitfe, um 4<mh>^> zu unler- 
sdilagen. Es fand eine Schwurgericbtsverhandlung am 4. April 



*j Spry, S. 70, uud bniith's Aussagen in Minute« of £Tidence before 
Sdect Committee on the Prorideat Aasodttion« FmA Pirerention Bill. 

8. 20 ff;;. 

«) bpry, S. 69—83. 



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224 



V. 1. 



1848 statt, in welcher Ratcliffe freigesprochen wurde Die 
Generalkasse des Ordens besass keinen Pfennig mehr; dazu 
hatte die Manchester Unity die UDgeheoren Oerichtskosten 
zu trafen, welche 680 betrugen. 

Das Krgebniss dieses Prozesses hatte einen niedei^ 
schniettcinden Einriuss. Viele Logen gingen ganz ein und ver- 
theilten ihr Vermögen. Manche Mitglieder traten aus den 
Logen aus, da sie keine Neigung hatten, zu sparen, wenn der 
Lohn jahrelanger Entbehrungen von irgend einem Schwindler 
straffrei gestohlen werden konnte. Nach den ofifiziellen Be^ 
richten verlor die Manchester Unity im Jahre 1848 nicht 
weniger als 14771 Mitglieder. Sie hat jedenfalls noch mehr 
eingebüsst, die Zahl der neueintretenden ^fitglieder lässt die 
Differenz geringer erscheinen. 46 Logen wurden aus Mangel 
an Vermögen geschlosseu , 02 lösten sich auf und vertheilten 
ihre Kasse, 31 trennten sich vom Orden 

Jedoch verloren die Männer an der Spitze den Muth- und 
den klaren Kopf nicht Sie betrieben nun um so energischer 
die Legalisirung des Ordens, fikr welche sie einflussreiche 
Parlamentsmitglieder, von denen mehrere Mitglieder des Ordens 
waren, zu interessiren suchten. 

Schon am 3. April 1848*) wurde eine Bill in das Ober- 
haus eingebraclit unter dem Titel „An Act for the more effec- 
tual Protection from Fraud and Misappropriatiou of the Funds 
of certain Charitable, Philanthropie, and Provident Assodations, 
and for the Relief of the Members thereof from the Provisions 
of an Act made in the 39th year of the Reign of his late 
Mi^esty King George the Third, intituled, ,An Act for the 
more effectual Suppression of Societies, established for Seditious 
and Treasonable Practices' and likewise anotlier Act passed 
in the 57th year of the Reign of his late Majesty Kiug George 
the Third, intituled ,An Act for the more effectual preventing 
of Seditious Meetings and Assemblies**. 

Der Gesetzentwurf war im Lande kaum bekannt. Die 
Manchester Unity wusste nur, dass das Parlament etwas far 
sie thun wolle. Unter dem Einflüsse des unglücklichen Pro- 
zesses gegen Ratcliffe regnete es Petitionen auf das Oberhaus. 
Häufig weist das Journal des Uberhauses fast 3 Spalten Pe- 
titionen auf, welche um Annahme des Gesetzentwurfs bitten, 
den die Verfasser nicht kennen. Von welcher Wichtigkeit die 
Möglichkeit, kleine Summen in Sparhanken anwachsen zu lassen, 
und keine Zinsen zu verlieren erscheint, beweist die Thatsache, 
dass den ganzen Mai hindurch alle 3 bis 4 Tage Petitionen von 
Logen vorliegen, welche um das Recht bitten, ihr Vermögen in 

' "^{)ry, S. 107. Siehe auch Smith's, des ^Irnssmcisten, Aauagen 
vor dem genannten Ausschüsse des Oberhauses, a. a. 0. 
^) Journals of the House of Lords. 184K 



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225 



Sparkassen einzahlen zu düi-fen. I)ns kräftige Vorgehen der Odd 
Fellows machte auch andere Orden auf ihre schutzlose Lage 
aufnieiksaiii. Am 12. Mai liegt eine Petition des Ancient Order 
of Foresters, am 19. Mai des Ordens der Modem Masons vor, 
welche dai-um bitten, dass auch sie in das Geseta einbegriffen 
werden möchten. 

Der Gesetzentwurf wurde am 9. Mai, dem Tage der 
zweiten Lesung, von Lord Beaumont sehr empfohlen Diese 
Gesellschaften, sagte er, seien dem Lande sehr nützlich, sie 
weckten freundliche Gesinnungen zwischen verschiedenen 
Klassen and Berufen, indem sie sie znr Alitwirkung an Werken 
der WoUthfttigkeit vereinigten. Lord Beaumont verkannte aber 
den ungenügenden Zustand der Prämientabellen nicht, und bat 
die Regiemnc: 3 oder 4 der bedeutendsten Aktuare zusammen- 
treten zu lassen, damit dieselben eine Normaltabelle entwürfen. 

Neben der freundlichen Gestalt des Lords Beaumont steht 
nun die tinstere des Marquess of Lansdowue. Er tadelte an 
dem Gesetzentwurfes dass er alle GeseUschaften mit Zweigen, 
welche nntereinander vennittelBt geheimer Zeichen korrespon- 
dirten, für gesetzlich eiklAren wnrde. Hier sei Vorsicht nöthig 
und eine scharfe Trennung vorzunehmen. 

Am 11. Mai wurde ein Ausschuss des 01»erhauses ernannt, 
welcher, vom 15. Mai bis 22. Juni mehrere Sitzungen hielt und 
verschiedene Zeugen vorlud, unter denen Neison, Tidd Pratt, 
Smith, der Grossmeister des Ordens, und Ansell die bedeu- 
tendsten sind. 

Neison*s Zengniss ist wichtig als dasjenige eines Versiche- 
mngsbeamten und unbefangenen Beobachters. In der gi'össeren 
finanziellen Sicherheit mvl der besseren Verwaltung beständen 
die Hauptvorzüge der Orden vor den übrigen Hilfskassen. 
Er machte darauf aufmerksam, dass die verschiedenen Beamten- 
stufen iu Loge, Disti'ikt und Wanderausschuss dem Thätig- 
keitstriebe und dem Ehrgete des ArbeiterB dnen gesunden 
Spielraum versehafiten. Das KHlgste« was man thun könne, 
meint(^ er, sei dem Orden das Keeht in verleihen , zu klagen 
und verklagt zu werden, und dafür zu verlangen, dass seine 
Tabellen von einem Aktuare gebilligt und seine Bücher nach 
einem richtigen Systeme geführt würden. Andere Privilegien 
sollte er nicht erhalten. Neison regte hierdurch zur Bildung 
einer Hilfskasse zweiter Kla.sse an, voi^ der wir bald noch 
mehr hören werden. 

Pratt setzte dem Ansschusse mit vieler Mühe die der Re- 
gistrirung des Ordens entgegenstehenden, rechtlichen Schwierig- 
keiten auseinander. Dieselben waren nvn so grösser, als 
Neison die GemUtber der Lords auf irrthumüche Bahnen ge- 

') Hansard's Debatra. 
FonehiugeD (20) Y. 1. — HMbaeh. 15 



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226 



leitet hatte. In seinen Ansichten fällt der Unsepen einer 
einseitig juristisch -formalistischen Bildung und Beschäftigung 
auf. Die eigeathQmlicheo Vortheile dieser Organisation zu 
vontehen, ist er gar nicht fähig. Er sähe die Mancbester 
Unity am liebsten so verändert, dass sie in den Rahmen des 
Gesetzes passte. Am besten wäre es, wenn sie sich in eine 
Gesellschaft verwandelte, die ihren Sitz in Manchester hätte 
und ihren Distrikten und Logen den Charakter von Agenturen 
verliehe. Smith, der Grossmeister . musste seine Gesell- 
schaft gegen viele Vorurtheile scli atzen. Auf die Anklage, dass 
der Orden die ehristliehe Religion sn verdrängen suchte , ant- 
wortete er, dass eine Grabrede nur dann gehalten wfirde» 
wenn der Geistliche seine Zustimmung dazu gäbe und dass 
die moralischen Vorlesungen in den Klubzimmern niemals mit 
den Stunden, zu welchen der Gottesdienst stattfände, zusammen- 
fielen. Die Vorlesungen hätten nur die Bele])ung wohlthätiger, 
Sjrmpathischer Gefühle zum Zwecke. Ueberdies seien religiöse 
uud politische Gespräche verboten und der Orden stehe in 
keiner Verbindung mit Gewerkvereinen Die Geheimnisse 
des Ordens seien höchst unschuldiger Natur: mit jedem 
höheren Grade warden den Mitgliedern neue Losungsworte 
und Zeichen mitgetheilt. Unter den Geheimnissen hätte nur 
eins einen greifbaren Nutzen. Der nothleidende Bruder lerne 
in der Fremde andern Brüdern durch Zeichen seine Noth mit- 
theilen, ohne dass es eines beschämenden Geständnisses bedürfe. 
Alle Ueberreste ans der geselligen Zeit des Ordens ver- 
schwänden immer mehr, und der Orden wäre gern bereit, 
diesen ganzen Kram aufzugeben, wenn er nur das Recht der 
Klage erhielte und seine Gelder sicher anlegen diirfte. 

Ansell's Aussagen sind über eine von Tidd Pratt ange- 
regte Frage besonders beachtenswerth. Dieser Beamte hatte 
die Aufmerksamkeit des Ausschusses darauf gelenkt, dass die 
von den einzelnen Aktuaren entworfenen Prämientabellen sehr 
von einander abwichen, und daher einen Kongress von Aktnaren 
zum Zweck der Aufstellung einer fär das ßaoze Land geltenden 
Prämientabelle empfohlen ; wenn er auch nicht übersah, dass 
eine solche Tabelle die Verschiedenheiten des Ortes gar nicht 
berücksichtigen kann. Neison war aus leicht begreiflichen 
Giünden dagegen, Ansell glaubte zwar nicht an das Vor- 
handensein so grosser Vei-schiedenheiten wie Neison, aber er 
befürchtete, eine auf den Erfahrungen eines ganzen Landes 
beruhende Tabelle mttsse positiv schädlich wirken, wenn man 

') I>er Orden bekiiniiti' ^ioli in sniiien Statuton offen gc^en Gewerk- 
vereinc. I>ie Gewerkvereioe wieder wollten voni Chiirtismus nichts wissen. 
Jene Tbutsache verstärkt das Gewicht der Bemerkung Held's in einem Auf« 
Satze Uber den ChartismuB in der ,Concordia'. daas OHJonnor keinen Er- 
folg gehabt habe, wdl die inteUigenlen Arbeite nicht hinter ihm ge- 
standen hätten. 



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V. 1. 



227 



nicht alle Menschen, über welche die konkreten Erfahrungen 
gesammelt worden würen, auch zum Eintritt in die eine Gesell- 
schaft zwingen könne, äouät würden die Gesunden Vereine 
für sieh bilden und die Ungesunden eich in Obeiigrossen 
Mengen in die allgemeine HilfiBkatiae drängen. Das angenommene 
VerhältniBs von Gesunden zu Kranken und Verstorbenen 
würde verrückt werden und daran die GeseUscbafl zu Grunde 
gehen. 

Eine andere Frap:e, welche Theorie und Parlament im 
ersten Drittel des Jahrhunderts vielfach beschäftigte, wurde 
nun von neuen Gesichtspunkten beleuchtet Man hatte da- 
male bekanntlieh grosse Hilfskassen l&r besonders sweck- 
mässig gehalten. Auch jetzt sprachen sich Nelson und Pratt 
dafür aus. Ansell, Davies und Finlaison dasejren verfochten 
die entpegenpesetzte Behauptung. In dieser Frage war Ansell 
wohl ein wenig Partei. Er hatte in früheren Jahren die Sta- 
tuten vei*schiedener Vereine und eines Grafschafts Vereines be- 
stätigt, bei denen sich später, als die Mii^lieder uU und 
kranklich geworden waren, eine viel höhere Krankheitsdauer 
fllr das Mitglied, als ursprünglich angenommen, herausstellte. 
So wies die South Gloucester Friendly Society 40—50 mehr 
Krankheitstage auf. als den Sätzen der Prämientabelle zu 
Grunde gelegt worden war. Her Essex Provident zeigte bei 
einer neulichen Schätzung eine geradezu erstaunliche Summe 
von Kraukheitstagen. Ansell behauptete nun, dass in grossen, 
vorzüglich durch Ehrenmitglieder verwalteten Kassen nicht die 
strenge Beaufeichtigung herrsche, wie in kleinen, selbstver- 
walteten Kassen, wo ein Mitglied das andere kontrollira Aus 
diesen Gründen seien sie grossen Vereinen vorzuziehen. Die 
übrigen, den grossen Gesellschaften zugeschriebenen Vortheile 
schätzte er (gering, ohne unseres Erachtens seine Geriug- 
Bchätzuncr gehörig zu begründen. 

Der Ausschuss verfasste einen kurzen Bericht, der von der 
Unzulftnglichkeit der bestehenden Gesettgebung ausging ^). Die 
13 Gesetze, welche zur Hebung der HillBkassen seit 1798 er- 
lassen worden seien, hätten weder die Dauerhaftigkeit der regi- 
strirten Kassen herbeigeführt, noch das Wachsen ungesetzlicher 
Vereine verhindeit. Kleine Veieine könnte eine ungesunde 
Jahreszeit bankerott machen. Sie verschwendeten ihr Vermögen 
in den Wirthshäusern bei Schmausgelagen. Die bestätigten 
Statuten würden sehr häuhg nicht ausgeführt. Die grossen 
YorzQge der Orden hatten denselben zu einer ungeheuren Ent- 
fiel tung verholfen. Der Orden der Odd Felle ws zfthle SGOOOO 
Mitglieder und habe ein Einkommen von 840 000 £. Eine 
80 gewaltige Association mOsse sich als ein mächtiges Werk- 



M Report from Select Comtnittae on tb« Provident ANodatioM Fraod 

PreTentiou biU. Iö4ö. Vol. XVI. 

15* 



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228 



zeug des Guten Ofler Schlechteu erweisen, je nachdem ihre Ziele 
ntttzliche oder gefährliche und ihre Mitglieder den Gesetzen 
des Landes wohl oder ttbel gesinnt wären. Wenn sndi der 
Ansschuss keinen Grund h litte, an der LoyaJitftt der Mitglieder 
zu zweifeln, so wären doch verschiedene Gebränehe derselben 
gerechten Einwendungen aiisfyosetzt. 

Die Lage der Gesetzgebung sei in diesem F;ille besonders 
schwierig, denn liesse man den Orden keinen Schutz ange- 
deihen, so uiüchteu hie ilue Anhänglichkeit an den Staat ver- 
lieren, aber es sei sehr schwer, ihnen den Schatz zu gewähren« 
ohne andern GeseUschaften z. B. den Gewerkvereinen, dieselbe 
Wohlthat zuzuwenden. Der Äusschuss habe der Aufstellung 
einer guten Prämientabelle seine besondere Aufmerksamkeit 
geschenkt. Aber nach Allem, was er gehört, fühle er sich 
nicht berech tiiit, eine bestimmte Ansicht iiber diesen Punkt zu 
äussern. Kiue besondere Schwierigkeit träte in dem Orden der 
Odd Fellows hinzu, da seine Einnahmen und Ausgaben von den- 
jenigen anderer Kassen verschieden wären. Die fänfjährigen 
Berichte, welche Materialien zur Berechnung einer Prämien- 
tafel hätten liefern sollen, seien nicht zu gebrauchen. Da keine 
Aufsicht bei der Hei-stellung derselben herrsche, würden sie 
mit der grössten Sorglosigkeit angeferti^^t. 

Der Bericht zählt alle der Kegistrirung des Ordens ent- 
gegenstehenden Hindernisse auf, und schliesst damit, dass er 
die Aufhebung einiger Bestimmungen des Gesetzes 9/10 
Vict C. 27 auf drei Jahre empfiehlt. 

Nach mannigfachen Schicksalen und Veränderungen wurde 
der Gesetzentwurf endlich am 28. Juli 1848 zum dritten Male 
gelesen und dem Hause der Gemeinen Qbersandt Hier waren 
seine Schicksale wesentlich einfacher. Die vom Oberhause in 
fast viermonatlicher Thäti^:keit hergestellte Bill las das Unter- 
haus am 1. August lf<4ö und Hess sie unter dem einfacheren 
Titel drucken : A Bill intituled, An Act for the more efTectual 
Protection from Fraud and Misappropriation of the Funds of a 
certain Charitable, Philanthropie and Provident Associatkin, 
known by the Name of the Independent Order of Odd 
Fellows 

' Nach einer langen Einleitung, \^elche die Xothwendigkeit, 
den Odd Fellows gesetzlichen Schutz angedeihen zu lassen, 
auseinandersetzt; wird angeordnet: 

1. Die geltenden gesetzlichen Bestimmungen Ober die Hilfs- 
kassen sollen sich auf den Orden der Odd Fellows beziehen, 
soweit sie auf denselben anwendbar sind. 



Bills Public 1S47-48. V. Per Gesetzentwurf liegt leider nur 
in dieser Form Tor, es ist nicht mögUoh, za beobachten, wie sich derselbe 
iB den Obfrluiitf e entwlcik^lt hat 



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229 



2. Alle vor dem 1. Juli 1848 gegründeten Logen des 
Ordens iiiifl rler Orden selbst sollen die Vortheile und Privi- 
legien des Gesetzes geniessen, wenn ihre Statuten in gehöriger 
Foim vom Registrar of Friendly Societies beglaubigt werden. 
Jedoch muss der Sekretilr erklären, dass von jetzt an geheime 
Zeichen und Losungsworte nicht Iftnger mehr Sitte sein soHen, 
dass Vorlesungen und Begräbnissreden abgeschafft sind; keine 
Gesellschaft oder Loge soll aufgefordert werden, ihre Statuten 
abzuändern. Die Statuten düifen nichts entlialten. was 
Zwecke tordei-n könnte, welche in den bisherigen Gesetzen 
nicht legalisirt sind. 

3. Dieses Gesetz soll drei Jahre in Kraft bleiben und 

4. nicht auf Irland ausgedehnt werden. 

Dieser kurze Entwurf trilgt. deutlich die Züge der Eltern, 
welche ihm das Leben gaben, nämlich furrhtsaine Staatsweisheit 
und schablonenhafte Jurisprudenz. Der Schatten des Marquess 
von Lansdowne und des Herrn Tidd Pratt hatten die gute 
Saat des Lords Beauniont nicht reifen lassen. Den Gewerk- 
vereinen, anderen ,objectionable' societies und den Irländern waren 
die Tliüreu zum Registrar-Office verachlossen , aber leider — 
den Odd Fellows auch. 

Als durch die Zeitungen der Inhalt der Bill bekannt wurde, 
herrschte in allen Logen eine grosse Enttäuschung. Man hatte 
so gi'osse Hoffnungen auf die Lords gesetzt. Von allen Seiten 
eilten Deputationen nach Manchester, und ersuchten die Direk- 
toren, ihren ganzen Kintluss für die Zurückziehung des Ent- 
wurfes einzusetzen. Die Centraibehörde wandte sich an Lord 
Dudley Stewart, welcher die Bfil im Unterhause vertheidigen 
sollte, und baten ihn um Zurttckziehung derselben, da die 
Annahme des Gesetzes die völlige Auflösung des Ordens be- 
deute Der Entwurf wurde am 9. August zum zweiten Male 
gelesen und einem Ausschüsse des ganzen Hauses überwiesen. 
Inzwischen liefen zahlreiche Petitionen ein. so am 11., weiter 
am 17. August, „dass der Entwurf nicht angenommen werden 
möge^. Ja am 18. August wurden dem Unterhause gegen 
50 Petitionen vorgelegt ^ welche um weitere Ausd^nung und 
Verftnderung der Bestimmungen des Hilfskassengesetzes baten. 
Am 18. August zog das Unterhaus die Bill zurück, obgleich 
dies ein sehr unhöfliches Verfahren ist^). Noch am 21. August 
liefen Petitionen ein. w«_'lclie um Zurückziehung des Entwurfes 
baten, damit die Bittsteller Gelegenheit hätten, eine ihren 
Zwecken förderliche Bill vorzubereiten Doch lesen wir nicht, 
dass irgend ein Gesetzentwurf vorbereitet worden wäre. Aber 

]) Öpry, S. lOö. 

") U n an old parliamentarv rule that a bill brought from tbe other 
house should not be withdrawn.' May, Law of Parliameot. 8. 501. 
*) Joontals of the Hoiue of Commona f&r ld47-184ä. 



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230 



V. 1. 



die 0(1<1 F'ellows suchten inzwischen einflussreiebe Mitglieder 
des Unterhauses für sich zu p^ewinnen. 

Der narhste Schritt wurde jedoch nicht durch die Noth- 
lage des Ordens veranlasst Die geltenden Bestimnrangen Ober 
die eingescbriebene Hilfekasse schienen nicht genügend. Alte 
Gesellschaften waren zusammenpfebrochen, obwohl sie das Zeug- 
niss des Aktuars besassen. Nur sehr weni^rt' Kassen konnton 
zur Annalime einer fjraduirten Prämienskala bewogen werden; 
sie wünschten eine alljrenieine Durcbsclinittsprämie. Dieselbe 
musste natürlich auf Grund einer gewissen Altersmiscliunp fest- 
gesetzt werden. Bestand jedoch dieses Gleichgewicht von alten 
und jungen Mitgliedern nicht mehr, floss nicht fortwährend 
junges Blut zu, so musste die Gesellschaft unfehlbar bankerott 
werden. Man wird sich noch erinnern, dass das Gesetz vom 
Jahre 1^4<^ creizen alle richtigen Veisichemngsprinzipien unter 
gewissen Bedingungen junge Mitglieder zum Bleiben in ver- 
rotteten Gesellschaften gezwungen hatte. 

Ausserdem waren Vereine eingeschrieben worden, welche 
eine peiiodische Th^nng des Vermögens vorschrieben. Wdter 
erwiesen sich die meisten ftlnfjfthrigen Berichte als ganz un- 
genügend. Wenn der Staat die Sammlung und Aufbereitung 
des Materials nicht zu überwachen vermochte, war es am 
besten, auf die Einforderung der statistischen Nachweisungen 
zu verzichten M. Die jährlichen Berichte erlullten ihren Zweck 
ebenfalls nicht. "Wie leicht war es, ungebildeten Arbeitern, 
die nicht lesen und schreiben konnten, eine falsche Darstellung 
ihrer finanziellen Lage vorzulegen. Zudem wollte die Regierung 
auch diese Nachrichten der Oelfentlichkeit zugänglich machen. 

So wurde denn am 27. März 1S49 eine Bill im Unterhause 
eingebracht unter dem Titel „A Bill to make better provision 
for the certifying the Tables of Contributions and payments of 
Friendly Societies, and for ascertaining from time to time the 
solvency of such societies". Dieselbe hat folgenden Inhalt*): 

Der erste Paragraph sehreibt nach Versicheinngszweigen 
getrennte Prftmientabellen vor. Die Prftmien sollen naäi Alters- 
jahren oder kleineren Perioden normirt sein, welche flknf Jahre 
nicht übersteigen dürfen. 

Der registrirende Beamte daif zweitens keinen Verein ein- 
schreiben, welcher sich .statiitenmassig nach einer bestimmten 
Zeit auflöst, oder sein Vermögen, oder einen Theil seines Ver- 
mögens in bestimmten Zeitabschnitten vertheilt. 

Drittens. Bevor die fanfjs!brige Bilanz eingeschickt wird, 
soll sie einem der zur PrOfong der Prämientabellen ermächtigten 
Aktuare vorgelegt werden, welcher ein Urtheil über die Zahlungs- 
fähigkeit des Vereines abgiebt und dafür eine Guinea erhält 



») Sprv. S. 108. 

») BiUs i'ubUc 1»49. II. 



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V. 1. 



231 



Viertens soll jedes Jahr ein Ausweis über Kinkomnien und 
Ausgaben, welcher auch die Zahl der ausgetretenen, neu ein- 
getretenen nnd gegenwärtigen Mitglieder enthält, angefertigt 
und eine Abschrift desselben an den Registrar geschickt werden. 

Die einschneidendsten Bestimmungen sind der fünfte und 
sechste Paragraph. 

Der erstere schrieb vor. dass die Bestimniiint^en dieses 
Gesetzes für alle Vereine, welche vor diespiii Gesetze bestlitijxt 
worden wären, gelten und der letztere, dai>s Auszüge aus den 
jährlichen und fünfjährigen Berichten vom Registrar dem Parla- 
ment vorgelegt werden sollten. 

Diese Bill wurde am 4. April einem Ausschusse des Unter- 
hauses überwiesen, welcher am 10. April ernannt wurde. 
Derselbe hielt vom 3. Mai bis zum 28. Juni unter dem Voi'sitze 
von Sotheron 14. Sitzungen ab. 

Man musste erwarten, dass gegen eine so energische Mass- 
regel, die au wolilthätiger Rücksichtslosigkeit nur an Courtenay's 
Bills vor 20 Jahren ein Gegenstock gehabt hatte, ein Petitions- 
sturm losbrechen würde. Die Erbitterung war gross, aber bei 
weitem nicht so hochgradig« wie £nde der zwanziger Jahre. 
Dms .Toumal des Unterhauses weist zwar eine ziemlich be- 
deutende Anzahl von Petitionen auf, aber einestheils sind die 
Einwendungen dieser Vei eine, wie sich vor dein Ausschüsse ergab, 
sehr mässig und begründet, andererseits befinden sich darunter 
auch) Petitionen, welche keine direkte Beziehung zur Bill haben.' 
Unter diesen sind zwei, die uns aus verschiedenen GrQnden 
bemerkenswerth ei scheinen. Tidd Pratt hatte die grossen nicht 
IdSiliirten Grafschaft- oder Landesvereine sehr gerühmt, welche 
gegen Ende der vierziirer Jahre noch Zuwachs erhielten. So 
war im Jahre 1847 in den Töpfereibezirken des nordlichen 
Theiles der Grafschaft Stafford „The North Staffordshire Provi- 
dent Association* gegründet worden, ein Verein, welcher, in 
der Mitte zwischen Becherklub und Grafschaftsverein stehend 
sich bei der grossen Enquete der siebziger Jahre als eine der 
blühendsten Hilüskassen Englands erwie> Im folgenden Jahre 
hatte sich dann unter dem Hochdmcke einflu^sreicher Kreise 
in Exeter ,The Western Provident Association* gebildet, die 
sich über den geographischen Umfang der (irafscbaft erstrecken 
sollte. Wie bei allen Vereinen, welche unter andern Be- 
dingungen entstanden, als die lokale Hilfskasse des vorigen 
Jahrhunderts, auf welche doch alle Gesetze seit 1798 zuge- 
schnitten waren, mussten sieh aus dem Widerspruch von Gesetz 
und BedOrfniss schwere Missstände ergeben. Die Hilfskasse 
hatte ihren Sitz in Exeter, die Mitglieder waren über das Land 
zerstreut, und konnten an der Verwaltung desselben keinen 
Antheil nehmen. Die Leitunjr lag ganz in der Hand der zur 
Gründung gehörisren Vereinsmitglieder; die englischen arbeiten- 
den Ktaaaen sehen jedoch Nichts weniger gern, als dass ihnen die 



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282 



Selbstverwaltung von den höheren Klassen aus der H:ind 
geniinimen wird. Da sie keinen Anlheil an der Kasse nehmen, 
herrscht keine penaue ffepenseitipe Kontmlle. Der Verein wii-d 
betrogen und kauu sich nur durch eine strenge Aufäiclit helfen, 
wdche die Anstellung besUilter Beamten erheischt und daher 
die Verwaltmigskosten erhöht. Die nengegrOndete Gesellschaft 
schlug, um den Missstfinden voraubeugen, eine Massiegel vor, 
die. ^venn sie verwirklit^lit worden wäre, die Grafschaftsvereine 
auf eine fiesundere Basis «restellt haben würde. Am 14. Mai 
baten die Mitglieder das Parlament um das Recht, bei allen 
Versammlungen des Vereines durch bevollmächtigte Stellver- 
treter stimmen zu düi-fen. 

Wir erwähnen noch eine zweite Petition, weil sich in ihr 
das ei*ste Grollen eines schweren Unwetters anktindigt, welches 
sich allmählich immer drohender und finsterer über den als Hilfs- 
kassen re«,nstrirter Versicherunpsgesellschnften für die mittleren 
Klassen zusammenzog \) und sich einijze Jahre später entlud. 
Am 1. Juni klagen Feuerversicliungsgesellschalten, dass sich 
vei-schiedene Uiifskassen der Bezahlung der Stempelgebuhren 
entziehen. Die Bittsteller wilnaehen dne Beschrfinkong der 
Werthe, welche von Hilftkassen versichert werden können. 
Der Beitritt zu zwei Vereinen sollte nicht gestattet sein. 

Die Begräbnisskassen, gegen welche im Jahre 184() ein 
lange dauernde!- Krieg eingeleitet worden war, hielten den 
Augenblick für günstig, um die Beschränkungen, die ihnen das 
letzte Gesetz auferlegt hatte, wieder abzuschütteln. 

Aehnlich dachte die Manchester Unity. Als die Odd 
Fellows in der PAngstwoche des Jahres 1849 ihren Wandere 
ausBchuss zu Blackburn hielten — die Eröffnung fand am 
28. Mai, also w&hrend der parlamentarische Ausschuss versam- 
melt war, statt — wurde beschlossen, in den Bestrebungen zur 
Krlanfiung der gesetzlichen Anerkennung dies Ordens fortzu- 
fahren , aber Nichts zu thun , was mit dem Geiste der bis- 
heiigen Resolutionen im Widerspruche stände Am 11. Juni 
besdbloBS der parlamentarische Ausschnss, Zeugen Ober nicht 
registrirte und nngesetzlidie Gesellschaften vorzuladen*). Am 
14. und 15. Juni wurden mehrere Odd Fellows verhOrt*). 



>) Siehe '6. Kapitel S. Iä6, löT. 
•) Spry, S. 107 nnd 108. 

Heport froni tbe Select Committee 00 the Frieodlj Sodeties BüIb. 
1849. S. xrv. Vol. XIV. 

*) ^pry stellt die Sache fol^eudermassen dar: ,Meauwhi]e tbe mem- 
bert of the Order were usioa all available means to press their require- 
rements on the notice of inliuential parties, which resnlttMl in the 
Uouse of CommoDS appointing a Select tomiuittee to io~ 

Soire into our wants and to bear evideace oa the Subjeet' 
. 10s. Die Unrichti{.'keit dieser Darstellunjj geht nuiii au- folsender 
Steile des Report hervor : The Bill, as introduced iato the liousep related 



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288 



Die mannigfachen Interessen, welche anscheinend verletzt 
werden würden und die Hoffnungen, welche sich an das kom- 
mende Gesetz knüpften, führten zu einer eingehenden Enqu<?te 
in die Lage der Hilfskassen. Aktuare, ein Arzt, ein Friedens- 
richter, Geistliche, Vertieter der Orafeehaltsrereine, der Be- 
grftbnisskassen, der lokalen Hilfekassen, theUender GesellBchaften 
und der Orden ') trugen ein i-eiches Material zusammen, welchem 
der Bericht ei*statter des Ausschusses 'jnr nicht ^rerecht wurde. Es 
ist eine uneHässliche Pflicht des Berichterstattei-s eines parla- 
mentarischen Ausschusses, das Material nach solchen Gesich'ts- 
punkten zu gruppii*en, von denen sich ein umiasvsender und 
rascher Blick tiher die bisherige Lage eines Objektes, welches 
ftesetzlich geregelt werden soll, und ober die Yoraussichtlichm 
Folgen der vorgeschlagenen Massregeln gewinnen lässt, und dann 
mit Angabe der Quellen eine möglichst objektive Dai-stellung zu 
liefern. Er erleichtert dadurch dem Abgeordneten seine Auf- 
gabe und auch dem Geschichtschreiber. In der ^^anzen parla- 
mentarischen Literatur über das Hilfskassenwesen ist nur ein 
Bericht, welcher diese Forderung ganz ei-füllt, nämlich derjenige 
Uber die letzte Entra^e der siebenziger Jahre. Fftnde sich in 
den Berichten der Jahre 1825 und 1827 eine Znstandssdiilde- 
mng der Hilfekassen, wären sie eingehender, verwiesen sie 
immer, was sehr selten geschieht, auf die Aussagen, so würden 
sie nmsterhaft sein. Der Bericht des Jahres 1849 aber ist be- 
sonders stümperhaft. 

Die Aussagen gingen unter den geschilderten Verhältnissen 
weit über das nächste Gebiet hinaus. Ausser einer Kritik des 
voriiegmden Gesetzentwurfes finden wir Erörterungen Ober die 
Bestinunnngen früherer Gesetze; der Hilfiskassengesetzgebung 
werden weitere Ziele gesteckt; an manchen Orten unterbrechen 
inhaltvolle Skizzen des Zustandes der damaligen Friendly 
Soeieties wohlthätig den zuweilen einschläfernden Strom von 
Fragen und Antworten. 

Wir besprechen zunächst die dem Parlamente vorgelegte Bill. 

Von keinem der Zeugen wird der Nutzen getrennter, nach 
Leben^ahren normirter Tabellen verkannt Ja, einzelne Ver> 
treter von Hilfekassen halten selbst Durchschnittsprt&mien ftr 
kleine Perioden für schädlich *). Man kiimpft gegen sie aus 
Zweckmässigkeitsgründen. Ein Vertreter der theilenden Ge- 
sellschaften und ein Vertreter lokaler iiilfskassen sind abeizeugt, 



only to enrolied Soeieties, but in the conrse of tbe inquiry 
an impurtaut subjcct kas come ander the consideration of the Com* 
mittee, oaioely . whether it might not be desinble to Uüce tbe funeiait op- 
portiinity of 'affordin^ legal protection tO tbe J&J böge diM of Sodetiflt 
which are not enrolied. S. iV. V. 

>) Die AmMgen der Beamten der Orden werden fai diesem Eipitel 
fibergantj^en, da dieeelbai nichts Neaes enthalten, 
qu. 520. 



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2S4 



V. 1- 



dass die Eiulülirung grraduirter Prämien alte Vereine mit Ein- 
heitsprämien iu die grösbte Verwirrung bringen niiisbe Aber 
die FrsLge ist nach der Ansicht mehrerer Zeugen vorläufig eine 
rein theoretische. Den gehofften Nutzen würde die Annahme 
einer Prämienskala nicht haben. Denn die Aktuare machten sehr 
wenig Unterschied, sie schickten dieselbe Tabt'llo nach i:psnnden 
und ungesunden Ortschaften-). Unter einander wiciien sie 
sehr von einander ab Die Aktuare scheinen die Aufstellung 
vornehmlich als eine gute Erwerbsquelle betrachtet zu haben. 
Schon vor den Ausschüssen der zwanziger Jahre wurde über 
die hohen Gebühren der Aktuare geklagt. Jetzt wird von den 
verschiedensten Seiten behauptet, dass die hohen Honorare der 
Aktuare viele Gesellschaften von der Registrirung abhielten^). 
Vom Juli 1844 — 1S4G wurden 2101 Gesuche um Einschreibung 
an den Ue^Mstrar gesandt und davon 1(383 registrirt, in den 
zwei folgenden Jahren 1780; davon wurden nur 423 ein- 
geschrieben^^). Zweifellos erschwerte die Noth wendigkeil, ein 
Zeogniss vom Aktuare beibringen zu mttssen, vielen Vereinen 
mit ungenfigenden Prämien das Dasein^. Den Aktuaren wird 
vorgeworfen, dass sie den Werth der verfallenen Polizen nidit 
in ihre Berechnungen aufnähmen "). Der Vorwurf scheint un- 
gerechtfertigt. Woher sollen die Aktuare die nöthigen Daten 
nehmen V 

In diesem Zusammenhange soll eine Klage besprochen 
werden, welche nur theil weise in direkter Beziehung zu der 
Bm Staad. Mehrere Zeugen, Mitglieder der froher erwähnten 
General Provident and Benevolent Institution zu BirminjL'ham, 
welcJie damals sehr hoch stand und auch vor der letzten Enqu§te 
als ein gesunder Verein ei"schien, sprachen sich gegen die 
Aufstellung getrennter Tabellen und Trennung tier Kassen aus, 
weUhe nach dem vorliegenden Gesetzentwurfe auch auf die 
alten Kassen übertragen werden sollte Augenscheinlich eine 
Erörterung, welche schon von Becher angestellt worden war. 
Die Trennung würde die BnchflUirung, sowie die Einzahlung 
der Beiträge erschweren, Veranlassung zu Betrug geben und 
den Vereinen ihre Stärke, nämlich die gegenseitige Unter- 
stützung der Kassen nehmen. Kin Zeuge hatte darin 
Recht, dass sich die Zahlungsfähigkeit einer Gesellschaft ohne 
Kassen t rennung berecluien lässt. Gerecht ist die Einrichtung 
jedenfalls nicht. Sie lässt sich entschuldigen, wenn in Folge 



>) qu. 1356-57 und q. 1600. 
*) qu. 1811, 1852. 
^) qu. 1390-1400. 
*) qu. 150Ö. 
QU. 1239. 

Wird jedoch von einem Zeugen bestritten, qn. 1556. 

') qu. Ö71— 578. 

qu. 595—630 und 1454 ffg. 



Digilizoü by CoOglc 



V. 1. 



285 



der Einführung: derselben die Verwaltun*jsko?ten sich so steigeni, 
dass diet^elben der Mehrzahlung an Prämien gleichkouinieii. 

Gegen den xw^ten Paragraphen sprachen mehrere Mit- 
glieder und, wie uns scheint, mit vielem Recht. Von dem 
Standpunkt einer wohleingerichteten Versicherungsgesellschaft 
steht periodische Theilung des gesammten Vermögens im Wider- 
spruch mit allen gesunden Prinzipien des Versirheiiingewesens. 
Aber auch die periodische Theilung eines Theiles des Ver- 
mögens, vveldie <ler Gesetzentwurf verbot? Was ist die Ver- 
theilung der jährlichen Dividenden der grossen Vemcherungs- 
gesellschaften anders, als die periodische Vertheilung eines 
Thdles des Vermögens? Aber eine wohleingerichtete Wer* 
sieherungsgesellschaft , wird man entgegnen, hat sich vorher 
überzeugt, das^ sie allen Ansprüchen, welche in der Zukunft 
werden erhoben werden, gerecht werden kann. Sie vertheilt 
den Ueberschuss der Aktiva über die Passiva, nachdem sie 
vorher einen Bruchtheil derselben dem Reservefond überwiesen 
bat, kui-z: sie vertheilt den Gewinn. Wenn nun die HilCs- 
kassen auch nur ihren Gewinn vertheilt h&tten, oder das, was 
bd der eigenthttmlichen Verfassung ihrer Kassen ihr Ge- 
lrinn war? 

Die theilenden Vereine, welche sich bei dem Ausschusse 
(iehtir verschafften, hatten nur eine Durchschnittsprämie für 
die Altersperiode von 18 — 30 Jahren, über welche hinaus Nie- 
mand angenommen wurde. Am Ende jedes .Iah res wurde uacli 
folgenden Gmnds&tsen ein Theil des Vermögens vertheilt 
Der wöchentliche Beitrag betrug 2 s. 4 d. Davon wurden 1 s. 
111 für die Krankenkasse, 1 s. für die Ueberlebenskasse, 4 d. 
für die Verwaltungs- und andere Kosten verrechnet. Von dem 
Vielfachen von 1 s. 11 d. werden die Krankheitsunterstützungen 
und das Gehalt des Arztes abgezogen. Für jedes Mitglied 
werden 5 Schillinge für die Invaliditätskasse M abgeschrieben, in 
welche ausserdem ein abgestuftes Eintrittsgeld Üiesst. War 
ein Defizit vorhanden, so musste es durch Umlagen beglichen 
werden, stellte sich ein Gewinn heraus, so wurde er unter die 
„freien" Mitglieder vertheilt Dies ist das in der englischen 
Arbeiterversicherungsliteratur manchmal erwähnte ,Birmin!7ham 
Principle'. Wir überlassen die Beurtheilung des Prinzips dem 
Leser und führen nur noch die Betrachtuni:<'ii eines andern 
Zeugen, eines Arbeiters, an. „In einer registrirteu Gesellschaft," 
sagt er sehr richtig , „in der keine Theilung dea Vermögens 
herrscht und die Beitrilge ungenügend sind (und es giebt deren 
ungeheuer viele) wird ein Mitglied, wenn es gesund ist, aller 

^) Die iDTalidit&tskasse nicht in verwechseln mit einer AUersrenten- 
kasse! Wenn J«iiiiiid 12 Monate krank gewesen war, erhielt er ans den 
ihavaliditAtskassen nur noch 4 8. wöchentlich. 

«; qu. im 



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286 



V. 1. 



Wahrscheinlichkeit nach ein langes Leben hindurch zahlen, 
und wenn die Zeit der Krankheit kommt (es mag vielleicht 
keinen Pfennig erhalten haben) ist das Vermögen wrt; es ist 
zu alt, um einem andera Verein beiratreten, und Nichts als 
das Armenhaus liegt in vielen Fällen vor ihm." Vorher sagte 
er: ,,Tn einem Vereine, welcher sein Vermögen theilt, werden 
Wenige dumm genug sein, eine Alterspension zu versichern. 
Jeder erhält sein Krankengeld, sein Begräbnissgeld und einen 
Theil seiner Beiträge zurück; er erhält alle Vortheile des 
Geldes, so lange es Geld zu tfaeilen giebt^).** 

Der dritte und vierte Paragraph regten su mannigfiichem 
Widerspruch an. Die Vertreter fast aller Vereine sind wohl 
geneigt, der Regiening die verlnngte Information zukommen 
zu lassen, sie sind von der Wichtigkeit und "Nothwendigkeit 
derselben überzeugt. Sie haben aber keine Lust, eine Guinea 
dafür zu zahlen, der Satz sei viel zu hoch. Die Aktuare 
zweifelten, ob die ausgeworfene Summe für die Aufstellung 
einer Bilanz genttge. Einer der Aktnare, Jones, glaubte, dass 
die Summe hinreichen wQrde, wenn die Vereine ein Formular, 
welches er einreichte, verwenden wollten. 

Andere Zeugen hielten es für richtig, künftige Gesell- 
schaften füV Einreichung der Berichte zu verpflichten, aber die 
alten Vereino davon zu entbinden. Die Sekretäre dei-selben 
seien nicht im Stande, die Berichte zu machen, auch wenn sie, 
was meistmis nicht der FaU sei, die nOthige Intelligenz be- 
sAssen. denn sie kennten das Alter der Mitirlieder nicht >). 
^eh glaube, ein grosser Theil -der Berichte wOrde gar nicht 
gemacht werden, oder, wenn sie gemacht würden, würden sie 
so sein, dass Niemand sich darin zurechtfinden könnte, und 
wenn man sich darin zurechtfinden könnte, würden sie falsch 
sein so sagt ein Landgeistlicher. Ein Sekretär eines alten 
Klubs meint, „der dritte Paragraph würde uns ruiniren 

Wir haben im Vorhergehenden die Einwfirfe gegen den fünften 
Paragraphen schon berOhrt Die alten Gesellschaften schienen 
den meisten Zeugen in so schlechtem Zustande, dass es unklug 
sein würde, sie zu reformiren. Man solle sich darauf be- 
schränken, die künftigen Gesellschaften in richtige Bahnen zu 
lenken 

Auch der sechste Paragraph fand begrüudeten Widei-sprueh. 
Wurden die Berichte veröffentlicht, dann mfissten viele Kassen 
unfehlbar zusammenbrechen. Die jüngeren Mitglieder wfirden 



») qo. 1434. 

^) qn. 7S3. 

qu. lÜOO. 
*) qu. 1599. 

qu. 924 u. 1.511. Ein Zeiipe erklärt die Kinmiscbung des Staates in 
die Angelegenheiten alter, schlechter HiUskassen ttir eine Verletzung 
erworueuer Itecliteü q. 1800. 



uiyki^cü üy Google 

1 



V. 1. 



287 



sich entfernen, wenn sie könnten, Zufluss von jungen Mitgliedern 
würden sie nicht mehr haben, and so mUsäten sie bankerott 
werden 0« Man rietb an, den ÄnssehOasen der Vereine den 
Stand ihrer Kasse priyatim nütsntheilen % Dieser Rath war 

offenbar sehr schlecht. Befolgte die Regierung jenen Weg, so 
machte sie sich zum Mitschuldigen der Vereine, welche ihren 
alten Schlendrian weiter pinfren. Wollte ein Verein sich aut 
eine gesunde Basis stellen, so niussto er entweder seine Ein- 
nahmen erhöhen, oder seine Ausgaben vermindern. Das konnte 
ohne Vorwissen der Mitglieder nicht geschehen. Im Falle ein 
Verein sich wirklich reformiren wollt^ musste er ehoi&Us den 
Austritt von Mitgliedern und Mangel an allem Zufluss befürchten. 
Es war also in dem Rathe das Gesttodniss eingeschlossen, dass 
die meisten alten Hilfskassen sich in einem so trostlosen Zu- 
stande befänden, dass sie nieht mehr zu retten waren. Dieses 
Geständniss werden wir auch noch bald hören. Hier hätte 
nur der Zwang des Staates helfen können, welcher jedoch bei 
dem freiwilligen Charakter der Kassen unmikglich war. Im 
Zusammenhange mit diesen Erörterungen wurde die Schaffung 
einer Hilfskasse zweiter Ordnung angeregt Sobald sich eine 
Friendly Society zahlungsunfähig erweise und nicht in einer 
gewissen Zeit zahlungsfähig geworden sei, solle sie von allen 
pekuniären Voilheilen ausgeschlossen werden, und nur das 
Recht zu klagen und verklagt zu werden haben 

Wir haben damit das legislative Gebiet verlassen und sind 
in eine Zustandsschilderung der Hil&kassen eingetreten, ohne 
jedoch alle Forderungen und Wünsche an das Parlament he- 
spi-ochen zu haben. Da aber die Kenntniss der Lage der 
Hilfsvereine er?t die weiteren Klagen und Wünsche recht be- 
urtheiien lässt, mag der Faden der Darstellung einen Augen- 
blick hier abgebrochen werden. 

Was wir von dem Zustande der meisten freundlichen Ge- 
sellschaften hören, gewfthrt kein wesentlidi milderes BOd» als 
wir früher zeichnen mussten. Die Miti^eder leben fortwährend 
in Zank und Streit*). Oefters kommen Klagen vor den Richter, 



1) qu. 1361 und 655. 
•) qn. 1414. 

») qn. 142:3. 

*) qu. 2311 und 2319. Die Sueitiskeiten haben theilweise eine recht 
humoristische Seite. IHe 8tetnt«n liiMl sawditii to vag abgefosst, dass 
Hader nothwendigerweise entstehen muss. In einer Lojre soll jedes 
Mitglied auageschlouen werden, welches sich ,eTil pructices' schuldig 
mdit EiiM HilftlottM hat fai ihnn Statuten ta lobaltivonen Paragraphen, 
„dass sie nach den besten Prinzipien verwaltet werden soll". Nun entsteht 
die Frage, welches ,evil practica' und beite i'rinzipien sind. Dies tMhxt 
m heftigen Feindseligkeiten. Der eine Zeuge empfienlt, dus derRegistrar 
auch dem Wortlaut der Statuten seine Auftnerksamkeit schenkec mö^e, 
lind dA»8 gewisHo .Modellparagrapben' in die «Statuten jedes Vereins ein- 
geschüben werden sulleu. qu. 2815. 



» 



288 V. 1. 

dass sie Mitglieder ungerechterwpise auszuschliessen suchen 
„Sobald ein Mann alt, krank, invalide wird, bietet man Alles 
auf, um ihn zu reizen und ihm das Leben sauer zu machen, 
ihn zu beobachten, zu tyrannisiren und we^jen eines Verstosses 
gegen die Statuten auszustossen." Daraus schliesst der Zeujje, 
ein Laudgeistlicber , der mitten im Leben steht und an der 
Verwaltung dner Kasse betheiligt ist, dass eise gute Krauk- 
heitsstatistik neeh gar nicht existire, „weil jene Leute in dem 
Vereine als Kranke hätten bleiben sollen, aber, da sie aus- 
geschlossen wurden, erscheinen sie nicht in den Berichten*).* 
Ein Friedensrichter erzählt, dass selbst jetzt noch zuweilen die 
Vereine aufgelöst werden, um ihre alten Mitglieder los zu 
werden-'). Getjen solche Verofewaltifzungen wüssten sich manche 
Mitglieder nicht zu helfen, da sie die gesetzlichen Bestimmungen 
nicht kennten*). Auch sonst hören wir, dass eine grosse Un- 
wissenheit herrscht. Die Arbeiter treten in die Vereine ein, 
ohne die Statuten zu kennen^). In den kleinen Vereinen 
herrscht ein blindes Vertrauen zu den Sekretären, welche je- 
doch manchmal nicht von den höchsten Moralprinsipien gelltet 
werden^ und durchaus unfähig sind, einen Verein nach Ver» 
sicherungsgrundsätsen zu leiten*). In einem Falle lesen wir, 
dass mehr als ein Viertel silmmtlicher Einnahmen von der 
Verwaltung ver8chlungen wird Von der Unkenntniss der 
Elemente alles Versicherungswesens zeugt auch die Thatsache, 
dass die Arbeiter in die Kassen strömen, welche die niedrigsten 
Beiträge erheben und die grössten Untersttitzungen vei*sprecben. 
Diese ungesunde Konkurrenz lasst die Bierwirthe floriren und 
tüchtige Vereine nur selten aufkommen^). „Es giebt ung^ihr 
1700 Wirthshftuser (in Birmingham),** sagt ein Arst, „und die 
Annahme wird der Wahrheit nahekommen, dass von je dreien 
zwei einen Klub haben, und einige haben fOnf oder sechs ^®). 
Die Majorität alter Kassen hält ihre Versammlungen in Bier- 
häusern ab^'). Bei der Unmässigkeit und Unwissenheit des 
englischen Arbeiters wird dies für ihn eine Bahn zur Verführung, 
der er nicht widei-stehen kann , die ihn und seine ganze Fa- 
milie ruiuirt^-;. Für eine IlilMasse, eine Loge der Manchester 



qu. 2430-32. 
*) qu. 10.>5. 
«) qu. 2:3:37. 
*) qu. 1061. 

qu. 1761. 
•) qa. 960-963. 

1162— U60. 
^) qu. Iü83. 

») qn. 1445, eSS und 952. 

'») qu. 126.3. 

") (^ii. 1264, 

1- urchtbare bcliil.ierungeü qu. 126o— 1270 uud 1436—52. 



L-iyui^uü Oy VjOOQle 



2S9 



Unity» ob eingeschrieben, geht nicht aus dem Texte hervor, 
deren Ausgaben im Jahre 1848 aber 795 j^ betrugen, berechnet 
ein Zeuge, dass sie etwa 229 £ ausgesehen haVien würde, hätte 
sie ihre Versammlungen in einem Privathause abgehalten. Für 
Bier haben sie 475 i^, an Begräbnissgeld 314 ii' ausgelegt*). 
So wird der Wirth, obgleich er zu den Tugenden der Spar- 
samkeit und Vorsicht ermuntert, der grösste Feind des Ar- 
beiters, weil dieser noch keine Selbstbeherrschung erworben 
hat, seine Interessen nicht Tersteht Wenn die Mitglieder ver- 
stftndig und mftssig sind, ist das Tagen in einem Wirthshause 
am billigsten*). Finlaison's Aussage, dass die Mitglieder in 
den letzten Jahren sehr bereitwillig auf den alten Gebraudi 
verzichtet hiitten, einen Theil der Beiträge auf den Biergenuss 
zu verwenden . beweist leider Nichts für die Massigkeit der 
Mitjjlieder, da dadurch die Beitrage geringer wurden, und sie 
nun die Perne aus ihrer Tasche nahmen. 

Ein Itesoüders schlechtes Licht wii-ft Folgendes auf die 
alten Mitglieder. Gewöliulich sucht man die Vorliebe der 
Khibe Hr die Einheitspilhnie aus der mangelhaften Ihtelligens 
der Mitglieder zu erklären. Von einem Geistlichen, der anter 
der arbeitenden Bevdlkerung einer grossen Industriestadt lebte, 
wird die Gründung einer Hilüdcasse so geschildert: „Sie werden 
bei der Gründung einer Kasse wahi-scheinlich finden, dass 
etwa 19 oder 15 alte Mitjilieder sie begründeten und die Sta- 
tuten machten; sie suchen junge Mitglieder um sich zu 
schaaren, ui]^ jene alten Mitglieder werden auf Kosten der 
jungen leben, bis die Jungen es herausfinden, dann werden 
Diese versuchen, die alten los zu werden"*). Werden die 
Jungen alt, so müssen sie danach streben, uneifahrene 
junge Leute an sich su locken. So spinnt sich die Kette von 
Selhststtcht, Hass, Strdt yon Generation zn Generation fort 
Die Existenz der Vereine beruht auf dem ewigen Betrüge der 
Alten an den Jungen !" ^) Diese Darstellung wird durch einen 
Aktuar bekräftigt. „Fs ist eine gi-osse Neigung bei den alten 
Mitgliedern vorhanden" sagt er, „die Beiträge dadurch zu ver- 
mindern , dass sie eine Eiuheitspritniie aufstellen , und so die 
Jungen für sich zahlen lassen ; und gewöhnlich wird 
ihnen auch bedeutet, dass es im Piinzipe un- 
gesund und nicht räthlich ist, aber meistens 
gelingt es ihnen, die Jungen auf ihre Seite su 
bringen und ihre Absichten durchEUsetzen.'* 0 



qu. im 
S) qu. 1630. 
») qu. <395, 69Ö. 
*) qu. 1775. 
*) qu. 1770. 
•) qu. 924. 



240 



V, 1. 



Der bekannte Aktuar Finlaison sagt aus, dass von allen HilUs- 
kassen, die von ihm certiücirt worden seien, 82 % eine einzige 

Prämie hätten 

Kann man sich da noch wundern, dass fast alle Kassen 
zahlungsunfähig oder bankerott waren? Ein vorurtheilsfreier 
Beobachter wird dies ans den YOilierrschenden Thatsachen, aus 
der Angst der Vereine vor einer gewissenhaften Schätzung und 
einer Veröffentlichung des Resultates entnommen haben« Doch 
sollen der Gründlichkeit der Darstellung wegen noch einige 
Belege folgen. 

,The m«jor part are insolvent* (Neison) >). ^ I shonld 
say the great majoiity are insolvent withont any doubt wha- 
tever (Ansell)*). — Do you mean to eontemplate all the old 

societies going to min? Thcy must in general go to min. 
I know they are going every day; they must go to min. 

You give them iip as a hopeless case? I am sorrytosay 
I do*). (The Rev. Uodgson.) 

I am afraid that veiy few of the old societies which are 
managed by themselves are Bolvent at this moment^). (Der> 
selbe.) 

In your judgement, are the miyority of the sodetiee thas 
you have had cognizance of, solvent er insolvent? — In- 
solvent'). (Jones, Aetuar.) 

Th^ are in a most dreadful condition, a la^e proportion 
of them ( Jenkins, Sekretär einer HilfiBkasae) 0. 

Ein Arbeiter sagt ans: They have almost universally 
broken np, I may say, in all patts of the oonntry, and the 
eff(Bcts have been very disastrous '). Der Registrator ghiabt, 
dass von den 15 000 Kassen, welche er r^jstrirt hat, nnr nodi 
12000 exi8tiien<»). 

Ans einer Birmingham er Armenhausstatistik ersehen wir» 
dass unter 152 Männern sich 73 befanden, welche einem Klub an- 
gehört hatten. In 61 Fällen hatte derselbe bankerott gemacht. 
Unter diesen hatten 25 alte Männer einem Klub 12 Vi» Jahre, 
10 llVi Jahre, lü 137« Jahre, und 7 selbst 227« Jahre an- 



1) an. 688. Siehe auch desien Auesase aber die Tendeni alter Mit- 
aüeder, sich auf Koeten der Jitogen so venieheni. qa. 681. 

'-') qu. 14. 
^) riU. 810. 

*) qa. 1067,1068. 
N qu. 1011. 
*j qu. 

qn. 550. 
») qu. 1491. 
*) qa. 2574. 



. üd by Google 



V. 1. 



241 



gehört Von der Alresford und Winchester Union Hegt folgende 
Statistik vor. Unter 59 Annen hatten 29 einem Klub anpehöi*t 
In 20 Fällen hatte der Verein bankmDtt gemacht In 5 Füllen 

hatte der Mangel an Arbeit den Annen znm Austritt trezwungen, 
in 4 hatte er die Sta<it verlassen, wo der Klui) sich befand. Vier 
mitpezäblte Anne waren noch Mitglieder eines Klubs, der sie 
nicht vor der Schande schützen konnte Bekanntlich gaben 
viele Kassen invaliden und alten Personen so wenig, dass sie 
nicht davon leben konnten und an ihrem Lebensabende doch 
zur Armenkasse ihre Zuflucht nehmen mussten Oder die 
Mitglieder konnten nur für eine beschränkte Zeit ▼ersidiem, 
dauerte ihre Krankheit län^^er, als z. B. ein Jahr, so wurden 
sie entweder aus dem Mitgliederverbande entlassen, oder sie 
erhielten ^ 2 o^'^^' V3 des frtiheren Krankengeldes. 



eines Friedensricliters liberein, cTass in den allermeisten 
Fällen, in welchen er einen Schiedsrichterspruch durchzu- 
setzen hatte, die Weigerung des Klubs au dem Maugel von 
Vermögen lag^). 

Fragt man nach den Gründen dieser trostlosen Zustände, 
80 erhalt man immer die Antwort: Schlechte Tabellen, schlechte 
Verwaltung, Fall der Löhne I Konnten Menschen auf dieser 
Stufe psychischer Bildung bessere Tabellen annehmen, eine 
bessere Verwaltung haben? Und wenn sie bessere Tabellen 
gehabt hatten, konnten sie in Anbetracht der bestehenden Er- 
werbsordnung höhere l'raniicn bezahlen ? Konnten sie über das 
Nächste hinaus Vorsorge treffen? „Ich glaube nicht," sagt 
Ansell, -dass die arbeitenden Klassen in der Lage sind, eine 
Altersrente zu bezahiea*)." „Was die Altersrente betrifft, so 
ist leider die Prämie so hoch, dass wir die Leute nicht d*izu 
bewegen können, sie zu nehmen, besonders da aller Wdbr- 
sdieinliehkeit nach die Löhne abnehmen werden^),*' meint «n 
Landgeistlicher. Tnd welcher Arbeiter kann den Fall der 
Löhne im Wirthschaftssysteme der Konkurrenz hindern? Nie- 
mand. Auch die (icwerk vereine können nur ein Palliativ- 
mittel reichen. Einschneidender wtlrde erst eine Krisen- 
steuer wirken, welche den Unternehmern auferlegt würde. 
Auch diesmal wieder wird ausgeführt, dass die Altersver- 



') qu. 14'.tl. 

-I Was wird aus ihnen nach dem 70. Jahre? Sie müssen sich von 
der Pfarre ernähreD lassen. (They must go to tlie parish.) uu. 1117. 
») qu. 2.327, 2m 
*) qu. 8.5'"». 

^) qu. 1112. — Wenn Lühue fallen, nimmt die Inanspruchnahme der 
KuK za, da di»*UiitentiltiiiDg88atz nun nur unwesentlich geringer, als der 
Lohnsatz ist. Zwei Geullachaflen bankerottirten detshalb in einer kleinsii 
Stadt, qu. l->60. 



Mit dem Tone dieser Notizen 





242 



V. 1. 



Sicherung sich nicht für freiwillige Hilfekassen eigne. Sie möge 

vom Staate übernommen werden ^). 

Was hatten also die freiwilligen Hilfskassen . obwohl sie 
fast 60 Jahre hindurch von der Gesetzgebung unterstützt worden 
waren bis dahin geleistet? Die meisten versprachen für eine be- 
grenzte Zdtdauer ^n nuissiges Krankengeld, and nach der Zeit 
eine Summe, die das unglückliehe Ifilglied nicht vor dem Ärmen- 
haose schützte, und sie zahlten beim Tode eines Mitgliedes eine 
Summe, welche die Hinterbliebenen vor den nächsten Nöthen be* 
wahrte. Eine Invaliditäts-, eine Altei-svei-sicherunfz , eine Ver- 
sorgung für Wittwen und Waisen war meistens niclit vorbanden! 
Und auch das Wenige war ungewiss, da täglich Hilfskassen 
bankerott machten und die meisten zahlungsunfähig waren. 

Max Hirsch meint in seinem bekannten Buche Ober das 
Hilfskassenwesen , dass Zahlungsunfähigkeit für eine Ver- 
sicherungsgesellschaft nicht Bankerott bedeute. Das ist ganz 
richtig. Wenn ein Klub, nachdem ein Aktuar das Vermögen 
d. h. den gegenwärtigen Werth der künftigen Beiträge nicht so 
hoch gefunden hat wie den gegenwärtigen Wei th der in der Zu- 
kunft fälligen Unterstützungen, ihn also zahlungsunfähig er- 
klärt hat, wenn dieser Klub nun emstlich an die Reform geht, 
eine einmalige Umlage ausschreibt, seine Beitrage eriiöht oder 
seine Unterstützungen vei-mindert, sein Vei niögen zu höherem 
Zinsfnsse ausleiht, vielleicht Geschenke von Ehrenmitgliedern 
erhält, einen vorübergehenden Fall in den Staatspapieren zur 
Anlegung seines Vermögens benutzt, dann kann er möglicher- 
weise zahlungsfähig sein. Dazu gehört aber mehr Intelligenz, 
als die meisten Mitglieder besitzen, und vor Allem guter Wille 
Aber wir lesen gerade, dass es den Klubs an allem guten 
Willen fehlt, ihre Lage zu verbessern, dass sie den bestge- 
meinten Rathschlägen widerstehen. ,Fast ausnahmsweiseS sagt 
Ansell aus, ,sind die Mitglieder am besten mit dem schmeichel- 
haftesten Berichte über ihre Angelegenheiten zufrieden, und so 
lanpe sie Geld zur Verfügung haben, wollen sie sich nicht da- 
von überzeugen lassen, dass ihre Kasse ungesund ist^).' In 
Mnem Falle, wo er dem inteDigenteren Elemente einer grossen 
zahlungsunÄhigen Hilfekasse, 40 Delegirten, welche 8000 Mit- 
glieder vertraten, ihre Lage auseinandeiigesetzt hatte und ihnen 
die Reform an's Herz legte, gelang es ihm nicht, sie trots 
wiederholter Versammlungen zu überzeugen*). 

Finlaison's Urtheil ist noch kräftiger. 

.Glauben Sie nicht', sagt der Vorsitzende, ,dass es 
wünschenswerth wäre, wenn die Hilfskassen mit dem wirk- 



i) qu. 1839. 

S. 105 ffg. 
•) qa. 786. 
^ qo. 787. 



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243 



liehen Zustande ihrer Zahlungsfähigkeit oder ZahlttngsunfiUiigkeit 

bekannt gemacht würden ? jch glaube wahrhaftig nicht, 
erwidot Finlaison, so weit ihre eigenea InteresseD in Frage kommen, 
dass sie davon unterrichtet zu werden wünschen.* 
,Glauben Sie nicht, dass es vom staatlichen Standpunkte 
aus im höchsten Maasse wünschenswerth ist, dass sie über ihre 
wirkliche Lage aufgeklärt würden?' Jch weiss nicht, wie man 
das anfangen könnte, es sei denn dass man sie in so 
strenge Zucht nähme, welche diese Vereine 
wahrscheinlich auflösen würde 0 ' — Mit andern Wor- 
ten: Allein gelassen gedeihen die freien Hilfekassen nicht; legt 
man ihnen solche Bedingungen auf, dass sie in heilsamen 
Bahnen wandeln müssten, dann gedeihen sie ebenfialls nicht. 
Die gewöhnliche freie Hilfskasse ist lebensunfähig. 
Finlaison spricht damit die geheimste Ueberzeugung aller ge- 
bildeten Politiker aus. So erklärt sich die eigenthümliche 
englische Volkswiithschaftspolitik in Beziehung auf das Hilfs- 
kassenwesen, die zum mindesten lialb ist, die die Hilfskassen 
nicht resolut auf die eigenen Füsse stellt und ihnen nicht re- 
solut solche Bedingungen auferiegt, welche moralisch und intel- 
lektudl durchgehildete Mftnner als ndthig anerkennen wlUrden. 
KoDseqoeute Politiker sehen denn auch klar, dass nur ein 
staatliches Zwangsversichei-ungswesen den arbeitenden Klassen 
die Wohlthaten, welche die fräwilligen Uilfskassen versprechen, 
sichern kann. 

Solche Urtheile wie die von Ansell und Finlaison ange- 
gebenen, kehren überall wieder. Damit die Darstellung nicht 
einseitig erscheine, lassen wir noch die Mittheilungen einiger 
Mitglieder von Hilfskassen folgen. J. Dyer sagt aus, dass 
Hilfskassen, welche einige hundert Pfiind besitzen, sich in der 
gtitaizendsten Lage zu befinden glauben >)• Eine Hilfekasse 



2 qn, 741, 748. 

^ Aehnliche Anschauungen bis in die mittleren und oberen Klassen 
hinein. Man schätzt Versii herungsgesellschatten nach der Grösse der 
Ka{)it&lien. bcbr belelirtiod ist lolgende (auf Erfahrungen beruhende) Tabelle: 



Geseilscbalt 


Vermögen | 
pro Mitglied 
von 


Uebertehnti 


Pefieit 
von 


A 


682 £ 


2577 £ 




B 


511 £ 


3973 £ 




C 


28 £ 


701 £ 




D 


21 £ 


9555 £ 




B 


18 £ 




mi£ 


F 


6Va £ 


2m £ 





(Observations on Odd i< ellows and Friendlj Societies.) 14. Aufl. 

16* 



244 



hfltte bestimmt, dass ihr Vermögen immer nur 100 £ betrafen 
sollte ; ein einziges Jahr mit hohem Krankheitssatze warf sie 
nieder V). Diese Aussa^re beweist nur Mangel an Vei-ständniss 
flir (las Veisicherunf^swesen. Von bösem Willen Folgendes. 
Mr. Silby ist Mitglied eines Vereins zu Greenwich, der ein 
Vermögen von 8 000 £ besass. Einigen Individuen fiel es ein 
die Behauptung zu verbreiten , die Regierung wolle das Ver- 
mögen desselben konfisciren. Eine VersammUinjr wurde zu- 
sammenberufen uiul vorgeschlagen — nur 1 800 £ zu ver- 
theilen. Konse<|uenter wiire es jedenfalls j^ewesen, das Ge- 
samnitvermögen zu vertheilen; wesshalb dem Staate 1200 ^ 
überlassen? Als Silby dagegen sprach, bemächtigte sich eine 
solche Wuth der Mitglieder, dass er befürchtete vom Tische 
fortgeschleudert zu werden. Die Majorität stimmte für die 
Massregel. Jedes Mitglied erhielt 7 £. Ein Arbeiter betrank 
sich so, dass er starb, ein anderer verlor seinen Antheil, ehe 
er seine Wohnunix erreichte. Der Verein sank. Nichtsdesto- 
weniger wurde vor nicht lan^^r Zeit wieder vorgeschlagen, das 
Vermögen „bei den Mitgliedern zu deponiren"*, da *ler Staat 
die armen Leute wieder ihrer Ersparnisse berauben wolle*). 

Nachdem wir der Erörterung der ReformbedQrftigkeit der 
Hilfskassen so viel Raum gewidmet haben, beobachten wir den 
EinHuss des Zusammenbruches der Kassen auf die Aiboiter. 
Sie werden vdii einem Arbeiter klar in Folgendem geschildert: 
,Wenn ein Mensch viele Jahre gekämpft hat und sein Lohn 
unzureichend ist, um die Bedürfnisse seiner Familie zu be- 
friedigen, und er hat sich selbst ein Opfer auferlegt, und er geht 
des LoMies ftr seine Entsagung im Alter und in Invalidität ver- 
lustig, dann ist, wie mir scheint, eine starke Tendenz vor- 
handen, Sorglosigkeit, Ünmässinkeit hervorzumfen')'. Sie 
erkennen wohl, welchen Nacfitheil ihnen der Bankerott der 
Vereine zufügt, sie möchten gerne in hossere Kassen eintreten, 
sie haben eine Abneigung ge^jen Arnienuutersiützung*). aber 
sie betrachten mit Misstrauen Alles, was der Staat zu ihrem 
Besten thun wiU. Demagogen, Bierwirthe, betrügerische Se- 
kretäre regen sie gegen diesen Staat auf, der ihre 
Freiheit beschränken wolle. Ein intelligenter Arbeiter macht 
das schwermüthige Gestilndniss: „Die Ungebildeten würden 
sich gegen fast Alles erheben, was die Rejrierung zu ihrem 
Besten vorschlagen möchte ''). ' Ein Handwerker, dessen Zeug- 
nis« zu dem Besten pehort, das abgegeben wuide, meint: ,1 
think all e.xpeiience shows that the common sense of the people 



qu. im 

2j qa. 1707-1718. 

») qa. 1654. 

*) qu. 1402-U96. 

qa. 1724. 



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V. l. 



245 



has beeil very had sense to the pi esent tine * Er ist auch 
so aufceklilrt zu erkenneu, „dass ein Gesetz als eine Be- 
schränkung der persönlichen Freiheit euipfunden werden und 
doch dem IndiTidnum Gutes thun mikshte*). 

Hätten alle Arbeiter diese Höhe des Verständnisses 
erreicht, dann wäre es leicht, die Hilfskassengesetsgebung 
mit eini'jen Paragraphen in creordnete Bahnen zu lenken. 
Aber die Massen liesitzen sie eben nicht, und tMn von dieser 
Masse abhängiges l'arlanient, dem kein knifti^es Köni^-'thum 
zur Seite steht, ist unfähig, eine sociale Frage dieser Art zum 
Wohle der arbeitenden Klassen erfolgreich zu lösen. Mit jeder 
Aosdehnung des Stimmenrechtes wächst diese Gefahr, es sei 
denn, dass man unter den Massen zu gleicher Zeit höhere 
Vorstellungen vom Staate verbreitet. Das ist jedoch sehr un- 
wahrscheinlich , weil r)i('i(Miigen , welche die Ausdehnung des 
Stimmrechtes am enei uischsten betreihen, keine edleren und 
würdigeren Ansichten vom Staate zu verbreiten haben . und 
Uiejeuiijen, welche ein neues Ideal aufstellen könnten, Gegner 
der Ausdehnung des Stimmrechtes sind. Wenn man diese 
Zastände überdenkt, kann man sich nicht genug wundem, 
dass einige Zeugen meinen , die Regierung solle sich nicht so 
viel um die Hilfskassen bekümmern. Die Hauptsache sei eine 
gute Verwaltung. AVenn der Verein sich kräftig gegen Betrujr 
wehre, sein Tiehl gut ausleihe, nur gesunde Mitglieder aufnehme 
u. s. w. könnten manche Schwächen ausgeglichen werden. Dar- 
an kann ja kein Zwdfel sein , dass eine gute Verwaltung viel 
vermag. Aber die Frage ist die: Wie sollen sich Menschen 
auf der Stufe intellektueller und moralischer Bildung eine gute 
Verwaltung verschaffen? Unter solchen Umständen ist es 
doch wichtiger, dass der Staat Zwangsbestimmungen vorschreibt. 

Ja, wenn die Menschen eben andei-s wären, wie lei<ht 
liessen sich dann jugendliche Reformvorschläge verwirklichen! 
Wenn jeder Arbeiter sein genügendes Auskomnien liätte, die 
Konkurrenz immer segensreich wirkte, Krisen nur im medizi- 
nischen und dramaturgischen Sinne bekannt wären, jeder Ar- 
beiter seinen Mill und Spencer mit Erfolg studirt hiUte, edlei-e 
Vergnügungen den Reiz der Spirituosen und der proletarischen 
Vermehrung gedämpft hätten, jeder Arbeiter in jedem Kollegen 
den Bruder verehrte, jeder Bierwirth sich als Freund der 
Menschheit fühlte, alle Sekretäre Musterbilder an Intelligenz und 
Tugend wäi*en, die Aktuare kein hohes Honorar für ihre Mohe 
genommen hätten, im Parlamente nar Männer sässen, die sich 
weder vor dem Verluste ihres Mandates, noch vor andern Ge- 
iühren fürchteten, die weder den Massen zu schmeicheln, noch 
ans Selbsterhaltungstrieb das wohlerkannte Gute zu hinter* 



M qu. 1442. 
qu. 1439. 



246 



treiben suchen inüssten, Manner, die wie Götter thronend 
kein irdisches Interesse an socialen Fragen hatten, Parlaments- 
mitglieder, die im Besitze aller Staatsweisheit waren, und genie • 
Hunderttansende opferten, um den Arbeiteni entgegeimikom- 
men, anstatt jfthrlich Millionen an Armensteiiern aaszngeben, 
wenn weiter das Geschlecht der Hume in allen Staaten aus- 
gestorben wäre, die nur den Werth der nächsten Krsparniss 
sehen, aber nicht den Werth des verhinderten Gutes, ja wenn 
Dieses und noch manches Andere existirte, wie leicht liesse 
sich da Alles durch Vereinswesen, Selbstverwaltung und Par- 
lamentarismus lösen! 

Das waren die Zustande in den besseren, den eingeschrie- 
benen Hilfiskassen. Wenn aber, wie Tidd Pratt annahm, die 
Zahl der nicht eingeschriebenen Hilfskassen die Zahl der ein« 
geschriebenen überstietr ') , welche schleichende Krankheit 
musste dann in Gestalt des freiwilligen UiUskassenweseos am 
Marke des Landes zehren! 

Die weiteren Forderungen, welche an das künftige Gesetz 
gestellt wurden, lassen sich nun leichter beurtheilen. Die 
Vertreter der Liverpooler Begräbnisskassen wQnschen die Auf- 
hebung des Verbotes der Versicherunj? auf den Tod von 
Kindern unter ß Jahren. Diese Versichening sei ftlr die ar- 
beitenden Klassen eine grosse W^ohlthat. Damit alle Miss- 
bräuche verhindert würden, schlagen die Sekretäre vor, dass bei 
allen Todesfällen von einem Ai-zte oder dem Coroner ein 
Zeugniss über die Todesui-sache ausgestellt werden solle. 

Wir verweilen noch einen Augenblick bd einer Schilde- 
rung der Begräbnisskassen, da die Yorhandenen Schilderungen 
sich hauptsächlich mit den kleineren Hilfskassen, welche die 
MajoiitÄt aller eingeschriebenen ausmachten, beschäftigten. 
Die mannigfachen Gebrechen dci-selben, welche seit der Zeit 
mehr und mehr an's Licht gezogen wurden, treten hier schon 
ßrell genug hervor. The United Legal Friendly ßurial Society, 
die grMte Begräbnisskasee in Liverpool , stellt keine Kadi- 
forschungen Ober die Gesundheit der Kandidaten an, sie ver> 
langt keine Ausweise Aber das Alter derselben. Sie begnügt 
sich mit den Angaben , welche die Mitglieder zu machen für 
gut finden*). Die Beiträge werden von 14 Kollektoren einge- 
sammelt, deren Gehalt I2V2 ® o aller von ihnen eingesammelten 
Prämien beträgt. Dieselben nehmen ihre Pflichten nicht zu 
ernst. Wenn ein Kollector seinen Rundgang zwei Wochen 
hintereinander vernachlässigt, soll das Mitglied das Bureau 
benachriditlgen. Im Falle ein Kollektor die Einsammluiig 
4 Wochen versäumt und das Mitglied die Kasse nicht recht- 
zeitig in Kenntnifls setzt, hat es nach den Statuten alle An- 



') qu. 2M7. 
qu. 253. 



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V. 1. 



247 



?>rQch6 verwirkt. Doch sei die Praxis, auch in einem solchen 
inlle zu zahlen^). Wie geebnet die Wege flür den Betrug 
waren, im Falle ein Kollektor z. B. ein an einer tödtlichen 
Krankheit darniederlie^endes unverbeirathetes Mitglied nicht 
besuchte, ist leiciit einzusehen. 

Die Gesellschaft verhindert ihre Mitglieder nicht, in andere 
Begrilbuisskassen einzutreten. In diesem Schritte lag aber 
gerade die Versuchung ftkr manchen Arbeiter. Mit grosser 
Kaivetät Mgt der Sekratär der Begrabnisskasse ans, er kenne 
kein Beispiä, dass ein Mitglied mehr als 3 Vereinen angehdrt 
habe'). 

Von veiscliiedenen Seiten wurde dem Ausschusse die Aus- 
nierzung der Bestimmung, welche Mitglieder iiepen ihren 
Wunsch in einer Untei-stützungskasse festhielt, nahegelegt; es 
wurde ihm die einfache Wahrheit auseinandergesetzt, dass der 
Austritt eines Mitgliedes ftlr eine zahlungsfähige Kaase einen 
Gewinn bedeute; es wurde ihm erzählt, dass Mitglieder von 
Friedensrichtern mit Geldstrafen belegt worden wären, der 
Ausschuss konnte sich nicht von der .\nsicht losmachen, dass 
er dadurch den alten Mitgliedern schaden werde. So tief sass 
das Uebel, dass die Gesetzgebuni: nur die Wahl hatte, alte 
Leute ihrer Unterstützungen zu beiauben, oder den Betrug 
unter ihren Augen sein Spiel forttreiben zu sehen*). 

Ein Friedensrichter schlug vor, den Kassen das Schieds- 
gericht zu nehmen. Besonders ungerecht fand derselbe die 
Bestinnnunp, dass, im Falle das Schiedsgericht nicht entscheide, 
ein Mitglied 4n Tiv^v ninnchmal in der grösstcn Düi-ftigkeit 
zu warten habe, ehe es sich an den Friedensrichter wenden 
dürfe. Zuweilen versäumten die Kassen es überhaupt, Schieds- 
richter zu ernennen 

Jedoch mit der Reform der bisherigen Gesetzgebung, mit 
der vorliegenden Bill sei es nicht getiban, es müssten neue 
Wege betreten werden: diese Ueberzeugung wird von vielen 
Zeueren ausgesprochen. Eine grosse Behörde, welche den 
Hilfskassen Rath ert heilt, die volkswirthschaftliche Erziehung 
de^> Volkes stehen in versf liiedeneu Formen vor dem Geiste 
der Zeugen. Es «iurchzieht den Bericht ein wahrer Nothschrei 
nach frrander, nach Staatshilfe. Die ärmeren Klassen befürch- 
ten, in ihrer Hilflosigkeit unterzugehen, wenn ihnen keine 
rettende Hand gereicht wird Immer musa man sich jedoch 
erinnern, wenn diese Bedürfnisse vorgetragen werden, dass 
das Volk sich gegen Alles erlieV)en wird, was die Begiorung 
zu seinem Besten vorschlagen mag. 



M qu. 24'. 

qu. 29<j, 297. 
») qu. 1745-1784. 
«) qo. 2818-2315. 



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248 



V. 1. 



Hätte das Parlament jene Beliörde jjeschaffen , ao würde 
es neue Bahnen betreten haben. Der Plan an nnd fltr sich 
war jedoch bekanntlich durchaus nicht neu. Er taucht wie 

das Projekt der staatlichen Zwantisversiclierung uud des Kirch- 
spielvereins in der Geschichte der Hilfskassen immer wieder 
auf, wenn sich das B^wusstsein von der Unzulänglichkeit der 
freien Hilfskasse den Oeinütheni besonders stark aufdrängt. 

Sobald die Behörde aus dem abstrakten IJeiche der Be- 
griffe in das hellere der konkreten Gestaltung übertritt, nimmt 
sie verschiedene Formen an. Ks wird eine Erweiterung des 
Registrar-Office an^reregt^). Doch schmeckt sie zu sehr nach 
Einmischung des Staates, man befürchtet eine schablonenhafte 
Thfltigkeit der Beamten. Viel mehr Anklang findet ein Kolle- 
gium von Männern, weirbe mit der Kegistrirung Nichts zu 
Ihun haben. The Revud Hodgson nu>chie es <j:inz aus Gent- 
lemen und Geistlichen, die freiwillig ulme Lulia die>e Bürde 
auf sich nähmen, zusammengesetzt sehen-). Der Zeuge be- 
merkt leider nichts dass er einige Zeilen vorher den Gentlemen 
kein gutes Zeugniss ausgestellt hat, dass ihn die>e Herren bei 
der Verwaltung eines patronisirten Vereins völlig im Stiche 
gelassen haben. Dort fasst er nämlich seine Erfahrungen über 
den Eifer der Gentlemen in den Satz zusammen: „Männer 
von Eintluss und Ansehen bilden Ausschüsse (nändich zur Ver- 
waltung einer Hilfskasse), gewöhnlich unter der Einwirkung 
irgend eines Gentleman, welcher Andere überredet, sich an der 
Angelegenheit zu betheiligen. Der Geist, welcher sie 
ursprünglich belebte, stirbt jedoch bald ab»)." 
Es wäre falsch, Herrn Hodgson für einen Idealpolitiker zu 
halten. Er hält, wie die meisten Engländer, hartnäckig an 
gewissen traditionellen Anschaunniien und Formen fest , mag 
sich die Welt wandeln und verändern. Konsequenz ist seine 
Sache nicht. Er bemerkt nicht, wie die letzten zwanzig Jahre 
das selbstverwaltende England immer mehr zertrümmert haben, 
wie sieh das Berufsbeamtenthum immer stolzer erhoben hat, 
weil es den herrschenrien Klassen, wenige Ausnahmen abge- 
rechnet, an den Tugenden fehlt, welche die Grundlage aller 
Selbstverwaltung ausmachen. Er bedenkt nicht, dass sich 
damals die Klagen über die laxe Verwaltung der Sparkassen 
durch die Gentry mehrten, uud dass nichtsdestoweniger die 
Gentlemen sich gegen die Uebemabme jeder Verantwortlich- 
keit, im Falle der Sekretftr oder der Kassirer den Mangel an 
Beaufsichtigung zu Untei-schlagungen benutzte, mit allen 
Kräften wehrten. Als das Parlament im Jahre 1848 die Ver- 
antwortlichkeit der Treuhänder auf 100 £ festsetzen wollte. 



») qu. 193. 
') qu. 984. 
«) qtt. 977. 



V. 1. 



249 



schraken jene Klassen nicht davor zurück, den Einlegern ein- 
zureden, dass man in Westminster eine den Sparkassen schäd- 
liche Massregel plane. 79 000 Mitglieder petitionirten da- 
gegen. Au«£ die Presse stand auf Mten der unschuldig 
. Tmfolgten Oentlemen ^). Damals sagte Sir J. Gross ober die 
englischen Landjunker: „Ich finde, dass die eountxy-gentlenien 
.... bei der Gründung: von Sparkassen gerne ihren Namen 
als TreuliäTider hergaben, aber dass sie in allzuvielen Fallen 
in ihrer thätigen Mitwirkung naclilässig waren (in giving their 
personal Services), wodurch die Verwaltung fast ausschliesslich 
der zum Aktuar ernannten Person zufieP)." Dies Urtheil 
stimmt vollständig mit denjenigen, welche wir aus frQherer 
Zeit ZQ berichten hatten. 

Ansell, welcher bekanntlich in seiner Broschüre einer sol- 
chen Behörde das Wort geredet hatte, tritt auch hier wieder 
als Verfechter derselben auf Kr glaubt, es sei ausser- 
ordentlich wahrscheinlich, dass die Leute einen Rath, welchen 
sie nicht zu befolgen brauchten, genie freiwillig annähmen. 
Es erregt geradezu Heiterkeit, wenn man auf der folgenden 
Seite liest, wie die Blitglieder einer grossen Hilfskasse seinen 
mehrmals TOigetragenen wohlgemeinten Rath, ihre Friendly 
Society zu reforniiren, den sie nicht zu befolgen brauchten« 
auch wirklich nicht befolgten^. 

Wenn Ansell's Behauptung übrigens wahr ist, dass die 
Engländer einen guten Rath nur dann geme befolgen, wenn sie 
zur Annahme desselben nicht gezwungen werden können, dann 
mnss in der viel gerühmten Zurttckweisung der Staatsein- 
mischung doch viel krankhafter Eigensinn und viel Selbst- 
sucht liegen. Welche andere Seite gewftnne dann die Frage 
politischer und ökonomischer Freiheit. 

Viel verständiger als die Aussagen dieser die Einmischung 
des Staates fürchtenden Vertreter der wohlhabenden Klassen 
sind die Erörterungen eines Arbeiters. Er wünscht eine vom 
Staate eingesetzte und bezahlte Behörde^). „Es ist ebenso 
wieht^, mehit er, eine Behörde ftr die Interessen der Hil6- 
kasse, ala eine Kommission filr das Armenwesen und Inspek- 
toren für das Gesundheitswesen der StÄdte oder für irgend 
einen Erziehungs- oder andern öffentlichen Zweck zu haben; 
und ich glaube, dass das Geld, welches dazu verwandt wird, 
die arbeitenden Klassen zu lehren, sich selbst zu helfen, und 
ihncu zu helfen, sich selbst zu helfen, so gut angewendet wird, 
wie Geld Oberhaupt angewendet werden kann*)**. Eine fthn- 



1) Lewing, History of Banks for Sftfingl. S. 188. 

») Lewins a. a. 0. S. 14». 
•) qu. 774-781, Im flfg. 
*) qu. 786, 787, 
«) qu. 1422. 
•) qn. 1418. 



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250 



V. 1. 



]iche Aufl'assuDg spricht ein Geistlicher aus. Er meint, dass 
ein Staat, welcher sechs Millionen an Armensteuei-n, zwei Mil- 
lionen fQr die Vorbeugung yon Verbrechen atugebe, die wenigen 
tausend Ffond filr die Bezahlung einer solchen Behöide nicht 
stt scheuen brauche. Diese Aufgaben wttrden doch durch die . 
Vermindeninii der Armensteuem und der Verbrechen der Ge- 
sammtlieit wieder zu Gute kommend. 

Deutlicher als alle andeni betonen diese beiden Männer 
und ein Arzt -) die Bedeutung einer >Yirthschaftlichen Erziehung 
des Volkes durch die Regierung. Daneben soll in der ein- 
seinen Hilfekasse ein Zosammenwirken von Selbsthilfe und Hills 
der oberen Klassen stattfinden. Der erwähnte Arbeiter glaabt 
nicht, dass die Arbeiter im Stande seien, eine Hilfskassc ^nit 
zu verwalten. In den Vennnon , welche allein von Männeni 
der oberen Klassen verwaltet würden, herrsehe grosse Un- 
wissenheit unter den Mitgliedern; auch seien dieselben nicht 

Sopulär. Dagegen hält er eine Form des Vereins, in welcher 
ie oberen Klassen die unteren erziehen, indem sie dieselben 
über das Veraicherungsgescliiift aufklären, sie in allen theore- 
tischen Fragen mit ihrem Rathe uoterstQtzen , aber ihnen die 
eigentliche Verwaltung ganz überlassen , für die beste. „Ich 
glaube,'* sagt er endlich, „der ich selbst ein Arbeiter bin, sage 
es ohne jedes selbstsüchtige Gefühl, dass Viele, welche sich 
in höheren Kreisen bewegen, von den arbeitenden Klassen 
mne ganz Terschiedene Mdnung hegen, wenn sie mit uns zu- 
sammenwirken, und andererseits glaube ich, lernen die arbd- 
tenden Klassen in einer solchen Vereinigung die bestehenden 
Unterschiede achten und halten mehr davon 3).'' 

Wo sich das Ideal einer wirthschaftlichen Erziehung: des 
Volkes so in den Vordergrund drängt, zwingt es die Beti'ach- 
tung, sich einen Augenblick mit ihr zu beschäftigen. 

Wir sind der Idee und ihrer werkthätigen Verwirklichung 
nicht zum ersten Male begegnet Sie ist sehr alt Holyoake 
widmet in seiner bekannten «History of Co -Operation in Eng- 
land' den alten Kommunisten einige Seiten. Er erwähnt John 
Bellers, der dem Oberhause einen Plan vorlegte „by which the 
common people could be trained in theartoftakingcare 
of themseives". Und Lord Chief Justice Hall meinte, dass 
sound, prudent method for an industrious education 
of the poor will give a better remedy against this cor- 
ruptlon, than all the gibbets and whipping - posts in the 
kingdom'' 



>) 1822-1825. 

^ f thiok GovenuMBt nay matorially airitt edoeatfaig the people. 

qa. 1261. 

QU. 1411. 
*} 8. 88. 



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V. 1. 



251 



Dass sich diese Idee, in den oberen Klassen Englands er- 
halten hat, versöhnt mit manchen schwachen Seiten desselben. 
Sie zeugt von edlen Instinkten, von einem grossen (iemein- 
geiste. Sie muss auch Jeden an dem so oft ausgesprochenen Dogma 
zweifeln lassen, dass die Manehesterdoktrin der treue Ausdruck 
des englischen Geistes sei, auch wenn er die Betrachtung, dass 
die Methode der Manehesterleute der induktiven Verstandes- 
lichtung der Engländer ganz entgegengesetzt ist, und die an- 
dere, dass Smith und Mac CulUu-h Schotten waren, Ricardo 
ein Israelit war, nicht angestellt hat. 

Von welcher wirthschafilichen und ethischen Bedeutung ist 
die Idee, wenn sie verwirklicht wirdi Sie adelt den Geber 
und den Nehmer. Giebt es für einen begüterten Mann eine 
schönere und zugleich praktischere Verwendung seiner Müsse, 
als mit Rath und That den Armen und Bedürftigen zur Er- 
langung eines gewissen Wohlstandes zu verhelfen, anstatt sie 
ihren eigenen schwachen Kräften zu überlassen, sie im Wirbel- 
winde der Konkurrenz un»l der Wucherfreiheit untergehen zu 
lassen oder ihnen spater ein kärgliches Almosen zu reichen? 
Muss sie nicht den Geistlichen politischer Demagogie entfrem- 
den und seine Thätigkeit im besten Sinne nationalen Zielen 
zuwenden? Wie erhebend und reinigend muss sie auf das 
Gemüth dei- Frauen unserer mittleren und höheren Stände, ihren 
Gesichtskreis erweiternd , wirken, auf unsere Fr.iuen. die so 
häufig Nichts kennen, als ihre Familie, oder ihre Komane und 
ihre Vergnügungen — wenn sie im Dienste des Ganzen dem 
Elend und den tausendfachen Bedürfnissen der Aimen in's 
Auge sehen, und an der Hebung derselben mitwirken! Ist es 
dem treuesten und inteDigentesten Beamtenthum möglich, ans 
einer gewissen Ferne die Noth in all ihre Schlupfwinkel zu 
vei-folgen, wenn nicht die Bürger selbst in ihrer Nähe ihres 
Amtes walten? Nur dann lässt sich abmessen, was über das 
Vermögen der Einzelnen geht, nur dann der Punkt bestimmen, 
wo die gewaltige Macht der Gesammtheit einzutreten hat, die 
nunmehr für ihre grossen Aufgaben wohlthätig entlastet ist. 

Wohl mag es das Herz eines gemflthsvollen Schwärmers 
rOhren, dieses Ideal der aiistokratischen, ökonomischen Selbst- 
verwaltung — das Korrelat der aristokratischen politischen 
Selbstverwaltuncj , wie diese die fdee des Staates nie vernei- 
nend — , aber ein kühler Betrachter wird sich zunächst die 
Frage vorlegen, ob in einem konkreten Lande wohlhabende 
Klassen mit dem Vermögen, der Intelligenz und dem guten Willen 
vorhanden sind, den Ärmeren zu helfen, ob die ersteren Ober 
das Luid zentreut wohnen (wie das in England bei der Vor' 
liebe für das Landleben und den eigenen Landsitz der Fall 
ist), ob die ärmeren geneigt sind, diese Hilfe anzunehmen, und 
wenn sie nicht abgeneigt sind, ob die wohlhabenden die nöthige 
Geschicklidikeit besitzen, Einfluss über dieselben zu gewinnen. 



252 



V. 1. 



Er mnss sich weiter sapen, flass eine Ei-ziehung, welche auf 
Güte, Geduhl und Ueberrediinp basirt, voi-züj?liche Resultate 
aufweisen niajr, aber der Zwany: bei jeder Erziehung: zuweilen 
nothwendig wird, ja die Möglichkeit, Zwang anwenden zu können, 
mildei-en Mitteln einen Theil ihrer ^Wirksamkeit verleiht. Zu 
den Tugenden der Ordnung. PQnktliehkat und Bdnliebkeit 
erzieht z. B. der Unteroffizier wirksamer, als «n Verein ftkr 
Volksbildung mit Heden und Prämien. 

Aus diesen Gründen kann man der Hilfe der oberen 
Klassen keine durchstreifende und allgemeine Bedeutung zu- 
schreiben. Wo ^nosse Massen wirksam gehoben werden sollen, 
hat der Staat einzugreifen, und dieser wird nicht bloss 
sanfte Ueberredung, sondern auch den Zwang zur Geltung 
bi infzen mOssen. — 

Die Aufgaben, welche die Zeugen der Centraibehörde zuwei> 
sen« sind sehr bedeutend. Sie soll zunächst Prämientafeln ent- 
werfen. Die Ansichten haben sich nun so weit geklärt, dass 
die Unmöglichkeit einer einzigen Prämien tab eile eingesehen 
wird. Ein Zeuse geht so^ar so weit, zu wUnscbeii. dass die 
Behörde ganz individuelle rirmiicü iiacli der Lokalitat und den 
Uniständen der Mitglieder entwerfen solle'). Andere Zeugen 
sind mit einer Reibe von verschiedeneu Tabellen zufrieden, die 
unter Voraussetzung eines bestimmten, allmählieh steigenden 
Zinsfusses und wechselnder Verhältnisse von Gesunden zu 
Kranken und Todten aufgestellt worden sind Auf jeder 
Tafel sollen die Daten (Zinssatz, Krankheits-, Mortalitätstabelle) 
angegeben werden, so dass die Vereine ihre eigenen firliah- 
rußgen damit vorgleichen können 

Weiter soll die Behörde die Berichte in Empfang nehmen, 
wenu ein staatlicher Zwang beiTscht oder, im Falle kein Zwang 
herrscht, die Bilanz der Vereine auf deren Wunsch machen. 
Ein Zeuge, welcher in jeder Grafschaft einen Verein gegründet 
lu sehen wünscht, will ihr sogar die wichtigste Buchfährung 
aller Grafschaftsvereine Qbertragen Ausserdem soll sie die 
Kassen in allen schwierigen Angelegenheiten mit ihrem Rathe 
unterstützen 

Es braucht niclit noch l>esonders hervorgehoben zu wer- 
den, dass die meisten Zeugen die Abschaffung aller Gebühi-en 
verlangten. „Ich glaube," meint ein Arbeiter, „dadurch würden 
Sie die ärmeren Klassen eher davon überzeugen, dass Sie 
ümen wohlwollen, als durch irgend etwas Anderes. Appelliren 



qu. 1407. 

qu. 579 594. 
^ qu. 584. 
*) qu. 1005. 
*) qu. 1414. 



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V. 1. 258 

Sie an ihre Taschen und Sie machen wahrlich einen kraf- 
tigen Appell"* M. Wenn die übrigen Klassen ihren Thoil an den 
Lasten trügen, welche die Schaffung einer solchen Behörde 
dem Staate auflege, so wflrde die Gerechtigkeit keinen Schaden 
leiden. Allen Klassen wttrde das BlQhen der Hil&kassen 
nützen. 

Wenn wir noch erwähnen, das^ die Konsolidation aller 
bestehenden llilfskassengesetze angerc^jt wurde, dann haben 
wir den wesentlichen Inhalt des Berichtes dargestellt'). 

Angesichts dieser Aussagen hielt der Ausschuss den vor- 
geschlagenen Gesetzentwurf fiir ungenügend. In dem Berichte 
vom 3. Juli 1849 3) wurden die Hilfskassen aufgezählt, welche 
bisher nicht registrirt werden waren. Es seiea vier Klassen: 
1) Vereine mit ungenu- enden Prämien; 2) Vereine, deren 
Leiter eine unbegründete Furcht hätten, dass ihnen die Leitung 
ihrer eigenen Antrolegenheiten aus der Hand genommen würde; 
3) manche kleine Vereine, welche, von Bierwirthen gegründet, 
ausschliesslich zu deren Vortheil verwaltet würden; 4) Vereine 
mit geheimen ZcK'hen und Losungswortern. 

Auch diesen Klassen, schlagt der Ausschuss vor, in ge- 
wissem Maasse gesetzlidien Schutz angedeihen zu lassen. Sie 
aollen eihe Hilfekasse zweiter Ordnung bilden, zwar das Zeug-, 
niss des Registrars, aber nicht das eines Aktuars bedürfen 
und von der Wirkung des ,Coi*re8ponding Societies Act's* be* 
freit sein, voi'ansfjesetzt, dass sie an ihien gesetz massigen und 
wohltli.ltiiien Zwecken, die in ihren Statuten bestimmt ange- 
geben sein müssen, streng festhalten. Sie sollen berechtigt 
sein, zu klagen und zu verklagen. Sie müssen dem Registrar 
einen Jahresbericht einsenden. 

Am 4. Juli zog Sotheron die Bill znrUck. Noch am selben 
Tage wurde um die Erlaubniss gebeten, eine neue einzubringen. 
Am 6. Juli wurde dieselbe Torgelegt 

Die neue Bill hat folgenden Inhalt: 

I Schreibt vor, dass der Aktuar sein Zengniss in einer 
bestimmten (der Bill angehängten) Form auszustellen hat. In 

demselben muss er die Absterbeordnung, eine Krankheits- 
statistik und den Zinsfuss angeben, welche er derselben zu 
Grunde gelegt hat, und versichern, (iass die Tabelle seiner 



*) qu. 1470. Bb wird ein Fall nitgeUnUfc, wo dio Anffaitehanf einer 
Bilanz nicht weniger als ■'^0 £ kostete. 

'■') Von einer frowisson Bedeutung tat aoch die .\u8sage eines Zeugen, 
daa^ die arbeitenden Klassen die Hilnlaiaaen den Sparbankea Torziehen, 
und daat die atidtischen Arbeiter nor Annenunteratatning annebmen, wenn 

sie Nichts mehr zu verkaufen und zu vwpftndoi haben, qu. 149G— 1498. 

Report from the Select Committee on the Friendly Sodetiea* 
BiU. 1849. Vol. XIV. 



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264 



V. 1. 



Uebei-zeu^ung nach den Interessen der bestimmten Gesellschaft 

entspricht. 

Folgendes ein Theil des vorgeschriebenen Zeugnisses: 



II. Gesellschaften für niihlthiitiue und wohlthätige Zwecke, 
welche auf dem Prinzip der Versicherung auf Gegenseitigkeit 
gegründet worden sind, welche bis jetzt nicht eingeschrieben 
(enroUed) werden konnten, sollen von nun an eingeschrieben 
werden kdnnen. Allen Vereinen, welche für eines der in dem 
ersten Paragraphen des Gesetzes 9 und 10 Vict. aufgezählten 
Gewerke gegi*ündet worden sind, darf der Repistrar ein Zeug- 
niss ausstellen fre^ister), mü<;en dieselben nach dem Gesetz der 
grossen Zahl berechnet sein oder nicht. 

Der ersten Klasse verleiht die Bill also den Namen ,£n- 
rolled Sodeties*, der sweiten ,Regi8tered Sodeties*. 

IV ▼erleiht den Treuhändern oder anderen Beamten das 
Recht zu klagen und verklagt su werden. 

y hebt die Wirkung der Seditious Meetings Act und der 
Con-espoiiding Societies Act für diese Vereine auf. 

VI. Sowohl die Beamten der ersten (enrolied) Klasse von 
Hilfskassen, als der zweiten (registered) sollen jährlich dem 
Kegistrai' einen Behebt nach folgendem Schema vorlegen. 

Members: 

Number admitted since last balance. 
Number died since last balance. 
Number witbdrawn or expelled. 
Kumber of members at this date. 

Sickness: 

Number of members sick in the year. 
Weeks and days of sickness. 



Age 



Number ont of wlucb one 
will die in eteh jear 



Average Amoant of 
Sickness annually cxpe- 
rienced in each year 



6 
7 
8 
9 



35 



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V. 1. 



255 



lucome: 

Donations. 

Entrance money. 
Contributions for sickness. 
Coütributions for annuities. 
Contributions for sums on death. 
Contributions for endowments. 
Interest received. 
Total income. 
Total capital of sodety. 

Expenditure: 

Sil k puy or allowances. 

Aiiüuities. 



EndowmentB. 

Extni expenses. 
Total expenditure. 

Observations. 

Day of. 

To be signed by Seme officer of the sodety. 



Im Falle dieser Beliebt nicbt eingeseblckt wird, wird der 
Beamte nacb den Bestimmungen von 9 und 10 Vict. bestraft. 

VII. Für die Registration einer rogfistered society die- 
selbe Gebuhr, wie für diejenige einer enrolled 8odety. Für 
jeden Zweigverein dagegen nur 2 s. (> d. 

VITT. In jedem Jahre soll dem Registrar eine T.iste 
sämmtlicher Zweige, sowie eine Kopie sämmtlicber Rechen- 
bchaftsbericbte derselben vorgelegt werden. 

IX. Der Registrar soll in jedem Jahre einen Auszug aus 
den Berichten anfertigen lassen und diese dem Parlamente 
vorlegen. 

X. Ebenso soll der Registrar einen Auszug aus den fünf- 
jährigen Berichten der enrolled Societies für jede Hilfskasse 
machen lassen und die wirkliche Krankbeits- und Mortalit&ts« 
tabelle mit der vom Aktuar angenommenen vergleichen. 

XI schreibt vor, dass die Berichte in bestimmten Formen 
gemacht werden sollen. 

Folgendes Schema für die fünQährige Bilanz: 




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256 



Assets. 



V. 1. 



Present 
Age of 
Members 

1 


Present VaUie of the future Contributions to be received by 
Members on account of the undennentioned Funds. 


Sickness 
Fund 

• 


I >eferred 
Annuity 
Fund 


Life 
Assurance 
Fund 


Endowuient 
Fund 


Total of the 
Funds 


No. of 

Members 


^ o 1 ri A 


No. of 
Members 


Va liio 
v iiIUU 


c o 

c E 
< 




No. of 
Members 


Valup 

V Ml 


o o 
d s 


Value 


Years Years 

Under 10 
lu and unuer zu 
20 . 30 
30 ^ „ 40 
40 „ „ 50 
50 „ „ 60 
60 „ „ 70 
70 „ „ 80 
80 , „ 90 
90 . „100 




£ s. d. 


1 


e 8. d. 


f 


£ s. d. 




€ ». d. 




£ 8. d. 


Total . . . . l 

Anioiint of Stock 
and Cash in Hand, 
and I)ebts owinj? 
to the Society 4. 

Total Assets . l 


i 






















1 , 1 
L i a b i 1 i t i e s 


1 




1 


Present 
Age of 
Members 


Present Value of the Benefits to which the Members are 
entitled on account of the undermentioned Funds 


Sickness 
Fund 


Deferred 
Annuity 
Fund 


Life 
Assurance 
Fund 


Endowment 
Fund 


Total of the 
Fonds 


Nü. of 
Members 


Value 


No. of 
Members 


Value 


No. of 
Members | 


Value 


No. of 
1 Members 


Value 


No. of 
Members 


Value 


Years Years 

ündcr 10 
lü and under cK) 
20 ^ „ 30 
30 , „ 40 
40 „ « 50 
60 , „ 60 
60 „ „ 70 
70 , , 80 
80 . ^ 90 
90 „ „ 100 




L s. d. 




^ s. d 




£ 8. d. 




£ 8. d. 




if 8. d. 


Total . . . . jf 

Debts due by the 
Societies . . . £ 


i 





















Total Liabilities 
Assets, as above 



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257 



XII. Im Falle .leiiiatul mehr als cinei- Hilfskasse ange- 
hört, soll er nur dann eine Unterstützuim erhalten, wenn die 
Beamten aller liillsvereine ihre Zustimmung gegeben haben. 

XIII. Zur Auflösung ist dih Zustimmung des Kegistrars 
nOthig; keine Oesellscbaft darf die Ansprache eines Mitgliedes 
ankaufen ohne die Einwilligung eines Friedensrichters. 

XIV. Ks soll nicht gesetzmäsag sein , dass ein Mitglied 
eine Unterstatzung erhält, ohne dass es alle seine Rückstände 
berichtigt hat. 

XV. Mehr als 5 £ darf auf den Tod eines Minderjähriiren 
zwischen 6 und 15 Jahren nicht vei-sichert werden; in Fallen, 
wo eine Summe beim Tode eines Mitgliedes bezahlt werden 
soll, ist die Beibringung des Zeugnisses eines Arztes oder des 
householder nöthig (dass dasselbe eines natürlichen Todes ge- 
storben sei) : wenn ein Sekretär, ohne dieses Zeugniss erhalten 
zu haben, (ield auszahlt, kann er auf die Klaize eines Jeden 
vor dem nächsten Gerichtslude bis zu 20 bestraft werden; 
die Hälfte der Strafe fallt dem Ankläger zu, der auch als 
Zeuge auftreten darf. 

XVI. Eine Abschrift der Statuten und des Zeugnisses 
des Kegistrars soll während der Vei-sammlung des Vereines 
aulgehängt werden. 

Die Verschiedenheit dieses Entwurfes von dem früheren fällt 
in die Augen. Warum er den Anregungen der Zeugen nur 
bis zu einer bescheidenen Grenze folgte, darüber giebt der 
Bericht ciaige Andeutungen. Er wollte die nicht registrirteu 
Vereine in den wenigen Wochen Tor Schlttss der Sitzungen 
noch rasch unter Dach und Fach bringen, und einige wichtige 
Reformen für künftig zu giündende Vei'eine schnell in's Werk 
setzen. Die Konsolidation der llilfskiissengesetze, deren Noth- 
wendigkeit er wohl einsieht, verschiebt er auf das folgende 
Jahr. Die Errichtung einer berathenden Heliürde empfiehlt 
»1er Ausschuss sehr. Kur/.er Hand legt er dem UtM:istrai' an's 
llei-z, sich nicht auf das Uegistrirungsgeschäft zu beschränken, 
sondera auch darüber zu wachen, dass die Form der Statuten 
juristisch unanfechtbar sei; dazu soll er alle Vereine mit Rath 
und Thal unterstfitzen, der fibrigen Pflichten zu geschweigen. 
Vielleicht erinnert man sich noch, dass die Friedensrichter im 
Jahre ls20 die Tabellen nur bestätigen sollten, wenn sie die 
Sicherheit aller Hetheiligten verbürgten. 

Von besonderem Interesse ist die Empfehlung, das Parla- 
ment solle sich von einer Einmischung in die Details der Hilfs- 
kassen fem halten. Der Ausschuss glaubt, dass das wirk- 
samste Mittel, die Hilfskassen zu fördern, ,die Ehrlichkeit und 
die wachsende Intelligenz des Volkes' sei. 

Ein solclies Vertrauen erleichtert die Aufgaben der Gesetz- • 
gebung in hohem Maasse. 

Fonchiu««B {20) V. 1. - HubACb. 17 



I 



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258 



V. 1. 



Eine hallie Massregel, wie diese, trug den Todeskeim in 
sich. Srlion am 18. Juli musste sie zurückgezogen werden. 

Kndlich, im Jahre 1850, nachdem der dritte Sommer in's 
Land gegangen war, kam ein Gesetz zu Stande, welches, wie 
das vorhergehende vom Jahre 1846, in seiner endlichen Oestalt 
nur wenig an seme Anfänge erinnerta 

£s wäre ermüdend und zwecklos, die lange Geschichte 
dieses Gesetzes, welches am 25. April 1850 von Sotheron im 
Unterhause eingebracht wurde und n;ich vielen Ausschuss- 
sitzungen endlicli am 0. Aufiust an-jenommen \vur(h\ im Ein- 
zelnen zu vei-folgen M. , Wir wollen auch Meniaud zuniutheu, 
uns durch die vier Geseteentwürfe su begleiten, die in den 
Public bills dieses Jahres etwa 50 FoUoseiten einnehmen. 

Doch ist es nöthig zu bemerken , dass schon im ersten 
Gesetzentwui-fe (Bill to consolidatc and amend the Laws re 
lating to Friendly Societies) dem (iesetze keine rückwirkende 
Kraft gegeben wurde, dass die SchafTun^^ einer berathenden 
Behörde nicht vorgesehen war, dass man auf die (iebüluen 
nicht ganz verzichtet hat, und dass ein Unterschied zwischen 
den Hilfskassen gemacht wurde, je nachdem sie ein Zeugniss 
des. Aktuars und des Registrars oder nur des Registrars hatten. 
Jene werden nun ,Certif'uMl Siu ii tios', diese ,Provisionally Cer- 
tified Societies' genannt. Erstere haben allein das Recht, ihr 
Vermögen den Commissioners for the Heduction of the N. D. 
zur Verwaltuii^^ zu übergeben. Schon in der zweiten Bill 
(Bill etc., as umeuded by the Committee; wird jedoch das 
Zeugniss des Aktuars ffta alle Vereine verlangt, welche die 
Altersversicherung betreiben wollen. Auch fehlt schon in dem 
ersten Entwürfe eine Strafandrohung für Vereine, welche die 
fünfjährigen Berichte nicht einsenden. Das Parlament geht 
augenscheinlich von deui (iedanken aus, dass an den BericlUen, 
welche nicht eingesandt werden, nicht viel verloren ist. Es 
wird auch nicht mehr gefordert, einem Aktuar die fünfjährigen 
Berichte vorzulegen. Für die Nichteinsendung der Jahres- 
berichte wird Jetzt Suspendirung der Registration angedroht. 

Ueber den zweiten Paragraphen (Zwecke, ftkr welche die 
Hilfskassen gogrOndet werden dürfen) herrschte die giösste 
Zwietracht. Alineas wurden materiell und formell verändert, 
gestrichen und wieder hergestellt, bis schliesslich Alles ziem- 
lich beim Alten blieb. In der zweiten Bill dürfen auch auf 
Gegenseitigkeit begründete Darlehnskassen als Friendly Societies 
registnrt werden (to asäst each other by loans of money). In 
der 3. Bill (Bill etc. as amended by the Ck>mmittee and on 
Re commitment) sollen auch Vereine zum Zwecke der Ermög- 
lichung der Auswanderung unter gewissen Bedingungen regi- 
sti'irt werden dttifen. Im selben Gesetzentwuife wird die 



1) Jouroals of the Uouse oi Commons 1Ö50. 



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259 



Jurisdiktion des Repistrars zu Gunsten der im Jahre 1846 
gegründeten County Courts beschnitten. 

Der Gesetzentwurf in der vierten Redaktion (Bill etc. etc. 
on Recomniitiiient and on Second Kcconiinitniont) erlaubt allen 
karitativen Vereinen, sich als „Provisionally Certitied Societies" 
registrireu zu lassen. Dem Parlamente scheinen Bedenken 
Ober die Güte seines eigenen Werkes aufgestiegen zu sein. 
Neue ragen sind vielleicht aufgetaucht, alte Fragen waren 
ihrer Lösung nicht näher geführt worden: kurz, im letzten 
Parai^rapben wurde erklärt, dass das Gesetz durch ein anderes 
Gesetz in der Session verbessert oder aufgehoben werden 
dürfe. 

Wie selir diese Veränderun;^en das Parlament in Anspruch 
nahmen, so sclieinen doch die meisten Debatten durch die 
Klagen englischer Versicherungsgesellschaften, welche nicht als 
Hilfekassen registrirt waren, hervorgerufen worden zu sein. 

Um den Grund ihrer Besehwerden zu verstehen, möge 
man sich daran erinnern» dass in den dreissiger Jahren ver- 
schiedene, den Intei*e8sen der gebildeten, nielit sehr wohl- 
habenden Klassen dienende Hilfskassen gegründet worden 
waren, welche weit höhere Summen versicherten, als in den 
gewöhnlichen Hilfskassen üblich war. Im Jahre 1840 hatte 
das Parlament ihnen ihre pekuniären Privilegien für Versiche- 
rungen über 200 ^ genommen, ohne jedoch Versicherungen 
über 200 SS zu verbieten. Als Entschädigung für diesen Ver- 
lust wurde diesen Vereinen das Recht verliehen, zu Gunsten 
von Testamentsvollstreckern, Verwaltern und BevoUmAchtigten 
von ,\ominees' — Nominees konnte man schon seit l>!34r 
Versicherumrssummen zuwenden — versichern zu dürfen, wo- 
durcli das (josiliiift einrn bedeutenden Zuwachs erhalten hatte. 
Die mächtig aufblühenden Vereine waren den Ver.Nicherung>- 
gesellsehaften schon lange ein Dom im Auge, allein es fehlte 
an einer Handhabe, um sich ihrer unangenehmen Konkurrenz 
zu entledigen. Aber nachdem das Gesetz vom Jahre 1846 in 
Kraft getreten war, glaubte man ihnen beikommen zu können. 
Die fiinfte Nummer des ersten Parauraphen des Gesetzes 9 
und 1<> Virt.. argumentirte man, verbiete den Ililfskassen jede 
Versicherung über 200 i^, weiter müsse nach dem Wortlaut 
des ersten Paragraphen eine llilfskasse alle in den fünf Num- 
mern aufgezählten Zwecke umfassen, sonst sei sie ungesetz- 
mftssig, endlich griff man die Nomination an. Man machte 
geltend, dass die höchste Summe, welche die arbeitenden 
Klassen zu versiclu'rn in der Laire wären, 100 £ lietriiL'e; 
diese Summe müsse daiior für alle eingeschriebenen die gesetz- 
niassige drenze sein. Gelang es, das Parlament liiervon zu 
übei"zeugen, so war den oben charakterisirten liilfskasseu der 
Boden unter den Füssen weggezogen. 

17* 



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260 



V. 1. 



Die Kritik jener Anklagen ist Ideht. Durch die fünfte 
Nummer des 1. Paragrapben war die Grenze von 200 £ nur 
für Summen vorgeschrieben worden, welche zur Erreichung 
neuer, noch nicht aufjrezilhlter Zwecke, versichert werden 
würden. Aucli die zweite Anklage war falsch. Für irfrend 
einen (any) der folgenden Zwecke — nicht für alle (all) — 
wUre die Giiindung von Hilfskassen erlaubt. Die Beschul- 
digung war darum ungerecliL, sie umgingen das Gesetz, han- 
delten gegen dasselbe. — Es lAs^t sich nicht verkennen, dass 
die Gesetzgeber jenen Hilfskassen freundlich gesinnt waren. 

Wohl aher konnte man billig bezw eifeln, dass die Existenz 
jener llilfskassen mit dem Geiste der Hilf<kassentresctzgebung 
in TJeberoinstimmung ständen. Man konnle es unj^orecht 
finden, dass die vielen Vortheile, welche jenen Hilfskassen 
noch immer blieben, der Geistlichkeit und dem weiten Heere 
der Clerks, unter denen es reiche Pfarrer und arme Hilfs- 
priester, behäbige erste Buchhalter und schlechtbezahlte 
Schreiber gab, zugewandt wurden. Klassen, die bis zu 104 
jährlich Krankengeld und 5000 £ auf den Tod versicherten, 
konnte man Tiiclit gut mit Arbeitern auf eine Stufe stellen, 
die 30 X' Krankengeld jährlich und 25 Begräbnissgeld schon 
für eine gute Summe hielten. 

lieber diese Punkte konnte man streiten und darüber 
wurde auch im Parlamente weidlich gestritten. In den BUls 
finden wir die Grenzen der Versicherungssuromen mehrmals 
verschoben und Hansard 's Debates. wie immer mager und un- 
genügend, melden von bitteren Anklagen gegen die besitzen- 
den Klassen. Hoobuck meinte, es wflre eine Schande für die 
wohlhabenden Klassen, dass das Parlament sie herausjagen 
müsse, weil sie sich der Wohlthaten bemächtigt hätten, welche 
nur für die Armen bestimmt wären 

Inzwischen machten die Vertreter der klagenden Gesell- 
schaften dem Lordkanzler einen Besuch, welcher ihre Be- 
sehwerden zu heben versprach. Ehe er sich jedoch entschied, 
hatte er eine Berathung mit dem Sekretär des Clergy Mutual, 
wozu er hohe Steuerbeamte und verscliiodene Parlaments- 
mittylitMior einlud. Welche Entscheidiui«^ der T.nnlkanzler traf 
und in der Folge das Parlament annahm, wird man vorzüglich 
im 42. Paragraphen des folgenden Gesetzes finden^;. 

Als Motto für dasselbe könnte man die Worte der Resig- 
nation voranstellen, welche Sir Charles Wood im Parlamente 
spradi ,|Ohne Einmischung von Seiten der Regierung, welche 



1) Yol. 112. S. 100. £s war etwas Spektakel mit im Spiele. Han- 
sard schwieg nicht 

-) Minutes of Evidence taken before Seleet Committee on Friendlj 
Societies 1852. S. 16 und 35. 

*) Haosard a. a. 0. 



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V. 1. 



261 



(las Land beunruliijzen und in diesem Lande niemals peduldet 
werden wnrdo, wäre es für die Reirierun^ unmöglich, in jedem 
Falle ge^^en lieLrug zu schützen. Dia Mitglieder müssten alle 
Oe&hr fibei-nehmen.* Charakteristlseh, ihrem Inlialte nach 
nieht zutreffend, sind auch die Worte Adderiey's: «Thatsftchlich 
wftre die Oeffentliehkeit die einzige Garantie, welche bis jetzt 
Jemand hätte vorschlajjen können." 

Das (icsetz 13 und 14 Yict. c 115 lautet in seinen wich- 
tigsten Bestimmungen: 

l Aufhebung von 10 Geor-e IV. c. 56, 2 Will. IV. c. 37, 
4 und 5 Will. IV. c. 40, 3 und 4 Vict. c. 73, 9 und 10 Vict. 
c. 27. 

II. Die Zwecke, für welche eine eingeschnebene Hilfs- 
kasse gegrQndet werden darf, sind folgende: 

1. Versicherung einer Geldsumme, zahlbar beim Tode eines 
Mitgliedes an den Wittwer oder die Wittwe, oder das 
Kind, oder die Testamentsvollstrecker, Verwalter oder 
Bevollmäehti^'te eines solchen Mitgliedes, oder für Bestrei- 
tung der Kosten des Bejiräbnisses eines Mitgliedes, oder 
des Gatten, der Hausfrau, des Kindes oder der Verwandten 
eines Mitgliedes. 

2. Die Unterstützung, Erhaltung oder Ausstattung der Mit- 
glieder, ihrer Männer, Frauen, Kinder oder Verwandten 
in der Jagend, dem Alter, in Krankheit, Wittwensdiaft 
oder irgend einem andern natürlichen Zustande, dessen 
Wahrscheinlichkeit sich nach dem Gesetz der grossen 
Zahl berechnen lässt. 

3. Versicherung gejren Verluste an Vieh, Immobilien, Waaren, 
Geräthen und Werkzeugen, welche von einem Mitgliede 
durch Feuer, Wasser, Schiffbruch oder andere Zufälle, 
deren wahrscheinliches Eintreffen nach dem Gesetz der 
grossen Zahl berechnet werden kann, erlitten wurden. 

4. FlkT die hanshälterische Anlage der Ersparnisse der Mit- 
glieder, um sie besser in den Stand zu setzen, Nahrung, 
Feuerung, Kl^dong und andere nothwenrüne Bedürfnisse 
zu bestreiten , oder die Materialien ihres Gewerbes oder 
Berufes zu kaufen, oder für die ErziehuiiL^ ihrer Kinder 
und Verwandten zu sorgen. Nur dürfen die Antheilscheine 
nicht übertragbar sein, und die KrsparnisFe eines jeden 
Mitgliedes mOssen für das Wohl des Mitgliedes, des Ehe- 
mannes, Weibes, der Kinder und Verwandten verwandt 
werden, und kein Theil soll f&r die Unterstützung, Er- 
haltung oder Ausstattung irgendeiner anrlern Pei'son ver- 
wandt werden, und der ganze Betrag soU ihm ausgezahlt 
werden, wenn er die Kasse verlässt. 

5. Auswanderung eines Mitgliedes, des Mannes. Weibes, oder 
Kinder, oder ^'ominee'8 eines solchen Mitgliedes, unter 



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262 



V. 1. 



der Bedingung, dass einer der Tieuhänder der UiUskasse 
ein Friedensriditer des Ortes ist 
6. FOr irgend einen Zweck, welcher in England und Irland 

vom Attome\ -Genera], oder in Schottland von dem Lord- 
Advokaten als ein Zweck bezeichnet worden ist, auf den 
die Bestimmungen dieses Gesetzes übertragen werden 

sollten. 

Keine Kas^o darf unter diesem Gesetz repistrirt werden, 
welche mehr als 100 ^ in einer Summe, mehr als 30 Jahres- 
rente, oder 20 s. Krankengeld vei-sichert. 

IIL Beim Tode von Kindern unter 10 Jahren dfirfen an 
die Person, welche das Begrftbniss veranstaltet, nnr die Be- 
gi'äbnisslcosten, höchstens 3 ausgezahlt werden. Jede Ver- 
sicherungssumme darf nur auf das Zeugniss eines Arztes oder 
Coroners aus^rezahlt werden. Diese Bestimmung gilt auch für 
die alten Gesellschaften. 

TV. Die Vereine haben das Recht, Statuten zu machen, 
zu ändern, aufzuheben und Ausschüsse zu ernennen. In den- 
selben muss festgesetzt sein, wo sie ihre Versammlungen hal- 
ten, wie sie ihr Vermögen anlegen, Streitigkeiten etc. etc. 
schlichten wollen. 

V. Schreibt tretrennte Buchführung vor, im Falle Tabellen- 
treanuDg vorhanden ist. 

VT. Keine Kasse und kein Zweig ist gesetzmässig. wenn 
nicht die von Zeit zu Zeit gemachten Aeoderungen vom Ke- 
gistrar registrirt werden. 

VIL Zwei Klassen von Vereinen; die vom Actuar und 
Registrar genehmigten heissen «certified s.*, die nur vom Re- 
gistrar eingeschriebenen »registered s.'. 

VIIT. Alle Kassen, welche das Rentengeschäft betreiben, 
müssen für diesen Zweig vom Actuar beglaubigte Tabellen 
haben. 

IX. Für die Registiation einer Kasse wird eine Gebühr 
von I Guinea, för diejenige eines Zweiges von 2 s. 6 d. bezahlt. 

XII. Das Vermögen darf angelegt werden in Sparbanken, 
englischen Staats[)api6ren, Regierungssicherheiten, in Effekten» 
Bank of England Stock , Effekten der Ostindien - Ck>mpagnie, 
hypothekarisch auf Freehold-, Leasehold- oder Copyhold- 

Eigenthum unter gewissen Bedingungen , in den privilegirten 
und Aktienbanken Schottlands, als Darlehen auf Policen, auf 
Yt-rpfslndete County und Borough Rates. 

XIII. Trustees sind nur dann gesetzmässig ernannt, wenn 
der Registrar von der Wahl in Kenntniss gesetzt worden ist. 

XIV. Die Verantwortlichkeit derselben wie früher. 

XV. l)ie Treuhänder müssen Jahresberichte in vorge- 
schriebener Fern) an den Registrar senden. Jedes Mitglied 
kann gegen Zahlung von 6 d. eine Abschrift verlangen. 



V. 1. 



2Ö3 



XVI. Iin Falle sie den Bericht nicht machen, verlieren 
sie das Recht, fQr die GesellBChaft zu klagen. 

XVII Jede Kasse, in der Krankengeld, eine Pension, 
oder Begräbnissgeld versichert wird, hat alle 5 Jahre eine 
Krankheits- und Moitalitiltsstatistik einzusenden. 

XVIII. Aus den Berichten macht der Registrar Auszüß^e, 
welche ein Staatssekretär zur Kenntniss des Parlamentes 
biingt. 

XIX. Im Falle TreuhAoder ahwesend sind, sott der Re- 
gistrar Geld, welches im Namen desselben in der Bank von 

England Hegt, auf einen andern Trustee übertragen, 

XXI. Die Gesetze 39 Geor^;e III. c. 79 u. 57 George III. 
c. 19 sind nicht auf Vereine, welche unter diesem Gesetze ge- 
gi'ündet worden sind, anwendbar. Nur müssen die Tnistees 
bereit sein, den Friedensrichtern auf Verlangen Information 
zu geben. 

XXII. Streitigkeiten werden nach den Bestimmangen der 
Statuten entschieden. In allen Fällen, wo die Billigkeitshiyfe 
Forum waren, tntt der County Court or Sheriff Court ein. 

XXIII. Schiedsgerichte entscheiden über Strciti^rkoitcn, 
wenn die Statuten so bestimmen. Friedensrichter setzen even- 
tuell den Schiedsgerichtsspi-uch durch. 

XXIV. Im Falle keine Schiedsrichter ernannt worden 
sind, in 40 Tagen kein Urtheilsspi*uch gefällt worden ist, oder 
die Statuten so bestimmen, geht der Streitfiill an die Friedens- 
gerichte. 

XXV. Wiederliolt frühere Bestimmungen ober ungerechte 

> Ausstossung eines Mitgliedes, 

XXVI über Einschreiten der Friedensrichter, wenn Jemand 
durch falsclie Vorsi)iegeluugen sich Geld aus der Kasse zu 
verschaffen gewusst hat. 

XXVII. Die Entscheidung des Friedensrichters endgiltig. 

XXVIII. Gegen pflichtvergessene Schatzmeister schreitet 
der Registrar ein. 

XXXIII. Mindeijfthrige kdnnen Mitglieder, aber nicht 
Beamte werden. 

XXXIV. Bestimmt in alter Weise, wie Vereine aufgelöst 
werden dürfen. Die projektirte Vermögenstlieilung ist vor der 
Abstimmung vorzulegen. Kassen dürfen sich vereinigen. 

XXXVI Priorität der Schuldanspiüche wird den „cer- 
tified* sodeües zugewandt 

XXXVn. Mitglieder mehrerer Kassen haben nur Anspiiich 
von allen zusammen auf 100 30 £ Jahresrente resp. 20 s. 

XXXVIII. Eine ,certirted' Kasse darf ihr Vermögen bei 
den Verwaltern der englischen Staatsschuld anlegen. Der 
Zinssatz wird reduzirt auf 2 d. pro Tag. 

XLl. Certitied societies dürfen 50 ^ ohne letters of ad- 
ministration auszahlen. 



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264 



V. 1. 



XLII. Nichts in diesem Gesetze soll ein Recht oder Vor- 
recht in Beziehung auf eine vor diesem Gesetze unter einem 
aufgehobenen Gesetze abgeschlossene Versicherung verletzen 
und es soll gesetzmässip für eine solche Gesellschaft sein 

(weh'he für .Nominees' versicherten), ihren Statuten einen 
Parajjraphen hinzuzufüjien, wodurch eine Summe, welche beim 
Tode eines Mitgliedes zahlbar ist, zahlbar gemacht wird an 
die Testamentsvollstrecker, Verwalter oder Bevollmächtigte 
dieses Mitgliedes. 

XLm. F. S. unter froheren Akten dfirfen ihr Vermögen 
nicht der Staatsschuldenverwaltung übergeben. Sie erhalten 
denselben Zinssatz, wie die Gresetze bestimmen, unter denen sie 
registrirt wurden. 

XLV. Für Vei-sicherim^ren über 100 i^r, resp. 30 £^ rösp. 
20 s. ist Stempelffebülir erforderlich. 

XL Vi. Kassen, welche unter aulgehobenen Gesetzen re- 
gistrirt wurden, sind zu allen Privilegien dieses Gesetzes be- 
rechtigt, wenn sie nicht mehr als 100 resp. 80 SS^ resp. 
20 8. versichern. 

XLVll. Kein Verein dai-f zurückgezogene Gelder wieder 
einlegen ohne Erlaubniss der Staatssrhuldenverwaltung. 

XLVIll. Wohlthiltige Gesellschaften haben alle Vortheile 
der Registered Societies, wenn sie als solche registrirt werden. 

LI. Das Gesetz soll auf ein Jahr und von da bis zum 
Ende der nächstfolgenden Session in Kraft sein. 



VI 



Fortschritt anf dem Gebiete der Kraukheits- 

QDd Mortalitätsstatistik. — Kindersterblichkeit und 

Begräbniflskassen. — DeftnUiTes Konsolidationsgeseti. 

1850^1855. 



Im vierten Kapitel wurde berichtet, dass die Odd Fellows 
im Jahre 1846 die Aufbahme einer allgemeinen Krankheita- 
und Mortalitätsstatistik beschlossen. Die Resultate derselben 
wurden im Jahre 1850 „fast gleichzeitig mit der Annahme des 

Hilfskassenpesetzes" veröffentlicht ' ). 

Das Werk enthält 1»>8 Seiten in 7 At)theilungen. Die 
en^te ^eht eine kurze Uebersicht über die bipheri^jen 
Leistungen auf diesem Gebiete. Eine Tabelle von Dr. Farr, 
welche dieser Gelehrte auf Grund der Volkszählung von 
1841 Teröffentlichte, und dne von Neiaon werden repro- 
duzirt, um als Vergleichungsobjekte zu dienen. Die zweite 
Abtheilung trägt die Uebei-schrift Dnration of life in the Unity. 
Wie stark Neison's Methode eingewirkt hnU ersehen wir daraus, 
diiss Ratcliffe die Unterscheidung von lUii al . Town and City 
Districts und den Gewerben seinem Werke zu Gmnde legt. 

In den Tabellen IV, V, VI, VII giebt der Verfasser einen 
Ueberblick ober sein Mateiial. Vor den Zahlen, welche ihm 
zu Gebote standen, verschwindet jedes Misstrauen in die Ge- 
diegenheit seiner Berechnung. — So erstreckt sich seine Be- 
rechnung in der Periode von 18—20 in den Rural Districts 



') Observations on the Hate of Mortalitv and Sickncss existing 
amongst Friendly Socteties : particularised for vanous Trades, Accusations, 
and Localities, with a Series of Tables, shening the Value of Annuities, 
Sick Gift, Aasoraoce lor Üeatb, aod CoDtributions to be paid equivalent 
thereto: ealenUtted from tbe operience of tbe nMmben oomposing the 
Manchester Unity of the Indepcttdeot Order of Odd FeUovi. Bj Hflozy 
Katdiffe. Manchester 1^50. 



206 



V. 1. 



Ober nicht wenig^er a]8 6962, in den Town Distriets über 8888, 

in den City Districts 1854, im Ganzen 12 634 Personen; von 
21—25 über 46 716, bezüglich 29 842, 19 164, im Gänsen 95 222 
Pei*sonen. Die grössten Zahlen weist die Periode vom 26. — 30. 
Jahre auf: 68 044, 47 505, 37 584, in Summa 153133. Von 
da an langsame Abnahme. Nach dem 50 geht es rasch bergab. 
Von 51—55 in den K.D. 3794, T.D. noch 5388, CD. 3450, 
im Ganzen 12 682 Pm. Von 56—60: 1187 , 2588, 1400 = 
5120 Pers. Von 51—65 : 469 , 878, 524 = 1871 Pen. Von 
66-70: 184, 321, 195 = 700. Von 71 75: 62, 81, 63 = 
206. Von 76-80: 11, 31, 21 -= r.3. Von 81-85: 5, 12, 
8 = 25. (Die Tabelle 24!) Der älteste Odd Fellow in einem 
R.D. war im Alter von 85 Jahren trestorben, eine Loge hatte 
ein Mitglied mit 86 Jahren aufzuweisen, der älteste in einem 
CD. war mit 86 Jahren gestorben. 

Die Tabellen, welchen diese Notizen entnommen sind, ent- 
halten anch die Gesammtsumme der auf jede Periode entfallen- 
den TodesftUe und Krankheitsdaner. 

Die nun folgenden Tabellen VIII, IX, X, XI sind mit 
100 000 Lebenden im Alter von 18 Jahren beginnende Ueber- 
lebenstafeln für die R.D., T.D., CD. und die drei D. zu- 
sammengenommen, unter folgenden 4 Kolumnen: Livinp, Dying, 
Mortality per Cent und Specific Intensity. Unter letzterer 
versteht Ratclitfe die Zahl der Perijuneu , aus welcher jährlich 
eine in dem besfiglichen Alter stirbt, z. B. 

18 : 100 000 — 645 — 0,6456 — 154,89 (= 100 000 : 645) 

19 : 99 855 — 655 — 0,6596 — 151,60. 

Wir lassen einige Aussflge aus dem begleitenden Texte 

folgen. Vergleicht man die Mortalitätstafel ftr ganz England 
(die Farrsche Tabelle) mit der Mortalit&tstafel der Rural 

Districts <les Ordens, so zeigt sich, dass nach jener im Alter 
von 18 Jahren 750 Personen sterben, hier nur 645. Bis zum 
Altersjahre 54 heliaupten die llural Districts günstigere Mor- 
talitätsverhältnisse, von 54—64 werden sie ungünstiger, nach 
der Zeit stellt sich das frühere Verhältniss wieder her. Nach 
Farr stirbt die Hftlfte der Bevölkerung zwischen den Altera- 
jähren 63-64 ab (63 : 50 043, 64: 48068), nach Ratdiffi» 
zwischen 65-66 (50 521, 48 850). 

Neison's Mortalitätstabelle zeigt eine höhere Lebenskraft 
der ländlichen Bevölkeiiing, als diejenige der Odd Fellows. 

In den Town Districts ist zwar mit 18 Jahren eine grössei-e 
SterblichkeitszifTer zu verzeichnen, als nach Farr, sie nimmt 
jedoch allmählich bis zum Altersjahie 27 ab, und steigt dann 
wieder bis zum 54. Jahre, wo sie grösser wird, bis zum 70. J,, 
wo sich das Verhältniss wieder ändert. Wir haben zur grösse- 
ren Verdentliehnng einige Daten zu einer Tabelle zusammen- 
gestellt. 



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V. 1. 



267 



In ganz England 



TT 



den Town Districts der 
Odd Fanowi 





1 

LiTing i Dyiog 

L 


lity 
per 
Ceat_ 


Specific 
iDien- 

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1 
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iLiviog 

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Dying 


JMoria- 
lity 
per 


bpecific 
Inten- 

■Itv 
■•V 


1 Ü 

Ic 


100 (K)0 


750 


0,750 


133,21 


18 


1 100 000 


794 


0y7946 


125,84 




Üb SJ13 


806 


t\ o o o 

0,b32 


120,11 


22 


i 9üy0ü 


729 


0,7627 


132,91 


87 

• 


98789 


877 


0,946 


105,65 


27 


98521 


607 


0.6495 


153.96 


85 


85818 


990 


M60 


86,17 


85 


87907 


881 


0,9466 


105,66 


54 


64884 


1212 


1,883 


.^3,08 


54 


1 68 931 


1483 


2,1516 


46,47 


70 j 


34 901 


2337 


6,698 


14,92 


70 


83105 


1913 


5,7807 


17,29 




12747 


1788 


18,904 


7.14 


80 <■ 14562 


1888 


12,9682 


7,71 



Zwischen den Town Districts und pjanz Fnj^land herrscht 
die Uebereinstimmung, da?s die Hälfte der Bevölkerung zwischen 
03—04 abstirbt. In den City Distiicts stirbt die Hälfte schon 
vor erreichtem 62. Jalire ab. In frühem Alter ist die Sterb- 
liehkeitsKiffer ansaemdentlieh niedng, aber de steigt in so 
fibenraschender Weise, dass sie schon mit 40 Jahren diejenige Ittr 
ganz England tibertrifft. Mit 70 Jahren tritt eine Verschiebung 
ein. Mit IS Jahren ist in den CD. der Specific Intensity 
463,00 (in England 133,21), mit 2H schon 105,59 (in England 
102,92), mit 40: 74,99 (in England 75,82). 

Die drei Distrikte zeigen zusammengenommen bis zum 
Alter von 40 Jahren günstigere MortalilabYerhältnisse, als es 
nach Farr in England der Fall ist Dieses Yerhftltniss ver- 
schiebt sich mit 50 au Gunsten, mit 71 zu Ungunsten der 
GesammtbevOlkerung. 

„Obtjleich die Sterblichkeitsziffer in der 
frUhern Lebensperiode günstig für die Unity ist, 
steigt sie rascher in den mittleren Lebensjahren, 
so dass die Hälfte aller Lebenden in dem Alter von 0;3"t)4 
abgestorben ist; dasselbe (nämlich das Absterben der Hälfte 
der fieT6lkerung) findet in derselben Periode in der Gesammt- 
bevOlkerung statt ^X"* 

Diese Thatsache kann man sich auf verschiedene Weise 
erklibren. Keine Erklärung hat zwingende Beweiskraft 



1) a. a. 0. S. 26. 



268 



V. 1. 



Wir gehen zur dritten Ablheilunp: über, welche die Ueber- 
schiift führt: Average Amount of Sickness experienced in the 
Manchester Unity. Die XIII. Tabelle giebt die auf 1 Person 
reduzirte Krankheitsdauer für jedes Altersjahr in den drei 
Distrikten gesondert und für dieselben zusammen an. 

In den Town Districts zeigt sich in den jugendlichen Alters- 
perioden eine geringere Durchschnittssumme, mit dem 27. 
Altei-sjahre verändert sich dies bis zum 58., dann findet wieder 
eine Verschiebung zu G^jinsten der Town Districts statt. In den 
City Districts die ähnliche Erscheinung der geringen Durch- 
schnittssumme in der Jugendperiode, dann schnelleres An- 
wachsen ohne irgend eine Verschiebung. 

In der folgenden Tabelle stellen wir 2 vereinfachte Tabellen 
Ratcliflfe's zusammen, welche eine Vergleichung der Ergebnisse 
der Krankheitsstatistik des Ordens mit früheren Beobachtungen 
geben. 



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3.S 



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5^ 



20 
30 
40 
50 
60 
70 
80 



0,8387 0,5942 0,8564 



0,8753 
1.0677 

14,1949 



0,7785 
0,9780 
1,703« 
4.2ir)7 

9.7585' 



0,8794 
1,2669 

2,.'-)559 
4.9182 
l."i,4995 

24,3545 21,6552 32,9041 1 7,0886 ;35,2065 



0,5703 
0,8166 
1,06441 

1,7499' 
3,93711 
7,7490: 



0,5659 
1,1059 

1,4663 
2,3831 
4,4973 
9,9610 



0,5181 
0,H298 
1.2379 
2,1967 
.^),82.37 
12,2106 
20,1946 



0,8398' 0,5849 
0,9107 (K8034 



1.1308 
l,ti603 
4,1657 
14,0391 



1,077?) 

I.s:,;;;; 



0,575 
0,621 

0,758 
1,861 

2,84«; 



9,r)744 lU,Tul 



26.9405 19,9111 



0,776 
0,861 
1,111 
1,701 
3,292 
11,793 



Die Durchschnittssumme der Krankheiten vom 20—70. Jahre 
beträgt nach 





Ländliche 
Distrikte 


Mittelstadt 
Distrikte 


Grosssladt 
Distrikte 


Im Ganzen 


Ratcliffe 


129,6680 
116,5815 


160,0464 
106,6029 


182,0586 
141,51)02 


137,8187 
118,8185 


üeberschiiss über 
RatclitTe .... 


18,0865 


53,44:3.5 




19,0002 


UeberschusB Ober 


1 

i 




9,4416 





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_ 4 



V. 1. 



269 



Zur Erklärung dieser Abweichungen bemerkt Hatcliffe, 
dass Neison's ländliche Arbeiter 33 %t ^^^r Statistik der 
Manchester ünity dagegen nur 20 % ländlichen Klasse 
ausmachen. 

Auch die Lokalität übt einen grossen Kintiu.ss aus. Der 
Umstand, dass die Arbeiter von Glasgow und Liverpool in den 
Grossstadtdistrikten einbegriffen sind, hat den obigen Ueber- 

Bchuss ober Neison's Tabellen hervorgebracht. 

Die vierte Abtheilung ist die intei'essanteste von allen, 
weil sie einen Gedanken Neison's in ^rrössereni Maasse als dieser 
zur Ausführunj; brin^jt. Sie entliült enif nach Berufen ge- 
ordnete Krankhcits- und Mortalilat^stali^tik. 

Der Mangel an liauin zwingt uns, die wichtigsten Aus- 
führongen und zwei Tabellen Ratcliffe'a in eine Tabelle zu- 
sammenzudrängen, die jedoch hoffentlich den Ober 24 Seiten 
zerstreuten Stoff tibersichtlicher ^n^stalton wird. Wir ordnen 
die Gewerbe nach der wahrscheinlichen Lebensdauer, nicht in 
alphabetischer Aufeinanderfoltre an. Das Wort ^waluschein- 
liche Lebensdauer" fassen wir in dem ursprünglichen Sinne 
auf. als die Zahl der .laiire. bis zu welcher eine Generation 
bis zur Hälfte abgestorben ist. Wir scheiden durch fettere 
Linien die Klassen mit normaler wahrscheinlicher Lebensdauer 
▼on denen mit höherer und geringerer wahrscheinlicher Lebens- 
dauer sowie die Zahlen, welche die Basis der Vergleichung 
bilden. 

(Siehe die Tabellen auf den folgenden Seiten.) 

Von besonderem Interesse ist es, Krankheitsdauer und 

Sterblichkeit der vei*schiedenen Berufe mit einander zu ver- 
gleichen. Die am wenigsten lebonskiaftipen Scliroihor und 
Schulmeister z. B. haben nur einen lmmz ^^M inj^en Krankheitssatz. 

In den Tabellen XIV — XL inarhl uns Ratcliffe mit dem 
Material bekannt, aus welchem sich die vorhergehenden Be- 
rechnungen aufbauen. Ks bedarf gar keiner Krwahnung, dass 
dasselbe für einige Berufe in höheren Alterq[»erioden sehr knapp 
ist. Doch sind die Fälle nicht so zahlreich, wie man anzu- 
nehmen geneigt sein wird. Dass die Statistik, wie bei den 
' Bäckern, im Alter von 51 Jahren nur 4 Personen zu ver- 
zeichnen hat, steht ganz allein da. 

Die nun folgenden Tabellen XL— LXV enthalten Ueber- 
lebens- und Lebenserwartungstabellen für die einzelnen Berufe, 
welche mit 100 000 Lebenden im Alter von 18 Jahren an- 
fangen. Die Tabellen LXVl LXXIl geben die Krankheits- 
dauer flir jedes Altersjabr in jedem einzelnen Berufe an. 

In der fünften Abtheilung betritt Ratdiffe ein Gebiet, 
welches Fan* und Neison schon vor ihm betreten hatten: die 
Untei-suchung der Krankheits- und Sterblichkeitverhältnisse 
nach Ortschaften. Die beiden Orossstädte: Liverpool und 



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270 



V. 1. 



StoUinacher 

St&dtisclie Tagelöhner. „ 


Dienstboten 


Ländliche Tagelöhner . 

Weber 

Schuhmacher 


England und Wales. . 
Manchester Unity. . . 


England. — 
Manrhester ünity. — 
Gewerbe. — 


0,74 
12,0 


CCj-'P to 
00 


to 

_CC ^ O 05 
"«D "O O "O 


100.0 


Prozentsatz aller 
beobachteten Leben 


1 

Ü 


63 r, 1 
(nor- 
mal ) 


Ol Ol OJ 

CT -.1 CO 

1 1 1 

Ol OS 


05 OS 

U 

OS Cr 
4^ 4> 


Wahrscheinliche 
Lebensdauer 


38,91 

40,97 
40,32 

40,87 


CC 4^ 4^ 4^ 

4k."b5'«0 "O 

OO ^^ 


45,28 

41,92 
40,87 


4^ CC 

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CO 

0 


Lebenserwartung Im Alter von 
(in Jahren) 


:34,29 

33,87 
33,38 

33,65 


34,30 

«Ii AC 

33.49 
32,51 


38,47 

01,1 1 

35,55 
33,99 


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0 


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27 54 
27,37 


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28,53 
26,23 


26,56 
26,41 


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19,40 


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14.89 
10,23 


18,88 

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13,05 


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to oc CT ^s 


7,59 
7,87 


7,04 


20-30 


Durchschnittliche Krank- 
heitsdauer (in Wochen) 


7,94 

9 46 
8,21 

10,78 


p Cn _-J 

V."4-"o "cn 
Oü CO CC -J 


9,07 
10,13 
10,57 

8,02 


1 9,04 


30-40 


8,00 
13,32 

14,91 


10,46 

1 <; 1 1 
15,11 

10.51 

12,06 


10,80 

14,14 

13,93 
12,01 


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1 

s 


9.44 
14.63 

27,14 


22,48 

<y7 OK 

17,52 
19,74 


1 18,76 

00 '7Q 

31,36 
22,44 


27,22 




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Hierzu gehören auch 
Kellner etc. 


50 " 0 in Lancashire, Midd- 
lesex und Yorkshire. 
Sie bilden 20 »/o ihres l^e- 
zirkes. 

70 '^' 0 in Lancashire und 
Yorkshire. 


i 1 


Wo lebend. Nur ange- 
geben, wenn nicht über das 
ganze Land zerstreut 
Bemerkungen. 



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V. 1. 



271 





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272 



V. 1. 



Glasgow zeifren die grösste Sterblichkeit und eine wahrscliein- 
liche Lebensdauer von nur 50—51 bezüglich 52—3, also eine 
geringere als die der Schreiber und Schullehrer und eine um 
11 resp. 9 Jabre geringere als die der Grossstädte überhaupt. 

Daran reiben sieb Süd-London mit einer wabrscbeinlichen 
Lebensdauer von 55—56, Sbeffield mit 57 — 58, Nord-London 
mit 58 - 59. In den letzt^^enannten Orten stimmt die Sterbe- 
ziffer bis in das Mittelalter hinein mit derjenigen der City 
Districts ttberein. Dann erst setzt eine viel höhere Sterblich- 
keit ein. In der Reihe erscheint nun Schottland mit r>!>— «JO. 
Kach Neison betrug die wahrscheinliche Lebensdauer üo— üG. 
Ratdiffe erkläit .die Verscbiedenheit aus dem Umstände, daas 
in der Statistik* der Manchester ünity Glasgow 22% sämmt- 
lieber Leben ausmache. Auf frleicber Stufe mit Schottland 
steht Birmingham. Oldham zeigt normale (City D.) Verhält- 
nisse. Hoclidale, Biadfoid, Wales, die Mittel- und Grossstadt- 
Distrikte von Lancasliire weisen eine günstii^ere Mortalitilt auf : 
02— 6:3. ,Ia. die Mittelstadt-Distrikte von Lancashire erheben 
sich über die Duichsclinittsrate der Town Districts. Boltou, 
Leeds und die ländlichen Distrikte von Yorksbire ^t^igen eine 
wahrscheinliche Lebensdauer von 63—64. In den ländlichen 
Distrikten von Northampton ist die wabrscbeiuiiche Lebensdauer 
66 t)?. 

So zeiirt sich also in den Districtcn (\vv Manchester Unity 
ein Unterschied in der wahrscheiuliclien Lel)ensdauer von nicht 
weniger als 1(3 Jahren! Die Gewerbe (Zimmerleute — 
Schreiber) wiesen 15 Jahre auf! 

Die Krankheitsstatistik ist nicht weni^r lebrreicb. Glas- 
gow, Liverpool, Bristol und Sheffield zeigen eine böhere Krank- 
beitsziffer in jeder Periode, wäbrend dieselbe nach Perioden 
in den andern Städten wechselt, wie aus folgenden N(^ti7on zu 
ersehen ist, in welchen die Stildte nacli der Durcbscbnittssumme 
der Krauklieitsdauer auf einander folgen. 

Im Alter von 20 — 30 haben die Mitglieder der Städte 
Leeds, Stockport, der Mittti- und Grossstadtdistrikte von 
Lancashire, Bolton, Rocbdale, Bury, Nord-London, Oldbam 
günsti^^ere Verhältnisse als die normalen in den City Distiicts; 
in Süd-London, Birmingham, Bradford, Bristol, Liverpool, 
Glas{?ow und Sheffield ungtmstigere. Von 30 — 40 haben Bolton, 
Oldham. die City-Distrikte von Lancashire, Süd-London, Nord- 
Lonihtn eine fjerin^iere DurchscliDittssumme aufzuweisen, und 
Bradford, Sheftield, Bury, Rochdale, Bristol, Stockport, Liver- 
pool und Glasgow eine höhere als die normale. Von 40—50 
ist die Krankheitsziffer in Rocbdale, Stockport, den Gi'ossstadt- 
distrikten von Lancashire, Bradford. Oldham, Süd-London und 
Nord- London aerinizer, und in Leeds, Bury, Bolton, Liverpool, 
Bristol, Sheffield und Glasgow {.nösser als die normale. Von 
50—60 stehen Uochdale, Bradford, Bury, Leeds und die Gross- 



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V. 1. 



278 



Btadtdistricte von Lancashire über dem Durchschnitt, Bolton, 
Nord-London, Oldham, Sheffield und Stockport unter demselben. 
Ueber die in den letzten Perioden nicht genannten Orte liegen 
nicht hinreichende Daten vor. 

Die beiden letzten Abtheilungen unter der Ueberschrift 
,Value of Annuities, Sick Gift, Assuranee at Dealh, and Con- 
tributions payable for tbe Same' und ,Valuation of Assets and 
Liabilities' übergehen wir, da sie nichts Neues bieten. — 

Eine ei*staunliche Masse von interessanten Thatsachen, 
welche Ratcliffe's Werk enthält! Um so ei*staunlicher, als hier 
Arbeiter aus eigener Initiative schufen, was bisher gelehrte 
Gesellschafteu und der Staat nicht zu thun vermocht hatten. 
Aber es ist die Frage, ob eine andere Arbeitorschicht, die nicht 
so eonsequent die ganze Verwaltung ihrer Angelegenheit in die 
Hand der Tüchtigsten legt, die Aufgabe hätte bewlUtigen kOnnen, 
und ob die Manchester Unity im Stande dazu gewesen wäre, 
wenn sie nicht einen Mann wie IJiitclitfe besessen hätte'). Er 
leitete die Untei-suchung nicht bloss, er rechnete mit unversieg- 
barer Ausdauer mit seinen Gehilfen. Es scheint, dass er den 
originalsten Theil seines Werkes, die Statistik nach Gewerben, 
ohne jede Hilfe bearbeitet hat Spry theilt mit, dass dieselbe 
allein ihn 15—17 Stunden täglich beschäftigt habe. Diese * 
Mitwirkung des Leitera an dem rein mechanischen Geschäfte 
und der Umstand, dass die >[änner, welche das Material lieferten, 
die Sekretäre der Logen und Distrikte, ptiichtfifrij^e und von 
der Wichtigkeit des Unteinehmens Oberzeugte Milnner waren, 
sichert der Arbeit einen Werth, welchen manche statistische 
Werke nicht besitzen. 

Wir haben den Inhalt des Werkes etwas eingehender aus- 
gezogen, sowohl wegen des grossen Werthes desselben, als auch 
um die Schwierigkeiten verständlich zu machen, welche einem 
Arbeiterversicherungswesen entgegenstehen. Können wir in 
absehbarer Zeit hoffen, da sich Lokal - und Gewerbeeintlüsse 
in so mannichfacher Weise durchkreuzen, die Beitrüge der 
Mitglieder in gerechter Weise zu tixiren? Es unterliegt gar 
keinem Zweifel, dass Kassen, welche nur Mitglieder derselben 
Gewerbe aufnehmen, die am wenigsten ungerechte Auf- 
bringung der Beitrage ermöglichen. Man nähert sjch dem 
Ideal am meisten, wenn man lokale Kassen für jedes Gewerbe 
schafft. Doch würde die Errichtung derselben für alle Gewerbe 
an den meisten Orten an der geringen Mitgliederzahl scheitern, 
oder die errichteten würden bankerott werden. Es wäre also 
uothwendig, Gewerbegenossen aus andern Orten an sich zu 



Der Orden legte sich ein grosses Opfer auf. In dem fthnlichen 
Werke vom Jabre läb'2 werden die Kosten desselben auf 3500 £ berechnet. 
Das e^en besprochene mua« grOsaere Kosten verursacht haben. ~ Dl* A. 
M. C. erkannte R. eine Belohnmig tod 60 so. Spry, 114. 

Ftfashoagm (») V. 1. ~ HMbMh. 18 



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274 



ziehen, in diesem Falle würden T.okalcinfltisse die Berechnungen 
stören, oder man niüsste andere (iewerbe aufnehmen, damit 
wäre die richtipe Form der (lewerbekasse vernichtet. Das 
Ideal lässt sich also nur auf dem platten Lande^ in bedeuteoden 
Fabrikdistrikten und in Grossstftdten verwirklichen. 

Woher will man weiter die nOthigen Daten für alle Ge- 
werbe nehmen ? Auch die Resultate der Statistik der Man- 
chester Unity haben Bedeutung nur für diese, und nur für 
kurze Porinden. Jenes wird aus der Abweichung der Statistik 
von Hatclitie und Nelson bewiesen, dies allein durch die bis 
jetzt alle zehn Jahre wiederholte Statistik des Ordens. Die 
Gewerbe mlissten also periodisch eine lokale Statistik auf- 
nehmen lassen. Jede werthTolle Statistik erfordert bedeutende 
Kosten. Je zahlreicher die Kassen, um so griysser die Kosten, 
die von den Mitgliedern getragen werden müssen und so ^e 
Versicherung vertheuern. Mit gerechten Prämien möchte man 
pekuniär schlechter fahren, als mit ungerechten. 

Wir sind dabei von der Unterstellung ausgegangen, dass 
eine wertlivolle lokale Statistik für jedes Gewerbe überhaupt 
möglich sei. Dieselbe ist aber jedenfalls unrichtig. 

Weiter ergiebt sich die grosse Schwierigkeit, kleinen lokalen 
Kassen, bei der heutigen Vermischung der Bevölkerung ihre 
finanzielle Sicherheit zu gewährleisten, auch wenn nicht, wie 
fast durchgehends, die Verwaltung in den Händen ungebildeter, 
dazu nicht selten pflichtvergessener Leute lii'gt und wenn die- 
iielbe auch bei guter Leitung allzuhäufig sehr theuer ist. 

Je grösser die Kasse ist, um so mehr gleichen sich die 
Verschiedenheiten aus, abgesehen davon, dass eine gute und 
billigere Verwaltung nun wahrscheinlicher wird. Vollst&ndig 
sicher wird sie erst, wenn sie sich über das ganze Land er- 
streckt und die Resultate peiiodischer, die Altersklassen unter- 
scheidender Aufnahmen den Prämienberechnungen zu Grunde 
gelegt wird. Das letzte Eienieut aller Unsicherheit aber wird 
erst dann entfernt, wenn alle Diejenigen, über welche Er- 
fahrungen gesammelt worden sind, auch in die eine Kasse 
eintreten. Wir erinnern an AnselKs Ausführungen im vorigen 
Kapitel. 

Eine allgemeine Zwangskasse mit nach Altersstufen gra- 
duirten Prilmien ist also rlas zweite Ideal, welches aus unseren 
Betrachtungen entsiiringt. Uas erste - die lokale Gewerbe- 
kasse lässt nur eine seltene Durchführung zu. Das zweite, 
die allgemeine Zwangskasse, lässt sich nicht in allen Ver- 
sicherungszweigen durchführen. Die Durchführung der ivrauken- 
vei-sicherung wird der Kontrolle wegen immer eine Mehrzahl 
yon Kassen erfordern. Daas dieselben klein sein mttssten, wie 
wir verschiedene Aktuare ver.siclH in hörten, ist nicht richtig. 
Es giebt grosse Kassen in England mit wirksamer Kontrolle. 
Die allgemeine Zwangskasse empfiehlt sich dagegen fUr alle 



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V. 1. 



275 



andern Veraiehernngszweige als die Bichente nnd unter den 
gegebenen Verhältnissen billigste. 

Einen Schiitt nach diesem Ziele hin ermöglicht eine Sta- 
tistik, welche wir jetzt besprerhen wollen. 

Haid nach der Vollendung des vorher besprocheneu 
Werkes liefen die fünfjährii^en Berichte der tülfskassen ein, 
welche bisher, wie bekannt, nur einmal und zwar von Neison 
▼erarbeitet worden waren. Diesmal wurden sie benatzt Ein 
,,Ab8tract of Returns reepecting Friendly Socfeties in England 
and Wales, during the Five Years endin^ the 31«^ of December 
1850" wurde dem Parlamente vorgelegt*). 

Oer Reiri*^trar bemerkt in der Kinleitung, dass von 
1828 - 1847 10,483 Kassen registrirt worden seien. Vom 
8. Juli 1847 — 23. November 1852 seien in Kn-^Iand und 
Wales (Enghmd: 9,497; Wales: 936) 5520 Vereine einge- 
schrieben worden, die Zahl aller seit 1828 registrirten Gesell* 
Schäften betrage also ungefilhr 16000. Nehmen wir die im 
3. Kapitel enthaltene Statistik zu Hülfe — welche der fleLrister 
nicht erwähnt — , so werden wir uns nicht weit von der Wahr- 
heit entlerneii, wenn wir die Gesanimtsumnie der seit 17'.»:i 
eingeschriebenen Friendly Societies auf 26 000 veranschhigen. 
Doch erhielt er Berichte von nur 4 291 Vereinen. Hiervon 
war ein grosser Tlicil :^ehr unvollkommen. Der Auszug unter- 
scheidet ,Perfect' und ,Imperfect Retams*. Nur etwa 3000 
konnten zu weiteren Berechnungen benutzt werden. Die An« 
zahl der Mitglieder in den genannten Kassen betrug 781 722. 
In dem, dem 8. Juli vorangehenden Jahre hatlen die Kassen 
693 751 £ eingenommen und in derselben Zeit 518 078^ an 
ünterstützuncren bezahlt. 

Aus den Berichten , welche nur wenijje Schlüsse auf den 
Gesammtzustand des Ililfskassenwesens gestatten ^ heben wir 
einige Notizen heratis. 

In Lancashire hatten 620 einaeschriebene Hilfskassen 
293 Berichte einircschickt. Die Mit^zliederan^abe betrug 258 095, 
die jährliclieii Kiiniahinen 71 *J<h) r . In T.(Hulf)n. wo unter 26-*^ 
registrirten Vereinen 95 Itei ichtet hatten, betrug' die Mit<rlieder- 
anzahl 22 297, die jährlichen Beiträge fast das Dojjpelte, 
132 745 £. Bedenkt man nun, dass die Miigliederanzahl der 
Londoner Kassen kaum ein Zclintel der ersteren betrug, so 
wären die Prämiensfttze im Durchschnitt fast 20 mal so hoch 
gewesen. Die höchste Zahl eingeschriebener Hilfskassen und 
den geringsten Prozentsatz von Berichten hatte Middlesex auf- 
zuweisen: 1301 gegen :*>17. An .Anzahl der eingeschriebenen 
llilfskassen folgen Lancashire mit 620, Yorkshire mit 454, 
Staftbrdshire mit 445. Devonshire mit 362. Monniouthshire mit 
35t), Warwickshire mit 336, Surrey mit 324, ivcnt mit 313, 

■) AecmiDts and Fkpen. 1852 -53. Yol. C. 



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276 



Hampshire mit 301. Die p^eringsten Zahlen weisen auf Here- 
fordshire mit 45, Cumberland mit 30, Rutlandshire 11 und 
Westmoreland 3. Die grösste Anzahl von Berichten hatte 
Middlesex (317) eingesandt, dann folgen LaiRa.sliiie mit 293, 
Staifordshire mit 201 , Yorkshire und Devonshire je mit 193, 
Koni mit 190. Hampshire mit 149, "Notfalk mit 121. Die ab- 
solut geringste Anzahl ans Herfordshire mit 18, Cumber- 
laod 16, Rutlandshire mit 7 und Westmoreland mit 3 (West- 
moreland 100 ^o)- Die höchste Mitgliederzahl wies Lancashire 
auf: ü58 095. Ein ungeheuerer Sprung, ehe wir bei Yorkshire 
mit 63 315 Mitgliedern anlangen, nun folgen Middlesex mit 
4:3 .^80, Devonshire mit 20 768, Staflfordshire mit 27 639, Hamp- 
shire mit 24 760, London mit 22 297, Cbeshire mit 17800, 
Essex mit 16459, Warwickshire mit 16881, Surrey mit 15475. 
Die geringsten Mitgliedencahlen weisen die Granchaften mit 
der geringsten Kassenanzahl auf. Wir bemerkten schon, dass 
London allen an Höhe der Jahresbeitritge voransteht: 182 745 i^^. 
Nun folgen Lancashire mit 71 200 Middlesex mit 62 421 
Yorkshire mit 52 374 £, Devonshire mit 34 457 £ , Kent mit 
27 857 £, Suffolk mit 27 313 £, Staffordshire mit 25 291 £. 
Eine ganz andere Aufeinandeiiblge zeigen die Grafschaften, 
wenn wir sie nach der Gesammtsumme der gesahlten Unter- 
stützung anordnen. Voran steht Lancashire mit 66 869 £, 
Es folgen London mit 54 067 i^, Middlesex mit 44 632 £, 
Yorkshire mit 37 077 £. Devonshire mit 29 521 £, Kent mit 
24304 £, Suffolk mit 20 929 £, Staffordshire mit 20 578 £ 
Drei Grafschaften wiesen für Unterstützungen einen grösseren 
Betrag, als fur Jahrespi ämien auf : Herefordshire 992 £ gegen 
686, Leicestershire mit 4563 £ gegen 4552, Westmoreland 
226 £ gegen 195. 

In Wales enthielt Glamorganshire 248, also mehi als ein 
Viertel aller Kassen dieses Fürstenthumes. Es folgen Brecon- 
shire mit 147, Denbigshire mit 91, Cardiganshire und Carmar- 
thenshire mit je 76, Pembrokeshire mit 69, Montgomeryshire 
mit 57. Die geringste Zahl wies Radnorshire, nämlich 11 auf. 
Nach der Zahl der Berichte folgen die Grafschaften aufein- 
ander: Glamorganshire mit 95, Denbigshire mit 51 , Brecon- 
sbire mit 49, Carmarthenshire mit 28, Cardiganshire mit 26. 
An letzter Stelle steht Montgomeryshire. Keine einzige seiner 
57 registrirten Kassen hatte einen Bericht eingesandt. An Zahl 
der Mitglieder steht Glamorganshire mit 9097 voran. Dann 
folgen Denbigshire mit 8245, Breconshire mit 4907, Carnarvon- 
shire mit 3595 und Klint'ihire mit 3382. Die absolut höchsten 
Jahresbeiträge weisen die Kassen von Glamorganshire auf: 
7141 Dann folgen Denbigshire mit 6442 Breconshire 
mit 5079 Camarvonshire mit 2479 £ und FUntshire mit 
2255 £, Die Hohe der Unierettttzüngen weist Denbigshire mit 
6497 ^ den ersten Plate an; es folgen Glamorganshii-e mit 



V. 1. 



277 



6231 Breconshire mit 3838 Pembrokeshire mit 2393 i^. 
In Denbigshire und in RadDor&hire (345 i^ — 323) abertiafen 
die üoterstfitzungssiuninen die Beiträge. 

Diese Notizen werden genügen, um einen Ueberblick Ober 
die Venchiedenheit der einzelnen Kassen yon Orossbritannien 
and Wales zu gewlihren. 

Za den Bericbten bemerict der Registrar, dass die Ge- 
aammtanmine der Krankheltadaaer nicht angegeben werden 
könne. Nur die Zeit sei an^?epeben, für welche man Kranken- 
geld verlangt habe, weiter die Dauer der Krankheit solcher 
Mitglieder, welche mit ihren Beiträgen nicht im RücksUiiide 
waren, und für solche Krankheiten, für welche statutenmä&sig 
Krankengeld bewilligt werde. Müsste also aus diesen Gründen ^ 
der Gesaromtannime ein Procentsalz addirt werden, so erheischt 
der Betrug mancher Mitglieder einen Abcng. 

Das Wort ^nperannuation' bezeichne In den HiliUuissen so 
verschiedene Zustände (Unfähigkeit zur Arbeit aus Alters- 
schwäche, Kranklieit, welche eine in den Statuten bestimmte 
Zeit überechreite, über welche hinaus ein ^erin^erer Kranken- 
geldsatz bewilligt werde, Erreichung eines lestKCsetzten Alters 
ohne Rücksicht auf Rüstigkeit), dass die Daten hierüber in dem 
Abstract nicht verwerthet worden seien. 

Auch habe sich herausgestellt, dass viele Kassen ihr Ver- 
mögen in gesetzlich verbotener Weise angelegt hAttflo. 

Der Bericht ist liach Grafschaften geordnet, und giebt Ar 
jede einzelne Kasse das Datum der GrOndong an, das Alter, 

in welchem der Eintritt gestattet Ist, die Krankheitsdauer 
für jedes der 5 Jahre, die Zahl der Mitglieder Ende 1850, das 
Vermögen nach 5 Arten der Anlegung, den Betraf? der jähr- 
lichen Beiträge, die fünfjährigen Einnahmen aus andern Quellen, 
die Auslagen für Verwaltung mit einer besonderen Spalte für 
das Gehalt der Beamten. 

Die Berichte wurden Ende 1852 Alexander Glen Finlaison, 
dem Aktuar der Staatsschulden Verwaltung, zur Berechnung 
von Prftmientafeln Qbergeben, nachdem das Minlsterinm sieh 
snr Ausführun^jT dieses Werkes auf Staatskosten entschieden 
hatte. Tidd Pratt war zuerst mit dem Institute of Actuaries in 
Unterhandlung getreten, das Ministerium hatte aber geglaubt die 
Arbeit einem Staatsbeamten, der in Beziehungen zu den Hilfs- 
kassen stände, übertragen zu müssen. Finlaison veröffentlichte 
den ersten Theil seines Berichtes schon unter dem 1. August 
1853 unter dem Titel „Copy of a Report and Tables, prepared 
onder tbe DIrections of the Loids of tfae Treasury, by the Ac- 
tnary of the National Debt Office, on the Subject of Sickness and 
Mortality among the Membei-s of Friendly Societies, as shown 
by the Quinquennial Retums, to the dl>t day of December 



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278 



1850, received by the Kegistrar of Friendly Societies in Englandy 
under the Provisions of the Act 9 and 10 Vict. 27." ') 

Finlaison giebt in der Einleitung einen sehr anziehenden 
Berieht Ober sein Verfahren« aus dem wir nur anführen wollen, 
dass er die ,Perfect Returns' noch einmal sichtete. Es zeigte 
sich nun, dass sich die Untersuchung über fast 800000 Fäle 
erstreckte. Die Fragebogen hatten Antworten aber folgende 
Punkte verlangt: 

1. Anfangsbuchstaben des Mitgliedes. 

2. Sein Gewerbe. 

3. Alter beim Fintritt. 

4. Datum des Eintrittes. 

5. Die Zeit ( Wochen und Tage), in welcher es Kranken- 
geld empfangen hatte. 

6. Datum der Ueberweisung in die ,Superannuation' 
Klasse. 

7. Datum des Todes. 

8. Datum der Ausschliessung. 

9. Datum des Austrittes. 

10. Bezeichnung der Krankheit, an welcher es gestorben. 

11. Wohnort beim Tode. Es wurde hinzugefügt 

12. eine Spalte für Bemerkungen. 

Finlaison geht in seiner Untersuchung davon aus, dass 
folgende Ajrentien den Grad körperlicher Kraft bestimmen: 
1. Nahrung, Wilrme, Luft, 2. Klinm, 3. Dichtigkeit des Zu- 
sanimenlel)ens, 4. Beschäftigung des Menschen. Wenn der 
hervorragende Statistiker nach diesen Prinzipien eine Unter- 
suchung durchführen wollte, so war also vor Allem nOthig, zu 
gleicher Zeit eine Statistik der Nahrung, Kleidung und Feuerung 
oder mindestens eine Lohnstatisttk zu entwerfen und mit ihren 
Resultaten diejenigen der Krankheits- uml Mortalitätsatatistik 
zu vergleichen. Die Nothwendigkeit einer solchen drängt sich 
um so mehr auf, als er hei der Beschäftigung des Menschen 
hauptsiiclilich, wie wir hahl sehen werden, auf die Menge der ver- 
brauclifen Kraft (the degrce of forre called out i Ticwicht legt. 
In diesem Falle ist doch die nächste Frage: In welcher Weise 
wird die Kraft wieder hergestellt V Weiter leuchtet ein, dass 
Kuhe und Flrholung neben Nahrung und Wilrme sehr wesent- 
liche Faktoren sind. Ausserdem ist zu bemerken, dass wenn 
Finlaison die Dichtigkeit des Zusammenlebens einer Bevölke- 
rang betont, der von Nelson gemachte Unterschied von l&nd* 
liehen Mittelstadt- und Grossindustriedistrikten nicht genügt, 
den er doch mit geringen Veiänderungen adoptirt. Man kann 
jener Dreitheilung einen Werth heilegen. ohne dass man in die 
Definition dieses Begriffes auch das Klement der „assemblage 



1) Acconnts aad Papen. 1852—58. Vol. G. 



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279 



of inhabitants under a certain proportion of roofä'' einfühlt. In 

manchen Kleinstädten und Dörfern leben die Menschen in 
ebenso schlecht ventilirten Räumen als in einer Grossstadt, aber 
die Ruhe, die jrrossere Leichti^^keit, das Freie zu erreichen, 
der Fortfall aufregender Ver^rmi^'ungen erhalten sie gesünder, 
als viele GrossstiUlter. Finlaison betrachtet als Grossstildte 
diejenigen mit 05 000 Einwohnern, als Mittelstädte solche mit 
8 — 65000 Einwohnern, als Iftndliehe Distrikte diejenigen, 
welche weniger als 3000 haben. 

Wir wenden nns zu einer kurzen Inhaltsangabe. Der ori- 
fflnellate und werthvollste Zug der Untersuchung ist die 
Unterscheidung von Krankheitsfall und Krankbeitsdauer. 
Finlaison hat den Beweis zu führen gesucht, dass im Ganzen 
und Grossen beide im umgekehrten Verhftltniss zu einander 
stehen« 

Der erste Theil der Untersuchung beschäftigt sich mit 
männlichen Leben ohne irgend einen Unterschied. Unter 
792 980 Pei-sonen wurden 198 152 als krank aufgeführt, also 
24,99 %. Die durchschnittliclie Krankheitsdauer, auf alle 
F^ersonen vertheilt, betrug 10,1155 Tage, der Kranken 40,4809. 
Die Sterblichkeitsrate war 1,26 %, die Ausschi iessun gs- 
ziffer nicht weniger als S^o^J- Die Krankheitsdauer nimmt 
nur in grossen Perioden su; von 20— -85 sind die Unterschiede 
unwesentlich. 

Der zweite Theil enthalt dne nach geographischen Be- 
zirken geordnete Statistik. Er theilt England und Wales in 
folgende 8 Provinzen ein: 1. eine nOrdliche (Bergbau, billiicre 
Feuerung), 2. eine industrielle (West Riding von Yorkshire, 
Lancaster, ehester, Derby, Nottingham, Stafford, Warwick and 
Worcester mit dichter Bevölkerung, nicht so schwerer Arbeit 
als im Norden, aber verdorbener Luft, hohem Prozentsatz von 
jugendlicher Arbeit etc.), 3. eine südwestliche (Seeluft), 4. eine 
südöstliche (Beziehungen zum Kontinent, Handel, Fischerei), 
5. eine östliche (feucht, morastig), 6. eine mittlere (Leicester 
Rutland, Hantingdon, Northampton, Oxford, Bockingham, Bed- 
ford und Hertford — gesund, hauptsächlich Ackerbaubevölke- 



*) Aus dem Berichte des schottisehen liegistrars heben wir aus vielen 
Beispielen zu diesem Punkte nur 2 hervor. Die Aberdcen Mutual Assur- 
anee katte in einem Jahre durch Aastritt und Exclusion 78 Mitglieder ver- 
loren, ^ blieben 19<!. die Western Friendly Society 47, es blieben 399. 
^tepori and Abetracu of the Kegistrar of Fr. S. in Scottand etc. A. a. P. 
YoL Cl. 185S 58.) Der Berielit de» Mtcheo Registrin ftkr 18&4 erstreckt 
eidi über 39 Gfleelltcbaften und ^96 HitgUeder. Die Gesammtzahl der 
Ansfeschlossenen oder Ausgestossenen betrug 852. In einer Gesellschaft 
641 Die höchste Proportion war 2ö : 281t (Abstract and Report of the 
R. of F. 8. in Ireland etc. A. a. P. Vol. LVIU. 1854.) Der Bericht des- 
selben für 18'>2 wies unter 918 Mitgliedern 106 Ansgetr^ene imd Ausge« 
Bchlosaene auf. (A. a. P. Vol. XLVll. S. 406.) 



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280 



rung), 7. Wales und Shropshire, Hereford, Monmouth (ein- 
fache Arbeit, mässige Bevölkerung), 8. der faAuptot&dtmdie 
Bezirk. 

In den fünf Jahren 1846, 1847, 1848, 1849, 1850 fiel 
das Krankheitsniaximum auf die Jahre 1849 und 1850. Die 
prössere Heftigkeit zeigte sich im Jahre 1849 im nördlichen, 
industriellen, mittleren, hauptstädtischen Bezirke und in 
Wales, im folgenden in den drei übrifien. Die Krankheitsfälle 
erreichten ihr Maximum im ersteren, die Krankheitsdauer im 
letzteren. Nachstehende Tabelle ist aus Tabellen Finlaison's 
znsamniengestellt 



Profiniea i 


1 Unter 100 
„freien" Mit- 
gliedem Bind 
Knnkheiti- 
fiOU 


Dorcb- 

schnittUelie 
Krankheits- 
dauer der 
Kranken in 
Tagen 


Sterblich- 
keitniite 






•/o 








•/o 


1. 


Htttfere 






86^37 




1,02 


8. 


SQdiraitliehe . . . 






99,65 




1,22 


8. 


Oestüche 


26.41 ^ 




37,39 1 


1 1,07 


4. 




25,96 




37.22 T 




1,08 


5. 


Hauptstädtische. . ; 


25,32 




37,34 ( 




1,63 


6. 


Indastrielle .... 


22,34 1 


45,02 Y 




^ 1,38 


7. 


Wallisische .... 


22,14 




45,73 




1.24 


8. 


Nördliche .... 


1 19,88 

j 




50,38 




1,76 



Danach ist die Zahl der Krankheitsfälle am liSchaten In 
einem Ackerbaudistrikte, die Krankheitadaaer am längsten und 
die Sterblichkeit am höchsten in einem Bergbaudistrikte. 
Ueberhaupt sind die Krankheitsfälle am zahlreichstea in den 

Ackerbaudistrikten. 

Finlaison stellt sich die Frage, ob nicht die engeren Be- 
ziehungen des ländlichen Tagelöhners zu den Spitzen der Pfarrei, 
der geringere Unterschied zwischen Untei-stützung und Lohn 
auf dem Lande und der höhere Kohlenpreis diese Erscheinung 
erklären. 

Finlaison geht nun zu einer Statistik nach ländlichen 
Mittelstadt- und Grossstadtbezirken Uber. Die wichtigsten 
Kotisen stellen wir zu einer Tabelle zusammen: 



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V. 1. 



281 



1 Im Alter von !| 


1 Unter ie 100 
1 PfrsoTien 8ind 
! kiiiuk in den 


Aut jede Person 
entftllt eine 

Krankhei'sdauer 
in Tagen 


Auf jede 
kranke Per- 
son entMt 

in Tageo 


Sterblichk*'its- und 
AosscbliesBuugBziffer 
per Geni. 


CS S 

Jo« 


'S « 


c 


Grossstadt 1 
Bezirken 

' Mittelstadt 
; Bezirken 


a 

^ c 
o .i: 


CT, 

s 


lg 


c 

— : a> 
ö b: 


Grossstadt 
Bezirken 


Mittelstadt 
Bezirken 


LändL 
Bezirken 


S. 

1 


A. 


S. 


A. 

■ 


S. 


A. 


20 
30 
40 
50 
60 
70 


B6,94 
22,41 

(23,84 
,27,04 

'•;o,59 


25,22 27,08 
21,79 23,03 
22,43,23,60 
26,10 25,69 
33,10 29,^2 
42,ä4|41,29 

1 


6,80 
6,45 
8,02 
ll,6H 
17,24 
34,57 

I 


6 !»0 
6,75 
8.22 
12,13 
20,07 
44,97 

( 


• 1,88 
7,10 
8,26 
1106 
18,20 
44,90 


2'>,66 
2s,77 
33.64 
43,03 
56,;34 
84,20 


27,;m 

30,96 
36,63 
46,45 
60,63 
106,22 


25,42 
30,h:^ 
35,00 
43,07 
61,03 
10Ö.74 


1 

1,07 
0,97 
1,63 
1,82 

3,35 
4,94 

1 


L 


0,93 

0,78 

1,08 

1,71 

2,84 1 

ö,40 


^ 1 


0,66 
0,72 
0,85 
1,29 
2,27 
6,14 


|i»n 



Im Ganzen, meint Finlaison, wäre kein Krankheitsgesetz 
80 deatlieh ansgesprodieii, dass sieh eine Yersehiedenheit in 
den Präniiensätsen fbr die drei Beiirke empfehle. Ratcliffe 
und Neison kommen sn ganz anderen Resultaten. Wir stellen 
einiire Notizen aus dem Wei-ke des Ersteren daneben (in 
Wochen, Tage und Stunden ausgelassen): 



KnoUMilsdanCT in te Maadrattar Vmtj in folgenden 



1 

Periodea j 


Llodlicboi 
Besirken 


Mittelttadt 
Boirken 


Grouttidt 
Bedikin 


20-30 


7 


7 


6 


3a--40 


8 


9 


9 


40-50 


» 


18 


16 


50-60 


24 


25 


82 


60-70 


64 


51 


75 


70-80 


HO 


188 


186 



Der folgende Theil ist einer Üntei'suchun^' über den Ein- 
fluss der Beschäftipuiig auf Krankheit und Mortalität pewidmet 
Derselbe ist entscliieden ein Rückschritt hinter die Unter- 
suchungen Neison's und Ratcliffe's. Finlaison geht anscheinend 
von der Mher erwähnten Ansicht ans, dass nur wenige Klassen 
erwerbsthätiger Personen eine Ausnahmestellttng bedingen, 
welches doch eben erst zu beweisen wäre. Diese scheidet er 
aus und behandelt sie fttr sich. Fs sind: Seeleute, An- 
streicher, Polizisten, Eisenbahn heamte. Ginbenarbeiter auf 
Kohlenzechen, andere Gnibenarbeiter und Frauen. 

Alle anderen theilt er in 4 Gruppen eiu: 1) Arbeiter, die 
schwere Arbeit yerricfaten und dem Welter ansgesetat sind, 



I 

. lyj^ud by Google 



282 



V. 1. 



2) Arbeiter, welche schwere Arbeit veriichten und der Witte- 
runp: nicht ausfresetzt sind, 3) Arbeiter, welche leichte Arbeit 
verrichten und dem Wetter ausgesetzt sind, und 4) Arbeiter, 
welche leichte Arbeit verrichten und dem Wetter nicht ausge- 
setzt sind. 

Wir stellen einige seiner Tabellen zu einer einzigen zu- 
sammen : 

(Siebe die Tabelle auf folgender Seite.) 

Wetterausgesetzte leichte Arbeit hat bis zum 40. Jahr mehr 
Krankheitsfälle au&aweisen, als dem Wetter nicht ausge< 
setzte Arbeit, nach diesem Alter tritt die umgekehrte Er- 
scheinung ein; bei der schweren Arbeit ist auf Sdten der 
wetterausgesetzten fast flberall eine höhere Krankheitsziifer zu 
verzeichnen. Wetterausgesetzte leichte Arbeit hat in allen 
Perioden eine prerinp:ere Krankheitsdauer aufzuweisen , als vor 
dem Wetter ^a^srhützte Arbeit. Bei der schweren Arbeit föllt 
der wetterausgesetzten auch die längere Krankheitsdauer zu. 
Es bestätigt sich also das Gesetz über das Verhaltniss von 
Kranklieitsfall und Krankheitsdauer durchaus nicht. In der 
Krankheitsdauer der Kranken und in der Sterblichkeit^ziiier 
ist gar kein Gesetz za bemerken. 

Diese ganze Untersuchung ist in der That ganz nnfraeht- 
bar. Dort, wo sieh etwas wie ein Gesetz herauszubilden scheint, 
warnt Finlaison selbst davor, dem Wetter einen Einfluss zu- 
zuschreiben: But the result of exposure to weather is not to 
be conclusively inferred therefrom by any means, as it would 
appear in the case of Heavy Labour to be an ingredient mate- 
rially aggravating the quantum of sickness attaching to this 
rüder class of occupation ^). Wir möchten tibrigens wissen, 
wer diese Unklugheit zu begehen im Stande wäre, und fragen, 
warum Finlaiäon die&e Untersuchung überhaupt anstellte, da 
er wohl weiss, dass aus dem Einflüsse des Wetters keine Sehlnsse 
zu ziehen sind. 

Man wird vielleicht erwidern, dass Finlaison eine Unter* 
suchung Ober den Einfluss der Beschäftigung und des Wetters 
habe anstellen wollen, und dass es dabei nicht auf das Re- 
sultat ankomme. Wenn er bewiesen habe, dass das Wetter 
einflusslos sei, so habe er genug bewiesen. Dieser Einwurf ist 
wohlbegrtindet, aber in diesem Falle erhebt sich die Frage: 
Warum hat er seine Untei-suchungen nicht ebenfalls auf den 
Einfluss der Beschäftigung ausgedehnt? Warum nahm er es 
denn von vornherein als erwiesen an, dass nur gewisse Berufe 
eine Ausnahmestellung haben? Es wäre doch werthvoll ge- 
wesen, wenn er diese Behauptung ebenfolls induktiv dargethan 
hatte. Die Resultatlosigkeit w&re gleichfalls ein gntes Resultat 
gewesen« 

'j 8. XVUI. 



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V. 1. 283 



Mortalit&tsziffer 
bei 


( 


ocnwerer 
Arbeit 


dem 
Wetter 
ausge- 
setzt 


04 C>] C4 00 CD 
1 t^. I 1 <>i 1 « I t-,Ä 

<p ' o ' o ' ^ ' c<r 2 


dem 
Wetter 
nicht 
ausge- 
setzt 


0.79 

0,83 

0,97 

1,62 , 

2,75 

5,68 
11,26 


Leichter 
Arbeit 


dem ' 
Wetter 
ausge- 
setzt 


X '-' N *C ^ O 

1 «5* 1 1 1 1 O 

O 'o 'i-^ '-^ 'oj '»coa 

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dem 
Wetter 
nicht 
ausge- 
setzt 


0,79 

0,79 

1,15 

1,59 

2,90 

5,99 
12,17 


o a ^ 


Schwerer 
Arbeit 


dem 
Wetter 
ausge- 
setzt 


24,97 
28 15 
29,89 
31,37 
34,80 
3s,29 
42,87 
46,05 
61,48 
78,39 


Auf jede kranke Pe 
entfällt eine Krankh 
dauer von (in Tagen 


1 dem 
Wetter 
nicht 
ausge- 
setzt 


ic" r-^ o" »-T co' »-T i-T o 1 1 


Leichter 
Ai-beit 


dem 
Wetter 
ausge- 
setzt 




dem 
Wetter 
nicht 
ausge- 
setzt 


28,53 
30 16 
32,43 
33,50 
36,74 
39,21 
45,43 
53,26 
60,57 
79,96 

1 

— 1 

t 


Die Krankheitsdauer 
beträgt in Tagen auf jede 
Person bei 


Schwerer 
Arbeit 


dem 
Wetter 
ausge- 
setzt 


7,16 

' 8,04 
9,40 
10,78 

12,58 
14,3:5 
21,78 
31,55 


dem 
Wetter 
nicht 
ausge- 
setzt 


6,71 
6 82 
7,06 
i 7,45 
8,03 
9,87 
12,15 
16,08 
1 20,36 
26,99 


Leichter 
Arbeit 


<iem 
Wetter 
ausge- j 
setzt 


iO iO t-" t-" o" O" »"h" 00 1 1 
•-I 1-4 t-l 


dem 
Wetter 
nicht 
ausge- 
setzt 


OOQ-<OCCCOOPOOO<M 
C0«>«0:Cl>00OC0t^Xi 1 1 

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Von 100 Personen sind 
krank bei 


Schwerer 
Arbeit 


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6 s bca 

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S 


28,69 

26,47 
25,74 
25,64 
27.01 
28.14 
29.34 
31,11 
35.42 
40,25 


dem 
Wetter 
nicht 
ausge- 
setzt 


O ».T O -f O Q O «D 
0J0a<>J0JO4<M(MCCC0C0 


Leichter 
Arbeit 


dem 
Wetter 
ausge- 
setzt 


23,71 
21 04 
19,64 
19,02 
19,88 
19,33 
20,74 
21,93 
22,87 
24,84 


nicht 
ausge- 
1 seut 


22,70 
19.90 

18,51 
18,49 
1 19,40 
' 20,49 
23,07 
25,63 
28,36 
32,80 




Alter 1 





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284 



"Will man den Einrtuss des Wetters bei den einzelnen Be- 
nifen kennen lernen, so leuchtet doch dem einfachsten Vei-stande 
die Nothwendigkeit ein, den Prozenti>atz der Krankheiten, 
wdehe dnreh dasselbe hmorgemfen werden, genau amiifreben. 
Nicht genug damit, man mOsste aueh den gOnstigen Einflnss 
des Wetters in Betracht ziehen, indem man die Abhärtung 
einerseits mit dem durch Veraärtelung, mit dem durch Mangel 
an reiner Luft hervorgebrachten Krankbeitsprozeut&atze etc. 
vergliche. 

Dap:efjcn kann man die Krankheitsanpabe entbehren, wenn 
sich die Untcisuchung auf ein Gewerbe beschränkt, denn die 
Lebensbedingungen desselben sind uns im Garnen und Grossen 
klar, wenn and nidit au leugnen ist, dass sie auch Ider ein 
tieferes Verständniss erst ermöglichen. Eine Statistik nadi 
Gewerben ist also einfacher und lehrreicher. 

Zuletzt führt Finlaison in seine Untersuchung über den 
EinflusB von Beschäftigung und Wetter noch den Unterschied 
von Land, Mittelstadt und Grossstadt ein. Wir folgen ihm 
hier nicht, Unterschiede von Wichtigkeit weist die Unter- 
suchung nidit anf. Er kommt an dem Schlüsse, dass der 
wichtigste Unterschied deijenige der lachten und schweren 
Arbeit sei Die Resultate dieser Untersuchung haben whr in 
folgender Tabelle zusammengestellt 





TJntar 100 

gliedern sind 
kmik bei 


\uf jedes freie 
Mitglied entfällt 
eine Krankheits- 
daoer in Tagen 
bd 


Anf jedes 
kranke Mitglied 

entfallt eine 
Krankhdtwlaoer 
hl Tagw bd 


afliBr bd 


1 


Leichter 
Arbeit 


; Schwerer i 
! Arbeit 


Leichter 
Arbeit 


Schwerer 
Arbeit 


Leichter 
Arbeit 

1 


Schwerer 
Arbeit 


Leichter 
Arbeit 

1 1 


Schwerer 
Arbeit 



20 
25 
30 
85 
40 
45 
60 
60 
70 
80 



22,83 
20,06 
18,71 
18,50 

19,48 
20,2ö 

27,41 

87.96 
53,22 



28,35 
26,22 
25;28 
25,80 
26,43 
27,48 
29,05 
34,87 
45,63 
60,56 



6.42 
5,97 
5,98 
6,13 
7,16 
7,94 
10,40 
16,15 
40,86 
90,96 



7,10 
7,:i4 
7,57 
7,92 
9,10 
10,58 
12.48 
21,42 
46.65 
104^ 



28,12 
29,75 
31.97 
32,98 
36,73 
39,13 
45,91 
58,92 
107,63 
170,93 



25.03 
27,99 
29,93 
31,80 
84,43 
38,49 
42,96 
61,42 
102,25 
172,14 



0,76 
0,76 
0,81 
0,90 
1,15 
1,31 
1.59 
2,79 
5,94 
12,15 



0,73 
0.68 
0,74 
0,78 
0,94 
1,12 
1.42 
2,43 
5,04 
18,39 



Hier zeigt sich also, dass schwere Arbeit eine grössere 
Menge Krankheit bedingt, als leichte Arbeit, dass aber die 
Krankheitsdauer der Kranken, welche schwere Arbeit verrichten 
auf den meisten Altersstufen geringer ist, als diejenige der 



285 



mit Jeichter Arbeit Beschäftigten. Die Sterblichkeitsziffer und 
die Ziffer der Krankheit«^dauer beobachten bei beiden Kla&sen 
auf den meisten Alteiustufen einen gewissen Paralielismus. 

Wie sehr Finlaison's Arbeit im Einzelnen bestätigt und 
widerlegt wird, möge man aus einer Vergleichung mit Rat- 
diffe*8 Werk (S. 270, 271 d. 8.) ersehen. BerafB» die M 
Ersterein Yerwandsehafüiche ZQ|i(e trafen und von dem weit- 
herzigen Begriffe ,schwere Arbeit' umfasst werden, z. B. Zim- 
merleute, Schmiede, Steinmetzen, fliehen sich bei Letzterem auf 
das allerentschiedenste. 

Der letzte Theil, welcher sich mit einigen exceptionellen 
Berufen und den Frauen beschäftigt, liat mehr Werth als die 
früheren. Wir stellen die wichtigsten Resultate desselben zu 
einer Tabelle zasammen. 

(Siehe die Tabelle auf folgender Seite.) 

Die Tabelle zeigt. ]. dass Seeleute, Frauen und An- 
streicher die ^'eriiigbte Krankljeitseiiipfätiglichkeit, die Arbeiter 
in Kohlengiuben die höchste haben, auch die Berufe der To- ^ 
lizddiener und Eisenbahnbediensteten zu den gefährlicheren 
geboren; 2. dass die durehscbnittliche Krankheitsilauer der 
Kranken bei den Seeleuten auf allen Stufen die höchsten Sätze 
aufweist; 3. dass die Sterblichkeitsziffer dieser Bemfe im Gan- 
zen höher ist, als diejenige für England und Wales. Diese 
Thatsache tritt bei den Seeleuten auf allen Altersstufen aus 
leicht erklärliclien Gründen hervor. 

Den zweiten Theil seines Berichtes veröffentlichte Fin- 
laiaon im folgenden Jahre. Er trftgt die Ueberachrift ,,Ck)pie8 
of fürther Report and Tables, prepared under the Direetion 
of the Lords ii the Treasury, by the Actuaiy of the National 
Debt Office, on the Subject of Sickness and Mortality among 
the Members of Fnendly Societies, as shown by the Quinquen- 
nial Returns, to the 31st day of December 1850 etc."'). 

Dereelbe enthält einen Bericht und eine Reihe von Prä- 
mientabellen für Männer. Finlaison ging dadurch einen Schritt 
über Ratcliffe hinaus, dass er für Seeleute, Anstreicher, Eisen- 
bahnbedienstete und Grubenarbeiter besondere Prämien filr 
Unterstützung in Krankheit berechnete. Ratcliffe legte seinen 
Berechnungen nur den Unterschied von Land, Mittelstadt und 
Grossstadt zu Grunde. Finlaison beiilcksichtigte denselben 
nicht, dagegen stellte er Tabellen für leichte und schwere 
Arbeit auf. 

Werfen wir einen kurzen Rückblick auf die beiden stati- 
stischen Werke, so können wir uns der Ueberzeugung nicht 
verschliessen, dass Ratcliffe's Arbeit die bedeutendere ist £s 



1) Aoeoanti «id Pap«n. Toi LXIU. 1854. 



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286 



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Personen sind krank 



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, heitsdaue r d. Kranken 

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Unter 100 freien 
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Durchschnittl. Krank- 
heitsdauer d. Kranken 



Sterhlichkeitsziffer 



Unter 100 freien 
Personen sind krank 



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CO 

CO 



Durchschnittl. Krank- ' 
beitbdauer d. Kranken 

Sterblichkeitsziffer 



s 



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287 



manpelt Finlaison's Schrift nicht an eipenthümlichen und werth- 
vollerj Züjzen. Die Unterscheidung von Krankheitsfall und 
Krankheitsilauer hatte jedoch für die Ilillskassen nur theore- 
tischen Werth. Dagegen ihat er in der Berücksichtigung der 
AuBBchliessungen einen glücklichen Griff. In seiner nftchsten, 
im Jahre 1862 erschienenen Untemehmong Ober die Krankheits- 
und Sterhlichkeitsverhältnisse der Manchester ünity widmete 
Ratdiffe diesem Punkte ein interessantes Kapitel: Secessions 
and KxpulsionsO- Unter derselben Lk'h<Tschnft wurden die 
einschläglichen Daten im dritten Berichte gesammelt -). Auch 
Neison führte in seinem im vorigen Jahre erschienenen Werke 
„The Ilates of Mortality and Sickness of ihe Ancient Order 
of Foresters etc. London 1882* dieses Thema erschöpfend 
durch. Es war auch von Bedeutung, dass Finlaison die 
Prämientabellen für einzelne Berufe berechnete. Die Manchester 
Unity ist seinem Beispiele insoweit gefolgt, als sich in 
den lieiden letzten Werken des Oniens Präniientabellen für 
Grubenarbeiter (miners and colliers) tinden. Neison hat in dem 
ebengenannten Werke eine Statistik nach Berufen nicht be- 
rücksichtigt. Die Manchester Unity widmet in ihrem letzten Be- 
richte der Statistik nach Berufen kein Blatt. Spricht das nicht 
ein wenig fär unsere oben entwickelte Ansicht^ dass Gewerbe- 
kassen ein schönes, selten ausftihrbares ideal sind? Hätte sidi 
nicht das Bedüifniss nach besonderen PrUmientabclleii heraus- 
gestellt, wenn sich hilutiger eine starke Majorität von Männern 
desselben Berufes in einer Hiltskasse /.nsan)mengefunden 
hätten ? — Dagegen halten üdd Fellows und Foresters an dem 
Unterschied der drei Distrikte fest. — 

Was sich sonst noch Neues in Finlaison^s Werk Torfindet, 
scheint uns mehr den Namen einer geistreichen Spielerei , als 
einer werthvollen wissenschaftlichen Untei-suchung zu verdienen. 
Von welcher Bedcutunj: war doch die Kintheilung in 8 Pio- 
vinzenV Vergieiclit man diese rohen Al)straktionen mit den 
sorgsamen Detailuntersuchungen RatclitTe's, dann bemerkt man, 
dass die grösslen Unterschiede in Orten iierrschten, welche 
Finlaison zu einer Provinz verschmilzt. Und nun die Unter- 
schiede von leichter und schwerer Arbeit! 

Was bezweckte Finlaison damit? Wenn man sich des 
Hasses erinnert, der Neison nach seinen bahnl)rechenden 
Untersucliungen so reiclilich zu Theil wurde, und der sich in so 
fmgekllnstelter Weise vor dem Ausschüsse der Lords im Jahre 
1848 Luft machte, wenn man sich weiter daran erinm rt. dass 
geklagt wurde, die Aktuare verschickten dieselben Tabellen, 
onbekOmmert am lokale Yeriiftltnisse. nach allen Theilen des 



M übservations on the Hate of Mortality and Sickoess etc. Col- 
ehester 1862. 8. 92—101. 

*) Sapplementary Report 1872. 8. 118--136. 



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288 



Landes, und nun in dem Berichte Siitze wie folgende liest: ^On 
the whole question, however, it is clear that there is no law 
of sickness so vei7 distincily pronounced as to iustify any 
dicrimination in peconiary nies on the groand of sojoiini in 
dty, town, or couotry** (S. XV) und «There is a good deal 
to be gathered from theni (Tabellen aber leichte und schwere 
Arbeit) justificatory of the rude experience and practice through 
which the humbler sort of benefit clubs cling so very sti-ongly 
to the rule of calling upon each ineniber for one common rate 
of contribution, rejecting the refinements of a giaduated scale" 
(S. XXV) — wenn man, wie gesa;;t, solche Sätze liest, dann 
kann man sich des Ar^^wohns nicht erwehren, dass Finlaison 
die alte Generation von Akiuaien an iseison rächte, vielleicht 
auch eine kleine Rede pro domo hielt. 

Ueberblicken wir kurz die fünfjährigen Berichte, über 
welche der sehotüsehe Registrar Mittheilungen macht Auch 
hier schickten die meiBten Hilfekassen keine Berichte ein. 
Unter den eingesandten waren nur 75 Tollkommen. Von 
diesen wurden ö7 zu Berechnungen benutzt. Diese 67 Ver- 
eine hatten 16 139 Mitglieder, der kleinste 29, der grösste 
1031. Fast die Hälfte des ausgelielienen Kapitals gehörten 
0 Rentenkassen (139 893 £ gegen 147 002 £ der andern 
Hilfskaüsen). Die Rentenkassen waren jedoch nicht für Ar- 
beiter, sondern (7) für die Wittwen von Geistlichen, Aei-zten, 
Lehrern und Farmern und (2) für die Mitglieder dieser Klassen 
gegründet worden. Die grösste derselben, die ge^n ündete 
«Widows Fund of the Faculty of Physicians and Surgeons of 
Glasgow^ war augenscheinlich eine absterbende Versicherungs- 
gesellschaft. Sie hatte bei 81 J&hrlichem Emkommen aus 
Beiträgen, ein Einkommen aus Zinsen von 1772 eine Aus- 
gabe von 1903 £ und ein iUpital von 41 018 i^. Die Mit- 
gliedeixabl betrug 74. 

Die finanziellen Verhältnisse scheinen überhaupt nicht 
glänzend pewesen zn sein. Besondei's fällt dies bei einzelnen 
Begräbnisskasseu auf. Man sehe folgende Zahlen: 

KiM Bcgrfclmiiikane mit .'vdl MitgL UäM ein Kapital von . . 840 # 

• " " " V n V 

n 9 » 814 n bei einem Ueberschuss d. Am- 

gaben über die Kinnahmen • 66 p 

9 n „ 119 , Ausgaben — 56 ^ 

Fiinnahmen — 80 „ . . . . 88 , 

Grosse Summen, klagt der Registrar, werden für Pro- 
zessionen , Musik und in kleinen Kassen für die Verwaltung 



^) Report and Abstracta by the Registrar of Friendly Societies in 
Scotland, ordered to be laid beifore Parliament, in terms of the Statute 
18/14 V. e. 116. AccoQots and Ptpen. Vol. GL 1858—1868. 8. 176. 



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V. 1. 



289 



ausgegeben. Dazu kommt noeh die Schwierigkeit, 
den ZinafnBS za erhalten, welcher der Prämien- 

berechnun? zu Grunde lie.i^t. Grosse Summen der 
ärmeren Klassen seien nicht angelegt. 

Aus der Krankbeitsstatistik konstruirte der Registrar fol- 
geilde Tabelle: 



Alter 



16-20 
21-25 
26—30 
31—36 
86—40 
41—45 
46—50 
'>1— 55 
56-60 
61—66 
6e-70 
71—76 



Unter 67 bciioitischen 
Oesellselufteii entfiel in 

den Jahren 1846—50 
jährlich auf jedes Mit- 
glied eine Krankheits- 
daner in Wodien 



Nach Nelson 



0.7492 
0,7287 
0,74la 
0,8995 
0,9r>l5 
l,12b8 
1,7948 
2,949:; 
3,5171 
6,1250 
10,0646 
17,9762 



0,8427 

0,8786 
0,8501 
0,8190 
0,9134 — 
1,0717 — 
1,5106 — 
2,3711 — 
3,1325 — 
5,15/1 

10,6128 

18,4352 



+ 
+ 



Es ist nicht ohne Interesse zn erfahren, dass in dem 
vorjährigen Berichte der Registrar mittheilte, dass eine grosse 
Menge Klubs zuaammengebrochen seien, weil sie ihre Prämien 
nach den Daten der Hochländischen Gesellschaft berechnet 
hätten 

Ein :ihn]i( her Bericht für Irland existirt, so weit Ver- 
fasser hekanut ist, nicht. 

Wir brachten in dem Vorhergehenden einige Notizen über 
das Vermögen der Hilfskassen. Hier ist der Ort , den Ver- 
mögensstand derselben, soweit derselbe offiziell bekannt war, 
klarzulegen. 

Seit Erlass des Sparfcassengesettes vom Jahre 1828 hatte die 
Staatssehaldenverwaltiing jährlich einen Ausweis Uber das bei 
ihr deponirte Vermögen der Sparbanken und Hil&kassen dem 
Parlamente vorzulegen. In den dreissiger Jahren sind die 
Berichte von gerin [^or Bedeutung für uns, weil die den Hilfs- 
kassen gehöripreii Summen nicht getrennt von dem Vermögen 
der Sparbanken auffjeführt wurden. Erst in einem Blaubuche 
vom Jahre 1842 finden wir einen Ausweis über die Zahl -und 
das Vermögen der Hillskassen, weiche ihre Gelder in Spar- 



1) AcGonnte aad Pi^cn. Vol. LIIL 1862. 



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290 



V. 1. 



banken einzahlten. Es waren >i2M Vereine mit einem Kapital 
von 1 080 653 £. Es ist vielleicht nicht uninteressant, die 
Daten über die übrigen Einleger hiermit zu vergleichen. Die 
Zahl der Einleger, welche weniger al8 200i£' eingezahlt hatten, 
hetnig 824162 mit einem GesammtvermOgen Ton 22915940 if. 
3012 Personen hatten zosammen 721 703 £ eingelegt^). 

£in Aasweis aus dem Jahre 1844 für das Jahr 1843 ist 

noch interessanter, weil er die Zahl der Hilfskassen angiebt, 
welche ihr Vermögen direkt bei der Nationalsdiiildenverwal- 
tunp: angelegt hatten. Es waren 395 mit einem Kapital von 
1609 288 i^. Die Zalil <ler liilfskassen, welche ihre Gelder 
in den Sparbankeii deponii t liatteu, betrug 9(309 mit einem 
Vermögen von 1 203 559 Das mittelbar und unmittelbar 
in der Staatsschuldenverwaltung angelegte Vermögen der 
Hillskassen belief sich also damals auf 2 812 847 Von 
jetzt an mehren sich die Notizen tiber die hnanzielle La^ie der 
Hilfskassen. Bis zum 20. November 1846 hatten die Hil^- ' 
kassen bei der Staatsscliuldenverwaltung Depositen (inkl. 
Zinsen) in der Hohe von 2 1*2:^ »3^9 Davon entfielen auf 
Grossbritauüieu 2 848 087 J, , auf Irland 75 601 j^. Von jener 
Summe waren zurückgezahlt 972297 Die Verwaltung 
schuldete ihnen also noch 1951392 ^'). Am 20. November 
1849 waren im Ganzen eingezahlt worden in Grossbritannien 
3 38t33«)2, in Irland 89(>54 { = 3 475 9r.7 £. Dann waren 
zurückgezahlt: 1 372()75 X. Der vf ibleibeade Kest betrug 
2 103 2SI / *). Davon erhielten Zinsen: 

I. 3 d. pro Tag 522r»15 £ U. 2' . d. pro Ta? 1539 82\ £ 
Halbj. Zinsen U\m Ualbj. Zinsen 28S77 r 

" 534 5^1 £ 15Ü6Ü99 ifc 

n 1 5(38 099 £ 

Totalsumme . 21'»:^ 2^1 f 

Die Zahl der einlegenden Hilfskassen betiuu jetzt 555 (1847 
532, 184S : 541) Am 20. November 1850 betrugen die Ein- 
lagen von 

750(5 Hilfskassen in den Sparbanken 1077326 / 

586 ^ bei der Staatsschuldenverwait. _ 2 277 34« » d 

"335460(5 £ 



An Account of the Number of I>epoBitors in Savings Banks and 
the number of Charitable Institutions nnd Friemlly Societies etc. Accounts 
and JPapers. Vol. XXVI. 1:^42. — Bei allen Zahlen sind die bchillinge 
und jPence niclit angegeben, wesshalb die leisten SteUen der Addition idcnt 

immer stinnnon. 

*) Accouuts and Papers, Vol. XXXll. 1644. 

*) AceottnU and Paper«. Vol. XXXIV. 1847. 

*) Accounts and Papers. Vot. XXXIII. 1850. 



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V. 1. 291 

Die s<1mmt)ichen EinUigen bei der Staatsschuldenverwaltmif 
(inkl. Zinsen und RQckzahlungen) emichteii die Höhe Ton 
3 718 099 Davon entfielen auf 

Grossbritannien 3 r/20 775 f 

Irland i>4 483 £ 

Grofisbritannien seit. 13/1 4 Vict 2 840 ^ 

3 718 Oi'O £ 
Zurttckg egatdt 440 Ih^Jß 

2 277 340 iT») 

Am 20. November 1851 *) betragen die Einzabluogen von 
7309 Hü&kaasen 1092 714 £ in Sparbanken, 
607 2893 941 £ bei der Staatsscbuldenverwalt. 

3 48()()55 £, 

Im Ganzen waren deponirt worden bei der Staatsschulden- 
Verwaltung 

3 9n }:>(.(. i 
Zurückgezalilt 151U<)25 ± 

Rest 2 393 941 £ ' 
Davon entfielen auf 

Grossbritannien 59 G. 3 . . 3 796 801 f£ 

Irland 98 950 jg' 

Grossbritannien 13 u. 1 4 Vict. 8725 £_ 

3 904 566" 

Am 20. November 1852 ") betrugen die Einzahlungen TOn 
7839 Hilfßkassen 1 859 580 i in Sparbanken. 
585 „ 2 408 248 £ der Staatsscbuldenverwalt. *) 

4 327 828 £. 

(Rückpanp in der Zahl der Kassen gegen 1851| Fortschritt in 
der Hohe des Kapitals.) 

Im Ganzen waren deponirt worden bei der Staatsschol- 
denverwaltung 

4 057195 f 
Zuriickgezahlt_l 598 223 _ 

Rest 2458 971 ii *)- 
Davon entfielen auf 

Grossbritannien 59 G. 3 . . 3 935 274 £ 

Iriand lo2 990 £ 

Grossbi iuuiuieu 13 u. 14 Vict. 18 931 £ 

4 057 195 £ ' 

Am 20. November 1853 betrugen die Gesammteinsah- 
lungen bei der Staatschuldenverwaltung inkl. Zinsen der Hilft- 
kassen in 



Äccounu and Papers. Vol. XX V III. 
*) Aoemmti and Papen. Vol. LXIIL 1854. 

«) a. a. 0. 

*) Die beiden Zahlen stimmen aicht. 245öi^71 scheint die richtige 
IQ aitin, si0 wird auch in der Statistik S. 297 anfgeAkhit. 

19* 



292 



V. 1. 



Grossbritannieu unter 59 G. 3 . 4 0G8 147 £ 

Irland 107 179 

Grossbritannien 13/14 Vi ct. . . 31608 £ ^ 

4 206 935 £ 
Zarttck gezahlt 1 820 709 fg 

Rest 2 386 226 
8298 Hilfek. hatten in Sparb. ei ngelegt 1 277 4 93 M 

3663719 Sg 

Am 20. November 1854 hatten in die Sparbanken ein- 
gelegt 

8545 Hilfekassen 1 331 537 

566 hatten Depositen bei d. Staatsschnldenve rw. 2199 549 £ 

3420086 fg 

Ins^esammt waren bei der StaatsschuldenYerwaltnng inkl. 
Zinsen angelegt worden 

4326117 £ 
Zurückg ezahlt 2 1 26 567 £^ 

Rest 211K»51ir^ 

Von der Gesanunlsunmie entfielen auf 

Grossbritannien unter 59 G. 3 . 4170 828 £ 

Irland III 007 £ 

Grossbritannien 13/14 Vi ct . . 44 280 

4 326117 i^«). 
Den Höhepunkt errdchten sie im Jahre 1852. 

Wir hätten damit die finanzielle Geschichte der einge- 
schriebenen Hil&kasse, soweit sie sich aus offiziellen QaelTen 
verfolgen lässt, bis zum Ende dieser Peiiode verfol^^t. Die 
i^eringe Anzahl der Kassen, welche ihr Vermögen bei der 
Staatsschuldenvcrwaltung deponirt hatten, ist auffallend. 

Zweifellos besassen die eingeschriebenen Hilfskassen am 
20. November 1854 ein grösseres Vermögen ali^ 3 420fKS6 M- 
Es ist unmöglich, die Höhe des Gesammt Vermögens anzugeben. 
H&tte Tidd Pratt das Gesammtvemögen der Kassen in seinem 
Beridite addiren lassen — er scheint tiberhaupt eine Abneigung 
gegen Additionen gehabt zu haben — so wäre es möglich, dasselbe 
bis zu einem gewissen Grade abzuschätzen. Er theilt nämlich 
unter 5 Kolumnen mit, wie viel jede K;isse in den Sparbanken, 
bei der Staatsschuldeuverwaltung, in den Public Stocks or Funds, 
in Real or Heiitable Securitics ur Heritable Property angelegt 
hat und was nicht angelegt ist. Da uns die Gesammtsumme 
aller Anlagen der ersten und zweiten Klasse bekannt ist, 
wäre es möglich, an dem Verhältniss der in dem Berichte 
enthaltenen Gesammtsumme der ersten nnd zweiten Klasse 



1) Acrounts and Papers. Vol. XXXIX. 1854. 
AccouDte and i'apers. Vol. XXX. 1854—55. 



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V. 1. 



293 



lur Summe aller Einlagen der ersten und zweitm Klasse 
und aus dem Verhftltniss der in dem Berieht enthaltenen 

Snranien der ersten und zweiten Klasse zu den im Belichte 
enthaltenen der dritten, viei-ten und fünften Klasse das Ge- 

sammtvermögen abzuschätzen. Es würde eine mehrere Wochen 
dauernde Berechnung nöthii? sein, um die 185 Seiten darauf 
zu untersuchen. Aus einer Berechnung, weiche sich über 
mehrere Seiten erstreckte, würde das Verhältniss der nicht in 
Sparbanken und bei der Staatsschuldenverwaltung angelegten 
Sumuien ungefähr ein Viertel jeuer betragen Wir werden 
der Wahrheit nahe sein , wenn wir das Gesammtvennögen auf 
4200000 angeben*). 



Fol^'ondp Angaben, welche n) dem Berichte des irischen T?epi<=trar8, 
b) dos schottischen Kegistrars eDtDommen sind, gewlüuren einen KinbUck 
in die Art der Auleguug: 

a) 786 infmted in Mvings binks, 
967 - OD loans to member«, 
200 - OD loan to a nilway Company, 

100 - in a bank, 

158 - in the eheatt of Societies, 
193 - in Treasnrers Hands. 



b) 



Annoity 
Sodaliia 



Other 
Sodfllioa 



In the hands of the Commissioners for the Re- 

ductioQ of the N. D Ii 21005 1W650 

In heritablo aacurities ^3 528 35 8 IS 

Heritable property, chlefly houses 5050 , 17476 

Heritable property, feu duties. and ground . 

ammab i; 22704 * 4216 

GoTemment stock | — { 2080 

Borph fünds ! — | 3 186 

National Öecurity Savinga banks — 8 909 

Tha chartered Baaks I 5876 34103 

On personal security ' — I 8750 

In treasurer's hands , arrears, or investments ' 

not specified { 1730 17 364 



*) Man muss sich vor Allem von der Vorstellung frei machen, dass 
grossen Summen alle den arbeitenden Klas8<ai gehörten. Wir erwähn- 
ten schon früher, dass 9 schottischen Rentenkassen fast die Hälfte des 
Geuunmtvermögens von 67 Hilfskassen gehörte, und dass die Renten- 
ka««sen pOcstsntbefls flir die liberalen Bereife bestinmt waren. Einem 
Berichtet betitelt ,A List of Friendly Sodeties which have invested with 
the Commissioners* etc. (Accounts and Papers. Vol. XXXIH. 1850. b. 815) 
entnehmen wir folgende Notizen. Es hatten deponirt: 

Knlarged Annuitant Society 166^ 

The Provident Society 12 804 - 

Newton Abbot . . . Men's Annuitant Society 17 856 - 

The Men aod Women'» Annuitant Society 8 812 - 

Tka 6«iMnl Annnitant Sodelj 12022 - 

Animitant Sodely for iha Baneiit of Widows 6000 - 



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294 V. 1. 

Wer die finanziellen Verhältnisse der einzelnen Kassen 
überbliekt, muss sich über die grossen Summen wundem, welche 
nicht angelegt sind. Ja es giebt einzelne Kassen , welche ihr 
ganzes Vermöp:en nicht ausgeliehen haben. Eine Gesellschaft 
in Cambridge z. B. hat ihr siimmtliches 195 f£ 10 s. 8 d. be- 
tragendes Vermögen ,in band', eine andere in Wisbeach 380 i^ ! 

Bernstaple and Southwalton Ammitiat Society fbr the Benefit 

of Widows 8190 

Third Annnitant Society 7 173 

Benevolent Commercial Society 3348 

Portsmoath and PortMA Island Annuität Society 11 0H2 

The Royal Dockyard Pension Society for Wido«! 4830 

The Royal Naval Annuitant Society 146754 

PrimitiTe Methodists' Itinerant Preacher's Friendly Society . 7021 

Mutee Society 11587 

Booksellcrs' Proviilent Institution lolld 

Royal Marine Oflicerß' WidowB Fund 38931 

Society tor the Benefit of Widows of tbeOfücers 

of the Royal Regiment of Artillory 45100 

Coramprcial Travellers' Society 20 G68 

Post Office Widows and Ürphans' Annuity Society 4 336 

Meters* Sopenuimiation Pension Society 10 813 

Clergy Mutual Ap^nnmce Sodety 2ß0 986 

Friends Provident Institution 18851 

Scotch Episcopal Friendly Society 9057 

Hotel tad Tavern Keepers' Prondent lostftntioii 5 286 

Subscribers' Annuitant Society 10 8^)0 

Stationers' and Paper Manufacturers' Provident Sodety ... 9344 

Western Annuity Soeiety - 3483S 

Society for the Relief of Widows and Orphans of 

Medical Men in London and its Vicinity . . . 48120 - 
Friendly Society for the Benefit ot Widows of 
the Offieers of the Hospital and Regimental 

Medieal Staff of the Armv 73156 - 

London General Annuity Endowment Association 237 875 - 

National Provident Institution / • • 58779 - 

Cork General Annuity Endowment Association . 54651 - 

Widows' Fund and General Endowment Society 15 943 - 

Diesen Kassen sieht man es auf den ersten Blick an, dass ihre Mit- 
glieder entweder keine Arbeiter sind, oder der bestsituirteu Klasse der- 
selben angehören. Wittwenkassen, Bentenkassen, Aussteuerversicheningen 
für Handelsreisende, Quäker, Geistliche, Kaufleute, Gastwirthe, Offiziere 
in der Armee und der Marine, Aerzte u. s. w.i Die Gesammtsumme 
dieser Kassen beträgt an 1000000 £, die Gesammtsnmme 
aller Kassen 2108821 £\ Klingt es da nicht wie Sj^ott, wenn man 
von den ungeheorett Smomen spricnt, welche den arbeitenden Klassen 
gehören l \ 

Daneben betrachte man die beedieideneD SOmmchen der langnamigen 



und mitgliederreichen Hilfskassen, welche aus Arbeitern bestehen. Da ist 
die Rational Sick and Burial Association mit 13868 Mitgliedern und — 
103 S Vermögen. Hier ist auch verzeichnet die Governesses' Benevolent 
Institution mit 5848 Uitgliedem und - 3 (drei) ^ 16 s. 9 d. Yermögea!! 
Nur die rirafschaftsvereine und einige andere wohlbekannte grössere Kassen 
haben gute Reserven, so die Wiltsbire Friendlv Society 9953 ^, die Mu- 
tual Insurance Benefit Institution 8663 £y Hampshire FUendIj Sodily 
20043 Essex Provident Sodety 24419 £^ Hitchin Friendly Institolioa 
5000 £. 



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V. 1. 295 

Wir erlaaben uns noch anige weitere Zahlen anzufiaren, 

um eine interessante, bis zum Jahre 1859 hinaufreichende 
Statistik über bei der Staatschuldenverwaltung deponirte Ver- 
mögen der Hilfskassen zu ergänzen. 

Am 20. November IS.^X hatten 

9924 Hil&kassen 15(32 7s4 d: in Sparbanken eingezahlt, 
571 „ 1980(582 £ bei der Staatsschulden- 

Verwaltung deponirt, 

Das Gesammtvern^gen 

betrug 3 543 Am £. 

Insgesammt waren 4 751 432 eingezalilt worden, von Irland 

124 641 

Zuiückgezuhlt 2 770 750 £ _ 

. Rest 1 980 (382 £. 

Am 20. November 1859^) hatlen 

10 73^i üilfskassen 1 731 095 £ in Spaibaukeu eingelegt, 
580 » 2 001 754 £ b. d. Staatsschuldenv. deponirt, 

3 732 849 £, 

Es ist belehrend , noch einmal einen Blick auf das Ge- 
deihen der Sparbank zu werfen. Am 20. November 1859 
hatten eingelejit: 

Individual Depositors 1 471» 723 ... 34 402 440 £ 



Chari table Institutions 1(3 315 
Friendly Societies 10 738 

1 506 776 



802 341 £ 
1 731 095 £ 

38 995 876 £. 



(Siehe die folgende Tabelle auf Seite 290 und 297.) 



Wir wenden nns jetzt zur Geschichte der englischen Ar- 

beitervereichening zurtlck. Um ilen Zusammenhang der Hilfs- 
kassengesetzgebuni,' nicbt zu diirrlibrechen, berichten wir 
zunächst von einem neuen Schritte der staatlichen Ver- 
sicherung. 

Von 1834 bis 20. November 1852 waren gewählt wor- 
den 3) in : 

England . . 85(31 Annuitäten im Betrage v. 14i'> 231 £ 
Schottland . S42 „ „ „ „ 137 (17^^14 s. 9 d. 
Irland . . 176 „ „ „ 3237^^ 

Aul'd.normann. 

Inseln. 19 ., , , - 291.1 12 8.6d. 

9598 ' „ , „ \, 103527ai 7 s.3d. 

1) Aeconnts and Papen. Vol. XIV. 1859. 

*) Accounts and Papers. Vol. XL. 18»;0. 
AccounU and Papers. Vol. L2U1I. 1^. S. 71. 



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296 



V, 1. 



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V, 1. 



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m V. L 

Von 1884 bis 20. November 1858 1). 
In England . 8974 Annuitäten im Betrage v. 158 104 iS^ 18 s. 

„ Schottland 800 „ , „ ^ 14 609iP l8.6d. 
^ Irland . . 189 » n » n 3424ij^ 68. 
Aufd.normann. 

Inseln . . 19 „ « 29\ .£ 12s.6d> 

10072 „ »" , 171 429 i^ 188. 

In 20 Jahren hatten 2034 Personen aufgehobene Renten 
gekauft im Betrage von 40474 £. Es ist bemerkenswerth^ 

dass Wales keine Annuität aufzuweisen hat. 

Eine mehr ins Einzelne gehende Statistik aus denselben 
Jahren liegt leider nicht vor. Wir miisson uns daher mit einer 
Statistik begnügen, welche bis zum Januar 1850 geht*). Wir 
reprüduziren dieselbe in einer vereinfachten Form. Schillinge 
and Penee sind Oberall ausgelassen. 

(Siehe die Tabelle auf folgender Seite.) 

Dass diese Resultate nicht glänzend genannt werden konnten» 
wurde allgemein zugegeben. Man schrieb den Mangel an Er- 
folg zwei Umständen zu: dem Mangel an Sparkassen (vor 
1861 waren 14 Grafschaften ohne Sparbank) und der Ein- 
richtung, dass die Prämien dem Versicherten jederzeit zurück- 
gegeben wurden, wenn er es wünschte. Die Sätze waren dem- 
gemfiss hoch gewesen. Man hoffte, dass hei grösserer Leichtigkeit, 
eine Verstchemng ahznscbliessen und bei geringeren PriLmien- 
Sätzen (also eventuellem Verlust der eingezahlten Beitrage) 
sich das Geschäft heben werde. Die Vefcsicherten würden 
sich hüten, ihre Policen verfallen zu lassen*). In der That 
ersieht man aus einem Bericht für das Jahr 1846, dass nicht 
weniger als 175 Versicherungen verlallen und die Prämien 
zurtickG:ezalilt worden waren ^). Lewins maclit darauf aufmerk- 
sam, dass man später wieder nach Taleln mit Uückgewähr der 
Prämien verlangte. 

So kam das Gesetz 16 und 17 Vict. c. 45 (1853; zu 
Stande, dessen wichtigste Bestimmungen folgende sind. Die 
AbSchliessung des VersIcherungsgeschSites wurde ans den Händen 
der Trustees der Sparbanken genommen und der Staatsschulden- 
verwaltung Ubertragen. Es war nicht mehr nöthig, Einzahlungen 
durch die Sparbanken zu machen, sondern die Kommissare 
wurden ermächtigt, direkte Zahlungen entgegenzunehmen. 



'; AccounU and Papers. YoL LXIII. 1854. S. 145. 
Accounts and Pt^pen. Yol. XXXIII. Die 6. Retnrn aber SaTingi 

Banks. S. 605. 

Lewins, S. 236, 
*) LewisB, S. 152. 

*"') A Return of the Number of all Annuities purchased ander the Acli 
3/4 W. IV. c 14 etc. Accounts and Pape». Vol. XXV. 184«. 



t 



J, 1. 



299 




i.i^L I l y Google 



800 



Weiter wurden die Commissioners befugt, Ueberlebensver- 
sicherungs vertrüge abzuscbliessen für Summen von nicht über 
100 i^^, jedoch nur mit rerbonea, welche zu gleicher Zeit für 
ihr eigenes Lebao «ine anfgeschobeDe JahreBraite venidurtai. 

80 rang denn auch hier wieder das Bemfabeamtenthiim 
der alten Selbstverwaltung einen Schritt Boden ab, und Icon- 
kurrirte der Staat mit Hilfskassen und Aktiengesellschaften auf 
einem neuen Versicherungsfelde. Es war ein. wenn auch nur 
ein kleiner Sieg der Idee des modernen Staates. Es erhob sich 
daher auch ein starker Widei'stand gegen die Massregel, und 
es wurde von einem schottischen Doktrinär charaktehstisclier 
Weise geäussert, die Lebensvenichemng werde so eifolgreieh 
von dexk Venricherungsgesellscbaften betrieben, dass es sehr 
unklug wäre, sich in ihre Angelegenheiten zu mischen (that it 
would be most unwise to interfore with them) Das englische 
Parlament Hess sich jedoch durch solche Tiraden nicht beirren. 

Das staatliche Vei*sicherungsgeschilft hatte jetzt folgenden 
Umfang: Versicherung von sogleich fälligen (immediate) oder 
in Zukunft fälligen (deferred) Jahresrenten auf Einzelleben, 
und Yon sogleich fölligen iftr Terirandene Leben. Das Geld 
wird in diesem Zweige auf Wunsch der Versicherten ohne 
Zinsen zurückgezahlt Ausserdem werden aufgeschobene Renten 
(ohne Rückgabe der Prämien) versichert*). Hierstt tritt die 
oben erwähnte Ueberiebensveisicherung. 

Wir können nun in der Darstellung der Hiifskassengesetz- 
gebung wieder fortfahren. 

Im Jahre 1852 musste das Parlament wieder an die Arbeit 
gehen, da nach Paragraph LI des letzten Gesetzes dasselbe ja 
nur eine vorläufige Massregel sein sollte. Zunächst traten jedoch 
an das Pailament ganz neue Fragen heran, welche wir in aller 
Kürze erledigen wollen, da sie sich auf eine Klasse von Hilfs- 
kassen beziehen, welchen wir schon mehrmals unsere Aufnieik- 
samkeit scheukten, die nämlich ausser dem tarnen mit den 
Hil&kassen der arbeitenden Klassen wenig gemein hatten. 

Wir erwähnten im 8. und 5. Kapital dieser Schrift, dass 
sich Versicherungsgesellschaften für die wohlhabenden Klassen 
gebildet hatten, die sich als Hilfskassen einschreiben Hessen, 
wir sahen in diesem Kapitel, welche Kapitalien sie angesammelt 
hatten. Die Zahl derselben hatte sich inzwischen noch ver- 
mehrt. Zu den S. 293 genannten waren ,The Bradfonl Friends' 
Association' und /ihe Aberdeen Mutual Assurance aud Friendly 
Society' getreten. IHe froheren Klagen der Versichemngs- 
gesellschi^ten hatten sieh inzwischen auch um eine vermehrt 

LewinB, S. 153. 

Bei Bücksewähr der ciogezahlten Prämien kostet eine J&bresrente 

im Alter von 15 Jahrai 2 10 s. 1 d., ohne RflckgewUir nur 1 5 i. 
0. s. w. 



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V. 1. 



doi 



In Enffland besteht bekanntlich seit 1694 eine Gebühr 
für die (iurch Gesetz vorgeschriebene Ba^^tiltiirung der Testa- 
mente (probate duty) und eine Knuilchtigungsabgabe zur Ver- 
waltung eines lutestat- >iachlasseb (duty on letLei-s of ad- 
ministration). Beide verwandelten sieh mit der Zeit in Steuern 
mit progressiven Sätzen auf bewegliehes VerroOiren (personal 
estate) und die P>trapnisse von Zeitpachtverträjren, Forde- 
rungen etc. (chatteis real). Hiei"zu war im Jahre 1780 eine Ver- 
mächtnisssteucr (Ic^racy duty) getreten, von der jetzt nur noch 
die Verraikiitnisse zwischen \Vittwer und Wittwe frei sind ^). 

Jene Kassen hatten seit 1850 in vielen Fällen höhere Summen, 
als nach dem ij 45 des letzten Gesetzes stempelfrei waren, aus- 
gezahlt, ohne die genannten Steuern zu entrichten. „Die Be- 
stfttigungsabgabe nnd die Vermftchtnisssteuer/ sagt der Selcretftr 
der Provident Association zn Bradford vor dem bald zu er- 
wähnenden Ausschüsse, .ist keine Abgabe, welche den Ver- 
sicherungsgesellschaften auferlegt ist, sondern den Parteien 
selbst." Nach einer Klausel in der Police tritt ein Wittwer, 
eine Wittwe oder ein Kind in den Genuss der Vei"sicherunfrs- 
summe auf die Police hin, so dass es unnöthig wird, die ge- 
richtliche Ermächtigung vorzuweisen (to produce probate ol the 
will or lettera of adroinistration) Oder, wie dn anderer 
Zeuge es ansdrfiekt: ^Sie beanspruchen eine Ausnahmestellung, 
weil das Eigenthum nicht an einen Testamentsvollstrecker oder 
Verwalter bezahlt wird, der nicht die Person ist, an welche die 
Summe ausbezahlt werden solP)." 

Es wurden noch andere Klagen gegen jene Gesellschaften 
vorgebracht. Im Jahie 1840 war, wie man sich erinnern wird, 
den genannten Hilfskassen das Recht entzogen worden, die 
Prämien füi' höhere Summen als 200 £ der Staatsschulden- 
Verwaltung SU Obergeben« Später war der Zinsfnss reduzirt 
worden. Doch hatte man ihnen die alten VergOnstigungen für 
Prämien auf frühere Policen belassen. Nun wurde vom Comp- 
troller-General — der kein Mittel, sich über diese Verhältnisse 
hinreichend zu inforiniren, zu haben vei-sicherte — behauptet, 
die genannten Kassen bestritten fällige Summen aus laufenden 
Einnahmen und bezögen so den hohen Ziusfuss weiter fort. 



M W. Vocke, Geschichte der Steueni des britUschen Reichel. 
8. 22:'. fl^. Siehe auch Mr. Serjeant Stepliens' Npw Commentaries on 
the I.aws of England «'■i» edition. London 1-74. S. li)0 fF — Das GeseU 
2i Yict. c. 56 bMtimnit, dau keine bestAUgungs- oder Krmächtigungs- 
abRabe erliohen werden toll, wenn daa VennOgen des Erblaaeen 100 £ 
nicht übersteigt. 

-) Miuutes of Evideoce t&ken before the Select tummittee oa the 
Fdendly Sodetiee' BUK 1852. YoL V. qa. 567. 
*) a. a. 0. qo. 1271. 



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802 



V. 1. 



Der ,Clergy Mutual' halx* no( ii keinen Pfennig seines einge- 
aiahlten Verniöp:ens zui ückgetordert ^ ). 

Man kann sich leicht erklären, dass eine Gesellschaft, wie 
diese, welche ihre Geschäfte immer weiter ausdehnte, ihre 
Unteratütsmiigeii ans den aktuell filUigen PrAroien bestreiten 
konnte, und dennoch ihre Reserven bei der Staatsschulden- 
Verwaltung noch zu stärken im Stande war. Seit dem Jahre 
1850, also in 2 Jahren, hatte sich das YeiTnö-jen des Clergy 
Mutual, weliiies bei der Staatsschulden Verwaltung; deponirt war, 
um55<)U().X vermehrt. Es betru|2: jetzt 31 5 000 iif Erwägt 
man nun, dass am 20. Nov. 1852 das üe.sammt vermögen aller 
Kassen 2 458 971 ausmachte, 2 Jahre vorher 2 277840 i^, so 
hatte sich das Vermögen der Hil&kassen um etwa 8 % , das 
des Clergy Mutual um ein wenig mehr als 21 % vermehrt Es 
betrug des Vermögens sftmmtlicher 5H5 Hilfskassen, welche 
einen Theil ihres Vermögens bei der Staatsschulden Verwaltung 
deponirt hatten. So erklärt sich auch die eiiieiitliuniliche That- 
sache auf S. 291 dieser Scln-ift, dass, ohgleieh von IH-M auf 1^52 
die Zahl der Hilfskassen von 007 auf 5b5 zurückging, die 
Kapitalien von 2 393 941 W auf 2 458 971 £ stiegen. 

Die zweite Klage kam von Irland. In Dublin, Gork und 
Limerick, sowie im Korden Iilands existirten seit alter Zeit 
Versorgun?sk;\sspn für die Hinterbliebenen vonpresbyterianischen 
Geistlichen. Dieselben frew-ihrten Pensionen über 100^, oder 
erlaubten geringere Summen zu Gunsten einer Person mehr- 
fach zu versichern, nicht blos an solche Personen, die im letzten 
Gesetze bezeichnet waren, sondeni auch an Schwestern, Brüder, 
Neffen, Nichten, Vettern, Basen und Nichtverwandte. 

Das Gesetz von 1850 hatte ihnen den Weiterbetiieb ihres 
Versicheiirngsgeschäftes in froherer Weise unmöglich gemacht, 
oder sehr erschwert 

Hieran kam nun ein Nachlilssigkeitsfehler des Parlamentes. 
Das Gesetz vom Jahre 1H2!» hatte alle früheren Hilfskassen- 
gesetze aufpfeh(>l)en, sie aber auf die Zeit von drei Jahren für die 
unter denseli)en eingeschriebenen Hilfskassen in Kraft gelassen. 
Der Termin der Neueinschreibuug war spater in infinitum ver- 
längert worden. Nun aber hatte das Gesetz vom Jahre 18&0 
das Gesetz, wodurch die vor 1829 registrirten Vereine geschätzt 
blieben, aufgehoben, und dieselben waren jetzt vogelfrei. 

Endlich müssen wir noch erwAhnen, dass die Verarbdtung 

der fünßährigen Berichte, welche wir früher besprachen, eine 
grössere Menge von Arbeitskvitften erforderte. Dem Kegistrar 
mussten also Einnahmen zur Bestreitung der nöthigen Aus- 
gaben zugewiesen werden. 



^) qu. 1413 ff. 

*) a. ju O. qu. 446. 



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V. 1. 



303 



Sotheron brachte am 12. Februar 1852 eine umfassende 
Bill ein, aber sie wurde am 16. März, angesichts der Unmög- 
liclikeii, IQ der laufenden Session ein umfassendes Konsolidations- 
mets SU berathen, xarfickgczogen. Am folgenden Tage legte 
Sotheron dem Hause einen neuen Gesetzentwurf vor, weleher 
nur den wichtigsten, aktuellen BedQrfniasen gerecht zu werden 
suchte. Ein Seloct Coinmittee wurde am 2\K Apnl ernannt, 
welches unter dem Vorsitze von Sotheron vom l. Mai bis 
25. Juni in 8 Sitzungen Zeugen Uber die vorher geschilderten 
Verhältnisse vernahm 

Der Ausschuss beschloss, dem Parlamente vorzuschlagen, 
das Gesetz der irischen Gesellschaften wegen nicht abzuändern. 
Es wäre aber wünschenswerth, dass sie durcli ein besonderes 
Gesetz geschützt würden. Es wurde auch im Jahre 1852 ein 
solches Gesetz für .The Prcsbvtei ian Widows' Fund Association' 
(15 und U> Vict. c. CXII) erlassen. 

Die eniilischen Hili.skas.sen für die uebildeteu Kassen, 
hiess es in dem Keport, hätten nicht gegen das Gesetz Ver- 
stössen, aber sie besässen den Charakter von Flilfskassen nicht 
mehr. Sie mOssten daher entweder Versicherungsgesellschaften 
werden, oder es müssten den Versicheningsgesellschaften die- 
selben Privilegien in Beziehung auf die Hestätigungsabgaben 
und VennHehtnisssteuern verliehen werden-). Es war vorge- 
schla^jeii worden , dass alle Policen bis zu 5lH> £ frei von Ge- 
bühren sein sollten, und der Comptioller of Lejzacy Duties 
glaubte, dass der Einnuhmeausfail sehr unbedeutend sein 
würde 

Tidd Pratt hatte die Nothwendigkeit einer grösseren 
Centraibehörde für die Angelegenheiten der Hilfskassen liervor- 
gehoben. Der Bericht fasst die Aussagen des^Registrai-s zu- 
sammen, verhält sich a))er weder z'istimmend, noch ablehnend 
Sir Alexander Spearman, der Comptroller-General oftlic National 
Debt Office, hielt eine grössere K(>nti()lle über die Einzahlunj^en 
der Hilfskassen für erforderlich. Auch die Nothwendigkeit 
einer Revision der Bestimmungen ttber Anlage der Kapitalien 
und den Zinsfius wird angeregt'). 

Das Gesetz vom Jahre 1852 „An Act to conti nue and 
aroend an Act passed in the H*** Year of the Keign of Her 
Present Majesty to consolidate and amend the Laws relatinp 
to Eriendly Rncieties (15 und IG Vict. c. 05)- beschränkt sicli 
auf das Ailernoth wendigste. Das Gesetz vom Jahre 1850 wird 

') Journals of the Uouse of Commons. IH.V2. Vol. 107 und Kepon 
from the Select Conunittee on Friendly Sodeties. IS-'iS. VoL T. 
8. VII, VIII 

a. a. Ü. 6. VI. 
V Minotet. qn. 1277. 
*) Rep. IV. and V. 
a. a, 0. 



Digitizeu Lj ^jüOgle 



304 



bis zum 1. Oktober 1853 und bis zum Ende der dann nächsten 
Session des Parlamentes verlängert Die Hilfskassengesetze, 
welche vor dem Jahre 1829 erlassen waren, sollten weiter in 
Kraft bleiben. Die Kassen, welehe Vermögen bei der Staats- 
scbuldenverwaltung deponirt haben, können aufgefordert werden, 
Berichte in vorgeschriebener Form tinzusenden. 

Erst im foljienden Jahre nehmen einige andere Forderungen 
die Form des Gesetzes an. Man wollte gegen die Hilfskassen 
der mittleren Klassen, denen die Gesetzgebung immer so viele 
Zärtlichkeit bewiesen hatte, auch jetzt nicht mit rauher Hand 
verfahren. 16 und 17 Vict. c 123 „An Act to amend the 
Laws relating to Investments of Friendly Societies'* baut ihnen 
goldene Brücken und sucht ihnen den Abschied so leicht wie 
möglich zu machen. Es verleiht allen gesetzmässig gegründeten 
Hilfskasson, welc])e höhere Summen als 200 £ vei*sichern, eine 
viel grössere Freiheit, ihre Kapitalien anzulegen. Benutzen sie 
dieselbe, so dürfen sie ihr Vermögen nicht länger mehr bei 
der StaatsschuldeuverwalLuüg deponireu. Keine GesellschaiL 
dieser Gattung, welche nicht schon ein Conto bei der Staate- 
schuldenverwaltuDg hat, kann in Zukunft eins eröffnen >). 

Doch erst im folgenden Jahre kam diese Angelegenheit 
zum Schlüsse. Das Gesetz 17 und 18 Victor c. 56 bestimmte, 
dass Gesellschaften, welche üeberlebensversicherungsverträge 
fiir höhere Summen als 1000^ abschlössen, aufhören sollten, 
Hilli^kassen zu sein. Keine Freiheit von Steinpelgebühr soll 
^icli in Zukunft auf eine dieser Gesellschaften beziehen. Die 
Ueberlebensversicherung zu Gunsten ^nes Nominees wird ver- 
boten, ausgenommen von Testamentsvollstreckern. Der dritte 
Paragraph setzt fest, in welcher Weise sie ihr Geld anlegen 
dürfen. Sparbanken und Staatsschuldenverwaltung sind aus- 
geschlossen. Der fünfte Paragraph erlaubt ihnen, Gebäude 
fUr die (ieschäftslokale rler Vei*sicherungsgesellschaft zu kaufen. 

Der baldige Ablauf des VerliuiL'erungsgesetzes zwang das 
Parlament im Jahre 1854 wieder an die Arbeit zu gehen. 
Doch auch in diesem Jahre war es demselben nicht veigOnnt, 
in Ruhe das Gewordene zu prüfen und zu sichten. Eine neue 
Frage beschäftigte die Gemüther und nahm die Zeit der Unter- 
baiismitL^liciler in Anspruch. Es wurde behauptet, dass es in 
den grossen Fabvikdistrikteu zur Gewohnheit geworden sei, die 

' i Noch swd andere Gesetze dieses Jahres haben einige Beziehung 
auf die Hilfskapspn. 11 des Gesetze« 16 und 17 Vict. c. IH;: bestimmt, 
dass Niemand wegen einer DieustleistUDg in der Miliz odej* bei den Naval 
C oast Volunteers seiner Ansprüche in einer Hilfskasse verloren gehen solle. 
Streitigkeiten durch l'rie Icnsri -htcr zu entscheiden. Damals bekanntlich 
l^nberufung der Miliz. Dieselben Bestiinmungeu in 17 u. 18 Vict c 105. 
(1858 u. 1854.) In dieee Periode fUlt aacta das froher enrilmte OeseH 
16 u. 17 Vict. C..34 (lb-'>3). welches die Hilfskasse zu Befreimigen TOB der 
fUnkommensteuer in den Scbedehi C und D berechtigt 



V. 1. 



305 



hftiifig in mehreren Bej^i'iibnisskassen versicherten Kinder zu 
erniorden, um das bei dem Tode derselben filllige Begriihniss- 
^leld zu erhalten. Sutheron suchte in seiner am 8. Februar 
1854 eingebrachten Bill ,to rejiulate Friendly Socielies' Ab- 
hilfe za schaffen. Die wichtigsten ZQge derselben sind folgende. 

Hilfskassen sollen auch fOr den Zweck gegründet werden 
<) n'Vn, Auswanderern Land, Materialien, Lohn Vorschüsse in dem 
Lande, in welches sie ein^rewandert sind, zu ^^ewähren. 
Maxiinalsuniiiie ist 100^. Einer der Treuhänder muss ein 
Frieilensrichter sein. 

Für alle Hilfskassen wird Kegistrations z w a n g vorge- 
schrieben, um die Begräbnisskassen unter die Kontrolle der 
Verwaltung zu bringen 

Drei Kommissare sollen zur Ausfuhrang dieses Gesetzes 
ernannt werden, welche mit dem Registrar und dem Comp- 
troller- General der StaatsschuldenTerwaltung eine Behörde 
bilden. 

Alle übrigen Bestimnmugeu sind denjenigen des Gesetzeü 
vom Jahre ls5ö gleich. 

Bedarf es nucli der Erwähnung, dasseine, iieu Kegistrations- 
zwaiig entsprechende Bill den höchsten Unwillen des Landes 
erregte? Nicht weniger als 408 Petitionen gelangten an*s 
Unterhaus. Jeder, der uns bisher gefolgt ist, wird voraus- 
sehen, dass dasselbe nun sofort von seiner Forderung zurück- 
treten wird, suliald sich ihm irgend ein Ausweg bietet. 

Zunächst kam es darauf an, die Anklagen zu untersuchen. 
Xaclideni die Bill am 10. Mai einem Select Cominittee übor- 
wie^^eii wortlen war. wurdenZeugen vorgeladen. Die 14 Sitzungen, 
welche vom 24. ^Lii bis zum 'i'». Juli abgehalten wurden. I)e- 
schältigen sich fast aus^chlie3^iich mit der l^rage, ob die Be- 
gi-äbnisskassen zum Morde verleiteten. Der Ausschuss verhörte 
4 der höchsten richterlichen Beamten, 2 Geföngnissdirektoren, 
2 Ceioners, 1 Polizeidirektor, 1 Gefiingnissgei.stlichen und 1 
Civil^taiulsbeamten. .\uch erhielt er Briefe von Fabrikinspek- 
toren. Das liesultat der VerhiMe war Folgendes. . 

Justice Wi^htiiKUi erinnerte sich eine."< I';il]<'s, wo eine 
Mutter und ein anderes Weib ein neun Monate altes Kind 
mordeten, um eine Summe von 4 zu erhalten. Vor Baron 
Martin war ein Fall gebracht worden, in dem das Bc^bniss- 
geld die Verlockung zum Morde gewesen zu sein schien. Die 
Angeklagte wurde freigesprochen. Chief Baron Pollock erin- 



*) Die motten BegribmukMeen waren nicht regbtrirt. qu. 4U5. Sie 
wünschten nicht rcgistrirt zu werden, am aller Verantwortlichkeilen über- 
hoben 2u sein. a. a. U. — Die meisten Arbeiter waren Mitglieder mehrerer 
Oetelhehalkeii. qa. 1112. — Anf dat Leben titm Kindes wurden bii m 
8 / versichert qo. 1212. Minnlee of £ddence etc. löM. 

FondiaBgm (2V) V. 1. — Hulwck. 20 



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306 



nerte sich eines Mordes in Chelmsford, wo ein W-eih ihren 
Mann getödtet und ihren Sohn zu tödten versucht hatte. Das 
Bepräbnisspeld (40 s. und 20 s.) hatte sie zu der Tliat verleitet. 
In das Gefänpmiss zu ehester wurden 4 Gefanjiene auf jene 
Anklage hin eingehefert. Zwei wurden lieigesprochen, zwei 
verurtheilt. Einer der Fälle war von Wightmau erwähnt 
worden. In Kirkdale Prison wurde im Jahre 1843 eio Wdb 
wegen des Mordes dreier Kinder hingerichtet. Alle andern 
Fälle, Uber wdehe die Zeugen aussagten, waren entweder schon 
erwähnt, oder die Angeklagten waren freigesprochen worden. 
Doch beweise die Freisprechung Nichts, säurte einer der Zeugen, 
denn den Advokaten .gelinge es gewöhnlich, mit jeder Art von 
Possenspiel die Geschworenen vor einer Schuldigsprechung ab- 
aufichrecken Die Beamten der Hilfskassen meinten selbst, 
wie ein Zeuse aussagt, «iass sie oft getauscht würden -). Der 
Chief Baron Pollock behauptete, er habein seiner ^gerichtlichen 
Praxis den Eindruck bekommen, dass das Verbreclien in einer 
furclitbaren Weise grassire-^). In einem Falle, enählt ein an- 
derer Zeuge, wurde das Verbrechen erst entdeckt, als die El- 
tern zu unvorsichtig wurden und 2 Kinder auf euimal mor- 
deten. Die Behörden argwöhnten ein Verbrechen, sie erfuhren, 
dass die Eltern vor nicht langer Zeit ebenfalls zwei Kinder 
begraben hatten. Es fand eine Exhumirung statt, und nun 
stellte sich heraus, dass auch diese beiden Kinder vergiftet 
worden seien. „Es scheint mir," fügt der Zeuge hinzu, „dass 
die entdeckten Fälle die Ausnahmen bilden*). Um keinen 
Ar^rwohn zu erregen, gehen die Eltern zum Arzte, verabreichen 
die^ Arznei aber nicht. Sterben die Kinder, dann scheine Alles 
in Ordnung, da die Eltern ja beim Arzte gewesen seien " Der 
Geistliche des Gefängnisses zu Preston glaubte, dass in rohen, 
unentwickelten GemOthera, die nicht gelerat hätten, auf die 
Motive ihrer Handlungen zu reflektiren, eine starke Versuchung 
vorhanden sei, die Pflege eines kranken, versicherten Kindes 
za vernachlässigen. Die Leute würdi^i aufrichtig ei*staunt sein, 
wenn man ihnen sagte, dass sie die Absicht hätten, ihre Kinder 
zu morden®). 



') Miüutes of Evidence takeu before Select Cominittee on Friendly 
Societies Bill. 1854. Vol. VIL qu. 508. 
^ qu. 509. 
») qu. 1045. 

qu. 570. 
*) qu. 5T4. 

6^ 5^f;. — Zur Erläuterung führt er folgendes Beispiel an. Ein<^ 
l)aine seiner Bekaniitfichaft sagte zu ihrer Amme, deren uneheliches Üind 
krank war: „Seien sie onbeeorKt! üneer Arsrt wird Ihr Kind behandeln.'' 
leh danke Ihnen," erwiderto die Amnio, „mein Kind ist in zwei BeüTäb- 
nisskassen." qu. - Von nicht geringem Interesse ist folgende Statistik. 
In Preston sterben von 100 Kindern der reichen Klassen von 0—5 Jahren 



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V. 1, 



307 



Wir haben die wichtigsten Aussagen gesammelt, um demLeser 
ein Urtheil über das folgende Urtheil des Ausschusses zu ermög- 
lichen. „Xy^f^ Fülle von Kindesmord/ heisst es im Berichte M, 
wo der Beweggrund des Verbrechers die Erlangung von Geld 
von einer Begi'äbnisskasse war, sind so selten, dass sie dem 
Parlamente keineswegs die Verpflichtung auferlegen, im Inter- 
esse der öffentlichen Sicherheit ein spezielles Gesetz zur Ver- 
liiuderung dieses Verbrechens zu erlassen." Der Argwohu 
eei darch wenige Fftlle erregt, und dureh den Abscheu, 
welchen ein so entsetzliches Verbrechen einflösse, gesteigert 
worden. 

Wir erlauben uns eine Frage aufzuwerfen, die wir in dem 
Berichte weder gestellt noch beantwortet gefunden haben, ob 
das Leben mancher Kinder nicht so zart ist, dass nur ein hef- 
tii^er, an und für sich durchaus nicht schädlicher lieiz den Tod 
herbeiführen kann, so dass die Entdeckung des Verbrechens 
bei der grössten Voi'sicht und genauester Prüfung nicht mög- 
hch ist? — 

Die Vorschläge zur Unterdrückung des Verbrechens führ- 
ten zu der Frage, ob der Paragraph III des Gesetzes vom 
Jahre 1850 günstig gewirkt habe. Bekanntlich sollten alle 
eingeschriebenen Kassen das Begräbnissgeld für Kinder unter 
10 Jahren nur auf das Zeugniss eines Arztes oder Coroners 
an den ,Begrabnissuntemeh!ner' auszahlen. Man hatte ge- 
hofft, dass dfe Eltern kein Interesse mehr an dem Morde haben 
würden, da das Geld nicht in ihre Fliinde t:elan<je. Die Wir- 
kungen dieser Beslimniung lassen die ge^^etzgebeiischen F'ähig- 
keiten des Parlamentes in keinem glänzenden Lichte erscheinen. 
Sie erinnern an das Parlament von 1819, welclies die Begut- 
achtung der Tabellen durch Aktuare vorschrieb, obgleich es 
sehr wenige Aktuare gab. In diesem Falle war das Gesetz an 
vielen Orten unwirksam geblieben, weil es keine Unternehmer 
gab*). Die Begrftbnisskassen nahmen es mit den Bestim- 
mungen des Gesetzes nidit genau, da sie den Widerwillen des 
Volkes gegen eine derartige .Einmischung in ihre Angelegen- 
heiten' kannten, und begnüL'ten sich damit, um mit dem Gesetz 
nicht in Konflikt zu gerathen, die Versicherung in den Grenzen 
von 3 £ zu halten und die Person, welche das Begrilbnissgeld 
forderte, zu fragen, in welcher Eigenschaft sie das (ield erhebe. 
Die Person antwortete: As the person having Charge of the 
fimeral. Dann wurde ihr das Geld ausgezahlt'). 



18 Kinder, der mittleren Klassen 8G— ;37, der ärmeren 56--60, im I>urch- 
•chnitt 56. ]>ie Begräbnisskassen weisen Ar dieMlben Lebaujahr« eine 
Sterblichkeit von 62-64 % auf. qu. 599. 
1) Itep. S. Y. 

') Nidit etmnal in LiTerpool! We liATe not in LiTorpool regulär pro- 
fteiional undertaker^. qu. l.T'l. 

*) qa. 1348. Ein Zeuge, seines Standes SchuUehrer, tbeilt mit, dau die 

20* 



L-iyui^uü Oy VjOOQle 



308 



V. 1. 



Es wurde von dem Ausschut^se darauf hingewiesen, dav<?s 
die Geschäfte der Begräbnisskassen ungesetzlich seien, dass sie 
im Widerspruch mit einem Gesetze aus dem Jahre 1774 ständen 
(14 George III. c 48). wonach keine Person eine Summe Geld 
auf das Leben einer anderen versietiern dürfe, es sei denn, 
dass sie ein Interesse an der Fort(iauer desselben habe, und 
OS wurde daher vorfieschla^jen, mit jeder Versicherunjr auf den 
Tod eines Kindes, eine andere auf das Lehen eines Kindes zu 
verbinden , in der Weise, dass eine bestimmte Summe ausge- 
zahlt werde, falls das Kind ein bestimmtes Alter erreiche^). 

Da der vorgeschlagene Registrationszwang auch die 
Nicht-Bogrftbnisskassen traf, so gab ihnen der Ausschuss Ge^ 
legenheit, ihrem Unwillen Luft zu madien. Den Tenor der 
Erörterungen der Zeugen kann man sich nach den früheren 
Erfahmngen leicht vorstellen. Wir lassen eine sehr charak- 
teristische folgen: „Our particular objection is to compulsory 
enrolment," sagt ein Zeu?e. Die Arbeiter, fährt er fort, „think 
it very unconstitutional , and too much like tyranny and Em- 
peior-of Russia-like oppression to put any control over 
their fünds** ^. Man droht, die Kassen aufzulösen, und sich 
aus der Armensteuer unterstützen zu lassen^)!! Spricht sich 
in diesem Satze nicht mit grösster Schärfe der Widerepruch in 
dem staatlichen Leben Englands aus. dessen wir früher 
L^edachtenV Auf der einen Seite Staatsbürger, die jresetzlich 
verpHiclitet sind. Andere izenebenen Falls zu unterhalten, und 
diese Anderen sich auf das Recht stützend, zu tiiun oder zu 
lassen, was ihnen beliebt, jede Massregel zurQckweisend, die 
auch ihnen einen Zwang auferlegen wOrde, aber auf die 
Pflicht des Gegners pochend, sie zu kleiden und zu nähren. 
Man kann es den Kn^iländern nicht verargen, wenn sie Aniie- 
sichts solcher Zusti\nde die Arniensteuer verdannnen, und 
müsäte ihnen beiptiichteu, wenn sie die Aufhebung derselben 



Leute seines Ortes sieb bisher durch den § welcher die an=sersto Grenze 
aul '3 £ festsetzte, nicht bedruckt gefühlt liatten, weil sie ihn nicht gekannt 
hfttten. Er erfahr seine Existenz erst vor dem AoMchnsee. Doch, er- 
klärte er, würden alle Leute aus der Kasse austreten, wenn sie wüssten, 
dass die Grenze von '6 gesetzlich testgesetzt sei. n^ou do not 
mean to say that this regulation hat prerented individiialB firom becoming 
members ot a societyV No, bnt I tbink it wonld, if they koew 
that it was a regulatioo. qa. 976. 
») qu. 59L 

•) qo. 1640. l'er Zeuge war auch wohl einer von .those working 

men who belonged to tbe old scbool of Radical advocates of po- 

htical iiidcpendence, and preferred tbe leaue^t Ubertv to tbc tattest sub> 
mission that could be held oat to them*. HolyoaEo, Hiatory of Coope- 
ration. I. S. 97. 

*) qu. 1ÖÖ2. If tbey are determined to do so, and to compei os to 
yield, we shall break up theie aodetieSt distribote our fimds, and tbrow 
the maintenance of tbe Bick and tbe intennent of the dead on tbe Poor* 
law Unions. 



V. 1. 



809 



unter gleichzeitiger Ausführung bedeutender sozialer Re- 
formen empföhlen. Die Annengesetzgebung ist zweifellos ein 
fremder Tropfen in dem ^ Blute des englischen Staatskörpers. 
Denn hier sowohl, als im 'gesellschaftlichen Leben Englands ist 
Alles hei dem männlichen Charakter und dem Ideenmanpel 
der Nation auf Selbstgenügsamkeit und Einzelkampf, und wenn 
jene unmöglich, diesm* erfolglos ist, auf Selbstherrlichkeit der 
Genossen und Kampf in Reih und Qlied gegen den ebenfoUs in 
geschlossenen Reihen heranmarschirenden Gegner berechnet. 
Ist von dort eine tiefere Auffassung des Staates zu erwarten? 
Ist es klug, die einem kräftigen, aber spröden und ideenarmen 
Volke entsprechenden Vorstellungen von Gesellschaft und Staat, 
an deren Gewebe ein so kräftiger Einschlag von Unbildung 
und Misstrauen bemerklich ist, als höchste Staats Weisheit Völ- 
kein mit anderer Individualität einzuimpfen? 

Aus jenen Aussagen und den Worten des Schulmeisters 
lässt sich auch auf die tiefe Achtung vor Gesetz und Recht 
schliessen, von der jeder Britte belebt sein soll. Noch andere 
Zeugen beweisen, dasd die Zeitungen und der Konstitutionalismus 
die politische Weisheit noch wenig vermehrt haben. „Tliere is 
a general dread of the Government knowing anything at all 
about our money; they are alraid of extra taxes, they are 
afraid of the ineome tax; they are taxed in so many in- 
direct ways, that taxes frighten them.** Desshalb wünscht 
man nicht, dass die Regierung etwas TOn dem Vermögen 
erfahrt, welches die Kassen besitzen*). Sonst ist die Aus- 
sage gerade <lieses Zeu,i:en von Bedeutung, indem er die 
Schwierigkeiten, welche der liegistration mancher Ver- 
eine entgegenstehen, schildert. In Birmingham existirten an 
500 Kassen, welche aus den Mitgliedern je eines Etablisse- 
ments bestanden. Eine eigentliche Verwaltung bestände nicht, 
sie wäre m theuer fOr diese Vereine. Am Samstag Abend 
^mmelte z. B. der erste Buchhalter 3 oder 4 Pence von jedem 
Arbeiter ein, das Geld weide nn die Mitglieder verliehen, und 
in vierzehntägigen kleinen Katen zurückgezahlt. Trete der Ar- 
beiter in eine neue Fabrik ein, so trete er zugleich in die dor- 
tige Fabrikkasse ein u. s. w. Wenn sie zur Einschreibung 
gezwungen wQrden, müssten 300 Kassen sich auflösen'). — 

Ausserdem suchte sich der Ausschnss über die Wirkungen des 
Gesetzes vom Jahre 1850 zu informiren. Tidd Pratt schilderte 
das letzte Gesetz als wohlthätig. Vom 3. Juli 1846 bis 10. 
August 1850 (wo das Zeugniss eines Aktuars erforderlich war) 
erhielt Tidd I'ratt Kegistrationsgesuche von 1560 Kassen, «lavon 
wurden nur 800 eingeschrieben. Seit 1850 wurden dagegen 
ÖOUO neue Hiifskassen und Zweige registrirt ^j. Diese Gegen- 



>) «0. 1660. 
*) qu. 1646. 
qu. 275. 



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810 



fibei'stenuDg erweckt den Gedanken, als ob die Zunahme allein 
auf Rechnung der Hestimmun«xen über das Zeugniss des Ak- 
tuars zu setzen sei. In Wirklichkeit lap die Zunahme an der 
Registirung zahlreicher T.o^en der grossen Orden Wenn wir 
nun weiter hören, dass von jenen 5000 Vereinen nur 39 certified 
sodeties waien, alao fon einem Aktuar berechnete Piimientafidii 
besas8eD, dann wird die Freude doch stark herabgeetimmtO* 
Man fragt sich) ob es nicht besser war, eine geringe Anzahl 
von leidlichen Kassen zu haben , als eine grosse Anzahl 
mit einander konkurrirender schlechter. Tidd Pratt thut eia 
üebriL'es, um unsere Illusionen üi»er die neuen Kassen zu zer- 
stören. Man glaubt, es würde von der Hilfskasse des 18. Jahr- 
hunderts gesprochen, wenn der Registrar mittheilt, die meisten 
Kassen konstmirten ihre Tabellen selbst, sie nähmen Mitglieder 
aller Alter oder besser von 18— 45 Jahren auf und verlangten 
für alle dieselbe Prämie. Dazu existire bei einigen ein abge- 
stuftes Eintrittsgeld, z.B. bei den Odd Fellows*). 

Hören wir jedoch, was Tidd Pratt über die Aktuare mit- 
theilt, dann zweifelt man daran, dass die Tabellen eigener 
Konstruktion nothwendiger schiechter sein müssen, als die 
von den Aktuaren aufgestellten. Es wird leichter, die Stim- 
mung eines englischen Vei trelers der laissez - faire Politik 
zn begreifen. Die Tabellen der Aktuare, welche sich die grösste 
Nachlässigkeit zu Schulden kommen Hessen, zeigten bedeutende 
Verschiedenheiten in ihren Annahmen über Krankheit und Tod. 
Schon vor dem Ausschüsse von 1852 klagte der Registrar dar- 
über, dass sich die Aktuare bei der Aufstellung der Tabellen für 
eine Ililfskasso nicht um die besonderen Verhältnisse der Mit- 
glieder derselben kümmerten. Er gab Daten an, welche kein 
grosses Vertrauen auf die Aktuare aufkommen lissen. Im Jahre 
1853 bewies Finlaison, dass die Unterschiede von Land, Staat 
und Grossstadt wenig zu sagen hätten und die rohe Klassifizirung 
der Beitrilge, wie sie von der niederen Ai*t der Hilfskassen ge* 
übt würde, einen tieferen Sinn hätte. Für ihre Dienstleistun ^'en 
lassen sich die Aktuare aber gut bezahlen. Sie nehmen 



.Daring tbe year 1652 no less than 202 Districts bad registered 
their mies which leares do donbt that a ver>' coniidenble munber of 

lodgei nuiBt have availed themselves of ihc law." Spry, 116. 

qu. 157 — IBl. Der schottische liegistrar berichtet Aebuliches. 
Bis zum 19. März hatte er 16 Kassen registrirt, davon war eine »cer- 
tified*. Dar nassere Theil waren Logen des Bf aacheBter TJvity. (Aocoaota 



Vereine aal', davon ist nur einer ,certified'. Er erhielt einj&bnge Be- 
richte von 206 Kasten, davon hatten nur 27 ffraduirte, von kompetenten 
Aktuaren aufgestellte Tabellen. (Aecomitt and Pnen. Vol. Gl. 1852 — 

1853. S. 175.) 

qu. IBö, 271, 272. 




Der folgende Bericht zahlt 89 registrirte 



Digitizeu vjüOgle 



V. 1. 



311 



1—25, ja bis 100 Guineen*)!! Wer kann sich da wun- 
ileiu, dass .State- In terference* in England nicht mit Wohl- 
wollen betrachtet wird? Aber wer muss sich nicht wundem, 
dass die Schädlichkeit der Staatseinmischang als mn Axiom in 
anderen L&ndem gelehrt wird, die nur durch die Staatsein- 
mischuntr «-rross ^zeworden sind? — 

Da nur Vereine ,certihed' waren, konnten nur ebenso- 
viele eine Altersrente versichem. Tidd Pratt bestätigt dies 
ausdi-ücklich. Keine von den 49(51 Kassen hätte eine Provision 
für die Zahlung einer Summe, wenn das Mitglied ein gewisses 
Alter erreiche'). 

Schliesslich muss noch folgendem Einwände begegnet werden, 
das wohl begründet scheint. Haben denn nicht die Logen der 
Manchester Unity, wird man fragen, nachdem das Werk Rutclitfe s 
veröffentlicht war, die Neuenmjzen desselben eingeführt? War 
für sie die Prüfung ihrer Taliellen durch einen Aktuar noth- 
wendig? Beweist also die geringe Zahl der certitizirteu Ge- 
sellschaften etwas für den ungenügenden Charakter der Logen 
der Manchester Unity, die sich doch so zahlreich hatten regi- 
striren lassen? 

Leider wurden die Prämientabellon nicht sofort eingeführt. 
Erst im Jahre 1853 hielt man die Mitglieder für so weit 
erzogen (educated), dass nmn es wagte, die Reform <ler Prämien- 
tabellen vor den Wanderausschuss zu bringen. Bis dahin hatte 
man an hohen Eintrittsgebühren und gleichförmigen Prämien- 
sätzen festgehalten. Die Majorität des Wanderausschusses 
wurde aberzeugt, aber im Innern dauerte der Widerstand 
fort^^). — 

Neue Anregungen erhielt der Ausschuss von einem Ver- 
treter der mehrfach genannten .Birmingham Tieneral Provident 
and Bcnevolent Institution'. Er wünschte, dass die Kassen 
die gesetzliche Krlaubniss erhielten, ihr Vermögen gegen pei- 
sönliche Sicherheit ausleihen zu können. Sie hofften auf einen 
Jährliehen Zinsengenuss von 10%, die Verluste seim ausser- 
ordentlich gering. 

Scratchley, welcher in der Literaturgeschichte der Hilfe- 
kassen bekannt ist, trug einen ganz unpraktischen Plan vor, 



M Minutes of Evidenrc. 1852. qu. 12 Vi. Es käme zuwoilen vor, 
dass eine Kasse die AltersversicheruDg aulnebmen wolle, der Kegistrar 
tehrdbe nirQck, die Ttfeln mfittteo Ton dnem Aktoare durchgeseben wer* 

den. nie Mitglieder strichen jedoch lieber den auf die .Altersversicherung 
bezüglichen Paragraphen, als dftss sie ihre Tabellen dem Aktuar vorlegten. 
Minutes 1S54. qu. 162. 
-1 qu. 161. 

„The manifest t'eeling of many districts," sagt !Spry, S. 121, .,wa8 
evinced by tbe determined Opposition with wbich the new law wus received; 
and many years elapsed before it was generally adopted.'' — Audi ein 
schlagender Beweis datür, dass rli«' Regierung iles Ordens in ganz andern 
U&nden liegt, als der. grossen Masse der Kegierteo. 



uiy j^uj uy Google 



812 



Hilfskassen die Aufnahme eines Garantiekaj^itnls zu gestatten, 
um über die ersten Jahre fortzukommen. Von Niemand und 
vor keinem Ausschüsse war bisher die KoDkurrenz der Hilfe» 
kassen unter sich so bestimmt als das Grundabel derselben 

bezeichnet worden. Ks beständen 30, 40. 50 Vereine» wo nur 
2 gedeihen könnten. Wir hören chi die alte Klase von den 
untornoliinenden Sekretilren, den intelligenten Bierwiitlieii. 
welche die Iveime der Sparsamkeit und Vorsicht in die Ge- 
müther ptianzen, un<l sich ^»egenseitig so energisch die Mit- 
glieder streitig machen, so dass nur wenige llilfskasseu zu 
einem ruhigen, sicheren Gedeihen kommoi können 0* Wer wird 
aber, fragen wir, unter solchen Umstfinden den Friendly So- 
cieties Geld leihen, oder welcher Arbeiter wird, wenn 
dem Gläubiger volle Sicherheit verbürgt wird, eine UUfskasse 
mit Garantieka|)ital gründen helfen wollen? 

Tidd Pratt kommt auf seine frühere Empfehlung zurück, 
den Hilfskassen nur die KrankenverMcherang zu überweisen -). 
Die meisten existirten nicht länger als 20 Jahre, wodurch manche 
Mitglieder in grosse Noth geriethen. Auf die Frage, ob ni^t 
der Zusammenbruch der Vereine die Mit^dieder auch nm ihr 
Krankengeld bringe, antwortet er, das sei nicht so schlimm, 
da es bei der bekannten grossen Anzahl von Kraiikenka<-en 
immer mogliih sei. in eine neue Kas^e einzutreten. — Kr l>e- 
tont weiter die Nothwendigkeit eines 'guten Konsolidations- 
gesetzes. Friedensrichter und Junsten von Beiuf bis in die 
höchsten Reichsgeiichte hinauf wassten nicht, ob die späteren 
Akte auf die froheren Anwendung fänden. Auch eine Kritik 
der englischen Hilfskassengesetze! Leider theilen sie ihre 
Charakterzttge: endlose Sätze, weitschweifige Unbestimmtheit, 
^fanjiel an innerer Ordminn. und Lücken mit andern Produkten 
der englischen Geset/Ln lnniLr. Da sich eine K(*ditikation in der 
gegenwärtigen Session nicht melir ausführen lasse, empfehle 
er das Gesetz zu verlängern und im folgenden Jahre au das 
Werk zu gehen. — 

Der Report, dessen wir schon frtther gedachten, berichtet, 
der Ausschuss habe den Paragraphen, dass ein Friedensnchter 
Trustee aller AusWanderungskassen sein solle, fallen lassen, 
ebenso die /wanu^sweise TieLiistration aller Vereine. Die Hechte, 
weiche die Hegistration verleihe, seien bisher als ein Privileg 
betrachtet worden. Es sei nur gerecht, einen Theil derselben 
auf alle \' ereine auszudehnen. Die 2. Bill ( A Bill as amended 
by the Select Gommittee to Regulato Friendly Societies) ge- 
wahrte denn auch allen Vereinen das Recht, gegen Mitglieder 
zu klagen^). Die Centraibehörde wurde noch einmal empfohlen 



>) qa. 1798. 
») qu. 172. 

biila PubUc. II. Idö4. 



^ i^ - -. uy Google 



V. 1. 



313 



und die Aufhebung' der Registrationspebühren vorgescldafren, 
da das Parlament die hauptsächlichsten Privilegien zurück- 
genommen habe, welche früher Vereine zur Registration be- 
fitimiiit hätten. 

Um das Veibi^ecben des Mordes zu verhindern, empfiehlt 
der Report, die ünterstützunofssätze auf die wirklichen Kosten 
zu beschranken*), und in allen Fällen die Auszahlung des 
Geldes von dem Zeiitrniss eines Arztes abhäiitiiLr zu machen, 
da?e<ieQ von der Auszahlung au eiuen Unternehmer abzu- 
sehen. 

Für die Berathung dieses Entwuiies war keine Zeit 
mehr vorhanden. Er wurde zarOekgezogen, statt dessen brachte 
Sotheron eine Bill ein, welche die Galtigkeitsdauer der be> 
stehenden Hilfskassengesetze verlängerte. 

Durch 17 und 18 Vict. c. 101 wurden die Gesetze bis zum 
1. Oktober 1855 und bis zum Ende der dann nächsten Ses- 
sion verlängert. Zugleich wurde bestimmt, dass die Clerks 
of the Peace alle Kopien von Statuten in ihrem Besitze an den 
Registrar abzuliefern hätten. — Nun Hess sich ein Ueberblick 
Aber die Zahl aller eingeschriebenen Hilfiskassen gewinnen. 

In den^ darauffolgenden Winter und zwar in der Dezember- 
nummer der Quarterly Review erschien ein Artikel*), der, wie 
uns scheint, das Unterhaus im Jahre 1855 ungewöhnlich 
becintlusst hat. Seine Stärke liegt in der rücksichtslo-on 
Konsequenz, welche der Verfasser aus der bisheriuen Kntwit k- 
lung der Hilfskassen und den Meinungen der Autoritäten auf 
diesen Gebiete zieht, sein Reiz in dem liberalen Charakter, 
den er athmet Der Nutzen, dies der Grundgedanke, welchen 
die Friendly Societies g^vähren, ist gering, der Schaden, den 
sie anstiften, gross. Entwicklungsfähig sind sie nicht, man be- 
schränke sie also auf die einfachsten Fnnktionen. denen sie 
gewachsen sind: Gewährung von Krankengeld und Begräbniss- 
^ield, alle anderen Versicherungsarten verbiete man ihnen ge- 
setzlich. Dieselben soll der Staat übernehmen. Der Verfasser 
hegt ehk solches Misstrauen gegen die Kassen, dass er em- 
pfiehlt, gesetzlich erlaubt sollten hdchstens jährliche, besser nur 
monatliche Versicherungsverträge sein. Von kunstvoll ge- 
regelten Prämiensätzen hält er nicht viel, ganz gerecht wären 
die doch nicht festzusetzen, und sie machten die V^erwaltung 
komplizirt und theuer. Nur nach jjrossen Perioden (is ^5; 
35 — 45; 45—55; 55 — GO: von da ab möchte er auch die 
Krankenversicherung verbieten) sollen die Prämien vei'schieden 



') \V.(S sind wiiklielio Knsien? Ein Kiml könne für 2ö Scliillinge be- 
erdigt werden, behauptete Jemaud und andererseits wurde dem Ausschüsse 
▼onmchnet, dass ein aDStandiges Begrftbniss 4—5 £ koste. »They like 
tO DDr>' in an expensivp way"", sagt ein Zeuge. 

«} VoL 96. 1Ö55. ö. nu-i^ö. 



^ i;j i^ . -. Lj Google 



SU 



sein. Wenn der Kine mehr als der Andere bezahle, so sei 
das nicht mehr als billig und recht, denn Hilfskassen seien An- 
stalten von sozialem» wohlth&tigem, brQderlichem Charakter. 
Dessbalb findet er auch an ihren geselligen ZusammenkllnllN»!! 

und an einem Festessen nichts Ar^^es. „Denn wiche öffentliche 
Angele^xenheit wird in diesem Lande ohne ein Essen ab^^e- 
macht?" — Konse<iuent niüsste der \>rfasser die Theilenden 
Ciesell^chaftern als öcin Ideal aufstellen. Der Unterschied 
zwischen ihm und Sotheron ist von schneidender Schärfe. 
Dieser will die Kassen durch Errichtung einer Behörde zur 
Efibllung grosserer Aufgaben erziehen, die Ausführnngen Jenes 
verneinen indirekt die Schaffung jeder Befaürde. 

Am 26. Januar isr»5 wurde von Sotheron ein neuer 
Gesetzentwurf eiiifzelnacht. dei- die Vorschläjze des letzten Be- 
rich te> verkörpert, in allen anderen Bestimmunpen bis auf 
einige Punkte von geringerer Bedeutung mit dem Gesetze vcm 
1850 übereinstimmt*). Die Maximalsummen waren wie<ieruin 
200 resp. 50 Für das Krankengeld war keine Grenze 
vorgesehen (§ XII). Sotheron und Biight wollten die Privf- 
legien der Hilfekassen nicht auf die arbeitenden Kassen be- 
schränkt wissen. Die gesetzlich zulässige Höhe des Begiäb- 
nissgeldes war nun 6 J unter 5 Jahren. 10 V von 5 bis 
10 Jahre I (?i XIII). Den Vereinen war es erlaubt, ein Vereins- 
liaus zu kaufen oder zu mietlien (Jj XX). Die Bill fasst die 
Bestimmungen Uber die Anlegung des Vermögens allgemein, 
darum bezeichnet sie ausdrücklich, wie das Vermögen der 
Kasse nicht angelegt werden dürfe und zählt auf: 1) nicht in 
Haus und Land (ausgenommen Vereinshaus), 2) nicht in Aktien, 
3) nicht auf persönliche Sicherheit. * Jedoch soll mit p]rlaub- 
niss der Centraibehörde eine Gesellschaft aus einem Theil ihres 
Vermögens Vorschüsse gelten dürfen XLIl). Die Jurisdiktion 
des Registrars wurde auf die Gi afschaftshöfe übertragen (i^L). 

Der Hauptangrilf galt der Centraibehörde. Die ent- 
scheidende Schiacht wurde am 14. März 1855 geschlagen 2). 
Barrow yerabsehent «centralisation* und nennt die Gowalt der 
Kommissare «monstrous'. Er preist die lokale SelbstverwaJtnng. 
Hilfskassen sollten sich nicht mit der Altersversicherung be- 
schäftigen, dazu seien sie nicht im Staate. Ein ähnlicher Ge- 
danke wurde vnii Poulett Scrope ausgesprochen. Hilfskassen 
dürften keine Verptlichtim^en auf lange Dauer übemehmen, 
höchstens auf 5 Jahre, und nur Krankengeld und Begrub ni^s- 
geld versichern. Wozu also eine Behörde? Haines raeint, ee 
werde schwer fallen, unbezahlte, zur Uebemahme jenes Amtes 
geneigte Leute zu finden. Michell fürchtet, da die Kommissäre 
kein Gehalt erhielten, hätten sie keine Verantwortlichkeit. Baines 



1) Bills Public. II. 1854— l'^iö. 
Uansard's Debates. 14. Utaz 1855. 



815 



wies ausserdem auf die Folgen Ii in. ilie sich ergeben mÜSSteiiy 
wenn Hilfskassen irrthümliche Rathschläge der Behörde aus- 
führten. Michell empfahl zuei*st, dass der Registrar ein Aktuar 
^in solle, und schlug später vor, neben dem Registrar einen 
Aktuar auzuaU)llen, worauf Adderley erwiderte, dass die Aus- 
führung dieses Verechlages den Kassen etwas wie Staatsgarantie 
sichere. Vergebens vertheidigte Sotheron zuerst diesen Theil 
seines Entwurfes mit Geschick. Er fbUte, dass er nicht durch- 
dringen werde, und erklärte ge^ren Ende der Debatte die anf 
die Centraibehörde bezüglichen Paragraphen VI, VII, VIII zu- 
rückziehen zu wollen. An der Debatte ist die gerinae Meinung 
bemerkenswerth , welche sowohl Freunde als Feinde von den 
Hilfskassen haben; die Kiueu glauben, dass sie ohne eine be- 
rathende Befadrde nicht gedeihen können, die Andern, dass sie 
vierb^ssernngsmiillhig seien. 

Die Schicksale dieses Entwurfes waren mannigfaltiger 
Natur 0. 

M In der II. Bill (im Ganzen liegen fünf verschiedene ^Tesct^entwiirfe 
.vor, die wir durch römische Ziffern von einander unterscheiden wollen; 
fehleo die VI, YII. Vm. Der Attoraey General und der Lord Advo- 
cate erlan<ren wieder Jas Itecht, welches der Zentralbehörde zuerst üher- 
tragen worden war, Zwecke zu sauktioniren , welche nicht im Gesetze auf- 
sezählt sind. Nicht registrirte Vereine sollen nur dann das Klagerecht von 
Mitgliedern gegen Mitglieder erhalten, wenn sie ihre Statuten in dem 
Registratur • Amte niederlegen (deposit). Aus Brentano's Geschichte der 
englischen Gewerkvereine wissen wir, dass diese Itestimmung auf Wunsch 
da Trade Unions eingefügt wurde, Ton denen viele naeh Erlau des Ge- 
Setses ihre Statuten deponirten, um gesetzlich gegen Betrug geschützt sa 
sein, bo entsteht eine neue Klasse von Hiifskasaen, während diejenige der 
jCertified* und »registered' versdiwunden ist, denn die Privilegien, welche 
jenen gewährt worden waren, wurden wieder auf alle übertragi u. 

In III. werden die Zwecke, für welche Hilfskassen gegründet werden 
sollen, sehr beschränkt Hilfskassen für die Versicherung gegen Feuers- 
und Wassengeblir, Komorn vereine, GeaeUsehaflen zur ^nnOgliehnng der 
Auswanderung werden ausgeschlossen. 

In y. (Bill . . . as amended hy the Lords) hat das Oberhaus einige 
Zwecke noch piisinrt (z. B. anstatt on the death of a Wife or Child: for 
thr fiinoral expeoses of the Wife or Child of a memlieri. hie Jahresrente 
setzte es wieder anf 30 Pfund herab. In der ersten Bill sollte das Zeug- 
niss des GiTilstandsbeamten anf das Zengniss eines Arztes oder Coronen 
ausgestellt werden, welches die Ursache des Todes angebe. Das vorsich- 
tige Oberhaus wünschte, dass dieselben die ^wahrscheinliche' Todesursache 
angäben. Die Lords scheinen wenig Vertrauen zu den Friedensrichtern 
ffebabt zu haben, denn sie bestimmen, dass in allen Fällen, wo die Statuten 
die F^ntscheidung der Streitigkeiten durch die Friedensrichter vor- 
schreiben, die County Courts eintreten sollen. Mitglieder in der Miliz 
sollen entweder, so lange sie dienen, keine Ansprüche haben, oder Vio * 
mehr bezahlen. Palmerston war im Unterhaus ftir die Miliz eingetreten, 
da sie nur Gamisondienste in den Mittelmeerstationen leiste, und nicht 
nach Westindien geschiekt werde. Die GenosseDsebaften (Konsumvereine, 
Produktivgenossenschaften) wurden wieder mit der Hilfskassengesetzgebung 
verknüpft, indem bestimmt wurde, dass das Gesetz auch aut die Gesell- 
schaften Anwendung finden sollte, welche unter der Industrial and Provident 
Societies Act eingeschrieben warai. (Des angelogene Getets ist fon 18S2.) 



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316 



V. 1. 



Da wir das Werden des Gesetzes verfolj^t haben . ist es 
wohl pestattet. seinen Inhalt kürzer anzugeben. Dasselbe (18 
und 19 Vict. c. 03) trägt die Ueberschrift ,An Act to miso- 
lidate and amend the laws relating to Friendly Societies'. 

Die froheren Gesetze werden aufeehoben, aber die unter 
denselben gebildeten Vereine sind gesetxmässig. Die Zwecke, 
für welche eine.Hilfskasse von jetzt an gegründet werden daif^ 
sind: 

1. Versichemnp einer Geldsumme, zahlbar bei der Geburt 
eines Kindes eines Mitdiedes, oder beim Tode eines Mitjiliedes 
oder für die Begräbuisskosten der t rau oder des Kindes des- 
selben. 

2. Unterstützung oder Erhaltung der Mitglieder, ihrer 
Männer, Ehefrauen, Kinder, Brüder oder Srliwestem, Neffen 
oder Nichten im Alter, in Krankheit, Wittwenschaft, oder Aus- 
stattung von Mitgliedern oder Personen, welche Ton den Mit- 
gliedern ernannt werden (nominees). 

3. Für irgend einen von einem Staatssekretär oder 
in Schottland vom Loi »1 Avocate auturisirten Zweck. (Gewäh- 
rung von Pensionen , Verbesserung der Wohnungen, Linderung 
der Noth.) Durch Paragraph XI wird die Registration aUer 
wohlthätigen Vereine gestattet, um das Vermögen derselben 
zu sciiützen. 

Die Formel ,of whirlj tbe probabilitv may be calculated by 
way of aveiage' ist ausgelallen. Die börhston Versicherungs- 
summen sind 200 jf, resp. 30 ^, es ist keine Grenze Är 
Krankengeld vorgesehen. 

Die Auszahlung desBegrftbnissgeldes auf den Tod eines Kin- 
des (6 £ unter 5, 10 ^ zwischen 5 und 10 Jahren) ist nur auf 
Vorzdgung eines Zeugnisses des Civilstandsbeamten gestattet, 
wenn dies nicht enthält, dass die Ursache des Todes von einem 
Arzte oder Ck)roner anj^egeben worden ist, dann ist das Zeugniss 
eines Arztes oder Coroners edorderlich. Diese Bestimmung 
bezieht sieh auf alle Hilfskassen, sowohl registrirte als nicht 
eingeschriebene ^> Die Einschreibegebühr wird aufgehoben. 
Die Anlage des Vermögens darf erfolgen, wie die Kaamstatuten 
angeben. Verboten sind Land- und Hansbesitz (ausser für Ge- 
schäftslokal) und Aktien. An Mitglieder, welche der Kasse 
ein Jahr angehören, daif eine Summe verliehen werden, welche 
die Hälfte der auf den Tod des Mitgliedes versicherten Summe 
nicht übersteigt. Zwei Bürgen sind erforderlich. 

Der Unterschied von certihed und repistered societies ist 
aulgehoben. Hilfskassen, welche das Renteugeschäft treiben, 
mOssen ihre Tabellen von einem Aktuar prüfen lassen. Vereine, 
welche für einen der oben aufgezählten Zwecke oder für ,any 



M Hier wurde also der stut durch die Verh&lCnttse geswuiig«n, sich 
in die Terlilütoisse der UilfskaBsen „eiiisttiiiiBchea'*. 



317 



purpose whicli is not illegal' gegründet sind, dürfen ihre Sta- 
tuten depoiiiren. Sie erhalten dadurch Sciiutz «re^xen Betrug 
und die den Hiltskassen gewährten Privilegien bei Entscheidung 
ihrer Streitii^keiteu. 

Anstatt des Tom Gesetze vorgeschriebenen JahresberiehteB 
kann auch eine Kopie des einfachen Jahresberichtes eingesandt 
werden. Eine Strafe für die Nichteinsendung der 
Berichte ist nicht mehr vorgesehen. Der Registrar 
soll nicht blos einen Auszug aus den jilhrlichen und fünfjährij^en 
Berichten einsenden, sondern alle Verhandlungen mit den/flillü- 
kaösen zur Kenntniss des Parlamentes bringen. ( 

Der County Court erhält die Jurisdiktion des Kegistrar 
und der Friedensrichter. Bei Betrug schreiten in England 
2 Friedensrichter ein, in Schottland der Staatsanwalt (Procu* 
rator Fiscal). — 

Die eigenthümlichc Verfassung der Orden wurde nicht be- 
rücksichtigt. — Neue Formen der Hilfsknssen bildeten sich in 
dieser Periode nicht mehr aus. Es wurden meluere neue grosse 
Gesellschaften, welche zu den früheren ciiarakterisirten Typen 
gehören, gegi-üudet: zwei Gewerbekassen und eine Begräbniss- 
kasse Die beiden ersteren sind The Great Eastern Bailway 
Provident Society (1851) und die London and South Western 
Railway Friendly Society (1854)*), Die Begräbnisskasse aber, 
welche im Jahre 1850 zu Liverpool pe^Tünflet wurde, ist der 
.Royal Liver'. Sie erhob sich rasch über alle andern llilfskassen 
dieser Gattuni: und sollte in der Geschichte der Friendly 
Societies bald eiue hervorragende Kolle spieleu ^j. 

^) Stanley erwähnt in seinem Berichte, s. 23 (Reports oi the AatiBtaiit 
Commissioners. S. 221. Vol. XXIII. l't. II. 1.ST4) eine Gewerhekasse mit 
Zweigen ,Locomotivc Engineers aud Fircmeu's Friendly Society*, welche 
Jahre 18.'>4 gegrOodet worden sei und im Jahre If^lO 6221 Mii^lieder in 
5ti Zwei^vereinen gehabt habe. Er verweist aiit die .VussiiKPn von James 
Thompson und J. L. Turner vor der K. K. Diese beide Herren sind aber 
Beamte der 1880 gegründeten LocomotiTe Steam Enginemen and Firemen's 
Friendlv Societv isiehe Minutt s of Evidence etc. qu. 2ö '»03 ffg. Vol. XXII. 
1Ö73. 356). Der Fourth Report etc. (Vol. XXlll. Pt. I. 1S74. S. XLl.) 
und der Bericht eines anderen Assistant l'ommi&äioner, Sir G. Young, 

£ Ol XXIII. Pt. II. 1874. S. 4091 bestätigen dies (Ö. 19). Auch der Generai- 
dex kennt dif von Stanley erwähnte Kasse nicht. Stanley hat also wohl 
den Namen verwechselt. Walford (J. ( . IV, 482) führt sie ebenlalls auf. 
Er hat den Irrthum Stanley s anschrinend nachgeschrieben. 

■-) Nach dem Fourth Üt pnrt S. LXVIIl. zeiu'te diese Kasse einige selir 
bässlicbe Züge. Die Mitglieder gehen der Mitgliedscbalt verlustig, wenn 
sie den Dienst der Eitenbabngresellschftft verlassen. Keine Bestirnnrang 
über die Höhe der auszuzrililenden Summe b»'iin Austritte. Das Kassen- 
vermögen wird der Gesellscbatt geliehen, welche b^o Zinsen bezahlt. Der 
Beitrag war früher ein bestimmter Beitrag pro Kopf und wurde später in 
eine fixe Summe verwandelt. 

•') Da die Zentralbehörde gefallen war, wurde von Privaten ,The 
Friendly Societies' Institute' i:egrundet. Sein Hauptzweck sollte in der Er- 
thtilung von Rath an die Hilfskassen bestehen. A. Scratchlef : Tmtlse on 
Fnendiy Societies. London ld68. S. 



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VII 



■ 

tfgBJtmgen vBd Projekte. — WeiterUldmig der 

Staatsversichii'UTig. — Kampf gegen die Begräbniss- 
kassen. — £riieniiung einer Königliclien Kommission. 

1855 1870. 



Nachdem wir die Geschichte der en^;lischen Hilfskassen- 
gesetzj^ebung walirend eines Zeitraumes von 62 Jahren verfolgt 
haben, glauben wir das Uii;beil* aussprechen zu dürfen, dass es 
ihr an Entschiedenheit mangelt Sie versteht es, aus naheliegen- 
den Gründen weder ein Thun noch ein Lassen enerpisch durch- 
zuführen. Sie lipweizt sich stets in einer lauen Mitte, die 
weit davon entteiiit ist, das Juste niilieu' zu sein. Dahei hat 
sie eine schwächliche Hinneigung zu einem der beiden Extreme 
und manchmal zu beiden. 

Die Bills von 1854—1855 zeugten von der ausgesprocheneu 
Neigung, etwas zu thun. Dann kam der Nachtfrost in Gestalt 
eines Dezemberartikels der Toiy-Revue, welcher die bisherige 
Entwicklunf? negirte. Die Durchführung des Einen wie des Andern 
setzte die Anwendung' des Zwanjres voraus. Da das Parlament 
denselben nicht beliebte, wurde die Absiebt des Gesetzes von 
1855 bald vereitelt. 

Wollte man die Ililfskasse an der Betreibung jeder Ver- 
sichemngsart ausser der Kranken- und Ueberlebensversicherung 
. hindern, dann musste man aussprechen, dass alle andern Zw^ge 
verboten wären. Die Beschränkung der Zahl der Vi i sicherunga- 
zwecke im Gesetze genügte nicht. Durch die Bestimmung, 
dass Hilfskassen für die Er>trel>uni; aller von einem Staatsse- 
kretär ^jenehmigten Ziele gegründet werden düiiten, durch- 
brach man den Damm, den man so sicher aufgelichtet zu 
haben glaubte. 

Schon in dem ersten Berichte des Registrar^) lesen wir, 

') Wir werden in diesem Knpitel lolgende Abkürzungen nin\ enden. 
R. R. 1666; 74 bedeutet Keport des Registrars erschieueo 1666, ^eite 74. 



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819 



dass der Staatssekretär des Innem die Bildung von Vereinen 
für folgende Zwecke f:enehnii^rt habe\): 1. die Unterstützung 
wandernder, arbeitsuchender Mitglieder, 2. die Gewähiiing vor- 
übergehender Hilfe an Mitglieder in grosser Noth, 3. die Unter- 
stQtzung und Erhaltung von lahmen, blinden oder an den Folgen 
Ton Unnllen leidenden Mitgliedern, 4 den Ankauf von Kohlen 
und anderer nothwendiger Artikel, 5. die Versiehemng von 
Mitgliedern gegen Verlust und Krankheit von Haus- und Zog« 
thieren, 6. die Kapitalisirung des einem .MitLrlieile Lrehnn<:ren 
lleberschusses (the surplus fiind remainiug after providing for 
his assurance). Der Bericht desselben Beamten für das Jahr 
1866 theilt mit, dass 7. Vereine erlaubt wurden, welche schiff- 
brüchigen Mitgliedern oder solchen, deren Boote oder Netze ver- 
loren gegangen oder beschädigt worden waren, eine Unterstützung 
gewährte. Vereine wurden ^. izonehmigt für gesellschaftlichen 
Verkehr, geistige und moralisclie Vervollkommnung, rationelle 
Frholun? und für die Erleichterung von Beziehungen zwischen 
registriiteu Hilfskassen-). Im Jahre 1870 trat dazu 9. Ge- 
währung von Unterstützung an geisteskranke^) und gelähmte 
Mitglieder, hu Jahre lö72 wurden 10. Vereine legalisirt, 
welche eine UnteratOtzung in geechftftslosen Zeiten bezwecken^). 



Um nicht in jedem Falle die Nummer des Bundes angeben zu müssen, io 
welchem sieb der Report befindet, bemerken wir, dass der Report fiir 

18.5«) sieb befindet in Yol. LVIII. 

1857 



1867—58 

1859 

1860 

1H61 



1864 

1866 
1S67 

lb(i7— 6ö 

1870 
1871 
1872 



- XXXIX. 

- L. 

• XIX 

- XXXIX P. I. 
. XXXIV. 

. XXIX. 

- XXIX. 
. XXXIL 
. XXX 

- XXXIX. 
' XXXIX. 

- XL. 
. LVI. 

- LXI. 

- LXII. 
LIV. 



Die Berichte baben das ▼orbeqsefaeDde KalendeQabr zum Oeseostaode. 

1) R. R. IS'iJs 4. 
*) B. R. im-, 16. 

*) Nocb Bfitte der sechziger Jahre entschied ein Hicbter in einem 

Falle, dass eine Hilfskasse zur 2^ahlung einer Unterstützung an Geistes- 
kranke nicht vorpflicbtet sei . und zwar aus folgenden (iründen ; ..The 
Word äickuesb iniplies a morbid action of the body, occasiuned either 
hj mlbtnuA violence, or internal diieäae, and it bai no reference to 
lunacy which is a derangement of the ment.i! facnlties'*. 
B. R. 1866. S. 21. Als ob die Wissenschaft seit Descartes uud Malebrandie 
keiiie Foitachritte gemacht bfttte. 

*) Fomtb Report of tbe Friendly Sodeties' CommisBioii. S. CXLYI. 1874 



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320 



Durch die Riiidvieliseuche, welche Mitte der sechziger Jahre 
England heinisuchte, wurde es ottenbar. dass verschiedene 
Bestimniungt'n des Hilfhkasseugesetzes die Viehversicherung ia 
ihrer gesunden Entwicklung gehemmt hatten Es wurde dess- 
balb im Jahre 1866 der ,Cattle Assurance Act' (29 Vict c. 84) 
erlassen, welcher besonders den nördlichen Theilen Englands 
zu Gute kam, z. B. Lincoln, Derby, Yorkshire und den Grenz- 
grafschaften -). Eine Beschränkuntr der Versieheningssumme 
ist darin nicht vorgesehen 1). Die Beiträge sollen rechtlich 
als Schulden aufgefasst werden und bei einem Grafschaftshofe 
eingeklagt werden dürfen 2> — 

Noch andere Theile des letzten Gesetzes waren reformbe- 
dftrftifr. Man hatte die Jurisdiktion des Registrars und der 
Friedensrichter aufgehoben oder beschränkt und diejenige der 
Grat-cliaftshöfe bedeutend erweitert. Schon bald niusste ein 
Theil <ler früheren Anordnungen wieder eingeführt werden. 
Die gelinge Zahl der Sitzungen der County Courts und die 
hohen Kosten standen in keinem günstigen Gegensatze zu den 
Petty Sessions der 1 rieileu&ricliter. ilieizu gesellte sich ein 
neuer Missstand. Die ununterbrochene Reihe von Auflösungen 
eingeschriebener Hiifskassen (man kann auf die Woche zwei 
rechnen) lenkte allmählich den Blick auf die Schwierigkeit, 
einer Kasse nach Recht und Billigkeit ein Ende zu machen. 
Nach dem letzten Gesetze war die Auflösung von der bekannten 
''/H-Majorität, der Zustiniinung aller Unterstützung empfangen- 
der Mitglieder u. s. w. abhängig. Eine regelrechte Abstimmung 
wurde jedoch nur dann vom Gesetze anerkannt, wenn de*i Mit- 
gliedern vor der Abgabe ihrer Stimmen ein Theilungsplan vor- 
gelegen hatte. Die Ei-f&llung dieser Forderung bereitete 
manchen Kassen viele Schwierigkeiten, und die Centraibehörde 
sann auf einen Ausweg 3). 

Am 17. Mai l.s58 wurde von Sotheron-Esteoui t dem ünter- 
hause ein Gesetzentwurf vorgelegt, der fast debaiienlos ange- 
nommen worden zu sein scheint Das Gesetz 21 u. 22 Vict. 
c. Gl ei-theilt in der Stadt London dem ShenfTs Court, in 
Irland dem Assistant Barrister in seinem Distrikte, in Dublin 
und Cork dem Recorder die Jurisdiktion eines Grafechaftshofes 
in Hilt>kassenangelegenheiten. Die Friedensrichter werden auch 
in Irland ermächtigt, gegen Betrug einzuschreiten. Weiter 



h R. R. 1866; 16. 

-1 Im Berichte von 186'; finden sich die Statuten eines Cow-Klub; 
danach waren Viehhäoiiler, Metzger und Stadthirten vom Eintritte ausge- 
Bchlouen. R. R. 1866; 76. 

^) R. R. \<u Ax; 122, 12:1 

*) Uansard's Debates haben über die Geschichte dieses Gesetzes der 
Nadnfvit nnr die TbaUache aaf bewahrt, daaa Powell Sotheron- Estcourt bei 
Gelegenheit fragte, ol» er mit seiner Bill niclit fortfahren wolle, worauf 
S.-E. erwiderte, er möchte wohl, aber das Parlament habe ja nie Zeit däco. 



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V. 1. 321 

stellt (las Gesetz die Jurisdiction der Friedensrichter in allen 
Fällen wieder her, wo dieselbe durch die Statuten vori;esch rieben 
ist. Der Rejristrar, der Aktuar der Staatsschulilenverwaltung 
und andere Aktuare in den drei Hauptstädten mit fünfjähriger 
Praxis erhalten das liecht, eine Hilfskasse aufzuloseu, wenn sich 
ein Viertel aller Mitglieder einer Kasse mit dieser Bitte an 
sie wendet, und sie nach einer Üntersudinng in die finanziellen 
Verhftltnisse des Vereines sich von der Zahlungsunfähigkeit des- 
selben überzeugen. Die Entscheidung dieser Beamten ist cnd- 
giltig. Der vierte Paragraph bestimmt, dass die Kassen ihren 
Namen ändern dürfen. Die Begräbnisskassen » ^scheinen in 
die.sein Gesetze ebenfalls. Das früher charakterisii te Zcugniss 
eines Civilstandsbeamten wird bei Erhebung des Degiabniss- 
geldes nicht langer gefordert Dafür xnuss von jetzt ab das 
ZengnisB eines approbirten Arztes (qualified medical practitioner) 
vorgewiesen werden. Dem Arzte erkennt das Gesetz für die 
Ausstellung desselben eine Gebühr von einem Schilling zu. 
Das Zeugniss des Coroner findet sich nicht erwähnt. So wini 
wieder ein Theil der alten Selbstverwaltung zur Unthätigkeit 
veiTirtheilt. 

£s ist im höchsten Maasse venranderlich , dass das Par- 
lament die Befugnisse des Registrar in der bezeichneten Bich- 
tnng so schrankenlos erweiterte, und geradezu unverständlich, 
dass der Staat Männern, welche in keiner staatlichen Beamten- 
stellung standen, eine gar nicht umgrenzte Macht erthcilte ^). 
Die Klagen über <len Auflösungsparagraplien nahmen denn auch 
zu, und schon im Jahre IbGU wurde er in heilsamer Weise 
ergänzt und verändert. 

Doch, ehe wir die endliche Gestaltung dieser Massregel 
in*s Auge fassen, müssen wir einen Augenblick bei einem noch 
nicht erwähnten Mangel des letzten Gesetzes verweilen. Die 
Gesetzgebung war seit zehn Jahren immer schlaffer in ihren 
Anforderungen an die Hilfskassen geworden. Kine Strafe für 
die Nichteinsondung der beiden Berichte bestand nicht mehr. 
Die Londoner Behörde musste mit ungenügenden Jahresab- 
schlüssen zufrieden sein. Die meisten HiUskassen sandten 
auch diese nicht mehr'). Der Missstand wurde jetzt stärker 



M Per V>ctreffende Paratzraph ist in der dem T'ntrrliaiise vorliegenden 
Bill nicht enthalten, und wurde erst im Oberhau&c durch Viscount Hut- 
chinson hinzugefügt. Journals of the Uouae of Lords. 27th July isö^'. 

'I Der Itegistrar schickte im Jahre 1856 an 26 iX)0 Ka.«8en ein Schema 
der Jahresahsi hlüsse. l!r erhielt aber nur etwa 6CK)0 Berichte. Im lol- 
gendeii Jahre sandte er 22 ÖOO 1* onnuiare aus und empfing bis Ende MiLrz 
1H58 Ö940 Reports, [m Jahre 1858 verliesMa 20700 Formulare das Regi- 
ßtrar Office, » "'H» Ilt richte liefen ein, davon waren 1400 unbrauchbar. Im 
Jahre labü betrug die Zahl der versandten Formulare 20052. Bis Knde 
Min 1860 waren 4665 aosgef&Ut imd 1488 Jabreaberidite eingegangcD. 
Siebe 8. 8 der betflglicben Keports. 

ForaebmigM (20) V. I. — HMbscb. 21 



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822 



gefühlt, da der Registiar seit 1856 einen ausführlicheren Bericht, 
als früher, abzustatten hatte. Dass stren^rere Massregeln ange- 
wandt werden mOssten, erkannte man allmählich auch ausser- 
halb des Amtszimmers des Kegistrar und es wurden ent- 
spreehende Mittel in Anregung gebracht So erfolgte Yon zwei 
▼erschiedenen Seiten der Anstoss zu eraeater Gesetzgebung. 

Die Akte 23 und 24 Viet e. 58 (1860) nimmt den 
Aktuaren das Recht der Kassenauflösunc: und lässt es dem 
Registrar unter folgenden Besch rank untren. Nur eine in be- 
kannter Weise gebildete Vg- Majorität darf den Registrar um 
Auflösung der Gesellschaft angehen (in den Bills und 
dieser Beamte muss, bevor er an die Untersuchung geht, die 
Kasse von seinem Entschlüsse benachrichtigen. Drei Wochen 
sollen zwischen dem Schreiben ond dem Anfang der Unter- 
sudinng verfliessen Erlangt er die Gewissbeit, dass die 
Kasse /^alilunirsnnfähig ist und eine Auflösun«: im Interesse 
aller Mitglieder liegt, dann darf er zur Regelunt? iliier An- 
gelegenheiten schreiten. Der Tlieilungsplan ist in der London 
Gazette, Edinburgh Gazette oder der Dublin Gazette zu 
veröfifentlichen. Wird das Uebereinkommen nicht von einem 
Mitgliede innerhalb dreier Monate angegriffen, so ist die Aof- 
KSsnng rechtskräftig. In seinem nächsten Report hat der Be- 
gistrar über jede derartige Auflösung zu berichten. Die Yop- 
legung eines Theilungsplanes wurde bei dieser Anordnung 
übertilissig. So war eine Massregel j^efunden, welche die 
Hilfskassen entiastcte. oliiie sie zu beschränken. Für die Nieht- 
einsendung des Jahresljeiichtes wird eine Strafe von 20 s. vor- 
gesehen. Kassen, welche der Staatsschuldenverwaltung die 
verlangten Ausweise nnd Berichte nicht 80 Tage nach Ein- 
forderung dei-selben einsenden, gehen des Weitergenusses der 
Zinsen verlustig. 

Die erstgenannte Strafe blieb im Ganzen und Grossen eine 
leere Drohung^). Aber auch wenn sie Krfolg gehabt hätte. 



^) „This section has in practice proved almost a dead letter, the 
summonses being only obtainabfe bC liie WaitnhiBter Police Court, and 
it being deenied iinreasonatile (!!) to bring^ofBcers up from all parts 

of England for the infliction of a 20 s. penalty." Appendix (II) to Fnurth 
Eeport. li^li. 8. 27. Auch charakteristiach für englische An^» hauuugen, 
Zoerst setzt man den grasen Gesetzgebungsspptrst in Bewegung, um einen 
Zwang ausüben zu können und dann hält man es für „unbillig", denselben 
anzuwenden. Wäre man ein Dutzend Male 80 unbillig gewesen, bekretäre 
ans allen Theilen Englands nsdi London yorsoladen, dann würden die 
andern sich vor drr (Irfalir pohütet haben, eine Heise nach London cnacben 
zu müssen. Der Kegistrar licss im Jahre 1862 Ü ÖekretlUrei alle aus 
London nnd der Umgegend der Hauptstadt, Tor Gericht fiiirdero. 
R. R. 1862; 12 n. 13. lUr Missstand dauerte denn auch im Manzen und 
Grossen fort. Ende 18HÜ wurden 22 94S Formulare ansgesandt, 8140 Berichte 
gingen ein, Ende 1864 22.-^11 K. — 10 398 H. Ende 186.'') 22 834 F. — 
1034*» B. Ende 18W 23 407 F. — 10678 B. Ende 1867 23 807 F. — 
10678 B. Ende im 23 174 V, -> 11408 B. Ende 1869 22 026 F. — 



V. 1. 



828 



würde die p]insendun^r der Berichte das ganze Uebel nicht ent- 
lernt haben. Dazu war eine von kandidier, unparteiischer Hand 
an{,'efertip:te Bilanz, und die Macht, auf Grund derselben Aende- 
rungen durchzuführen, unumgiinglich nothwendig. Sotheron- 
Estcourt versuchte sich im folgenden Jahre noch einmal an 
dem alten, unltobaren Problem, eine Herkuleearbeit mit der 
rficksichtSYollen Sanltmath eines Gentleman durchzuführen. Am 
18. Mai 1861 brachte er einen Gesetzentwurf ein, welcher jeder 
Hilfskasse und Versicliernngsgesellschaft die Pflicht auferlegte, 
jedem Mitgliede eine Kopie des Jahresberichtes zu übermitteln. 
Dieselbe sollte über folgende Punkte Auskunft geben : 1. Summe 
der Einnahmen, 2. Summe der Ausgaben, mit Unterscheidung 
der für die Verwaltung bezahlten Summen, 3. das Datum der 
Gründung, 4. die Gesammtsnmme aller eeit dem Beginn er- 
haltenen Summen, 5. die Aktiva mit Unterscheidung jeder Art 
von angelegten Kapitalien, 6. Passiva nach Vei-sicherungszweigen 
geordnet, 7. Zahl der Mitglieder, welche Ansprüche luiben. 
VÄn Mitglied, welches einen solchen Bericht nicht erhalt, darf 
bei einem County Court, resp. Sheriff Court oder dem irischen 
Assistant BarrisLer klagen. 

Der Gesetzentwurf musste zurückgezogen werden, und 
man grämt sich nicht darQber. Denn er war eine der zahl- 
reichen halben Masaregeln auf diesem Gebiete, von denen 
man sich eine bedeutende Wirkung nicht versprechen durfte. 
Wenn der Arbeiter nicht lesen konnte, war die Aushändigung 
eines Jahresberichtes nutzlos. Aber auch wenn er diese Kunst 
gelernt hatte, lag die Sache wenig besser. Viele gebildete 
Männer sind nicht im Stande, den Jahresabschluss einer Ver- 
sicherungsgesellschaft SU verstehen. Sie durcbsehanen die 
Manipulationen nieht, welche bei offenbarer Zahlungsunfähigkeit 
die Vertheilung hoher Dividenden möglich machten. Sollten 
ungebildete Männer begünstigter sein? Hat man in den 
Kreisen, welche die gesammte Arbeiterversicherung kurzer 
Hand den freien Vereinen übertra^ien möcliten, wohl jemals 
bedacht, dass dieselbe das schwerste Ver>ic]ierungsproblem ist, 
weil sie die Bewältigung ganz verschiedener Versicherungs- 
zweige durch eine Verwaltungsstelle erfordert? Wo die Last 
schwerer wird, muss die Intelligenz stftrker werden, wenn nicht 
das Unternehmen scliliesslidi fehlschlagen soll. Die Erfahrung 
spricht dafür, dass die Intelligenz im Verhältniss zur Aufgabe 
zu schwach ist. — 

Wir haben damit die Ilrgänzungen berührt, welche das 
Gesetz von lb55 nöthig machte, und wir betrachten nun seine 

12 263 B. Die Zahl ilor eingoschrielienen Ililfskasscn betrug Hndo 1860 
etwa 25 000, die iiulUc kümmerte sich am das Gesetz nicht. — Für die 
fttnQährigen B. war kcioe Strafe vofgoMli€ii, Ende 1865 liefen mir 7706 B» 
ein, £nde 1870 sogar nur 7467. 

21* 



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824 



V. 1. 



uohltli.^ti'jon Wiikunpen. Zunächst verzeichnen wir den Ki folf: des 
Para;inil)li(nK welcher einifze Vortheile an die Niederlejrun^ der 
Statuten im liegistrar Oftice knüpfte. Den (iewerk vereinen 
war endlich die Sicherheit ihres Vermögens ^re währleistet. 
Wieder einmal erwies sich die eingeschriebene Hilfskasse als 
die BeschOtzerin einer Institution der sozialen Selbsthilfe. In 
Jedem Jahresberichte giebt der Registrar die Zahl der Vereine 
an, welche im Laufe des Jahres ihre Statuten deponirt haben. 
Tn FoIl^p trerirhtl icher Entscheidungen, welche die Möjrlichkeit 
weiteren Schutzes von Seiten der Hilfskasse in Frage stellten, 
trennte sich im Jahre 18()0 der (lewerkverein von der Hilfs- 
kasse. Das Gesetz ^2 und 33 Vict. c. 61, ein Nothbau, er- 
kannte ihn in seiner Selbststftndifckeit an. Zwei Jahre später 
folgte der Trade Union Act Er schnitt jeden andern Zu- 
sammenhang mit der Hilfskasse als den einer Personal-TTnion 
ab. In diesem Verhältnisse stellen Sparbanken (1828), Hilfs- 
kassen (1820), Darlehnskassen (1835), Baugenossenschaften 
(1836), wissenschaftliche und literarische Vereine (1843), Ver- 
zehr- und Krwerhsgenossenschaften (1852) . Erholungs- und 
Bikiungsvereine (1856), Gewerkvereiue (1871); alle werden aul 
Wunsch und nach EHikUung gewisser Bedingungen von dem» 
selben Beamten Angeschrieben. Zum Abschied z&hlt der Re- 
port für 1868—1869 S. 193 flF. 472 Vereine auf, welche im 
Laufe von 14 Jahren ihre Statuten deponirt hatten. In Irland 
betrug die Zahl 16, in Schottland 3 

Eine indirekte Folge des Gesetzes bestand in der Mög- 
lichkeit, die Krhülungs- und Bilduugsvereine (Working Men's 
Clubs) zu registriren *). 

Als dritte wohlthfttige Folge nennen wir die Existenz der 
jfthrliehen Berichte des Registrar, welche zum eraten Male ge- 
statten, das Leben der Hilfskassen in kurzen Zeiträumen zu 
verfolgen^). Die von Tidd Pratt abgefassten Berichte (1856 — 



M Doch sind nicht alle Gewerkvereme, es finden siclk GeeeUschaften 
aller Art darunter. 

^) Im Jahre 1872 betrug die Gesammtzahl der .der Working Men's 
Clnb and Institute Union' bekannten Vereine 535, die Anzahl der Mit* 
gUeder wurde auf 90 000 geechäut Fourih Iteport of tfae F. & a S. 1374» 
C. CXLVII. 

*> Wir nehmen nnr gelegentlich auf die Berichte des schottischen 

und irischen Registrars Rücksicht. Dieselben stehen an inhaltlichem Werth 
denjenigen Tidd Pratt' s bedeutend nach. Bei der letzten Enquete üüul 
man die Bnreanx beider Beamten in grtaster Unordnung, was tiiellweite 
der ungenügenden Besoldung zugeschrieben wurde. Das Wichtigste, was 
sie zu berichten haben, stimmt mit den Mittheilungen Tidd Pratt's llberein. 
Doch wollen wir die bemerkenswerthesten Notizen von selbstständigem 
\yerthe aus den beiden R.R.hier kurz wiedergeben. Die Berichte befinden 
sich mit den ensilischen zusammen in denselben Bänden. Aus den wenigen, 
nicht alle Jahre erschienenen irischen H. entnehmen wir Folgendes. Nach 
dem R. 1870 S. 425 hatten 285 Kassen Berichte eingeschickt; sie besasaen 
42 703 Mitglieder und eine Einnahme von 42 856 sie hatten Or Erank- 



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325 



1869) haben den Reiz und den Nachtheil voller Ursprünglich- 
keit, sie sind nur oberflächlich preonlnet und nicht immer ge- 
sichtet und verarbeitet. Zuweilen entschädigt diese Arbeits- 
methode für den grossen Zeitverlust, welche die Lektttre der- 
selben verursacht Wie genussreich und heiehrend sind die 
an den Registrar gerichteten Briefe, die anschaulich und 
lebendig von den Ränken, KnifTen, Gährungen, Revolutionen, 
Ausschliessungen, Ungerechtigkeiten und dem Pompe, Prunke, 
den Aufzügen sowie den behaglichen Tafelfreuden der freund- 
lichen Gesellschaften er/.ählon, jene in unortliüt^raphischem En«;- 
liseh geschriebenen Briefe, weiche deutlicher als jede abstrakte 
Auseinandersetzung die Uebel der freien Hil&kassen aufeeigen 
und enthüllen! 

Die Mittheilungen des r^oiiistrar sind mannigfiütiger Natur. 
Was das Parlament für die Iliifskassen that oder thun wollte, 
wird berichtet, flie wichtigsten statistischen Materialien werden 
gesammelt, die vom Kegistrar vorgenommenen Auflösunifpri be- 
sprochen. Für eine Zustandsschilderung der Hilfskassen tiiult t 
sich in denselben ein reiches, aber kaum ein neues Material, 
wenn wir ton den MittheUungen über die Begrät^nisskassen 



heit und Todesfälle 1302s ^ ausgegeben und 12 987 zu Woihnachton 
Tertheilt In den meisten irischen Kassen herrschte die Gewohnheit, zu 
Weihnachten den Ueberschuss des lahres zu vertht ikn. Nach dem R. 
1871. S. 415—421 wiesen die lun^ährigen Berichte 14 406 Mitglieder mit 
34 152 Woehen Krankheit and 1956 TodesOIlen aaf. Er schreibt die Ab- 
nahme der Zahl der neurodstrirten Hilfskassen dem Imstande }j;uter Hilfs- 
kMseo und dem Maogel an allen Beschränkungen in der Verwendung des 
Vermögens zu. R. 1870. 8. 411. 

Die Berichte des schottischen R. erschienen häufiger, haben aber 
sehr weniir Werth. Sie schlagen leider tiidit selten einen Predigorton an. 
Nach dem Ii. I^ü2 S. 2 existirte in Hiaeuiar eine Kasse, zu deren Zielen 
die Erhaltung der keltischen Sprache ^'ebörte; eine aodtt« bedrohte jedee 
Mitglied mit »1 d. Strafe, welches den Namen (Joftes vergeMich liihrte. — 
Wir müssen hier eine Schuld der Gerechtigkeit abtragen und können 
ein Versehen wieder gut machen, welches wir in der Etnlcitang begangen 
haben. Der schottische Registrar Carnegie Ritcbie machte die ersten Mit- 
tbeiloogen Uber die ftitesten Uilfskassen in Schottland, s. B. über diejenige 
tu BofTowstonnese. R 18>^. S. 6, ttber di# FMendlf Society of fiicorpo- 
rated Carters, R. 1860, S. 2, welche am 4. Februar 18'»8 ihr dreihundert- 
jähriges Stiftungsfest gefeiert hatte iSie hatte damals ein Vermögen von 
4639 X aiiL'Psatnmcit und 1") / tur ein Festessen bei Gelegenheit des 
300. Stiftuiiu'sfestcs ausgegeben.) Wir ziUrten diese Vereine nach dem Be- 
richt der Enquete- Commission (S. 30), und müssen dafiir anfuhren, d.iss 
sich in demselben zuerst eine ausführliche Notiz findet Vol. XXili. Vt. II. 
8. 802 fg. 1874. Das Verseben besteht darin, dass wir die allerUtesteo 
Hilfskassen des Vereinigten Königreiches in der Einleitung ausgelassen 
haben. Die eine ist die schon 1541 gründete Old FreeMasons' Friendlj 
Society zu Aberdeen, welche im Jahre 1860 noch bitkhte und in guten 
finanziellen Verhältnissen war. R. 18C.0. S. 7. Noch älter scheint ,The 
Masonic Widows' and Orphans' Fund of Zetland' zu sein. H. 1857— .')8. 
S. 2. — Die Sichtung, Ordnung, Gruppirung des Materials, welches in dieser 
Schrift verarbeitet ist, erforderte so viel AofinerlnaBikeit , daM das Ver* 
sehen ho£PentUch entadinldigi wird. 



326 



absehen. Die alte Geschichte wirrl iiniiier wieder vorpetrajren 
von den Schmausereien, welche aus dem Kassenvermögen be- 
stritten werden, von der ungesetzinässigen Anlage und dem 
gelegentlichen Verluste des Kapitals, von der einen Priimie für 
Jung und Alt, dem endlichen Bankerotte und der zeitigen Auf- 
lösung. Die grosse Masse aller Hilfskassen hatte sich ti*otz 
aller Hilfsl^nssencresetze nicht vei-wandelt. Die wohl geleiteten, 
gesunden Ililfskassen konnte mau zahlen, in der Manchester 
Unity und bei den P'oresters war ein enistes Refonnbestrebeu 
lebendig, aber der Fortschritt ging langsam von statten 

Von gi'össter Bedeutung ftr die Beurtheilung des Werthes 
freiwilliger Hilfskassen in unserer Wirthscbaftsordnung erscheint 
die Mittheilung, dass die Mitglieder sehr vieler Vereine in 
Folge des lähmenden Einflusses, welchen der amerikanische 
Krieg auf Handel und Wandel ausübte, laniro Zeit hindurch 
ihre Beiträ^.^e nicht weiterzahlen konnten. Tidd Pratt erwiderte 
auf Anfragen der Arl>eiter, was sie in dieser Lage thun sollten, 
er wolle auf Wunsch der Majorität einer gehörig zusammen- 
berufenen Versammlung einen Paragraphen des Inhaltes be- 
st&tigen, dass die Prämienzahlungen zw51f Monate ausgesetzt 
werden durften, im Falle die Mitglieder durch Ereignisse, über 
welche sie keine Macht hätten, an derselben verhindert würden 

Wir heben nun einige der wichtigeren Belege zu den oben 
über den Inhalt der Berichte abgegebenen Urtheilen hervor. 
In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre schickte der Registrar 
500 Briefe an Sekretäre verschiedener Gesellschaften, in deren 
Berichten Getränke augesetzt waren und machte sie auf die 
Ungesetzlidikeit aufmerksam. Ungefähr ein Zehntel der be- 
richtenden Vereine — die besseren — waren also trotz aller 
(iesetzgehung noch nicht weiter fortgeschritten. Der Regist^j^r 
versicherte, dass dieser Schritt nicht ohne günstige Folgen 
geblieben sei -^j. In einem spütcK^n Berichte stossen wir auf 
die Erklilrnng dieser raschen Besserung. Von jedem Mitgliede 
wurden z. B. 2 d. für die Verwaltuugskosten erhoben. In 
Wirklichkeit bestritt die Kasse die Verwaltungskosten aus den 
Prämien und die Mitglieder vertranken die 2 d. Oder es er- 
scheint die Ausgabe für Miethe im Verwaltungsbericht. In 
Wirklichkeit wird keine Miethe bezahlt, sondern der Betrag 



^) Nach dem R. R. 18A8; 20 hatton sich von den 3198 Logen der M. U. 
167:' registriren lassen , von den lxit\ Courta der Forcsten 92S. — Der 
Orden der Foresters setzt sich auR Courts' und .Distrirts* zusammen. T>er 
Wanderaussfhnss wird ,Iligb ( ourt Meeting' (H. C. M.) genannt. Der von 
H. C. M. zu II. C. M. die Geschäflo fahrende Ansschuss, welcher nicht 
wie in der M. U. seinen ständicon Sitz in einnr Stpdt hat, sondern mit 
das iL C. M. wanden, führt den ^tarnen ,Kxccutive Council'. 

<) R. R. 1862; 8—12. Die Annensteucr 1800: 5454964 1864: 
6 423 3<5 £ 

Ii. R. 1^57-58; 4. 



V. 1. 



327 



vertrunken. Die Ausgaben für Ti-ommeln, Pfeifen, Bänder, 
Fahnen werden auf Bechnung der Krankenkasse gesetzt. In 
einem FaUe nehmen die Trenbünder dem Kassirer mit Gewalt 

die Schlüssel ab, betrinken sich, prQgeln sich und schlagen dem 
Wirthe die Möbel entzwei. Mitglieder, welche sich gegen solche 
Vorkommnisse erheben, werden mit Aussehliessunp: bedroht. Die 
Ililfskassen sind nach wie vor die Stützen der VVirthshäuser. Will 
eine Hilfskasse ihr Lokal weclKselii, so findet eine scharfe Kon- 
kurrenz zwischen den VVirthen statt. Der neue Wirth giebt den 
Mitgliedern ein Essen Tidd Pratt erwähnt aus der Schrift 
eines Geistlichen, Namens Owen, dass derselbe den Zustand 
von 110 Kassen untersucht und nur eine blühende gefunden 
habe. 103 hielten ihre Vei'sammlungen in Wirthshäusem ab. 
Die AViitlie wilren an 97 direkt interessirt. 22 davon waren 
ein^^eschriehen , 73 vertheilten ihr Vermögen jährlich. Die 
Statuten von 8G unter 90 in einer Pfarrei schrieben eine be- 
stimmte Ausgabe für Getränk vor; im Ganzen wurden 981 £ 
▼ertrunken. 40 brachen in einer Pfarrei in 30 Jahren zu- 
sammen ^. Bas waren kldne Klubs, aber 99 ^;'o aller Kassen 
gehörten diesem Typus an 

Man wird ebenfalls an Eden's Schildei*UDgen der Friendly 
Societies des 18. Jahrhunderts erinnert, wenn man liest, in 
welcher Weise sie ihr Vermögen anlegen. Trotz aller finan- 
ziellen Vortheile, welche ihnen zugewandt worden sind, leihen 
sie ihr Vermögen Darlehnskassen, kleinen Bankiers, Fabrikan- 
ten, Brauern. 36 Hilfskassen wurden in einen Bankerott ver- 
widcelt. In einem andern Falle verloren 44 Hilfekassen einen 
Theil ihres Vermögens. Der Registrar schickte in einem .Tahre 
nicht weniger als 700 Briefe aus, um den Sekretären die ge- 
setzlichen Bestimmungen über das Leihen gegen persönliche 
Sicherheit in's Gedächtniss zurückzurufen '). 

Die zahlreichen Auflosunizen sind eine einlaciie Folge solcher 
Zustände. Nach dem Berichte von 1861 waren es 70, von 
1862 — 112, 1868 — 187, 1864 — 118, 1866 — 143, 1867 — 
180. 1868 - 175, 1869 — 139, 1870 — 127 »). Im Zusammen- 
hange mit den Auflösungen und dem fortwährenden Zusammen- 
bruche, über welchen bald einige Daten folgen werden, steht 
die Gründung zahlreicher neuer Vereine. Vom 23. Juli bis 
zum 16. Mai 1861 schrieb der Registrar 51 13 Ililfskassen ein, 
er genehmigte die Veränderung der Statuten von 5537 Ver- 



II. 1^ 18G3; 12-ÖÖ. 
») I!. n. 1862; 18. 
«) R. R. 18n7; 14. 
*) R. K. \b",—r,H; 4- ^. 

Siehe S. 3 der entsprechenden Rb. l iiter den 77 vom Rejristrar 
in Jftbre 1868 au^Asten Vereinen hatten 7 Besenren im Betrage von 
weniter als 1 l pro Mitglied, 41 unter 10 if, Dor 12 mehr als 10 j^. 
K. Ii. lÖGi<— «9; 3 trnd 16. 



328 



V 



V. 1. 



einen; in Schüttlaud waren in gleichem Zeiträume 182 neue, 
192 refomirte, in Irland 824 nene, 192 reformirte einge- 
schrieben worden^). £in Werden und Vergehen, das an die 
üppige Fruchtbarkeit und den schnellen Untei^ang der Ge- 
schöpfe einer tropischen Natur, nicht aber an den Bestand 
von menschlichen Institutionen erinnert. 

Der Hegistnir wünschte daher das Alter der Kassen kennen 
7U lernen. Nur ;i073 erfüllten seine Bitte und gaben Nachricht. 
485 behaupteten weniger als 10 Jahre, 11R7 über 10 Jahre, 
721 über 20, 301 über 30, 129 über 40, 100 über 50, 46 über 
60, 41 über 70, 20 über 80, 23 über 90, 20 Ober 100 Jahre 
alt zu sein *). 

Die Frage drängt mch auf: Wie gross war die Anzahl aller 

eingeschriebenen Hilfskassen und wie viele bestanden noch? 
Bekanntlich waren die Grafschaftssekretäre durch ein Gesetx 
in den fünfziger Jahren zur T^^bersendunL' aller von den Frie- 
densrichtern genehmigten Statuten autgefordert worden. So 
wurde es mödich. einen T^eberblick über die Entwicklunj: der 
eingeschriebenen liillskassen zu gewinnen. Am 16. Mai 1861 
betrug die Zahl aller im Vereinigten Königreiche seit 1798 regi- 
strirter Vereine 54264. Davon entfielen auf England 51 548, auf 
>chottland 897 (die Zahl muss falsch sein ^) und Irland 1819. 
In England setzte sich die Zahl aus 31147 neuen Vereinen und 
20401 alten (mit veränderten Statuten), in Irland aus 12S4 
neuen und 535 alten (mit veränderten Statuten) zusammen, 
über Schottland ist keine getrennte Annähe vorhanden ■*). Nun 
erhebt sich die weitere Frage: Wie viele bcbtandea hiervon 
noch? Auch darüber liegt ein offizieller Bericht für England 
vor. Das Armenamt veröffentlichte unter dem 19. August 1867 
eine Zusammenstellung, wonach his zu diesem Datum 38 315 
Vereine eingeschrieben worden wären und 13l»3ö sich aufge- 
löst hätten. Die Zahl der noch bestehenden hätte 24 380 be- 
tragen. Der Rejristrar fügt die Bemerkung hinzu, dass die 
Notizen von den Kassen selbst geliefert worden seien; zweifel- 
los hätten sich uoch manche andere aufgelöst, ohne den Ke- 
gistrar davon zu benachrichtigen. Wenn wir nun in Betracht 
ziehen, dass sich im Durchschnitt jedes Jahr über 1000 neue 
Vereine in England einschreiben Hessen^) und die seit 1867— 
1B70 neueingeechriebenen gegen die nichtangeroeldeten au%e- 



R. II. IbOl : bü— ö9. 
') R. R* 1857— W' 8—12 

"^t Culloy schätzte sie auf 1914 im Jahre 18t>I. Siehe Re|>orli of the 
Assistant Commissioners. 1Ö74. Vol. XXUL Pt. U. S. 64d. 
*) R. R. 1861 ; B6— «9. 

*) Nach dem Report fiir 1862 - 1228: für 1863 — 1277; Ar 1S64 

— 1054; für lötö — 1050; für 1866 — 1076; für 1867 — 1176; f&r lb68 

— \m\ für 1869 — 1112; für 1870 - 1262; für 1871 — 998. 



Digiti^ uü uy Google 



V. 1. 



329 



lösten heben, so dürfen wir ungeföhr 25 000 als die wahi-schein- 
liche Anzahl sämmtlicher reglstrirter Hilfskassen gegen Ende 
1870 annehmen. — 

Wiir lassen nun die Tabelle wtSbfA folgen'): 







'S 
9 




1 
i 


>^ 


'S 
« 


c 




O V2 

= Tc. 

P r ^ 


J«. , 

o 

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*— 

c 


i 


[M<a 
•S3 ff 


'S <j 


'c 
"3 


1 C ^ 




» 


1 






1 


Snirlftiid' 


1 






<i 

Somerset. ... 811 


Sil 


500 


Beds 1 




7^ 


2f>0 


Stafford . . . . 


1 7^S 


4r)9 


1 ;{10 


Lerks ' 




8H 


10^ 


Suffolk . . . 


s.-,4 




5öl 






T*" ^ 


l-^l 




1414 


646 


768 


Cambrid|5e . , .1 




1*2 


2ns 


Sn^»?ex ; 


420 


7<> 


344 


ehester .... 






747 


WarNvick .... 


laoö 


4;ki 


ÖiO 


Cornwall. . . . 






2 tb 


\S>stiaorelami . 


67 


13 


54 


Cniidierhuid . . 


2-M 


1 2.^ 


121» 




365 


114 


251 


Iierby 1 


TG:^ 




.')!)-■) 


Worcester . . . 


♦-,91 


21^ 


473 


Devon ; 

Durham ..... 


lOUi 


432 


Ö7') 
183 

H M ) 


1 ork 


2 IM 4 


870 


2 OHl 


269 

j \)i < 


86 

oll 


Total England . 






22 645 


Gloncester . . 


76U 
922 


257 
277 


f>45 


Wales; 


1 

i 

1 






Hanls 


782 


2SS 


4! '4 


.Vnglesea. . . . 


52 


24 


29 


Hereford. . . . 


1.V2 


(.2 


9o 


l5rccon .... 


224 


87 


137 


Ileiia 


a;?7 


10.-) 


2:12 


('ardigan. . . . 


lOS 


31 


74 




144 


1 


1 iv 


(^irnarthen . * 


194 






Kcnt 


1 110 


'ir.2 


(>4S 


( aniarvon . . . 


7ß 


17 


59 


lauwaster . . . 


5 207 ( 


2 0<>4 




beubi^li .... 


21ä 


74 


144 


Leioaster . . . 


594 


148 


446 


Flint 


i5d 


40 


118 


Lincoln . . . . 




7G 


:;7M 


Glaiiioru^an . . •! 


1 IM 


2!t3 


844 


Middleüex • • •] 


4 597 


2 8yu 


1 TU7 


Alerioneth . . . 


m 


15 


4ö 


Monmonth . . . 


ms 


192 


471 


Montgouiery . 


106 


48 


58 


Norfolk . . . .] 


1 00;! 


22^* 


774 


Tenibroke • • • 


101 


47 


54 


Northampton . . 
jSoriliumb^knd 
H Otts . • • . . 


r.Ol 


!)2 


40!» 


Hadnor . . . .' 


17 


3 


U 




201 
144 




rotal Wales . . 

! 


2447 


712 


1735 


Oxon . . . . , 
Euüaiid .... 


271) 


SO 














• ►>» 


Total Engkml 








Sdop 


m 


262 


857 


und Wal«. . 


|88815 


IS 985 


24880 



'\Velclie trostlosen Folgen den Zusammenbruch eines Drittels 
aller seit etwa 75 Jahren eingeschriebenenllilfskassen begleiteten, 
beweist einigermaassen folgende Tabelle, die von derselben 
BehMe, unter demselben Datum veröffentlicht wurde. Sie 
giebt die Zahl der in Armenh&usem befindlichen Armen an, 
welche einer aufgelösten oder Kusammengebrocbenen Hilfskasse 
angehört haben*). 



•) u. ») R. R. 1867 i 09-91. 



880 



V. 1. 



England: 

Bedlord 2ö 

Berks 86 

Bucks 34 

Cambridge ^ 

ehester 80 

Corawill 66 

Cumberland 25 

Derby 45 

Devon 115 

Dorsel 32 

Durham 140 

Essex 187 

Gloueeitar 132 

Hereford 

Herta 147 

Hunts 23 

Kent 227 

LancMter • 302 

Leieester 56 

Lincoln 43 

Middlesex 370 

Monmouth 68 

Norfolk 127 

Northampton 

Northumberlaod 11 

Nottingham 37 

Oxford 18 

liutland 

Sftlop 68 

Sonenet 104 



^k)athftnptoa 104 

Stafford 141 

Suffolk 138 

Surrey 186 

Sussex 58 

Wan^'ick 128 

Westmoreland 4 

Wilti 79 

"Worcestpr 153 

York, K.R 27 

York, N. R 18 

York, W.B. . 220 

Total England 8981 

Wales: 

Anglesea — 

Breeon 12 

Cnrdigan — 

( srniarthen 5 

Carnarvon 3 

I)enl)i<;h 12 

Flint 6 

Glamorgan '. 85 

Merionath — 

MoDt(?onMi7 11 

Pembroke — 

Badnor — 

Total W^ee 84 

Total England und Walei 4015 



Die zweite Tabelle war natOrlicb unvollkommen. Die 

Vnterstützunjren vieler Hilfskassen sind so gering, dass das 
Mitiilied dennoch sicli um Arnienunterstützung bewerben muss. 
Die Künigliche Kommission suchte im .lahre 1871 die Zahl 
aller Armen zu erfahren, welche Mitglieder von Hilfskassen ge- 
wesen waren, oder noch waren. Das Local Government Bosund 
wandte sich an die Armenbehdrden in England und Wales 
und erhielt folgende, im höchsten Maasse ungenügenden Be- 
richte 

In den Armenhäusern waran in: 



') Appendix MII. to Fourth Report etc. S. 1--9. Sähe man diesen 
Zahlf^n nicht aut dem ersten Blicke ihn^ rnznverlüssigkeit an, dann war- 
den die Antworten der I'oor law Guardians sie beweisen, l'a folgen die 
Antworten ,Not answered*, ,can get no infonnatlonS ,does notknow at all', 
.impossible to answer', .cannot give account'. .cannot teil*. ,ven diflicult 
to ascertain', ,qo data !or this', selb&t ,to answer this wouid ia- 
voWe mueh laboor* etc. etc. in rascher Folge aufeinander. Eine ver- 
trauenorwecknnde Statistik wird sich mit eogUschen Selbstrerwaltiuiga- 
beaiateu nicht durchfahren lassen. 



uiy j^uj uy Google 



V. 1. 






. U09 iU« V. 






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. 8280 - - 








. 25*0 . - 


MilllllAftM 




Norfolk 


. 621 - - 


Northampton . . . 


. 62ö - - 
. 781 - - 


XottinshaiD . . . . 


128 - - 
. 848 - - 



331 





. 34 M. V. H. 




908 - - - 






StaflFord .... 


. 1876 . - . 


Suffolk 


. . 574 - - - 








. . 400 - - - 




. . 457 - - - 


WestrooFeUnd . . 


. 5 • - - 


»»iiisnire. • • • 


• • Wi - . - 




1 A 




751 .. . 


lOsKS. \\ . Iv. . • . 


. . IcO « • • 




1 AI 

• IUI « • • 




16 - - - 


Brecon .... 


. 60 - - - 








. . 181 - - - 


[»enbigh .... 


. . 205 - - - 








49 - . • 



MonlgoiDflry .... 81-** 

Im Ganzen in Eng- 
land und Wales 26051 M. ?. U. 



Es ist einleuchtend, dass selbst, wenn diese Zahlen von 
allen Armenhäusern geliefert worden wären, wenn sie Anspruch 

auf Ilichtigkeit hätten, wenn die schon hohe Zahl von über 
25 000 um das Drei- oder Vierfache erhöht würrie, ^ich noch 
immer kein Bild des heilsamen oder s( h;idlii*hen Kiiitiusses der 
Ililfskassen irewinnen licsse. Wir luüssten zu jileirlier Zeit die 
Zahl aller in Armenhäusern Unterstützten kennen, weiter einen 
Anhalt dafür haben, wie viele Mitglieder von Hilfskassen durch 
die Wohlthfttigkeit von Stiftungen und Privaten erhalten wQrden 
(die Summen werden der Höhe der Armensteuer niolit viel 
nachgehen) und ausserdem wissen, wie viele Leute Verluste 
durcli Ililfskassen erlitten hahen. ohne dem Ar))eitshause oder 
der Mildthiitigkeit anheimzufallen, z. R. die Zahl aller der- 
jenigen, welche nach dem Zusammenbruch einer lldlskasse 
unter ungünstigeren Bedingungen in eine andere eintraten. — 
Ueber das Vermögen der Hilfskassen finden wir ei-st im 
R. R. for 1866 eine Addition. Die 10345 Vereine, welche 
Berichte eingesandt hatten, gaben die Zahl der Mitglieder auf 
1374 425 und ihr Vennögen auf 5 302? 28 an M. Im fol- 
genden Berichte (18G7) finden wir 1<m;7S Vereine mit 1 072176 
Mitgliedern und 6 068 380 £ auf'jfv.eichnet -i. Der Bericht für 
1808 zählt 11 408 Kassen mit i 047 814 Mitgliedern und einem 



M s. .>i. — ? Zahl MiH im Beriebte. 

-) i>. 67. 



Digitizeu Lj ^jüOgle 



332 



Vermöpjen von 7 095 537 M auf^). Nach dem letzten Report 
Tidd Pratt's betrug in 12 2<>3 Vereinen die Mitgliedei-zahl 
I»i4ü0»;5. das Vermögen 5 092 937 £ Diese um Millionen 
scliwaiikeiiilen Zahlen geben au^^enseheinlich keinen Anhalt für 
die Schät/.ung <les Vermögens der liilfskassen. Je nach der 
MisehuDg der berichteoden Venammlung muss das Bild ein 
anderes werden. Es wäre so leicht, vermittelBt einiger Durch- 
schnittszahlen inerst das Venn<H^ ftller bestehenden Hilft- 
kassen zu ermitteln und mit einer raschen Hypothese auf das 
Gesammtvermögen aller Friendly Societies zu schliessen. Wer 
den verschiedenen Charakter der einzelnen Typen und Gesell- 
schaften kennt, wird solche fadenscheini^^en BfMcchnungen unter* 
lassen. Man lese beispielsweise folgende Tabelle^): 



Total 

Number 

of 
Betums 



, N tun her 
' Ol tiiose 
in which 
the num- 

ber of 
I members 
wasgitai 



Total 
Hmnber 

of 

Membere 
giveo 



Ko. of 
Sodetiea 
in which 
the fnnda 
aro sItiiii 



II 



Friendly Societie>. . . 
A. 0. öt Foresters . . 
M. U. of Odd Fenoirs 



Total 
Fonda 
retnniad 







1 






1090 
1364 
1655 
1188 


3929 
UOG 
1481 
1017 


990 329 
113 7G3 ! 
175 193 ' 
955591 


4535 
1827 
1634 
1152 


2 95.1 322 
404 574 

1 my 615 
358001 



8888 1 7588 


il871844| 


8648 


4812512 


181 


143 


278 305 


176 


70 480 


22 


14 


2 438 


22 


304 491 


3as 


278 


28 292, 


331 


119 101 


55 


49 


10 475 I 


54 


19 601 


9494 


8017 


1 1 691 854 i 
1 1 


9231 


5826276 



Burial Societies. . . 
Annuity Societiea . . 
Femalc Societies . . 
Sunday bchool Societies, _ 

Total .....*. 



Wie gering ist das Vermögen der mitgliederreichen Be- 
grabnisskassen verglichen mit dem hohen der Rentenkassen 1 

Wir bemerken schon jetzt, dass sich die meisten der ersteren 
in Lancashire, die letzteren fast ausnahmsweise in f)evonshire 
befanden. Walford macht über den Inhalt des R. W. 1868 
folL'ende Bemerkungen. Unter 10 264 Kassen besassen 3161 
weniger als 100 4222 zwischen 100 und 500 1602 
zwiM'lien 500 und 1000 J^, 903 zwischen 1000 und 2000 £, 
316 zwischen 2000 und 5000 i , 50 zwischen 5000 und 



M S. 129. 
^1 S. 153. 

') Walford's Insurance Cyclopaedia IV, 501. Diesellie giebt nach der 
Behauptung des Vertässer& eine kurze Uebersicbt übei* den Inhalt des 
»Abttract of Betorns', welcher sich im IL Ii. 1^<63 findet 



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383 



10 000 18 zwischen 10 000 und 20 000 , 12 zwischen 
20000 und 50 000 3 zwischen 60000 und 100 000 / »). 

Foljrende Zusammenstellung, welche der Bericht leider nur 
nach Grafschaften ordnet, ist in R. R. 1868—69 enthalten; 
S. 153: 



Coonty 

- 


No 
seot 

1 ont 

■ 


Retur- 


Com- 

nlptp 


iDcom- 


ruiuiB 




__ 

Memoen 




i 








£ 






242 


185 


115 


20 


54158 


11854 


Berkshire 


160 


77 


59 


18 


23 248 


6 278 


Backingham .... 


lt>8 


III 


95 


16 


63 318 


12 <r77 


CazDbridge .... 


201 


116 


79 


19 


46 274 


9 692 




773 


378 


307 


71 


184354 


59 642 


Com wall 


231 


Ol 


77 


14 


52 304 


9 000 


Camberland .... 


131 


57 


48 


9 


28 980 


6 6:59 


Devon 


518 


250 


211 


39 


2«>4 279 


44 926 




536 


290 


270 


20 


13s 289 


26 075 


Boraet 


152 


87 


70 


17 


5:^ 589 


11101 




669 


370 


294 


76 


97 676 


42969 




488 


169 


142 


27 


287816 


81 498 


Gloucester .... 


614 


258 


221 


37 


107 245 


26040 




1 469 


281 


169 


62 


175 646 


35205 




1 67 


33 


26 


7 


19 681 


8 948 




' 217 


78 


64 


9 


81484 


8414 


HuntiQgdon .... 


j 101 


42 




5 


15 844 


3156 




' 593 


393 


302 


91 


160 982 


40 512 


I^ucashire . . . . j 


2 666 


1513 


1280 


283 


624579 


534 418 




422 


282 


211 


21 


98 757 


22 754 


Lincoln 


1 344 


219 


191 


28 


s2 .-.ey 


25 074 


Middiesex , 


1 1483 


830 


677 


153 


546858 


100952 


Moimiouüi . . . 


; 412 


214 


145 


69 


58589 


14489 


Norfolk 


; 701 


302 


271 


31 


191 404 


38 241 


Northampton . . . 


i36l 


216 


192 


24 


100005 


17 802 


NorüiumberlaDd . . 


367 


208 


169 


39 


73 546 


2b 158 




355 


174 


152 


22 


58 S67 


16778 


Ii V Af^ 


101 


«71 


77 




27 c\\\ 








15 


15 




9 027 


1 856 




326 


167 


144 


23 


106 002 


17 256 




442 


152 


128 


24 


90 418 


17 234 




1 211 


681 


535 


146 


271 821 


94 732 




476 


168 


151 


17 


154 18b 


17 318 




664 


402 


808 


99 


158968 


80735 




1 840 


174 


146 


28 


75 313 


18 881 




672 


803 


263 


40 


223 188 


.'.f> 047 


WestmorelaDd . ■ . 


40 


26 


24 


2 


25 049 


8 724 




211 


82 


66 


16 


70 841 


9567 


AVorceBter. .... 


430 


179 


160 


19 


76 :i.85 


28 094 


York 


1 889 


1 118 


992 


121 


521 790 


107 045 


Transp. 


, 20ai4 


10623 


8842 


1776 


5482383 


1582168 



IV, 508. 



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3S4 



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8842 


1776 


5428388 


1582168 




28 




8 


4 


1291 


265 




139 


49 


35 


14 


12 838 


2 616 




77 


17 


17 




4 719 


1354 


Carmarthen . • • • 


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by 


64 


5 




7 Wo 




58 


30 


25 


5 


10 9H7 


4 961 




147 




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19 


14 712 


4189 




1 4 J 

1 114 


>1 


38 


13 


13 209 


4350 


Glamoi^an .... 




429 


372 


57 


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.51 4t>2 


xiierionciD ..... 




1 

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o 
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Montgomery. . . . 


; 58 


18 


15 


8 


22532 


2 797 




! 56 


28 


26 


2 


11816 


2848 




! 1* 


5 


5 




5893 


680 


Total 


1 22026 


11305 


0494 


1901 


5692937 


1646965 






1 142 




142 






Returns without 














names ot Sos. . 




1 72rt 


_ 


726 






Grand Total . . . 


22026 


, 12 263 


1 9494 


j 2769 


j 5 692 937 


11646 965 



i 



Mehr Vertrauen verdienen jedenfalls die offiziellen Zahlen, 

welche im Anschluss an die S. 290—297 dieser Schrift ver- 
otientUchten Tabellen bis zum £nde dieser Periode folgen 
sollen. 

Am 20. November 1860 hatten ^) 
11662 Hilfskassen in Sparkassen eingelegt. . 1912521 £ 
579 „ bei der Staatsschuld deponirt 2039952 £ 

3952493 £. 

Der Gesammtbetrag aller der StaatsschuldenTerwaltung 
von Hilfskassen Obersandten Gelder sammt Zinsen belief sieh 

auf 4974160 ^. 

Am 20. November 1861 hatten 
12 074 Hilfskassen in Sparkassen eingelegt . . 1 06.") 710 £ 
561 „ bei der Staatsschuld. jle^nirt 2O18 750 {: 

;JUö44üU £ 

Der Gesammtbetrag etc. .5086128 £. 
Am 20. November 1862 hatten >) 
11829 Hilfekassen in Sparkassen eingelegt . . 1951138 £ 
565 rt bei der Staatsschuld, deponirt 2041937 £ 

3992075 £ 

Der Gesammtbetrag etc. 5202048 £. 

') A. & P. 1861. XXXV, 263. 
») A. & P. 1862. XXXL 275. 
') A. & P. im XXXI, 271. 



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V. 1. 335 

Am 20. November 18(>:^ hatten M 
12148 Hilfskaasen in Sparbanken einLTolept . . 1990050 £ 
567 „ bei der Staatsgchiüd. deponirt 204 0 72 4 £ 

404Ö674 ^, 

Der Gesammtbetrag etc. 5 307 533 £. 
Am 20. November 1864 hatten 
11753 Hilfskasseu in Sparbanken eingelegt . . 1908592 £ 
550 » bei der Staatsschuld, deponirt 1984988 

8893570 

Der G^esammtbetrag etc. 5406978 
Am 20. November 1865 hatten 
11619 Hüiskassen in Sparbanken ein^ele^t . . 1869070 £ 
545 , bei der Staatsschold . depopirt 1 Ol 5 803 £_ 

3785073 i^. 

Der Gesammtl)etrag etc. 5 500 975 .{jf. 
Am 20. November ISGO hatten 
11402 iiilfbkassen in Sparbanken eingelegt . . 1776215 £ 
518 „ bei der Staatsschidd. deponirt 1 799644 £ 

3575859 £, 

Der Gesammtbetrag etc. 5630404 fß. 
Am 20. November 1867 hatten 
11356 Hilfekassen in Sparbanken eingelegt . . 1830996 £ 
506 „ bei der Staatsschuld, deponirt 18 03477 £ 

3634473 

Der Gesammtbetrag etc. 5 73S 752 
Am 20. Noveml)er 1808 hatten") 
11275 llillskassen in Sparbanken eingelegt . . 1880506 $ 
498 „ bei der Staatsschuld, deponirt 1 824300 £ 

3704'896 i^. 

Der Gesammtbetrag etc. 5831192 £. 
Am 20. November 1869^) betrugen die De- 
positen bei der Staatsschuldenverwaltni^ 1 827 059 £. 

Es waren im Ganzen eingezahlt worden . . . 5937 022 £, 

Am 20. November 1870«) betrugen etc. . 1821645 f. 

£s waren im Ganzen eingezahlt worden . . . 6045683 £, 

>) A. & P. 1864. XXXIV, 195 6. 
«) Ä. & P. 1865. XXXI, 269. 270, 
«) A. & F. 1866. XL, 309. 

A. & P. Iä67. XL, m 390. 
») R. R 1867->68; 108. 

«) R. K. ls<;8-(;0; - I-'ür l^i'.n und 1S70 habe ich wcdor in 

den Ausweisen der StaatsschuldenverwaltunK noch den R. R Angaben über 
die Zahlen der einle^'cnden bez. deponirenden Hilfskassen uefunden. — 
Sdion im Jahre 18(>2 hatten 1010 Uilfskassen Kinli^en in Postsparkassen 
(femncht. Es ist zu bedauern, dass diese Angaben mcht fortgeteUet wordea 
sind, und die Heitra^e nirgends aufgetuhrt sind. 

') A. & P. 1870. XLI. 727. 

») A. & P. 1871. XXXYII, 663. 



336 



V. 1. 



Nach diesen Zahlen ist von 1863 — 1868 ein Niederzwang 
in der Zahl der Ililfskassen, ^e\t 1866 auch in der Höhe des 
angelegten Vermögenb zu verbpilren ; nach 1866 heben sich die 
Beträge wieder langsam. Diese Erscheinung wurde jedenfalls 
zum Theil durch den amerikanischen Krieg bedingt, zu einem 
anderen Tlieile, soweit die alte Sparbank in Frage kommt, 
ebenso sicher durch die Konkurrenz der Postsparkassen. — 

Es bleibt uns noch der wichtigste Theil der Reports zu 
b('S|)rerheii und zwar derjeniß:e, welcher über die Begräbniss- 
kassen liiiiidelt. Wir bemerkten oben, dass die Belichte kein 
neues Maleiial über die Ililfskassen böten ausser über diese 
Art der Friendly Societies. Worin bestand das Neue? Wer 
die Aussagen Glenny's vor dem Ausschusse yon 1825 aufinerk- 
sam durchliest, erblickt den ersten, schwachen Keim, aus dem 
Lug und Trug in ungewöhnlicher Höhe eniporschiessen sollte. 
Ein Theil der Anklagen, welche jetzt ge<ien die Be.urilbniss- 
kassen erhoben wurden, ist in seinem Zeuj^niss enthalten. In- 
zwischen waren diese Vereine zu weiterer Entfaltung ^lelangt 
und im Fortschritte der Entwicklung hatte sich eine Unterart 
herausgebildet, welche aber die Grenze des Gegenseitigkeits- 
vereines gedrängt wurde, und in ihr Gegentheil, die Versiche- 
rungsgesellschaft, umzuschlagen drohte. Diese Form war an 
den verwerflichsten Praktiken fi*uchtbnr. Gegen sie richteten 
sich hauptsächlich Tidd Pratt's An^;ririe. 

Auf den folgenden Seiten veisuclieii wir die anziehende 
Evolution der Begräbnisska.sse darzustellen, welche in ihrem 
vollständig übersichtlichen Entwicklungsgänge offenbart, wie 
eine an und DEkr sich gute Veranstaltung durch die Macht der 
Verhältnisse in eine dem Volkswohle schädliche verkehrt 
wird *)• 

Die Tiiedrifzste Form war in Yorkshire, besonders im West 
Riding dieser (Trafschaft und im Süden Englands überall dort 
verbreitet, wo giosse Massen von Arbeiten! zusammenströmten, 
z. B. in der Nähe der Staatswerftc. Die Unterstützungen 
wurden aus Umhigen bestritten, welche beim Tode eines Mit« 
gliedes zur Erhebung gelangten. Sie besassen keine Beserve. 
Die Organisation war schon vorgescliritten, wenn sie j,einen 
Tod oder zwei Tode" in der Hand hatten, d. h. das fällige 
Begräbnissgeld in einem oder zwei Fällen bezahlen konnten, 
ohne eine T^nilage auszuschreiben. Diese Form wuitle in 
Yorkshire iuneral brief genannt. 

Eine Stufe höher, weitentwickelter, sind die sogen, „lokalen 
Begräbnisskassen „Die lokalen Begräbnisskassen allein,'* sagt 



^) Die folgende Darstellung fusst, was die Thatsacben betrifft, nicht 
auf den R. R., sondern auf dem schon oft genannten Fourth Report of 
the F. S. C. 1S74, XCl-CXXVIII, weil die R. R. die Amaagen vor der 
Königlichen Kommission zum Veratändniss voraossetsen. 



^ i^ - -. uy Google 



V. 1. 



337 



Stanley, haben etwas von dem Charakter einer Hilfskasse an 
sich." Die Mitglieder waren im Stande, die Vereinsangel eiren- 
heiten zu überblicken und in dieselben einzugreifen. Die^e 
Sterbekassen zeigten die guten und die schlechten Seiten der 
Klubs: kostenlose Selbstverwaltung, Interesse an dem gemein- 
samen Vereine, Bekanntschaft der Mitglieder mit einander, 
Sitz des Vereines in einem Wirthshause; manchmal wurden 
sie nach den Grundsätzen der theilenden Vereine verwaltet, 
z. B. in Irland. In einigen zeigte sich das Unternehmerele- 
ment. Das Mitglied war ^'ezwun^-en, den Sar^' von dem Präsi- 
denten zu kaufen (ver^fl. Glenny's Aussage S. 12 Ij. Bei Todes- 
ftllen, welche sieh weit vom Sitze des Ortes ereignen, so dass 
der Sarg nicht von ihm entnommen werden konnte, erhält er eine 
Ent>chädigung von 3- 4 s Bei tüchtiger Selbstverwaltung ge- 
diehen sie, auch wenn die Mitgliederzabi gross war. Doch lag 
in ihrer Grosse die Gefahr zu entarten, und mit der Zunahme 
der Grosse wuchs jene Gefahr. In den meisten Sterl)ekassen 
wurde nur eine Summe auf den Tod der Mituiieder versichert. 
Die Beiträge, welche wöchentlich oiler alle 14 Tage bezahlt 
wurden, waren gering; der Weg zum Vereinshause war in 
grossen Begräbnisskassen für viele Mitglieder weit (bis zu 8 
Meilen vom Kontor), die Interessen, welche die Mitglieder zu- 
sammenhielten, waren nicht so zahlreich, wie in einer ver- 
schiedene Zweite betreibenden Hilfskasse; es schob sich. Allen 
gelegen, eine Mittelsperson zwischen Verwaltung und Mitglieder, 
welche die Beiträire einsammelte M (collector und zuweilen 
agent) und allmählich zur Hauptperson in der Begräbnisskasse 
heranwuchs. Die demokratische Verfassung eines selbstver- 
waltenden Vereines ging leicht in eine Tyrannis mit konstitu- 
tionellen Formen über. 

Nicht alle lokalen Begräbnisskassen zeigten diese Züge, 
sie erschienen nur in eini^^en der grösseren; ganz ausgeprägt 
wurden sie erst in den grossen Sterbekassen angetroffen, welche 
sich über das ganze Land erstreckten, oder docli die Tendenz 
hatten, sich Uber einen grösseren Flächenraum als den einer 
Stadt auszudehnen. Dadurch wurde fllr die grossere Mebrhdt 
der Zusammenhang mit der Gesellschalt ganz zerschnitten ; als 
das einzige Bindeglied erschien der Kollektor. Um die Mit- 
glieder noch abhängiger von demselben zu machen, wurden 
diejenigen, welche am Spitze der Gesellschaft wohnten, von der 
pei^sönlichen Kinzahlung ihrer Beiträge abgeschreckt. Wer 
einmal in dem Liverpool Protective an den Kollektor bezahlt 
hatte, und später an der Kasse seine Beiträge entrichten wollte, 
musste von Keuem eintreten und nach dem nun erreichten 



') Stanley macht darauf aufmtMksam , dass die Statuten der üild of 
the Holy Trinity and St. Leonard zu Lancttter schoD KoUekloren er* 
wAhnen. T. S. English Ciilds. S. 164. 

For*cliiiDg4>n (JO) V. I. HMbacb. 22 



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338 



Alter seine Präinie zalilen und üntei>tiitzuuMeii annehmen, 
Gericlitlielie Klaue zu erheben, war für die Majorität aller 
Mitglieder fuht unmöglich. Deun die Klage musste nach dem 
geltenden Gesetze durch einen Friedensrichter am Sitze der 
Kasse entschieden werden. Ein Erscheinen in den Versamm- 
langen war für die Majorität aufgeschlossen. 

Am Sitze der Steri»ekasso waren die Verliiiitnisse nicht 
besser. Es dränizten sich nämlich in diese Vereine ]i;iupts;ic]ilich 
Arbeiter der niedersten, der alleriirmstcn Kinasen, in vielen Fällen 
Irländer. welche weder lesen noch schreil)en konnten. selb>t 
ihr Alter nicht einmal wussten. Vielleicht Einer unter Tausen- 
den kannte die -Statuten, die ihm übrigens erst nach seinem 
Eintritt über^'eb^ wurden. Jahrhunderte alte Sitten lehrten 
^:ie in der Erlangung; eines anständigen Begräbnisses eine 
Ptiicht erkennen. Ihre Einnahmen penüuten gerade /iir Be- 
streitung der hierzu nöthit^eii Prämien. Ihre wirtlis( haftiiche 
Vorsicht stellte sich keine höheren Ziele. Per gebildetere, 
besser entlohnte Arbeiter trat in eine Ililtskasse ein. Seine 
Frau und Kinder vei-^cherte er meistens in einer Sterhekasse, 
denn die meisten Hilfskassen wollten Nichts mit der Ver- 
sicherung der Kinder, besonders im zartesten Alter, zu thun 
haben. Die Mitgliedschaft nun ganz ungebildeter Arbeiter, oder 
von Frauen und Kindern, häiiti'-: von heiden znsamüien. erwei- 
terte den Abstand zwischen den Peamt» ii und den Mitülieilern. 
Die lntellii!enz Jener war hiUitig grösser als diejenige der Sekre- 
titre kleiner Kasseu, die der Älitglieder aber geringer als die- 
jenige der Mitglieder anderar Vereine. Wie leicht wurde es da 
der geistigen Ueberlegenheit der Beamten, diese Massen in jeder 
Weise zu missbrauchen ! Gefiel es dorn Kollektor nicht, die Prämie 
zu erheben, so verfiel die Versicherung gewöhnlich. Wollte die 
Gesellscliait die T.'nterstützung nicht auszahlen, so boten sich 
Mittel in Hülle und Fülle. Die Kassen weiueittMi sieh Iteispiels- 
weise aus dem Grunde, dass das Alter lalseh angeizeben woiden 
sei, oder dass die Mitglieder unrichtige Angaben über ihre Gesund- 
heit gemacht hatten. Solche Mitglieder hatten natOrlich auch 
wenig EinÜuss bei den periodischen Versammlungen. Wenn sie 
nicht nach den Anordnungen der Kollektoren stimmen wollten, 
so führten diese wohlgedrillte, von ihnen mit Karten ver- 
sehene Xichtmitglieder in die VeisammliniL^ und lies>en alle 
Anderen überstimmen. Gegen ein solches System von Aus- 
saugung, Betrug und Ungerechtigkeit konnte das Schiedsge- 
gericht das Mitglied gar nicht schützen. „Ich bin selbst 
Schiedsrichter gewesen/ sagte ein Zeuge vor der Kommission 
der siebenziger Jahre aus, „und es wurde von mir in jedem Falle 
erwaitet, dass ich zu Gunsten der Gesellschaft entschiede." 
Jedes gerichtliche Voigehen gegen die Gesellschaft wurde noch 
dadurch ersdiwejt. da<- die Sterbekassen ihren Mitgliedern 
keine Policen, sondern Karten einhändigten. 



Digitizeu 



V. 1. 



8d9 



Derarti>:e Hüfskafsen hatten natürlich keinen andern 
Zweck, als die Beamten zu bereichern. Stanley sagt von ihnen 
kurz: ^Obgleich sie unter den Hilfskas'^on besetzen arbeiten, 
sind sie in Wirklichkeit ohne alles Kapital -»';-'rün(iote Ver- 
sicherungöfie.>?('ilschaftcn , welche nicht unter der Kontrolle der 
Aktionäre stehen und hauptsächlich für das Wolil der lieuinten 
und nar zufällig for dasjenige der VemcherteD verwaltet 
wenlen." Ihr bedeutendstes EiDkommen bestand aus den Pr&* 
mien für veifallene Policen. Es wurde berechnet , dass zwei 
Drittel aller Policen verfielen ^). Die Kassen gingen darum 
piir der grössten Rncksichtslosigkeit gegen die Mitglieder vor. 
Eine I.ondoner Begräbnisskasse berief ihren Agenten von Hel- 
fast ab, ohne die Vei-sicherten zu benachrichtiEren, welche hier- 
durch alle Ansprüche verloren. Die Verwaltungko.sten und 
das was als »Verwaltungskosten' aufgefUhrt wurde, waren 
natürlich hoch. Schon in einigen der lokalen Begräbnisskassen 
ging der Prozent«^atz auf 30, ja sogar 39% herauf, während 
die besten etwa 9%, die mittleren bis zu 20% dafür auf- 
führten. In den grossen Begräbnisskassen kamen unglaubliche 
Dinge vor. In dem , Royal Liver* betru-ien sie einmal 57 % 
der .sänimtlichen Jahreseinnahme, im ,Scüttisli Legal' erreichten 
sie in einem Jahre 74 7o derselben^). Ueber den Werth, 

M Der.Friend in Need' hatte anfan«« der sechziger Jahre 86224 Lebens- 
YersicheniriGi-iiolicf n aiisgostellt. Davon verfielen 18 3'j0. Im selben Zeit* 
räume wurden nui° 1164 durch deu Tod fällig- Ii. R. löGl; 5. 

^) Eine Statistik des Registrar, a R. 11567 ; 19 entnehmen wir fol- 
gende Angaben; 



Name der Gesellschaft 



Koyal Liver. Liverpool 

St. l'.itrick'a. „ 

Victoria Legal. ., 

Loyal Philantbropic. Liverpool . . . 
Philanthropie Burial. Hlackbom . . 

United Legal. r^ivtTi'ool 

Protective Iturial Liverpuul .... 
St. Ann'» Catholic. ^ . , . . 

Original Legal. Pre-iton 

Uuanimous Brotherly. Prestou . . . 
Tictoria Legal. Birmingham. 
Family Burial. Choriey 



Für jede 20 s., 
welche die Kasse 
an Unterstütz- 
ungen bo7;i]ilto, 
betrugen die 
Yerwaltnngs* 
kosten 



8. d. 

15 1 

16 3 

? V 

9 10 

8 o 

m - 

— U 10 

— 8 10 
-42 

— 44 
8 - — 

— 1 6 



!< — 



.Auf jede> Mit- 
glied entfallt 
ein Vermögen 
von 



s. d. 

— ? 
2 4 

5 — 
1 11 

4 5 
8 9 

— 8 
5 
4 
7 
3 



8 
3 



l>ie beiden billig verwalteten: der Philanthropie burial und der Fa- 
mily Borial, Choriey, waren lokale Hilfskassen. Eine der schwindd- 

22* 



Digiiizcü by Google 



340 



V. 1. 



welchen bei dem damaligen Stande des Gesetzes die Jahresab- 
schlüsse einer unehrenhaften Kasse haben muBsten, druckt sich 

ein Zeuge vor der Königlichen Kommission, welcher als Bacher- 
revisor mit derselben zu thun hatte, kurz und knapp folgende^ 
massen aus: Die jährliche Bilanz ist eine Posse 

In der Ausbeutung der arbeitenden Klassen gingen die 
Knllckturen und die übrigen Beamten zusammen. Doch hatten 
-ie auch ihre speziellen Interessen und wo diese in Frage 
kamen, verfolgten sie dieselben ohne Gewissensbisse. Die 
Kassen waren aus leicht begreiflichen Gründen eine Zeit laug 
in der Hand des Gründet's derselben. Aus Klugheit und 
Familiengeist suchte er seine Verwandten mit Stellen zu be- 
denken. Ging sein Unternehmen gut yorwftrts, so lagen zwei 
Wege verfQhrerisch vor ihm. Entweder er verkaulte die ,freie' 
Hilfskasse an andere Ausbeuter, und begründete eine neue, 
welche er bei gutem Geschäftsgange wieder verkaufte, wie 
deutsche Wirthe eine Wirthschaft tlott machen, und sie dann ver- 
iiussern, um eine iioup .auf die Beine zu biingen', oder er suchte 
sie in eine \ ersicliei uniisiresellschaft umzuwandeln. Aehnliche 
Vorgänge bei den Kollektoren Die Kollektorenstellen werden 
von den Inhabern an ihre Nachfolger, oder auch von der Kasse 
an neue Kollektoren, manchmal fOr 600—1000 £ verkauft. 
Da das Geschalt bei der nach Millionen zählenden Arbeiterbe- 
vOlkemng lukrativ war, fand eine gewissenlose Konkorreni 
statt, da sich nun weiter der ganze Betrieb um den Kollektor 
drehte, suchten neue Kassen den alten ihre besten Kollektoren 
abspenstig zu machen, und da ausserdem der Kollektor einen 



haftesteo, welche dem Uoyal Liver, Victoria Legal und aDderen ebenbürtig 
zur Seite staod, war ,The ünited Ascnrance Sick and Burial Society of 

St. Patrick'. Die Kasse wurde von Kardinal Wiscman und den hervor- 
nigendsten katholischen Bii>chüfen aufs eifrigste patronisirt. Dies das ein- 
zige Beispiel, welches wir von der Förderung der Institutionen der sozialen 
Heibsthilie seitens katholischer Geistlichen kennen (R. R. 1863); weon 
wir die Cu£fee Street SaringB Bank in Irland (S. 197 dieaer Schrift) ans- 
nehmen. 

^) Man betrachte folgende 11. Jahresbilanz des .Royal Liver'. R. U. 
1861; 7. 



Total Worth of the 
Society on 31. De- 
zember 1869 .... 

Twelve montlis' coUec- 
tion in Hurial. Sick, 
Medical Aid etc. Rent 
of Prenrisea Interest 



B. d. 



8445 U ^ 



45888 15 7 



53834 7 3 



I 8. 4. 



Expenditure. 

3498 fnneral Claims, ' 

expenses of m a- ' 
nagement, opening i 
diamcts, fM>imtr3r 
agencies , medical sa- [ 
laries. printing, sick i 
allowances etc. ... 
Increase 



38 544 
15 290 



3 
4 



58834 7 S 



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341 



unbeschränkten Einflnss tkber die Arbeitennassen ausübte, ging 
er, wenn es ibm beliebte, mit den sämmtlichen Versicherten 
seines Bezirkes zu einer neuen Gesellschaft ober. Kollektoren 

von ^rrf^ssprem Unternehmunprspeiste gründeten mit den Ver- 
sicherten ihres Bezirkes eine neue freie Hilfskasse. Zuweilen 
kam es vor, dass die Kollektoren ihres anstrenpenden Dienstes 
überdrüssig wurden, und sich in den Räumen des Office er- 
holen mochten. Dann stürzten sie die gewöhnlich aus ihren 
, Reihen hervorgegangenen Direktoren von den Bureaustühlen 
und nahmen, einer fthnlicfaen Vergeltung gewärtig, deren 
Plätze ein. Eine Art wilder, poetischer Gerechtigkeit auf 
der Bohne, wo sich das Lebensversicherungsgeschadit der 
grossen Kassen abspielt! Doch zeichnen wir zum Schlüsse 
ein freundlicheres Bild. Teber den in heftigster Feindsdiaft 
lebenden und einander die bitterste Konkurrenz bereitenden 
grossen Sterbekassen stand hoch, für das gewöhnliche Mitglied 
nicht bemerkbar, der Friedensbügen, welclier sich von Kontor 
zu Kontor spannte. Sobald ein Direktoriuni von seinen Ver- 
sicherten hart bedrilngt wurde, dann standen Sekretine und Kol- 
lektoren aller anderen Kassen mannhall für dasselbe ein. er- 
schienen in den Versammlungen und aberstimmten alle feind- 
lichen Antrage. — Ist es nöthig hinzuzufügen, dass die Prak- 
tiken vieler Veracherungsgesellschaften nicht bessei- waren? 

Dieses war der Krankheitsstoff, an welchem ein Theil der 
Hilfekasson dahinsiechte, dieses die neue Pestbeule am Körper 
dor arbeitenden Klassen. Die sechziger Jaliie selien imtner 
erneute V^ersuche der Gesetzgebung, denselben zu entlernen, 
und das OeschwOr abzuschneiden, bis endlich die t'nmöglich- 
keit des VoUbringens zur Einsetzung der Königlichen Kommis- 
sion fühlt. 

Sotheron-Estcourt's Bill im Jahre 1861 wird durch diese 
Veriiftltoisse mitbedingt. Im Jahre 1862 Iflsst Lord WyeombeO 
das Projekt der Kirchspielkasse wieder aufleben; am 24. Juni 
legt er dem Oberhause einen Gesetzentwurf vor ,to piomote 
the establishment of Parochial Friendly Societies'. Nach ein- 
maliger Lesung verschwand er glücklicherweise wieder von der 
Tagesordnung. Wäre die Bill Gesetz geworden, so hiitte sie 
nur wenig Gutes, inöfjlicherweise viel Schaden stiften können, 
wahrscheinlich wiiie sie ein todter Buchstabe geblieben. Denn 
welche Einwirkung konnte man davon erwarten, dass 10 Pei*sonen 
die Armenaufseher einer Pfarrei auffordern durften, eine Ver- 
sammlung der AiTnensteuerzahler zusammenzuberufen, um sich 
Uber die Gründung einer Kirchspielkasse schlflssig zu machen, 



M Tidd Pratt nennt ihn in seinem Bericbte i^ord Sbelburue; danach 
scheint der Name sich bei Ludlow (Appendix to Fourth Keport etc. 8. 9j 
und Walford (J. C. IV, 497) etc. eingebürgert /u haben. JDa« Joamal of 
the flooae of Lords 1862. S. 516 nennt ihn Lord W. 



uiy j^cj L-y Google 



342 



und ilass, wenn zwei Drittel dem Projekte beistimmten, eine 
Kirt'lispielkasse j^^ej^ründet werden sollte? Die vorizt'srhla^enen 
Untersiützungen bestanden in ärztlicher Beliandluiiu'. Krauken- 
^'eld (Maximum 12 s-) bis zum Alter von <iu oder 05 Jahren^ 
einer woohentlidien Altersrente von nicht über 8 s. und Begräb- 
nissgeld von nicht mehr als 10 £. Die Pfarrei sollte jährlich 
einen Zuschuss von einem Viertel der jfthrlich gezahlten Prämien 
der Kasse zuwenden und für a]le Defizite in derselben auf- 
kommen. Um den armensteuerzahlenden Einwohnern alle 
Furcht vor dem Projekte zu benehmen, gewährte die Bill den- 
selben das Recht, eine Gesellschaft wieder zu sdiliessen, die 
eingezahlten Prämien in die ArniensteuerkasFe überzuführen 
und nach vorhergegangener Benaclirichti'jung keine neuen 
Mitglieder mehr aufzunehmen Hierdurch wäre selbstvei'ständ- 
lich auch der Entwicklung derartiger Kassen der Boden unter den 
Füssen fortgezogen worden. Die Bill trägt ersichtlich alle 
wesentlichen Züge derjenigen von 1818, ohne die Ergänzungen 
der zweiten vom Jahre 1819*). 

Zwei Jahre später versuchte Gladstone den arbeitenden 
Klassen die Wohlthaten eines guten ArbeiterversicherungSr 
Wesens auf viel praktischerem Wege zukommen zu lassen, und 
sie besonders gegen die Ausbentung der grossen Begräbniss- 
kassen zu schützen. Uni sein Werk vollständig zu verstehen, 
müssen wir einige Augenblicke bei der Geschichte der Spar- 
bank verweilen. I>ieselbe litt über 15 Jahre an dem Gesetze 
von 1844. Wir berichteten, wie die Treuhänder in Folge der 
vielfachen Betrügereien von Kassenbeamten, welche der man- 
gelnden Oberaufsicht der Treuhänder fast in allen Fällen zu- 
geschrieben werden mussten, grosse Verluste befilrchteten» 
wenn ihre Verantwortlichkeit nicht beschiünkt wQrde. Das 
aus Männern jener Klassen, welchen die Treuhänder ange- 
hörten, bestehende Parlament machte ihre Verantwortlichkeit 
£ast illusorisch. Die Sicherheit der Einleger — welche doch 
das erste Erforderniss jeder Sparbank sein sollte — nahm 
natürlich ab. Zwei Wege standen offen, um aus dieser Noth- 
lage herauszukommen. Entweder die Treuhänder mussten auf 
jede Verbindung mit der Sparbank verzichten, oder für Ver- 
luste verantwortlich gemacht werden. Gegen Beides sträubten 
sie sicii. Es folgte ein elfjähriger, erfolgloser Kampf gegen die 
Treuhänder im Interesse der £inleg^. * Das Parlament war 
nicht stark genug, die unteren und mittleren Klassen wirksam 

1) Siehe die Bül R. R. 1862; 50, 51. — Die BiU von 1819 icheiiit 

überhaupt nicht bekannt gewesen zu sein. Tidd Pratt, welcher der intel» 
lektuelle Urheber der Vorlegung der Bill gewesen zu sein scheint (er Hess 
die Bill von lälS im R. 1^0 abdrucken — im folgenden Jahre Lord 
Wycombe^s B.), bemerkt, dass die Bill von lbl8 in Folge einer Parlamenta- 
aut lösung nicht wieder vorgelegt worden sei, welchen Irrthum Anden weiter 
verbreitet haben. 



Digiiizeti by LiOü^ie 



V. 1, 



843 



gegen die Interessen der höheren zu schützen, ebensowenig 
wie es fähip gewesen war, in den Jahren 1819 und 1829 den 
Wall von jämmerlichen Existenzen zu durchbrechen, welche 
von der Unwissenheit der iirniereii Klassen lebten. Ein neuer 
Bewei> tlafiir, dass so lan^'e niclit alle Bilr^Tr absolut gleich 
sind, der Parlamentarismus Klassen herrschalt zum Wohle einer 
Klasse unter der Miiske des Volks willens bedeuten wird. 
Zudem war bei dem biBherigen Prinzip das Land schlecht mit 
Sparbanken versehen, und diese waren manchmal nur wenige 
Stunden wöchentlich offen. 

Gladstone hatte bei der Berathung verschiedener Bills in 
den ersten Reihen der Kilmpfer gestanden. Kr hatte gegen 
die Treuhänder ;:efochten und gegen die Londoner Bankiei-s 
gestritten, welchen gewisse vorgeschlagene Reformen in der 
staatlichen Verwaltung des Sparkassenvermögens nicht genehm 
waren Die Erkenntniss der völligen Ohnmacht de^ Staates 
gegen das Interesse der reichen Klassen he wog ihn im 
Jahre 1801, unter grossem Widerstande des Parlaments, ein 
Kenkurrenzuntemehmen in der Postsparkasse zu schatlen, 
welche einen ungeahnten Aufschwung nahm, und die alten 
Trustee Savings Banks so ernstlich bedrohte (im ersten Jahre 
verloren rlie alten Spar! anken 55 000 Einleger), dass die Treu- 
händer sich endlich im Jahre 1863 zur Durchfühiiing von Re- 
formen veranlasst sahen. So war die Sphäre des Staates und 
des Berufsbeamteiitliiinis wiodei- erweitert worden, weil die 
Selbstverwaltung unirenügend erliunlen wurde. 

Die Po^t^parkasse. das zeigte sich bald, sciilug ihre Wur- 
zeln in tiefere und weitere Schichten der arbeitenden Klassen, 
als die alte Trusteesparbank ^J. Der Gedanke lag nahe, sich 



M ^By tlie l?ill the irrealer part of tlic money of Savings Banks, viz. 
that treated as a book debt, would ho plac«'d boyond the reach of jnb- 
berv." Lewins. S. 177. Die Agitation ging von einem grossen Hause aus. 
— Branclien wir bintQzufiQgen. .dass me Fresse, welche die Leoehte der 
Intelligenz bis in die dunkelste Hütte trägt", auf Seiten der Treuhänder 
und des Tebels stand, ja dass die Einleger iiegen Massrepeln zu ihrem 
eigenen Besten petitionirten ? Beweist das letzte i^aktum nicht glänzend, 
dass das Parlament den Volkswillen reprisentirt und dass Jeoer seine 
Interessen am besten versteht? 

2) Ausweis für den 81. Oktober Js73. Appendix (I.) to Fonrth Report 
of tlie Conimissioncrs a. to inqaire into F. S. etc. 1874. S. 18. 



Alte Sparkasse 


Postsparkasse 


En fjl. U.Wales 
Schottland 

Irland 
Nonn. Inseln 


y j ' Gesammt- Durchscli. 

vir!Jall isumrae der, Betrag der 
Einleger |j Biplagen Einladen 

"^"f'^£' li 8. d." 

1 IIS 571 32. MC» 400 20 1 11 
223 445 1 4 4Ö2 492 lU is r, 
(>1 746 Ii 2 221 8o2; 35 li^ 
213^,1 4599061 21 10 1 


7 1 Gesammt- Durchsch. 

t^l'iLlJ summederBetragder 
limleger , ^-^j^^^ ßinliien 

£ U s. d. 

14.Mc.-,7 19 351 447 13 6 7 
4*jJ-.9 405 39'. 8 4 7 
52 4.jü ö35 ö-jö; 15 lö 8 

Unter England enthJ — 


142:. 147 39(>80 652j27 16 10 


1553366120592 499 13 5 2 


Ver. Königr. 



L^iyiiizcü üy Google 



344 



V. 1. 



dei-selben als Instrument zu bedienen, um eine staatliche Lebens- 
versicherung für die mittleren und unteren Klassen im panzeu 
Lande ins Leben zu rufen Vi. Eine Reform der Hilfskassen 
und Vei-sicheruntjsgesellschafteu beabsichtigte Gladstone nicht, 
sondern wie er die Postsparkasse neben die alte Sparkasse ge- 
stellt hatte, so hoffte er die Vereine und Gesellschaften durch 
ein Konkurrenzunternehnten überflüssig zu mnchen. Nach Vor- 
legunc: seines Gesetzentwurfes im Parlain<Mite sajite er, (las 
Land wäre von den Hilfskassen übei-cliweinmt, und es wihe 
nöthig danach zu forschen, ob sie sicher waren. Aber anstatt 
sie sicher zu linden, fände er. dass sie einen Zinsbetrag zu 
zahlen versprächen, der von einer ehilichen und gerechten 
Verwaltung nicht bezahlt werden kOnne. „Ich habe hoffetitlich 
gezeigt,** fuhr er fort, „dass der gegenwärtige Zustand dieser 
Hilfskassen — wahrlich, ich könnte weiter gehen, und ganz 
allgemein «:agen. dass die allgemeine Lage der Ge-cllschaften 
mehr oder minder ungenügend ist. Einige von iluicii können 
wir nicht bloss ungenügend nennen, sondern wir müssen sie 
als verrottet oder betrügerisch bezeichnen. Es ist unmöglich 
für den Staat, die Leitung und Verwaltung in der Weise zu 
Qbemehmen, dass er in derselben eine gesunde Versicherangs- 
methode herstellt." 

Der Widerstand, welchen die Hilfskassen und die Ver- 
sicherungsgesellschaften dem Plane entgegenstellten . war er- 
bittert und wurde in der bekannten Weise geleistet. Eine 
wahre Sündtlutb vnn Petitionen ergoss sich über das Parla- 
ment. In Westminster kämpften die Agenten der Versiche- 
rungsgesellschaften und liberale Doktrinäre um die Wette gegen 
die Bill Gladstone^s an Kur ein Mann von dem penönlichen 

• 

Die staatlidie AlterfireDtenversicherung hatte inzwischen geringe 
Fortschritte gemacht. Am 20. Kovember 1864 waren Tenichert (Aeooimta & 
Papers. Vol. XXXI. lööö^• 



^) Um die Gegner des Widerstandes zu charakterisiren , theilen wir 
mit. usa Dodley den Untergang des ünteniebmeM «ewi« die Schande 

und Demiithifjuni der IJeL'ierun.: voraus^^nh. dass llibbert und Roebuck 
die Verwandlung des konstitutioneileu Hegimentes in ein patriarchalisches 
befürchteten. K. behauptete, eine solche Einniischun}.' müsse missglücken 
and werde das Volk zu einer Herde bUlf loser Esel (imbedles) madien, die 
gani onflthig wftren. ihre eigenen An^sl^enheiten zu besorgen. 



Life Annaities ^ Annnities for Temw of Yeani 




Digitized by CiOOgle 



V. 1. 



845 



Einflüsse dieses Staatsmannes, seiner Gewandtheit, seiner red- 
nerischen Begabung und seiner unverwüstlirlien Energie ver- 
mochte es, so viele Interessen niedeiv.uwerten und einen Theil 
des Erstrebten durchzuführen. Doch hören wir vorerst, wie 
sich Gladslone gegen die Versiciierungsgesellschaften veit hei- 
digte. Er fragte, warum die Vereieherungsgesellschalten, von 
denen manche einen vorObergehenden Charakter hätten und 
sich Unredlichkeiten zu Schulden kommen Hessen, so erschrocken 
ül>er die Konkurrenz der Regierung seien. Die letztere böte 
nicht sn günstige Bedingungen wie sie an. aber sie könne völ- 
lige Sicherheit gewähren, unil wenn (iiese]l)e vom Volke 
geschätzt würde, sähe er keinen Grund ein, warum die Mass- 
regel demselben vorenthalten werden solle. Es wären noch 
zwei andere beträchtliche Vortheile der staatlichen Yereiche- 
rungswesens vorhanden: günstigere Verhältnisse bei dem Fällig- 
werden der Policen und grössere Leichtigkeit für eine noma- 
disirende Bevölkerung. .Trh leugne nicht, dass dies >^taats- 
einmischung ist, aber ich leugne, dass wir uns durch das 
Geschrei »Staatsbetrieb' (centralisation) oder ,Machtanmassung 
der Staatsverwaltung* in's Bockshorn jagen und schrecken zu 
lassen brauchen." Das Postsparkassengesetz und die labrik- 
gesetze hätten die individuelle Freiheit sehr beschränkt und 
doch grosse und dauernde Ergebnisse geliefert. 

Endlich, am 20. Juni 1804, wurde die Bill mit 127 gegen 
104 Stimmen angenommen'). Nacli dem Gesetze 27 und *28 
Vict. c. 43 beträgt die Maximalsumme der Rente, welclie ver- 
sichert werden kann, 50 £, Es ist nicht länirer nothwendig, 
eine Leibrente zugleich mit einer beim Tod des Versicherten 
zahlbaren Summe zu versichern. Die höchste Summe, welche 
auf den Tod versichert werden durfte, betrug 100 iP, die nied- 
rigste 20 i^. Diese Bc^schränkung wurde eingeführt, um den 
Hilfskassen und Versicherungsgesellschaften nur eine schwache 
Konkurrenz zu bereiten. Die Prämien sollten in kleineren 
Perioden bezahlt werden dürfen. Das Versicherungsgeschilft 
wurde den Postsparkassen übertragen -). 

Gladstone schuf trotz seiner wohlwollenden Gesinnungen, 
trotz seines vorurtheilsfreien Standpunktes eine Halbheit. Es 
ist in einem parlamentarisch regierten Lande schon dafür ge- 
sorgt, dass soziale Reformen nicht von der Stelle rücken, es 
sei denn, dass die Massen anfangen, an die physische Gewalt 



') So wurde Whitbreatft Plan 'ü Jalire nach der Eiabringoog 
seiner Vorlage durch Gladstonc ausgeführt. Docli scheint man sich dieses 
Mannes kaum erinnert zu haben. Unter denj«Muuen, welche den (>edaDken 
der Postsparkasse in den letzten Zeiten vorher gefördert haben, befand 
sich charakteristiM lior Weise wieder ein (Geistlicher, George Uans UamUton, 
Vicar zu liaurick-upou-'l weed. Lewios, S. 279. 

.*) FQr den nnteii die PostsparkMse nnd die Stastif enicheroDg be* 
treffenden Theil aieieB Kapitels siehe Lewins, 8. 260^977. 



340 



V. 1. 



zu appellireu. Wurde die Versicherunjk' eines Begiahnisj>ireldes 
bis zu 20 £ von der staatlichen Lebensversicherung ausge- 
schlossen, so half man den arbeitenden Klassen nicht, sondern 
jenen Klassen, welchen die GrOndang der Sparkassen am 
meisten genützt hatte. Die Folge hat es bewiesen ^ ). 

Die Begräbnisskassen und Versicherungsgesellschaften litten 
nicht unter der Konkurrenz des Staates und unterbrachen ihr 
Geschäft nicht einen Augenblick. Da die Hoftnungen, welche 
(iladstone s Bill ei-weckt hatte, nicht erfüllt wurden, niusste 
der Kaiupi von Neuem aufgenommen werden. In seinen Be- 
riditen setzt der Registrar die Plänkeleien und heftigen Yor^ 
postengefeehte fort Zuerst kam es darauf an, den Fand zu 
rekognosziren , der sieb so vortrefflich hinter seine undurch- 
dringlichen Jahresbenchte verschanzte. Am 10. August 1867 
verlangte daher der Karl of Devon, dass dem Oberbause von 
allen Gesellschaften, welche Agenten oder Kollektoren beschäf- 
tigten, ein Bericlit vorgelegt würde. Der Bericht habe getrennt 
anzugeben den Sitz dei Kas^e, den Wohnort der verschiedenen 
Agenten und Kollektoren, die Gebälter und Honorare jedes ' 
bezahlten Beamten, der Agenten und Kollektoren fbr das am 
31. Dezember 186G endende Jahr, weiter* die Zahl der Mit- 
glieder und die Hohe des Vermögens am 1. Januar 1^07, und 
schliesslich den Betrag der Beiträge und der Verwaltungs- 
kosten, getrennt aufgeführt, in dem am 31. Dezember läüd 
schliessenden Jahre-). 

Wir geben im Folgenden die Berichte in tler Form einer 
Tabelle, welche Walford aus dem R. R. zusammengestellt hat*), 
und bemerken nur, dass zwei Kassen irrtht^mlich in die Liste 
aufgenommen worden zu sein scheinen, da sie, wie die erpte 
Spalte zeigt, keine Agenten beschäftigen, weiter, dass sie nicht 
vollständig ist. und drittens, dass sie drei wohlbekannte Graf- 
scliaftsvereine aufführt: die County of Kent F. S., die Hamp- 
shire F. S. und liie W'iltshire F. S., sowie einen Landesverein, 
die , Mutual Provident Alliance*. 



') Nach einpm Ausweise für den 31. Oktober 1873 betrug der Dwch^ 
scbnittsbetiag der Lebensversicheninus[)olicen 

In der Postsparkasse: Versichert waren: 

In England und Wales. 7ö 4^ 12 8. Öd. * . . . 8703 Leben . 

In Schottland 68 ^ 19 s. 4 d. . . . . 148 „ 

In Irland . . . • /__ _«<L^8_»^n d._ . . • j__?64 » 

Im YcreiBigten Königrdch 76 14 s. 3 d 4215 Ld>ai. 

Bis zum selben Datum hatten 4764 Personen Renten im Betrage von 
l (durcbschnittlirh 14 8 s.) versichert. In der alten Sparkasse 
hatten am 20. November 1872 12012 Personen lienten versichert» durch- 
aehnittlich 18 £ 15 s. Fourth Report Appendix S. 14. 
») R. K. 1867 ; 21. 

Wallord, Insurance Cjclopaedia. IV. ü07. 



Digilizea by G(.)ü^lc 



V. 1. 



347 



• a 

O 93 



NameB of Sog. 



e 



10 

8 
1 

6 

20 
16 

32 
20 
84 

18 
none 

14 
12 
44 
none' 

2 

13 
17 
178 
24« 
25 



42. 
157 f 

<) 

:?2 
81 

163 

162! 

10 I 

I 

704 

27 I 
19 I 

I 

882 

22 

400 
•95 



Benerolent Barial So., Leck (Staffords.) 6909 

Birmingham United Legal F. Burial SoJl 57921 
Uramley Equital)le F. So. (near Leeds)' 189j 
British Workraan's 8ick and Lite Assu. ' 

F. So. Walsall (Staffordshire) . . . J 1 125 
Burial So., FaiLsworth (Manchester) . . 4 
Burslem Mut. Biuial 8o. (StafTordshire) 23 477 
Chorley Family Pimeral So. (Lancaabire) 21 098| 
Congleton Benevnlrnr F Sn K hesbire) 11783 
Countf of Kent F. So. (Maidstone) . . 950 

Dnokenfidd F. So. (Cheihire) ' 5000' 

Friendly So., Hollingworth (Cheahire) . 7097' 
Friendly So. or Free Gardeners Lodj^e 

of Dalry. Avr tScotland) 49.5 

Good Design ßurial F. So., II all (Yorks) 3:339 
Hood Intent F. Burial Sc, IIull (Yorks) 2 501: 
Hampshire F. So. (Winchester} .... 3 lif2 
Hasel GrOTe Provideot So., Stockport 

fChoshiro) 8097 

Holme üood Intent Burial So. (Man- 

ehester) 8200 

Isle of Wight Friend - in -Need (Newport) 4 837 

Liverpool Protectivc Burial So 32 75(i| 

Liverpool United Legal F. lliirial So.. 58 863 
Liverpool Victoria Legal F. and Ins. So.' 1272861 
London st. Patrick'a F. Burial So., 16.i 

Polygon, S. W i 9 000 

Loyal British Philanthropie F. So.,!i { 
Leigh (Lancishire) 4 .'>75 




4.3 090 



12348 

14 9;i3 
8 4M 

8164 



Loyal Philanthropie F. So. (^Liverpool) 
Mntaal Provident Allianee (London). .1 

New United F. So. (Manchester) ... 
Orifiinal Coventry I^cncvolent Btirial So. 
Pcoplo's Faniilv Lifo Assu. and Sick 

Üenetit So. (Dudleyi 

People's Universal Life Assu and Sick 

Fund F. So. (\\ olverhamptonj . . . 
Rational Sick and Barial Asso. (Man- 

ehester) 8703 

Ketüge Life and Sick F. So., l)ttnken< 

field (Cheshire) I 650 

Royal Liver F. So. (Liverpool) .... *»44467 
St Anne's Catholic Burial So. (Liverpool) 24000 
Tunstall Benevoleut Burial So. (Staf- 

fordshire) 11471 

United A.ssu. Sick and Barial So. of 

St. Patrick (Liverpool; 150000 

United Patriots BeneAt and Provident 

Assu. So. (Uondoni 5884 

Unity Life Assu. and F. So., Longton 

(Staifordshire) 8 159 

Victoria Benetit So. ; London) 7 000 

WilUhire F. So. (Devizes; 6 a94| 



400 

9 609 
12808 
10465 

802 

(Um 

11 356 
75108 

2 92r> 

3 929 

8847 



664r 

1 30»; 

8 107 
15 487 



10824 27»)3 

r 

14290^ 

54I 
117980 
823 

I 

18 188 
8515, 
229 

27 726 



2 140 

. 435 
12 742, 
17502 

2 sr,o 

1003 
6508 

3 37W 
92^7 

270 

141 258 
5 254 

1179 

33 270 
7498 

2857 

7 311 
6303 



779 

31 
4S56 
3261 

591 
683 

1657 

1251 

1200 

48 

53 695 
1987 

171 

10 440 
1189 

606 

2 24G 
1663 



Digitizeu Lj ^jüOgle 



348 



V. 1. 



Der nepistiar bemerkt II. K. 1807; 74, dass wenn man 
von den eben^^enannton vier Kassen ahsielit, die reinen Begriib- 
nisskassen 1 127 473 Mitglieder liatten, mit einem Vermögen 
yon nur 294 919. £s entfiel auf jedes Mitglied der Betrag 
▼on 4 B. 11 dJ In den vier andern entfiel auf jedes der 
22 879 Mitglieder 7 / 3 s. - 

Nun entbrannte der Kampf heftiger. In dem R. R. 1867; 
15 hatte der Registi-ar die Nothwcndipkcit einer Ausnahnie- 
gesctzizebung Ober die Hej^riibnisskassen dargelegt, und alle 
Punkt»' bestimmt, welche gesetzlich geordnet werden müssten. 
Kr empfahl die geringsten Summen, welche durch die Post- 
sparkassen versichert werden könnten, auf 5 ii^ oder 10 
herabzusetzen. Diesen Vorschlag nahm der Earl of Lichfield 
auf. Am 17. März 1868 legte er dem Hause einen Gesetient- 
wurf vor ,to amend the laws relating to Friendly Societies, and 
to small Government annuities, aiid the assuring of paymeuts 
on death'. Dieselbe suchte alle bishei- behi>rüchenen Uebelstände 
der Bogräbnisskassen zu heben. Sie hat folgenden Inhalt. 

Kinder unter 7 Jahren dürfen nielit Mitglieder einer Kasse 
werden. Eine gedruckte Police und eine Abschrift der Sta- 
tuten mnss jedem Mitgliede von dem Sekretär, Agenten, Gel- 
lector unter Strafe von 2—5 iß labergeben werden« Ein Agent 
oder Colloctor, wclrlier die Versicherten seines Distriktes ohne 
deren schriftliche Einwilligung einer anderen Begräl)nisskasse 
oder Vei*sicherungsgesellschaft zuführt, ist für jeden Fall mit 
2 5 zu bestrafen. Falls ein Mitglied gewöhnt ist. seine 
Prämie an einen ColieL'tor zu zahlen, soll seine Versirlierung 
erst dann verfallen, wenn er eine schriftliche Anzeige erhalten 
hat> in welcher eise ihm gelegene Zeit ftlr die Zahlung der Er- 
trage angegeben wird. Die Mitglieder erhalten das Recht, 
einen Agenten vor einen Friedensrichter zu citiren. Jeder 
Friedensrichter eines Ortes, wo die Kasse ihr Gesrliiift treibt, 
hat dieselbe P.efugniss, wie der Friedensrichter an <iem Sitze 
derselben. Der Jahresbericht hat die Anzalil der Mitglieder 
anzugeben, und die Ausgaben getrennt aufzuführen. Der County 
Court Judge am Sitze der Gesellschaft daii* auf Ansuchen des 
Registrai« die Bücher einer Gesellschaft auf Kosten derselben 
von einer kompetenten Person untei-suchen lassen. Eine Klage 
weiren Betrugs darf mit Erlaubniss des llegistrars von jedem 
Mitglied erhoben werden. Eine Hilfskasse darf sich nicht in 
eine Versicherungsgesellschaft verwandeln. Die Bestimmung 
des Gesetzes 27 28 Vict. c. 43 wird aufgehoben, dass die ge- 
ringste Summe, welche durch die Postsparkasse versichert 
werden könne, 20 £ sei, und die andere, dass die geringste 
Prftmienaahlung 2 Schillinge betragen mOsse 



R. R. 1867-68 ; 75 lg. 



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349 



Brauchen wir noch zu bemerken, dass in dem Lande der 
Meetings, Zeitungsartikel, Reden und Petitiüueu sich sofort ein 
wahrer Petitionsorkan gegen die Bill des Lord Llchfield erhob? 

Mehrere Wochen lang jagten die Petitionen der grossen 
BegräbnisskasseD einander ond wiederholten immer wieder die 
Bitte, dass der Entwurf niebt Gesetz werde, dass sie vor dem 

Hause ihre Einwendungen darlegen dürften. Nur der Western 
Provident bittet um Annainne rles Gesetzes und um Einsetzung 
einer Konigliflic!! Kommission. \ on ihm wird dieser Vorschlag 
zum ersten Male izcniarht. Lonl Lichfield's Bill fiel dem Sturme 
zum Opfer. Die Lesung derselben wurde verschiedene Male 
vei*schoben: am 11'. Mai zog er sie zurück 

Lord Lichfield's Niederlage ötiuete endlich vielen Engländern 
die Augen. Man wollte es nicht Iftnger dulden, dass mit den 
PÜBunigen der Armen Krieg gegen das Wohl der arbeitenden 
Klassen und gegen die arbeiterfreundlichen Absichten des Par- 
lamentes geführt würde. Zu Anfang der folgenden Session, 
am 0 April l^fiO-), lenkte E. Richards die Aufnierksanikeit 
des Hauses auf den ungenügenden Charakter der bestehenden 
Hilfskassengesetzgebung. Im Jahre IH«)! sei ein (iesetz er- 
lassen worden, welches jede llilfskasse zur Einsendung perio- 
discher Berichte yerpflichte. Nur eine geringe Zahl derselben 
wttrden eingesandt« und viele seien fehlerhaft. Sein Hauptan- 
griff galt den Begräbnisskassen. Von allen Theilen des Landes 
kämen Klauben , dass dieselben eine wulne Pest seien. Er 
setzte seine lloti'nung auf die M. I'. of Odd Fellows, er wünschte, 
dass die Orden sieh bald zu den grossen Arbeiterversicberun;:s- 
kassen des Landes entwickeln und den letzten Rest ihres 
früheren Treibens ablegen möchten. Er wünsche eine Antwort 
darQber, ob die Regierung bereit sei, eine Bill Ober die HilfiB^ 
hassen einzubringen, wenn nicht, ob sie zur Einsetzung eines 
Ausschusses zur Untersuchung der Lage der Odd Fellows, Fo- 
reeters und besonders der Bogr&bnisskassen ihre Zustimmung 



*) Oiebt die Thatsache, dass der Kampf gegen die Begräbnisskasseii 

vornchiniich im Olurbausc geführt werden musste, nicht zu allerhand Be- 
trachtuDgen Veranlassung — Zum ^'acbdeuken stimmt auch folgeuüer Brief, 
in welchem die ünited Assoraoce Sick and Bnrial Societr ihre Agenten 
auftbrderte. I'etitiontn «legen Lord Lichtiehrs Bill in's Werk zu setzen. 
„Der VerwaHungsrath," heisst es darin, „erwartet, das Sie Ihre ganze 
Energie auf das Zustandekommen der Petition verwenden und keine MQhe 
scheuen. Bedenken Sie, dass die Niederlage dieser Massregel von der 
einschneidendsten Wichtigkeit für die gedeihliche Fortdatier der Gesellschaft 
ist I>ie Massregel heabsichtigt in Wirklichkeit nicht die Reform der 
Hilftkassengesetze, noch den Schuts der Vereine, sondern sie ist ein listiger, 
oppositioneller Versuch, eine Staatsvori-jcherung ins Leben zu nifen und 
den armen Mann seiner Unabhängigkeit zu berauben, indem 
ihm die Verwaltung seiner eigenen Angelegenheiten aus der 
Hand genommen w ird. Thomas Walker." R. R. 1867^-68; 
*) Uansard's liebstes. 



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8&0 



V. 1. 



geben. Richards vei-sprach sich viel von periodischen Bilanzen 
Man möge die Anstellung eines kompetenten Aktuars zur Ab- 
fassung derselben in Betracht ziehen. Bonbam Gaiter sliumite 
mit dem Theile der Rede des Vorredners ttberein, welcher sich 
auf die Begfrftbniflslsassen besog. Er hoffe, dass der Earl of 
Lichfield von Neuem seinen GÜset/entwiirf einbringen werde, 
wenn nicht der StaatssekretUr des Innern Hoffnung auf Re- 
formen mache. Mr. Bruce, der Home Secretary des liberalen 
Ministeriums, welches im December des vorhergehenden Jahres 
die Verwaltung t^bernommen hatte, glaubte, dass das einzige 
Heilmittel in der Verbreitung grösserer Kenntnisse unter den 
zunftehst betroffenen Klassen bestände, er wolle Alles der Zeit 
und der Eiziehung Oberlassen. Der Einsetzung eines Aus- 
schusses würde kein Widerstand entire^engesetzt werden. Die 
Quintessenz seiner Rede war der (iedanke, er würde sich sehr 
freuen, wenn das Parlament, ohne von den Prinzipien des laissez 
faire abzuweichen, die .'irbeiteuden Klassen von den Gefahren 
erlösen könne, welche sie bedrohten. Vorliiuti^ hatte die Inter- 
pellation von Uichardö keine weileieu Folgen. Aber die Be- 
gräbnisskassen sahen ein, dass die Zahl ihrer Gegner auf allen 
Seiten des Hauses Im Wachsen begriffen war. Sie suchten 
dem Sturme vorzubeugen, und Hessen einen Gesetzentwurf 
ausarbeiten, den am 30. Juni IHOO Kdward Bretherton, der 
Vater des Solii'itors des Jioyal Liver* mit einem Briefe an 
Parlamentsmitglieder versandte M. Das Srhi eiben enthielt eine 
scharfe, aber nicht falsclie Anklage gegen den seliwerverstäud- 
lichen, schwerfälligen Stil der englischen Gesetze. Die Bill 
sei daher in dner klaren, dem Begriffsvermögen der arbeiten- 
den Klassen angepassten Form abgefasst Diese Behauptung 
ist keine Prahlerei; die Bill liest sich in der That leicht und 
angenehm. 

Der Inhalt des Geset/eni wurfes versetzt in das lebhafteste 
Ei'staunen. Man urlaubt eine Bill vor sich zu haben, welche 
im Kopfe Courtenay's oder Sotberon-Kstcourt's entsprungen sei. 
Sie überlässt der Staatseinmischung ein weites Feld und nimmt 
ausserdem die wichtigsten Bestimmungen ans Lord Liehfield's 
Bill herQber, selbstverständlich mit Ausnahme derjenigen, 
welche die Ausdehnung des Staatsbetriebes bezwecken. 
scheint, dass man Vieles zu opfern bereit war. wenn man sich 
nur der Staatsversidierung erwehren konnte. Jede Hilt-kasse 
muss bei inrer Gründung 100 £ deponiren und ihre Priimien- 
tabellen von einem Aktuar prüfen lassen. Die Abhaltung der 
Versammlungen in Wirthshdusern ist verboten. Jahresberichte 
und fÜnQahrige Bilanzen werden vorgeschrieben; eine Strafe 
ist für Nichteinsendung derselben vorgesehen. In allen Geld- 
angelegenheiten soll jeder Friedensriditer entscheiden dürfen. 



») Ii. ß. 1808-09; 45-72. 



V. l. 



351 



Die Uebertra^un^ der Versicherten von einer i\a>>e an eine 
andere durch Kollekt<)i*en ist verboten. Jedem \ ersicherten 
muss eine gedruckte Police und ein ^^edrucktes Exemplar der 
Statuten eingehändigt iverden. Die Aufnahme von Mitgliedern 
unter 7 Jahren ist verboten. Massre^eln werden getroffen für 
den Fall, dass der Agent oder Collector todt oder verz«geu 
etc. ist. Der Rep:istrar soll den Auszug aus den Berichten 
nicht selbst dem Parlamente vorle.izen. sondern denselben zu- 
niichst einem Staatssekretär einsenden. Der Ueberschuss bei 
der Autlösung einer Kasse wird zur Abtragung der Staats- 
schulden verwandt'). Der Royal Liver liattc gewünscht, «lasü 
in der Bill eine Strafe für die Beleidiguuj; und Verläumdung 
der Beamten der Hilfskassen vorgesehen würde, aber der Ver- 
fasser war nicht im Stande gewesen, eine juristisch unanfecht- 
b^e Form dafür zu finden. 

Die Bearbeitung einer so einschneidenden Mas<i."Te] 
findet ihre BegrUndunj: vielleicht auch in einer Stelle dt - be- 
gleitenden Briefes, welche die Kinsetzunu eines Select Connnittee 
o<ler einer Kommission vor der Beratliung des Entwurfes für 
eine nutzlose Ausgabe und eine Belästigung der Hilfskassen 
erklürt. Wurde eine Enquöte vermieden, dann hatten die Be- 
. grftbnisakassen viel gewonnen: schwere gesetzliche Beschrän- 
knn^ren waren besser als schwere pesotzliche Beschränkungen, 
nachdem sie an den Prantrcr irestellt worden waren, l'nd 
durfte man nicht erwarten, dass die anderen Ililfskassen, die 
man so vorsürglich in die Bill mit einbegriffen hatte, sich gegen 
die , Ausschreitungen des väterlichen Regimentes' auflehnen 
und den Blick ein wenig von den Begräbnisskassen ablenken 
würden? 

Un^ilücklicherweise wollte sich Niemand dazu hergeben, 
die Bill des .Royal Liver' einzubiingen. .\ls am 30. Juli 
Lowther die Regierung interpellijte . ob sie einen Gesetzent- 
wui-f vorlepen wolle und ob sie einige Bestimmuuf^en der er- 
wähnten Bill anzunehmen gedächte, wurde ihm geantwoitet, 
dass die Regierung noch unschlüssig darüber sei, ob sie eine 
Bill einbringen oder die Einsetzung einer Kommission vor- 
schlagen solle. Bald darauf wurde die Session geschlossen. 

Im folgentien Jahre, im Januar 187ö, starb Tidd Pratt, 
welcher die Stellung eines Ministers niler das Wohl der arliei- 
tenden Klasseij betreffenden Anf;elegenheittn, soweit sie durch 
die soziale Selbsthilfe gefördert vvunlen, unter dem beselieidenen 
Manien eines Registrar, langer als dreissig Jahre bekleidet hatte. 



M Tivid Pratt kann sich nicht onthnlten, liierzii die Henierkiing zn 
machen, es wure besser, wciiu solche >>ummen zur Bezahl un;: von Detiziten 
in den Kassen von Kegrabnissge-^ellschatten verwandt wardeii. Er giebt 
denselben auch dui Rath, das Geld, wdcfaes die Abfassung der Biu ge- 
kostet habe, nicht aus der Begrabnisskasse zu uehnipn. 



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352 



Y. 1. 



Dieser Mauu hat unleugbar eiuen grossen Einfluss auf die Ge* 
staltung der emschläglichen englischen Gesetzgebnng gehabt 
Der beste Theil der Gesetzentwürfe, welche von 1855 1870 
dem Parlamente vorlagen, nahmen im Registrar Office ihren 
Ursprung, das ersiolit man unschwer aus seinen Berichten. 
Die Vermuthuiic spriciit dafür und es sind in den Blaubüchern 
Andeutungen vorhanden, dass auch iu frtlheren Perioden 
Manches seiner Initiative enibpraug. Es ist leider keine Dar- 
stdlung seines Wirkens vorhanden, in welcher alle von ihm 
angeregten Reformen — mögen sie ansgefohrt, oder nicht aus- 
geführt worden sein — in leidlicher Vdll t indigkeit enthalten 
xvären. Eine Schrift, welche seinen Antheil an der sozialen 
Ge^etz^'eliunLr Englands der Vergessenheit entrisse, wäfe ein 
werthvoller l'oitrag zur sozialen (leschichte dieses Landes. 
Auch dem praktischen Politiker niiisste es erwünscht sein, die 
Gedanken eines Mannes kenneu zu lernen, der mehrere Jahr- 
zehnte das Wirken aller Institutionen der sozialen Selbsthilfe 
in nächster Kähe beobachten konnte. 

Wenn sich aus offiziellen Dokumenten ein Urtheil bilden 
lässt, dann war er von aufrichtiizcm Wohlwollen gegen die 
arbeitenden Klassen erfüllt, stets bereit, sie mit seinem Käthe 
zu unterstützen, und Missbräucbe zu unterdrucken. Wer sich 
der vielseitigen Thätigkeit Tid<l Pratt's erinnert, dem muss es 
klar werden, dass das Registrar Office dem Lande grosse 
Dienste geleistet hat. 

Anders dachte der Schatzkanzler, Mr. Lowe, welcher am 
10. Februar eine Bill einbrachte ,to amend the Laws relating 
to Friendly Socielies'. Er schlug die AbschalTung der Central- 
beliörde und die Einschreibung der Statuten durch das Handels- 
und Gewerbeministerium vor (Board of Trade). Der Schatz- 
kanzler erfuhr begründeten Widei-spruch, den wir jedoch nicht 
genauer darstellen wollen. Lowe sowohl als seine Gegner 
hatten Recht. Jener wies darauf hin, dass die Registration 
der Statuten den Kassen keine Sicherheit gebe, da die Ein- 
schreibung nur besage, die Statuten enthielten nichts Gesetz- 
widriuiis, ja dass sie manchmal die Vereine zu einer falsclien 
Sicherheit verleitet hätte. Alles dies war von Tidd Pratt selbst 
hilufig genug hervorgehoben worden. Die Gegner Lowe's er- 
innerten sich der fördernden Thätigkeit des verstorbenen Be- 
amten. Diese würde yerschwinden, wenn Lowe's Bill Gesetz 
würde. Und hatte das Zeugniss des Board of Trade nicht 
dieselben Illusionen erweckt? 

Man hätte den Standpunkt Lowe's begreiflich gefunden. 
\venn er konsequent gewesen wäre. Er war ein entschiedener 
Manchestermann, und wollte die .ungebübrliche Einmiscbuni: 
ilee Staates' unterdrücken. Er war sich nur, wie alle iMan- 
cbestenniinner, aber das Wesen des Staates nicht klar. Er 
begriff nicht, dass eben in dem »Einmischen' das Wesen des 



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353 



Staates liegt, und dass, wenn keine Einmischung mehr statt- 
findet, auch kein Staat mehr vorhanden ist. Er setzt eine 
willk uhrliche Grenze der Staatseinmischunp, welche von Jedem 
respektiit werden soll. Bis zu jener Grenze sieht er die offen- 
baiBte Intenrentioii nicht als Einmisehung an. Der konsequente 
Manchestermann sieht von jeder Hil&kassengesetzgebung ab, 
und überlässt die Kassen ihrem eiixonen Schicksale. Aof diesem 
Standpunkte hat charakteristischer Weise kein enfrlisclier 
Staatsmann gestanden. Auch Lowe nicht Denn wenn die 
Behörde gewisse Forderun^ren voi-schrieb. wenn sie die Statuten 
las, sie registrirte oder niclit registrirte, lag darin keine Stauts- 
einmischung? Thal der Hegistrar etwas Anderes^)? 

Am 21. Mai zog Lowe seine Bill zurftck. Sie hatte es 
nicht znr 2. Lesung bringen können. Am 8. Juli wurde die 
Nothwendigkeit der Einsetzung einer Königlichen Kommission 
von Neuem im Parlamente hervorgehoben. Richards hielt eine 
Rede, in welcher er die Bedeutung der Gesellschaften zahlen- 
mässig zu erweisen suchte. Ein Viertel der Bevölkemng sei 
an dem Gedeihen der Kassen interessirt, dieselben besilssen 
ein Vermögen von 15—20000000 ^ (?). Das Einzige, was 
man gegen den Plan yoigebracht habe, seien die Kosten. Er 
beantragte daher eine Adresse an die Krone um Einsetzung 
einer Königlichen Kommission. In einem Committee of Supply 
wurde nach einer trefflichen Rede Gathorne Hardy's (von 23— 
25000 Kassen seien nicht 20 zahlungsfähig!) und Bonham Carter's 
der Antrag Richard's genehmigt. Auf Antrag von Sir Miched 
Hicks-Beach wurden die Baugesellschaften in die Enquäte mit 
einbegriffen. Am 19. Juli lb70 theilte Lord Otho Fitz-Gerald, 
der Gomptroller of the Household, mit, dass die Königin An- 
weisungen zur Bildung einer Königlichen Kommission gegeben 
habe. Die Kommission selbst datirt vom 29. Oktober 1870. 
Zu Mitgliedern dei"selben wurden ernannt: Sir Stafford Henry 
Northcote, Sir Michael Edward Flicks-Beach, Sir Sydney Hed- 
ley Waterlow,' John Bonham Carter, Evan Matthew Richards, 
Charles Savile Roundell, Thomas Francis Bircham, William 
Pollard Pattison. John Malcolm Lndlow wurde zum Sekretär 
derselben ernannt'). 

Unter dem 3. Juli 1871 richtete Sir ^^taffürd Northcote 
einen Brief an den Staatssekretär des Innern, in dem er aus- 



') Die voHi^c ünklnrheit des Mannes ersieht man am besten aus 
seiner Kede (UaDsard's Debates) und seinen Aussagen vor K. K. (Third 
Report qu. 88987—28850). Er ging sogar 80weit Tortmdmibai, dais das 
MlDimiim der Beiträ<re von der Retrierung festtresetzt werden sollte. Ist das 
nicht Einmischung, zudem eine verderbliche qu. 28272. — Lowe's fiiU 
in Appendix to Fourth Kepoit. S. 70. 

^) Hansard's Debates. Der Text der yCommiasion' dfm Fini Report 
Torgedruckt. 1871. XXV. 

Pondmagw (20) V. 1. - HMbacb. 28 



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354 V. 1. 

führte, dass <jie Grösse der Untersuchung die Abhaltung von 
SiUni^fen in ProvinzialBtftdten nnd die Ernennung von 6 be- 
zahlten Hilfekommlssarien (Assistant Commissionen) nöthig 

machte. Zwei der letzteren sollten Juristen »ein. Weiter 
müsse die Kommission das Recht haben, Zeupen zum Erscheinen 
und zur VorleLMiiiir von Buchern und Papieren zu zwingen und 
den Eid abnehmen zu dürfen 

Am 28. Juli wurde eine Bill in*s Oberhaus eingebracht, 
welche allen Wünschen Sir Stafford Northcote's entgegenkam. 
Die Lords begriffen, dass keine Kommission einen Einblick in 
die Verderbtheit so vieler Ililfskassen gewinnen würde, wenn 
sie nicht bis an die Zähne bewaffnet wäre. In der Bill war 
vorgesehen: Zeu.ürnisszwanir, eine Strafe für Mangel nn Resj)ekt 
(rontcmpt of courtn eine Strafe für defanpnissdirektoren. welche 
Gefangene nicht aufnehmen wollten, eine Strafe für Meineid. 
Schutz für die Kommissarieu, Schutz für Zentren, welche rich- 
tige Angaben machen wurden, Indemnitüt für Zeugen, welche 
sieh selbst beschuldigt hätten. Die Bill ging durch das Ober- 
haus, aber, als sie im Unterhause erschien, setzten die be- 
troffenen Gesellschaften alle Hebel in Bewegung, um die Mass- 
regel zum Srlioitern zu bringen, und es gelang ihnen. Am 
15. Aujrust 1871 inusste Sir Stafford Northrote einpestehn, dass 
es am besten wäre, wenn die Bill zurüL'kgezo<;en würde-). 
Zwei Tage darauf, am 17. August 1>?71 wurde eine zweite 
Kommission eingesetzt, welche die erstere aufhob ; man ernannte 
dieselben Personen nnd ertheilte zwei Kommissaren das Recht, 
Sitzungen abzuhalten 

Noch ein anderer Wunseh Sir Staft'ord Northcote's ging 
in Erfüllung. Es wurden 4 Hilfskommissarien ernannt, und 
zwar Culley zur Erfors<'hunir der Lage der Hilfskassen in 
Schottland und den vier nördlichen Grafschaften Englands. 
Lyulph Stanley überwies man zu seinem Arbeitsfeld die 
Grafschaften nördlich einer vom Humber zum Sevem gezogenen 
Linie bis zur Grenze des Culley'schen Distriktes, also die 
meisten Industriebezirke. Sir George Young sollte über die 
süfilirhen, die {irosse Masse der ackerbautreibenden Orafscliaf- 
ten und Daniell über Irland und Wales, die vorwieizend kel- 
tischeu Tlieile des vereinigten Königreiches, berichten*). 



In dieser Periode, welche auf dem Gebiete der Hilfskassen- 
gesetzgebung nur Unbedeutendes schuf, entstand eine grosse 
Ansabl von hervorragenden Vereinen, welche mit Ausnahme 

*) Text des Brietes in h 'mt Report. S. d. 
*) Hanflard'B Debttct und Kill Fabhe. 
Text der zweiten ,Commi88ioii* dem Second Bepoit Tonedruckt 

VoL XXVI. 1»72 

*) Second Report. S. 5. 



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V. 1. 



355 



weniger zu den verschiedenen Typen der Gewerbekasse ge- 
hören. 

Im Jahre 1855 wurde in Manchester ,The Manchester 
Warehouse Men and Clerks" Frovident Association' iretrründet, 
welche nur Angehörij^e <ler in dem Namen der Gesellschaft 
bezeichneten Berufe aufniiuint. Die Natur ihrer Besrliilftijrung 
bringt keine besonderen Gefahren für Leib und Leben mit sich. 
Doch macht die Kasse Schenkungen (Almosen) an Mitglieder, 
welche durch Unfall, Blindheit oder Geistesstörung erwerbsvn- 
Ifthig werden. Sie zwingt auch nicht sar periodischen Verände- 
ninj? des Wohnortes, so dass die Kasse sich strenp: nuf Manchester 
beschränken konnte. Die heschäftip:an!:slosen Mitglieder wan- 
dern nicht von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, wodurch das 
Bedili-fniss nach einem Reisezehrgelde fortfällt. Alles dies sind 
Umstände, welche bei der Gründung z. B. der Locomotive 
Steam Enginemen and Firemen*s Friendly Society yon dem 
grössten Gfewichte waren. Aber die Mitglieder sind, wie alle 
Arbeiter, von Beschäftigun^?slosi?kcit bedroht, und die Ver- 
sicherunpr pepen dieselbe verleiht der Kasse ihren eipenthftni- 
lichen Zug. Die Betreibung dieser Versicherung bestimmte 
Tidd Pratt sie nicht einzuschreiben, sie deponirte ihre Statuten 

Eine Gesellschaft mit denselben Zielen wurde in London 
im Jahre 1871 ge^^rundet: ,The Provident Association of Ware- 
housemen, Travellers, and Clerks* <). 

Die grossartige Entwicklung des Eisenbahnwesens in Eng- 
land filhrte eine Zunahme der Eisenhahnhilfskassen herbei. 
So wurde im Jahre iJ^nM die North London Kiiilway Provident 
Society und im folgenden die Midland Railway F S. in's Leben 
gerufen. Besondere die letztere zeigt alle frUtier erwähnten 



^) Second Ueport of the Commi&Bioners appoiuted to inquire into 
FHoidly and Benefit Bnildinf Sodeties. qa. 17641—17729. Vol. XXVI. 
1873. 

*) Die A. des Sekretärs in Third Report der K. Kommission , qu. 
26909—270^. Vol. XXII. 1873. Derselbe war der erste Sekretär der erst- 
genannten K. gcweaoi und sazte aus. dass dieselbe in 17 Jahren l'M'tS 
an Unterstützungen von bps< h;iftip;tingslosen M. bezalilt habe. Der Verein 
inusste seine Präroiental)ellen aut einer Hypothese autstellen Während 
des amerikanischen Krieges grosse Zunahme der l'nterstiitzungssunimen. 
Während in den Jahren vorher nur 700 t jalirh'cli. siiot; iler Hctrair im ersten 
Jahre des Kriege« auf 1500 d, und sank im zweiten aut lUüü £ . Die Kasse 
hielt sieh. Vieileicbt wird dies durch die Tbatsaehe erkl&rt, dies in den 
17 Jahren 'inno P( i ^^onen eintraten, abrr nur I'iOO Miti^lieder im Jahre 1872 
vorbanden waren. Viele vcrliessen Mancbcätcr und traten iu anderen 
Stftdten in Geschäfte ein, manchmal ehe ihre Karenzzeit TorQber war. — 
Schon seit 1838 existirte in Schottland die «Commeidat TriTellers' Friendly 
Socicty'. welche wir früher nicht erwähnten, weil sie ausser Krankengeld 
und liegräbnissgeld keine Unterstützungen gab, bald die Beschränkung 
auf Haoodtreisende aufgab, und jedem im Handel Heschäftigten den Kln« 
tritt gestattete. Doch blieb sie über ganz Schottlmd verbreitet, obgleich 
die >^rzweigung des Vereines durch das Wanderleben des Handelsreisenden 
bedingt war. 

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856 



Züge: den Beitrittszwang fQr alle Bedienstete, welche wöchent- 
lirho Löhne empfangen, die gemischte Verwaltuiv? (in Wirk- 
lichkeit herrschte Selbstverwaltung, da gewöhnlich nur die 
Arbeiter zu den Versammlungen erschienen ) und den jährlichen 
Zuschuss, der ur.sprUnglich proportional war, später hx wurde 
(1000 £ jährlich) und desshalb «fttr dne weehsdnde und 
wahrscheinlich wachsende Anzahl nicht genfigt". £in propor- 
tionaler Znsdrass war bei Festsetzung der Prämien in Betracht 
gezogen worden. Ein Inspektor mit einem Gehalte von 140 
musste die Kranken besuchen und die pjsenbahngescllschaft 
gegen Betrug schützen. Die Verwaltungskosten betrugen nur 
o'/s % der jährlichen Beiträge. In der modernen grossen 
Unternehmung entwickelt sich zuerst bestimmt die Vei-sichei uug 
gegen Unftlle als ein hesonderer Zweig des Arheiterversiche- 
nmgs Wesens. Die M. R. gab einem Arbeiter, welcher durch 
einen Unfall invalide geworden war, 15 s. während der ersten 
26 Wochen, 7 s. 6 d. während der folgenden 26 Wochen, dann 
4 8. (für gewöhnlirhe Krankheit waren die Sätze 12 s.. 6 s., 
4 8.). Starb ein Arbeiter durch einen Unfall, so erhielten die 
Angehörigen 25 Ju^ im Falle eines natürlichen Todes nur 12 *). 
Es scheint, dass auch eine sieh über das ganze Land er- 
streckende Eisenbahnkasse ,The United Kingdoms Railway 
Oi&cers' and Servants Association' in dieser Periode gegründet 
wurde*). The Railway Servants' Friendly Society, welche im 
Jahre 1864 in's Leben trat, war die reorganisirte Nachfolgerin 
der im Jahre 1840 gegründeten London and North- Western 
Railway Servants' Friendly Society^). Die Gründung einer 
der jüngsten Eisenbahnkassen ,The London and North Western 
Bailway btsarance Society' fällt in den Oktober 1871 % Sie be- 
zweckt eine Versicherung gegen vorübergehende Invalidität, 
dauernde Invalidität und Tod durch Unfall, welche ein Arbeiter 
sich im Dienste der Gesellschaft zugezogen hat. Ist das Mit- 
L'lied nach einem Jahre nicht hergestellt, dann wird es als 
dauei nd invalide betrachtet. Bis dahin bezieht es das Kranken- 
geld für vorübergehende Invalidität. Ausserdem zahlt die Kasse 
eine Summe an die Hinterbliebenen solcher Mitglieder, welche 
nadi 4jfthriger Arbeitsunfilhigkeit sterben, auch wenn dieselbe 
nicht durah einen UnfaU im Dienste der Gesellschalt venir- 
saeht ist. 



>) Foarth Report S. LXVIII. 

-) Sie ^^ew&hrte Renten, Begräbnissgdd «nd W«it«DiintentOtnuiK. 
öUuüey's Report, a. a. 0. S. 130 bex. 

■) Ibidem. 

*) Ich referire nacli den Statuten dieser (.iesellßchatl vom 21. Februar 
1882 und den Reports and btateroeoU of Accomill für den 3L Denmbw 
Ibäl. Vor der K. wurden ßeamte der iüMse Doeh nicbt Ternonmen. 



Digilizoü by CoOglc 



357 



Das geopraphische Gebiet der Gesellschaft ist in 12 Di- 
strikte einpetlieilt. Jeder Distrikt wählt 5 Abgeordnete, welche 
ihn bei den jährlichen Versammlungen vertreten. Die Abge- 
ordneten jedes Distriktes wfthlen unter sieh alle 2 Jahre ein 
Mitglied des YerwaltangsausschusseSt der folglieh aus 12 Ver- 
tretern der Arbeiter besteht. Hierzu deleairt die Gesellschaft 
3 Mitglieder. Die Unterstützungen zerfallen seit dem Erlass 
des Haftpflichtgesetzes in 2 Klassen. Diejenigen Mitglieder, 
welche eine Krklärunjr unterzeichnen, dass sie auf die Wohl- 
that des Haftptliihtgebetzes verzichten, erhalten höhere t'nter- 
stützungen (Skala A), als diejenigen, welche diesen Vertrag 
nicht eingehen (Skala B) >). In der erwähnten Erkl&rung ver- 
pflichtet sich die Eisenhahngesellschaft, eine Summe, welche 
\ der Prämienzahlungen des Vei'sicherten betrSgt, zu den 
Prämien beizusteuem. "Während die Unterstützung bei Tod 
und dauernder Invalidität in Skala A nach der wöchentlichen 
Prämienzahlung von 3 d., 2 d., 1 d. je f 100, resp. je ^ 80, 
resp. je 40 beträgt, beträgt sie l)ei derselben Prämienzahlung in 
Skala B iiui iü £ (Tod), 35 ^ (dauernde Invalidität^, resp. 
35 £ (T.), 25 (d: I.), resp. 12 10 s. (T.), 18 £ 15 S. 
(d. I.). Das Begräbnissgeld nach 4jähriger nicht im Dienste 
der Gesellschaft zugezogener Invalidität betrugt in Skala A und 
B 10 ^. Das Krankengeld bei vorübergehender Invalidität 
ist ebenfalls geringer (21 s., resp. 14 s., resp. 7 s. während 
52 Wochen gegen 18, 12, 6 s. in den ersten 26 Wochen und 
9, 0, 3 s. in den folgenden 26 Wochen). Im Jahre 1874 gründete 
dieselbe Gesellschaft eine zweite Kasse, die ,London and North 
Western Railway Provident Society', welche die Versicherten 
in 2 Klassen eintheilt, in solche, welche 4 d. und solche, welche 
2 d. wöchentlich einzahlen. Dafür erhalten die Versicherten 
in Krankheit oder vorübergeh enrl er Invalidität, dio sie sich 
nicht im Dienste der Gesellschaft zugezogen haben, in den er- 
sten 26 W^ochen 12 s.. resp. 6 s., in den folgenden 20 W'ochen 
6 s. resp. 3 s. Im Falle ein Mitglied eines natürlichen Todes 
gestorben ist, empfangen die Hinterbliebenen 10 i^'^ resp. 5 j^. 
Ausserdem empfangen Mitglieder, welche durch natarlicbe Ent* 
kriUtung arbeitsunfiUiig werden, zum Abschied 10 resp. 



') Nach dem Report of the Fifteontli .\nnual TradoB Unioii CoBgreM 
(li^xO) s 22 bestände dieser Unterschied in der Praxis nicht «The most 
glaring case was tbat of the London and North- Western Railway Gom- 

Cny^ who had 50000 servante, who bad been foreed to gi?e ap tfw 
netits of the Act (des Haftpflicbtgesetzes) and to contract tbcmselves out 
of its proviaioDS.'' £s ist aber nicht zu verkenoen, daas der Employen 
Liatnlity Aet domoch indirekt gute l* olgen gehabt hat Denn er zwang 
die Gesellschaft, ihre Unterstützungssätze /ii erhöhen, welche vor Erlass 
des ilaftpfliciitgesetzes nur resp. 2') X betragen, und deraentsprei hend 
ihren Zuschuss zu vergrössem. Am 31. Dezember waren nur 

59 Mitglieder in Skila B veniehert, «Ue anderen (aber 84000) Arbeiter in 
SkaU 



Digitizeu Lj ^jüOgle 



a58 



ö / , vveuu sie 5 — 10 Jahre, 20 X i'esp. lu i., wenn sie 10 — 
15 Jahre, 30 £ resp. 15 ^, wenn sie 15—20, und 40 £ resp. 
20 £y wenn sie länger als 20 Jahre im Dienste der Gesell* 
sdiaft gestanden haben. Diese ,reiirin^ gratoky^ wird auf 
Wunsch in Form einer wöchentlichen l nterstatzung bezahlt 
Ist die Summe beim Tode eines Mitglieds nicht erschöpft, so 
wird der Rest den Hinterbliebenen ausbezalilt. Verlässt das 
Mitglied den Dienst der Gesellschaft, so tritt es eo ipso aus 
der Eisenbahnhilfskasse aus. Zu der Provident Society trägt 
die Gesellschaft jährlich über 500 ^ bei. Die Vei^fassung uud 
Verwaltung ist dieselbe wie diejenige der Insuranee Society. 
Die Prämien werden vom Lohne abgesogen. Jedes BfitgUed 
muss sich kontraktlich dazu verpflichten^). 

Im Jahre 1802 bildete sich im Norden eine Gewerbekasse, bei 
welcher ebenfalls die Versicherung gegen Unfälle zunächst in den 
Vordergrund trat: ,The Northuraberland and Durham Miners' 
Permanent Relief Fund Es ist ein Beweis von der langsamen 



M Folgende Angaben über die Insurance S. nach dorn Tfeport and 
Statement of Accounts, Bist I)ezember 1^1. Es landen Todesfälle durch 
Unfall im I>ien8te der Gesellschaft statt im Jahre 187» — 92; 1879 - 81; 
1880 — 86: 1881 — 80. Todesfälle nicht durch Unfälle 1878 ~ 240; 
1879 — 233: 1880 — 262: 1881 — 257. Dauerade InvaUdit&t 1878 — 
15 FiUe; 1879 — 14; 1880 — 28; 1881 — 29. Vorftbavehaida In* 
validittt: 



Jahr 

1 


Volles Krankengeld 




Halbes Krankengeld 


Fälle 


Wochen 

Dauer 




F&lle 


WochflB 
Dauer 


1878 
1879 ' 
1880 
1881 

J 


2413 
2657 

3117 
4053 


8 572 
9542 
11203 
15 998 


1 Tajre | 
> nnstrc- l 
J lassen 1 


56 
65 

91 
66 


668 
885 
1057 
1018 



Kinntlimen seit der 
Gründang des Vereins 
bis zum 31. Dezember 
1881 



(Schillinge 
and Peoce 



Ausgaben seit der 
Gründung des Vereins 
bis zum 31. Dezember 
1881 



(Schillinis"' 
ond Peace 



Von der Geiellscbaft bei, 

Gründung gezahlt . . . 500 

Die Beiträge der Gesell- 
schaft ' 25735 

Beitrage der Mit^iedor. . 112 811 

Zinsen 2 1*H 



Tod durch Unfall 
Natürlicher Tod . 
Daaerade Invalidität . . . 
Vorabergehende Invaliditit, 
Andere Aoagaben and 
Bilanz 



82 im 

20 ö5« 
3720 
55868 

14 255 



Im Ganzen Ii 141 245 



141245 



-) Siehe Alexander Blyth'ß, des Sekretärs des Vereins, Aussagen vor 
der K. K. qu. J7 031- 27 244. Tbird Keport, London 187y. Vol. XXIL 



V. 1. 



359 



Wirkung gelehrter rutersuchung und von menschlichem Leicht- 
sinn, dass so lange nach den Foi-schungen Neison's. IJatcliffe's und 
Finlaison's und trotz der häufigen Unglücksfälle in den Kohlen- 
gi-uben an die Begründung des Vereins erst im trcnannten 
Jahre gedacht wurde. Das farehtbare Unglück in der iiartley 
Grabe am 16. Januar 1862, bei weldiem 240 Männer und 
Knaben umkamen, war ndthig, um den Verein in's Leban zu 
nifen. Die llfiiiptziple, die er sich steckte, waren die Vei-sorguiig 
von Wittwen und Waisen, die plötzlich ihres Ernährers beraubt 
waren, und die Unterstützung invalider Mitglieder. Aus der 
kurzen, untenstehenden Unfallstatistik*) wird man ersehen, 
einen wie hohen Prozentsatz der unglücklichen Bei-gleute die 
verheiratheten Mitglieder bilden. Schon im Juni hatte sich 
ein grosser Verein in Nortbumberland, Cumberland und Dnrham 
gebildet, dem ein nicht unbedeutendes Kapital mit auf den 
Weg gegeben werden konnte. Es waren nämlich zur Unter- 
stützung der Nothleidenden so grosse Summen gesammelt 
worden, dass em Ueberschuss von 20 000 ^ unter die sämmt- 
liehen Bergwerksdistrikte vertheilt werden konnte. 

Dem neugebildeten Vereine wurden 4o'»{> £ zugewandt. 
Sehr viele EigenthOmer von Kohlengruben gaben der Kasse 
einen Zuschuss, gewöhnlich 20 % der von den Mitgliedern 
eingezahlten Beträge. Die Unterstützungen betragen wöehent> 
lieh 5 s. für eine Wittwe, 2 s. für Knaben unter 12 und 
dieselbe Summe für Mädchen unter 14 Jahren. Ausserdem 
wurden der Frau eines Verunglückten 5 £. den Hinterbliebenen 
eines Ledigen 23 £ , wenn er unter 18 Jahre alt war, 12 £ 
ausbezahlt. Ein invalider Bergmann erhielt 8 s. wöchentlich, 
nachdem die Arbeitsunfähigkeit 26 Wochen gedauert hatte. 



M nie Zahl der TodesfÄlle in dem N. a. 
Actuaiial Keport von Neison. Newcustle 1878. 



D. M. P. R. F. nadk dem 



Jahr 



Zahl 
der 
Hitglieder 



TodesiUUe 



* Im Verhei- 
|GaDMDjrathete 



Jahr 



Zahl 
der 



Todesfälle 



^^^^^^^ iGaMenkmthete 



186<i 


1 4 000 


14 


/ 


ib71 


16 ".U 


50 


90 


1864 


1 7 50< ) 


28 


17 


1872 


22 822 


70 


48 


18tj5 


; 7<X)0 


27 


12 


1S78 


27 116 


61 


38 


18«« 


7o00 


, 28 


16 


1874 


33575 


70 


42 


1867 


9000 


•37 


21 


1875 


44006 


89 


54 


18^8 


10.500 


25 


17 


1876 


57 561 


103 


64 


1869 


11314 


1 


2* 


1877 


67 m 


128 


71 


1870 


' 12556 

1 
1 


42 

1 


25 




1 







Von 1863-1872 
S. 8 und 9. 



kamen 8,959 «/o aller Berglente durch 'UmftUe om. 



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360 



Die Länge der Karenzzeit veranlasste die Mitglieder, eine 
neue, doch mit der alten verbundene Kasse zu gründen, den 
sogenannten minor aceident fund, zur Unterstotzung von Mit- 
gliedern (5 8. wdehentlich) während der ersten 26 l¥ochen. Die 
Prftmiensätze in dem erstgenannten Vei*sicherungszveige be- 
trugen 3* 2 d., im letztgenannten d. alle 14 Tage. 

Nachdem der Verein so weit fortgeschritten war, schloss 
sich leicht eine Kranken- und später eine Sterliekasse an den 
vorhandenen Stamm der Unfall versicherungskasse an. Im 
Jahre 1874 wurde eine Alters- und luvaiiditätskasse hinzu- 
gefOgt Doch nahm die Krankenkasse keinen rasdien Fort- 
gang. Noch im Jahre 1872 bezeichnete sie der Sekretftr 
als ,kaum begründet', was man um so mehr bedauern 
musste, als Ratcliffe und Neison, welchen vom Verein die Auf- 
stellung der Prämientabellen übertragen worden war, dieselbe 
nach den Erfahrungen von Grubenleuten entwoifen hatten. 
Drei Viertel aller Mitglieder waren in anderen Kassen ver- 
sichert, zu einem Drittel in den Orden der Odd Fellows und 
Foresters. Die grösste Konkurrenz bereiten jedoch die theilenden 
Gesellschaften, welche Ober alle drei Königreiche verbreitet 
sind und deren es in jeder Fabrik, auf jeder Grube eine gibt. 
Auch die Unfallkasse entwickelte sich nicht so rasch, wie man 
hätte glauben sollen. Der Verein musste 4 Agenten ernennen, 
um für seine Bestrebungen zu agitiren. Die Zahl der Gruben- 
arbeiter wurde Ende der sechziger Jahre auf 7<> 000 geschätzt, 
aber nur 13 400 waren Mitglieder des Vereines. Wiederum 
ein Beweis, wie langsam sich das unumgänglich Nothwendige 
unter den Massen einbOrgert, wenn sie völlige Freiheit des 
Handelns geniessen. Sollte man nicht erwarten, dass jedes 
Mitglied sich beeilt hätte, seine Beiträge zu zahlen? Wir 
lassen den Sekretär die Frage beantworten: ..Wir haben viele 
traurige Beispiele von Wittwen gehabt, welche wegen der 
Nichtbezahlung der Beiträge seitens der Mitglieder unversorgt 
hinterlassen wurden." Es wurde uotli wendig, der Hälfte der 
Arbeiter die Beiträge am Lohne abzuziehen, was sie als eine 
gute Biassregel erkannten. Im Jahre 1872 zahlten 14000 Mit- 
glieder in dieser Weise. 

Die Verfassung der Kasse ist bundesstaatlich , was sich 
tbeil weise aus der grossen Zahl von Grubenbesitzern erklärt. 
Sie besteht aus über 200 Vereinen, welche jährlich zu einer 
Vei-sammlung ihre Abgeordneten entsenden 



^) Wir lassen noch einige Notizen folgen, da wir diese Kasse nicht 
mehr erwähnen werden. Eine Bilans im Jahre IST 7 wies ein Defizit tob 

l auf. Doch hätte sirh dasselho Ipicht durch eine gpwinnreichere 
AiilegunK des Vermögens enUeruen lassen, wenn nicht grosse Explosionen, 
weldhie die Qroben de« Nordens seit dem Anfioff der achtziger Jahre 
heimsuc Ilten . dtm Hetrair dor I nterstützungen sehr vergrössert hätten. 
Vier Explosionen (Seaham, Trimdon Grange» Xudhoe, West Stanley) legten 



Y. 1. 



361 



Die Bergleute von Northumberland und Durham waren 
die Pioniere auf diesem Gebiete. Nachdem sich ihre Kasse 



ihr Verpflichtungen im Betrage von 41 830 £ 10 s. auf. 168 Wittwen und 
825 Kinder musRten von der Gesellschaft erhalten werden. Das Defizit 
war im Mai 1882 m 86 000 angesehwollen (94000 £ — 180000 £\. 
Hierzu kam, dass viele Grubenbesitzer seit dem Erlass des Haftpflichtgesetes 
(1880) ihre Beiträge verringerten oder nicht weiter aablten. Nach dem 
Repint Tom 1. Apnl 1880 — 81. Min 1881 betragen dieselben nnr 8000 £ 
(im vorhergehenden Jahre r)0(X) t). — Auch die Alters- und InvaliditÄts- 
kasse ist in trostlosen ümstftnden. Die gescbäftstlauen Zeiten liesscn das 
Angebot der Arbeit die Nachfrage übersteigen. Der Lohn der Arbeiter 
sank; alte Leate worden nicht mehr beschäftigt tind fielen der Alters- und 
Invalidit&tskasse inr Last Welche I«eiden lasien qds folgende ie^hlen 
ahnen? 

In Jahre 1875 betrugen die Untantütroogen 206 ^ 10 s. 8 d. 

- 1876 - - . 3 777 ^ .5 8. 6 d. 

- 1877 - - • 7 401 ^ 10 8. a d. 
- - 1678 . . - 12011 £ 3 8. 1 d. 

Im August mussten die wöchentlichen Unterstützungssätze, die mir 
6 8. betrugen, auf die ;irmseli'jp Summe Ton S a. emie^Uigt werden, 80 
gelang es, die Aufgaben zu beäclirauken. 

Im Jahre 1879 betragen die UnterstOtenDgen 10680 14 a. 6 d. 

. 1880 - . - 8 722 l G s. 3 d. 

- 18m1 - - - •j3>»6 C 10 s. 5 d. 

Die Schuld betrug im Jahre lbä2 8000 £ in diesem Versicherungs- 
aweige. — 

AnfanfTs Juli lSs'2 hatte die Mitgliederzahl 77 302 erreicht, die Anzahl 
der Todesfälle im letzten Jahre war 200, darunter 73 durch die Trimdon 
Grange Explosion. Die Gesellschaft unterhielt 051 Wittwen, 1200 Kinder, 
1301 alte Mitglieder, 319 dauernd invalide Mitgl., im Gänsen 3471 Personen. 
Die Zahl der kleinen ümälle belief sich in einem Jnhre auf 14 50() (unter 
je 5 Mit«?liedem fast ein Unfall), was mit den Erfahrungen der eben be- 
sprochenen Eisenbahnkasäe übereinstimmt 

FoI;:endes war der Stand der Kaiae am 1. April 1882 (Schillinge and 
Pence ausgelassen): 

Einnahmen. ' Ausgaben. 

Beiträge der Mitglieder . 46 144 Begräbnissgeld bei Unfällen 2401 ^ 

. Eigenthümer 6309 • Wittwen und Waisen . . 13729 - 

Schenkungen 408 - Dauernd Invalide .... r)'»i9 - 

Zinsen 3 .'>38 - Altersschwache 10091 • 

Kleinere UnfUle 10566 - 



Im Ganzen 56489if 



j Lokal-Verwaltung .... 4203 - 
1 Central- Verwaltung. . . . 1427 - 

I 4ö yyü - 

I Bilanz 7499 • 

I 
I 

1 



Im Gänsen 56489 • 



Die Bilanz von 7 41»9 - 
addirt zu der bisb. 9582 • 



I eigiebt ein Vermögen von 97082 £ 

Nur 102.5 '1,3 der Mitglieder der Unfallkassel geborton der Kranken- 
und Sterbekasse an. Das Einkommen derselben betrug (i'U l Ib s. 4 d., 
die Ausgaben hatten die Höhe von H95 £ 13 s. 11 d. erreicht Verlust 
Ober 83 jI". I>ie Erfabningen der London and North- Western KailwayProvident 
Sodety waren doch bedeutend besser, obgleich derselben ebenfiallB kaum 



362 



V. 1. 



ei-probt hatte, folgte die Gründung ähnlicher Vereine. Zu An- 
fanp des Jahres 1881 zählte Kngland 7 Grubenkassen, welche 
unter dem Vorsitze des Earl of Crawford and Balcarres am 
12. Juli 1882 in London in nähere Fühlung mit einander 
traten >). 

Diese Periode, in welcher die Begräbnisskassen zu einer 

so verderblichen Bltithe gelangten, in welcher die Gewerbe- 
kassen sich so kraftvoll entwickelten und hierdurch die Unfall- 
versicherung neben der Kranken- und Ueberlebensversicherung 
ihren Platz eiTang ; diese Periode, in welcher ferner die staat- 
liche Alters- und Lebensversicherung einen Schritt vorwärts 
trat, sah auch die Vereinigte Spar- und HUftkosse einen 
stetigen Aufechwung nehmen. 

Wir haben bisher nur den Platz bezeiehnet, welchen das 
Prinzip in der geschichtlichen Entwicklung einnimmt. Es ist 
jetzt nöthig, dasselbe genauer darzustellen. 

Zunächst müssen wir es von Verwandtem unterscheiden. 
Nur eine ganz oberflächliche Aehnlichkeit mit der Vereinigten 
Spar- und Hiifskasse haben diejenigen Hilfskasseu, mit welchen 
sngMeh eine l^parbank verbanden ist. Sparbank und Hilfe- 
kasse stehen hier nur in einer äusserlichen Beiiehung zu einander, 
denn sie wirken neben und von einander unabhängig. Diese 
Sparbanken sind walnscheinlich vor der Gründung der Post- 
sparkasse dort entstan(ien , wo keine Trustee Savings Bank 
vorhanden oder nur selten geöffnet war. 

Näher steht das jüngere , Banksystem' der ,Mansfield Wood 
House Society', welches zuerst in einer Kasse zu West Charlton 



die Hälfte aller Mitglieder angehurte (14 870 von 34 440). Darin li^ eine 
Andeutung, dass die Arbeiter tur die Gewerbehilfskasse (Unterstützung in 
Krankheit und beim Tod) noch wenig Sinn haben, und aussergewöhnhcbe 
Unterstützungen (Reisegeld. Unterstützung in Arbeitslosigkeit. Unfallver- 
sicherung) allein die Majorit&t zum Eintritt in dieselbe bestimmen kann. 

Ar obige Notiien: Report of EieeotiTe Oommittee issued Dec^ 
1881, on . . . the Superannuation Department; Report of the K. C. etc. 
on accouDt of the üeoeDt JEbtplosioDS, Newcastie, 1{582 and ,The Provident' 
London^ Jnly 15 th, 1889. 6. 187 — Die Annoal Reports, wdehe Ton 
dem General-Sekretär d. K., Mr. Blyth, in Newcastle upon Tyne abpefasst 
werden, sind sehr interessant. Wir machen auf eine sehr ausführliche 
Unfallstatistik der Kasse von 1872-1880, in dem Report vom Jahre 1880 
anADCrksuD, S. 22-26 und anf eine Zusammenstellung der sämmtlicben 
Ausgaben und Einnahmen von 1862—1881. 19. A. R. 1881. S. 68, 69. 
In 19 Jahren hatte die Kasse bezahlt an ßegräbnissgeld bei Unfällen 
14559 £j Wittwen- und Waisenunterstützuneen 79 52:^ / , an dauernd 
Invalide 38 016 an Altersschwache 52106 £\ für kleinere UnftUe 
66186^. Die Mitglieder hatten aufsebracht ^l4T3h £, die Gruben- 
besitter 96875 Ehrennittglleder 489 Sclieoknngeo hatteo betragen 
^>r.80 die Zinsen 1^ 294 jC — Von hobem Interesse ist auch derRflpOft 
of the General Committee on Minor Accidents. Mewcastle 1860. 
1) Siehe ,The Providern«, July 31st 1882. 

(Siehe die Tabelle auf folgender Seite.; 



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.V. 1. 



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S64 



V. 1 



in Somersetshire entstanden zu sein scheint, sich dort ver- 
breitete und später in der genannten M. W. H. S. in Nottiüg- 
hamshlre im Jahre 1856 and in einem der jüngsten Grafeehafti* 
vereine Aufnahme fand. Diese Kasse war die «Nottingham 
County Friendly Society*, welche im Jahre 1849 in Newark ge- 
grün(iet wurde, aher sich in dieser Periode refoimirte. Das 
Banksystem der M. W. H. 5^. liesteht in Folfjendem. Der 
üeberschuss, welcher am Ende eines Jahres in der Kasse exi- 
stirt, wird unter die Mitglieder vertheilt. So weit ist die Kasse 
eine theilende Gesellschaft Der Betrag, welcher die «Bank* 
eines Bfitgliedes genannt wird, wird jedoch nicht ansgeiahlt, 
sondern demselben gutgeschrieben. Während seiner Krankheit 
erhalt das Mitglied 8 Wochen lang 8 s. wöchentlich aas der 
gemeinsamen Kasse, in den folgenden 8 Wochen nur 4 die 
übrigen 4 s. muss es aus seiner Bank nehmen. Dauert die 
Krankheit länger als 16 Wodien. so erhält es so lange 2 s 
aus der allgemeinen Kasse, als es 2 s. aus seiner Bank zu 
entnehmen im Stande ist Im Falle seine Bank ei*schöpft ist, 
kann das Mitglied erst nach dem nftehsten Jahresabschlüsse 
wieder Krankengeld aas der gemeinsamen Kasse beziehen. Es 
ist ihm gestattet, ausser seinen Beiträgen Einlagen zu machen. 
Dieselben tragen Zinsen. ])erechtigen es aber nicht ZU einem 
Zuschüsse aus der gemeinsamen Kasse. 

Nach der Dai-stellung des einfacheren und jünireren Systenus 
wird es leichter sein, das verwickeitere und altere des Pfarrers 
▼on Abbots Ann zu Andover, des Hon. Samuel Best zu Ter- 
stehen. Doch macht es immerhin einige Schwierigkeiten und 
wir werden daher etwas ausführlicher sein, aaf die Gefahr hin, 
uns zu wiederholen. I)iesen Weg schlagen wir um so lieber 
ein, als wir das System Best's welches auch in England nicht 
ganz verstanden wird, völlig klar legen möchten. 

Die Abbots Ann Provident Society ist zunächst eine Spar- 
bank. Ein Jeder kann in uu regelmässigen Zeiträumen ver- 
zinsliehe Einlagen von unbeschrftiÜEter Grftsse machen. Dodi 
mnss der Einleger (Dnncan! S. 85 d. S.) monatlich wenigstens 
einen Penny beitragen, sonst verfällt er in Strafe. In dieser 
Einrichtung liegt nur eine Anregung der selbstsüchtigen In- 
stinkte. Doch sucht der Begründer der Sparbank auch die 
sympathischen in Bewegung zu setzen. ,Bear ye one another's 
burdens!' ruft das den Statuten vorgesetzte Motto den Ein- 
legern zu. Um ihnen Gelegenheit zu geben, ihre Menschen- 
liebe za beth&tigen, hat er für die Einleger auch eine Hilfe- 
kasse gegründet, welche jedoch nicht bloss in ftusserlicher Be- 
ziehung zu der Sparbank steht, sondern so innig mit ihr ver- 
wafhsen ist , dass sie gar kein selbständiges Leben hat, ganz 
in der Sparbank aufireht. Natürlich wird das christliclie Tragen 
der Bürde des Mitmenschen nicht erzwungen. Der Eintritt in 
die Hilfskasse ist völlig freiwillig. Wer nur Eiuiagea iu die 



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865 



Sparbank machen will, dem ist es unverwehrt, der bleibt ein 
Eirilef?er (depositor). Diejenigen, welche der Hilfskasse bei- 
treten, werden Mitglieder (members) der Provident Society. 
Da es auch Ehrenmitglieder gibt, welche einen Zuschuss geben, 
ohne eine Unterstützung anzunehmen, so unifasst der Verein 
also Einleger, Mitglieder, Ehrenmitglieder. 

In welchen Lebenslagen sollen nun die Mitglieder einander 
unterstützen? Vor Allem in der Krankheit. Haben sie, wie 
in einer Hilfskasse, in kleineren Perioden einen Beitrag, viel- 
leicht graduirte Prämien zu entrichten? Durchaus nicht Von 
den Sparkasseneinlagen des Mitgliedes wird jähr- 
lich ein bestimmter Betrag entnommen und diese 
Beträge sämmtlicher Mitglieder bilden den Unters tützungsfouds. 
Man wild es jetzt selbstverstftndlieh finden, dass ein Zwang 
zu Prftmienbeitrftgen in bestimmten Perioden nicht ezistirt, da 
alle Beträge zunächst als Einlagen in die Sparbank 
fliessen. Der Natur der Sache nach brauchen die Beiträge 
nicht Summen von gleicher Höhe zu sein. Das Mitglied zahlt 
in die Sparbank bald wenig, bald viel ein. Der Zwang zu 
einem monatlichen Beitrage von einem Penny ist eher eine 
moralische, als eine versicherungstecbnische Massregel. Es 
])rügt sich in ihr der Geist eines Seelenhirten ans, der in 
seinen Pfurkindeni ökonomische Tugenden entwickeln möchte. 

Und nun wird man frairen: Wie gross sind die Beitr.iiio, 
welche von den Finlagen der Mitglieder abgezogen werden? 
Sie müssen natürlich so gross sein, um die von dieser kon- 
kreten Gesellschaft verausgabten Unterstützungen decken zu 
können. Weiss man aber im Voraus, was die Kasse zu zahlen 
haben wird.'' Nein! Aber man kann berechnen, was in ver- 
gangenen Jahren verausgabt worden ist, und sehliesst, ohne 
einen Aktuar zu Hilfe zu nehmen, dass es im nächsten Jahre 
auch so sein werde. Das wird nicht immer genau fiberein- 
stimmen, aber die Kasse hat dafür aucli das Recht, in Noth- 
fällen Umlagen auszuschieihen , — anderer Hilfsmittel zu ge- 
schweigen, die wir t)ald erwähnen werden — die sie leicht ein- 
treiben kann, da das Geld ja in der ^Sparkasse bereit liegt. 
Am Ende jedes Jahres wird nämlich die Krankheitsdauer 
aller Mitglieder in den fünf vorhergehenden Jahren durch die 
Zahl aller Mitglieder dividirt So erhält man eine be- 
stimmte Anzahl von Tagen. Es waren in fünf Jahren z. B. 
18 000 Krankheitstage, die Zahl aller Mitglieder betrug 
5 X 600 = 3(»(K>, folglich entfielen in jedem Jahre auf jedes 
Mitglied im Durchschnitt 6 Tage. Dieser Quotient 0 bildet 
die Basis der Prämienberechnung. Man sehliesst, dass jedes ♦ 
Mitglied in dem folgenden Jahre 6 Tage Krankheit durchzu- 
madien haben wird. Es muss also für 6 Tage Krankheit be- 
zahlen. Verlangt es ein Krankengeld von 1 Schilling, so hat 
es 6 Schillinge zu entrichten, welche von seinen Sparkassen- 



866 



einladen abgezogen werden, verlangt es 2 s. täglich, so beträgt 
sein Beitrag 12 s. Ist die Anzahl der Mitglieder inzwischen 
auf 700 angewachsen und beträgt der Unterst iltzunyssatz aller 
Mitglieder beiäpieläweiäe 1 s., so sieht die Kasöc mit einem 
Vermögen von 4200 Schillingen Yertranensvoll den Krankheiten 
des Jahres entgegen. Sind die Krankheitsanfölle heftiger, 
häufiger, andauernder, dann müssen Umlagen ausgeschrieben 
werden. Ist es aber ein besonders gutes Jahr, dann muss 
sich ein Ueberschuss ergeben, der theilweise auf künftige Jahre 
übertrafen wird. Der Ueberschuss wird weiter gebildet aus 
den Reiträjzen der Ehrenmitglieder, aus Strafen und aus der 
iiiuteriatihensciiaft der austretenden Mitglieder. Da nämlich, 
wie wir noch einmal wiederholen wollen, die Provident Society 
^ne Sparbank ist, so kann jedes Mitglied nach vorausge- 
gangener oder vierteQfthrlicher Kündigung sein Geld heraus* 
nehmen. Aber es muss das Kraiikengeid für 4 Wochen zu- 
rücklassen, welches dem Vermögen der üilfskasse überwiesen 
wird. 

Und nun wird man sein Verdamiuuugsurtheil über diese 
Kasse schon ausgesprochen haben. Im Grunde, wird man sagen, 
sind die Beiti^e gleich. Wenn ein Zwanzigjähriger und ein 
Sedudglilhriger denselben UnterstOtzungsatz gewählt haben, 
dann bezahlen sie doch dasselbe? Das ist ohne Zweifel wahr. 
Der Zwünziejährige, gesunde Mensch, der wenig Krankheit zu 
erwarten hat, wird man entgegnen, bezahlt also ebenso viel wie 
der sechzigjährige alte Mann, der möglicherweise drei Monate 
das Jahr krank ist Ist es gerecht, wird man fortfahren, da^ä 
in dieser Weise der Gesunde für den Kranken, der Wohl- 
habende für den Armen, der Sparsame fbr den Verschwender 
sorgt? Ist das christlich? Die Einen regt man zur Sparsam- 
keit an, damit die Andern unterhalten werden können. 

So sieht es in der That aus. Mancher hat dieses Urtheil 
gefälU , und Samuel Rest kannte sein eigenes Kind so wenig, 
dass er vor der Königlichen Kommission im Jahre 1873 aus- 
sagte, das Bestehen der Gesellschaft hinge von dem Einströmen 
junger Elemente ab Doch Ist es dn Irrthum. In Wirklich- 
keit bezahlen nicht die Jungen Akr die Alten, die Gesunden 
für die Kranken, die Sparsamen für die Verschwender. 

Denn, wenn auch die Beiträge im Grunde genommen gleich 
sind, so kann andererseits der Verschwender nicht so viel Kranken- 
geld beziehen wie <ler (iesunde, der Alte nicht so viel wie der 
Junge. Aber ist das nicht wiederum ungerecht, wird man ent- 
gegnen, (iass ein alter Mann, welcher die sorgsamste Ttiege nöthig 
hat, nicht so gut versorgt ist wie ein Junger, der sie nicht 
braucht? Auch diese Frage wird sich bald von selbst beantworten. 
Es existiren nämlich fünf Alters- und Eonstitutionsklassen. In 



>) qa. 26248. Third Report VoL XXU. ISiä. 



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V. 1. 



367 



eine derselben wird jedes Mitjjlied auff^enomineii. Die fünf 
Klassen haben ein ungleiches Recht auf den Unterstützungs- 
fonds. IhitJ Berechtigung verhält sich wie 9:8:6:4:2. So 
wird die Wirkung einer Uniformität der Beiträge wieder auf- 
gehoben. Der Jttoge kann in einem Krankheitsfälle viel be- 
ziehen, aber er wird wenig beziehen, da sein Alter wenig von 
Krankheiten heimgesucht ist ; der Alte wttrde viel beziehen, da 
er häiifi;j:er krank wird, aber er kann in jedem Ffille nur eine 
unbedeutende Summe herausnehmen Da ist, wird man ent- 
geLTien, ein neuer Mangel des Systems zu Tatre getreten. Der 
Junge steht in grösster Versueliung. Krankheiten zu siniuliren. 
VTir lassen auch diese Entgegnung vorläufig unbeantwortet, 
und machen darauf aufinerksam, dass diese Einrichtung unter 
einem allerdings etwas fremdartigen Aeusseren das deutlidie 
Gepräge einer Versicherungskasse zeigt. Ob sie nach strengen 
Versicherungsprinzipien verwaltet wird, das liis'^t sich bis zu 
einem gewissen Grade beurtheilen, wenn wir die fUnf Klassen 
nebeneinander stellen. 



I 



B 



D 



Gesunde 
Männer unter 
85 Jabren, 

ohne Erb- 
fehler in ihrer 
Familie, wel- 
che kein ge- 
sondheits- 
Bchädiicbes 



1) Gesunde 
Männer unter 
45 Jabren, 

mit Erbfeh- 
ler und 2) 'je- 
«unde 1 raueu 
ohne Erbfeh- 
ler unter 40 
Jahren 



1) Gesunde Frauen unter 



Frauen unter 
•'»O Jahren mit 

Erbfehler und 
2) Männer 
von zweifel- 
hafter (M'sund- 
heit oder die 
ein ungesun- 
des Gewerbe 
belmbttii* 



60 Jahren 
mit zweifel- 
hafter Ge- 
sundheit 



Umt';iS3t AU^ 

welche in 
einer der 

anderen 
Klassen nicht 
aufgenommen 
werden 
konnleo. 



Wenn das versicherte Krankengeld 1 Schilling beträgt, erhalten die 
kraoken SQtgUeder ans d«r Unterstotnuiialcaate in Klasse 



9 d. 



I. 
I 



8 d. 



6 d. 



4 d. 



2 d. 



£b kt eraehtlich, dass nur dann Gerechtigkeit henseht, 
wenn die Summe der Krankheitstage jeder Klasse, mnltiplizirt 

mit dem Krankheitssatze jeder Klasse, denselben Betra^x er- 
gibt. Sei z. B. die durchsdmittliche Krankheitsdauer G Tage, 
der Unterstützunjrssatz 1 s., so muss das Produkt aus Krank- 
heitsdauer und linterstatzungssatz 6 s. = 72 Pence ergeben. 
Ä. B. C. D. £. 

9 d. 8 d. Ö d. 4 d. 2 d. 

8 Ta^e _^ Tage 12^age 18 Ta^ie 30^ Taue 

72 d. 72 d. 72 d. 72 d. 72 d. 



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368 



V. 1. 



Die Krankheilbdauer der Klassen müsste sich verhalten 
ivie 8:9:12:18:86. 

Ob die Krankheitsdauer der yerschiedenen Klassen in 
diesem Verhalt niss zu einander steht, darüber lässt sich auf 
Grund der vorhandenen Untersuchungen kein ürtheil fällen. 
Unseres Wissens besteht keine Statistik, welche mit -so mibe- 
stimniten Begrift'eu wie Erbfehler, zweifelhafte Gesundheit und 
ungesundes Gewerbe operirt hat, noch operiren könnte. Wenn 
sie den Einfluss ungesunder Gewerbe auf die Gesundheit nnter- 
sneht, dann wird ihr naturgemäsa die Sondemng der Gewerbe 
aufgedrängt. Aber die Kasse selbst könnte diese Statistik 
na(ä ihren Eifahrungen liefern, was sie jedoch, so viel uns be- 
kannt ist, bis jetzt nicht gethan hat. 

Es ist nun Zweierlei ersichtlich. Erstens sammelt die Pro- 
vident Society keinen Reservefonds an. Sie erhebt nur so viele 
Beiträge, als voraussichtlich in einem Jahre zur Bestreitung 
der nothwendtgen Ausgaben nöthig sind. Der kleine Ueber- 
sebnss dient zur Ausgleichung der jährlichen Ausgaben ^). Sie 
ist eine permanente, jährlich tbeilende Gesellschaft. Zweitens 
deckt sie oder sucht sie doch den Betrag sämmt- 
lieber Unterstützungen in kurzen Perioden aus den 
Beitrügen d er M i tgl i ed e r zu decken. Eine solche 
Kasse kann uaturiich nicht zahlungsunfähig werden. 

Eine deutlichere Einsicht in die Nothwendigkeit der 
finanziellen Sicherheit dieser Kasse wird man erst gewinnen» 
wenn wir ihren wichtigsten, originalsten Zug erwähnen, den 
wir bis jetzt übergangen haben, um der Darstellung die nöthige 
Deutlichkeit zu wahren. 

Offenbar kann ein altes Mitglied nicht von 2 d., oder 4 d. 
täglich leben. Es muss irgend woher ein Zuschuss kommen. Und 
der inuss nach den Statuten aus seinen Einlagen in die Sparkasse 
kommen. Wenn es den Zuachuss aus seinen Einlagen 
nicht mehr bestreiten kann, so hört die Unterstützung 
aal Zu jedem Schilling Krankengeld steuert die Klasse A 
aus ihren Ersparnissen 3 d., die Klasse B 4 d., die Klasse C 
6 d., die Klasse D 8 d.. die Klasse E 9 d. bei. Wenn also 
z. B. ein Mitghedder Klasse B nicht zu jeden 8 d., die aus 
dem Uuterstüt«ungsfonds fiiessen, 4 d. zuschiessen kann, so er- 
hftlt 68 nicht länger Unterstützung. 

Hieraus ergiebt sich, dass die Prämien zu hoch sein 
müssen, und zwar um den Beitrag, welchen die Mitglieder aus 
ihren Einla-en entnt Innen. Denn wenn die Kasse den Betrag 
sninnitlicher Unterstützungen aus den Prämien erhebt, und 
(loch nur einen Iheil auszahlt, so müssen die Prämien grOsser 




Sir George Young a Report 8. 28. 



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V. 1. 



369 



spoint, schon in frühester Jugend zu sparen. Denn sie erhalten 
im Alter um so länger Unterstützung, je grösser ihre Einlagen 
in die Sparkasse sind. Und hier möchten wir wieder darauf 
aofinerksam machen, in wie bervoiTagendem Grade die Pro- 
vident Soeiety den Charakter einer VendcheningsgeBellsdiaft 
trilgt. Denn was ist der geschilderte Vorgang anden, als dass 
der Versicherte in seiner Jugend die Reserven ansammelt, die 
er im Alter vei-zehrt? Der Untei-schied zwisrhen der P. S. 
und jeder Lebensversicherungsanstalt besteht nur darin, dass 
das Mitglied der P. S. den Vorgang deutlich fühlt, ohne ihn 
yielleicht zu vei'Stehen, während der in einer gewöhnlichen 
Lebenaversicheningsanstalt Versidierte ihn weder fühlt, noch 
immer versteht Kassen nach dem Master der P. S. hahen 
daher den Vortheil, dass sie das Wesen der Versicherung deut- 
licher zum Bewusstsein brin^ren können. 

Jetzt werden sich die früheren Entgegnungen von selbst 
beantworten. Es liegt keine T 'ngerechtigkeit darin, dass der 
JOnjrere einen grösseren Zuschuss bezieht, als der Aeltere. Auch 
darin zeigt f^ich die Gerechtigkeit dieses Systems, dass der 
Jüngere, welcher viel beziehen darf, noch keine bedeutenden 
Einlagen hat machen können, während es dem Aelteren wohl 
▼ei-gönnt war. Der jQngere hat anch keine Versuchung, Krank- 
heiten zu simuliren, denn wenn er Krankengeld beziehen will, 
so muss er einen Theil aus seinen Ei*sparnisscn bestreiten, und 
die werden in der Mehrzahl aller Fälle unbedeutend sein. Ueber- 
haupt wird dem Betrüge in allen Klassen wirksam durcli die 
Erwägung gesteuert, dass Jeder zugleich seine Ersparnisse an- 
greifen muss, wenn er dem gemeinsamen Unterstützungsfonds 
zur Last ftllt. Daher wird nun wieder die Krankhwtsdauer 
vermindert, und der Prämienhetrag datf geringer sein, als in 
anderen Hilfskassen. In Vereinen^ welche zugleich das gewöhn- 
liche Versicheninirssystem und das Best'scbe anwenden, hat man 
eine p^rosse Verschiedenheit in der Krankheitsdauer der beiden 
Klassen von Versicherten gefunden. Es versdiwindet damit 
auch die so natürliche Befürchtung, dass die hohen Prämien 
Manchen von dem Eintritte abhalten könnten. Es ist ausser- 
dem ersichtlich, dass die Gesellschaft ohne besonderen Ueber> 
wacbungsapparat sich wirksam gegen Betrug schützen kann. 
Der Gedanke liegt nahe, und wird Jedem wie Sir George Young 
aufgestiegen sein, dass hierdurch die gegen eine Staats- oder 
Postkrankenkasse — wenn dieses Svstem eingeführt wird — ge- 
richteten Einwürfe einigermassen abgeschwächt werden. „Wenn 
solch eine Kasse jemals errichtet werden sollte, meint Sir 
G. Young, so denke ich, muss sie auf Best's Prinzip in irgend 
einer Form aufgebaut werden'^')* 



») a. a. 0. S. 25. 

Fonchuugen (2)) V. 1. - liaabach. 24 



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370 



V. 1. 



Die Obrigeu Versicherungszweige lassen sich nun mit 
wenigen Worten erledigen. Die ärztliche Untei-stützung wird 
sttm grteBten Theil ans einer jähriiehen Umlage bestritten. 
Klaaee A zahlt 2 s.; B 2 s. 6 d.; C 3 s; D 4 s.; E. nach Be- 
stimmung des Ausschusses. Um auch hier wieder die Selbst- 
sucht einzuschränken, hat das Mitglied einen Theil der Aii!iiraben 
nach Massfjabe seines individuellen Bedürfnisses zu entricliten. 

Nach 70 Jahren soll eine Altersrente anfiinpen, welche aus 
dem AlteröunterstützuDgsfonds bestiiittu wird. Es tliesst in 
denselben 1) ein TheÜ des j ährlichen Ueberschusses, 2) eine Um* 
läge in der Hdhe des Krankengeldes für einen Tag, wenn das 
Mitglied 40 Jahre bei seinem Eintritt alt war, von zwei Tagen, 
wenn es 40- 50 Jahre alt war, und von drei Tajren. wenn es 
älter als 5<» Jahre war. Selbstverständlich darf der Ausschuss 
ausserordentliche Umlagen ausschreiben, und muss das Mitglied 
einen Theil der Unterstützungen, und zwar ein Viertel derselben, 
aus seinen Einlagen in der Sparbauk bestreiten. Doch darf das 
Mitglied als Altersrente nicht mehr als die Hüfte des Kranken- 
unterstützungssatzes empfangen, zu welchem es in den vorher- 
gehenden 10 Jahren berechtigt war. 

Ein Begräbnissgeld ist unter den Unterstützungen nicht 
vorgesehen. Vielleicht wird vorausgesetzt, dass Jeder in seinem 
Lel»en so viel ei-spatt habe, um seinen Hinterbiiebeuen eine 
kleine Summe hinterlassen zu können. 

Eine Durchbrechung des strengen Versicherungspriuzipes • 
findet sich in der Bestimmung, dass ein Mitglied, dessen An- 
lagen erschöpft sind, soviel Tage lang die Hälfte seiner Unter- 
stützung aus dem Unterstatzungsfonds erhalten darf, als es vor- 
her hintereinander eine Unterstützung bezogen hat. Eine 
eigenthümliche Bestimmung ist folgende. Wenn ein Mitglied 
stirbt, und Einlagen in der Sparkasse hat, dann soll aus seinen 
Einlagen der Theil zurückgezahlt werden, welchen es aus dem 
Altersunterstützungsfonds erhalten hat. Doch darf diese zurück- 
zuzahlende Summe nicht mehr als die HftUte seiner Einlagen be- 
tragen. Die andere Hälfte muss seinen Erben ausgezahlt werden. 

Die Verwaltungskosten werden besonders erhoben. 

Die übrigen Ziele der P. S. erwähnen wir kurz. Die Spar- 
kasse nimmt Beträge solcher Personen auf, welche Angehörige 
ausstatten wollen. Aus dem .Parochial Manual', einer äussei-st 
lesenswerthen Schrift S. Best s, ersieht man, dass in der ei-sten 
Zeit ihres Bestehens ein Kohlen- und Tuch-Kluh in bekannter 
Foim mit der Gesellschaft verbunden war. Im Jahre 1871 
wurde eine Schulkasse nach den Prinzipien der P. S. gegrQndet^ 
Ausserdem ist es Arbeitgebern gestattet, in die Sparkasse ein 
Kapital einzuzahlen . aus dem den Arbeitern derselben ein 
Zuschuss zu ihren Unterstützungen gewidirt wird. (Lord llar- 
court! S. 5(5 d. S ) Auf ähnlicher Basis beruht eiu Yiehklub 
(Schweineversicherung}. 



^ i^ -o uy Google 



371 



Da das Best'sche System bis jetzt noch so weni^ in seinem 
wahren Charakter verstanden wird, wollen wir einige Einwea- 
duogen betrachten, welche gegen (lasselbe erhoben werden. 

Die Gegner setzen den Fall, dass fast alle Mitglieder plötz- 
lieh aus der Kasse austreten, ihre Einlagen zurückziehen, und 
fragen : Woraus entnehmen denn die Uebrigbleibenden den Zn- 
schuss zu ihrem Krankengelde? Wie kann da die Provident 
Society behaupten, sie garantire einem Mitgliede in Klasse A zu 
jedem V in der Sparbank 3 £ aus der gemeinsamen Kasse? 
Jeder sieht ein, dass dieser Fall nicht unmöglich, aber unwahr- 
scheinlich ist. Es hat für die Theorie einigen Werth, für die 
Praxis keinen. Aehnlicher Natur ist der Einwand gegen das 
Recht der Zettelbanken, mehr Noten ausgeben zu dürfen, als 
ihr eingezahltes Grundkapital beträgt. Aber Best hat für 
diesen Fall Vorsorge getroffen. Wie wir erwähnten, ist vor- 
geschrieben, dass ein Jeder beim Austritte aus der Gesell- 
schaft eine Summe zurücklassen muss, welche in die Kranken- 
kasse tliesst. Ohne Zweifel würden die Wenigen bei der 
Hinterlassenschaft der Vielen sich ganz wohl betinden. Es 
muss zwar zugestanden werden , dass der Antrieb aus einer 
gewöhnlichen HjUlskasse auszutreten nicht so gross ist, wie die 
Verlockung, der Vereinigten Spar- und Hilfekasse den Rücken 
zu kehren, weil das Mitglied in der letzteren seine angesparten 
Reserven in der Gestalt von Pfunden, Schillingen und Pence 
kennt, während es dieselben in seinem Klub nicht zu berech- 
nen vermag. Doch muss man andererseits diesen Zug unserer 
Natur nicht tibersehen, dass die Freude am Besitze durch den 
Besitz erweckt wird und mit demselben wächst. Das Gegen- 
mittel ist also bei der Hand. Das Mitglied wird dnrdi seine 
Einlagen in der Sparbank zum Bleiben in derselben bewogen. 

Doch setzen wir den Fall , dass Alle bis auf Einen pl5tz* 
lieh austräten und Niemand eine Summe zurückzulassen 
biauohte. Setzen wir weiter den Fall, dass das Mitglied 
eine normale Gesundlieit hätte, und sein ganzes Leben im 
Stande wäre, die nöthigen Einlagen in die Sparbank zu 
machen. Unter normaler Gesundheit verstehen wir die Ge- 
sundheit, welche der Au&tellung der fünf Alters- und Konsti- 
tntionsklassen zu Grunde liegt In diesem Falle würde 
das 'Mitglied sich selbst erhalten, bis es die 
Grenze seiner Alters- und Konstitutionsklasse 
erreich t h iitte. 

Diese Antwort wird vielleicht tiberraschen, aber sie ist 
unseres Erachtens zutreffend , wenn wir das Wesen des Ver- 
sicherungswesens im Allgemeiuea und das Best'sche System 
im Besonderen richtig auflEassen. Das Versicherungswesen be- 
ruht durchaus nicht auf sympathischen Instinkten. Allen Be- 
rechnungen einer Versicherungsgesellsdiaft liegt der Gedanke 
zu Grunde, dass «Jeder' für seine eigenen F&hrlichkeiten auf- 

24* 



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372 



kommt. Nur ist der ,Jeder' nicht ein konkretes Wesen, son- 
dern ein abstrakter Durchschnittsmensch , der allen andern 
seiner Klasse , Gattung: u. s. w. gleich ist V). In Wirklichkeit 
ist jedoch der Eine dem Andern nicht gleich , der Eine pro- 
fitilrt bei diesen DurchschiiittsberecbnuDgen, der Andere Terliert, 
bei dem normalen Durchschnittsmenschen heben sich Plus und 
Minus. Diese Thatsache kann man sich zur deutlichsten An- 
schauunfT bringen, wenn man auf dem Papier eine gewisse An- 
zahl von Personen mit verschiedener Lebensdauer eine Ver- 
sicherung, der keine neuen Mitglieder mehr beitreten dürfen, 
eingehen lässt, (ias Durchschnittsalter berechnet, darauf hin eine 
Prämie (ohne Zinsen und Zinseszinsen in Betracht zu ziehen) 
berechnet, wobei man ebenfalls wieder» der Einfacheit wef^en, die- 
selbe Unterstützung annimmt, und nun in zehnjährigen Perioden 
das allmähliche Anschwellen und dann das allmähliche Abnehmen 
der Reserven beobachtet. Dabei eikennt man , dass die Per- 
sonen, deren Lebensdauer mit der durchschnittlichen Lebens- 
dauer übereinstimmt, ihre Unterstützungen bis auf Heller und 
Pieunig bezahlen, dass Einige mehr, Andere weniger bezahlen, 
als sie an UnterstHtcnngen erhalten, und die Verluste der Einen 
ans den Gewinnsten der Andern bestritten werden. Die Ver- 
lierer bezahlen für die Gewinner nicht aus Menschenliebe. 
Mit andern Worten, die Assoziation, auf welcher die Versiche- 
rung beruht, wurzelt nicht in menschlichei- Sympathie, sondern 
in der Unwissenheit. Die Versicherung ist ein Zwitter aus 
christlicher Sympathie nnd modernem Individualismus, Er 
trägt die Züge der Einen , und hat das Wesen des Anderen. 

Auch die Besfsche Kasse ist ein Versicherungsinstitut 
Jedes Mitglied soll für seine Unterstfitzungen aufkommen. 
bezahlt sein ganzes Lelicn lang dieselbe Prämie. Die Un- 
gerechtigkeit wird dadurcli paralysirt, dass es in der Sparbank 
die Reserven für sein Alter ansammeln muss. Hat man dieses 
Geheimniss des Best'sdien Systems begriffen — die Sammlung 
der Prämien in zwei getrennten Anstalten, ein Geheimniss, 
welches der Grttnder selber nicht entschleiert, so schwinden 
alle Einwände von selbst dahin. 

Man erkennt dann, dass die Berechtigung das Doppelte 
und Dreifache der Unterstützungen, welche das kranke .Mit- 
glied aus seinen Einlagen bezieht, aus der gemeinsamen Kasse 
entnehmon zu düifen, nur ein woliltliätigos Taschenspieler- 
kunststück ist. Es läuft darauf hinaus, dass man, anstatt 
von einem Manne eine Prämie von einer Mark zu fordern. 



') Wer zeigt uns den Faden auf, welcher diesen l^urchschnittsmen- 
Bchen des Versicherungswesens einer modernen Ökonomischen Institution 
mit dem abetrakten DurclnchiiittiBtienscIieB der moderneu politiflehen und 
ökonomischen Theorien vecliindet? Sie Bind auf giddiem Bodes, zur selben 
Zeit gel>oren. 



V. L 



378 



sich nur 75 Pfennige Vdii ihm geben lässt, ihn bewegt, 
25 JPfennige in einer anderen Kasse zu deponiren, und ihm 
dann anbietet, ihm 75 Pfennige zu schenken, wenn er die 
25 Pfennige wohl verwahre. Also auch hier sorgt jedes Mit- 
glied fQr 8ich. Selbstverständlich ist jedes Mitglied das ab- 
strakte Durchsclinittsmitglied. Darum durften wir behaupten, 
dass das Durchschnittsmitglied auch ganz allein, wenn es seine 
Beiträge pünktlich eiitrielitcn könne, iicdeilicn werde. Natllr- 
lich nur das DurrhschnittsniitLrlied, denn auch hier werden die 
Verlierer für die Gewinner bezahlen müssen. 

Wir beschränkten oben unsere Aussage. Wir sagten, das 
Durchschnittsroitglied werde sich so lange erhalten, bis es 
die Grenze seiner Alters- oder Konstitutionsklasse 
erreicht habe. Die Erörterung dieses Punktes wird nns 
gestatten, das letzte Dunkel des Systems aufzuhellen. Theo- 
retisch beruhen die gradweise abnehmenden Befugnisse der 
dieselben Prämien bezahlenden verschiedenen Klassen auf 
ihren gradweis zunehmenden Ausprüchrn. Wenn also ein 
Mitglied durch sein Alter oder durch zunehmende Kränklich- 
st thateächlich in dne neue Konstitutionsklasse versetzt 
wird, so wird es mehr Krankengeld besiehen wollen. Dazu 
sind aber seine Beiträge nicht zugeschnitten, nicht ausreichend. 
Es sollte daher auch rechtlich in dieselbe übergehen, und bei 
grösserer Ki-änklichkeit einen geringeren ünterstiUzungsatz be- 
ziehen. Darauf wird jedoch in der Abbots Ann P. S. nicht 
streng gehalten Das Mitglied verharrt gewöhnlich in der 
Klasse, welcher es bei seinem Eintritte zugewiesen wurde. Das 
widerepricht dem ganzen Systeme. Die Wirkung mnss die sein, dass 
die Mitglieder, welche froh eintreten und in der GesellscliaiEt 
bleiben, vor den andern bevorzugt werden. Darin scheint 
unseres Erarhtens aurli d'iv Erklärung dafür zu liegen, dass 
die Gesellschaft zu hohe Prämien fordern muss. Diese Ein- 
richtung ist refonnbedürftig. 

Die übrigen Einwendungen sind nicht stichhaltig. Wenn 
einmal keine jungen Mitglieder mehr der Gesellschaft bei- 
treten, heisst es, müssen die durchschnittliche Krankheitsdauer 
und die Prämien unverhältnissroässig steigen. Beweist dies etwas 
gegen das System? Ganz dasselbe wird sich in einer Hilfs- 
kasse mit einer Einheitsprämie ereignen. Nur ist der Miss- 
stand hier grösser. Das Defizit wird später erkannt werden, 
während es in einer Kasse nach dem Best'schen System sofort 

') ^ 11 der Statuten der A. A. 1'. S. lautet: „The Classification of 
llule lö (die Einthcilung in 5 Klassen) is probationary und open to revision 
at theend of the fiftb year from enrolnieiit, and always ou a member beconiing 
24 years of s<ie." Hiernach könnte jedes Mitglied nach tün^ähri^er Mit- 
gliedschaft einer neuen Klasse zugewiesen werden. Vor der Kommission 
•«gte jedoch BeBt: Wben once in, thnt ie tbeir fiied Clan. — And he 
ctanot be removed? — Vo. qn. 262S9 and qu. 26287. Third Report. 



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874 



V. 1. 



beniei klich wird. Wiedor einmal ist die Eiuweudung von eiuein 
ganz ungewöhnliclien Fall ^ienoininen. • 

Auf einen Mangel an Verständniss ist der Einwand zurück- 
zufahren, dass eine Kasse nach dem Best'schen Systeme keine 
Reserven ansammle. Ihre Yerwaltangsperiode ist immer nur 
auf ein Jahr berechnet, fikr die fölligea Unterstützungen des 
Jahres ist sie besser ausgestattet, als die meisten Obiigen 
Kassen. Ihre Reserven aber sammelt sie in der Sparbank an. 

Mehr Gewicht sclieint der Einwand zu haben, dass eine 
dauernde Untei-stützung dem Mit-zliede in der Provident So- 
ciety nicht versprochen weiden könne. Es sei im höchsten 
Maasse grausam, den Bezug einer Unterstataung von dem Be- 
sitze eines Guthabens in der Sparbank abh&ngig zu machen. 
Wenn es aber richtig ist, dass das Guthaben in der Sparbank 
als ein Theil der Prilniie aufcefasst werden muss, dann kann 
man in der Einrichtung ebensowenig eine Ungerechtigkeit 
finden, wie in der Forderung, dass derjenige keine Unter- 
stützungen erhalten soll, welcher seine Prämien nicht bezahlt 
hat. In schlechten Zeiten wird es den Mitgliedern einer Hilfis- 
kasse ebenso schwer werden, ihre Prfimien zu bezahlen, wie 
denjenigen der P. S. Einlagen zu machen. 

Man setze den Fall, entgegnet man, dass Jemand lange 
Zeit krank liegt. Wenn er nun keine bedeutenden Einlagen in 
der Sparbank hat, kann es da nicht vorkommen, dass er 
plötzlich, obgleich noch krank, auf alle Unterstützung ver- 
zichten muss V Das ist nicht zu leugnen. Aber ist es in den 
anderen Hilfekassen beasor? In dea meisten Friendly Sodeties 
ist eine Zeit ▼orgeschrieben, ttber weldie hinaus das Anrecht 
auf eine Untersttttaung verloren geht Das Best'sche System 
hat sogar noch einen Vorzug. Es beschränkt diese Zeit 
nicht. Und darum wieder ist es gerecht, dass das Kranken- 
geld, welches jedes Mitglied bezielit. in direktem Verhältniss 
zu seinen Einlagen steht. Auf diese Weise wird der Fehler 
der Uniformität der. Prämien des Einzelnen auf vei'schiedenen 
Altersstufen kompensirt, während die Uniformiert der Bei- 
träge der verschiedenen Klassen durch die ungleichen Rechte 
auf Untersttttzung paralysirt werden. 

Erwähnen wir noch kurz den letzten Angriff. Eine Epi- 
demie, sagt man, muss diese Kasse bald venüchten. Wir haben 
Epidemien gehabt, entgegnete Best vor dem Ausschusse, aber 
sie haben die Provident Society nicht vernichtet. Dieser Ein- 
wuii hat keine zwingende Kraft Es Itesm sieh Fälle denken, 
in denen die Krankenunterstfitzungen, welche gezahlt werden 
sollen, die Einlagen übersteigt n, die Kasse folglich bankerott 
wird. Aber wir müssen wieder fragen, was sich in solchen 
FiUlen in anderen Hilfskassen ereignen würde. Andere Hilfs- 
kassen, erwidert man, haben eine Summe in der Hantl, um 
allen Ansprüchen gerecht werden zu können. Dieser Einwurf 



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V. 1. 

I 



875 



ist nicht begründet. Er verkennt das Wesen der Versiche- 
rung. Eine Yersiclieruiitr-iresellschatt nennen wir zahlunpstahig, 
welche in jedem Augenblicke einen solchen Bruchtheil von 
Prämien angesammelt hat, als sie nach dem Resultate der 
DDrchschnittsberecbnung angesammelt haben muss, um endlieh 
ihre Verpflichtungen eiflülen za können. Es wäre aber unge- 
recht, von ihr an erwarten, daas sie mehr als jenen Bruch- 
theil, oder sogar das Ganze angesammelt hätte. Den Rest 
könnte sie nur aus Ueberschüssen oder aus dem Grundkapital 
bestreiten. Beide mögen die Sicherheit in einer Gesellschaft er- 
höhen, aber in den Berechnungen düiien sie nicht angesetzt 
werden. Die pericklische Bilanz eifordeit durchaus nicht, dass 
eine VersiehenuMKSResellschaft in jedem Augenblicke allen Ver* 
bindlichkeiten nachkommen kann, eine gtlnstige Bilanz besagt 
nur, dass eine Gesellschaft, welche auf dem betretenen Wege 
fortfährt, aller menschlichen Wahi-scheinlichkeit nach alle Ver- 
pflichtungen ei-fttllen kann. Eine gewöhnliche Hilfskasse ist 
also nicht besser daran als die P. S. Es lässt sich ein Fall 
denken , dass die Krankheit das gesammte Vermögen einer 
Kasae aufsehrt Im Falle sie den Stunn übersteht, iat die 
gewöhnliche Hilfekasse möglicherweise in schlimmerer Lage, 
als die P. S. Diese wird die höhere Krankheitsdauer in ihren 
Bcrcclmungen für das künftige Jahr erscheinen lassen und sicher 
sein, jene wird vielleicht in alter Weise fortschreiten, nur das 
Defizit zeigt sich Jahrzehnte später. 

Dies ist das Best sehe System. Für uns Deutsche ist das 
Wirken des Pfarrers von Abbots Ann sehr belebreud. Seine 
Thatigkeit war nicht bloss theoretisch. Er begnügte sich 
nicht damit, eine neue Hilfskasse erfunden zu haben, nein er 
führte seinen Plan in dem kleinen Wirkungskreise, ohne nach 
höheren Ehren zu geizen , durch und schuf eine gegen die 
ärgste Noth geschützte Bevölkerung. Best war der nach- 
geborene Sohn einer englischen Adclsfamilie. Auf dem Konti- 
nente würde ihn sein Adelstitel an einer segensreichen sozialen 
Thatigkeit in kleinen Verhältnissen wahrsdieinlich verhindert 
haben. Er hätte wahrscheinlich die Zahl der Offiziere, Re- 
ferendare oder vielleicht sogar der MOssiggänger vermehren 
helfen; wäre er Katholik gewesen und in den geistlichen Stand 
getreten, so hätte er mindestens Domherr werden wollen. — 
Seine Kasse leitete er selbst über 40 Jahre £r starb, wenn 



') l'elter die Abbots Ann P. 8. vergleiche Fourth Report etc. S. 
LXXXIV, s Host's Aussa'^'en vor der K. K. qu. 2«i 14;]— 2635:'.. Third 
Keport, bir Geurge Voung's Iteport, S. 2A tg. uud Best's Sclihften, be- 
Bonden sein Parodiial Manual. — Einige Notizen habe ich von Herrn 
Paw, dem Sebetlr erhalten. Folgendes der 50. Jahretbericht: 

(Siehe folgende Seite.) 



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376 



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V. 1. 



877 



wir nicht irren, im Jahre 1873. lieber sein Leben wurden 
nur einige Notizen in der Lokalpresse zur Zeit seines Todes 
veröffentlicht. 

Es dauerte ein ganzes Yierteljahrhundert, ehe sein System 
die nahe Grenze fibenchritt, und in der Wiltshire Friendly 
Society Eingang fand. Wir berichteten, dass sie im Jahre 
1828 ge^Qndet wurde und ganz unter der Leitung der Gentry 
stand. Zuerst machte sie nur langsame Fortschritte. Wenn sie 
heute zu einer der besten Hilfskassen En«;lands herangewachsen 
ist, so verdankt sie dies einem treftiichen Manne, den wir in 
der Geschichte der englischen Hilfskasseiigesetzyebung schon 
häufig zu erwfthnen Gelegenheit gehabt haben, dem Herrn 
So(heron*E8t€Ourt. Die Geschichte seines Wirkens giebt uns 
Deutschen wieder zu denken. Sotheron-Estcourt begnOgte sich 
nicht damit, in Westminster für die Hilfskassen Reden zu halten, 
nein er war unermüdlich für das Gedeihen der Wiltshire County 
S. thiitig, er war nicht zufrieden damit, die Klinke der Ge- 
setzgebung in die Hand zu nehmen, er verrichtete lange, lange 
Jahre die Arbeit eines Sekretärs der Hilfskasse. 

Sotheron-Estcourt erkannte das Grandgebrechen der Graf- 
schaftsvereine darin, dass sie die Selbstverwaltung aus der 
Hand der arbeitenden Klassen nehmen. Im Jahre 1840 gab 
er den Versicherten einen Antheil ;ni der Verwaltunpr. Zur 
selben Zeit wurde die unnatürliche Eintheilung in Distrikte aufge- 
hoben und durch die natürlichere in Pfarreien ersetzt. Den 
Lokalvereinen übertrug er die gesammte lokale Verwaltung. 
Dieser Grafechaftsverein nftherte sich nnn dem Typus der 
Arbeiterorden. Sotheron-Estcourt war auch zu weitherzig oder 
zu klug, um das soziale Element verbannen zu wollen. Hatten 
die arbeitenden Klassen nicht ebensoviel Anrecht auf Erholung 
und menschliche Lebensfreude wie die höheren? Sollten sie nur 
darben und sparen, um den wohlhabenderen die Armensteuer zu 
erleichtern? Es handelte sich nur darum, den Erbfeind des 
Arbeiters, den Schaukwirth, fenizuhalten, und Sorge zu tragen, 
dass die für die Erholung auszugebenden Summen nicht aus 
der Kasse bestritten worden. Er führte desshalb jährliche 
Feste ein, deren Kosten aus einem besonderen Fond aufge- 
bracht werden müssen, und welche nicht in Wirthshäusern statt- 
finden dürfen \). Mitte der fünfziger Jahre führte er das Best'sche 
System neben dem alten Versicherungssysteme ein. Die 
5 Alters-, Gegchlechts- und Konstitutionsklasseii Best's sind hier 
auf 3 Alters- und Geschlechtsklassen beschränkt Die Klasse A 
mnfasBt Mftnner, weldie bei ihrem Eintritte weniger als dO Jahre 
zählen, die Klasse B Männer unter 40, Frauen unter 35, die 

') .,By means of what we call festivals (that is to say, a joUiticatioa 
promoted in each parish where we have a brauch), a yast amooDt of in« 
fonnation is distributed. «(ood fellowship and g03d miderstandin^r are pro- 
moted l>etween different claases.'* S.-E. s Aussage qa. (itil. Secood Report. 



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378 



V. 1 



Klasse C Männer über 40, Frauen über 85. Der Zuschuss (eine 
Krankenunterstützunp von einem Schilling' voraus'^esetzt) aus 
der gemeinsamen Kasse beträft für die drei Klassen 9 d., 8 d., 
resp. 6 d. Der Charakter der Hilfskasse wird dadurch mehr 
gewahrt, dass regelmässige moni^iche Beitrage yorgeschrieben 
sind (jedesmal ein T&s Krankengeld). Doch darf jedes Mit- 
glied ausserdem beliebig Einzahlungen machen , so lau^e es 
nicbt CO Jahre alt und mit seinen Beitnlpen nicht im Rück- 
stände ist. Aus diesen Kinlasfen hat es alle seine Kranken- 
gelder zu bestreiten. Jedes Mitglied muss in der Kasse einen 
eisernen, unangreifbaren Bestiiiid haben, den »member's rest\ 
dessen Hdhe auf 12 Prftmienbeiträge festgestellt ist Wenn 
derselbe die vorgeschriebene Hohe nicht erreicht, hat das Mit- 
glied keinen Anspruch auf Kianken^reld. Die Wiltshire Friendly 
Society schreibt am Ende jedes Jahres den Ueberschuss den 
Mitgliedern put und zwar nach dem Verhilltniss der jährlichen 
Beiträq^e. Das Komplement liept in dem liechte der Kasse, 
in Nothfällen Unda^en auszuschreiben. In die Alierskasse tliessen 
Beiträge der Mitglieder, alle Sti alen und Geschenke der Ehren- 
mitglieder. Die eine Hfllfte der Altenrente wird ans der allge« 
meinen Alterskasse, die andere aus den Einlagen der Mitglieder 
bezahlt. Beim Tode eines Mitgliedes wird sein Vermögen in 
der Kasse an seine Erben ausbezahlt. Die Beiträge der Eiiren- 
mitplieder werden zur Hälfte für die Bestreitung der Kosten 
der Eestlichkeiten, zur andern Hälfte der Verwaltung ver- 
wendet'). — Im Jahre 1BÜ8 wurde das System in der Hamp- 
shire Friendly Society, dem früher erwähnten, 1825 gegrün- 
deten Orafechaftsverein eingeführt Er reduzirte die fOnf Klassen 
der P. S. auf 4 Konstitutions- und GeschlechtsklasBen, in welche die 
Mitglieder beim Eintritt aufgenommen werden. Klasse A umfasst 
gesunde Männer, ohne Erbfehler, welche keine gesundheitsschäd- 
lichen Gewerbe betrpil)en. Klasse B gesunde Männer mit Erbfehler 
und gesunde Fraiu'n ohne Erbfehler, Klasse C gesunde Fi aiien 
mit Erbfehler, Männer von zweifelhafter Gesundheit und solche, 
welche ein gesundheitsschädliches Gewerbe betreiben. Klasse D 
Frauen von zweifelhafter Gesundheit, welche ein ungesundes Ge- 
werbe betreiben. Doch wird der Einfluss des Alters in die 
Berechnung aufgenommen. Denn die Mitglieder werden mit 
vorschreitend ein Alter einer höheren Klasse überwiesen, und 
zwar alle zehn Jahre, welche nach ihrem 25. .iahre verflossen 
sind, wenn sie Männer, und alle zehn Jahre, welche nach ihrem 
30. Jahre verflossen sind, wenn sie Frauen sind. Wir be- 
merkten früher, wie notb wendig uns diese Anordnung schien. 



^) Ich reterire nach den 1879 geänderten öt&tuten und nach Mii- 
theQoogeD von Herrn D. Owen; in den frQberen dnige nnbedratende iÜH 
weiehnngen. 

(Siehe den Jahresbericht aof folgender Seite.) 



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380 



Diese Veränderunf^ bringt eine Verminderung der Ansprüche auf 
die gemeinsame Kasse mit sich. Sie sinken für jeden Schillunj? von 

9 auf 8, auf G und endlich auf 4 d. in Klasse D. In diesem 
Verein werden wie in dem benachbarten Wiltshirer höhere Prft- 
mien erhoben, als nOthig dnd. Sie betragen jeden Monat 
einen Tag Krankengeld. Der Ueberschuss wird den Mitgliedern 
am Ende des Jahres gut geschrieben. Dagegen ist kein unan- 
greifbarer liest für die Mitglieder vorgeschrieben. Dafür er- 
scheint hier die Bestimmung wieder, dass jedes Mitglied beim 
Austritt 12 Tage Krankengeld in der Kasse zurücklassen muss. 
Beim Tode eines Mitgliedes dürfen aus dem Vermögen vor- 
läufig 5 zur Bestreitung des Begräbnisses entnommen wer- 
den 1). 

Einen noch höheren Aufschwang nahm das Best'sche Sy- 
stem im Jahre 1868. In Surrey, welches bis dahin keinen 
Grafschafts verein gehabt hatte, wurde ein solcher nach dem 
Systeme Best's gegründet. Einer der thätigsten Gründer war 
ein Geistlicher, Herr G. R. Portal, Pfarrer von Burghclere. 
Die Kasse entwickelte sich so rasch, dass sie einen Distrikt- 
verein, den West Surrey Friendly, gänslieb unterdrttckte. Im 
Jahre 1872 fühlte sie sich stark genug, die Grenzen der Graf- 
schaft zu Oberschreiten, und ^national* zu w^en, wie es die 
Orden, die grossen Begrübnisskassen, die sogenannten ,ordinary 
largc societies' und eine Gewerbekasse sin(]. Sie nannte sich 
nun ,The National Deposit Society', behielt jedoch ihreu Sitz 
in Guildford. Nach dem Berichte von 1882 hatte sie 75 Agen- 
turen in 19 Grafschaften. Sie ei*streckte sich über den Süden 
und den mittleren Theü Ton England. Die nördlichste Graf- 
schaft war Leicestershire. Die Ansahl ihrer Mitglieder betrug 
3S66, davon waren 166 Einleger, 3700 ,Benerit Members*. 
Der prosse Reiz, eine Kasse nach Best 'sehen Prinzipien zu 
verlassen, zeigte sich darin, dass 438 Mitglieder im Jahre 1881 
eintraten und 227 austraten - ). Die Klasseneneintheiluug stimmt 
mit derjenigen in der Hampshire F. S. überein, nur dass bei 
den Frauen auch die Vorfrage nach dem Charakter ihres Ge- 
werbes gestellt wird. Dergleichen werden die Mitglieder alle 

10 Jahre einer neuen Klasse überwiesen. Ja es tritt noch 
eine weitere Verschärfung ein. Wenn ein Mitglied während 
dieser Periode ein gesundheitsschädliches Gewerbe ergreift, oder 
einen liederlichen Lebenswandel führt, so kann es in eine 
andere Klasse übergeführt werden. Die Zahl der Priimien- 
beitriige, der Bruchtheil des Zuschusses aus der gemeinsamen 



^) Ich rpft rirc na. Ii den Statuten von l^GT. 

^ Die alten Jahresberichte weisen dieselbe Erscheinung auf. bn Jahre 
1880 Zngang 5.59, Abgang 32«) (2ö Todesfalle eingeschlossen), im Jahre 1879 
Zu^aiiL' 448, Abgang (22 Todesfälle eingeschlossenX im Jmhie 1878 Za* 
gaög 437, Abging 201 (11 Todesfälle eiogetcblosseD). 



V. 1. 



881 



Kasse für die vier Klassen stimmen mit dem Hampshire Yer- 
ein ül)eiein. Auch hier wird der Ueberschuss den Mitgliedern 
am Ende des Jahres gutgeschrieben. Von den obenerwähnten 
3700 Mitgliedem waren 1689 in Klasse A, 1200 in Klasse 
590 in Klasse G und 221 in Klasse D 

Zur Altei'srentenkasse tragen Mitglieder, welche beim Ein- 
tritte weniger als 35 Jahre alt sind, 1 Tag Krankengeld, wenn 
sie zwischen 3"— 45, pg Tage Krankengeld, wenn siezwischen 
45—55 2 Tage Krankengeld, wenn sie beim Eintritt über 
55 Jahre alt sind. 3 Tage Krankengeld bei. Hierin zeigt sich 
ein Anklang an liie Bestimrauugeu der Ahbots Ann P. S. 

Ein Urtheil daiüber, ob die «Deposit Friendly Societies* 
ihrem Wesen nach Sparbanken sind, überlassen wir dem Leser. 
Sie geben sich selbst dafOr ans'), und Ludlow bedauert, dass 
sie überhaupt als Hilfskassen und nicht als Sparbanken re- 
gistrirt worden seien 'i. Wir übergehen auch die Betrachtung, 
in wie weit die sympathischen und selbstsüchtigen Instinkte 
in Bewegung gesetzt werden, und bemerken nur, dass die Ver- 
waltung dieser Kassen nicht in den Händen der Mitglieder 
liegt, noch liegen kann. — 



Denclbe Bericht tttHbUt die Haterialleii sn den Beredmnngeo der 
tolgenoen Tabelle: 



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A 
B 

C 
D 



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590 
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Wochtn 

3 

8,27 

4.3 

3,2 



Worhao 

0,33 
0,39 
0,72 
0,53 



9 d. 9 X 0,33 = 2,97 zu 

8 d. 8 X 039 — 3,12 m 

6 d. ' 6 X 0,72 — 4,38 za 

4d. 14X0,53 — 2,12 



Der ZuBehnsB in Klasse C ist also tn hoch, za Kluse 1> sn niedrig. 

*) Idi referire nach den Statuten von den Jabreesbsdilflssen 

nOndlicher Mitthoilungen des Generalsekretärs, Herrn Mucfarland, und den 
Anspagen der Herren Whithurn und Portal vor der K. K. qn. 2*; 4 VJ- 26 69't 
und 2t>ö28— 2G9Ü8. Third lieport lb?6. Einen Ueberblick über das Wirken 
der GeseUsebsft giebt folgende, im Jahresbericht f&r 1882 enthaltene Yer- 
^eiehong: 

(Siehe die rubellen aul der folgenden Seite ) 

*) «This Society . . . . is establisbed on tbt priodple of a Öaviogs 
Bank* (Statnten der Natfonal Deposit F. S.). — „The mode in which 

the System is worked may be compared to a Savings Bank" (Statuten der 
Wilfshirf 1' S » - „Let the mind, in the outsot, bc divestcd of the idea 
of a coniiiiun iund or club. The society is rather a t>aving8 bank tban a 
dub" (Statuten der Abbots Ann. P. S.). 
Fourtb Report. S. liXXXIX. 



382 



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Deposits 


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Interest 


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Fines and 

Sundry 
Deductions 


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4 009 8 10 
1 5339 19 10 
6 605 II 8 
8 054 19 6 
Q Ki'^ n irt 

10 799 18 5 

12 220 7 10 

13 926 19 2 


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Medical Pay 



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V. 1. 383 

Diese Periode ist aurh desshalb von grosser Bedeutung' für 
die Geschichte des enpjlischen Arheiterversicherungswesens, weil 
die Gewerkvereine, welche ihre Statuten bei dem Kegistrar der 
Hil&kassen deponirten, zu einer Annäherung an die Bestre- 
bungen der Friendiy Societies, za einer krftftigeren AnsbUdung 
ibrer Versicberungsthätigkeit bestimmt werden. — 

Ausserdem mtlssen wir — noch einmal — der Lebensver- 
sicherunp:sjresell Schäften gedenken. Wie in den zwanziger, führte 
auch in den fünfziger und sechsziger Jahren die unbefriedigende 
Lage der Hilfskassen zu einer Betheiligung der privaten Unter- 
nehmung au der Lebeiisvorsicherung der arbeitenden Klassen 
Andustrial assurance) Die Anfänge liegen noeb vor Beginn 
dieser Periode; ihre Entwidclung vollzieht sich in derselben. 
Die Gesellschaften, welche sich dieser Versicherungsart wid- 
meten, waren die ,Industrial and (leTicral Company', die 
^British Industry' seit 1852. Der 184s gegründete ,Pru- 
dential', die bedeutendste aller ähnlichen Anstalten, eröffnete 
diesen (iescliiifts/wei^: im Jahre 18r)4. Bald darauf wurde ein 
LuLeruehuien iiijulicher Art, die ,Safet)', von Cobden, Bright 
und Andern in*8 Leben gerufen. Noch andere, unbedeutendere 
Gesellschalten folgten, von welchen jedoch keine mehr besteht 
"Bs ist auch keine vorhanden, welche das Arbeiterversicherungs- 
wesen vor dem ,Prudeiitial' betrieb. Auch dieser hatte zuerst 
mit grossen ISchwierigkeiten zu kämpfen. Die Arbeiter wollten 
in ihren Wohiuinu'en aufgesucht werden. Erst als die Gesell- 
schaft wie die Sterbekassen eine Keihe von CoUectoren gewonnen 
hatte, ging das Geschäft rasch vorwärts''). 

IMe Besprechung des zweiten Werkes von Henry Rat- 
diffe, die 1862 erschienene Krankheits- und Mortalit&tsstatistik 
der Manchester Unity übergehen wir, wir werden sie zusammen 
mit Hatcliffe's drittem Werke und Neison's Krankheits- und Mor- 
talitätsstatistik der Foresters im folgenden Kapitel behandeln 



/ Minntes etc. the Sdect Gommittee on Annranc« Attocfatlons. 

1852—53. qii. .mil :1428. 

') Siehe ,tIistory uf tbe Prudential Assurance Ck>mpany^ Uolbom 
Bars, London l^bO, SS. 3, 9, 19. 

^) Von unbedeutenden Massrepeln erwähnen wir das Gesetz 23 Vict. 
c. lo. Pokannte politische Vorgange führten im Jahre 18")9 zur Hilduof; 
der Vüluuteer- Corps. Im Jahre IbOO wurde ein kurzer Akt erlassen, 
welcher bestimmte, dass Mitgliedern von HUftkassen durch ihre Einreihun«; 
in die Vohmtoer oder Vooinanry-Corps trotz aller entgegenstehenden Be- 
stimmungen der Statuten ihre Kechte uuverkurzt bleibin tollten. Streitig- 
keiten gehören vor das Fomm der Friedemrickter. Dieselben Beatiounuogen 
erwähnten wir froher Ar solche Mitglieder, welche der MiUi aofehörten. 



L-iyiti^LKj by Google 



I 



Vlll. 

Die sfatistisclien Werke Rateliffe's und Neisons. — 
Die Enquete vou 1870—1873. — Das Hilfskassengesetz 
von 1875. — Gegenwärtige Lage der Hilfskassen. 
Von 1870 bis Eor Gegenwart^ 



Die drei statistisrhon Werke, welche wir am Schlüsse des 
voriiioii Kapitels erwälmten, haben so vei"scliiedene Verdieoste, 
dabS wir zunächst ihren Inhalt kurz angeben mtisseu 

Der Gegenstand der Untersuchung, die Behandlung und 
Anordnung des Stoffes ist bis auf zwei Verschiedenheiten in 
den ersten beiden Werken Ratdiffe's (1850 und 1862) dieselbe. 
In dem zweiten ist eine Untersuchung der Krankheits- und 
SterblichkeitsverhfiJtnisBe nach Ortschaften ausgefallen. Dafür 
hat der Verfasser, wie früher bemerkt, ein Kapitel unter der 
Ueberschrii't ,Secessions and Expulsions' eingeschoben. Rat- 
clitfe führte die Untersuchung nicht blos wegen eines wis- 
senschaftlichen Zweckes. Schon vor dem Ausschüsse des Jahres 
1849 hielt es ein Zeuge für räthlich, dass der Betrag der ver- 
fallenen Prämien bei der Berechnung derselben in Betracht 
gezogen würde. Ratcliffe bei'ttcksichtigte die verfallenen Prä- 
mien bei Aufstellung seiner Tabell ii r»io andere Neuerung 
bestand in der Einschaltung eines Abschnittes unter dem Titel 
,Si("kness during Periods of Time*. Vm die Nothwendigkeit 
und Wichtigkeit derselben würdigen zu konneu, müssen wir 



< ) Rateliffe's zweites Werk flklirt den Titel: Observations on Che Bäte 

of Mortality and Sickness cxistinpr araong Friendly Societies 

calculated Irom the experience of the menibers composing The Indepen- 
dent Order of Odd FellowB, Meacheiter Dni^^ FrieDdly Society etc. Col- 
Gbester 1S(,2 

Rateliffe's drittes Werk erschien als „Supplementary Report" 
Jaly l*t 1872. Neison's Yfttk ist betitelt: The Rates of the Mortality 

and Sickncss nrcordinpr to the experience of tbc fivc voar?, IST] ]«75, of 
the Ancient Order of Foresters Friendly bociety etc. ' London 10ö2. 



^ i^ - -. uy Google 



V. 1. 



385 



uns erinDern, dass in den meisten englischen Hilläkai>öcn nach 
gewissen, in den Statuten bestimmten Perioden der Kranken- 
geldsatz abnimmt Mit andern Worten : Je hil&bedlirftiger der 
Mensch, um so schwächer die Hilfe. Wir sind nur zu geneigt, 

diese Sitte zu verdammen. Unglücklicherweise sind die ge- 
wöhnlichen Hilfskassen nicht im Stande, Kranke, welche liin- 
f^ere Zeit arbeitsunfähig sind, zu untei-stotzen. Viele kleine 
Klubs ohne jene statutarische Beschränkung sind an einem 
oder zwei Fällen chronischer Krankheit untergegangen. Es 
läge wohl in dem Vermögen der arbeitenden Klassen, bin- 
leichende Mittel zur UnterstOtsung chronisch Kranker au&u- 
bringen, wenn das Risiko aber eine grössere Ftiiche vertheilt 
würde. Auf den kleinen Kassen lasten sie zu unfileich, und 
auf derjenigen, welche ein Fall chronischer Krankheit tnlft, zu 
schwer*). Nur Unterstützungsvereine mit Zweigen und Agen- 
turen: die Orden, die Landesvereine (ordiuary large societies) 
und vielleicht die Grafschaftsvereine könnten die Aufgabe be- 
wMtigen. Aber bis jetzt bat sich selbst der Wanderansschnss 
der Odd Fellows, dem es doch gewiss nicht an Intelligenz und 
Muth fehlt, nicht dazu entscUiessen können, obwohl Ratcliffe 
die hier vorgetragene Ansicht in seinem Buche aussprach. 

Das dritte und letzte Werk Ratcliffe's beschrilnkt sich 
noch mehr als das zweite auf das unumgänglicli Not h wendige. 
Die Untersuchung der Krankheits- und SterbJichkeitsverhält- 
nisse nach Gewerben ist nun bis auf diejenige über die Berg- 
leute ebenfalls ausgefallen. 

Neison's Schrift steckt sich noch bescheiUeaeie Ziele. Er 
liefert nur «ine nadi ländlichen, städtiBehen und gross- 
stftdtiscfaen Bezirken geordnete Krankheits- nnd Mortalit&ta- 

statistik. Dafür befriedigen um so mehr die Mannigfaltigkeit 

der Ergebnisse und die peinliche Sorgfalt, vermöge deren er 
auf dem beschränkten Gebiete seiner Untersuchung zu den ge- 
nauesten Resultaten gelangte. Eine Krankheits- und Mortali- 
tätsstatistik der verschiedenen Gewerbe wurde angestrebt, aber 
in Anbetluc ht der grossen Kosten, welche sie verursacht haben 



M Aus folgenden Angaben Neison's (S. %i ersieht man, dass die Fälle 
ebronischer Krankheiten verh&ltoissmäSBig selten sind. In dem nadi Uundertp 
taasenden sShlenden Orden waren 

17 Mitglieder, welebe 20ii«Ubfferab80JahreKrtiikfliigdderiiilten]Mttea, 

17 - - ir. bis 19 - - - - 

69 - - 10 bis 14 

22 • - 9 

87 • - 8 
66 - - 7 
66 . - 6 

88 . .5 



FMMkoBgtB 1. — Hubseli. 



25 



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386 



wurde, wieder au^egeben. Eine meikwordige Uebereioetim- 
mung in den Schicksalen dee Vaters und Sohnes 0^ 

Wir heben nun die wichtigsten Ergebnisse der Unter- 
suchung hervor. Vorher sprechen wir unser Bedauern ans, 
dass uns der Kaum nicht gestattet, jede einzelne zu besprechen, 
sondern dass wir die Krfrebnisse der drei Werke kombiniren 
müssen. Hierdurch lässt sich ein besserer üeberblick jjewin- 
nen, ein Vortheil. welcher den bezeichneten Nachtheil wieder 
aufwiegt. Die folgende Tabelle giebt eine Vergleichung der 
Slerbliehkeitsziffem nach den bedeutendsten englischen Unter- 
suchungen*): 



') Hatclifle'.s zweite Untersuchung tibtreckte sich über ö Jaiae tlöoO 
bis 1860 , 1 1)"' -'72 Lebensjahre, und MM Krankheitsdauer von 1321202 
Wochen. Ratcliffe's dritte riitcrsuchung wurde im Anschlüsse an die vom 
KegUtrar geforderten fünfjährigen berichte getlibrt. .Sie erstreckte sich Aber 
die 5 Jihie 1406—1870, ISSlOOS Lebwqabra ttod 1975 082 Woeb« 
KraoUieit Supplementary IS. S. '2. — Neison's Untersuchuni . welclie im 
Anschlösse an die staatlich vorgeschriebene, alle 5 Jahre wiederkehrende 
Krankheit»- und Mortalitätsstatistik {zefuhrt wurde, umfasste die Jahre 1871 
bis l^?/) und 369 655 Mitplieder in 2577 Courts. Es waren Unterstützuneeu 
für I 769 085 Wochen bezahlt worden mH 222 f&r GeBtorb«ne und 1 4^813 
i\xr die Uebrigenj. Neison S. 8 und 2ü. — 

Die (TrOndUchkeit der Neiton'BChen Schrift wird man aus Folgendem 

entnehmen. Er unterschied die Zahl der Mitulieder, welche am 1. Januar 
l^^Tl in den Courts vorhanden waren und deritMiigen. welclie in den ' .T diren 
unterstützunin»berechtifjt (free) wurden und gieot die Krankheits- uuti Mor- 
talitätsverhältnitBe derselben getrennt an. Aosserdem führt er die Krank- 
heitsdauer der austretenden und ausgestossenen Mitglieder auf. I>abei 
offenbarte sich die interessante Thatbache, dass die Krankheit and Sterblich- 
keit der netieintreteoden Mitglieder auf allen Stufen gerinf(er wir als die» 

i'enige der alten, was Neison der noch nicht lanize voraufccpangenen irrt- 
icben Untersuchung zusclireibt. Neison unterscheidet weiter die Krankbeita- 
diner der Oeetorbenen und de^ Lebenden, siehe vorher. Das dritte neue 
Element, welches Neison einführte, war der liegriff der ,years at risk'. 
Anstatt denselben zu detiniren. ß:eben wir ein Beispiel. Seite 31 (Tabelle ]^.) 
zeigt) dass im Alter von 1^ Jahren in den Towu Dii»iricts am 1. .lanuar 
1871 Torhanden waren 42 Mitglieder. £s wurden 150 neue Mitgli* d«>r im 
Alter von 1'** Jahren in den " Jahren uuterstütznnf:^sherechti(?t = lyj. Im 
Alter von 19 Jahren waren hiervon noch l^id vorhanden. Hierzu kommen 
die am I. Januar 1871 Neunzebi\j&hrigen (22) nnd die in diesem Alter in 
dem Jahrfünft ^frei" Gewordenen (5884). Die sftmnitlicben Neunzehn jähnp;en 
betragen also Iü9 4- 22 -i- => 5575. iliervou subtrahirt Neison die 
Udfle der Freigewordenen und der in Alter ton 19 Jahren Sezedirenden 

I * ) = 2890,5. 5575 — 2890,5 — 2084.5. Die letzte Zahl giebt 

die ,years at risk* an. 

-) Ratcliffe lbü2, S. 2(;; iiaiciiflfe 1872. S. Ju; Neison ls82, S. 87 
und S8. — Farr veröffentlichte 8 Untenuchungen <im 5. Hepon, im 12. 
Report und seinem 1864 erschienenen grossen Werke) über die Erfahrungen 
ganz Englands. Finiaison schioss Seeleute, Ber^eute etc. von der Unter- 
tuehang aus, w&brend sie in den Ergebnissen der Untersuefanngen Ratcliflb*s 
und NeisoTi'« mit enthalten sind. Aui«.>erdem ist nicht zu übersfhrn dass 
die Manchester ünity und Foresters nur Männer als Mitglieder aufnehmen. 
Kine richtige Basis 'der Vergleichung ist also nur Ar H. U. und F. Tor> 



387 





1 Farr 


Neison 


Finlaison 




Ratcliffe 


Kciwm 

(Foresters 
1871 — lo) 


Alter 


(12. Rep. (Hilfe- (Hilfs- 
ganz kassen kassen 
|Bi^(l«nd) 1836-^) 1846-50) 


(Manch, 
ünity 
1846—48) 


(Manch. | (Manch. 
Unity 1 ünity 
1856-60)! 1866— 70) 


20 i 
80 

^ 

50 

60 : 

1 


j 0,8131 
0,9788 

\:2rm 
1,8109 
3,2636 


0,6758 
0,7568 

0,9386 
1,4267 
2.5054 


0,74 
0,77 
1,08 

1,50 
2,61 


0,6034 
0,8338 
1,0507 
1,7630 
3,5293 


0,8434 0,6034 
0,7907 0,7987 
1,1011 1,1266 
1,6707 1,7079 
3,2681 3,1902 


0,729 
0.807 
1,208 
1,865 
3,366 



Für die ländlichen Distrikte wiesen die Untersachungen 
folgende Sterbesuffern auf^): 



Alter 


Nelson 


FiniaisoD 




RatcUffe 




Neieoii 


(1886-40) 




\ n ■" 


in ■ 


(1871—75) 


20 
30 
40 
50 
60 


1 

' 0,739 
0,711 

1.200 
1 2,160 

1 


0.66 
0.72 
0,85 
1,29 
2,27 


0.6736 
0.7610 
0,8831 
1.4553 
3,2846 


0,8752 
0,7409 
0,8978 
1.2606 

2,3713 


0,7522 
1,0507 
1,4390 
2,8403 


0,6.34 
0,726 
0,982 
1,606 
8,945 



Für die städtischen folgende Vergleichnng ') : 



Alter 


Neison 
j (1836-40) 


Finlaison 


liatcliffe 

I 1 n 


III 


Neison 
(1871-75) 


20 
'.iO 
40 
50 
60 


1 

0,.5;i5 
1 0.740 

o.9(;o 

1,627 
3,273 


0,93 
0,78 
1,08 
1,71 
2,84 


0,7816 0,7994 
0,7294 0,7723 
1,0273 1,0736 
1.6023 1.6527 
3,8488 3,1238 


0,64U0 
0,7864 
1,1094 
1,6547 
3,1192 


0,722 
0,775 

1.138 
1.730 
3,270 



banden. Doch auch biet bedeutende Unterschiede. Die :^Uirke der Distrikte 
iit sehr msdiledcii. Fttr jede 1000 Lebeiugalire ,it riek* folgende Yor* 
tfieihiiii (KefooB, S. 50): 

Dlstrict» Odd Fellows Foresinn 

1866-1870 1871-1875 

Rural 228 824 

Town 518 291 

City 265 385. 

M liatcliffe 1862, 8. 27; Ratcliffe 1872, S. 14 und 15; Neison, S. 64 
nnd 65. 

«) Batdiife 1862, 8. 27; BnteHflb 1878, S. 16; Neison, S. 66. 

25* 



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38S 



V. 1 



FQr die grossstädtiscben folgende Vergleichung'): 



Alter 


Neiton 
(1886-40) 


Finlaison 


Ratcliffe 


Nflitoii 
a«71-75) 


I n 1 in 


20 0,6446 

30 0,9280 
40 1,400«) 
50 1,9397 
60 8,0468 

Ueber die 
geben die Unterst 


0,97 
1,63 
1,82 
8|85 

Krankhei 
Hebungen 


U,*5oo U. («HU U.D-twi 

0,9761 0,9163 1 0,8631 

2,3772 2,0528 1,9814 
2,8834 1 3,9706 ^ 8^90 

tsdauer in verschiedenen 
folgende Zahlen (Wochen) 


U,oO 1 

0,882 
1,411 
2,168 
8,871 

Periodeo 


<\ 

1 Kfliaon 
i| (1886-40) 


Finlaison 

1 


RatdiffB 


K«itoii 

a871— 


I 


n 


m 


20-30 
80-40 
40-50 
50—60 
60^70 


9,9 
14,8 
27,1 
77,8 


9,8 
10,3 
13,4 
20,0 
89,1 


7.0 
9,0 
13,7 
27,2 
61,8 


8,2 
9,5 
14,0 
26,1 
j «.5 


7.7 
10,0 
14,8 
27,2 
62,5 


8,4 
10,6 
15,5 
27,8 
64,4 



In den einzelDen Distrikten wurde eine Krankheitsdauer 
beobachtet von (Wochen)*): 



Town 



Altar 






Je il a 
aty\ o 

Ol OB 

.2 J. 1 -a 
»SS £ 


BatcUffe 


1 Neison 
(1871-751 

Finlaison 


RatoHffe 


S 1 


» " 


I 


U 1 

1 


lU 




"1 


UI 


1 


U 


m 


s 


20-80 
80-^ 

40-50 
50-60 


j 9.94 
Il0,53 
13,29 
18,85 


7,09 8,48 7,84 
8,48 9,62 9,99 
12,36 12,73 15,10 
24,30 22,-3 27,81 


8,2 9,72 
9,9 10,24 
13,4 13,41 
22,9 21,91 


7,02 S.2S 7,86 
9,27 9,41 10,06 
13,08 14,26 14,30 
25,52 25,72 25,50 


8,fi 8,98 
10,«; 9.74 
15,6 13,47 
28,0 19,46 


6,85 8,02 
9.60 9,'^9 
1«;,43 13,42 
82,74 28,40 


7,48 

9.98 
15,: '.2 
29,84 


8,5 
11,2 
17,0 

81,7 


Toua ||52,63j&2,24j53,6« 60,25|54,3 55,30 


54,9lj57,69j57,74 


62,8 ii51,67|65,64|59, 13|62,59 


68,3 



Die Benifestatistik Terfolgen wir nur in einem Falle*). 



>) Ratdifi'e 18«j2, S. 28; Katcliffe 1872; S. 18; JKeison, S. 68, 69. 
*) NdBon, S. 61. 

«) Ratcliffe 1862, S. 37; Katcliffe 1872, S. 33 , 34; Neison, S. 62. 
Finlaison schloss o!ir<Miische Krankheit von seiner Untersuchung aus. 

*) Eh sind so grob^e Abweicliungeu vorbanden, dass mau die Schwierig' 
keiten selbst eines grossen Ordens erkennt, eine genügende Statistik nam 



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389 



Die Sterblichkeitsziffer der Bergleute war nach den verschie- 
denen Untei-suchungen ^) : 



Alter 


n 

! 

1 


RatclüEs 
I 


1 

1 FinlAifioii 
1 


RttdÜfe 

n 


1 

1 

1 Raleliffe 

1 

1 «i 


In den 
drei 
Distrikten 
(1866—70) 


TT-, 

20 
30 
40 
50 

eo 


f 

0,7247 
0,4960 
0,7147 
1,9490 
5,3509 


i.o;i06 

0,n727 
1.2026 
2,3564 
8,8841 


0,92 
0,91 
0,88 
1,81 
4,93 


0,8955 
1,1415 
1,2514 
2,0816 
6;7898 


0,8456 
0,7207 
1,1496 
1,7160 
3,2535 


0,6234 
0,7987 
1,1266 
1,7079 
3,1902 


Total 


1 9,2353 


9,2864 


9,45 


12,0998 


7,6854 


7,4468 



Die Krankeitsdauer der Bergleute betrug in verschiedenen 
Altersperioden nach den Untersuchungen Ratcliffe's (Wodien) *) : 



Alters- 
perioden 


' Ratcliffe 
, (1846—48) 


liatcliffe 

(1856 - 60) 


Ratcliffe 

(1866—70) 


In den drai 
DisCnkten 


20-30 
80-40 

40-50 
50-60 
60-70 


11,2218 
15,6215 

25,5730 
43,2810 
1 103,0058 


11,8286 
15,7628 

24,7221 
45,0573 
83,3995 


11,1441 
14,6841 

21,9157 
35,6849 
83.0065 


7,7376 
9.9580 
14,8029 
27,1(>37 
62,4755 


20-70 


! 198,7031 

1 


182,7698 


166,4353 1 122,1377 



Wir wenden uns nun zu den interessanten Ivapiteln, welche 
den Austritt aus den beiden Orden behandeln. In dem Juln fünft 
1856—60 gab es 18 778 Sezedenten (R. 1862; S. 94), von 
1866—70 sogar 29392 (R. 1872; S. 120) oder 2,918 %. Ans 
dem Orden der Foresters traten von 1871 — 75 57 967 aus, es 
starben 15H15. Der Gesammtverlust betrug also 73 782 auf 
eine Zahl von 369 655 Mit«rl ledern (Neison, S. 26). 

Um das Verhältniss der Gestorbenen zu den Ausgetretenen 
anschaulich zu machen, berechnete Ratcliffe conibinirte Sterb- 
lichkeits- und Sezessionstabellen, welchem Beispiele Neison ge- 
folgt ist Wir entnehmen denselben die Zahlen in fünfjährigen 
Zwischenräumen, und geben ausserdem die Ziffern Itlr das Alter 
an, wo sich die Zahlen der Gestoibenen und Ausgetretenen am 
meisten nähern, oder gleichsam kreuzen, sowie diejenigen des 
Altersjahres, in weichem die Sezessionen aufhören^): 

Gewerben m liefern. Die SterbH<A1teit8rifl^ der Clerks aod Scboolmuteni 

J20— 60) ist von 12,91 auf 8,27 heruntergegangen. Auch die städtilcbMi 
Tagelöliner und die Anstreicher weisen günstigere Verhältoiue auf. . 

') Ilatcliffe 1862, S. 52; Ratcliffe 1872, S. 108. 
-') Ratcliffe 1872, S. III. 

») BirteUffe 1862, S. 95; Ratcliffe 1872, 8. 121, 122; Meison, S. 87, 88. 



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390 



1 
i 
1 


' Katclifife Iö62 


Katcliffe 1872 


Nelson 1882 


Mit- 
glieder 


Dftvon 

ster- 
ben 


und 
treten 

ftUS 


Mit- 
glieder 


Davon 
ster- 
ben 


and 
treten 

AUS 


Mit- 
glieder 


Dftvon 
ster- 
ben 


und 

treten 
aus 


1 


~ ■ — --• 

lUU UW 




— ~ 




.>ou 


4->J ^ 


1 AA AAA 


ß07 

t>o( 


oaß>i 


20 


WO -)UD 


öU.^ 






44'> 


4 4 1 Q 




ODO 




25 


TO Al^kC 


DUO 




ßß cwA 
OD O'^U 


A"! 
4 1 1 


OiO-t 


4 / OisX 


öC>l 




30 1 


1 o4 yuo 


0 1 • • 


1 ÜO i 


tA jIQA 
DU 4oU 


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• >Ä (o4 


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^00 


1000 


85 ' 




OUo 


lübo 


ilA —"TO 


'-}'7'7 
Ol i 


1 AO 1 
IU9I 


01 Acn 




o57 


40 




OCV 


Wo 


o4 o < t-> 


OOl 


ß^ A 
d4U 


OA 4 t1 
4ol 


ä44 


447 


41 


4d vlU 




KAä 














44 












Qf»A 
öVIU 


1 V' AO 4 






45 


42902 


563 


356 


29 873 


403 


344 


17 526 


268 


212 


50 


wo Wv 


648 


212 


26416 


4SI 


192 






IIS 


55 


34155 


754 


144 


28 201 


597 


125 


13 374 


351 




50 














11 845 


379 


J 


eo 


29299 


951 


102 


19 845 


633 


86 


11464 


386 




65 


23 749 


1111 




lf>0S4 


728 


55 








70 


17 777 


1151 


33 


r2n;{ 


80*2 


21 









73 








9ti34 


825 


2 






1 


74 








8 807 










1 - 


75 


11 99:. 


1108 


15 




811 1 








78 


8 709 


994 


19 














79 


7 696 


961 






1 











Die Sezessionen sind nach dieser Tabelle in jüngeren 
Jahren bei den Foresters häufiger, als bei den Odd Fellows, 
aber sie hören früher auf. Eine ähnliche Tendenz zeigt sich 
in der zweiten Tabelle Ratdiffe*8, Yei^fiehen mit der ersten. 
Der Annltherungs- bez. Krenzongspunkt liegt nach den Er^ 
fahrungen beider Orden zwischen 40 und 45 Jahren; eigen- 
thümlich erweise stimmen hierin die jüngsten statistischen Aul« 
nahmen der Odd Fellows und Forestei"8 überein. 

Von welchem Einflüsse die Berücksichtigung der Sezes- 
sionen bei der Aufstellung der Prämientafeln ist, zeigt folgende 
Tabelle ^: 





lohne die Seseasion 


Wenn man die 




Alter 


in Betracht zu 


Sezession 


in Be» 






1 ziehen 


tnchk seht 








d. 


8. 


d. 


Die nebenstehenden 


20 




8>/t 


8 


2 


verschiedenen Prä- 


85 


1 ' 


4 


4 


6 


mien sind zu zahlen, 


80 




0 


5 


5 


wenn ein Begrftbniw» 


85 




9Vi 


6 


9 


geld von 10 £ ver- 


40 




7 


8 


Vit 


sichert wird und der 


45 


10 


6 


9 


5>/4 


Zinssati 8«/« fae- 


50 


11 


5Vt 


10 


8V4 


trtgi 



RatcUffj 1872, S. 129. 



Digiti^ uü uy Google 



391 



Ratdiffe hat ein ausserordentlich gefährliehes Element in 
die Prämienberechnang eingeführt, dessen Sehädliehk^tNeisott') 
wohl cu wflrdi<;en versteht, ohne jedoch nach bester Erkennt- 
niss zu hnndeln. Denn er nimmt es ebenfalls in seine Be- 

rechnunfren auf. 

Zum Sclilusse wird uns noch eine Ver^leichun^^ der Krank- 
heitsdauer der heidtMi Orden in verschiedenen Perioden be- 
schäftigen. Sie betrug in Wochen -j: 



Alters- 
perioden 



20-25 

35-40 
40-45 

45-.50 
50—56 
55—60 
60-Ö5 
H5-70 
70-75 



In den ersten 
6 Monaten 



M. ü. 

18fl6-10 j 

3.41 
3.57 
8.86 
4,25 
4.81 
5.72 

9,12 
12,08 
16,12 
19,45 
20,52 I 



F. 

1871-75 

8,85 
3,78 
4,08 
4,ö7 
5,24 
0,08 

IM 
8,85 
11,14 
15,16 
18^7 
21«06 



In den zweiten 
6 Monaten 



M. ü. i F. 

186Ö-70 i 1S71-75 



O.IS 
0.25 
0.:?4 
0,40 
0^7 
0.S5 
1.24 
1,91 
8,1>^ 
5.40 
8,36 
11,42 



0,17 
0,23 
0,30 
0,42 
0,54 
0,74 
1,14 
1,76 
2,80 
5,02 
7,88 
11,72 



Im zweiten 
Juhre 



M. U. F. 

I«8»-70 1 1871-7& 



0.07 
0,15 
0,25 
0,32 
0,49 
o,si 

1,24 
2,08 
3,75 
6,76 
12,05 
16,90 



0,06 
0,12 
0,19 
0,28 
0,3V> 
0,.V2 
0,87 

i,5d 

2,57 
5,46 
8,79 
18,90 



Darüber 
hinaiiB 



M. ü. ' F. 

1886-70 I 1871-75 



0,0:? 
O.Os 
0,17 
0,36 
0,55 
1.00 
1,67 
2,79 
5,25 
9,93 
20,61 
37,05 



0,05 
0,14 
0,29 
0,49 
0,77 
1.25 
2,24 
4,0« 
7,0^' 
14,80 
25,47 
41,74 



Denjenigen Theil der Werke Katclirte's und Neison s, welcher 
fUr die Hilfskassen am wichtigsten war, die auf diesen Unter- 
suchungen basirenden Pramientabellen, Qbergehen wir. Wir 
bemerken nur, dass Neison von der vorsichtigen Praxis Raleliffe's 
abwich, als er Prämientabellen mit Zugrundelegung eines 
Zinsfusses von 3 3^^, und 4 '^/o berechnete. Patcliffe 
nahm keinen höheren Zinsfiiss als 3 an. Von den vielleicht 
gefährlichen Folgen dieses Sehrittes werden wir noch zu be- 
richten haben. 



Nachdem wir hiermit die Besprechunir der letzten stati- 
stischen Erscheinungen erledigt haben, veriulgen wir die Thä- 
tigkeit der Königlichen Kommission. Die Zeugenvernehmung 
begann am 29. nnd 30. November 1870 in London. Im fol- 
genden Jahre fanden bis zum 6. Juli 1871 an 8 Tagen Zeugen- 
vernehmungen statt Nachdem die inzwischen ernannten Hilfs- 

'» Neison führt treffend aus, ilass Ii die Zahlen zu schwankeml 8ind 
(Tergleiche die Tabelle), 2) gerade die Einführung des Elementes in die 
Prfanienberechnung ein Aufhören der Secession venursafiheD mödite nod 
dadarch Defizite entstehen kOnnleii etc., S. 118. 

^) Neiaon, S. 107. 



Digitizeu Lj ^jüOgle 



392 



V. 1. 



kommissare die VorarbeiteD geleitet hatten, wurden Zeugen 
am 20. und 21. September 1871 in Edinburgh und vom 22. 
bis 28. September in Glangow vernommen. Am 29. September 

finden wir die Koinmission scbon in Belfast in Irland, wo sie 
noch am folgenden Tafre thiUip: ist. In Dublin verweilt sie am 
2. und 3. Oktober, in Cork am 5. und 0. Oktober. Am 10, 
11., 12. und 13. desselben Monates ist sie iu Manchester. Vom 
25.— 30. Oktober hält sie 5 Sitsangen in Liverpool ab Die 
Mitglieder dieser Enquöte waren an den meisten Tagen nur 
Sir Stafford Northcote und Sir Michel Hicks-Beaeh. In den 
Monaten März, April, Mai und Juni 1-71 hatten unter dem 
Vorsitze von Sir Mii liael Hicks-l>each 13 Sit/un^ien in London 
stattf^etunden (weh he aiisseliliesslich den liaui^enossenschaften 
gewidmet waren -j, während die vorher genannte Enqufte sich 
vornehndich mit den Hilfskassen besclialtigteu. Das ganze Jahr 
1872 finden weitere Zeupen?emehmungen <an 14 Tagen) in 
London statt. An fOnf Tagen der Monate Februar, Mars, 
April 1873 setzt die Kommission ihre Arbeit in der Hanptr 
sUdt fort 3). 

Nicht lanpe nachher beendeten die Hilfskommissarien ihre 
Arbeiten. Ihre Berichte wurden unter dem Titel .Reports of 
the Assistant Commissioners' im Jahre 1874 dem Parhimente 
vorgelegt*). In denselben ist ein sehr reiches Material auf- 
gehäuft. Aus den Zeugenaussagen und den Reports der llilfis- 
kommissarien stellte Hen* J. M. Ludlow, der Sekretär der 
Kommission, in meisterhafter Weise den Kommissionsbericbt 
zusammen^). Obgleich derselbe die Quintessenz aller Aus- 



■) Die AoBBuea in »Seeon d Report of the Comnilssionen nppdnied 
to inquire into Fnendly and Benefit Building Sodeties*. Part IL London 

1Ö72. Vol. XXV. 

Die Aussagen in ,Fi rat Report oftbe Commissioners etc.* Londou 
1S71. Vol. XXV. Ein Hericht ▼omehmlich Ober die Auseagen in Betreff 
der Bangenosnenpchaften in dem genannten .Second Report'. Part. I. 

•) Die .\us8agen in .Tliird Iteport of the c ommissioners etc.'. 
London 1873. 

*) Vol. XXIII. Part. II. Is74. Herr Culle}- erkrankte, hovor er seinen 
Bericht vollendet hatte. Schottland und Mordenglaud sind daher am 
BchlechteBten weggekommen. Einen Thetl seiner üntersochung ftbemalunen 
Stanley und Lynch Daniel!. 

Fourth Report ot the Commissiouers appointed to inqoire into 
Friendly and lienetit Building' Societiea. London 1874. Vol. XXIU. Part L 
Er besteht aus zwei Bdnden. Der erste beschäftigt sich im 2. Kapital 
mit der Stellung des Kegistrars, behandelt im :3. die Klagen gegen die be- 
stehenden IlUfskassengesetze, verwebt im 4. die i lrgebnisse der rntersuchuDsen 
ab«r die ainiin^elien Klaisen von \>reinen, welche die Wohlthaten des Hilft* 
kassengesetzes genossen, deren er IT aufzahlt, liefert im 5. stntistischp An- 
gaben über Krankheit, Mortalität, Prämien, widmet das 6. den ße^ciehungca 
swischen Anneneesets und Hilfskasse, erörtert im 7. die verachiedenen 
Formen, in welchen die Staat^liilfe in Hezieliung ;uiT Jie lliltskassen auf- 
treten könnte und zahlt in einem selbätstaudigen Abschnitte ,Recommenda- 
tiona* die BefornvonchlAge auf, welche die Königliche Kommission 



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V. 1. 



393 



sagen und Berichte enthalt, ist eine kurze Inhaltsangabe der 
Reporta der Assistant Commissionei's nicht übertlüssi{^. Denn 
das geographische Bild vennittelt eine tiefere Kenntniss der 
britischen Hilfslcasse. Doch beschränken wir uns anch md 

die Darstellung der örtlichen Verbreitung der verschiedenen 
Formen dieser Vereine und lehnen uns bei der Besprechung aller 
andern Punkte meistens an den vierten Bericht an, selbst wenn 
der Report des Hilfskommissai^s die erste Quelle sein sollte. — 

Dass das Schicksal der Individuen von ihren seelischen und 
körperlichen Anlagen sowie vou den umgebenden Verhältnissen 
«bh&ngt, dafon sind wir fest überzeugt. Aber wir vergessen 
leicht, dass der Werdegang menschlicher Instttationen eben&Us 
das Er^ebniss aus vorhandenen Zuständen und den Anlagen 
der Individuen ist, welche jene Veranstaltungen auszuwirken 
bestimmt sind. Die verschiedenartige Entwicklung: des Hilfs- 
kassen Wesens in Irland, Wales, Schottland und Enp:land ruft 
uns den Zusammenhang von Land und Institution in s Ge- 
dächtniss zurück. Beginnen wir mit Irland^). 

Die starken und die schwachen Seiten des irischen Volks- 
charakters sind bekannt. Eine grössere Entwicklung der sym- 
pathischen Instinkte als im auf^elsächsisihen Charakter, gross- 
müthifie Aufwallungen ohne die Zucht der Selbstbeherrschung, 
eine freudi^ie Unterordnung unter eine geliebte Autoi itiit: diese 
Züge stehen neben L^erin^'erer Selbstständigkeit und Selbstthätii:- 
keit. Die kraftvolle, harte, eigensüchtige Selbstherrlichkeit tier 
germanischen Individualität ist dem Kelten fremd. Die Ver- 
schiedenheit der intellektuellen Anlage kommt ffir uns weniger 
in Betracht; uns beschäftigt hauptsächlich der moralische 
Mensch, die Richtung, die Stärke, der Charakter seines Trieb- 
lebens. Unter den umgebenden Verhältnissen heben wir die 
Macht der katholischen Kirche und die Feindschaft zwischen 
deu höheren und niederen Klassen Irland.^ hervor. 

Auf dem weniger entwickelten Aufsichselbststehen beruht 
Eum Theil die geringe Anzahl von Institutionen der sozialen 
Selbsthilfe. Dazu kommt ein Zweites. So lange die Menschen 
bereit sind, einander zu helfen, lange die Religion in der Sorge 
für den Armen eine ernste Ptiicht erblickt, ist der Kampf des 
Einzelnen um das Dasein weniger hart, braui ht er sieh nicht 
zum Schutz und Trutz mit Andern zu verbünden. Wir erwähn- 
ten früher, dass die Hilfskasse im 18. Jahrhundert fast als eine 

nothwendig erachtet. I»araut tolgt die I)arlegung abweiclieiuier Auflebten 
seitens einiger Kouimissarieu. Der wichtigste Theil des Anhanges besteht 
ans einer liurzen Geschichte der Gesetzgebung über die Institutionen der 
sozialen Selbsthilfe. Der zweite Band (Part II. Further Appimlix and 
General Inde.xi wird mm weitaus urössten I lu-iie aus den Statuteu der be- 
deutenderen, im ersten liande besprochenen Hilfskasten gebildet Dieselben 
wurden von Lynch Daniell aus^e^vjihlt und herauspejehen 

'j Deport hy E. Lyucb Daniell Ksq. ou Frieudij bocieties in Irelaud. 



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894 



V. 1 



fremde Institution nacli Iriaml gebracht worden sei, während 
in EnglaDd naehweislieh die Hilfekassen im YOrigen Jahrhun- 
dert allgemein verbreitet waren % Wir wiederholen die früher 
erhobene Frage, ob die Gilden in Irland länger geblfiht 
haben. In England bilden die unregistrirten Hilfskassen nach 
Ludlow's Ausspruch ,eine Welt für sich'. Der irische Kegistrar 
behauptete, dass in Irland keine fünfzig unregistrirte Vereine 
vorhanden wären und Lynch Daniell konnte nicht einen ein- 
zigen entdecken 

Aus der grosseren natürlichen Guiiuüthigkeit des Volks- 
Charakters und dem Einflüsse der ki^oliseheii Kirche erkiftrt 
sich zweitens die Stellung, welche in Irland die Armen ein- 
nehmen. Die Anschauung, dass sie bebendere Lieblinge Gottes 

seien, verritth der Sprachgebrauch, der sie gerne ,God's Poor' 
nennt. Daher spricht der Kommissar von „dem alten einfachen 
und vertrauenden Charakter des Volkes, seinem Glauben an 
die Gute Gottes und seiner Uebei-zeugung, dass von Allem, 
was Gunst in seinen Augen finde, das Grösste christliche Liebe 
und Gote gegen einander sei*". Da sich zu edlen Motiven leicht 
ein selbstsüchtiges gesellt, wird man die Behauptung Lyndi 
Danieirs nicht unglaublich finden, die Iren seien überzeugt, 
dass ihre Wohlthaten in dem Kontokorrent mit der Vorsehung 
wohl aufgezeichnet würden^). 

Daraus erklärt sich leicht, dass die Mitglieder der irischen 
Hilfskassen den tinanziellen Charakter der Versicherung nicht 
vei-stehen wollen *). In der Einleitung erwaiinien wir die Sta- 
tuten zweier irischen Kassen, in denen ein moralisches Element 
zum Ausdruck gelangte. Wir h&tten die Beispiele um viele 
Tennehren können. Die Sitte, eine Hilftkasse als eine sittliche 
Gemeinschaft aufzufassen, prägt sich auch noch auf andere Weise 
aus. In den Statuten mfincher Vereine sind Para^'raphen enthal- 
ten, welche das Fluchen, 2i0tenreissen, Verlassen der Ehefrau mit 

1 



'j In dem lienclilc des Chief Regisfrar of Friendly Societies für 1^79 
(enchieneo 1880) werden nicht weniger als 57 Hilfekassen aii^;;eillilc, 
welche in jenem Jahre einen Bericht einsandten und deren jüngste aas 
dem Jahre 1778 stammte (S. U und 12). Ist es nicht wahrscheinlich, dass 
ikA unter den nicht r^strirten noch einige finden? Lndlow weist in dem 
früher erwähnten Artikel ,Gild and Triendly Society' darauf hin, dass man 
nach dem heuügea VerhUtniss der wenigen gedeihenden zu den vielen rasch 
sbeterbenden Vereinen auf die Zahl der Im Torigen nnd 17. Jahrhundert 
gegründeten scbliessen könne. — Rose sagte, als er um Erlaubniss bat, 
die Vorlage einbringen zu dürfen: »Throutihout the whole country of Eng- 
land there existed a great nuuiber uf societies, called Friendly hiocieties, 
for tbe mutual relief of their aick aad üidi|ent poor.** Pnblic AdverliBer. 
Tneaday, April 23'd- 1793. 

S. 2 Note. 
») 8. 5. 
«) Ibidem. 



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V. 1. 



395 



Strafe bedrohen 't. Ks scheint auch eine grössere Eintracht 
zwischen den Mit^diedern zu lierrschen, als in En^rland *). Die 
Kosten der Verwaltung sind absolut gering^), wenn sie ja 
aveh bei der Vielheit der kleinen Vereine sdiwer in*8 Gewicht 
fallen. - Im dritten Kapitel erwähnten wir die trauri|i;en Folgen, 
welche der Mangel an aller Förderung der arbeitenden Klassen 
seitens der wohlhabenden und gebildeteren Stände auf die 
Entwicklung der Hilfskasse gehabt liat. Diesen Punkt müssen 
wir noch etwas iiiiher ausführen. Die englische Aristokratie 
und die englisclH» Geistlit'hkeit haben die Friendly Society der 
Landbevölkerung entwedei reforniirt oder gegründet. Der pa- 
trottisirte Doirfvereiny der Distriktsverein, der Grafschaftsverein 
verdanken diesen Klassen ihre Entstehung. In Irland existirten 
keine Doi-fvereine , keine Distriktsvereine, keine Grafschafts- 
vereine*). r)a ist kein Sothcron-Fstcourt, kein Samuel Best, 
kein Becher und wie alle die Manner heissen mögen, welche 
in P^ngland bleibende Spuren ihres Wirkens hinterlassen liabeu. 
Da ist kein (geistlicher, der, wie der Dechant \Voodhouse dem 
North SUdfordshire I*rovident 760 £ schenkte, einem irischen 
Vereine eine Summe hfttte sukommeo lassen. Es wurde auch 
schon froher erwähnt, dass die katholischen Geistliehen nur 
Beaiehungen su grossen Begräbnisskassen gehabt hätten. Wir 
erfahren ausserdem noch , dass ein Canonicus unbewusst mit 
seinen) ehrlichen Namen die Schwindeleien seines ScbUtslinges 
deckte 

Die Vermuthung wure falsch, dass der irische ländliche Tage- 
löhner nur aus Mangel an Unteraehmungsgeist und Förderung sei- 
tens des Klerus und der Aristokratie keine HiMskassen gegiündet 
habe. Sein Lohn war vielfach so gering, dass er beim besten 
Willen die Beiträge nicht leisten konnte. Die kleinen, besser 
gestellten Pächter aber zogen es vor, ihr Geld unter Schlots 
und Kiegol zu halten (to hoard), um einen Nothpfennig 7\\ be- 
sitzen . wenn sio von Haus und Hof verjagt werden sollten, 
oder um ein KapitiU zum Zwecke der Auswanderung anzu- 
sammeln % 



*) S. 11. In den Statuten englischer Kassen ist dies selten. Verfasser 
kennt nnr ein Beispiel. Die früher erw&hnte ^Grinders Society* zu Sheffield 
hatte einen Paragraphen folgenden Inhaltes: Every member of this society 
shall endeavour as well hy example as precept to suppress vice and pro- 
laneness, to promote the laith and practice ot tbe religion of Jesus Christ, 
•ad iniprovo tbe peace and happiness of this todety to th« hoDOor of the 
town of Sheffield. R. K. 1867; 18. 

•) S. 19. 

») S. 10. 

♦) S. 8. 

^) 8. 16. Die (jesellscbatt war von einem Geistlichen gegründet wor- 
den, „the onlv instanoe . . . . of clerg^meB ia Irdand of aoy Mnoasion 
taUDg a practical part in the nuuiagomeDt of «Dy FViendly Sedefey*. 

«) S. 3 und 4. 



396 



V. 1. 



Die Hilfskassen waren daher auf die Städte und zwar auf 
die grossen Städte beschränkt. In den mittleren fristeten sie 

armseliges Dasein. Sie krankten hier an den Nachwir- 
kungen der Hungersnoth Es wurde brechnet, dass bis zum 
Jahre 1870 iSOO Vereine eingeschrieben woiden seien; davon 
existirten nur noch 500. Einen grossen Tlieil derselben hatte 
die Hungersnoth vernichtet^). In den grossen Stildten finden 
sie sich vornehmlich unter der gewerblichen Bevölkerung 
In Dublin hatte der Mangel an aller Theilnahnie der höheren 
Klassen die Vereine uul dem niedrigsten Standpunkt© zurück- 
gehalten. Sie waren durchgängig theilende GeseUscbaften, 
welche hohe Prämien erhoben, um vor Weihnachten eine kleine 
Summe vertheilen zu können^). Mit den meisten waren, wie 
in Schottland, Daiiehnska<sen verbunden Der Hilfskommis- 
sar spricht nachdrucksvoll seine Uebei-zeugung aus, dass sie 
unter den bestehenden Verhiiltnissen die besten und ehrlichsten 
wären, und vor schlecht verwalteten, einen Reservefonds ansam- 
melnden Hilfskassen, welche in der Kegel bankerott macbteo, 
ihre grossen Vorzüge hätten'). Sie versprächen nicht mehr, 
als sie halten konnten. Der Ueberschuss würde gut verwandt 

Neben diesen Kassen, welche eigenthümlicherweise in Ir- 
land ,Tontinen' genannt werden , bestanden lokale und grosse 
Begräbniskassen in den bedeutenderen Städten. Einige englische 
Begräbnisskassen hatten hiei- Zweige eingerichtet, z. B. der 
Royal Liver, deren Mitglieder unter all den früher geschil- 
derten Missständen litten *'). Die Foresters und die Manchester 
Unity hatten sich ebenfalls ausgebreitet, die ersteren haupt* 
sächfich in Dublin, die letzteren in Belfast. Sie bestanden 
neben einander in Cork. Es ist wieder ein Zeugniss von dem 
aller ruhigen Berechnung abgeneigten Oiarakter der irischen 
Bevölkerung, dass der Orden der Foresters in Dublin so be- 
liebt war, weil er sich an den politischen Demonstrationen be- 
theiligte Die Mitglieder der absterbenden Hilfskassen in 
den Mittelstädten fielen zum Tbeil den Orden, zum Theil den 
grossen Begräbnisskassen zu '^). Bemerkenswerth ist es, dass 
die Gewerkverdne in Belfast die gewöhnliche Hil&kasse ver- 



») 8. a 

2) S. 3. 

S. 4. 
*) S. 5 nad 6. 

S. 9. 

•) S. 6. 

') S. 9. 

^) S. 11 ig 

^) 4. Lynch Daniell bemerkt, ^ass die katholische Geistlichkeit 
die Entwicklung der Ililfskassen zwar nicht gefördert, aber auch nicht ver- 
hindert hätte. Nach mündlichen MitthelliiDgen stände in neuerer Zeit 
katholische Klems Dnblin's den Forestere feiodlich geaenttber. 
»0) S. 3. 



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V. 1. 



897 



drängt hatten M. Ausserdem existirten in Irlaiul wie fi-üher 
erwähnt, Rentenkassen für die Wittwen und Waisen der libe- 
ralen Berufe, hauptsächlich der nicht staatskirchlicheo Geist- 
lichkeit^). — 

Noch weniger hefriedigend war die Lage der wmi 11 isischen 
Kassen. In diesem Berglande und den Grenzginfschaften Here- 
fordshire und Monmouthshire waren vielleicht nur 2 sahlungs- 
fMiige Hilfekassen vorhanden. An der Verwaltung der ersten 
der .Herefordshire Friendly Society* betheiligten sich die Ehren- 
mitglieder. Die andere war cigpnthünilirhorwcise ein Frauen- 
verein, die hier dem milnnlichen Geschlechte an Einsieht in 
das Versicherungswesen bei weitem tiberlegen waren. Die 
.Ladies I'.(Miefit, Society' zu Mold in Denbighshire — sie hatte 
00 Ehrenmitglieder unter der Damenwelt der Umgegend — 
hatte nicht nur dne gradulrte Prftmientabelle, eoodem Hess 
alte 5 Jahre von einem Aktuar eine Bilanz machen*). In 
allen andern Kassen herrschten traurige Zustände, welche aus 
zwd! Ursachen entspraniren. Wie überall war auch hier die 
Intelligenz der kleinen Leute nicht hinreichend, um das Ver- 
sicherungsgeschäft zu betreiben ; sie ninssten sich nach fremder 
Hilfe umsehen. Die wurde ihnen im reichsten Maasse zu Theil. 
Aber die Geistlichen und die Gentlemen vei'standen selbst vom 
Versicherungswesen nichts, und ihre Hilfe schlug daher zum 
Verderben der armen Leute ans *). Dazu kam, dass das kleine 
Bei^volk hartnäckig an seiner Nationalität festhalten wollte, 
das Eindringen der englischen Sprache fernzuhalten suchte, 
aber damit auch der Litleratur eines höher gebildeten Volkes 
den Eingang versperrte ' ), In der wallisischen Sprache existirte 
kaum eine Schrift über das Vei^sicherungswesen. Die Vorliebe 
fUr heimisches Wesen hatte zur Grtkndung von wallisischen 
Orden geführt, welche die hdher entwickelten englischen zwar 
nicht am Eintritte, aber an der Ausbreitung verhinderten. 
Die wichtigsten waren ,The Order of the true Ivorites' (Ivor 
ap LleweUyn ist der Name eines wallisischen Häuptlings), ,The 

») S. iL 

Nach dem Berichte des irischen Kegistrar f&r das Jahr 1872 (er* 

schienen 1873) waren es im Ganzen 12 mit i<S2 Mitgliedern. Der Reserve- 
fonds derselben betrug 1&">H22 £. Im Bezüge einer Altersrente befanden 
sich 475 Personen, im Ganzen bezogen sie 11 104 i . — Nach dem Ueport 
f&r 1871 (1872) besassen die 12948 Mitglieder sämmtUclier nbrigen Berichte 
einsendonden Hillskassen nur — 24 278 £ Vermögen. Ihre Einnahmen 
hatten die Höbe von 62 204 £ erreicht. Für Krankengeld hatten sie 
6846 Ar Bfgriimingeld 10626 jf, fbr yerwaltong 9555 £ ausgegeben 
und 14 855 l vnr ^Veihnachtcn vertheilt. 

') Report bv E. Lynch Daniell Esq. on Friendly Sodeties ia Wales, 
Monmouth and Herefordshire. S. 11. 

*) S. 1. 

S. 2 und :i — In pinem der letztem Horichtc über die schottische 
yoUl8x^Qllang macht der ilegistrar aut die Nachiht-üe iiuimcrksam, weiche 
das afthe Fetthalteo an heimiacber Sprache Ar die Hocbscbotlai hat 



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398 



Independent and Loyal Order of Alfreds', ,The Merthyr l'nity 
Philanthropie Institution' und die .Ancient Britons, Merthyr 
and Dowlais Unity' Die Manchester l nity hatte am 1. Ja- 
nuar 1871 31 205, die Foresters 18 760, die Shepherds 192 
Mitglieder. Lynch Daniell macht darauf aufmerksam, dass das 
FQrstenthuni dne viel grössere Anzahl von Logen und Courts 
als Irland aufzuweisen hatte, obwohl seine Bevölkerungszahl 
weit geringer als die irische war Den trostlosesten Anblick bot 
die lokale gewöhnliche Hilfskasse, welche von Alt und Jim? die- 
selbe Priifuie erhob und ihren Verpflichtungen nicht nach- 
koninien konnte. Viele Kassen, die eine Zeit lang bltlhten, 
waren untergegangen. L. Daniell bedauerte es, 'dass die ehr- 
lichen (heilenden Gesellschaften sie nicht verdrängt hätten*). 
Der Royal Liver hatte natürlich ebenfalls den Weg in die 
Thäler von Wales gefunden. Die Zahl der Mitglieder betrug 
in r,2 Ortschaften 37 000. Ihm gab an Niclitswürdigkeit der 
einheimische ,Swansea Royal' nichts nach Lokale Be- 
gräbnisskassen waren selten*). Mit den Gruben und den 
industiiellen Anstalten waren Krankenkassan, häufig Zwangs- 
kassen verbunden. Die Unteinehmer zogen den Arbeitern 
die Prämien vom Lohne ab und zahlten die Untersttttsnng 
«US. Die Verwaltung iiberliessen sie in den meisten Fällen 
den Arbeitern. Ein Zuschuss würfle nur in Ausnahmefallen 
geleistet Ein Besitzer von SchieferbrQchen , Namens As- 
sheton-Smith, beschämte alle andern Unternehmer. Er hatte ein 
Krankenhaus pfebaut, und beglich die DcHzite, welclie sich 
jährlich in den iiilfskassen seiner Arbeiter einstellten. Von 
1861—1872 betrugen seine Zuschttsse 2599 ^ FQr Wales 
ist es ebenso charakteristlseh wie flir Irland, dass keine Dorf-, 
r)istrikts- und Gra&chaftsvereine existirten^). Aus dem grösseren 
Reichthume, der grösseren Bevölkemngszahl von Süd- Wales 
erklärt es sich leicht, dass dieser Theil der Hauptsitz der 
Hilfskassen war. In Glamorganshire lag der Mittelpunkt der 
wallisischen Orden: Swansea, wo die grosse einheimische Be- 
gräbnisskasse ihr Gentraibureau hatte, gehört zu dieser Graf- 
schaft. Sod- Wales besitzt bedeutende Eisen-, Kohlen-, Blei- 
ond Kupfergruben ^. Eine Bergwerkskasse mit Zweigen exis- 
tirte damals noch nicht. — 

Die wichtigsten Einflüsse, welche das Gedeihen der Hilfs- 
kassen in Schottland und den 4 nördlichen Grafschaften £ng- 



M S. 6. 

«. 5. 
•) 8. 2. 

*) s. 13 und U. 
») S. 13. 

•) S. 13 und 2G. 

") S. 5 

^) b. 5 und 12. 



V. 1. 



«699 



lands^) beeinflussten , wurden frober besprochea: jährliche 
Kontrakte für ländliche Arbeiter, wodurch das Bedürfniss nach 
I'nterstUtzungsvereinen verringert wurde, weiter der l nistand, 
dass der Reservefonds der meisten theilenden (jesellschaften 
für die Mitglieder eine Darlehnskasse bildete, endlich die Sitte 
der Vereine, sich unter einander mit Geld auszuhelfen^). 
Wir haben nuir wenig hinsnsnfQicen. Der Lohn wurde noch 
vielfach in natura verabreicht. Die Arbeiter erhielten z. B. 
in SOdechottland und Norden^'land eine Kuh. Dies gab den 
Anstoss zur Bildunj? von Kuhkassen, deren wir schon früher 
Erwfthnuni: thaten^). Mit Krstnunen ersieht man aus den 
Namen einiger ivassen, dass in denselben zujjleich Menschen- 
uiul Kuhleben versichert wurden, was Culley ausdrücklich be- 
stätigt. Die Statistik der Kuhleben liess es räthlich erscheinen, 
bis zum yoUendeten zwölften Jahre 5 % des auf den Tod des 
Thieres versicherten Betrages als PriUnie zu erheben. 

Die sparsame schottische Natur vermied Vei'sammlungen 
in Wirthshäusern. Der AVirth spielte dalier bei der Grtln- 
dung keine so bedeutende Rolle Wie in Knjiiand. An seine 
Stelle trat nicht selten der kleine Krämer. Bei der jährlichen 
Theilung des Uoberschusses hotfte er auf vermehrte Einkäufe. 
Neben den ökonomischen Umstiinden und dem sittlichen Cha- 
rakter der Mitglieder wirkte ein moralisches Element. Die 
Freimaurerei in ihrer ursprünglichen Gestalt ist unter den ar- 
beitenden Klassen Schottlands noch vielfach verbreitet. Dem 
bedOrftigeu Bruder wird ein Almosen gegeben^). Doch voU- 



M Re]>orT on Scotland anJ the foiir Northern Tounties of Enf^aad. 
(Northumb^rland, Durham, Westmoreiand uod Cumberland.) 
•)8. 1. 

>) 8. 18. Dort fölgenda von Callay entworfene StatiBtik: 



Name des Klubs 



0 

s 



,3® 



2i 



Gebiet der Kubkasse 



Alttwick Cow Clnb .... 

Dunee and Ptiiriet Sodetv' 

for Insuring Cows . . . 
Ganrald Cow Club andi 

Fooeral Fund I 

Spott FHendly Sodety . . ' 

Traoent Cow Club aud; 
Foneral Fnnd , 



1838 • 630 I 



I 

1834 190 



1799 



214 

328 



1820 i — 



Unbegrenzt biinptsachlich 
Nortbumberiaud 
Sechs Mellen' 



V. 



von Dunsp 
' Umgegend 
I Garvald 
Umgegend 
I Spott 
. Umgegend 
. Spott 



Wird nicht streng 
hefo\f!X. DieEigen- 
thfimer bleiben 
Mitglieder, obwohl 

sie bisweilen nach 
England wandern. 



♦) S. 1 und 127. 



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400 



ÄOg sich wie in England ein langsamer Umschwung. Mit 
einigen Tvot^en hatte man Hilfskassen verbunden, welche je<loch 
nur Lügenniitglieder aufnahmen ' i. In dem Orden der ,h vee 
(lardeners* war das niaurerische Element noch sehr stark. Die 
M. U. und die Foresters hatten eine ziemliche Verbreitung in 
Schottland erlangt Die lokalen Begrftbnlsskassen waren zahlr^ch. 

Die grossen Begräbnisskassen waren in den indnstriellen 
Bezirken zu einer bedeutenden Entwicklung gelangt. Anfangs 
ier fünfziger Jahre hatte sich auch hier ,The Royal Liver* ein- 
gebürgert. Aus derselben waren bei der Leichtigkeit der Se- 
zession und dem gewissenlosen Charakter der Beamten ein 
halbes Dutzend grosser Begräbnisskasseii entstanden, von denen 
wir unten einige Nachrichten geben'). Wie in Irland nnd 
Wales fehlten auch in Schottland die Orafechaftsvereine. Eine 
merkwürdige Institution müssen wir am Schlüsse noch kurz 
erwähnen : ,The Refuge Benefit Society'. 304 jährlich theilende 
• Gesellschaften in Newcastle bildeten eine Kasse (jedes Mitglied 
bezahlte jährlich 1 d.), aus welcher diejenigen Mitglieder unter- 
stützt werden, welche durch den Zusammenbruch ihrer Kassen 
unterstülzunglos werden'). — 

Die Berichte Stanley's und Shr 6. Young'shaben den 
reichsten Inhalt Dem Ersteren war der Löwenantheil zuge- 
fallen: die Beschreibung der Hilfskassen in London nnd in 
den Hauptsitzen der Industrie* Sein Arbeitsfeld war das 

1) S. Der hier erwähnte Verein heisst ,The Masonic Brotherly 
Society ot St, John's, ThomhiU*. Wenn man sich erinnert, dass die ältesten 
schottischen Hilfskassen nachweisbar Freimaurern ihre Entstehung ver- 
danken, so darf man wohl dem Freimaurerthmn einen ^SSOreo AntlMil 
an der Entwicklung der schottischen Hilfskassen zuschreiben, als gewöhn- 
Ucb geschieht. In der Einleitung wurde auf den Einfluaa der Zünfte auf 
cbu MliottiBcfae HUfskasseDweteo hingewieseii. Von diesen waren tor Zeit 
der letzten Enqu^tn noch 7 vorhanden, welche Alters-, Wittwpn- und 
WaiseopeniioDen niben. S. 38. UeberluMipt bat degenige, welcher die 
Voiigeiciiiehte dar nititehen Hilftkuten kenneo leraoi wül, sdn Haupt- 
angonmerk auf Schottland zu richten. 

S. '2 lg. — Im Jahre lb."i2 wurde James Steel dem .Koyal Liver' 
abtrünnig und gründete den ,Scottibh Legal'; im Jahre entlubrte John 
Stewart, ein Coilector des H. L., seine Herde und wurde der Gründer der 
,City of Glasgow F. S.'. Inzwischen führten heftige Kampfe im Innern dea 
yScottish Legal' zur Gründung der ,Stirling Friendly Assurance Society' 
(1861) und der .Northern F. 8.* (1862). Jumes Steel war mittlerweile der 
freien Hilfskasse überdrüssig geworden. Um der schottischen Bevölkerung 
eine noch höhere Anregung zur wirthscbaftlicben Vorsicht sa geben, ria 
«r eine LebensTenichemngsgeselltcbaft ,The British Legal Awiiranee Com* 

rany' in's Leben (1865). (Irosse Kämpfe gingtn voraus; dabei wurde ein 
ollector, MacCalman. ausgestossen, welcher darauf die ,Heform Friendly 
Assurance and Loan Society* (lb6ö) gründete. Stewart sollte nicht lange 
nngestArt bleiben. John Wilson musste aus der C. o. G. V. S. ausgestossen 
werden und gründete die Glasgow Ueformed F. S. (1809). Wilson und 
MacCalman schweiasten ihre freien Hiifskassen zusaounen. So entstand 
die .Cnited Uefofmed F. S. (1870> 
*) S. 



uiy j^uj uy Google 



V. 1. 



401 



moderne England, welches in einer überraschend schnellen Ent- 
wicklung das alte England, die Ackerbaudistrikle des Südens, 
ebenso in den Hintergrund gedrängt hat, wio der Industrielle 
den Gentleman. Hull und Livei-pooK Shetheld und Leeds, 
Manchester und Birmingham sind einige der grossen Centren 
seines Beobachtungsfeldes: die Heimath der Peel, der Bright 
and Gladstone, die St&tten, wo seit hundert Jahren der yierte 
Stand sich von Zeit zu Zeit gegen seine UnterdrOeker erhoben 
hat. Sir G. Young's Untersuchung dagegen bewegte sich auf 
dem klassischen Boden Alt -Englands, dort wo Norwich und 
Bristol, Winchester und Canterbury, Oxford und Cambridge, 
Windsor und Hampton Court, Bath und Tunbridge Wells 
liegen, wo VVat Tyler und Cromwell ihre Schaaren gegen ihre 
sozialen und politischen Gegner sammelten, wo Occam und 
Bacon, Hobbes und Locke, Pitt und Gaoning geboren worden 
Dort neue Verhältnisse, neue Sitten, dn Arbeiterstand, der 
sich auf die eigenen Eüsse stellen muss, hier ein Fortleben in 
Jahrhunderte alten Sitten und Traditionen, ein Arbeiterstand, 
an dessen Hebung Gentry lutd Klerus Uberall mit grösserem 
oder geringerem Eifer mitwirken. 

Fast alle Vereine, welche sich über ganz England eretreckteu, 
oder zn erstrecken suchten, hatten in Stanley's') Bezirk ihren Sitz : 
die Orden, meistens in den grossen Industriecentren, die Lande»> 
vereine in London, die Zwangseisenbahnkassen fast ausschliess- 
lich in der Hauptstadt, die grossen Begräbnisskassen in Liver- 
pool, die affiliirte Gewerbekasse der Maschinisten in Salford. 
Seine Provinz hatte nur wenige patronisirte Kassen, die Becher 
Clubs, drei unbedeutende Grafschaftsvereine und einen Di- 
striktsverein ,The North Staffordshire Providenf aulzuweisen. 
Einige der letsteren siechten dahin, die Gesammtzahl ihrer 
Mitglieder war nicht gross. 

Dagegen war das Dasein dieses Hilfskassentypus charak* 
teristisch für Sir G. Young's^) Distrikt. Kr fand sich in allen 
seinen Arten und Spielarten, als patronisirter Dorfverein, als 
vom Klerus und (ientry entweder gegründeter oder verwalteter 
Stadtverein, als Distriktsverein, als Grafschaftsverein, als Ver- 
einigte Spar- und Hilfskasse, die in einem ihrer Exemplare 
den Plug Uber ganz England wagte. 



^) Grant Allen, ein geistreicher aber unkritisclier Dilettant auf dem 
Gebiete der Anthropologie, sieht durch den gescliildertLU l'rozess das Ver- 
hältniss zwischen Germanen und Kelten verruckt. Da sich der moderne 
industriollc Aufschwung auf altem, keltischen Gebiete vollzogen habe, 
gewinne die dortige Bevölkerung ein üebergewicbt Uber die germanischen 
Einwohner dee Ostens nnd Südens. 

-') Report by the Hon. E. Lyulph Stanl^, AssisUuit Commissioner. 
Siebe auch Fourth Report. S. XLIX. 

*) Report by Sir O. Young, Bart, Asttonfe Commissioner. 

Fonehwc«! (80) !• — HiiliMdi. 26 



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402 



V. 1 



AbgeseheD von diesen fundamentalen Unterschieden finden 

sich grosse Aehnlichkeiten in den Fi-fahninpren beider Männer. 
Beide sahen den Untergang der altenjrlischen Reiiteiika^sen, 
deren Mitglieder durchgängig nicht den arbeitenden Klai^sen 
angehörten. Die grosse Masse derselben fand sicii in Sir G. 
Young's Distrikt, nämlich in Devonshiie. Die Postsparkasse 
bereitete ihnen eine heftige Konkarrenz. Beide begegneten 
Frauenvereinen, Sir G. Young hanptsAchlich in den stroh- 
flechtenden Bezirken Ton Bedfordshire und Hertfordshire. 
Beide hatten von grossen blühenden studtisclien Hilfskassen 
zu berichten; doch hatte Stanley's Provinz, Binningliani. die 
bedeutondsten Exemplare aufzuweisen. In beiden Provinzen 
waren mit Werkstätten, Gruben, Fabriken entweder freie oder 
Zwaugbkassen verbunden, welche in Krankheit oder in Un- 
fällen Hilfe gewährten. Was jedoch viel wichtiger ist, beide 
sahen die lokale Hilfskasse, den alten Klub, vor den Orden 
zurOckweichen, obwohl dieselben viel hObere Verwaltungskostea 
berechneten. Sie wnirde entweder ganz verflrän'jr oder auf- 
•^esoL'en. d. h. in eine Loi^e verwandelt. Stanley meinte, dass 
die schlechteren Orden sicli entweder bald nach dem Vorbilde 
der M. U. reformiren oder zu existiren aufhören müssten. Er 
glaubte also, die Konkurrenz mfisse segensreich wirken. Es 
verlohnt sich wohl, diesem a priori Urtheil das a posteriori 
Sir G. Young's gegenüberzustellen. Dieser sagt: „Die Kon- 
kurrenz bewirkt jedoch viel Unheil." Die Orden unterboten 
sich, einer glaubte mit noch niedrigeren Prämiensätzen aus- 
kommen zu können, als der andere. Der Bierwirth hatte den 
Umschwung der \ eriialtnisse begiiften. Er gründete jetzt mit 
Vorliebe Zweigveieiue, und die Orden sahen sich in ihrer 
Existenz bedroht, wenn ^e nicht auf ihn Roeksicfat nahmen. 
Denn erlaubte ihm ein Orden nicht, einen Zweigverein zu eröffnen, 
so ging er zu einem andern über. Dei- bestverwaltete Orden, 
die Manchester Unity, machte in den ländlichen Distrikten nur 
gelinge Fortschritte. Sie wnr zu straff organisirt. die Beiträge, 
welche sie forderte, zu hocli für den Geldbeutel der ländlichen 
Tagelöhner. Nur Handwerker und Gewerbsleute, welebe 
wöchentlich 18—25 s. verdienten, konnten in dieselbe eintreten. 
Weit mdir Erfolg hatten die Foresters, obgleich dieselben „in 
fast jeder Hinsicht eine halbe Generation hinter den Odd Fei- 
low8 zui-ück" wam^). 

Sir G. Young sah die Doi-fklubs ausserdem von den Graf- 
scbaftsvereinen bedroht Auch bei diesem Prozesse liefen die 
Ergebnisse des Wettbewerbs allen Schlüssen stracks zuwider. 
„Der Grafschaftsverein." sagt Young. „rottet die alte Dorfkasse 
aus, nicht die schlechteste, sondern die beste. " Wenn wir den 
Vorgang Schritt fUr Schritt verfolgen, finden wir es sehr er- 



1) Yoaog, S. 1. 



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V. 1. 



403 



klärlich. Alle patronisirten Vereine waien auf stieii^ien Ver- 
sicherunprsprinzi])ien aufgebaut. Die intelligentesten Mitglieder 
konnten tlen Vortheil eines solchen Vereines sehen, die schlech- 
teren Köpfe nicht. Jene traten in die County Societies ein, 
diese blieben in dem alten Village Club, den natOrlieh das 
Finstri^men der weniger intellif^enten Elemente noch verschlech- 
tern musste. Auch die theilenden Gesellschaften hielten sieb. — 
Der patroiiisirte Verein wollte ehrlicl! sein. Man durfte nur 
bis zu einein hestimujten Alter Krankenj^eld versichern, dann 
konnte eine Altersrente bejrinnen, für welche der Arbeiter be- 
Kondei s bezahlen musste. Das lag über den einfachen ^'erstand 
des Arbeiters kinans. Der Dorfklub bricht zusammen, so dass 
man am Abend seines Lebens niebts bat, meinte er, und hier 
hat man nach 65 Jahi-en auch nichts. Da lobe ich mir doch 
den Dorfklub, da liatte man doch wenigstens noch seinen 
Spass Um das TJrtheil des Arbeiters voll begreifen zu können, 
muss hinzugefügt werden, dass die Prämiensiilze der patroni- 
sirten Vereine gewöhnlich höher waren, als die der gewöhn- 
lichen ililfskassen. Dazu kam, dass es den patronisirten Ver- 
einen an einem sozialen Elemente fehlte. „Ein Verein, der 
dem Gesunden ga.r nichts bietet« kein Bier, kein Fest, kein 
Feuer, sei uneiträglich.'' Alle Mitglieder, denen es .,mehr um 
das Bier, als um die Unterstützungen zu thun war'', blieben 
Mitglieder des Dorfkluhs Die massigen Elemente traten 
lieber in die patronisirten Vereine oder in die Landesvereine 
ein, obwohl sie es schmerzlich empfanden, dass in den einen 
wie in den anderen, die Verwaltung nicht in ihren Händen lag. 
Erwähnen wir endlich noch eine Klage, der auch Sir G. 
Toung einige Berechtigung zuerkennt. Die besseren patroni- 
sirten Vereine sammelten ein bedeutendes VemOgen an. 
Manche Geroüther hätten gewünscht, dass dasselbe vertheilt 
würde, sie befürchteten, die Reserven könnten die Löhne 
drücken^). Sir G. Young ist der Meinung, dass der Ueber- 



*) Nach NotheroD* Estcourt io der WilU. F. S. hatten Gentry und 
Klents auch in anderen pttroniiirten Vereineo dem sozialen BedUrfuisse ent- 
gegenzukommen gesucht So findet rieh in den Statuten der Hunpshire 

F. S. folgender Zusatz zu 5i 21 : ,The memhers of districts are strongly 
recommeiult'd to make arrangeinents for attending Divine Service 
on Whit Monday (!!), or oa such other day as mav be convenient, and 
to hold a festival on the saroe day.' In der (.'lifton l. S. hatte man eine 
Tb eegesellscbaft eingeführt, aber .nur die Franenzimmer kamen"*. Yoong, 
S. 10. 

') Hier ist wiederum eine Gefahr der jewöhnlichon. frrion Ililfskassen 
angedeutet, die um so schwächer wird, je weniger die Verwaltung in den 
Hftnden der Mitglieder li^. In den lt. It der ersten Hilfte der siebendger 
Jahre wird immer wieder hervorgehoben, dass etwa 25" •> aller vom Re;;i8trar 
anfirelöstt n Kassen völlig zahlungstähig waren. Die .Mitglieder wollten das 
angt sammelte Kapital vertbeÜen. bo hatten z. H. 19 von 7(>, 12 von 64, 
12 von 62, 10 von 45 aufgddlteo Vereinen mehr als 10 £ pro Mit<;lied zu 
▼ertheileo, in den vier «Tabieii nur 16 weniger als 1 ^, 127 1—10 l\ 53 mehr als 

26* 



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404 



sc hu SS in irgend einer Weise zu Gunsten der Mitglieder ver- 
wandt werden sollte, beispielsweise zur Keduzirung der Präniien- 
sätze für alte Mitglieder, oder zur Aufbringung der Ver- 
waltuiigskosten. Vielleicht könnten auch die Altersrenteo 
TeigrOesert werden. 

Wenn man Alles dies erwägt, erkennt man, welche Binder* 
nisse den patronisirten Vereinen im Wege standen. Die Ein- 
tretenden bereiteten ihnen neue. Der natürlichen Neigung, 
sich möglichst lange unterstatzen zu lassen, stand keine ge- 
genügende Aufsicht seitens der übrigen Mitglieder gegenüber. 
Wenn nicht von oben herab die genaueste Kontrolle ausgeübt 
wurde, wurde der Verein auf's Schmählichste betrogen. An 
derselben Hessen es einige Kassen fehlen« nm den Mitgliedern 
den Mangel an aller Selbstverwaltung so wenig wie möglich 
fohlen zu lassen. Ordnung und Freiheit. Strenge und Nach- 
sicht klug zu verbinden, das hatte nur Sotheron - Estcourt ver- 
standen. Der Essex Provident war zahlungsunfähig, die South 
Gloucestershire F. S. hatte sich in den sechziger Jahren aufge- 
löst. Die Zahl der auf jedes Mitglied entfallenden Krankheitstage 
hebt sich in den patronisirten Vereinen inwtilen anf das Zwd- 
und Dreifache der gewöhnlichen Hil£skassen der Umgegend. 

Die Erfahrungen der Hilfskommissarien stimmten also 
darin Oberein, dass die Orden und die grossen Begräbniss- 
kassen überall in den drei Königreichen im Vordringen begriffen 
waren, dass die guten (lewerbekassen keine bedeutenden Foi*t- 
schritte gemacht halten und die theilenden Vereine überall 
ihren Platz behaupteten. 



Wir widmen dem Kommissionsberichte nur wenige 
Seiten. Manches haben wir in der Besprechung der Repoits 
der Hilfskommissarien schon berührt, und den Fourth Beport 
selbst hautig früher angeführt. 

Er ziihlt 34 Orden mit mehr als je 1000 Mitgliedeni auf. 
Die gesammte Mitgliederzahl derselben betrug 1252275. Von 
diesen entfoUen anf die M. U. 426668 Mitglieder in 8488 Logent 
Die Foresters wiesen 888872 Mitglieder in 3651 Coarts anf 
Es gab afßliirte Gesellschaften mit viel geringerer Mitglieder- 
sahl^). Fortwährend fanden Sezessionen ans diesem oder 

10 £ (K. R. 1872, 1873, 1874, 187Ö. 8. 7-8, 8, 5, 23-25). Die grosse 
Menge der ms Mangel an Vermögen zusamnienbrechenden Vereine, welche 
klang- und sanjjlos untergehen, sind natürlich hier nicht in Betracht ge- 
zogen. — Herr Tompkins reichte der Königlichen Kommisäion eine Liste 
ein, wonach in den letzten 4 Jahren m einem Falle 898 in dnem iweilen 
71 , in cinoni dritten 70, weiter 2^. l'T 24. 10, 17 bis SO 6 ji^ pro 
Mitglied vertbeilt wurde, qu. 1«'JG— IMJS. Sect«ml Ueport. 

*) S. XXVIII. — Die Alanchester Unity, Foresters, Druida und Keclia- 
bites hatten Zweige in den Kolonien. 



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V. 1. 



405 



jenem Grunde statt. Die Austretenden prrOndeten neue Orden 
So wurde der Vovtiieil. den eine einheitliche, intelli^jente Lei- 
tung gewährt, häutig' illusorisrii. Eine trej^enseitipre Hilfe der 
Kassen unter einander stan<l wohl nur auf dem Papier. Die 
Statuten der M. U. enthielten zwar einen Paragraphen des 
Inhdtes, dass Logen, welche ohne ihre Sehiild In Noth ge- 
rathen waren, durch Ausschrelbnnf; einer Umlage Tom Distrikte 
unterstatzt werden sollten, und dieselbe Unterstützung war den 
Distrikten zugesagt, aber, fügt der Bericht hinzu, „the evidence 
taken before us leaves it uncertain as tho whether this is con- 
sidered a legal claini er not*). Kbenso stand es in anderen 
Orden. Doch war in der M. U. eine Unterstützung flir solciie 
Mitglieder einer unelirlich handelnden Loge vorgesehen, welche 
im Ordensverbande bleiben wollten. Sie worden, ohne einer 
Loge ansugehOren, entweder District Members oder selbst Unity 
Members. 

Die Unterstützungen, welche die Orden gewährten, be- 
schrankten sich im Wesentlichen auf dieselben, welche von an- 
dern Hilfskassen geleistet w urden : Krankengeld und Begrilbniss- 
geld. Dass Altersrenten bei dem Einkommen der arbeitenden 
Klassen nicht bezahlt werden könnten, das huren wir immer 
wieder'). Das Armenhans ist nach wie yor die Zuflucht der 
Armen, welche so unglOcklich sind, invalide zu werden. Nicht 
besser geht es Wittwen und Waisen. Denn die .Wittwen- und 
Waisenkapson' welche mit den Distrikten verschiedener Orden 
verbunden worden sind, haben sich nicht bewährt*). 

Doch bietet ein gutverwalteter Orden den Vortheil, dass 
die Auszahlung des Begrilbnissgeldes sicherer ist, der Wan- 
demrle ein Zehrgeld empfJlngt, und in der Fremde seine Be- 
ziehungen zur heimathhchen Loge leicht aufmht erhalten 
kann. Das Clearance- System ist theilweise durch ein anderes 
verdrängt worden. Verziehende Mitglieder bleiben Mitglieder 



Die Eitelkeit war vielfach im Spiele: der hochtönende littH und 
die Wichtigkeit eines leitenden Benmten Terfilbrte. §. 126. 

s- 101. 

*) 8. unter Anderem qn. 200—202, qu. 291 (Rntdilfe), nur die beit- 

bezahlten Klassen von Arheitern können eine Beate versifilieni, qu. 975—978 
(Finlaison) und ou. 13G51, 13652. 

*) Young, 2. So blribt des Armenhana die nottawendige Ergänzung 
der Ililt'skasse. Nach dem Berichte des Poor-Law Hoard für Ivw -ISdy 
waren von Armen, welche in den hauplstädtischon Bc^zirken Tuterptiitzung 
MiBser dem Hause erhielten, 81" o aurch Alter oder I ntAll entkräftet, 
B4,2**/» Weiber und Kinder, welche ihrea Ernfthrers in Fol;:: ' von Tod, Ab- 
wesenheit und Eheverlassung beraubt waren, 34'^ <> hilflos in Folge von 
Kr&nkbeit und Arbeitsmangel. — lieber die in Irland im Annenhause 
Unteratatzten eiebe die Karte in dem Annual Kenort of the rommissioners 
for a. the Laws f. Relief o. the Poor in Ireland. Vom 81. März 18*»7. Die 
Zahl fAogt im Augast und September an zu steiffen, hebt »ich den Winter 
lündnrch und sinn Tom Februar an. — Man riebt im Souirmt in Annen- 
nanae nur alte Lentei Weiber und Kinder. 



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406 



ihrer Lofje. die fremde Lope zahlt die Unterstützungen und 
empfangt die Beiträ^^e. Periodisch hndet eine Ahrei'hiiung 
zwischen den Lopen statt Vi. Erwähnen müssen wir noch, dass 
die M. U., die Puresters und Kechahites Zweigvereine für die 
Jugend gegründet haben, und der Orden der Foresters noch 
einen vornebmei'en Orden ,The Ancient Order of Shepherds* 
einschliesBt Die Mitglieder desselben bezahlen Zusatz- 
prämien und erhalten höhere Unterstützungen. Sie sind bei 
Nichtmitgliedern nicht grade belieht. Sir G. Young gegenüber 
wurde der höhere Orden ein ,Hou.se of Lords' genannt. 

Wie die meisten Hilf^kasseu ^) waren auch die Orden 
durchgängig zahlungsunfähig. Das Defizit der M. II. betrug 
am 1. Januar 1871 £ 1 343 44t) Der Muth, mit welchem 
der Orden diese Thatsache bekannt machte, war jedenfalls 
rühmenswerth. Einige Kassen hatten bei einer Abschätzung 
im Jahre 1872 einen Ueberschuss, andere ein Defizit. 

Die M. U. hatte die beste Organisation. Selbst die Fore- 
sters waren weit zurOek. Stanley zählt (S. 9) folgende Ver- 
sehiedenhtiten zwischen den beiden auf. Es giebt Courts, weldie 
in keinem Distriktsverbande stehen. Der Distrikt der Fore- 
sters hat ein geringeres Aufsichtsrecht, als der Distrikt der 
M. U. Zu dem jährlichen Wanderausschusse darf jeder Court 
einen Vertreter entsenden. Das Direktorium wandert mit dem 
Wanderausschusse. In die Centraibehörde werden Männer aus 
den Mitgliederu am zeitweiligen Sitze gewählt. Es ist hier 
mehr Spiehmum für indivieduelles Belieben vorhanden, aber darin 
li^ die grosse Sdiwäche. Sie haben weniger unter Sezes- 
sionen gelitten, aber sie stehen finanziell viel tieler, als die 
M. ü. 

Kein anderer Orden konnte mit diesen beiden verglichen 
werden, alle übrigen hatten eine viel losere Organisation. 



') S. 103, 104. 
2) §. 115, 116. 

^) ,l'ndoQbtedly, a maj ority of them are unsoirad; a yery large nif 

jority, I should say.' qu. 1069. Siehe aucb 1070—73 iNoisou). — Kmtr 
der Kassenbcamt^D einer grossen BegTäbnisskaBse meint, dass jede Gesell- 
schalt im Königreiche bankerott wäre^ wenn nicht neue Mitglieder ein- 
BlrOmten. qu. 2211. i Der Zeuge kannte jedenfalls einige patronisirte Vereine 
nicht.) Ks ist schade, dass kein Zeuge ausser Neison in häufifren YprKphr 
mit Hiilbkassen kam. Warren (qu. 27367—68) batnaih eigenem Goüuud- 
nisse nur wenige gesehen und hUt SO^'/q für zalilungsuntahig; Bailey liat 
in 10 Jahren nur öO — 60 kennen gelernt, hält die Majorität für zahlungs- 
unf&hig (qu. 781); Finlaison hat in der letzten Zeit nur die groBaen 
Kassen kennen gelernt (qu. 984), liftlt die Mi^oritftt der kleinen Kanen ftkr 
z.iiihnigj'fÄhig. qu.n io. ( l)ie kleinen Kassen waren das Schosskind Finkiison'sl 
.s tratton, der bekret&r des ,Friendly Societies Committee' antwortet 
auf die Frage: Do yoo believe that many of them become bankmpt — 
Y«S. qu. 8")>!». 
h § HO. 



V. 1. 



407 



Der .Graiul United Order of Odd l'ellows' liatte erst vor 
Kurzem augefaiigen , sich zu centralisiren und konsolidiren 

Der ,Order of Druids* erscheint in Stanley's Bericht (S. 11) 
nicht in einem sehr günstigen Lichte. Er hält neun Ziehntel 
aller Logen für zahlungsunfähig und tadelt den Eigensinn, mit 
welchem jeder Rath zurückgewiesen wird. Der Orden stand damals 
noch in seiner ersten Jugend; er war ein Splitter des Ancient 
Order of Druids, und im Jahre 1858 in's Leben getreten. Seit 
1872 scheinen sich die Zustünde gebessert zu haben. Der 
Orden hat seine Spitze in einem Wanderausschuss (Annual 
Moveable Delegation) und in einem Direktorium, welches, wie 
in der M. U.. aus Mitgliedern aller Logen gewählt werden . 
darf. Das Vertretungsrecht ist nicht so beschrankt, wie in der 
M. U. , aber auch nicht so unbeschränkt wie in dem Orden 
der Foresters. Jede Loge und jeder Distrikt darf einen Ver- 
treter senden, aber bei Abstimmungen werden nur die Zahlen 
der Mitglieder in Betracht gezogen. Je 5n0 Mitglieder haben 
eine Stimme. Wenn dieselben 2 Vertreter schicken, so wird 
nnr 1 Stimme gerechnet Ein Vertreter, welcher 2000 Mit- 
glieder repräsentirt, hat 4 Stimmen. Einen abweichenden Zug 
in der Verfassung der Druiden müssen wir noch kurz besprechen. 
Einige kleine Logen hoben die Zweigkasse auf und gründeten 
eine gemeinsame Distriktskasse, aus der also sowohl Kranken- 
geld als Begrabiiissgeld bezahlt wird 

Dem Orden der «Nottingham Ancient Imperial United 
Odd FellowB* fehlte das Element des Distriktes, insoweit 



' ) Der Verfasser von ,A Short History of the Chief Affiliated Friendly 

Societies* nennt ihn noch jetzt ,more democrati<' in its governmenf thai» 
most of the others*. Das zeigt sich auch in der niedrigeren Stellung, 
welche er donimnit. (traduirte Trämien sind noch nicht eingeführt. — In 
Amerika, wo der Independent Order, der Sprösslinfi der M. 1 ., keine Far- 
bigen, Indianer etc. auliaimmt, ist er der »ColoureU Order" geworden. 
8. 25 ff. 

-) Dieses wird ,T jjnalisation' genannt. Der Verfasser der Short 
Hi&tpry etc. ist ein einseilij^er Verfechter derselben, S. 31 und 32. Wird 
die scharfe Kontrolle, wie in einer kleinen Krankenkasse, herrschen? — 
Andererseits liat der Plan grosse Vorzuge, welche der genannte Verfasser 
jedoch nicht nennt. Es wird möglich, invalide und chronische ]\ranke 
besser zu unterstützen (siehe Katclififes Rath, .S. Üti.')). Die ..e<jualising 
districts" hatten im Jahre 1879 25b' Logen und 16624 Mitglieder oder 
2T\, aUer Mitglieder des Ordens. Im Ganzen hatte er 128 Dietrikte, 1235 
Logen und 72 M8 Mitglieder^— 

Dies«' Orden ist der eHftige, welcher in Dentechland Eingang ge- 
funden hat. Nach der genannten Schrift S. 33 halte er ^egen l'nde der 
siebenziger Jahr in Deutschland einen Qrosshain, 31 Flame (Logen) und 
687 Mi^Iieder. 8 Logen waren in Berlin, 3 in Leipzig, je 2 in Rmnmela- 
burg, Potsdam, Hamburg Stuttj?art. je eine in FranKfurt, Bremen, Magde- 
burg» Dresden , Brandenburg. Heidelberg, Glauchau. Halle n. w. — Ich 
vermuthe, dass der Orden nicht unmittelbar aus England, sondern aus den 
Vereinigten Staaten in Deutschland eingetührt worden ist, und awar dess- 
halb, weil die Versammlun<?splat7:e nur in Amerika ,Haine^ guiannt werden. 
In England heissen dieselben ,lodges' und nicht ,groves*. 



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408 



V. 1. 



derselbe eine Uilfskasse zur Zahlung' des Begnibnissgeldes 
bildet. Er hatte eioe Remeinsame BegrAbnisskasse. Der Orden 
war damalB so ceotralisirt, die Mitglieder ausserhalb Nottinf?- 
hama hatten so wenig Einfluss auf die Verwaltung desselben, 
dass er eher oinein Grafsrhaftsverein, einem Landesverein oder 
einer grossen Sterbekasse ^^licli. Und der VeHasser der schon 
oft genannten, frOliestens im Jalue isso erschienenen Short 
Histor} etc. sagt: rdass der jährliche Kongress des Ordens in 
Wirklichkeit eine Nall ist, da er keine Gesetze erlassen, noch 
irgend eine Macht ausfiben kann, da die Grossloge Alles, was 
der jahrliche Kongress thut. durch ihr Veto zu vereiteln 
vermag". „Es giebt keinen anderen Orden" . fährt er 
fort, „welcher so peringc Veränderungen erfaliron hat, und so 
viel Veraltetes beiliehitlt, wie der Nottingham Imperial Order" 
Der Onien zählte damals 4niHM> Mitglieder in .■)74 Logen*). 

Den .Loyal Order of Shf'])lierds' ( Ashton Unitv i lernte Stanley 
aUth noch als einen schlecht verwalteten kennen. Seit 1875 
hat sich ein bedeutender Umschwung vollzogen. Eine graduirte 
Prftmienskala wurde eingeführt, jeder Zweigverein muss sich 
registriren lassen. Die Statuten der M. U. wurden M Ah- 
fiissung der eigenen zum Muster genommen. Am 1- Januar 1880 
zahlte der Orden 105 Distrikte, 1000 Logen mit 73094 Mit- 
gliedern. Die Zahl der Frauen und Wittwen ist 25968 

Die Be^rechung der an ^-rn Orden übergehen wir, und 
erwähnen nur noch, dass der .Ancient Order of Druids', der 
Stammvater der verschiedenen Druidenorden bei dem kari- 
tativen l'rinzipe der Freimaurerei stehen ^el)lieben war*), 
und dass /Die Independent Order of Kechabites, Salford ünity'^) 
kräftig blülite. Im Herbste 1871» hatte derselbe 33 000 Mitglieder 
in 61 Distrikten und 803 Zelten ~ 



M S. r^S und 54. 

') Stanley, S. 17 und 18. 

*) Dar Orden wurde am 2'k Dezember 1826 gegründet, daher der 
Name Treue Scbftfer. »iehe fOx obige Kotu ^. »bort 11/ S. 34—40, 
SUnley, S. 15. 

♦) Yoanff, S. 2. 

Der Name ist der l'ihel entnommrn. l'rn Sii]inrii iIcs .Tonadab, 
des Sohnes von Kecbab, wurde lür immer uubetuhlen, keinen Wein zu 
trinken und alle ihre Tage in Zelten zuzul^niren. Desshalb nennen die 
Rechabiten ihre Logen .Zelte'. A Short HiÄry etc. S. 93 und 94. 

") Er nimmt au? ]p\rht begreiflichen Gründen Manner und Frrinon 
auf. Um sich einen Nacli wuchs zu sichern und die Jugend vou dem Ge- 
nu88 geistiger Getränke abzulialteOf worden im Jahre 1866 .Jugendzelte' be- 

S'ündet, in denen L'nerwachsene vom 0. bis 1*». Jahre eintreten können 
ie Verfassung ist im Ganzen denenigen anderer Orden ähnlich. Die 
Oesefsg^nng steht bei der ,MoTeabie Conference', welche alle zwei Jahre 
v^usammentritt, die Exekutive bei dem .Moard ot Hirectors'. — Die Krank- 
beits- und Mortalitätestatiatik des Ordens ist sehr gUnstie. Die durch- 
scbnittlidie Khmkhwttidaiier betrag in 8 Jahren pro Mitglied 4 Tage 2 Stunden, 



V. 1. 



409 



Einen Augenblick müssen wir noch bei der bedeutendsten 
freien dewerbekasse mit Zweigen verweilen, bei ,The Loco- 
motive Steam Enginemen and Firemeii^s Society^ Die Zweige 
Bind Einheiten für die Krankenversicherung, welche in 
den Zweigen selbetstftndig betrieben wird. Sie haben einen 
gesetzmässifren Anspruch auf Hilfe von allen andern ZweiLren. 
wenn sie durch ein hohes Kranklieitsqiiantuni ihrer Mit;:lieder 
in Noth ^erathen. Säninitliche Zwei^'e haben eine ^'eni ein- 
same Kasse — es fehlt also das Mittelglied des Distrikts — 
für die Versicherung de^ Begrab nissgel des (sowohl für die 
Mitglieder als fbr deren B'rauen), des Reisegeldes und für 
Unterstützung in unvorhergesehenen Fällen. Hierzu hat jeder 
Zweier vierteljährlicli beizutragen. Drittens existirt eine 
R e n t e n k a s s e für Invalide. Der vierteljährliche Beitrag 
beträfzt 1 s. für jedes Mitfilied. Ausserdem Hiesst flie Hälfte 
des Eintrittspeldes in diese Kasse. Die Verwaltun^skosten 
werden durch einen Beitrag von 2 d. alle 14 Tage bestiitten. 
Das Mitglied hat also vier Arten von Zahlungen zu machen: 
1) ein abgestuftes Eintrittsgeld, 2) einen graduirten Beitrag zur 
Zweigkasse, 3) einen feststehenden Beiti-ag zum Verwaltungs- 
fonds und 4) zur Invaliditiitskasse, Die Zweijze stehen in laufen- 
der Rechnunir mit der Centraibehörde. Die Legislative steht 
bei der Delegiitenversanimlung, welche sich jetloch nur ver- 
sammelt, wenn die Mehrheit der Zweige so bestimmt. Dieselbe 
ernennt einen geschäftsführenden Ausschuss, welcher die ge- 
nannten Centraikassen verwaltet^). Nach dem 27. Jahres* 
berichte für 1881 hatte der Verein 8835 Mitglieder in 
65 Zweigen, welche über die drei Königreiche zerstreut lagen. 
Das Vermögen der Zweite betrug am 31. Dezember 1881: 

(38 502 — s. 8 d., und das gemeinsame Ver- 

niu^^en der Ge- 
sellschaft . . 13802 ^ 14 . .j 

Im Ganzen also 82 304 il' 15 s. 1 d. 

Es ist eine der trefflichsten Gesellschaften des Inselreiches. 
Mehr als irgend eine andere vertheilt sie das gesammte Risiko 
gleichmftssig ttber die ganze Gesellschaft. Man muss sich 
wundem, dass sie aus eigenen Krftften so Bedeutendes 



iu dem Bradlord-Distrikte der M. T. Im lage 10 Stunden, die .Sterbeziffer war 
1 : 141 , in der M. 1. 1 : 44. Das durchschnittliche Alter der Mitglieder 
der R. war 30, dasjenige der M. U. 40. Warea die Kinder mitgesAlill? 
A Short History S. 93—106. 
>) §. 155 and 156. 

") r)ie Jahrosliprichtc enthalten solir cinfrehende Nachrichten. — Im 
JaUre 1861 hatte die Kasse an Begräbnissgeld tUr bl Männer und 69 Fraaen 
betnblt 1808 £, an Reisegeld nnr 90 jf 8 8. Wie Obenll war ancti bler • 

die Alters- und Invaliditätskasse das Kreuz der Gesellschaft. Im letzten 
Jahre hatte sie 51 Gesuche um Altersunterstützung sewahrt. I)ie Kosten hatten 
theilweise (.4uu jL) aus den Ueberschüssen der Yerwaltungskasse bestritten 



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410 V. 1. 

vollbracht hat, ja sogar ihren Mitgliedern eine Alterbrente 
sichern konnte. — , 

Die Vorzüge und Fehler der Landesvereine werden 
in dem KommissionBberichte kurz dargestellt: die Billigkeit 
der Verwaltung, die Registration aller dieser Kassen, der 
Mangel aller Vertretungs^tens der Mitglieder und die einheitliche 
Prämie. Es werden im Manzen 8 Kassen mit üher 50000 Mit- 
gliedern auffrezahlt, die einen Reservetonds von etwa 250000;^ 
angesammelt hatten. Die l>e(leutemisten Kassen dieser Art 
waren der ,Koyul Standard' und die ,Hearts of Oak'. Nach 
dem 1881 erschienenen R. R. hatte der erstere im Jahre 1879 
7831 Mitglieder, einen Reservefonds von 107229 fß, eine Ein- 
nahme von 21 522 und eine Ausgabe von 21945 JE, die 
Hearts of Oak V) aber hatten eine Mitgliederzahl von 81 986, 
einen Reservefonds von 381 099 eine Jahreseinnahme von 
201000 i und eine Ausgabe von 14(>547 £ l^) Es ist hier- 
aus zu ersehen, welchen Autschwun^^ die besten f^.xem- 

?lare dieses Typus in den siebenziger Jahren genommen Itaben. 
Ke Majorität dieser Vereine hat, ivie bemerkt, eine einhdt- 
liche Prämie und erhebt ausserdem einen Theü der Beiträge 
in der Form der Umlage. Die besseren verwenden keine Kol- 



werden mui^seu. Nur muss man nicht glauben, dass der Pensionsfond schon 
erschöpft war. Folgendes ist der Abschlass der Renleiiltasie. 

je s. d. ! ^ 8. d. 

üebenchttSS 83(i8 17 6V< Gezahlt »n Alters- 

£ 8. d. und Invaliden- 

Beitrige . . . 2G09 1 6 Pensionen . . . 3467 7 8 

Zinsen. ... 282 15 0 . , , . 

Von der Ver- Leberscbuss . . . fi2o9 14 lOVt 

waltuDgskasse j 
eDtnommen . 400 0 0 
Eintritttgeld , 86 8 6 

P>37K .5 0 ' 

U747 2 ö» »' 11747 2 6>/a 

M Nach den Steinten von 1877 (S. 2—4) nimmt diese Gesellschaft 

nur Mitglieder zwischen 18 und ".0 Jahren mf, welche durchschnittlich 
mehr als 2 t s. wuchenllicb verdienen. Alle irgendwie gesundheitsschäd- 
lichen Gewerbe sind ausgeschlossen. Hieraas ersieht man. dass dieser Ver- 
ein -icfi aus den besten Klassen des vierten Stimdes rekrutirt, geschickte 
Handwerker, Krämer, wohlentlohnte Dienstboten der vornehmen und rdchen 
Lente etc. umlBsst 

-) Wie sehr die Verwaltung dieser llilfskassen, in denen keine leben- 
dige Beziehung zwischen den Mitgliedern besteht, in Gefahr ist, in die 
Hand einer Cliaae oder nor des HekreOrs su fallen , das ersieht man ans 
W. G. Bunn's History of the Hearts of Oak Benefit Society. London ls7l). 
l>ieso Hilfskasse Hatto zelm Jahre zu kamjifcn. um einen Sekretär los zu 
werden, der sich Herr und Meister auituhite. — her Erti'ag der Schrift 
ist dazu bestimmt, Mitgliedern, welche aus materieller Noth ilire Prämien 
nicht entrichten können, die Weiterbezahlung derselben zu ermdgltcheii. 
,There are annually a large number exduded for non-paynient.' 



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411 



lektoren, aber die Mit^Oieder, welche nicht am Sitze des Ver- 
eins wohnen, sind fiezwun^en , eine Mitteli-person mit den ge- 
schäftlichen Beziehungen zu betrauen. Diese Pei-son steht 
aber, das ist der jirosse L'ntersi'hied , nicht iin Dienste der 
Kasse. Um die PriUnieozablung za erleichtern, werden die 
Mitglieder in Abtheilungen eingetheilt. Jede Abtbeiluog hat 
an einem bestimmten Abend zu erscheinen und die Pi£nien 
zu entrichten. Hieraus erklart sich, warum die Kasse an einer 
Prämie und an ein«»r Kinheitsprämie festhält. — Der Re- 
gistrar schätzte die Gesauimtzabl dieser ivassen auf nicht mehr 
als 100 V). — 

Der Bericht zählt 11 Grafschaftsvereine auf mit nur 
29086 Mitgliedern, aber einem VermOfiren von 221955 

Die noch nicht erwähnten sind die , Berkshire Friendly', die 
,Dorset Friendly', die ,General Benefit Society for the Town 
and County of Cambridge and Isle of Ely', die ,County of Kut- 
land General' und die ,Shropshire Providenf. Von diesen 
scheint nur die ,Wiltshire Friendly Society' Fortischritte zu 
machen. Der ,B]ssex Provident', welcher damals 9315 Mit- 
glieder mit 76396 £ besasB, hatte nach dem Report Akr 1879 
(1881) 5287 MitgUeder mit 79442 Der Report zählte 24 D i s- 
triktsvereine mit 15000 Mitgliedern und etwa 2S0000 ^ 
Vermögen auf, 4 sogenannte Becher Clubs ziUdten 882 Mit- 
glieder und 16473 £ Vermriiron. Aus die<eii Notizen geht her- 
vor, wie gering im Verhältinss die Zahl der Mitglieder ist, 
welche den patronisirten Vereinen angehören, aber auch, wie 
stark die tinauzielle Basis im Allgemeinen ist^). Der ,North 
Staffordshire F. 8/ scheint in der letzten Zeit ebenfalls abge- 
nommen zu haben. Nach dem Bericht hatte er 1888 Mitglieder 
und 15353 £ Vermögen, nach dem R. R. 1879 nur 1597 Mit- 
glieder, dagegen 26 801 £ Vermögen, — 

Es gab damals in allen Theilen Kuglands hervorragende 
städtische Hilfskassen: allen voran standen , The Cannon Street 
MaleAdult Provident Institution' in Üirmingbam, welche im Jahre 
1881 9505 Mitglieder mit 81918 Vermögen zfthlte, und 
die «Bifmingham General Provident and Benvolent Institation' 
mit 3335 Mitgliedern und 44 150 r Vermögen im Jahre 1879. 
Ks gab aber auch tfichtige kleinere Kassen, zom Theil von 
hohem Alter — 

Unter den vielen Dorfklubs waren einige in guten Ver- 
mögensverhilltnissen , z. B. die ,Hitcliin Friendly Institution', 
welche trotz ihrer finanziellen Vorzü^^e nur langsam anwuchs. 
Sie ist eine der wenigen, welche eine Altersrente gewährt. 
Sie zahlte am 81. December 1881 S37 Mitglieder und hatte 



>) § 169—178. 
«) i 179-IÖ6. 
«) § 209. 



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412 



V. 1. 



ein Vermöpen von 19S<52 / s s. Sie konnte 98 7o ihrer 
sämintlichen Beträge aus ihren Zinsen bestreiten. — 

Ueberdie Gewerbekasse in ihren verschiedenen Fonnen 
haben wir nur zu bemerken, dass sie populftr war, aber selten 
gedieh. Sie sei in Gefahr, entweder in einen Gewerkverein 
oder in eine gewöhnliche Flilfskasse nberzugehen. 

Ueber das Prinzip periodischer Theilunp in den ,Dividing 
Societies' giebt der Bericlit die widei-streitenden Ansichten, 
sowie sie der Kommission vorgetragen wurden. Diese Kassen 
verhindern gute Kassen an ihrer Entwicklung und sind an- 
dererseits der gewöhnlichen Hilfekasse vorznciehen. Die 
periodischen Theilungen finden nicht in allen Fallen alle Jahre 
statt, in einzelnen nur in längeren Zeiträumen. In einigen 
wird auch ein Vermögen angesammelt, nicht der ganze Ueber- 
schuss getheilt. Der Ueberschuss wird gut und schlecht ver- 
wandt. — üeber die .Deposit Friendly Societies' haben wir 
nichts Neues zu bemerken. 

Die lokalen Begräbnisskassen waren sehr zahl- 
reich, sie zfthlten nach HnnderUaosenden. Im Berichte 
wird die Mitgliederzahl der gix)ssen Begräbnisskassen auf min- 
destens 1000000 geschätzt, davon entfielen auf den , Royal 
Liver' 550 000 Mitglieder, den ,Liverpoo] Victoria Legal' gegen • 
200000 und den ,Scottish Legal* 216 000. Das Vermögen 
aUer betrug 4(il (305 £. Nach dem K. ß. von 1879 liatte der 
,Royal Liver' 80507(3 Mitglieder und ein Vermögen von 
(329479 Jj, der »Liverpool Victoria Legal' 472945 Mitglieder 
mit 250940 i«'. . 

Diesem Kassentypus wurde von der Kommission die genaueste 
Aufmerksamkeit geschenkt und zwar wurden die beiden Punkte 
in's Auge gefasst, welche wir im VI. und VIL Kapitel be- 
sprachen, der Einfluss derselben auf die Kindersterblichkeit 
und ihr ganzes Gebahren den Versicherten gegenüber. Die 
Untersuchung war ihnen ungünstiger als in dra fonfeiger und 

sechziger Jahren* • — 

Der Abschnitt Ober die Rentenkassen bietet ebensowenig 
Neues. Hilfekassen für Frauen zählt der Rept^it 283 mit 
10151(3 i auf; die Mitglieder von 237 zählten 22 091 Mit- 
glieder. Es gab ein Dutzend Frauenorden, so ,Feinale Fo- 
resters', ,Female DniidsS ,üdd Sisters', ,Ancient Shepherdesses' 

Alis dem reichen Inhalte des vierten Kapitels erwähnen 
wir nur noch, dass in verschiedenen Hafenstädten der Nord* 
See Sdiiffbmchgesellschaften' existirten. Der Bericht macht 
darauf aufmerksam, dass dieselbe Stadt. Lyn", in deren Gil- 
den nach Toulmin Smith's Werke Versicherun-r gegen Verlust 
auf der See hetiieben wurde, 2 Schiff bruchgesellschaften auf- 
zuweisen hattet). — 



0 S. 619. 



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V. 1. 418 

Wir haben nun noch die Klagen über die bisherige Gesetz- 
gebung zu besprechen. Durch die Bill, welche der Kanzler 
Lowe im Jahre 1870 dem Parlamente vorj;ele.irt hatte, war 
eine allseitige Prüfung des Werthes der Kegistration Office iu 
Anregung gebracht worden. Die Aussagen der meisten 2Seagen 
vor der Edniglicben Koraniission waren der Erhaltung .dieser 
Behörde gflnstig. Daliegen daehten sie sehr vei-schieden über 
das Maass der Befugnisse, weldie dem registrirenden Beamten 
gebührten. 

Diejenigen, welche seine bisherige, fiist unbeschränkte 
Autorität vermindert zu sehen wünschten, waren entweder 
Personen, welchen die Ausübung der Autorität des Registrars 
unangenehm gewesen war, oder Individuen, welche mit Recht 
bemerkten, dass das Zeugniss des Beamten eine falsche Sicher- 
heit verbreitet habe, oder Männer, welche nicht mit Unrecht 
darüber klajiten, dass einzelne Befugnisse de? Retristrars nicht 
gehörig deünirt seien, oder es waren Maiu hesterleute, welche, 
ohne die missliche Lage der Dintie in Betracht zu ziehen, mit 
den bekannten Gründen die Einmischung des Staates bekämpften. 

Unter den Gegnern dieser Ansichten haben wir zwei 
Klassen zu unterscheiden. Die Einen wonschten die klSgliche 
Stellung jenes Beamten gehoben zu sehen. Das Gesetz knüpfte 
den Genuss gewisser Privilegien an die Erfüllung gewisser Be- 
dingungen. Der Registrar aber sei weder im Stande, die 
Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften zu erzwingen, noch 
zu sagen, ob sie erfüllt worden wären oder nicht. Die Andern 
wiesen dem Staate die Ptiiclit zu, das Volk volkswirthschaft- 
Heh zu erziehen und es gegen Betrug zu schätzen. Hierzu 
sei aber die Ausdehnung der Autorit&t des Beamten nöthig. 
Es ist dies die Ansicht, welche wir von Eden und Glenny bis 
auf Sotheron-Estcourt immer wieder gehört haben. Den bei- 
den, widersprechenden, abstrakten Erörterungen gegenüber be- 
hauptete die Kommission eine richtige Mittelstellung. Wie 
weit die eine oder andere in jedem besonderen Falle berech- 
tigt sei, das Hesse sich nur ermessen „nach den Umständen 
des einzelnen Falles, der Wichtigkeit des zu erreichenden 
Zieles, nach der Kraft oderOhnmacht der interessirten Personen, 
das Ziel ohneStaati^hilfe zu erreichen, sowie nach der Möglichkeit 
oder Unmöglichkeit,(lie Hilfe wirksam zu machen '. Nachdem die 
Kommission dieses bei allem einseitigen Doktrinarismus gesunde 
Prinzip entwickelt hat, geht sie zur Anwendung desselben über. 
Die Orden, insbesondere die Odd Fellows, seien im Stande, 
ohne Staatshilfs vorwärts zu schreiten. Aber es gebe zahl- 
reiche Klassen, und gerade die hilflosesten und hilfsbedttrftigsten, 
welche die Arbeiterorden nicht in ihren Bereich zögen, und es gäbe 
Versicheriinuszwecke, welche von den affiliirten Gesellschaften 
entweder gur nicht oder nicht in einer den P>e(lürfnissen dieser 
Klassen angepassten Weise erfüllt wüideu. Diese Klasseu 



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4U 



V. 1. 



seien die Mitglieder der Dorfvereine und der grossen Bepräbniss- 
kassen. Welche Hilfe könne der Staat den bedürftigen Klassen 
«ngedeihen lassen? Sie brauchten vor Allem Bsthy Aufkl&nmg. 
Dieses Bedürfniss könne der Staat im hobem Maaaae befiriedigeo. 
Sie hätten zweitens eine gute Verwaltung nöthig. Die Auf- 
gabe, welche dadurch dem Staate gestellt werde, sei schwieriger, 
aber er könne die Verwaltung zwingen, ihr ganzes Thun vor 
die Oertentlichkeit zu l)ringen und die Bestrafung des Betruges 
erhMrhtern. Yielleiclit empfehle es sich auch, die Staatsver- 
siciierung weiter auszubilden und mit gewissen Klassen von 
Hilfekassen In Wettbewerb zu treten. 

Die Beh(krde werde also am besten erhalten. Sie solle 
Rath und Aufklärung ertheilen, Nachrichten sammeln und die 
Kassen beaufsichtigen. 

Unter der VoraussetzuTifz , dass die Registrar Office er- 
halten werde, bespricht die Kommission die andern Klagen 
gegen das (iesetz, welche eljonso widei streitender Natur sind. 
Kinige Zeugen wünschen, dass den Kassen eine grössere Frei- 
heit in der Anlage ihres Vermögens gelassen werde. Diese 
werde den Hilfskassen finanzielle Vortheile bringen nnd manche 
unregistrirte Vereine zur Einschreibung veranlassen. Andere 
Zeugen wOnachen die Freiheit der Vermögensanlage beschr&nkt 
zu sehen. — 

Einige Zeugen, besonders Mitglieder der Arbeiterorden, 
klagen darüber, dass das Gesetz das Band zwischen den Logen, 
Distrikten und der Centraibehörde lockere, da es die Einschrei- 
bung jedes Zweiges als einer selbststftndigen Kasse vorschreibe. 
Andere, die Mitglieder der Landesvei-eine, klagen, dass das 
Gesetz eine Uebercentralisation befördere. Sie wünschen, dass 
alle Mitglieder durch Stellvertreter bei den Versammlungen 
stimmen dürfen. — 

Der Gegensatz der Ansichten offenbart sich nicht minder 
in der Erörterung des sozialen Elementes der Hilfskassen. Es 
wird sowohl vorgeschlagen, den Kassen das Tagen im Wirtbs- 
hause, das Abhalten von Festen zu gestatten, als es den 
Friendly Societies ganz zu verbieten. Alle. Ausgaben sollten 
unter genauester Kontrolle stehen. — 

Auch über den Werth der Einsendung der fünfjährigen 
Berichte sind die Ansichten get heilt. Die Meinung, sie sollten 
in Zukunft nicht mehr einirefordert werden, und die entgegen- 
gesetzte wird vorgetragen. Jedenfalls sei es überflüssig, Be- 
richte drucken zu lassen, wenn sie nicht benOtzt würden. Ins- 
besondere herrscht Unzufriedenheit mit der Praxis der Staats- 
schuldenverwaltung, häufig verwickelte Berichte zu verlangen, 
nni so mehr, als die materiellen Vortheile, welche dieselbe 
biete, ausserordentlich gering seien 



'j Üiehe Ü. d. S. 



415 



Grössere Einstiinniifzkeit heri-scht über die Nothwendig- 
keit, gegen die Landesvereiiie und die Begräbnisskassen leichter 
einschreiten zu können. Entweder solle ein öffentlicher An- 
klüger bebtellt werden, oder iler Registrar die Kluge erheben, 
oder dem eiiiseliien Mitgliede die Klage ermöglicht werden. 

Wie vor froheren AussehUssen sind auch hier die Mei- 
nungen über die Vortheile und Naehtheile des SchietlsLcnchts 
und der staatlichen Reclitsprechunp: getheilt. Auch bitten 
diesmal Freunde der theiienden Gesellschaften, dass ihnen die 
Kegistration erlaubt werde. 

Erwähnen wir endlich noch, dass einige Zeugen der Ililfs- 
kasse die Pflicht uutiegen wollen, ihre Tabellen prüfen zu 
lassen und periodisch einen Ausweis Uber ihre finansielle Lage 
▼orsulegen ^) , dann haben wir alle Hauptpunkte allerdings 
rascher als sonst erledigt. Wir konnten uns diesmal küi-zer 
fassen, weil fast jede dieser Klagen schon vor pnrlamentan- 
SCben Aui-schtissen in früheren Jahrzehnten erhoben wurde. 

Der Bericht l>r>pricht im letzten Kapitel diese Anregungen. 
Er ist der Ausdelmung und Reform der Staatsversicherung 
sehr geneigt. Verschiedene Zeugen hatten sich für dieselbe 
ausgesprochen und der Rommission war eine von einflussreichen 
Männern unterzeichnete Petition vorgelegt worden, welche die 
Ausdehnung der Staatsversicherung auf alle Ziele einer Hilfskasse 
befürwortete -) Der Bericht schlägt vor, dass die Krankenver- 
sicherung von den Kassen selbst tibernommen. daLieuen die Staats- 
versicherung für alle andern Zwecke passend ref(»rmirt werde. 
Zweierlei sei nöthig : auch geringere Beträge müssten versichert 
und Prämienzahlungen in geringeren Beträgen gemacht werden 
dürfen, und die Existenz der Staatsversicherung, von welcher 
die grossen Massen der Arbeiter und selbst viele gebildete 
Leute nichts wüssten, zur allgemeinen Kenntniss gebracht wer- 
den. Ks empfehle sich, staatliche Kollektoren anzustellen 

Ks l)efrie(li:_rt nach hier, dass man mit al»strakten, prin- 
zipiellen P'.rörttTungen, welche aus einem leeren Ideale geschöpft 
werden, möglichst verschont wird. Der Report begnügt sich 
damit, darauf aufmerksam zu machen, dass die Staatsvemche- 
rung schon eingeführt sei, und dass Sterbekassen und Ver- 
sicherungsgesellschaften zum Wohle des Volkes da seien, nicht 
das Volk zum Wohle der Begr&bnisskassen *). 

^) Noch jetzt mius das Geständniss gemacht werden, dass das Ver- 
SlSadniM fDr diese beiden Punltte Ober das GeistesvermOgen der grossen 
Blasse der Ililfskasseniiiitglieder liinauspelie. '.10. 

■) Sielie di'^ 1' in Apppndix tn Pourth Iteport. S. 112 tV i nter den 
Petenten erwahuen wir die Erzbischöle von Canterbury und York» 
eBifehOfs, 17 Peen, Bö Abpordnete aller Parteiricbtnngen, Beamte 
der Annenverwaltung. Frieaensricbter, Aerzte, Industrielle^ 8^8^ ^ Oeit^ 
liehe — und 4 Damen, darunter Miss Martinean. 

*) S. M. Ludlow hat eine vortreffliche kleine Schrift geecbrielMllf 
wtlehe denielben klaren, von allem Doktrinarismus freien ond die konkntai 



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416 



V. 1, 



Um die Staatseinmischung in die Angelegenheiten der Hilfs- 
kassen möglichst wirksam zu machen, empfiehlt die Kommis- 
sion eine Vertheilung und Vermehiung der registi irenden Be- 
hörden. Das Land soll in Distrikte eingetheilt werden, welche 
Deputy Begistrare verwalten. Diesen liegt die Einsehreibimg, 
die Beau&iehtigung der Verwaltung ob; sie hahen die Ein- 
sendung der Berichte zu bewirken u. s. w. Ueher denselben 
sollen drei Hilfsregistrare stehen, einer in London, einer in 
Edinburgh und einer in Irland , welche alle dem Chief Re- 
gistrar untergeordnet sind. Dieser Beamte würde am besten 
einem Ministerium unterstellt. Er hat die Oberaufsicht, soll 
Tafeln entwerfen lassen, wenn nfttbig, eine Klage erheben 
dürfen und an das Parlament berichten. Die Verstärkung der 
Centraibehörde durch einen Aktuar wird vergeschlagen. 

Wie frühere Ausschtisse erkennt die Kommission die Noth- 
wendigkeit guter Prämientabellen an; die Centraibehörde soll 
desshalb Tabellen verschicken, aber den Mitgliedern die Aus- 
wahl überlassen. Noch mehr Werth legt er der periodischen 
Prämienreserreberechnung bei , zu welcher alle Hil&kassen ge- 
zwungen werden mttssten. Die Kosten derselben liessen sich 
durch Verbreitung vonModellformularen verringern; vielleicht 
empfehle es sich, dass die Regierung die Ausgaben einer ersten 
Bilanz bestritte. Nicht minder wichtig seien periodische 
Bücherrevisionen und die staatliche Ernennung von Bücher- 
revisoren und Kalkulatoren (public auditors und public valuers). 

Den theiienden Gesellschaften möchte die Kommission die 
Registration zuwenden, und ^ Kontrolle ^es Ordens ttber 
seine Zweige anerkannt sehen. Sie glanbt, dass die Ver- 
mögensanlage nicht ganz frei sein dürfe und hftlt es nicht 
für falsch, der Hilfskasse eine materielle Hilfe angedeihen zu 
lassen. — Schliesslich wird die Konsolidation aller früheren 
Gesetze empfohlen. 

Die vorgeschlagene Politik auf die kürzeste Formel ge- 
bracht, wäre Erleichterung der freiwilligen Registration und 
strengei-e DurchfQhmnf; aller gesetzlichen Bestimmungen illr 
die eingeschriebenen Kassen. Vier Kommissarien wichen in 
einem Punkte ab und sahen sich veranlasst, dem Parlamente 
in einem besonderen Berichte ihre Ansiclit vorzutragen. Der 
erste Registrar solle nicht blos Prämientabellen verbreiten, und 
den arbeitenden Klassen die Auswahl überlassen, sondern er 
solle mit ihnen über die passendste Tabelle berathen, und 
wenn er sie nicht zur Anniüune derselben zu zwingen im 
Stande sei, diese Thatsache in einem Zeugnisse zum Ausdruck 
bringen. Sie schlugen zwei Klassen von Hilfskassen vor. 



BedttrfniiBe berflckgicbtigendeD Geist athmet, wie dieser Theil des Fourtk 

Report. Sio fuhrt den Titel : ,0n the diffcrent moJcs of State Aid tO 
Private üudertakings and iu particalar to Frieudly Societiee. 1675/ 



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V, 1. 



417 



Am 8. Juni 1874 ') wurde von Sir Stafford Northcote 
eine Bill einfrebiacht, welclie die von der Majorität der Kom- 
mission gemachten Vorschläge enthielt. Sie umfasste auch 
pesetzliche Bestimmungen über Darlehnskassen , Genossen- 
schaften und Gewerkvereine Die Rede des Kanzlers war 
^ne Umflchrdbung der im vierten Berichte entbalteDen Vor- 
BcMäge. Der Widerstand, welchen die Bill fand, richtete sich so- 
wohl gegen die Prinzipien wie gegen einzelne Punkte der* 
selben Als prinzipiellen Gegner haben wir Lowe zu ver- 
zeichnen. In einer trefflichen Rede, welche sich durch eine 
Konse(juenz auszeichnete, welche seinen Aussagen vor der 
■ Kommission fehlte, tadelte er die Halbheit der vorgeschla- 
genen Massregel. Die Regierung müsse bereit sein, mehr za 
thnn oder weniger zu thnn, die Hilfekassen in strengere Zucht 
zu nehmen, oder sie sieh selbst zu ttberlassen. 

Wenden wir uns nun zu den Gegneni, welche nur einzelne 
Punkte für verbosserungsfähig hielten. Der Gesetzentwurf 
solle sich auf die Hilfskassen beschränken, alle fremden Bestand- 
theile des Gesetzentwurfes würden besser ausgemerzt. Diese 
Ansicht wurde unter andern von Sir Charles Düke vertreten. 
Von grosserer Bedeutung war die Behauptung, dass die Ein- 
setzung der Deputy-Registrara dem Lande grosse Kosten vei^ 
ui-sache, und dass die vor^zeschlagene Be&gniss des Chief- 
Registrars viel zu gross sei. Es war die gewöhnliche, klein- 
liche, parlamentarische Kritik, die sich an dem Entwürfe ver- 
suchte. Roebuck meinte mit Recht , es wären keine zehn 
Personen im Hause, die etwas von der Sache verständen. 

In dem Entwürfe stand ein Paragraph des Inhaltes, dass es 
unerlaubt sei, auf den Tod eines Kindes unter drei Jahren eine 
Summe zu vereichern. Die Königliche Kommission hatte ein viel 
belastenderes Material Ober den demoralisimden Einfluss der 
Begräbnisskassen iresanimelt, als ein früherer parlamentarischer 
Ausschuss, und hätte noch mehr an das Licht briiiLicii können, 
wenn sie nicht gesetzlich gefesselt gewesen wäre. Der er\v;ihnte 
Paragraph wurde heftig angegutieu, es sei eine Verläumdung 
der arbeitenden Klassen. Es ist wirklich ein trauriges Bild, 
welches sich uns hier darbietet. Wir sehen Vertreter der- 
selben Schichten, welche die arbeitenden Klassen so lange 
niedei*zuhalten suchten, als sie es vennochten, nun zu 
Schmeichlern dersell^en herabgewürdigt, weil seit 1807 das 
Stimmrecht ausgedehnt worden \\i\r. Iiier wie überall das 
Verhältniss von Hammer und Ambos, von Herr zu Sklave, 

V) Die Dat«D nach den JoursaiB of the Uotue of GomnuH» 1874 
and 1875. 

BiUe Public II. 1974 
*) Siehe vornehmlich Hamard^s Debates 22. Juni 1874. 

Fondmaf «n (M) V. I. — Hubark. 27 



418 



und niclit das von Mensch zu Mensch. Wer die Arheiter immer 
als Mitmenschen und Milnner behandelt, der darf ihnen auch hei 
Gelegenheit die Wahrheit sagen. Wir unterlassen es, die Aeusse- 
rungen tiefster Entrfistong Ober die frevelhaften Anklagen, die 
gegen die MOtter der arbeitenden Klassen erhoben worden 
seien, zu veneichnen und wenden uns zu einer der gediegen- 
sten Ileden, welche in diesem Jahre in Wostniinster iiehalten 
wuidcn. Stanhope kritisirte den Entwurf in cfuiiso scharfer 
Wei^(', wie Lowe. „Ich mochte,'- t.a;:te er, „dass in eiiii.iren Fara- 
^'raphen das feige Wort ,darf durch , soll' ersetzt werde". Die 
Uegieriing müsse für die Kassen der Armen thun, was sie für 
die Versicherungsgesellsehaften der Reichen gethan habe. 
Niemandem, der sich mit einer Versicherungsgesellschaft ein- 
liesse, wÄre es L-^t^stattet, in vollstiln<liger Unwissenheit zu sein. 
So müsse es die ixe^rierung für ihre Pflicht halten, die Hilfs- 
kassen besseren Zuständen entire^enzuführen. Kr schilderte 
mit warmen Worten die trostlose Lage der meisten Vereine, 
ihre ruinirende Konkurrenz, er anerkannte das reformireude 
Streben der Orden, ohne dass es zum Ziele gefilhrt hätte, und 
meinte, dass nur die patronisiHen Vereine die Probe bestan- 
den hätten. Die Behauptung, dass die arbeitenden Klassen 
verläumdet würden, wurde geradezu vernichtet durch die Hin- 
weisung darauf, dass in keiner Versicherunjrsgesellschaft ein 
Vater auf den Tod seines Kindes eine Summe versichern dürfe. 
Hier habe also das Cicsetz den wohlhabenden Klassen schon 
eine Beleidigung entgegengeschleudert. 

Der Gesetzentwurf war nicht gerade einem hartnäckigen 
Staatsmanne anvertraut Die Rede wurde im Ausschusse am 
20. Juni gründlich beschnitten und verändert. Die wichtigsten 
Züge der zweiton Bill M sind : der Fortfall aller I^cstimnmngen 
über alle \ ereine, welche nicht Hilfskassen sind "'), die Aus- 
merzung der Paragraphen über die lokalen regist rirenden Be- 
amten und die Erlaubniss, auf den Tod eines Kindes unter 
3 Jahren 1 £ 10 s. yersichem zu dürfen. 

Die Neigung, die Angelegenheit noch in dieser Session zu 
Ende zu führen, war sehr gering. Sir Charles Düke, Roebuck 
und Andere meinten, man müsse den Mitgliedern Zeit lassen, 
das umfangreiche Material zu studiren, welches die Kommission 
gesammelt habe*). Schon am 20. .luni theilte Sir Statlbrd 
Northcote mit . dass man mit der Bill in der laufenden Ses- 
sion nicht weiter fortzufahren gedenke. Sie wurde am 22. Juli 
zurückgezogen. 



') liill, as amended in Cornmittee. Hill's Public. II. Is74. 

") Die speziellen Gesetze über die Genossenscbaltcn und Gewerkvereine 
worden im Jahre 1876 erlassen. 

^1 Erst kurz vorher waren die wichtigsten BiMlbQcher fWOllBlltItcht 
worden, 7 zum ibeil recht stattliche Bäade. 



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V. 1. 



419 



Am 8. Februar des folgenden Jahres legte Sir Stafford 
Nortlicote dem Hause einen neuen Gesetzentwurf vor, der in 
allen wesentlichen Zügen mit der zweiten Hill des Jahres 1874 
übereinstimmt \). Es wilrde uns zu weit führen, wenn wir die 
Geschichte des Entwurfes auf alleu Stufen verfolgeu wollten. 
FOr jeden Volkafreund sind die Debatten zudem niederdrücken- 
der Natnr. Wer das Schicksal sozialer Reformen in einem 
parlamentarisch regierten Lande kennen lernen will, wer sich 
überzeugen will, dass ein Parlament unter den heutigen wirth- 
schaftliehen und sozialen Verhältnissen nicht zu einer gründ- 
lichen Heilung schwerer Wunden im Stande ist, der möge die 
Debatten des Hilfskassengesetzes des Jahres 1875 lesen. Und 
hier kamen nicht einmal die Interessen der besitzenden Stünde 
in*s Spiel. Es handelte sich nur darum, den Hilfskassen eine 
gesunde Verfassung und Verwaltung zu geben, sie gegen Irr- 
thum und Betrug zu schützen. 

Sir StatlVird Nortlicote versicherte die Mütter der arbei- 
tenden Klassen immer wieder seiner besondern Hochachtung, 
sprach wiederholt von der Sittlichkeit des Volkes, wich von 
Stellung zu Stellung zurück, deckte seinen liückzug hinter 
einer Fluth von schönen Worten und wurde, um seinen Ge- 
fühlen Ausdruck zu geben, immer laxer in seinen Anforderungen. 
Die Summe, welche man auf den Tod eines Kindes versichern 
konnte, ging von 1 ^ 10 s. auf 3 J: und endlich auf (3 £ 
herauf. P'.in Abgeordneter dankte Sir Staffoid Nortlicote für 
die grosse Meisterschaft, welche er entwickelt habe, und wurde 
im Jahre 18(^0 wiedergewählt. Nicht Alle waren so glücklich. 
Das Feldgeschrei schien ausgegeben zu sein, alle vei-ständigen 
Anforderungen als eine Schmähung und Verläumdung der 
arbeitenden Klassen auszugeben. In diesem Zeichen siegte 
man. Es wurde vorgeschlagen, dass vom Staate eingesetzte 
Rechnungsrevisoren die jährlichen Ausweise über Einnahmen 
und Ausgaben anfertigen sollten. Da erhob sich sofort ein 
Schrei fler Entrüstung über die Schmähung und Verläumdung 
der arbeitenden Klassen, die in dieser Forderunj? enthalten sei. 
Und als Jemand ein Amendement einbrachte, der Revisor solle 
nicht Mitglied der Gesellschaft sein, wurde dieselbe Phrase mit 
Erfolg losgelassen. Man kann nicht einwenden, dass das Par- 
lament unwissend gewesen sei. Beglaubigte , zum Theil von 
Revisoren erzählte Berichte lagen vor, welche den Betrug vieler 
Kassen enthfillten. 

Kicht besser erging es Mitgliedern, welche graduirte Ta- 
bellen eingeführt und die fünfjährige Bilanz den Händen kom- 
petenter Pei-sonen anvertrauen wollten. Die grössten Anforde- 
rungen an die Hilfskassen stellte Bartellott. Er meinte, keine 

1) Bült Poblfc n. 1975. Die Debatten hi HsiiMtfd. Siehe iaebe- 
sondere 8. Februr, 25. Febrnnr, 81. Mait !• Joni, 8. Juni. 

27* 



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420 



V. 1. 



Gesetzße))iing könne für ausreichend erachtet werden , welche 
nicht Zwanj^srecristration und Zwan^srevision für alle Kassen 
vorschreibe und die allmähliche Einführung abgestufter Priimien 
i&'s Werk setze. Oberst Bartellott war überhaupt einer der 
besten und konsequentesten, natOrlich auch der nnprlttekliehsten 
Redner über die Hilfskassenvorlage. Bis zu einem gewissen 
Grade stimmten Dr. Cameron, Dodson, Salt mit ihm überein. 
N;k lidem die Bill «las Parlament bis zum 3. August beBChftlÜgt 
hatte, erhielt sie am 11. die königliche Zustimmung. 

Man möchte vielleicht einen Bewohner des Festlandes nicht 
für fähig erachten, sich bis zur Höhe der englischen Anschauun- 
gen über Staat, Freiheit und parlamentarische Regierung 
aufzuschwingen, von welcher ans der Werth des Hilfskassen- 
gesetzes erst ▼erstöndlicfa wird, und wir Qberlassen es daher 
der «Times', dasselbe zu beurtheilen „Sir Stafford North- 
cote's Hilfskassenvorlage/- schrieb sie „war bescheiden, wenn 
nicht furchtsam in ihren l')( stimmungen. . . . Den Hilfskassen 
wurde es erleichtert, die Tüchtigkeit ihrer Berechnungen und 
ihrer Verwaltung!: zu prüfen, aber sie wurden keiner Zwangs- 
revihiou unterworfen. Bei der zweiten Lesung billigte die 
grössere Anzahl der Sprecher auf beiden Seiten des Hauses die 
Massrei^el, wahrscheinlich in Folge von Vorstellungen seitens 
ihrer Konstituenten. Wie böswillige Kommentatoren bemerkten, 
war die 1)111 für die VerwalturiL-^r ithe und Beamten der Ge« 
Seilschaft annehmbar. Die Erfahrung zeigt, dass es 
schwer, und im Ganzenundli rossen unmöglich ist, 
eine träge Masse gegen ihre eigenen, unmittel- 
baren Herren zu beschützen . . . Sir Stafford North- 
oote wQrde ^nen Sturm von Unpopularitftt zu bestehen gehabt 
haben, wenn er sie zu wirkungsvoll gegen die möglichen Uebel- 
thaten ihrer Verwaltungsbeamten geschützt hätte. Ob die 
Noth wendigkei t, eine fehlbare Meinung um Rath 
zu fragen, ein vom Parlamentarismus unzertrenn- 
licher Fehler ist, das ist eine bestrittene und 
schwierige Frage. Dass die Noth wendi^jkeit einer 
Unterstatzung seitens des Volkes ein Hemmniss 
für eine heroische Gesetzgebung ist, das ist un- 
zweifelhaft wahr.* — 

Die wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes 38 u. 39 Vict. 
c. 60 (An Act to consolidate and amend the Laws relating to 
Frienrlly and other Societies) sind die folgenden. Nachdem in 
den l'ara^raphen I— VH Definitionen gegeben, die früheren 
Gesetze unter gewissen P.edin<jungen aut-elioben worden sind, 
das Niederlegen der Statuten in Zukunft verboten worden ist, 



<) The Aonual Register. 1875. S. 47. 



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421 



werden die Klassen aufgezählt, die sich registiriren 
lassen dürfen. Es sind: 

VIII. 1. Vereine, welche durch freiwillicre Beiträge, mit 
oder ohne Sthenkun^^cii a) eine ünterstützuuj; geben an Mit- 
glieder, ihre Männer, l'unun, Kinder, Väter, Mütter, Brüder, 
Schwestern, Netfeu und Richten, oder Mündel, wenn dieselben 
Waisen sind, in Krankheit oder InTalidität, sowohl körperlicher 
als geistiger, im Alter (welches jedes Alter nach dem 50. Jahre 
bedeuten kann) oder in Wittwenschaft, oder an die minorennen 
Waisen von Mitgliedern, b) welche eine Geldsumme versicheni, 
die zahlbar ist bei der Geburt eines Kindes eines Mitgliedes, 
oder beim Tode eines Mitgliedes, oder zur Bestreitung der 
Beghibnisskosten eines Mannes, der Frau, oder des Kindes 
eines Mitgliedes, oder der Wittwe eines verstorbenen Mitgliedes, 
oder während der Enthaltung von aller Arbeit, welche Mit- 
glieder des israelitischen Bekenntnisses in gewissen Traner- 
fllllen beobachten müssen c) welche arbeitsuchende Mitglieder 
auf der Reise oder Mitglieder in bedrängten Verhidtnissen, oder 
nach einem SchitThrnchp, oder beim Verluste oder der Bescbä- 
digung von Booten un(i Netzen unterstützen, d) welche Mit- 
glieder oder von Mitgliedern ernannte Personen ausstatten, 
e) welche die Versicherung des Handwerkszeuges der Mitglieder 
gegen Feuersgeiahr Qbemehmen; der höchste Betrag, welcher 
yersichert werden darf, ist 15 

Hilfskassen, welche mehr als 200 £ in einer Summe und 
mehr als eine Rente von 50 ,ß versichern, sind von der Re- 
gistration ausgeschlossen; 2. Vieliversicherungska&sen; 3. Wohl- 
thätige Gesellschaften ; 4. Arbeiterbihiungs- und Krholungs- 
vereine; 5. Gesellschatten, welche vom Ministerium als registra- 
tionsfähig erklärt werden. 

Eine BeschHlnkung der Höhe des zu verrichemden Be- 
trages ist für 2, 3, 4 und 5 nicht vorgesehen. 

IX. Das Ministerium darf für die 5. Klasse fests^zen, 
welche Bestimmungen des Gesetzes auf dieselbe nicht ange- 
wandt werden sollen. — 

Die GenossenscliafLen sind also von den Bestimmungen des 
Gesetzes ausgeschlossen, die Feuerversicherung ist nur in be- 
schränktem Maasse erlaubt; dafür sind Unterstützungen der 
Vater, Mütter und Waisen der Mitglieder und die Versiche- 
rung für vei'schiedene Zwecke eingeschlossen worden, welche 
bisher speziell erlaubt werden musste. Der Paragraph IX wird, 
schreibt der l'egistrar -), wenn die Macht mit Verstiindniss ^if»- 
handbabt wird, die Ausdebuung des Mechanismus des Gesetzes 



^) Ueber ditte Klasse von ITüf^kassen hat die Kommission keine 
N'jiclirichton rrofammelt. Eine der ältesten französischen Ililt'ska'^^t'n w«r 
ein jüdischer Verein. E. Laurent, Le pauperisme etc. S. 20;J ii. 2u4. 

*) lt. R. 1875. VoL LXXl. S. 6 11. 7. 



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422 



V. 1. 



auf eine Reihe von Vereinen ermöjilichen , welche durch die 
Aufhebung des Deponiningsparapraphen von allem gesetzlichen 
8chut;?e ausgeschlossen sind, oder sich nur als Aktiengesell- 
schaften (conipanies) registriren lassen könnten, ohne ihnen je- 
doch Privilegien zuzuwenden. 

X. 1. Die Oentralregistratioiisbebörde soll in Zukunft be- 
stehen aus einem ,Gbief Registrar' und einem oder roebreren 
, Assistant Registrars of friendly societies for England*. Für 
Schottland wie für Irland soll ein Assistant Registrar eniannt 
werden; 2. dieselben werden vom Ministeriuni wideiTuflich an- 
gestellt; die Registrars müssen Milnner von juristischer Bil- 
dung unfl bestimmter Praxis sein. Es ist auch erlaubt, Aktuare 
zu Mitgliedern der Centralbehünle zu machen; 4. auf die Cen- 
tralbehMe geben die Funktionen des frUberen Registraiv aber. 
Er soll ausserdem, unter Genebroigung des Ministeriums 
5. a) Formulare für Jahresberichte, Bilanzausweise etc. ent- 
wei-fen und dieselben verbreiten lassen; b) die Ergebnisse der 
Berichte der Hilfskassen bekannt machen, besonders solche, 
welche die Krankheits- und Mortalitätsstatistik betreffen; e) PnV 
mientabellen entwerfen lassen, deren Annahme jedoch freiwillig 
sein soll ; 6) der Chief Registrar soll jedes Jahr dem Parla- 
mente einen Beriebt über die wichtigsten Voi-gänge im Leben 
der Hilfekassen vorlegen, insbesondere Bilanzen (Prftmienre- 
serveberechnungen) ; 7. die Assistant Registrars sollen 
unter dem Chief Registrar stehen. Sie haben alle Befugnisse 
des Registrars und können auch Funktionen des Chief Registrar 
ausüben, wenn ihnen dieselben vom C. R. übertragen werden; 
8. die Assistant Registrars ftlr Irland und Schott- 
land sollen a) unter Anderm die Hilfskassen ihrer Provinzen 
registriren; b) der Centralbebörde Abschriften aller Dokumente 
einsenden ... c) an die Gentraibehörde Uber alle Vorgilnge 
ihrer Ressorts berichten. 

XI. Eine Kasse, welche registrirt werden will, muss 
mindestens aus 7 Personen bestehen, eine Liste mit den Namen 
der Treuhänder und des Sekretais einsenden, und wenn sie 
Altei-srenten versichert, eine von einem Aktuar entworfene 
Prämientabelle vorlegen. Theilende Vereine dürien registrirt 
werden, wenn ihre Statuten die Bestimmung enthalten, dass 
vor der Theilung alle zu der Zeit ftlligen Ansprache an die 
Gesellschaft befriedigt werden müssen. Hil&kassen, welche in 
mehr als einem Königreiche das Versicherungsgeschäft betreiben 
wollen, müssen sich in dem Lande registiiren lassen, wo ihr 
Sitz sich befindet, und Abschriften ihrer SUituten an die Re- 
gistrars der andern Königreiche einsenden. Weigert sich der 
Registrar, eine Gesellschaft einzuschreiben, so kann an be- 
stimmte GerichtshMis appellirt werden. 

XIL Vereine, welche das Zeugniss durch Betrug oder 
Irrthum erhalten haben, fUr einen ungesetzmässigen Zweck 



428 



oder ^jar nicht mehr existiren, oder eine Bestimmung de? Ge- 
setzes, nachdem der Repistrar sie gewarnt hatte, verletzen, 
können vom Registrar mit Genehmigung des Ministeriums, auf- 
gehoben werden. Eine Aufhebung kann auch auf Wunsch 
der Vereine geschehen. 

XIV. Die wichtigsten Pflichten der eingeschriebenen 
Hilfökassen sind 1. die Einsendung eines Ausweises über die 
gesammten Einnahmen und Ausgaben sowie über das Ver- 
mögen deraelben für jedes Jahr. Die Ausgaben müssen ge- 
trennt nach den verschiedenen Zwecken aufgeführt werden. 
Mit eingesandt soll der Bericht des Revisors werden, wenn ein 
solcher gemacht worden ist. Der Revisor soll entweder ein 
▼om Staate ernannter Beamter sein, oder eine Pei-son, deren 
Name, Stand und Adresse angegeben sein mnss. 2. Alle fünf 
Jahre Einsendung einer Krankheits- und Mortalitätsstatistik. 
3. Alle fünf Jahre Einsendung eines Berichtes über die ge- 
sammte finanzielle Lage. Die Kasse kann denselben entweder 
selbst anfertigen lassen und muss in diesem Falle den Namen 
und Stand des Kalkulators (valuer) angeben, oder sie ülier- 
sendet die Materialien au den Registrui , worauf dieser sie einem 
Aktuar übergiebt. 4. Jede Kasse mnss jeder Person , welche 
an den Vraijüdgensrerbflltnissen derselben interessirt ist, einen 
Einblick in ihre Bücher gestatten, ausgenommen in das Dar- 
lehenskonto eines Mitgliedes, 5. jeder Person, welche darum 
bittet, einem Abdruck des letzten Jahresberichtes einhiüidigen 
und 6. eine Kopie des letzten Jahresberichtes, der letzten Bi- 
lanz mit dem Berichte über ihre Zahlungsfilhigkeit oder Un- 
fähigkeit in dein Bureau der Kasse aufhüngeo. 

Die Auszahlung des Begräbnissgeldes ist Terboten, wenn 
nicht das Zeugniss des Civilstandsbeamten vorgelegt wird. 

Jedes Vergehen gegen diese Bestimmungen kann auf An- 
trag bestraft werden. (Vergleiche XXXII.) 

XV. FinL'eschriebene Hilfskassen haben folgende Privi- 
legien: 1. Sie sind frei von der Wirkung der Corresponding 
Societies Act und der Seditious Meetings Act, 2. frei von 
Stempelgebühren in bestimmten Fällen. 3. Mitglieder dürfen 
eine Person ernennen, welcher sie bei ihrem Tode eine Geld- 
summe bis zu 50 zuwenden wollen. 4. Beim Tode eines 
intestat Gestorbenen darf eine 50 J' nicht übersteigende Summe 
an eine Pei-son ausgezahlt werden, welche den Treuhändeiii die 
nächsten Ansprüche zu haben scheint, ohne dass eine gerichtliche 
Ermächtigung vorliegt. 5. Im Falle ein Trustee abwesend etc. 
ist, darf der Registrar das in der Bank v(in England oder Ir- 
land auf den Namen desselben stehende Vermögen auf den 
Namen anderer Treuhänder schreiben lassen. 6. Hilfekassen 
haben ein Vorrecht auf das Vermögen bankerotter^ gestorbener 
Treuhänder. 7. Mitglieder zwischen 16 und 21 Jahren dürfen 
Mitglieder des Vereins werden, aber keine Stellung als Beamte 



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424 



bekleiden. 8. Doch dürfen Kassen, deren Mitglieder ausschliess- 
licli aus Personen zwischen 3 und 16 Jahren bestehen, sich 
unter diesem Gesetze einschreiben lassen. 

XVI Die HOftkassen dorfen Ihr Vermögen anlegen: 
1. in Postsparkassen und Trustee Savings Banks, welche unter 
dem Gesetze von 1863 eingeschrieben sind ; 2. in Staatspapieren; 
3. bei der Staatssduildonverwaltunp:-. \. in Land und Gebäuden; 
5. in irgend einer andein vnn den Statuten vorgeschriebenen 
Weise, ausgenommen auf persönliche Sicheiheit. — Die Treu- 
händer haben im Falle eines Defizits nur solche Summen zu 
ersetzen, welche sie erhalten haben. 

XVII. Die Staatssehuldeny er waltung gewährt allen 
künftigen Vereinen einen Zinssatz von 2 d. " o und Tag, allen 
vor dem 2H. Juli 1828 gegründeten fttr Versichei-ungen, welche 
bis zum 2:1 Juli 1855 abgeschlossen wurden. B d. " o und Tag, 
und allen zwischen dem 28. Juli 1828 und dem lö. August 
1850 ^T-pründeten für Versicherungen, welche bis zum 23. Juli 
1855 abgeschlossen wurden, 2^^ % und Tag. Es folgen die 
früheren Bestimmungen über die Einsendung der Berichte an 
die Verwaltung und die Deponirung von Geld sdtens solcher 
Kassen, welche Geld herausgenommen haben. 

XVIII. Ks ist unter gewissen Bedingungen erlaubt, einem 
Mitgliede, welches ein Jahr lang Mitglied gewesen ist, eine 
Summe, welche die Hälfte der auf den Tod versicherten Summe 
nicht tibersteigen darf, zu leihen. 

Ks daif eine Darlehnskasse fUr den Nutzen der Mit- 
glieder mit der HÜfekasse verbunden werden. 

XX. Jeder Kassenbeamte muss Kaution stellen, 
nnd von Zeit zu Zeit Beehenschaft ablegen. 

XXII. Alle Klagen sollen so geschlichtet werden, wie 
die Statuten vorschreiben; die Mitglieder dürfen sie auch vor 
den Registrar bringen. 

XX III. Auf den Wunsch eines Fünftels der Mitglieder 
einer Hilfskasse, von 100 Mitgliedern eines IOjOOO Personen 
starken Vereines; von 500 Mitgliedern eines mehr als 10000 
Personen starken Vereines dürfen die Registrars 1. Inspek- 
toren ernennen, denen alle Bücher vorgelegt werden müssen, 
und welche die Beamten eidlich vornehmen dürfen; 2. eine • 
Versammlung zusammenberufen, und bestimmen, wolclio An- 
gelegenheiten zur Sprache kouinien sollen. Jedoch muss (icm 
Registrar gezeigt werden, dass die Mitulieder hinrcicheniien 
Anlast, haben; die letzteren müssen auf Wunsch dos liegistrars 
zur Bestreitung der Untersuchung Vorschuss leisten. Im Falle 
eines affiliirten Vereines muss die Gentraibehörde desselben 
ihre Zustimmung zur Unterauchung geben. 

XXV. Kine llilfskasse darf sich auflösen, wenn ein 
in den Statuten bestiiiiintes. die Autiösung ftxirendes FreiLMiiss 
eingetreten ist, und auf Beschluss von fünf Sechsteln aller Mit- 



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V. 1. 



425 



glieder etc. Ein Zweigveraiii muss die Zustimmung der Cen- 
traibehörde haben. Sie kann auch durch den Chief Registrar 

und die Assistiint Rejnstrars aufgelöst werden, wenn sich ein 
Fünftel aller Mitglieder etc. (cfr. XXIIl) an sie wendet. 

XXVII. Die höchste Summe, welche von einer Ililfs- 
kaflse versichert werden daii, ist 200 £ ^ die höchste Rente 
50 £. 

XXYIII. Beim Tode eines versicherten Kindes unter 
5 Jahren darf von mehreren Kassen oder Versiohei-ungspesell- 
schaften zusammen nicht mehr als 6 ^, beim Tode eines Kindes 
unter 10 Jahren nicht mehr als 10 i; ausgezahlt werden. 
Die SunHue darf nur den Eltern oder den Vertretern auf das 
Zeupniss eines Civilstandsbeamten ausbezahlt werden. Der 
Civilstandsbeamte hat auf dem Zeugniss den Namen der Kasse, 
von welcher die Zahlung verlangt wird und die verlangte 
Summe anzuzeichnen. 

Der Civilstandsbeamte darf ein Zeugniss oder mehrere 
Zeugnisse nur ertheilen, wenn (ifr Gesammtbetrag nicht mehr 
als die im (iesetze vorgesehene Summe beträgt, \ind wenn ihm 
das Zeugniss eines Arztes oder Coroners tlber die frewisse oder 
wahrscheinliche Todesursache vorliegt. Zuwiderhandelnde 
Kassenheamten werden bestraft. 

XXIX. lieber Vereine mit Zweigen bestimmt das 
Gesetz Folgendes. Dem Gesuch um Registration muss beige- 
fügt sein 1. eine Liste sämmtlicher Zweige; 2. die Namen der 
Treuhänder und Beamten der Zweige, im Falle dieselben 
klatien dürfen; 3. die Statuten jedes Zwei*ies, im Falle die- 
selben nicht mit denjenigen aller andern Zweige tiberein- 
stimmen. Jede Kasse mit Zweigen, welche ein geroeinsames 
Vermögen besitzt, kann als eine Gesellschaft registrirt werden. 

XXX. FQr Kassen, welche Sammler beschftfUgen, 
gelten folgende Bestimmungen. 1. Den Mitgliedern müssen 
Statuten und Policen eingehändigt werden. 2 Sie müssen be- 
nachrichtiiit werden, ehe ihre Police verfällt. 3. Niemand darf 
ohne seine schriftlich gegebene Zustimmun«? auf eine andere 
Kasse oder Gesellschaft übertiaj^^en werden. 4. Kein Kollektor 
darf Mitglied des Verwaltungsrathes sein, oder 5. in einer 
Versammlung stimmen. 6. Wenigstens eine Versammlung muss 
jährlich gehalten werden, zu welcher 7. die Mitglieder schrift- 
lich ein^reladen werden müssen. 8. Ein Abdruck der Bilanz 
muss 7 Tage vor der Versammlunir zur allgemeinen Kennlniss- 
nahme in den Gesch«^ftsr.1umen otfen liefen. 0. Der Jahres- 
bericht muss von einem (»Hontlidien Revisor, der ni^ht Be- 
amter der Kasse ist, unterschrieben .^ein. 10, Bei jeder Strei- 
tigkeit, auch wenn die Statuten es verbieten, darf ein Mit^ilied 
sich an den County Ck>urt und den Friedensrichter des Distrik- 
tes TK^nden, in welchem es wohnt. Das Stimmen durch Stell- 
vertreter ist gestattet. 



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426 



XXXI. Die l'rämienbeitr'äpe der Mitglieder einer Kuh- 
kasse sind als Schulden der Mitglieder aufzufassen, und 
können in dem Gralschaftshofe des Distriktes eingeklagt werden. 

XXXII. Die Strafen für Falsifikationen betragen bis 
zu 50 üp. Für gewöhnliche Vergehen ist eine Strafe tod 1— 
5 £ vorgesehen (für Nichteinsenden der Berichte etc.). — 

Gleich nach Erlass des Gesetzes wurden Anstalten zur 
Ausführung des Gesetzes getroffen. J. M. Ludlow, welclier seit 
dem 27. Februar 1875 an A. K. Stephenson's Stelle — der- 
sell)e hatte die Gescliäfte dieser Behörde seit dem Tode Tidd 
Pratt's iutermistisch verwaltet und war zum SoUicitor des Mi- 
nisteriamB ernannt worden — das Amt des Registran beklei- 
dete, wurde am 13. August 1875 zum Chief Registrar ernannt. 
Die Stelle der Assistant Registrars erliielten E. W. Brabrook 
für England, A. Anderson Ittr Schottland und W. F. LilÜedale 
für Irland 

Das Ministerium hatte die Befugniss erhalten. Ilevisoren 
und Kalkuliiloren zur Berechnung der Prilmienreserve zu er- 
nennen. Schon im Jahre 1675 wurde eine iieihe von iievi- 
soren ernannt. Es war ihm ausserdem eine weitgehtmde Ver- 
ordnungsgewalt fQr Ausführung des Gesetzes zugewandt worden. 
Die Verordnungen, welche es noch im Jahre 1870 erliess, be- 
zogen sich auf das rein Technische der Beziehungen zwischen 
Contralbehördo und Hilfskassen-). Ausserdem war im Jahre 1875 
pjne Kommission von Aktuaren ernannt worden, um passende 
Formulare für den Jahresbeiicht, die Krankheits- und Mortali- 
tätsstatistik und den fünfjährigen Bericht zu entwerfen, sowohl 
für den Fall, dass die Kasse die Prämienreserve selbst berech- 
nete oder berechnen Hess, weiter sich Ober die empfehlens- 
werthen Prämientabellen schlüssig zu machen, und die Gebühren 
für die Revisoren und Kalkulatoren in Betracht zu ziehen'). 
T^ioselbe erledigte ihre Geschäfte mit aller möglichen Schnel- 
ligkeit. 

Am 9. Juni 1876 geschah endlich der letzte Schritt. 
W. Sutton wurde zum Aktuar der Centraibehörde ernannt, die 
nun aus 12 Personen bestand, sie hat Bich in den letzten Jahren 
noch um einige yermehrt. 

Damit war endlich eine Institution in's Leben gerufen, 
welche alle Freunde des Tlilfskassenwesens seit 60 Jahren ver- 
langt hatten, die, immer angestrebt, hald an dem Misstrauen 
der Massen un(i zuletzt an dem Widerstande des Parlamentes 
gescheitert war. — Und nun dürfen wir wohl einen Kückblick 



») R. R. 1875, S. 8 VDd R. R. 187«, B. 9. A. & P. Vol. LXDL 1876. 

^) Siehe die Verordnungen a. a. 0. S 1 4:! 

R. R 1876 a. a. 0. S. 12. Die Formulare im selben Bande S. 
bis 199. Die Kommission berechnete auch drei Tabellen nadi llftcliffe's 
Daten, 8. 142. Die Mitfflieder derselben waren W. P. PftttiiOB, Ralph P. 
Hardy, Alexander J. Fiiuaisoii. 



V. 1. 



472 



auf das umfaiigi-eiclie ^) Gesetz weifen, dessen starke und 
schwache Seiten so klar vor uns liegen. Wie die EnquCte in 
einer gi*ossen, pründlichen und freien Weise geleitet worden 
war, so vereini^ite das Gesetz alle werthvollen jresetzlichen 
Bestimmungen einer mehr als aclitzigjährigen Gesetzgebung, 
und benutzte es aWe gesunden Anregungen der letzten zwei 
Jahrzehnte, nnbekOmmert um alle Parteidoktrinen. 

Die fünf bedeutendsten Neuerungen sind : die Reform der 
Gentralbebörde, welche wirksamer als ifrOher ihres Amtes walten 
kann, aber jedenfalls in grosser Abbüngigkeit vom Ministerium 
steht; das Netz von gesetzliftheii Bestininuiiigen , welche den 
pflichtvergessenen Beamten der Landesvereine und grossen l^e- 
griibnisskassen ein Durchschlüpfen schwerer macht; die ela- 
stische Anpassung an die eigenthOmlichen Bedürfnisse der 
Arbeitorden, insbesondere die Möglichkeit, die Zweige unter 
sti-engere Zucht zu nehmen ; die Einsetzung von Inspektoren ; 
die Erlaubniss unter massvollen Bedingungen theilende Ver- 
dne und Hilfskassen, mit welchen Darlehenskassen verbunden 
sind, registriren zu können. 

/weifellos hat Sir Staftnrd Northeote durch diese Massregel 
den Dank seines Landes verdient. Aber sein Werk hat grosse 
Mängel. Nach wie vor werden die unregistrirten Vereine neben 
den eingeschriebenen existiren. Nach wie vor werden die Prämien- 
tabellen von Unkundigen gewählt oder gar aufgestellt werden und 
vielen Vereinen den Untergang bereiten. Nach wie vor wird die 
Majorität aller Hilfsknssen ihren alten Gang weiter gehen. 
Denn für alle Mangel kennt das (iesetz von 1875 nur die rück- 
sichtslose Oeffentlichkeit , mit welcher die Hilfskassen ihre 
ganze Verwaltung blosslegen müssen. Man ging von der An- 
sicht aus, dass eine gute Verwaltung viele Mängel einer Prft- 
mientabelle abschwftdien könnte nnd die Kassen durch die 
Ergebnisse der Berichte und Schlltzun- ti aufgeklärt und in 
die richtigen Bahnen geleitet vrQrden. Wenn es möglich wäre, 
alle Vereine zur Unterweifung unter die vorgeschriebenen Be- 
stimmungen zu zwingen, dann möchten sich die Absichten des 
Parlamentes erreichen lassen, aber es mneben auch jetzt nur 
höchstens 50—60 % aller Hilfskassen jährliche Berichte*). 



^) Es nitnnit in den Public General Statutes niohr als 40 Seiten ein. 

-) Im Jahre 1x76 erhielt d. r Hegistrar 11282 jährliche Herichte 
(H. R. 187',. prs( Lienen 1^77: S. 9). Jm Jahre 1877 wurden 25 234 For- 
mulare auügehchrieben, es lieten nur 12 868 Berichte ein (U.R. 1877; S. ü). 
Im Jnbre 1878 waren es noch weniger, nur 18370 (R. R. 1878; S. 6). Im 
Jahre 1879 betrug die Zahl 12 300. Von diesen mussten 2008 als ungeniiernde 
Berichte xurückgescbickt werden (H. R. 1879: S. 8 and 9j. im Jahre lb8U 
hob Bich die ZA\ auf 12948 (R R. 18fO; 8. 10). F«r das Jahr 1881 ist 
mir noch keine Zahl zupänglich. Der Kt pistrar berichtet nur, (l;^^s 22S7 
zurückgeschickt werden mussten fR. K. 1!?>^1; S. 17). Wie man sieht, giebt 
sich die Kegiätruturbehorde die grösste Mühe^ die gesetzlichen Bestim- 
muDgen dordwofOtareo. Leido: nicht ihre Macht nicht sehr weit Die 



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428 



Auf der Ausbrpitunir und der allmählichen Vervollkommnung 
der Orden, auf der Verdrängung und Aufsaugung der alten 
Hilfskassen beruht daher zum grossen Theile das Gedeihen 
des Arbeiterversicherungswesens, weniger aut der Güte der Ge- 
setzgebung. Wenn die Königliche Kommission auf die Orden, 
besonders die Odd Fellows und Foresters so grosses Vertrauen 
setzte, so hat sie Redit daran gethan. Die reicheren Klassen 
haben keine Institution geschahen, deren Verwaltung sich an 
Intelligenz, KluL'heit und Thatkraft mit der Leitung der grossen 
Arbeiterorden vergleichen kann'). Wenn wir nun weiter er- 

Kassen, denen ea nm den Fortschritt m thnn ist, wird von der fpewissen» 

haften und von hohem Pflichtliewusstsoin crri'illten riogistraturheborde alle 
llilfc zu Tbeil. !Sie selbst wird von den Beamten als Urden kräftig unter- 
stützt. Insbesondere erwähnt der Chief Hegistrar die Hilfe Ton Samuel 
Shawcross, dem energischen Qeneriilsckretar der Foresters. Der Chief 
Kepistrar belaniit jedes Jahr eine Reilie von Hilfskassen gerichtlich, nor 
erstreckt sich narh dem (Äe.^tändnisse dii scs Beamten die Wirkung einer 
VerturtheiluDg nur auf die näi liste Umgegend. liarl Nelson veranlasste die 
Einsendung eines Berichtes über die Zahl der Hilfskassen, wehhe keine 
Berichte machen. Dieses ÖchrÜtstück ist dem liouse of Lords vorgelebt 
worden und befindet sich in der BibUotfaeh des Oberhanses , »abor in 
Folge seines Um fanges soll es ni( ht wahrschetnUefa selB, dast dtt 
Unterhaus ibn dnuken lägst.- (R. K. 1880; i>. 10.) 

Die Zahl der Berichte über die Kraiudieits* und Mortalit&tsstatistik 
bat in erfreulicher Weise zugenommoi. Wir relEnpitnBrai einige alte 
Zahlen und stellen die letzten daneben. 

Ueber das JabrfOnil 1855—60 liegen 4797 Berichte vor 

1860 -65 - 7917 

18r):,_70 - 7391 
- •- - 1870-75 - 8907 

1875—80 - 10755 
Es worden noch täglich Berichte eingesendet, berichtet der K. R. (1881; 
S. 5). Von flon 10 755 seien nur •'"»537 zu gebrauchen. Es giebt wieder zu 
denken, dasü nur 46 ^/^ der Berichte der gewöhnlichen Uilfskassen ver- 
wendet werden können, dagegen 68% der Orden. Lehrreich ist andi 
die Thatsache, dass die Hilfskassen der südlichen und sQd westlichen 
Gratschaiten, wo der verrottete Dorfklub neben der von Geistlichkeit 
nnd Gentry wohlgeleiteten HilMasre steht, die besten Retnitate 
aufweisen. So hat Hereford mehr als 74%, llerts mehr als 73*'o, 
Dorsetshii e mehr als 72^/^ Hampshire mehr als 71% braachbarer Berichte 
aufzuweisen. — 

Die Einsendung der flkn^ährigen Berichte über die finanzielle Lage 

der rJc^ellschaft (Brämienreservehererhnung — Ausweis über die Zahlungs- 
fähigkeit) machte noch grössere Schwierigkeiten. Es liefen im Ganzen nur 
8398 Berichte ein , welche zum Theil nur den geringsten Ansprachen ge- 
nügten. Der ( hief Registrar ging sehr energisch vor und liob in einzelnen 
Fällen die Kegistration auf, sab aber bald, dass viele Kassen weder von 
der Existenz des Paragraphen etwas wnssten, welcher ilmea die Ipnsen- 
dung einer Bilanz auferlegte, noch übcrhanpt Terstanden, was eine Pzimien- 
reserveberei hnung zu bedeuten habe. 

') Es wäre falsch, allzu ideale Vorstellungen /u liev'en. Es giebt noch 
viele Log -n und Höfe, selbst der Foresters, web he keine graduiite l'rftfflien* 
tafeln besitzen. Siehe z. H. dasJahrbuih der Foresters tür T^s'i (Directory 
of tbe Ancient Order of l'oresteis' Frieudly Society), in dem die Courta 
mit graduirten Prämien autgetUbrt sind. — Neben dem Directory giebt 
dieser Orden Tieriey&hrige Berichte (Qnarlerly Bcqjtorts) und eine fl^me 



V. 1. 



429 



wägen, dass die patronisirteD Vereine auf gesander finanzieller 
Grundlage beruhen, dass den Landesvereinen und Begräl)niss- 
kassen der Betrug erschwert ist, dass es einzelne woIiI^t- 
leitete Versicherungsgesellschaften giebt, wie der , Prudential', 
dass die Staatsversicherung jetzt zu grosser Hoffnung berechtigt, 
und ein zwar noch sehr verbesserungsbedürftiges Haftpflicht- 
gesetz erlassen worden ist, — > die noch nicht erwfthnten 6e- 
selze wird man auf den folgenden Seiten besprochen finden — 
dann haben wir die freundlichen Aussichten des Arbeitenrer- 
sichemngswesens besprochen. Aber dor Fortsdiritt der grossen 
Masse der gewöhnlichen Hilfskassen, welche <lie Majorität aller 
llilfskassen bilden, hängt auch jetzt noch von der Intelligenz 
ungebildeter und nicht selten hartnackiger, kleiner Leute ab. 
Das Verlangen nach einer allgemeinen Zwangsversicherung, 
welches immer wieder laut wird, ist darum leicht erklärlieh. 

Nur daif man nicht glauben, dass schon jetzt alle Vereine, 
die an ihrer Reform arbeiten, auch zahlungsfähig sind. Die 
Bilanzen, welche veröffentlicht worden sind, weisen durchgängig 
ein Vorwiegen des Minus über Plus auf';. 

Die Besprechung einiger kleinen Gesetze, welche seit 1875 
erlassoi wni>ien, fahrt uns sanäi:h8t za den Orden zurflek. 
Das Gesetz von 1875 wollte bekanntlich den affiliirten Gesell- 
schaften mehr Gewalt über ihre Zweige geben, sie zu einer 
strengen Einheit verbinden. Das Gesetz von 1855 hatte die- 
selben als isolirte Gesollschaftcn behandelt, ohne jedoch den 
Zusaninienhang mit dem Distrikte und deren Centralausschuss 
^ zu zerstüien. 

Die Umwandlung der als selbstständige llil^^kassen registrir- 
ten Logen und Höfen ging mit grosser Schwierigkeit vor sich; 

• viele Zweige wollten nicht am ihre Selbstständigkeit verzichten nnd 

* schützten sich hinter dem schwci-fäll igen Mechanismus, welchen 
das Gesetz von 1875 vorgeschrieben hatte*). Im Jahre 1876 
wurde durch 30 und 40 Vict c. 32 eine vereinfachte Form für 
die Aufhebung der Repistration und Umwandlung der Kasse 
in einen Zwei? gefunden. Seitdem ist dieser Prozess rascher 
von Statten gegangen. Ludlow giebt die Zahl der Zweige, 
welche sich unter dem Gesetze von 1875 haben neu einschrei- 
ben lassen, auf 7068 an. Da die Zahl sämmtlicher Zweige auf 



heraus iinter dem Titel: The Foresters Miscellany and Quartorly l^vicw. 
Der Kedakteur dersell)en ist George Abbott, der Distriktssekretar tur 
Sheffield. 

M Siehe die Krgebnisse ein<T IJcihe von Pilanzon in R. R. 1^79; 
ö. 74 ff. Die Detizite sind zuweilen recht bedeutend, obwohl ein Prozent» 
•aU von 4% m Grunde gcle^^t wurde. 

-') „A fear amountin!.' in some ♦ ascs ahnost to panic had beon spread 
tbroush a portion of the ordcrs, and more cspeciaily among the Forestera, 
Hhtit Dv registering as brancbes under the new Acts courts and lodges 
woold lose all eootrol over thdr own fiands.*' R. R. 1876, S. 29. 



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430 



lOouO ^'cschätzt wurden, stäncien also sieben Zehntel in einem 
innitrpren Zusiunmenhange. 

Auf dem Wantlerausschusse der M. U. zu Nottingham 1883 
wurde mitgetheilt, dass nur noch 12 kleine Distrikte existirten, 
welche sich nicht unter dem Hilfekassengesetze von 1875 hätten 
wieder einschreiben lassen. Das Direktorium machte den Vor- 
schlag, «lass alle Kassen, welche nicht innerhalb einer gewissen 
Zeit als Z^seige des Ordens registrirt würden, aiisgeschlo- pii 
werden sollten. Nim wird es den Orden möglich worden, grössere 
Ziele anzustreben: vor Allem eine Altersreutenversicherung, 
weiter die tiuanzielle Solidarität der einzelnen Zweige in der 
Weise, dass reiche Distrikte und Logen arme Distrikte und 
Logen unterstützen. Reiche Bezirke werden sich zunächst sträuben 
und es wird w ah i-s( -heinlich noch gesetzlicher Bestimmungen über 
das Hecht der Tiennnni; bedüifen, ehe der Schritt ganz ge- 
tbaii werden kann M. Hie F'>resters halben auf ihrem letzten 
Wanderausschusse zu Biriniimiiam im Sei)teml)er 1883 be- 
schlossen, eine Altersrentenkasse für den Orden zu errichten. 
Der Beitritt soll freiwillig sein, die Altersrente mit 65 Jahren 
beginnen und 5 s. betragen. 4% bilden die Basis der T.! 

Das Gesetz 42 Vict c 9 (1879) bestimmte ausdrückhch, 
dass sich Paragraph XXX nur auf eingeschriebene und nicht 
eingeschriebene Kassen, sowie auf Versicherungsgesellschaften 
für die arbeitenden Klassen beziehen solle, welche Beiträge 
durch Kollektoren in einer grösseren Entfernung als 10 Meilen 
von dem Bureau «lerselben erheben Hessen. Es hatte Jemand 
eine Klage gegen einen Zweigverein der , United Patriots* auf 
Grund des genannten Paragraphen bei einem Friedensrichter 
erhoben, und war hier sowohl als in höheren Instanzen mit 
seinen Ansprüchen durehgediiingen. 

Eine Frage welche die Kommission lebhaft beschäftigt 
hatte, wurde im Jahre 1876 durch einen Paragraphen des 
,Divided Parishes and Poor Law Amendment Act' (39 u. 40 
Vict. c. Ol) entschieden. Welche Unterstützung sollten die 
Armenaufiseber einem Mitgliede geben, welches eine unzu- 
reichende Unterstatzung ton der Hilfskasse erhielt? Sehr viele 
Armenverwalter hatten die Hälfte der Untei-stützung , andere 
den ganzen Betrag in Betracht gezogen und dem Armen nur 
den Zusatz, der zur Erreichung des noimalen Unterstützungs- 
satzes nothwenflig war, zukommen lassen. Wieder andere 
hatten die wöchentliche Unterstützung gar nicht berücksichtigt. 
Der Arme, welcher einer Hilfskasse angehört hatte, war in 
diesem Falle vor den Armen, welche nicht Mitglieder einer 
Friendly Society gewesen waren, im Vortheil. Jeder Stand- 
punkt Hess sicli verthei^gen. Nach strengem Rechte musste die 
wöchentliche Unterstützung in Anschlag gebracht werden. Ging 



1) Qttarterly Report Jalj 1883, 29. 



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V. 1. 



481 



man dajregen von der Ansicht aus, dass es viel wiclititjor sei, 
den Armen zur wirthschaftlirhen Voi-siclit, zur Sparsamkeit zu 
erziehen, so musste die Anrechnung' als ein schwerer Feliler 
betrachtet werden. Denn den Armen erwartete ein gleiches 
Schicksal, ob er Selbstverläugnung geObt hatte, oder nicht. — 
Das Parlament entschied, dass in allen Fftllen, wo der Arme 
2U einer Rente oder einer andern periodisch zahlbaren Summe 
berachtigt sei, der Trustee, welchem die Zahlung derselben 
obliege, den Betrag der Annenverwaltung einhändigen solle. 
^^^'lln dieser Behörde aus der Unterstützunir eines irrsini'jcn 
Mitgliedes einer llilfskasse ein Schaden erwüchse, dann durfte 
sie die Kosten als eiuö Schuld von den Testamentsvollstreckern, 
Bevollmächtigten etc. desselben beim Friedensgericht einklagen, 
im Falle sie erklärt habe, dass die Hilfe ein Darlehen sei. 

Die Aufiregung der Hil&kassen gegen dieses Gesetz war 
sehr stark. Bis zum 22. Januar 1878 waren in nicht weniiicr 
als 45 Füllen an Höfe der l'oresters Ansprüche seitens der 
Armenverwaltung erhoben worden*). Diesen Missstand hob 
der .Poor Law Amendment Act' 1879 (42 Vict. c. 12). Die 
Bestimmungen des früheren Gesetzes werden ausser Kraft ge- 
setzt, im Falle ein Armer oder ein anner Irrsinniger seine 
Frau oder einen andern Verwandten unterhalten müsse*). 

Vielleicht steht mit den Vorbereitungen zu dem Gesetze 
von 187«) folgende Statistik im Zusammenhange^). Sie giebt 
für inle (Jrafschüft das Zahlenverhältniss der Mitglieder von 
HillVkassen zu der Gesammtbevölkerung an. Es muss noch be- 
merkt werden, dass nur 12258 Hilfskassen berücksichtigt wur- 
den, während die Gesammtzahl aller registrirten Kassen zur 
Zeit der Anfertigung des Berichtes 24844 betrug. Unter 1000 
Einwohnern befanden sich Mitglieder von HilfiBkassen in 



Beds 102,7 

Berks 51.8 

Bucks 87,4 

Cambridge 114,7 

Chesbere 197,6 



Kent 64,0 

Lancaster 7'^ 1,7 

Leiceöter 102,6 

Lincoln 82,1 

Middlesex 1.37,1 



Cornwall 32,7 Monmouth 1.59.4 

tumberlaud 89,7 , Norfolk lll.s 

Derby 208,5 Northampton 142,2 

Devon 62,9 Nortliiiml.erland 102.6 

Dorset i<9,9 Nottiugham Ib2,9 

Dnrbam 12;i,H Oxford 51,6 

Essex 58,0 Rutland •V»,4 

Gloucester 62,9 > Öalop 98,7 

Hftntfl 151,2 i Somenet 8.%0 

Hereford 69,1 StafTord 187,3 

Il.rts 53,1 Suffolk 122,7 

Hunts 76,1 ' Surrey 48,9 



M K. II. 1877, S. 26. 
2j R. R. 1878, S. 34. 

*) A. & P. 1878-7». Vol. XLI. S. 4 und 5. 



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432 



V. 1. 



Sussex . . . 
Wanrick . . 

WiiU. . . . 

Wormter. . 
York .... 



84,0 Denbigh 38,7 

155.4 Flint 125.0 

62,« Glaraorgan 224,7 

123,1 MehoDeth 71,5 

108,4 ' Montffomery $8i2 

»1,5 • Penibroke 50.0 



liadnor 77.0 



Aoglesea 
Brecon . 



ISii DieGtfammUiuiiiiie für En«:^! 
HO n < 



Carniartheu 
Caroarvon . 



- Wales 112.1 



8<s,2 FUr Vereinigtes Königreich . li^l,7 



80,6 



Von grösserer Bcdeutunfx war ein Bericht, \\ elrlior auf An- 
tvai: des Viscouiit Lyminirton dem Parlamente vor^?elejrt 
wurde Er betraf dio Aiizalil der männlichen Armen in den 
englischen Aiiiicnhäusern (Indoor Adult Male Paupei-s). lu 
576 Armenhäusern befanden sich Aime dieser Kategorien , in 
71 nicht Die GesammtzaM derselben betrug 11804. Von 
diesen waren 7391 entweder ausgetreten (wegen Verzuges)» 
oder wegen Nichtzahlung der ßeiträge ansgestossen worden. 
3913 hatten einem Vereine angeliört, welcher züsamnienge- 
brochrn war. Von diesen 301 :i waren 

1720 weniger als ](► Jahre Mitglieder gewesen, 
1020 mehr als 10 und weniger als 20 Jahre Mitglieder gewesen, 
612 - - 20 - - . 30 - 
555 - r 30 Jahre Mitglieder gewesen. — 

Das Jahr 1880 ist ein Markstein in der Geschichte des 
englischen Arbeiterversicherungswesens* Man wird sich er- 
innern, daas einige Hil&kassen versuchten, invalide Mitglieder 
und deren Wittwen und Waisen zu versorgen. Aber es stellte 
sich immer mehr heraus, dass die Arbeiter nicht im Stande 
waren, die Kosten der Unfallversicherung zu tragen. Die 
Uiitenit hmer hatten ja auch zu den bestehenden Unfallkassen 
bedeutende Zuschüsse geleistet. Der (iogenstand beschäftigte 
das Parlament verschiedene Male in der zweiten Hälfte der 
siebenziger Jahre, ohne dass ein Ergebniss erzielt worden 
wäre. Die Arbeiter beschuldigten die konservative Partei, ihre 
Versprechungen gebrochen zu haben. Jedenfalls haben sie im 
Jahre 1880 das Ka))inet Lord Beaconfiehrs seine Lauheit em- 
ptinden lassen. Bald nach dem Einzug in Wßstminster wuide 

*) Wir haben im vorigen Kapitel ausgeführt, dass derartige Berichte 
uns keinen groswD Werth xa haben scheinen. Ki wären viel eingehendere 
Unter?iirhunf»en nöthip, nm den schädigenden Kintlnss dor Tlüfsk.issen zu 
berechnen. Wir können daher auch nicht dem L'hiel Registrar heislinimen, 
Venn er berechnet, dau nur 0,097 '\, aller Mitglieder von Ililtska^sen ge- 
radezu Proletarier geworden seien. Vor \lleni ist die üasis seiner \'er- 
gleicbuDg nicht richtig. Um den Prozentsatz genau zu bestimmen , nmsbte 
er nicht die Zahl der heotigen Mitglieder, sondern die Zahlen der Hit- 
glieder der Jahre heranziehen, in denen sie in die IIUftlcaMen eingetretdi 



sind. K. 11. Iö81, S. ü ff. 



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433 



von dem liberalen Eabinete der EntwuH eines Haftpflichtge- 
setzes einfrebracht und mit der Energie Gladstone's auch zum 
glücklichen Knde pjeführt. Die Arbeiterfreunde hatten, wie so 
oft, zwei Ft'iude zu hekitmpfen, materielle Interessen und juris- 
tische I'i inzipien. Die ersteieu wird man leicht verstehen und 
über die letzteren wollen wir nnr Weniges sagen. Die Juristen 
hatten das Prinzip angestellt, dass der Unternehmer f&r einen 
Unfall haftbar wäre, der rinem Dritten zustiesse, dass er aber 
seinen Arbeitern gegenüber zu keiner Entschädigung verpflichtet 
sei. In den siebenziger Jahren standen sich zwei wider- 
sprechende Ansichten schroff gegenüber. Nach der einen sollte 
der Unternehmer nur für Schaden und Unfälle haftbar sein, die 
er selbst persönlich verursacht hätte, die Anhänger der aiuieren 
wollten den Unternehmer allen geschädigten Personen gegen- 
über in (Reicher Weise Yerantworttich machen. Die von der 
Regierung vorgelegte Bill schlug einen Mittelweg ein. Als die 
Unternehmer sahen, dass der Regiemng die Angelegenheit 
emstlich am Herzen liege, wurde ein Unfallversicherunjjssystem 
anstatt der llaftptiicht in Anregung gebracht. Gladstone zeigte 
sich dieser Art der Lösung nicht abgeneigt, aber die Gegner 
des Haftpflichtgesetzes legten keinen befriedigenden Plan vor. 
So wurde das Gesets kurz vor Ende der Session angenommen 

Der Employers Liability Act (43 nnd 44 Vict. c 42) be- 
stimmt, dass der Unternehmer für Körperbeschädigungen 
haftbar ist, welche verui'sacht werden durch einen Mangel in 
der Beschaft'enheit der Maschinen, durch die Nachlässigkeit 
eines Beamten oder einer Person, welcher der Arbeiter zur 
Zeit des Unfalls gehorchen niusste, durch eine Handlung oder 
Unterlassung einer Person im Dienste des Unternehmen, wenn 
die Handlung oder Unterlassung in Uebereinstimmung mit einer 
vom Unternehmer erlassenen Anordnung steht, oder durch die 
Nachlässigkeit einer Person im Dienste des Unternehmers, 
welche die Kontrolle über Signale. Weichen u. s. w. hat, unter 
gewissen Beschränkungen. Die Forderuntr auf Schadenersatz 
verjährt nach 0 Wochen. In dieser Bestimmung und in dem 
Mangel eines Paragraphen . welcher Arbeitsverträge für nich- 
tig erklärt, in denen der Arbeiter auf die Anwendung des Ge- 
setzes verzichten muss, liegen die Fehler des Gesetzes. Seit 
2 Jahren versuchen die Arbeiter der englischen Gewerkvereine 
die Novelle zum Haftpflichtgesetz einzubringen, bis jetzt ohne 
Erfolg«). — 

Der ,Mamed Women's Property \ci\ 1882, (45 und 46 Vict. 
c. 75) verleiht der verheiratheten Frau das Recht zu erwerben, 
testamentarisch zu vermachen, Verptlichtungen einzugehen, hat 



>) AnnQAl Hegister. ItmO, S. 94 and 96. 

^ Beport of tfie SiitoeBth Anoul tktdet ÜBimi CoDgress. 1888. 
8. la Folgenda, die Wirknug des Htft|ifliditgeMlceB fllnttrirende 
P«nelraiit«& (90) T. 1. - H^lMh. 28 



434 



V. 1. 



also für die weiblidien Mitglieder der Untersttttzungskasseo 
Beine Bedeutung^). — 

Eine Anregung der Königlichen Kommission kam sehr spftt 
zur Ausführunp, Der geringe Erfolg des staatlichen l'enten- 
und Kapitalvei-sicherungsgeschiiftes legte noch einmal die Fra^?e 
nahe, mit welchen Mitteln man diese Einrichtung fördern 
könne. In 17 Jahren waien durch die Postspurkasse nur 
Ü2o4 Lebenspolicen ausgegeben und 12435 auf die Zablimg 
einer Rente lantende Vertrage abgeschloesen worden. Ein 
Select Committee of the House ACommons wurde im Jahre 1882 
zum Zwecke des Studiums dieser Frage ernannt. Das Gesetz, 
welches im Laufe des Jahres (l '> und 4n Vict. c. 51) zu Stande 
kam, beschränkte die Höhe der Annuitäten nach unten nicht 
mehr, nach oben auf 1^0 £ . Dasselbe gilt für die Kapital- 
vei-sicheiimg. Man verzichtete darauf, staatliche Kollektoren 
anzustellen. Um aber den arbeitenden Klassen das Einzahlen 
der Prämien mi^liehst zu erleichtem, wurde festgeeetst, daas 
auf Bitte desSparei-s ein in der Sparkasse stehender Betrag des- 
selben in einen Vei-sicberungsbetrag verwanddt werden dOrfe. 
Abbot's Ann Provident Society P). — 

SiatiBtIk Bich dm B<ridita det Koagpemt. 



Jahr 



Zahl der Klagen Tor den 6«riehtoliMBn ' 

Znnabme in ^ o ! 

Fälle, in welchen eine Entschädigung 
saerkannt wurde 



126 



18S2 



69 jC 



22 

U 8. 

6 



Durch8chnittsbetra<r der Entschädigung | 

^'ocb nicht entschiedene Fälle . . . J 

Fälle, welche zurückgezonn VOtd ausser- 
halb des QerichtshoMB entschieden' 
wurden 

Fille. in denen die Oesebworenen sieh 
nicht einigen konnten, die Klage ab-.| 
gewiesen oder zu Gunsten des Ver 
klagten entschieden wurde 

*) R. R. 18B1. S. 13. 

^ Folgendes eine Statistik der Eigebnisae des 
den alten Sparbanken. 



320 
254 



6 d.96 4^ 14 8. 2>,td. 



22 



70 



38 



78 



139 




Total Number nf Annnities granted 



Life 



i: 



Tenns of Yean 



Immediate 



' Nr. Amqunt 

En^and a. ^I^les r9771 185 (K)5 

Scotland '| 1413 30 070 

Ireland . -. . . 2bÜ, 5 770 
lalaad in theB.Sj! 86l 519 



Deferred Immediate 

Nr. Amonnt Nr jAmount 
881 fe 843 1*274 



66 



1 20f, 
122 



t 

7 



4507 

140 
156 



Deferred 

Nr. jAmount 
14 21S" 

2 40 



i'll 4681821 874 |9ö3 1 17 672 [288 4803 | 16 | 256 

A. ft P. VoL LXVn. K. 57. 



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V. 1. 435 

Id demselben Jahre kam ein Gesetz zu Stande (45/46 
Viet c 35) , welches sich direkt aof die Hilftkassen bezog. 

Es nahm denselben eine der am schwersten empfundenen 
Lasten ab, nämlich die Einsendung der Krankheits- und Mor- 
leFi talitätS8tati8tik. W. Sutten^ der Aktuar der Centraibehörde 

glaubte, dass das Material hinreichend zur Aufstellung von 
Präroientabellen sei. Die einschlägliche Bestimmung des Ge- 
setzes vom Jahre 1875 wurde ao^gäioben Wir dürfen nun- 
mehr hoffen, dass die Centraibehörde aus dem ungeheueren 
Material eine Krankheits- und Mortalitätsstatistik schaffen 
wird, wie sie bis jetzt nicht existirt, und dass nunmehr eine 
vertrauenerweckende, narh Gewerben und Orten geordnete 
Untersuchung zu Stande kommt 

Nachdem wir hiermit die Geschichte der Hilfskassen zu 
Ende gefohrt haben, bleibt uns noch ein knrser Blick auf 
einige Zahlen. Zunäichst geben wir den Betrag der Summen, 
welche an den angegebenen Daten während dieser Periode in 
den Händen der Staatsschuldenverwaltung waren, soweit wir 
im Stande gewesen sind, die Notizen zu erhalten^). Die An- 
gabe der Schillinge und Pence fehlt überall. 

Der Gesammtbetrag 
aller von Anfang ta 
eingezahlten Gelder. 

Am 20. Nov. 1S71 . . 1821540 Jj^ . . . 6045683 



1872 . . 1775 940 £ 

1873 . . 1778 570 / 

1874 ..1771 738 £ 

1875 . . 1792590 ^ 

1876 . . 1806252 

1877 . . 1810685 ^ 

1878 . . 1548927 ^ 

1879 . . 1528815 i^' 
Die Verwaltung des Vermögens der H 



624«019 
G3«i0 731 
6462148 ii^ft) 
6 575 656 £ «) 
6711282 
6849709 
6985118 f 8) 
7 106 389 i?»«) 

ilfskassen durch die 



Staatsschuldenverwaltung hat in Folge der wiederholten Kedu- 

*) Das Registrar • Office veröffentlichte einen Aus/ug aus der K.- and 
M. S. nir die Perioden IS-io— 60, 1860-65, 1865—70 und 1870—75 unter 
dem Titel: Abstract of the Quinquennial Returns for 1855-60 etc., worin 
die Finlaison'sche Einleiinng von schwerer, leichter, wetterausgeaetzter und 
dem Wetter nicht ansaeBelcter Arbeit m Gnuido gelegt itt 

•) A. & P. 

») Vol. XXXIX. 1873. S. 726. 
♦> Vol. XXXV. 1874. S. T«?. 

••) Vol. XLII. 1875. S. 658. 
«) Vol. XLII. 1875. S. III. 
T) Vol. XLIX. 1877. S. 575. 
») Vol. XLVI. 1878. S. 447. 
») Vol. XLII. 1878-79. S. 899. 
Vol. XL. 1880. S. 611. — Der Zinsverlust der btaauachulden- 
TorwaltoBg betrug damals 1 264 109 i^. 

28» 



Digitizeu w-j ^jüOgle 



m 



zirung des Zinsfusses — insbesondere seit dem Gesetze von 
1875 — immer weniger Reiz für die Hilfskassen. Sie sehen 
sich nach lohnenderen Anlagen um. Die meisten Beträge ge- 
hören den alten Kassen- dieselben schmelzen natttrlich immer 
melir susammen; der ZuflusB neuer Kapitalien ist schwaeh. Wir 
geben nur einige Beweise. Von den 6248019 £ am 20. No- 
vember 1872 entfielen auf Kassen, welche 3 d. erhielten, 
5626563 ig, auf Kassen, welehe 2 d. erhielten, 621455 

Die Summe 6360731 £ am 20. Nov. 1873 setzt sich 
zusammen ans 5680609 su 3 und 2V« %t und 680121 £ 
zu 2 d. 

Es ist leider nicht mehr möglich , die Zahlen der Hilfs- 
kassen anzugeben, welche Einlagen in Sparbanken und in die 
Bank von England machen. Nur eine Angabe existiit fUr den 
20. Nov. 1871. 

Danach besassen 

77 üüfskassen mit einem Zinsengenusa ton 2 d. 498 833 

253 , « n 2V, d. ■ 886 8 65 

330 Hilfskassen mit einem Zinssuschuss von (3 u. 2Vs d.) 1 385 698 
303 „ , , « „ 2 d. . . 402421 

Von den 303 waren jedoch schon 175 in den vorhergehen- 
den 330 enthalten, da sie auch Vermögen zu dem höheren Zins- 
fiisse angelegt hatten. 

11 500 Hilfekassen hatten damals ein Kapital von 1 902131 g 
in den Sparbanken. 

Die Lage des Geldmarktes in der zweiten Hälfte der 
siebenziger Jahre brachte es mit sich, dasa die Hilfekaasen in 

steigendem ^faasse Einlagen in die Postsparkassen machten^ 

obpfleich dieselben einen viel geringeren 7in«patz geben, als 
den Prämienberechnungen der Hilfskassen zu ü runde ^relept 
ist. Ludlow nennt sie in der kleinen Schrift über Staatshilfe 
,1-uin-traps' der Friendly Societies. £s erhielten die Erlaubniss, 
in Postsparkassen Einlagen zu maehen^: 

1877 187S 1879 1880 1881 
253 275 437 442 526 Hilfskassen. 

Da die offiziellen Zahlen so wenig Aufklärung geben, ge- 
winnen die von den Mitgliedern gemachten Angaben um so 
höhere Bedeutung, so dUi-ftig und ungenügend die Berichte 
sind. 



») R. R. 1881. S. 6, 69. 



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V. 1. 



437 



Kaeh den R. K. betrugen die Zahl der Mitglieder und das 
Vemögen der beriditenden Vereine (bis 1874 inkl. nur in 
England nnd Wales) : 



Im Jahre 


Hi'ftirtitirim 


Mitglieder 


jS* YenaOgm 


1871 

1872 

1873 ' 


10 795 
12 2()7 


1560886 

1857 896 

1 787 291 


8062 894») 

8002 167 «) 

8 (VAn .-,25 ' . 


Im Jahre 1*^7.'): 
In Kn^Hand und Wftlet . 

In Irland 


1 11282 
1 442 


3 404 187,5 
544 551 

72 229 


9336 948») 
548 8a5 
128869 


Im YflrfliB^ Kfloignidi . • 

ti... 1 


12042 


4020967^ 


10009088 



Im Jabre 1876 •) hatte 



X. 



£ YenuAgeB 



iHteA 

"Wales 

Beridrte dme identiiirirlMure 

Adresse 

Yiehkayen , ü^itoiungs- und Be* , 


1 

1 11 243 
995 
1 

11 

88 


4 215 948 
186 931 

263 

228 
116 80S 


9685172 
417384 
2 298 

5826 

11408 




12 

4^55 
889 


4 304 772 
563463 
87 726 


10 220 ^83 
587 430 
124710 


Iii l^ljMkilglBD ' KMignidli . . . | 


18168 


5015061 


10909088 



'J A. P. Vol. LIV. 1S72. 
2) A. & P. Vol. LXI. 1873. 
•) A. ft P. VoL LXIL 1874. 
«) A. & P. Yol. LXXI. 1876. 

') A. & P. Vol. LXXVII. 1877. S. 722, 728. Wekhe Bodentuig das 

ihalbe' Mit^fiied hat, weiss ich nicht. 

•) R. R. 1876. A. & P. Vol. LXXVll. S. 694, 712, 721. 



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438 V. 1. 



Ueber das Jahr 1877^) liegt eine noch eingehendere Sta- 
tistik vor. 





Gewöhnliche 
Hilfskassen 


Mitglieder 


£. Vermögen 


j 

\N eiche Sammler beschäftigten . 

Vereine mit Zweigen 

Zu spät eingesandt 

Viehkassen, wohlthfttige Gesell- 
schaften. Erholungsvereine . . 
Eingesiindte Herichte ohne Namen 


10 303 
974 
13 
3Q 
783 
6Ü 

137 

2Ü 


2 090155 
119 807 
3 872 
1 998 .t?.) 
331 H07 
12 157 

42621 

1 2r)0 


8 769 054 
444 721 
1^835 
1 022 <' >2 
634 447 
38 893 

162224 

3645 


In England und Wales .... 
Vereine mit Zweigen 


12 270 
475 


4608 794 
585 686 
42 730 


11 109 571 

687 279 
24683 


o43 61841fi 

In Irland 1 312 1 38114 


202 962 
87 018 


Im Vereinigten Königreiche. . . 

Im Jahre 1870*) hatte 


1312.'. j 5 265 321 


11 899.551 


Gewöhnliche 
|{ Ililfskassen 


Mitglieder 


£ Vermögen 


Wales 


1 792 
834 
Li 
fi2 


1714544 

93032 
4 209 
15 219 


23ÜÜ678 
410014 
21299 
43 753 

2 783 834 

1 990 980 

341ii9:34 
2120 
fis 616 
19 234 

2üsm 


Es gab 

Kollektoren beschäftigende . . . 

Wohlthiitige Gesellschaften . . . 
Erholunizs- und Hildunusvereine. 
Besonders erhmbte Vereine . . . 


8 701 

i ^ 

aa 
aß 

' 68 


1827ÖD4 

2233987 
500 039 
10i;i 
126:36 
12 129 

1^88«; 


In England und Wales .... 

Wohlthätige Gesellschaften. . . 
Vereine mit Zweigen 


12943 

1 m. 

6 


4650 754 
34711 


12741 191 

495 897 
22 415 
134 912 




649 

315 


14a2Q8 
41121 


j 653 254 
' 14833a 


Im Vereinigten Königreich . . . 


Iii 907 , 4 835 mü 

1 


13542 794 



M R. R. 1877. A. & P. 1878. Vol. LXIX. S. m 377, 380. 
Ii R. R. 1879. Part. II. S. 340, 360, 3112. 



V. 1. 



439 



Eine ganz andere Gruppirung im Jahre 1B78 0 



'Gewöhnliche 
Hilfskassen 

' ( 


Mitglieder 


iL Vermögen 


W 1 1 

Kanal-Inselii 1 


9 17< 

9ir, 


1 931 OSS 
llö 192 
8 930 


8 467 723 
431 973 
19200 




10 105 


2050210 


8918896 


Sttnmler beacbiftisende .... 

Wobltbätige Ge»eU«€haften . . . i 
Erholonga- und BUduogsreiv | 

eine 

Be(?onders aiitorisirte \>reinp. . 


29 

1 OO*'; 

24 
23 

4-2 

•2r> 


2 091 751 

a:a l:lt 
1204 
8497 

7 37 *• 


1 195 447 

1 765 G23 
2441 
111905 

12>^9:J 
'X^ 0*20 




12300 


4692175 


12148600 


lo Schottland gewöhnl. Hilfsk. . i 
Vereine mit Zweigen. . . . . j 


407 
148 


517 4'>.5 1 
51820 1 


565803 
101563 


In SchottUnd 


550 


560275 


667866 




331 


42 551 


• 151 824 


Im VerciüigleQ Königreich • . ■ , 


la löi 


5^04 001 , 


13 ObT 79<J 



Aus diesen ^'anz ungent^L^pnrleTi Ausweisen ist wenigstens 
zu ei-sehen, dass die gewolinln lim M lfskassen noch immer 
die Majorität aller Hilfskassen ausmachen . die grösste Mit- 
gliederzabl haben und dab bedeutendste Vermögen besitzen. 

Bei der Wichtigkeit, wdehe die beiden Orden beidtsea, 
ist es wohl angezeigt, die finanzielle Lage derselben darzu- 
legen. Zudem sind diese Zahlen allein verlässlieh. 

Die Zahl der Mitglieder der M. U. am 1. Jannar 1883') 
war n(353.'8. 

Die Kranken- und Heurilbnisskasse des Ordens 

hatte Ende iSbl ein Vermögen von .... 5043277 £ 

Die Wittwen- und Waisenkasse 217050 £ 

Die Jugendvereine 19279 g 

Wohlthfttigkeitsfonds 7775 ^ 

Andere Kassen . . 4508 

Im Ganzen 5201890 £ 

») A. & P. 1880. Vol. LXVill. S. 285. 300, 309. 

«) QuArterly Report July 1«83. S. 24 ODd 16. Der Orden siebt 
n läser dem Hericbte ooch ninr periodische J^cbrift, das ,Oddfellow<;' '^!a<:a- 
zine' heraus, weiches bis in dieses Jahr hinein Ton Hardwick, dem verdienten 
Terftuner mm Haadlmdifle des HilftkaiaeDwesens, heraus^egfeben wurde. 
Kin Jahrbuch, welches, wie dasjenige der Foresters, Adressen der Logen, 
Distrikte, Beamten und Ehrepmitglieder etc. gäbet ezistirt anseres Wiflsena 
fUr die M. U. nicht. 



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440 V. 1. 

Die Foresters hatten am 31. Dezember 1Ö82 531 987 
Mitglieder. 

Das Vermögeu der Kranken- und Begrähnisskasse 

der Ckmrts betrag 2477 S09 £ 

Der Vcrwaltungsfonds der Höfe 56084 £ 

Dasjenige der Distiiktsbegräbnisskassen . . . 279811 

Der Wittwen- und Waisenkassen 38502 

Andere Fonds abgennidet_ 71 095 £ 

Im Ganzen 29UWr£ 



Ueber die Tliätifj:keit der Gewerk vereine ist nur 
wenig bekannt. G. Howell veröfifentlichte über die sieben 
gi-ossen Verbände der ,Engineeis , ,Irünlüundei-s\ ,Boilermakeis 
etc/, ,Steam- Engine MakersS ,CarpenterB ete.' «Tailora* und 
,bt)ninoiilden* folgende Zahlen (Gontemporary R. Sept 1883). 



Sie gaben aus an |j 1881 (£) > 1976—1880 (£) 



Arbeiulose 2 i^04Ö4 1 &07 45^ 

KrankentmteratatzuQg '! 6662ft , 318566 

Alterspensioneo ' 34 227 USIW 

liegrälmis^geld • 16 622 ^'*810 

Durcli Fnlall Ikschä'.üffte . ." 1^209 - 2s m«> 

Im Gänsen i mm i 1393466 

Ueber die Lebens Versicherungsgesellschaften 
existiren nur einige ungenttircnde Znhlen. Nach White s ,Life 
Insurance Chait, 1883' betrieben im Jahre 1><82 acht grössere 
und fünf kleinere Gesellschaften die Arbeiterversichening. 
Die ersteren waren der «British Legal* (gegründet 1868), 
»British Worknum's' (18G0), Xondon and Manchester' (1869), 
,PearP (1864), , Prudential' (1S48). ,Refuge Friendly' (1864), 
Xnited Kingdom Ass. Corporation' (1866), und der «Wesleyan 
and General' (1S41). 

Das Einkommen der 13 G. beuug 4. (der .Prudential^ 1 d02&^9 

Die Anag^ben 1965605 ^ ( • • — 1499952 d) 

Hierron entfielen auf I nterst. Sl9!i9i£{ * • — 639752 jf) 

- Verwal- 
tungskosten uud DividcndeD 1 106714 L. 

Die Zahl der ausgegebenen Policen ist unljekaunt. Die 
versicherten Summen betragen 2077565 £ (Renten sind an- 
seheinend nicht versichert), die Reserve beläuft sich auf 
2197663 jf, das eingezahlte Kapital auf 80352 

^) Gompiled Statement of tbe Financial Returns of Districts and 
Courts out of Dittricts BimtDgham. 1883. S. 32. 



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IX. 

Rückblick und Ausblick. 



Was hat das englische ArbeitenrenidierungsweBeii ge- 
leistet? Befragen wir einmal die Answdse über die Armen- 
steuer. Das Nationalvermögen hat seit dem Anfang dieses 

Jahrhunderts in überraschender Weise zupenoinmen. Die 
Summe, welche die Basis zur Veranlagung der Arniensteuer 
bildet, hat sich in den letzten 40 Jahren mehr als ver- 
doppelt. Die Armensteuer hat sich nicht ganz verdoppelt. l>a 
inzwischen die Zahl der Einwohner, weiche ArmenunteitätUtzung 
erhalten, zugenommen hat, wäre es dnrchaus nieht onge- 
reehtfertigt, selbst ans einer steigenden Bewegung des Betrages 
der Armenstener eine Bessenmg der wiithsehafUiehen Lage 
herauszulesen. 

Wenige Zahlen werden gentigen, um die Grundlage für 
weitere Betrachtungen zu gewinnen. Dieselben sind für die 
Jahre angegeben, in denen eine aufsteigende oder absteigende 
Bewegung zur Ruhe kommt. 

Im Jahre 1S34 betrug die Aimentteaer 6:n7 25.'> 



- 1Ö37 - 

- a840 - 

- - 



. 1646 - 
• - 1848 - 



. 18r>8 - 



4 044 741 £ 
4576965 £) 

5 208 027 e 
4954204 
6180764 £ 

4 03'.) 004 l 

6 004 244 

5 454 964 4 



Seit diesem Jahre ein fortwährendes 



Steigen. 



Im Jahre 1862 betrug die Armenstener 



G 077 927 jL 
7 498 061 ^ 
8015010 £ 
8 108 186 £ 



' im - 

- 1879 • 

- (1880) - 



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442 



V. 1. 



Angesichts solclier Zahlen kann man nicht wohl behaupten, 
dass das englische Arbeiter-Versicherungswesen die Aufgabe 
gelöst habe, die arbeitenden Klassen in allen Lagen des Le- 
boDg sicher zu stellen. Welches sind die Ursachen dieser Zu- 
stände? 

Vor Allem müssen wir die ökonomischen Verhältnisse 
nennoTi. Die Mittel der Arbeiter sind zu klein. Sie reichen 
nicht hin, um für alle Nothlagen Vorsorge zu treffen. 
Die Mitglieder sind im Stande gewesen, sich selbst ein kleines 
Krankengeld für eine beschränkte Zeit zu sichern, lu allen 
FftUen langdanemder oder chronischer Krankheit ist die Un- 
terstOtKung nicht gross genug, um die Wohlthätigkeit und die 
Armenunterstützung aborflQBBig zu machen. Die Arbeiter sind 
zweitens im Stande gewesen, ihrer Wittwe ein Begräbnissgeld 
zukommen zu lassen, welches dieser und ihren Kindern über 
die nächste Zeit nach dem Tode des Ernährers hinweghilft 
Die Mitglieder der Hilfskassen sind auch im Stande gewesen, 
für den Fall Voi-sorge zu tieffeu, duss ihre Frau oder Kinder 
vor Ihnen sterben. Aber nur sehr wenige Arbdter Termögen es, 
eine Alters- oder Invalidenpension zu ▼micheni. Die meisten 
Altersrentenkassen, welche bestehen, sind zahlongsunfähig. Die 
Unfallversicherung liegt noch in ihren Anfängen. Die meisten 
Wittwen und Waisen sind bald nach dem Tode ihres Ernährers 
aller Unterstützung berauht. Die bestehenden Wittwen- und 
Waisenkassen sind weder zahlreich noch reich. Einige grosse 
Orden geben ein Reisezehrgeld. Die Versicherung gegen Ar- 
beitslosigkeit wird in nennenswerthem Grade nar von den 
Gewerkvereinen betrieben, deren Existenz ja auch die Ge- 
werbehilfekasse nicht hat gedeihen lassen. Aus den Angaben 
auf Seite 440 wird man ersehen haben, dass die 7 grossen 
Gewerkvereinbände in 6 schweren Jahren an 900000 an 
Arbeitslose bezahlt haben. 

Nur muss man sich immer vergegenwärtigen, dass die 
meisten Untei'stützuugen durchaus nicht ganz sicher sind, denn 
die Verwaltung der meisten HOftkassen ist sehr schlecht 

Es liegen leider keine Daten vor, welche uns gestatteten, 
den Betrag der ünterstfltznng genau anzugeben, welchen die 
Arbeiter ans eigenen Mitteln aufbringen. Wir schlagen die 
Beiträge der Ehrenmitglieder nicht so hoch an, dass sie in 
Betracht kämen. Aber es fehlt uns auch sonst an genügenden 
Angaben. Im Jahre 1879 gaben 8701 gewöhnliche Hilfskassen 
in England und Wales 1 495 708 £ an Unterstützung aus, 
die Vereine, welche Sammler beschsftigen, 809245 £y abge- 
rundet 500000 £. Wenn wir nun erwSgen, dass ungefähr 
die doppelte Anzahl gewöhnlicher Hilfikassen existirt, die nicht 
berichtenden aber die schlechteren sind , so dürfen wir an- 
nehmen, dass sie nicht mehr als 3000U0U jC jälulich auf- 
bringen. FOi* die Orden ist keine Zahl vorhanden. Doch ist 



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V. 1. 



44B 



bekannt, dass die M. U. im Jahre 1881 531884 i^ und die 

Forestei-s im Jahre 1882 539287 £ an Kranken- und 
ßegi-äbnissgeld auszahlten. Die Orden werden also wohl 
1 500 000 £ jährlich aufbrinp;en. Die Gewerkvereine zahlen 
an Unterstützungen vielleicht jährlich 350 000 Wenn wir 
nun den von der Staatsversicherun^^siinstalt und den Versiche- 
rungsgesellschafteu der arbeitenden Klasäeu ausgezahlten Betrag 
j&hrlieh auf etwa 900000 i^' Behätsen, und diese Schätzungen 
sind liberal, dann br&chten die Arbeiter aus eigenen Mitteln 
6 200000 £ auf. Nehmen wir weiter an, dass die nicht regis- 
trirten Hilfskassen jilhrlich 1 500 000 '£ aufbringen, so steigt 
die Summe auf etwa 7 700 000 Die durch Privat- und 
öffentliche Wohlthätij,'keit gespendeten Unterstützungen be- 
laufen sich auf mindestens 3 000 000 £. Die sämmtlichen 
Versicherungsanstalten leisteten also ungefähr 8 000 000 £y 
ans anderen Quellen flössen unter Hinzurechnung der Armen- 
steuer 11 000 000 üf.. Vorausgesetzt dass zu diesen 11 000 000 Üf 
die arbeitenden Klassen 8000000 £ beitrügen, so wäre also 
noch immer ein Zuschuss von mindestens 70 "/o nöthig, um 
die Existenz der Arbeiter und ihrer Familien kärglich zu 
erhalten. 

Vor diesem Ergebniss wird es klar, dass die Aufliebung 
der Armensteuer eine Utopie ist, wenigstens so lauge, als nicht 
grosse sociale Reformen deo arbeitenden Klassen ermöglichen, 
ein höheres Einkommen zu erzielen. Es kann nicht unsere 
Aufi^abe sein, alle Reformen anzugeben, welche in England 
einen solchen Umschwung herbeizuführen im Stande sind. Wir 
bemerken nur, dass diejenigen, welche ein Interesse an der 
Erhaltung der heutigen Wirthschaftsordnung haben, z. B. an 
der jeweiligen Verlängerung und Verkürzung der Arbeitszeit, 
an dem freien Wettbewerb auch für die Folgen aufkommen 
mflssen. Wie sieh der Grundsatz herausgebildet hat, dass der 
Unternehmer unter gewissen Bedingungen für körperliche Beschä- 
digungen haftbar ist, so wird sich zweifellos das Prinzip lang- 
sam allen Geistern aufdrängen, dass er in beschranktem (rrade 
auch für Peschnftigungslosigkeit haftbar gemacht werden muss. 
Es ist leicht ersichtlich, dass die Gewährnng dieser Forderung 
allein nur wenig Erspriessliches zu bewirken vennag. Die 
Unternehmer müssen auch gesetzlich verpflichtet werden, be- 
deutende Zuschösse zu den Alters-, In?aliditäts-, Wittwen- und 
Waisenkassen zu zahlen. 

Niemand wird verkennen, dass auch eine bessere Ver- 
waltung der Hilfskassen die Kraft der nvbeitenden Klassen, 
einander zu unterstützen, steigern wird. Die englische Gesetz- 
gebung aber zeigt wie schwer es ist, die arbeitenden Klassen 
an eine bessere Verwaltung zu gewöhnen. Wie viele Hilfs- 
kassen verzichten noch immer auf die Registration, obwohl sie 
wehrlos gegen Betrug und Unterschleif sind! Obgleicfa die 



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V. 1. 



Vei*sicherungswissenschatt l< fO Jahre al);,^estufte Prämie predigt, 
besitzt die Masse der Hilfskasseii keine abfjestuften Prämien. 
Der Werth eines gewissenhaften Jahresberichtes, einer perio- 
dischen Bilanz wird noch immer nicht erkannt Wie wir im 
letzten Kapitel bemerktea, geht die Masse der registrirten 
Hilfekassen ihren alten Gang weiter und selbst unter den in- 
telligentesten Arbeitern ist eine yoiiirtheilsfreie Beurtheilung . 
dieser Forderungen noch immer nicht die Regel. Auf dem 
letzten (iewerkvereinskongresse billigte ein Arbeiter durchaus 
nicht die „Feinheiten" der Berechnungen der Aktuare, und auf 
dem Kongresse der »Forestei-s' im September 1883 meinte ein 
Vertreter, „dass der Orden aufgebaut worden sei, ehe das 6e- 
acbledit (race) der Aktuare und Kalkulatoren (valuers) ezi- 
atirte, welehes ihnen jetzt so wohl bekannt wäre". 

Die Einfuhrung einer guten Verwaltung wttrde ganz an- 
dere politische Verhältnisse bedingen, als England besitst. 
Seit 1703 versucht man immer wieder, die Kassen in stren- 
gere Zucht zu nehmen. Aber die Regierung vermochte es 

nicht, und eine parlamentarische Retifrung vermag es nicht, 
und sie wird es mit jedem Jahre weniger vermögen. Die Noth- 
wendigkeit, den arbeitenden Klassen zu schmeicheln, erweist 
sich starker als das Bedürfuiss , sie zu erziehen. Die König- 
liche Kommission meinte nun, wenn das System jetzt zum ersten 
Male organisirt wOrde, dann würde sie vielleicht das direkte 
Verbot aller Kassen, welche sich nicht registriren lassen woll- 
ten, empfehlen, aber jetzt läge das einzige Heilmittel in der 
Erziehung der Massen zur Finsicht in die Nothwendigkeit der 
gesetzlichen Bestininiungen. Wir können nicht umhin, zu 
glauben, dass wenn die Männer, welche das letzte llilfskassen- 
gesetz vorlegten, im Jahre 1793 gelebt hätten, sie ebenso ge- 
handelt hätten, wie Rose und Wilberforce. 

So wird sich denn immer wieder das Schauspiel wieder- 
holen, dass Kassen aus Mangel an Vermögen zusammenbrechen, 
oder dass für den Armen , welcher einer guten Hilfekaase an- 
gehört, der Trieb zu gross ist, das angesammelte Vermügen zu 

vertheilen. Von Streit. Tyrannisiren, Ausschliessungen und Se- 
zessionen wird vor allen künftij^en parlamentarischen Ausschüssen 
und köniL'lichen Kommissionen berichtet werden. Immer wieder 
werden sich i^arasiten an den Körper der arbeitenden Klassen 
festsetzen und das Parlament wird unfähig sein, sie abzu- 
schtttteln oder ganz abzuschattein. Nach wie vor wird ein 
Theil der für Kranke und Altei'sschwache, Wittwen und Waisen 
bestimmten Summen im Wirthshaus vertrunken werden. 

Die Hofliiung auf bessere Zustände beruht daher mehr 
auf dem Geiste seiner höheren Klassen und auf der Erziehung 

der unteren Schichten des vierten Standes durch die oberen 
in den Orden als auf aller Gesetzgebung. Allein aus sieb, ohne 



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445 



das Zusammenwirken von Berufsgeuossen in andern Städten 
und Provinzen» das bdiaupten wir nochmals, werden die Ar» 
beiter kein bc^riedifrendes Unterstatznngswesen schaffen. Die 

gewöhnliche, freie Hilfskasse hat weder eine rühmenswerthe 
Ver<:an^'enheit, noch eine Erfolg versprechende Zukunft. Und 
wohin wir blicken, bemerken wir ja auth die Spuren des 
Zusammenwirkens der Geistlichkeit und der Gentry mit den 
arbeitenden Khissen und ein Vordringen der Orden. Wir 
haben es versucht, nachzuweisen, welchen Antheü der eng- 
lische Klerus an dem sozialen Fortschritte seines Landes hat. 
Wir können nicht mit Ratzinger 0 Ubereinstimmen, wenn er 
sagt: „Dem Anglikanismus hat stets die Macht der Liebe ge- 
fehlt, der anglikanische Klerus hatte kein Verständniss für die 
Werke des chnstlichen Charitas.** Nachdem im 16. Jahr- 
hundert die Armenptiege von der Kirche auf den Staat über- 
ging, konnte die christliche Charitas nicht mehr das Ideal 
seiner Liebesthätigkeit sein. Aber der englische Klerus bat 
▼iel Höheros gethan. Er hat mit dem ruhigen klaren Verstände 
des Engländers seine Zeit begriffen, er hat die moder- 
nen Institutionen der sozialen Selbsthilfe gefordert. Und all 
den wackeren Geistlichen, die Prämien berechnet, die Verwal- 
tung von Hilfskassen in die Hand genommen, Sparbanken er- 
richtet, Konsumvereine gegillndet haben, hat es denen an 
christlicher Liebe gefehlt? Der Geist des englischen Klerus 
ist dei-selbe geblieben, er untei-scheidet sich nur dadurch von 
dem Klerus anderer Lilnder, dass er mit der Zeit fortgeschrit- 
ten ist. Ratzinger ist es, der uns mittheilt, wie in England 
der neurömischen Doktrin, dass alles Kirchengut dem Papste 
gehöre, der entschiedenste Widerstand entgegengesetzt wurde, 
dass man sich in England am lautesten darüber beklagte, 
dass italienische Prälaten das Gut verzehrten, welches den 
Arnjen gehörte, und dass erst später die englischen Bischöfe 
dieselbe liederliche Lebensweise annahmen wie ihre römischen 
Gonfratres >). Sollte der Klerus eines eonservativen Landes 
sich so bedeutend geändert haben? Im Gegentheil. Wir können 
sicher sein, dass derselbe Geist, wacher bisher das Arbeiter- 
versichemngswesen gefördert hat, es auch in Zukunft fördera 
wird. Auch der Antheil, den Nobility und Gentry an dem Ar- 
beiterversich'erungswesen nehmen, scheint im Wachsen begrifl'en 
zu sein. Wir erwähnen unter Anderem nur die Thatsache, 
dass seit dem Erlass des letzten Hilfskassengesetzes Gentlemen 
und Geistliche zusammengetreten sind, um den Hil&kassen, 



G«org Ratiiiigw: Oetdüdite dar IdreUielMii Anneopflege. FrailNirg 
im Bniigan. 1868. S. 325. 

2) Liegt hierin die letzte Erklämog sa dem froher erwihnten QeeetM 

Richard uT? 



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446 



v<dche die fftn^ähri^e Bilanz von einem Aktuare anfetellen 
lassen wollen, einen Zuschuss zu leisten. Das Interesse an den 
Institutionen der arbeitenden Klassen bezeugt die Aristokratie 
wenigstens ,äusserlich dadurch, dass es sehr wenipre englische 
Edelleute und bekannte Gentlemen geben wird, die nicht einem 
der grossen Aibeiterorden angehören. Die Druiden haben die 
Ehre, Gladstone zu ihren BrQdern zu zählen^). 

Ein Volk aber, dessen StAnde nicht schroff und kasten- 
artig gegen einander abgegrenzt sind, ein Volk, welches so 
viele reiche und müssige Personen zahlt, welche Sitten und 
der eigene Thfttigkeitstrieb zu einem Wirken für die unteren 
Klassen bestimmen . ein solches Volk kann eher mit einer 
schlechten sozialen Gesetzgebung auskuminen, als eins, dem jene 
Elemente fehlen. Es kann Selbsthife, Individualismus, Egois- 
mus predigen, alle diese Tendenzen kommen bei ihm nie voll 
zur Geltung, ancb wenn es logisch konsequent wftre. Denn es 
ist ^n sozialistischer, karikativer, kommunistischer Unterstrom 
vorhanden, der Jenem entgegenwirkt und ihn auf allen Punkten 
bekämpft. 

Der Engländer ist kein abstrakter, doktiinärer, im Han- 
deln noch immer nicht geübter und zum Handeln noch immer 
nicht geneigter und aus Armuth knauseriger Deutscher. Man 
tibei-sehe auch ni<'ht, dass neben dem Engländer die Eng- 
länderin der wohlhabenden Klassen steht. Die Richtung auf 
Staatliche und soziale Tbätigkeit, welche charakteristisch ßkr 
den Geist der Oentry und Nobility ist, ist auch bestimmend Ar 
die Thätigkeit vieler wohlhabender Frauen. Grösser und mfthe- 
voller als dasjenige kontinentaler Frauen ist ihr politisches und 
soziales Wirken. Dadurch vemngert sich die Kluft zwischen 
Mann und Weib. Sie wird häufig ganz dadurch überbrückt, 
dass die Frau der oberen Klassen energisch an ihrer Weiter- 
bildung arbeitet und durchaus nicht so selten die gebildetere 
Hüfte des Hannes ist. Alles dies abersehen wir. Wir spotten 
darüber, dass die englische Frau die Gefilhrtin des Mannes 
sein will, wir spotten darOber, dass sie ihr Stimmrecht aus- 



^) Dies ist unseres £rachtens wieder ein Beweis von der Unzerstör- 
bwkeit des Oildegeistes. Wie der mittelalterlichen GiMe Reieli und Am. 

Hoch und Niedrig beitraten, so den Or.lrn un l lokalnn Ililfskasson heutigen 
Tages. Wie reiche (iilden Werke christlicher Mildthatigkeit ausübten, 
so aoterhulten die M. U. und die Forestci-^ Kettungsboote und be* 
■ehenken sie die Hospitäler und wohlthätigen stittunßen der St&dte, wo 
sie ihre Konpresse abhalten, in wahrhaft ttirstlicher Weise. T^nd glauben 
wir uicht deu Festbericht einer Gilde /u lesen, wenn die Birmingham Daily 
(iazette im September 1883 schrieb, da^s sich die Delegirten des Ordens 
der Foresters auf dem King Edward's Platz versammelt hätten und dauin 
in teierltcbem Zuge in die Martin's Kircbe gezogen wäreUi wo ein 
sonderer Oottetdientt gehalteB worden? 



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V. 1. 



447 



fkben will, und wir wissen nicht, wie viel Gutes sie wirkt. 
Wie gesagt, wo Männer und Frauen von diesem Geiste eilbllt 
sind, da kann die SelbsthOfid leicht gedeihm. Denn die 
fremde Hilfe fehlt ihr nicht. 

Nach diesen Erörterungen ist es ebenso verständlich, 
dass das Projekt der staatlichen Zwangsversichening immer 
wieder vorgetragen wird, als dass es vorläufig nicht die 

feringste Hoffnung auf Verwirklichung hat. Reiche Völker 
dnnen mit Hilfe wohlwoUender oberer Klassen Das erreichen, 
wozu arme Völker die Einsetsung der ganzen Macht des 
Staates bedürfen. Doch verkennen wir nicht, dass sich in der 
Geschichte des englischen Arbeitervereicherungs- und Spar- 
kassen weseus die Tendenz zeigt, die individuelle Thätigkeit 
durch die Vereins- und die Vereinsthätigkeit durch die Staats- 
thätigkeit zu ersetzen. 

Jedenfalls dai-f man hoffen, dass die Staatsvei-sicherung 
jetzt, nachdem ihr endlich die Fesseln abgenommen worden 
sind, welche ihre freie Bewegung hemmten, dem Lande grosse 
Wohlthaten erwosen wird. 



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Pi«rtr*tdM BofbaeUiacktni. flttplno 0«ilNl ä Co. in AUwbnif. 



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Verlafr von DUNX'KER HUMHLOT in Leipzig. 



Die 

christlich- sociale Bewegung 

in England. 

Von 

Lujo Brentano. 

2., Terbesserte. doroh einen Anhang vermeLrte Aasgabe. 

1883. Preis 2.40 M. 

Die 

englische Eisenbahnpolitik 

der letzten 10 Jahiv (1873—1883). 

Von 

Gustav Cohn. 

Neue Folge der ,,Untersiuiiungeii über die englische P^isenbahiii»ulitik'*. 
Mit einem Register über das ganse Werk. 
1883. PreU 5 M. 

Zwei Bücher 

zur 

Socialen Geschichte Englands. 

Von 

Adolf Held. 

Aus dem NacUlass herausgegeben von G. F. Knapp. 

1881. Preis 16 M. 

Das Landgesetz für Irland 

vom Jalnv 18S1 
in deutscher Uebersetzu n um! iui Original. 

Eingeleitet untl herausgegeben 
von 

Dr. Eduard Wiss. 

1SH3. Preis 4.8i> M. 



l'ierur'NClie Hifbocbdruckor-M. Stephan Geibel Ä Co. iu AUeaburtf.