Altpreussische
Monatsschrift
Deutsche
Gesellschaft,
Königsberg, .
i ibrarn of
'{Jrmrc tan Unhicrsitn.
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m.
Altpreussische
Monatsschrift
neue Friere.
Der
Neuea Preussischen FravinsiaUBEttör
vierte Folge.
Herausgegeben
Rudolf Reicke und Ernst Wiehert
Dreinndzwanzigster Band.
Der Preussischen Provinzial- Blätter LXXXIX. Band.
Mit Beiträgen
ron
O. van Baren. H. Baumgart, O. Beckherrn, A. Bezzenberger,
A. Bielenstein, J. Bolte, G. Oonrad, L. H. Fischer, M. Friedeberg, W. Fuchs,
A. Horn, A. Keil, V. v. Keltsch, W. Ketrzynski, C. Lehrs, M. Perlbach,
R. Reicke, A. Rogge, G. Rohse, Th. v. Schön, J. Sembrzycki, A. Treichel,
P. Tschackert, E. Wolsborn und Ungenannten.
Königsberg In Pr.
Verlag von Ferd. Beyer's Buchhandlung.
188«.
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(RECAP)
Alle Rechte bleiben verbehalten. V
Herausgeber und Mitarbeiter.
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Inhalt.
I. Abhandlungen.
Leber ein Project zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg (Friedrieh-
stadt 'i. Nach Originalarten von Georg Conrad. 1—33/
Über dös litauische haus. Ein versuch von A. Bezzen berger. (Mit 21
Zeichnungen.) 34—79.
Die Philosophie und Kant gegenüber dem Jahre 1848. Tischrede, gehalten
am 22 April 1849 von Karl Lehrs. Hrsg. von Arthur Lad wich.
8U — H2.
Das Volksschulwesen in Preußen und Litt hauen unter Friedrieh Wilhelm I.
Von Adolf Keil. 93-137 185 244.
Das Cnlmer-Land and die Südgrenze von Ponu-sanien. Von Dr. W. Kq-
trzvnski. Ii«— 141.
yachträg^zur Schlacht von Tannenberg. (Bd. XXII. S. 637—648.) Von
A. Horn. (Mit einem Plane.) 112 "150.
Johann- AI brecht I. von Mecklenburg, der Schwiegersohn des Herzogs
~~Albreeht von Preußen in seinen' Beziehungen zur deutschen Refor-
mation und zum Herzogtum Preußen. Vortrag von Dr. Paul
T * c h a c k e r t . Professor in Kön i gsberg in Fr. 245 — 257.
Zum 22". April 1886 Leber Kants Kritik der aesthetischen Urteilskraft. Von
Tl e ruianu B a u m g a r t . 258 — 282 .
Das „propugnaculum in introitu terre Nattangieu der Chronik des Dusburg
(pars III, cap. 133). Von C. Beck her rn 283-303.
Die Güter Geduns von Adolf Kogge. 304—312.
lusterburger Kirclien - .\achrichteji. Mitget heilt" von Otto van Baren,
Landgerichts-Prasident in Inster bürg 1885, B 13— 360.
Münzfundo aus Ost- und Westpreuflen. 1. Von Dr. E. Wolsborn. 377—404
Zu „Peter v. Dusburg und das Uhronicon Olivense." Zur Entgegnung.
Von W. Fnchs. 405-4H4.
Nachtrage zu Albert's und Dach's Gedichten von Johannes Bolte in
Berlin. 435—457.
Nachlese zu Heinrich Albert's Gedichten. Von L. H. Fischer in Berlin.
458—466.
Das Projekt des Königs Friedrich Wilhelms III., neben der Universität
Königsberg eine katholisch - theologische Facultat zu errichten. Von
Professor Dr. Tschack ert in Königsberg. 467 471.
Der bairiache Geograph. Aus den nachgelassenen Papieren des Herrn Victor
v. Keltseh. ftUö — nEOT
Die westliche Grenze der Landschaft Natangen von C. Beckhorrn. 561— 6(X).
Ueber masurisehe Sagen. Von J o Ii a n n e s S e m b r z y c k i. 601 — Gl 2.
Line noch beute zeitgemäße kirchenpolitische Denkschrift des M i n ist e rs
von Schön. 613-628.
Nachträge zu dem aufsatz über das litauische haus. (Bnd. XXIII. e. 34 ff.)
Mit einer lithogr. tafel. Von A. Bezzenberger. 629—633.
607923
IV
Inhalt.
II. Kritiken und Referate.
v
Fritz Kannacher. Historischer Roman von Arthur Hobrecht. 2 Bde.
Berlin 1885. Von G. 151-154.
Grundriß der lateinischen Palaeographio und der Urkundenlehre v. Ces.
Paoli übersetzt von K. Lohmeyer. Innsbruck 1885. 155.
Hilfsbuch für den Unterricht in der " brandenb. - preuss. Geschichte von
K. Lohmeyer n. A. Thomas. Halle 1886. — Desgl. für den Unter-
richt in der deutschen Geschichte bis zum westfälischen Frieden von
denselb. Verff. Ebd. Von G. Rohse. 155—158.
Gegen einen Aufsatz Veckenstedts. Von Dr. A. Bielenstein. 472—476.
Nochmals die Chronik von Oliva. Von M. Perlbach. 634—639.
Die Entwickelung des Kriegswesens und der Kriegführung in der Ritterzeit.
Von G. Köhler. II. Band. Breslau 1886. Von B. 640-644
Handbuch derProv. Ostpreußen für 1886/87 vonC. Nürmborger. Von © 645.
Die Marienburg. Von J. Pederzani- Weber. Berl. 188ti. Von 0 645.
Alterthumsgesellschaft Prussia in Königsberg 1885. 158—167. 1886.
361-363. 476-485.
III. Mittheilungen nnd Anhang.
Notizen zur Grtindungsgeschichte der jüdischen Gemeinden Altpreußens.
I. H. Von M. Friedeberg. 168-175.
Mitteilung über einige von Schirrmacher jüngst veröffentlicht« Briefe von
und an Herzog Albrecht von Preußen etc. Von P. Tschackert.
364 -366.
Magister Johannes Malkaw aus Straßburg a. d. Drewenz in Westpreußen, ein
reformfreundlicher katholischer Priester zur Zeit des großen abend-
ländischen Schismas. Mitteilung nach Haupt von P. Tschackert.
366-367.
Ein ungedrucktes Schreiben der philosophischen Fakultät zu Königsberg
an Immanuel Kant. Mitgetheilt von Prof. Dr. Tschackert. 486.
Ein ungedruckter Brief des Faust us Socinus an Ilieronvmus Moscorovius
d. d. Racau, 6. Juni 1603. Mitgeteilt von Prof. Dr. Tschackert.
487—488.
Privileg über Borkow und Roschütz. Mitgetheilt von A. Treichel. 488—490.
Privileg über die Kirche zu Reinfeld. Mitgetheilt von A. Treichel. 490—494.
Wie der letzte Teufel umkam. Von A. Kogge. 646.
Käflaufch, Kößligß. Ein beitrag zur geschichte der Königsberger mundart.
Von A. Bezzenberger. 646 — 650.
Die Kant -Bibliographie des Jahres 1885 zusammengestellt von R. Reicke.
650-660.
Universitäts- Chronik 1886. 175-176. 367-368. 495. 660.
Lvceum Hosianum in Braunsberg 1886. 176. 496.
Altpreußische Bibliographie 1885. 177—181. 368-376. 496-503. 660-675.
Kulturhistorische Ausstellung für Ost- und Westpreuflen. 182—184.
Anzeigte. 184.
Nachrichten. Deutscher Einheitsschulverein. 503—504.
Schulz' Autographen-Sammlung. 675.
Berichtigung. Von Prof. J. Caro in Breslau. 504.
Bitte. 676.
Berichtigung. 676.
Literarische Anzeigen (auf dem Umschlag).
-HM-
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4
Ueber ein Projeet
zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg
(Friedrichsstadt).
Nach Originalacten mitgetheilt
von
Georg: Conrad.
Unmittelbar nach den glanzvollen Tagen des Jahres 1701, in
welchen ganz Königsberg die Erhebung Preußens zum Königreiche
gefeiert hatte, übermittelten die Einwohner der um das König-
liche Schloß zu Königsberg belegenen Königl. Burgfreiheit ihrem
Monarchen Friedrich I. ein „allerunterthänigstes demüthigstes
Gesuch", welches folgenden, mit Rücksicht auf den heutigen
Leser leise modificirten "Wortlaut enthielt:
Allerdurchlauchtigster, großmächtigster
König !
Allergnädigster Herr!
Wenn vor dem huld- und gnadenvollen Thron E. Königl.
Majestät mehr als tausend Dero getreue Vasallen und Unter-
thanen ihre Noth und ihr Anliegen en particulier in Demuth aus-
geschüttet, auch in denselben, so weit sie billig und gerecht, aller-
gnädigst erhört worden, so haben vor E. Königl. Majestät, auch
wir sogenannte Burgfreiheiter die uns insgesammt und allgemein
treffende Noth und Angelegenheit mit wenigem berühren und
allerguädigste Remedirung in Unterthänigkeit erwarten wollen.
"Wir mögen aber mit einzelner Anführung der uns
drückenden, vornehmlich von den hiesigen drei Städten her-
Altpr. MonatMchrift Bd. XXIII. Hft. 1 u. 2. 1
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2 lieber ein Project zur Anlegung einer vierten St.i<H Königsberg etc..
rührenden Beschwerden, zumal derselben eine gar große Anzahl,
E. Königl. Majestät nicht tädiös und verdrießlich fallen, in
Anbetracht dessen, daß E. Majestät aus den von einem und
dem anderen unseres unterthänigen Ortes vorgetragenen Querelen
höchst vernünftig und allergnädigst schließen können, daß, ob-
wohl bisher uicht alle klagbar worden dennoch Niemand davon
exempt und ausgeschlossen, der nicht1) —
Welcher Druck und welcher unsägliche Schaden, aller-
durchlauchtigster König und Herr, uns daraus erwächst, daß
wir nicht berechtigt sein sollen, ein jeder nach seiner Profession
Handel und Gewerbe gleich den Städten zu treiben, sondern
aus der dritten uns sehr beschwerenden Hand "Waaren zu em-
pfangen, als "Wein, Laken, Stoff, Gold- und Silbertressen und
dergleichen, die sie theils nicht haben und weder in Pack-
kammern, noch sonst zeigen und aufweisen können, von den
Bürgern der drei hiesigen Städte zu anderweitem Verkauf zu
erhandeln, kann nicht genugsam beschrieben werden. Und wie
E. Königl. Majestät hiovon nicht nur keinen Vortheil haben,
vielmehr an Dero hohem Interesse merklichen Schaden leiden,
also empfinden wir vornehmlich, ein jeder insbesondere, und
also alle ingesammt in unserer Nahrung und Hantierung
großen und unersetzlichen Verlust, können auch nicht, wenn
von E. Königl. Majestät uns nicht allergnädigste und gerechte
Hülfe widerfahren sollte, absehen, wie es anders sein könnte,
als daß allmälig einer nach dem andern in solchen Abgang
seiner Nahrung gesetzet werden müßte, daß man einen Pil-
gramsstab zu ergreifen genöthiget werden dürfte, allewege
diejenigen, deren Handel und Condition dergestalt beschaffen,
daß, wie vorerwähnet, dieselben nichts aus der ersten Hand,
mit dem sie in Commercien stehen, sondern mittelbarer "Weise
aus der Hand einer von den Städten, die doch solches nicht
haben, in Empfang nehmen sollen. "Wenn E. Königl. Majestät
vor einigen aus dem hohen Mittel Dero Geheimen oder anderen
1) Hier hat die Originalcopie eine Lücke.
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Von Georg Conrad.
3
vornehmen Räthe und erlauchten Männer uns per deputatos
hierüber zu vernehmen, allergnädigst geruhen wollten, würde
befunden werden, daß bei dem splendiden Titel der Burgfrei-
heiter unter unsers allergnädigsten Königs Protection und Burg
wir nichts weniger als Freiheit und kaum mehr als nomen et
umbram libertatis wider die huldreiche Intention E. Majestät
— leider! — führen. Solchem mehr und mehr sich heran-
nahenden Verderb kraft E. Majestät souverainen unbeschränkten
Macht und auf treue Unterthanen strömenden hohen Gnade von
uns zu decliniren und wiederum zu Kräften zu gelangen, würden
mit E. Königl. Majestät allergnädigster Erlaubniß wir ein
sicheres Mittel unmaßgeblich in Vorschlag bringen, und da das-
selbe zu Niemandes Präjudiz, vielmehr zur Vermehrung des
Königl. Interesses dann zu Dero hohen Namens unsterblicher
und mit der Ewigkeit selbst fortgehender gloire, auch zum
Nutzen und zur Wohlfahrt unser und unserer späten Posterität
gereichen würde, in tiefster Devotion bitten, solches allergnädigst
genehm zu halten. Es sind, allerdurchlauchtigster König und
Herr, so viele, vorhin fast geringe und weder dem Namen, noch
dem Wesen nach bekannte Oerter in der Welt, welche wegen
einer und anderer vorgefallenen Begebenheit, wegen erhaltenen
Sieges oder eines Prinzen Geburt und dergleichen aus ihrem
geringen Stande erhoben, groß und illustre gemacht, mit Privi-
legien versehen und mit gewissen Immunitäten und Stadtrechten
begabt worden. Welcher Ort, allergnädigster König und Herr,
ist in diesem Dero Königreich Preußen von Jedermann für den
edelsten und mit dem größten illustre beleuchteten Platz zu
halten? Keiner auch nicht ein einziger innerhalb der Ring-
mauern der Altstadt, des Kneiphofs oder Löbenichts, die man
sonst alle ingosammt und eine jede insbesondere in vielen andern
Stücken bei ihrem Werth und Würden läßt, als allein die so-
genannte Burgfreiheit. Allhier auf der Burgfreiheit haben
E. Majestät allererst das Licht dieser Welt geschaut2), allhier
2) Friedrich I. wurde am 1. Juli 1G57 in einem kleinen Zimmer über
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4 Ueber ein Project zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg etc.
haben Sie, als Dero Name in das Buch des Lebens verzeichnet
worden, die unverwelkliche Krone des Himmels erhalten ; allhier
ist der durlauchtige Glanz Ihrer großen Vorfahren durch die in
Dero hohen Person dieses Orts zum ersten proclamirte Königl.
Majestät Allerdurchl. größer und ansehnlicher worden, allhier
erscheinet alles, was E. Majestät seine Gratulation und respective
allerunterthänigste Pflicht und Devotion abstattet. Allhier sind
E. Majestät Eeichsinsignia. Allhier wird unter E. Königl.
Majestät hohem Namen die höchste justice exerciret8), der große
Rath gepflogen4), Pardon und Gnade ausgetheilet. Die Burg-
freiheit ist der Platz, wohin so viel tausend Menschen sich ver-
sammelt, E. Majestät anzubeten und zum allergnädigsten Hand-
kuß gelassen zu werden. Und Sire, was das vornehmste ist, all-
hier6) hat der Kurfürst von Brandenburg am ersten vor dem
Könige der Könige als König in Preußen auf seinen Knieen
gelegen, den großen Gott um die Erhörung in seinem Anliegen
angeflehet und die Antwort vom Himmel erhalten: Wer mich
ehret, den will ich wieder ehren. So erhöre nun E. Majestät
auch unser Dero getreuer Unterthanen Anliegen um des alles
willen, was zum ewigen Ruhm und Lobspruch unsers aller-
gnädigsten Königs in tiefster Unterthänigkeit jetzt beigebracht
worden und begnadige diesen Ort, die bisher sogenannte Burg-
freiheit mit dem Stadtrecht, den einer Stadt anklebenden Immu-
nitäten, Rechten und Gerechtigkeiten, auoh unmaßgeblich mit
dem Namen Königs- oder Friedrichsstadt, soweit als die termini
und Grenzen der Burgfreiheit gehen. Non in parietibus aut
muris, sagt der grosse Römer Pompejus bei dem Dione, sed in
ipso hominum coetu et iure consistit civitas. Car la ville est
dem östlichen Schloßportale geboren und in der Königlichen Schloß-
kirche getauft.
8) Durch das 1657 gegründete Oberappellationsgericht, das mit der
Souveränität des Herzogthums Preußen nothwendig geworden war.
4) In der auf dem Königlichen Schlosse befindlichen Oberrathstube,
in der sich die 4 Oberräthe versammelten, welche im Namen des Königs
regierten und auch demgemäß die Onadensachen erledigten.
5) Nämlich in der Schloßkirche.
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j
Von Georg Conrad.
5
l'union (Tun peuple sous une seigneurie souveraine: comme le ros-
signol ou la formi sont aussi bien nombrels entre les animaux
comme les elephans, sagt einer der französischen politicoruni :
Sic aliquot domus et familiae serenissimo suo jubente constituunt
civitatem. Wie eine kleine Armee oftmals der größten an Muth
und Tapferkeit überlegen, so geschieht es auch nicht selten,
daß ein kleiner Haufe und eine kleine Versammlung der Unter-
thanen einer größeren an Treue und Devotion gegen ihren
Souverain nicht im geringsten nachgiebt. Und wie schlecht
und gering war der Anfang, allerdurchl. König, dieser drei
Städte! Der Steindamm, der jetzt nur eine Vorstadt ist, war
die erste und älteste Stadt dieses Ortes, geringe von Ansehen,
mit wenigen Leuten; nachdem aber durch reichliche Beisteuer
des Königs in Böhmen, Ottokar oder Primislaus II. das anno
1255 auf dem Platz des jetzigen Königlichen Gartens8), der
Preußischen Scribenten Muthmaßuug nach7) erbaute Schloß de-
raolirt worden, welches man eigentlich demselben zu Ehren, in
dessen Geleit und Gesellschaft sich auch Otto, Margraf zu Branden-
burg befunden, Königsberg genannt, ungeachtet sonst Aeneas
Sylvins, nachgehends Papst und römischer Bischof, Pius II. genannt,
in seiner historia Bohemiae schreibt: Ottocarus in Prufsia, quam
veteres Ulinrigiam vocavere, superatis Tartaris urbem condidit,
quam Cunispergium, id estmontemregiumvocant, ist das Stadtrecht
von dem Steindamm auf die jetzige Altstadt, welche man vor Auf-
richtung der andern beiden Städte allein Königsberg geheißen, die
nicht weniger als Löbenicht und endlich Kneiphof, zu Anfang unan-
sehnlich, auch die letzte nur aus einer einzigen Straße, der jetzigen
sogenannten, aber mit weit schlechteren und weniger Häusern ver-
sehenen Langgasse bestanden, transferirefy verlegt und geschenkt
worden. Wir sind aber Gott Lob ! in einer solchen Verfassung,
daß uns nichts entgegengesetzet, oder als zu einer Stadt gehörig
6) Der heutige Paradeplatz (Königsgarten).
7) Z. B. Hennebergen in seiner: Erclerung der Preussischen grossem
Landtafiel oder Mappen. Königsberg 1645. S. 168.
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6 Ueber ein Project zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg etc.
verlauget werden sollte, was wir nicht darstellen und aufzeichnen
könnten. Es mangelt uns nicht an Schulen und Kirchen, deren
eine8) E. Majestät glorwürdigste Vorfahren in der König]. Resi-
denz, die andere0) E. Majestät selbst als Kurfürst gestiftet und
fundirot und als König und supremus episcopus mit Andacht
und Gebet solenniter goweihet haben. Es manquiret uns nicht
an Wasser und Mühlen10), an Uhr und Palatien, unter welchen
nach den Gotteshäusern unsere größeste Ehre ist; die hierselbst
gelegene Königl. Residenz, die vornehmsten Collegia haben all-
hier ihren Sitz und wird es E. Königlichen Majestät nicht zu-
wider sein, wenn wir mit Erlaubniß E. Majestät einen gewissen
wüsten Platz zur Deliberation für E. Königl. Majestät hohes
Interesse und des gemeinen Bestens Wohlfahrt nach E. Königl.
Majestät gnädigstem Gefallen und Verordnung bebauen worden.
Daß Kauf- und Handelsleute, Künstler und Handwerker allhicr
in großer Menge sind, ist notorisch. Es sind auch, allerdurchl.
König, verschiedene Thöre, welche diese künftige neue Stadt
schließen und derselben Grenzen setzen, vorhanden, als das
Schloß-, Junkergassen- und Kreuzthor11) u. dergl. Wenn man
noch eins in Unterthänigkeit vorstellen darf, allergnädigster
König und Herr, sind aller großen Potentaten Residenzen nicht
neben oder an, sondern in Städten. Der Könige von Spanien,
8) Die Schloßkirche, aus der Ordenszeit stammend, 1524 vom Mark-
grafen Albrecht in eine evangelische Kirche umgewandelt, wurde von 158-1 ab
durch Albrecht Friedrich neu erbaut, cl'. Faber: Die Haupt- und Residenz-
Stadt Königsberg in Preußen. Königsberg 1810. S. 23. 2-4.
9) Die deutsch-reformirte Burgkirche; vom Kurfürsten Friedrich III.
wurde am 25. Mai 1690 der Grundstein gelegt; die Einweihung erfolgte in
Gegenwart des Königs Friedrich I. am 23. Januar 1701, dem Sonntage nach
der Krönung, cf. Faber: c. 1. S. 103.
10) Auf der Burgfreiheit standen damals folgende Mühlen, sämmtlich
königlich: die Mittelmühle, Obermühle und Malzmühle.
11) Das Schloßthor schloß die Burgfreiheit gegen die Altstadt ab
und stand an der Schmiedegasse. Das Juukergassenthor schloß die
Burgfreiheit gegen den Tragheim ab. Das Kreuzthor schloß die Burg-
freiheit gegen den Vonleren Roßgarteu ab und stand in der Fortsetzung
der Collegiengasso nach dem Roßgärter Markt zu. cf. Faber: c 1. S. 98.
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Von Georg Conrad.
7
Frankreich, Großbritannien, Schweden, Dänemark, Polen etc.
Eesidenzen sind in den Städten Madrid, Paris, London und
Edinburg, Stockholm, Copenhagen, Warschau etc. Wäre es
demnach E. Königl. Majestät, uns mit dem Stadrecht zu be-
gnadigen, nicht entgegen, gleichwie es dann den Königl. Intra-
den nicht schädlich, vielmehr zuträglich, den Städten nicht
nachtheilig, zumal man nach Proportion dieses Ortes alle bei
denen gebräuchliche onera, wenn E. Majestät wegen Einquar-
tierung des Hofstaats uns einiges soulagement allergnädigst
wollten zu statten kommen lassen, willig abzutragen, sich hier-
mit allergehorsamst erklärt, so würden wir allerunterthänigst
um ein Stadtwappen bitten und dies dabei demüthigst vor-
stellen. Es führen alle 3 Städte nach der Tradition einiger
Preußischer Scribenten zum Gedächtniß und zur Ehre des vor-
erwähnten Königs Ottokar eine Krone, unter welcher bei den
Altstädtern ein weißes Kreuz, wie einige meinen, zum Ange-
denken der deutschen Ordensbrüder, wie wohl sonst desselben habit
weiß und das Kreuz schwarz gewesen; bei den Löbnichtem
über und unter der Krone ein Stern, die Krone aber der Kneip-
höfer hält eine von unten aufgehende Hand zwischen zwei
Hörnern. Aus allen drei Wappen können E. Majestät, wenn es
Deroselben also gefällig, uns etwas als Ihr eigen mittheilen.
Primam gentis Tuae E. Majestät Krone, welche eine von oben
aus den Wolken hervorragende Hand hält, weil E. Majestät die-
selbe vom Himmel empfangen und dem Himmel gewidmet,
unter der einen Seite einen Stern zur immerwährenden Erinne-
rung des von E. Majestät hochvernünftig erwählten symboli: Suum
cuique, von der andern ein blaues Kreuz mit F. ß. in dessen
Mitte bezeichnet, da beides mit dem Königlichen, jüngsthin
ausgetheilten Orden und Gnadenzeichen übereinkommt. E. Königl.
Majestät werden unter andern Dero Gnadenbezeugungen und
dieses Orts geschehenen recht Königlichen Verrichtungen auch diese
zu Dero unvergeßlichem ewigen Andenken allergnädigst auszu-
führen, warum wir allerdemüthigst bitten, sich gefallen lassen.
Was von so vielen Jahrhunderten her dem Markgrafen zu
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8 Ueber ein Project zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg etc.
Brandenburg, Albrecht ursus, deswegen weil derselbe Berlin
und Bernau mit dem Stadtrecht begabt, an Ruhm und unsterb-
lichem Dank bis auf diese Stunde beigelegt wird, das soll un-
serm Könige Friedrich wegen seiner Königs- oder Friedrichs-
stadt mit soviel mehr Veneration und Ehrerbietung von uns
unserer späten Posterität zugeeignet und vor Dero Königl. Haus
Gut und Blut auf alle Fälle willigst und allergehorsamst aufge-
opfert werden von
E. Königl. Majestät unsere allergnädigsten Königs und Herrn
allerunterthänigsten
sämtl. Einwohnern auf der
Burgfreiheit.
Es war also in diesem Gesuche nichts mehr und nichts
weniger beabsichtigt, als den König zur Anlegung einer vierten
Stadt Königsberg zu bewegen, die ihm zu Ehren den Namen
Friedrichsstadt erhalten sollte. Dieses tibersandte der König
noch von Königsberg aus unter dem 28. Februar 1701 an die
Preussische Regierung zu Königsberg, repräsentirt durch die
vier Oberräthe, den Landhofmeister Otto "Wilhelm von Perband,
den Oberburggrafen Christoph Alexander von Rauschke, den
Kanzler Georg Friedrich von Creyzen und den Obermarschall
Christoph Grafen von "Wallenrod, mit dem Befehl, die Petition
der Burgfreiheiter zu begutachten und die 3 Städte Königsberg
zur Einreichung von schriftlichen Erinnerungen aufzufordern.
Unter dem 19. März theilte die Preußische Regierung den drei
Städten Königsberg das Königliche Rescript und die Eingabe
der Burgfreiheiter mit. Die Erregung, welche die Publication
dieses königlichen Rescripts durch Verlesen desselben vom
Podest der Treppe des Altstädter Rathhauses herab bei dem
Rath, dem Gericht, den Zünften und den Gemeinen der drei
Städte Königsberg hervorrief , war groß , man fürchtete
einen bedeutsamen Eingriff in die Privilegien der drei Städte.
Doch kaum hatte man das Ungeheuere gefaßt und Zeit zur
Absendung einer Antwort gehabt, als schon ein zweites Rescript
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Von Georg Conrad.
9
des Königs an die Eegierung d. d. Potsdam den 30. März 1701
den Städten mitgetheilt wurde, welches besagto, daß der König
nach Empfang eines zweiten Gesuchs der Burgfreiheiter bei der
Einrichtung einer vierten Stadt nichts bedenkliches finde, er
vielmehr den Supplicanten sowohl die erbetene Stadtgerechtig-
keit als den vorgeschlagenen Namen und das erbetene "Wappen
beigelegt habe und auch befehle, diejenigen Privilegien, welche
dieser neuen Stadt etwa möchten zu ertheilen sein, zu entwerfen
und zur Genehmigung einzusenden. Die Einführung der Accise
bei der neuen Friedrichsstadt werde weiterer Verordnung vor-
behalten. Endlich solle diese Stadt von der Burg dependiren.
Erst am 25. April 1701 flehten die Bürgermeister und Räthe der
3 Städte Königsberg in einer der Regierung übergebenen Bitt-
schrift den König „um Gottes Barmherzigkeit und Königl. Ma-
jestät Gnade und Gerechtigkeitwillen" an, mit der Publication des
zu ihrem „Garaus einseitig und hinterlistig ausgebetenen Privi-
legii" landesväterlich noch 8 Tage zu warten, bis sie ihre Ent-
gegnung eingebracht hätten, die sich deswegen so lange ver-
zögere, weil der Altstädter Bürgermeister wegen Verlängerung
der Vernaljuridic beim Tribunal12) ihren Berathungen nicht habe
beiwohnen können. Diese Petition sandte die Regierung unter
dem 28. April dem Könige zur Berücksichtigung ein. An dem-
selben Tage waren die Bürgermeister, Räthe, Gerichte, Zünfte
und Gemeine der 3 Städte Königsberg in der Lage, dem Könige
ein umfangreiches „de- und wehmüthigstes Seufzen und aller-
unterthänigstes Bitten" mit 14 Anlagen zu übermitteln. Dieses
interessante Schriftstück lautete in Schreib- und Ausdrucksweise
leise modificirt, wie folgt.
Allerdurchlauchtigster, großmächtigster König!
Allergnädigster, souverainer Herr und huldreichster Landesvater!
Gleichwie der unruhige und arglistige Feind des mensch-
lichen Geschlechts unsere ersten Stammeltern im Paradies unter
dem sehr großen und schönen Schein eines versprochenen
12) D. h. der Frtthjahrssession des Oberappcllationsgerichts (Tribunala),
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10 Ueber ein Project zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg etc.
besseren und längeren Lebens um alle Glückseligkeit der Seele
und des Leibes, ja um das ewige Leben selbst gebracht hat,
also ruht derselbe mit seinen Anhängern und Helfershelfern noch
diese Stunde nicht, übelgesinnte und widerwärtige Gemüther
zum Streit und zur Unruhe aufzuwiegeln, welche treuen und
gehorsamen Unterthanen ihr Wohl und Aufnehmen unterbrechen
und stören, sie mit ihrem Nächsten zusammenhetzen und ihnen
auch das letzte Stückchen Brod sub specie recti und mit dem
Verheißen, denselben mehr Lebensmittel zu verschalfen, unbarm-
herzig aus dem Munde zu reißen und zu entziehen, bemüht
sind. Eine dergleichen harte Versuchung trifft uns, wenn zu
der hiesigen armen Städte Königsberg äußerstem Verderb und
Untergang unter dem Namen der sämmtlichen Einwohner auf
der Königlichen Burgfreiheit eine neue Stadt angegeben und
ausgebeten werden will, wie uns solches den 9. hujus durch ein
gnädigstes Rescriptum vom 19. Mart. a. c. notificirt, und was
wir dabei unterthänigst zu erinnern haben möchten, mit dem
fördersamsten und zwar auf das geschehene mündliche Vorstellen
einiger städtischer Deputirten bei der hiesigen Königlichen
Oberrathstube bald nach geschlossener gegenwärtiger Vernal-
juridic 12) bei Dero hiesigem Königlichen Oberappellationsgericht
einzukommen anbefohlen worden. Wenn aber nicht allein der
Supplicanten formale, da ihr supplicatum sine subscriptione con-
eipientis eingeschickt worden, und daß darin die sämmtlichen
Einwohner auf der Burgfreiheit condescendirt, sondern auch alle
causae impulsivae derselben unrichtig und erdichtet sich be-
finden, zumal anfänglich außer Ew. Königl. Majestät eigenen
Gebäuden, z.B. der Lustgarten13), das Ballhaus14), die Münze15),
die mit dem 1. März begann und am 12. April jedes Jahres aufhören sollte
(cf. Vorfassung des Ober-Apollations-Gerichts im Herzogthum Preussen —
eingerichtet . . . 1G57. Königsberg. Art. VIII.
18) Heute Paradeplatz (Königsgai-ten) genannt.
14) Das Ballhaus stand auf der Stelle, auf der heute das „Deutscho
Haus" steht (in der Tboaterstrasse).
15) Die Münze stand da, wo sich heute das Königliche Polizei-
Präsidium befindet (Junkerstrasse 8).
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Von Georg Conrad.
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die Mühlen, der Stallplatz16), die Landhofmeisterei17) und Canzler-
wohnung18) etc., alle anderen daselbst Wohnenden von Adel,
welche keine bürgerliche Nahrung treiben und daher von Bürgern
contra distinguirt werden, abgehen, nachmals auf der sogonannten
Königlichen Burgfreiheit ohne die Handwerker, von denen doch
die meisten an kein Stadtrecht gedacht, lauter Fremdlinge sieh
befinden, worunter Franz Hay als ein Schotte ipso iure von
dem Bürgerrecht in Königsberg excludirt ist und der vornehmste
Rädelsführer Pierre Pellet ein manifestum poriurium ratione des
in der Altstadt erhaltenen und unverantwortlich wieder ver-
lassenen Bürgerrechts begangen hat, daher dieser und anderer
etwa noch unbekannter Leute Ansuchen der Sache keinen Grund
geben mag; was aber der übrigen wenigen neugierigen und
stadtsüchtigen burgfreihoitischen Supplicanten, wie sie mit Grund
der Wahrheit können genannt werden, scheinbares Vorstellen
anbetrifft, obschon es beim ersten Ansehen den Namen haben
soll, als wenn sie Ew. Königl. Majestät hohes interesso und
gloire zu vermehren intendiren, so soll ihr Trieb und ihre Ver-
anlassung zu dieser nie erhörten und unsern Vorfahren nie in
den Sinn gekommenen Neuerung die vielfältige Beschwerde über
die drei Städte Königsberg sein, deren sie eine so große An-
zahl zu haben vermeinen, daß obwohl bisher nicht alle klagbar
worden, dennoch Niemand davon exempt und ausgeschlossen,
insonderheit da nicht ein jeder nach seiner Profession Handel
und Gewerbe gleich den Städten treiben kann, sondern aus der
dritten ihm sehr beschwerlichen Hand zu empfangen hat, daher
sie hoffen, wenn mehr als tausend Ew. Königl. Majestät getreuer
Vasallen und Unterthanen in billigen und gerechten Dingen
16) Der Stallplatz befand sich nach dem Beringschtn Stadtplan von
1018 zwischen dem Gießhaus und dem Pulverthurm (etwa iu der Gegend
der Roß^ärter Ilintcrstraßo).
17) Die Landhofmeisterei stand etwa auf der Stelle der heutigen
.,Ecolc fraucaiso." am Bergplatz.
18) Die Stelle der Canzlerwohnun g (Canzle rei) ist in der Junker-
gasse zu suchen.
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12 Ueber ein Project zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg etc.
erhört worden, auch die Supplicanten in ihrer sie insgesammt
und allgemein treffenden Noth Hülfe erhalten werden. Wie
impudent hingegen solches hingeschrieben, zeugt der offen am
Tage liegende Widerspruch, daß seit undenklichen Jahren kein
einziger Burg freiheiter hat dürfen klagbar werden, daß ihm
von den Städten etwas zur Ungebühr widerfahren, und sollten
sich auch jetzo welche finden, die es mit Recht auf die Städte
Königsberg bringen könnten, so sind wir fertig, doppelte Strafe
dafür auszustehen; doch müßte mancher Burgfreiheiter Kramer
nicht das für einen tort rechnen und anführen, wenn diese de-
voten Städte gemäß vielfältigen in Händen habenden theuren
privilegiis unrechtmässig an sich gebrachte Packwaaren, die man
auf die Burgfreiheit oder andere Freiheiten bringen wollen, haben
beschlagen lassen ; qui enim sanctis privilegiis et iure suo utitur,
nomini facit iniuriam, und eben das ist der essentiale Unter-
schied zwischen einer Stadt, die privative auf den Handel ins
Große lind dann zwischen einem Ort, der natura sui zu keiner
Stadt, sondern blos und allein zu einer Vorburg fundirt ist, daß
ein Großbürger in den Städten aus der ersten Hand handeln
und wandeln, ein Burgfreiheiter Kramer aber aus der andern
Hand seine Waaren sich anschaffen soll und kann; dadurch
haben dennoch diese letzteren keinen Abgang ihrer Nahrung,
am wenigsten einen Pilgramsstab zu besorgen, zumal ihr eigenes
supplicatum das contrarium ausweist, indem sie nicht allein die
Burgfreiheit mit stattlichen palatiis, was kein Armer thun kann,
geziert, sondern auch schon soviel lucrirt, noch einen wüsten
Platz zur vorgewandten künftigen Deliberation, das ist recht
deutsch zu sagen, mit aedificiis publicis, Raths- und Gerichts-
stuben, Speichern, Krähnen, Waagen, Asch-, Theer- und Pack-
häusern, um vermeinte Beförderung des Königl. Interesses und
der gemeinen Wohlfahrt zu bebauen und alle bei Städten ge-
bräuchliche onera zu tragen, wohingegen die verarmten Städte
Königsberg sich ungemein winden müssen, nur die von ihren
Vorfahren aufgebauten aedificia publica kümmerlich in baulichem
Zustande zu erhalten und gewöhnliche bürgerliche Beschwerde
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Von Georg Conrad.
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zu entrichten; die Burgfreiheiter und andere Freiheiter Hand-
werker indessen können ihr Gewerbe und ihre Hantierung in
allen Stücken gleich einem Kleinbürger oder Handwerker mitten
in einer dieser Städte treiben und die zu Handwerks Nothdurft
benöthigten "Waaren immediate aus der ersten Hand kaufen,
deswegen selbige sich zu verbessern keine Ursache haben, viel-
mehr sind wir durch Gottes und Ew. Königl. Majestät gnädigen
Beistand versichert, weil die unter dem plausiblen Namen der
sämmtlichen Einwohner der Burgfreiheit latitirenden wenigen
Personen mit unbilligen , ungerechten Dingen umgehen , daß
etliche tausend in den hiesigen Städten und Vorstädten con-
junctim sich befindende und um Erbarmung seufzende armselige
Einwohner nach Abwälzung der feurigen Pfeile der arglistigen
Gegner und gründlicher Deducirung dieser drei Städte privile-
giorum maxime radicatorum nicht trost- und hülflos von dem
mit Gnade, Recht und Liebe gezierten majestätischen Thron
Ew. Königl. Majestät werden dimittirt werden. Es wollen dem-
nach die drei Städte Königsberg besserer Ordnung wegen der
machinirenden Supplicanten sämmtliche propositiones in 3 Sorten,
nämlich in historicas, politicas und iuridicas eintheilen,
und bei einem jeden Punct darthun, daß unser Gegentheil die
größten Fallacien, Unwahrheiten und Ungerechtigkeiten von der
"Welt begeht. Denn ihre propositiones historicas belangend
ersinnen dieselben:
1. einen Griff, als wenn zwar der Steindamm, der jetzt
nur eine Vorstadt ist, die älteste Stadt gewesen, der Name
Königsberg dennoch einem von Ottocaro, Könige in Böhmen
anno 1255 erbauten und nachmals demolirten Schloß beigelegt
worden, bis das Stadtrecht vom Steindamm auf die jetzige Alt-
stadt, welche ein weißes Kreuz unter der Krone führt, trans-
ferirt ist, wiewohl der Supplicanten Meinung nach der deutsche
Orden einen weißen habit und ein schwarzes Kreuz gehabt,
woraus sie zu erzwingen gedenken, daß mehr das Schloß als
die älteste Stadt den Namen Königsberg geführt; allein wie sie
selbst gestehen müssen, daß der Steindamm ehemals die älteste
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14 lieber ein Project zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg etc.
Stadt gewesen, so folgt auch weiter, daß derselbe Ort mit dem
Namen Königsberg belegt worden, womit nicht allein der von
ihnen allegirte Aeneas Sylvius, bei dem das alte Preußen nicht
wie sie schreiben: Ulinrigia, sondern Hulmigeria oder Colmigeria
wie in des Paul Pole10) und Johann Freiberg20) chronicis Prussiae
manuscrtptis21) zu sehen, heißen soll, allerdings tibereinstimmt,
sondern es schreiben auch besagte beide chronographi folgender
Gestalt: Alß anno 1255 die Stadt Königsberg gebauet ward, so
thät der König Ottocar seine Hülfe und Rath und ward die
Stadt in des Königs Ehre genennet Königsberg. Das Alt-
städtische weiße Kreuz im Stadtwappen anbelangend , findet
man in den Preußischen Chronikon, daß nur die drei ersten
Ordensherren, welche allein Meister genannt sind, ein weißes
Schild mit dem schwarzen Kreuz geführt haben, ja schon zu
des ersten Meisters Heinrich von "Walpot Zeiten ist in des Paul
Polen Chronik ein Wappen mit einem weißen Kreuz im rothen
Felde zu finden.
2. "Wird unnöthig kritisirt, daß verschiedene Königl. Re-
sidenzen, als in Spanien, Frankreich, Groß-Britannien, Schweden,
Dänemark und Polen nicht neben oder an, sondern in den
Städten lägen; da sich ebenfalls die hiesige Königl. Residenz
nicht neben oder an der Stadt, sondern in der Stadt Königsberg
findet; denn wenn man Königsberg insgemein ausspricht, so ge-
hören dazu auch alle Freiheiten und Vorstädte, die innerhalb
der Wälle liegen. Daß aber
3. Ew. Königl. Majestät auf der Burgfreiheit zuerst das
Licht der Welt soll gesehen haben, daselbst Dero glorwürdigster
und nichts als Friede ankündigender Name in das Buch des
19) Paul Pole war Diaconns an der Altstädter Pfarrkirche, legte aber
bei Einführung der Reformation sein Amt wegen Kränklichkeit nieder und
wurde Kaufmann. Seine Chronik beendigte er am 0. Juli 1532. Merkelburg:
Die Künigsberger Chroniken aus der Zeit des Herzogs Albrecht, . . . .
Königsberg, 18ö5. S. 217. Note 39.
20) Siehe über ihn das in der vorigen Note citirte Werk, Einl. XXI.
21) In der Stadt bibliothek zu Königsberg i. Pr.
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Von Georg Conrad.
15
Lebens verzeichnet, daselbst die Gnadenkrone vom Himmel
präsentirt und daselbst die Residenz sei, auch die höchste Justiz
daselbst gepflegt werde, ist ganz unrichtig und ungereimt; denn
wie eine jede Stadt ihre Vorstadt allhier hat, also hat auch das
Königl. Schloß oder die Königl. Burg ihre Freiheiten, und wird die
Burgfreiheit also genannt ad distinctionem der andern Freiheit oder
sogenannten Neuensorge, welche weiter von der Burg abliegt. Es
kann daher nimmermehr gesagt werden, daß das Königl. Schloß
auf der Burgfreiheit gelegen sei oder, was auf dem Königl.
Schloß geschehen, der Burgfreiheit zugeeignet werde, sonst
würde der Steindamm auf gleiche "Weise nicht allein obige actus,
weil derselbe ab immemoriali tempore die Altstädtische Burgfreiheit
Steindaram und der Altstädtsche Vogt22) noch diese Stunde daselbst
Burggraf genannt wird, sich arrogiren, sondern auch sagen können,
allhier ist die Altstädtische Pfarrkirche23) oder das Altstädtische
Rathhaus24), welche Redensarten doch, so wie die der Suppli-
canten von der Burgfreiheit, eine große Verwirrung verursachen.
4. Hätte Markgraf Albrecht ursus, deswegen, weil der-
selbe Berlin und Bernau mit dem Stadtrecht begabt, einen un-
sterblichen Ruhm und Dank erhalten, was gern zugestanden
wird und auch lobwürdig ist, wenn ein Ort, wo noch zur Zeit
keine Stadt ist, imgleichen in der Nachbarschaft sich keine be-
findet, die Gnade erhält, Stadtgerechtigkeit zu genießen. Eine
ganz andere Beschaffenheit hingegen hat es mit den Städten,
welche ohnedem schon sehr schwer ihren kümmerlichen Unter-
halt suchen müssen und gnadenreiche privilegia besitzen, daß
die ihnen privative gegönnte Nahrung an andern nebenbei ge-
legenen Orten nicht exercirt werden soll. Derselbe Unterschied
ist bei dem Einwurf, daß geringe und weder dem Namen noch
dem Wesen nach bekannte Oerter wegen einer vorgefallenen
22) Der Vogt auf dem Steindamm war* ein Mitglied des Altstädtischen
Raths und übte Funktionen des Magistrats Namens desselben aus.
23) Die hier gemeinte Kirche stand damals auf dem heute sog.
Altstädtischen Kirchenplatz in der Altstadt.
24) Am Altstädter Markt.
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16 Ueber ein Project zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg et«.
Begebenheit, als wegen erhaltenen Sieges oder eines Prinzen
Gebnrt und dergleichen aus einem geringen Stande erhoben,
groß und illustre gemacht auch mit Immunitäten und Stadt-
rechten zuweilen begabt sind, höchst nötliig zu attendiren, denn
circa civitatem constituendam geht solches wohl an, circa civitates
iuxta privilegia conservandas aber, wo daselbst noch eine Stadt
erfolgt, ist unfehlbar eines Orts Aufbringen und der andern
Untergang zu erwarten, und würde es in hoc casu mit uns
heißen: unius generatio est alterius corruptio.
Circa politicas rationes finden die Burgfreiheiter Suppli-
canten
1. einen Defect im Handel bei diesen drei Städten Königs-
berg, daß dieselben allerhand Stoffe, Gold- und silberne Tressen
und dergleichen zum Verkauf nicht aufweisen könnten, woraus
man augenscheinlich sieht, daß unter den Sollicitanten Pierre
Pellet und der Gattung Franzosen stecken, die mit ihrer Schaum-,
Silber- und Goldarbeit mit den zur größern und leider mehr
und mehr anwachsenden Ueppigkeit, Kleiderpracht und Hoffart
dienenden nichtigen, auch zu großer Schwächung Ew. Königl.
Majestät hiesiger Unterthanen beitragenden Galanterien, das
harte Silber und Gold häufig aus dem Lande führen; dawider
ob sie wohl einigermaßen einwenden möchten , daß sie ihre
Waaren niemanden aufzudringen gedächten, so würde es doch
viel besser um diese Einwohner stehen, wenn, wie nach der
wahren Regel, wer die Sünde meiden will, die Gelegenheit zur
Sünde verhüten muß, auch bei den Franzosen der große
excessus der Sachen a la mode, womit sie viel einfältige Leute
verblenden, abgestellt werden möchte, zumal genugsam Gold-
arbeit zum anständigen Ehrenhabit bei den städtischen Seiden-
händlern und Krämern anzutreffen ist.
2. Wenn die Supplicanten vorgeben, daß die Anlegung
der vierten Stadt zu Ew. Königl. Majestät Interesse und Dero
hohen Namens unsterblicher und mit der Ewigkeit selbst fort-
gehender gloire, auch zum Nutzen und zur Wohlfahrt der Solli-
citanten und ihrer späten Posterität gereichen würde, so besteht
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1
Von Georg Conrad. 17
eines Theils die versprochene Vermehrung des Königl. Interesses
bei Anlegung einer vierten Stadt, nicht weniger der einge-
wandte Schaden bei Nichtberücksichtigung ihres Vorschlags in
leereu Worten, andern Theils haben unsere Verderber nichts
wahreres in ihrer ganzen Vorstellung geschrieben, als daß sie,
aus fremden Landen aus Barmherzigkeit aufgenommen, mit ihren
posteris bei eingerichteter neuen Stadt allhier, wovor uns der
grundgütige Gott bewahren wolle, merklich zunehmen, und ganze
drei aus vielen Einzöglingen und aus deutscher Nation bestehende,
jeder Zeit treugewesenon Städte mit kläglichem Seufzen jämmer-
lich verschmachten müssen.
3. Militirt das Pompeii allegatum: quod non in parietibus
aut muris sed in ipso hominum coetu et iure civitatis consistat
rechtschaffen für uns, die wir uns auf keine Mauern und Macht
verlassen, sondern dahin vornehmlich sehen, daß gemäß den
Fundainentalprivilegiis, quae spiritus vitales civitatum existunt,
der coetus rei publicae habilis sei und das wohlerhaltene Recht
nicht gekränkt werde. Wie denn auch
4. unserer Verfolger simile, daß gleich einer kleinen Armee,
welche oftmals der größten an Muth und Tapferkeit überlegen,
nicht selten ein kleiner Haufe und Versammlung der Unter-
thanen einer größeren an Treue und Devotion gegen ihren
souveränen Herrn nicht im geringsten nachgebe, auf die hie-
sigen devotesten drei Städte Königsberg füglich Anwendung
finden kann, da selbige, wie armselig und ohnmächtig sie auch
sich beschaffen befinden, doch bei dem lebendigen Gott ver-
sichern, ohne einige Extendirung der städtischen Grenzen nie-
mand, am wenigsten unsere Gegner, welche nur unter ihrer
verheißenen großen Veneration dadurch, daß sie Ew. Königl.
Majestät wider privilegia propter bene merita concessa, quae
nun quam revocantur, zu verleiten suchen, Dero Gnadenthron re
vera gröblich verunehret, in ungefärbter Treue und standhafter
Submission sich vorziehen zu lassen. In solchem Absehen, wenn
die politica in Frage kommen, ob es zuträglicher sei, weitläufige
Städte und darin eine große Menge Bürger zu haben, machen
AlM-r. UoiiKtmchrift IM. XX1U. lllt. I u. ± 2
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18 Ueber ein Project zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg etc.
dieselben so einen Schluß: civitatem tum esse satis magnam,
cum tanta in ea est multitudo, quanta ad bene beateque viven-
dum sufficit. Non ergo in populosa multitudine hominum, sed
in justa proportione ac potentia civium materia civitatis aut
magnitudo cernitur.
Zur letzten Gattung, nämlich ad juridicas conclusiones
würde gehören:
1. daß unsere adversarii ihren Anschlag wegen Stiftung
einor vierton Stadt zu legitimiren gedenken, weil sie, wie sie
sagen, unter dem splendiden Titel der Burgfreiheiter nichts
weniger als Freiheit und kaum mehr als nomen et umbram
wider die huldreiche Intention Ew. Königl. Majestät führen.
Wie hierin an der Wahrheit vorbeigegangen wird, kann man
vor Erstaunen fast kein Wort sprechen. Kurz zu reden: es
haben sowohl die Burgfreiheiter Handwerker ebenso viel, als die
städtischen in allen Stücken, kein einziges ausgenommen, zu
genießen, als auch den Krämern daselbst ist die Zeit her, oinigo
Packkammern zu halten, wider unsere aufrichtig erhaltenen pri-
vilegia aus großer und fast unverantwortlicher Connivenz, welche
Nachgebung dennoch Ew. Königl. Majestät uns zu keinem
Schaden wolle gereichen lassen, in der That gegönnt und zu-
gegeben worden, überdies auch eine Packkammer derselben
mehr importirt und pretiösere Waaren führt, als in etlichen
städtischen Kramen zu finden.
2. Wird zu dieser demüthigsten Städte ärgsten Bedrängniß
vorgegeben, als wenn die Anlegung einer neuen Stadt zu Nie-
mandes Präjudiz gereichen und uns nicht nachtheilig sein werde.
Hilf aber lieber Gott! Wo kann was gefährlicheres für die
Städte Königsberg angegeben und erdacht werden! Denn da
selbige auf zwei bürgerliche Nahrungen, den Handel und das
Brauwerk fundirt sind, und jetzt schon viele Kaufleute, die in
der städtischen Jurisdiction wohnen, wegen Mangel der Nahrung
crepiren müssen, es auch nichts helfen würde, wenn die Freiheiter
größern Handel hierher zu ziehen versprechen wollten, weil sie
nicht mehr Abnehmer der Waaren, als die Jahre her gewesen,
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«
Von Georg Conrad. 19
verschaffen können; denn, wenngleich dieses Jahr auch 500 Schiffe
mit "Waaren über die gewöhnliche Anzahl herkämen, so müßten
auf künftiges Jahr wegen noch nicht abgenommener und ver-
kaufter "Waare nach Littauen so viel weniger sich einsteilen.
Der meisten Mälzenbräuer Brauwerk liegt bei der unvoll-
kommenen Brauordnung gänzlich danieder, obgleich sie tenore
legis die Freiheit haben, alle 3 "Wochen zu brauen25); sollte
nun in einer neuen Stadt das Brauwerk mitnachgegeben werden,
so sind die 3 Wochen unwiderruflich weiter zum wenigsten in
die vierte oder fünfte "Woche auszusetzen, und lohnt es alsdann
nicht, die beschwerliche Nahrung zu continuiren; sodann, damit
Ew. Königl. Majestät nicht den Gedanken fassen möge, als wenn
sich die beiden Zünfte der Kaufleute und Mälzenbräuer hiesiger
Städte einzig aus unverantwortlicher Hartnäckigkeit oder un-
christlicher Mißgunst gegen die Scheineinwürfe der Freiheiter
Einwohner zu opponiren gelüsten ließen, würden über 100 Kauf-
leute und Mälzenbräuer nebst ihren Ehegatten oder die nach-
gelassenen "Wittwen derselben lieber in continenti wünschen, zu
sterben, als bei einer angelegten neuen Stadt in abgenommener
nothdürftiger Nahrung einen langwierigen Jammer zu treiben.
3. Jauchzen zwar schon die unruhigen Supplicanten, daß
sie bereits in solcher Verfassung stehen, worin ihnen nichts ent-
gegen gesetzt werden, oder was zur Stadt gehörig wäre, fehlen
könne; es mangele ihnen nicht an Schulen und Kirchen, es
manquire ihnen nicht an "Wasser und Mühlen, Uhren und Pa-
latien, wozu sie noch einige Thore nebst einem Stadtwappen
auszubitten hätten. Doch verhoffen die treudevotesten Städte
Königsberg bei Ew. Königl. Majestät, unserm huldreichsten
souveränen Landesvater, mit einer gerechten Sache besser, als
die mit irrigen Anschlägen umgehenden "Widerwärtigen zu be-
stehen und wider alle grimmigen Anfälle mächtigst geschützt
zu werden, weil nach der Supplicanten ganz schlüpfrigen
25) cf. Brauordnung drei Städte Königsberg d. d. Königsberg, den
2. Mai 1692, Art. X.
2*
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20 l"eber ein Project zur Anlogung einer viorlen Stadt Königsberg eto.
Schlüssen die Königl. Freiheit Sackheini wegen des vorbei-
fließenden PrcgeLstromes bequemer zur Stadt wäre, als die Burg-
freiheit. Dessen ungeachtet ist der ftindus weder auf dem Sack-
heim noch auf der Königl. Froiheit so beschaffen, daß nahe an
den Städten Königsberg salvis privilegiis eine neue Stadt könno
angelegt werden, per consequens wird auch keine Schließung
mehrerer Thore oder Ausgabe eines Stadtwappens nöthig sein.
4. Schließen die Sollieitanten ihr gefährliches Gesuch da-
mit, daß es notorisch sei, in welcher großen Mengo Kauf- und
Handelsleute nebst Künstlern und Handwerkern auf der Burg-
freiheit sich befinden, obgleich nicht ein einziger daselbst woh-
nender Kaufmann benannt werden kann, da es bloße Kramer
sind, die mit keiner Waare ins Große zu handeln Freiheit er-
halten haben, und es von den wenigen Handwerkern gewiß ist,
daß nicht der zehnte Theil den verdächtigen Supplicanten bei-
gefallen sei. — Ferner so viel hiesiger höchstbekümmorter und
heftig angefochtener drei Städte Königsberg freudigst erhaltene,
jetzt hingegen kläglich agonisirendo Fundamentaljura anbelangt,
könnten selbigo mit vielen historicis et politicis rationibus
illustrirt werden, wovon wir aber nur tanquam per transennam
eine einzige observationem historicam von der hiesigen Städte
Treue gegen den Orden aus des oben bemeldeten Paul Polen
Chronik zu berühren für nöthig erachten, welcher referirt, daß,
als die Städte Königsberg einstmals haben persuadirt werden
sollen, vom Orden abzustehen, selbige folgende Antwort gegeben
hätten: die Städte und Mannschaft auf Samland müßten unter
dem Orden bleiben, da sie des Ordens geschworene Männer
wären, wie das Gegentheil des Königs; also vermeinten sie auf
keinerlei AVeiso vom Orden zu treten, nachdem sie ihr Blut
um des Ordens willen vergossen hätten und denselben mit ihrem
Geld und Gut so lang zu erhalten, dem sie auch fürbas so thun
wollten; denn besser gutlos, loiblos, denn ehrlos. In politicis
deduciren die berühmtesten Autores, daß mächtige Städte, wenn
selbige einmal im "Wachsthum recht gestiegen, selten in ein
größeres Aufnehmen gerathen sind, indem sie zu dessen Be-
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Von Georg Conrad.
21
weis die weltbekannten Orto Venedig und Mailand anführen,
welche vor 400 Jahren mit derselben Anzahl Bürger, wie jetzt,
bestanden. Die fundaraenta iuris trium civitatum Kegioniontaruni
contra stabiliendam novam civitatem würden darin bestehen:
1. daß bereits in dem Samländischen privilegio Ludwigs
von Erlichshausen, Hochmeisters des deutschen Ordens de anno
1455 assecurirt worden, die Städte Königsberg bei allen ihren
Privilegien, Freiheiten und Gerechtigkeiten zu lassen und zu
behalten ihnen die zu verbessern und nicht zu verkürzen20). In
der Regimentsnotul Markgraf Albrechts höchstseligsten An-
denkens vom 18. November 1542 27), wird beigefügt, die Vor-
sehung zu thun, daß ein jeder bei dem Seinen in gutem, be-
ständigem Frieden unbelästigt sitzen und bleiben möge, auch
dermaßen zu halten, daß so viel immer möglich, keine Aende-
rung vorgenommen werden soll, in Bedacht, daß solches ohne
Beschwer, Schaden und jeweilen Zertrennungen nicht leichtlich
geschehen könne. Markgraf Georg Friedrich rühmlichen An-
denkens verspricht in confirmatione der Preußischen privile-
giorum vom 24. August 156528): die Unterthanen bei ihren alten
Gerechtigkeiten Freiheiten, Privilegien, löblichen Gewohnheiten
und Herkommen unangefochten bleiben zu lassen. Desgleichen
ist diesen Städten in responso regio vom 4. März 1609 29) ver-
sichert worden, daß sie bei ihren Prärogativen, Immunitäten,
löblichen Gewohnheiten, bei der Handlung und dem depositorio
keineswegs gekränkt oder gemindert worden sollen, wie die un-
schätzbaren Worte folgends lauten: in universumque iura, pri-
vilegia, donationes praerogativas , immun itates, consuetudines
honestas ac laudabiles, iurisdictionem, emporia, depositoria, portus
quorum in uhu et possessione hactenus fuerunt, nulla re violari
imminuivo concedet, welcher Verhoißung der durchlauchtigste
26) cf. Privilegiii der Stunde des Herzogthums Preussen. Braunsberg
im, Blatt 20 v.
27) c. 1. Bl. 55* und v.
28) c. 1. Bl. 58 v.
2b) c. L Bl. %.
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22 Ueber ein Project zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg etc.
Kurfürst Johann Sigismund löblichen Gedächtnisses in confir-
matione der Städte privilegiorum de dato 20. Julii 1609 30) gnä-
digst beifallt. Insonderheit ist in decretis et actis regiis anno
1609 31) habitis heilsam festgesetzt: civitatensibus nihil praeter ipso-
rum spontaneum consensum in iis quae de novo instituenda fuerint,
imponi et praeiudicari posse. Solche von Gnaden und Hulden
überfließende privilegia hat Sr. Churf. Durchl. Georg Wilhelm
mit einem besondern Nachdruck bestärkt, wenn er in dem anno
1621 gehaltenen Landtag also redet: privilegia iuraque ordinum
ducatus, pactis et recessibus in vim legum perpetuarum stabilita
nobis iurisiurandi religione amore et favore erga ducatus incolas
apprime commendata erunt; wohin unter vielen andern drei
gnadenreiche privilegia de anno 1618, 1621 und 1663, daß die
sämmtüchen Königlichen Freiheiten auf keine Handlung oder
Braunahrung fundirt sind, nicht weniger die pacta Welaviensia
de anno 1657 in verbis: Serenissimus elector, eius descendentes
masculi, barones, nobiles, civitates et magistratus ac subditos
omnes Prussiae, cuiuscunque gradus ac conditionis sint, in avi-
tis receptisque privilegiis, statutis, iuribus ac libertatibus huic
conventioni non derogantibus conservabunt auc manutenebunt,
nec quicquam in contrarium attentabunt aut innovabunt vel a
quovis attentari aut innovari patientur etc. zu referiren. Zwar
wenn es auf unsere Gegner ankommen sollte, würden sie leicht-
lich sagen können, es wäre in obigen Versicherungen gleichwohl
in specie nicht gedacht, keine neue Stadt in Königsberg anzu-
legen; welchem nichtigen Einwurf aber mit Grund der Wahr-
heit zu begegnen ist, daß obberegte assecurationes den valorem
haben, als wenn verbotenus wäre inserirt worden, keine neue
Stadt in Königsberg zu stiften, in Anbetracht dessen, daß da-
durch die hiesigen Städte contra laudirte privilegia in ihrer
Nahrung mächtig würden verkürzt, die Einwohner nicht un-
belästigt gelassen, große Aenderung vorgenommen, alte löbliche
30) c. 1. Bl. 111 v.
31) c. 1. Bl. 108.
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Von Georg Conrad.
2.3
Gewohnheiten und Herkommen angefochten, der Bürger Präro-
gativen vor den Freiheiten gemindert und gekränkt, auch un-
erhörte und unvermuthete Neuerungen und präjudicirliche Dinge
eingeführt werden, zumal
2. die landesväterliche Herrschaft aus Liebe und Huld
gegen die Mälzenbräuerzünfte der Städte laut dem Landtagsab-
schied vom 2. April IG 18 sich begeben und — es sind ipsa verba
der Verabscheidung — nicht bemächtiget ist, innerhalb einer
Meile von Königsberg einen einzigen Krug anzulegen. Tausend-
mal weniger werden Ew. Königl. Majestät, als der souveraine
gnädigste Landesherr, den dieses Preußen jemals gehabt, nach-
dem vor Dero majestätischen Thron unsore Noth wird erschollen
sein, geschehen lassen, eine ganze neue Stadt hart an 3 mise-
rable und nach besserm Aufwachs von Jahr zu Jahr strebende
Städte zu gründen.
3. Werden die sämmtlichen Königlichen Freiheiter in all-
gemeinen Willigungen gemäß der Landtagsverordnung de anno
1G82 zu den Städten Königsberg gerechnet, und machen mit
denselben Städten ein individuum, welches in verschiedene raem-
bra getheilt, daß einige membra ein majus, andere ein minus
Privilegium genießen, so bald aber ein geringerer Theil die
Stadtgerechtigkeit gewinnt, müssen dio noch schwachen partes
essentiales nothwendig in größere Schwachheit gerathen.
4. Ist den Magisträten dieser Städte unter anderm laut
dem Landtagsabschied de anno 1663 allein vergönnt, das Bürger-
recht tüchtigen subjectis zu conferiren und haben, so lange die
Städte Königsberg stehen, die löblichen hochmeisterliehen, mark-
gräflichen, kurfürstlichen und höchsten königlichen Herrschaften
dieses Landes und Königreichs keinen einzigen Bürger allhier
eingesetzt, sondern wie der Adel das ius indigenatus, also con-
ferirt der Magistrat bene meritis das Bürgerrecht, doch muß
kein Bürger auf Handel und Braunahrung aus dem Bezirk der
rechten Stadt sich setzen; durch Nachgebung aber einer neuen
Stadt auf der Burgfreiheit würde eine ganze Schaar anderer
Bürger anwachsen, und die halbvcrsunkonen, doch auf göttliche
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24 Uelior oin Pro jcrt zur Aule-gang einer vierten Stadt Königsberg etr.
Hülfe wartenden und in iniinemoriali possessione sich befindenden
Kaufleute und Mälzenbräuer bei den drei Städten Königsberg
völlig ersäufen.
5. Das sonnenklarste fundamentum, welche unsere miß-
günstigen Supplicanteu mit keiner List oder Explication über-
wältigen können, hat der große Friedrich Wilhelm, Kurfürst,
nunmehr und in alle Ewigkeit bei Gott hochwaltend, den de-
nitithigsten Städten Königsberg allergnädigst anno 1681 und
1686 ertheilt, daß daselbst privative einzig und allein Handel
und Braunahrung getrieben und exercirt werden soll. Von
gleicher Würde ist
6. sowohl Ew. Königl. Majestät huldreiche confirmatio pri-
vilegiorum de anno 1690, als auch Deroselben mildvolle Assecu-
ration bei der von Gott erhaltenen Königl. Krone vom 5. Ja-
nuar 1701, daß in den bisherigen Verfassungen nicht die aller-
geringste Aenderung gemacht, sondern Alles auf den bisherigen
Fuß unverrückt in seiner völligen Kraft und vigor erhalten
werden soll, zumal desfalls die sämmtlichen Einwohner dieser
Städte aufs beste versichert worden, dergleichen majestätische
Worte höher und kräftiger zu ästimiren, als viele Begimenter
der tapfersten Völker, die nach unserer kümmerlichen Nahrung
trachtenden Feinde mächtigst zu zerschmettern.
7. Haben diese höchstbetrübten Städte in der Sache des
Pellet vor kurzem eine freudige Decision erhalten, daß derselbe
das Bürgerrecht in der Stadt zu prosequiren oder den Handel
fahren zu lassen schuldig sein soll. Aus einer neu anwachsenden
Stadt aber würden diese drei devotesten Städte unzähligmal
mehr verlieren, als bisher gewonnen ist. Endlich befürchten
billig
8. die sämmtlichen Handwerker, da wegen der schon all-
hior vorhandenen großen Menge ihrer Mitmeister viele unter
ihnen verarmen, daß sie bei Einführung von noch mehr fremden
Leuten und Arbeitern in der vorhabenden neuen Stadt vollends
ruinirt werden möchten. Deswegen suchen aus den oben an-
geführten Ursachen unter dem Schatten des kühlenden und er-
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Von Georg Conrad.
25
quiekenden majestätischen Erbarmungstlirones Ew. Königl. Ma-
jestät, unsers mehr als königlichon souverainen Landesvaters und
Herrn, wir trostlose, bis auf das Mark gerührte Unterthanen
höchstnöthige Ruhe und sehnliche Erfrischung wider die un-
erträgliche Hitze unserer Anfechter, damit nicht die meisten
schon in bedrücktem Zustande sich befindenden Einwohner
dieser Städte bei gesundem Leibe, aber inangelnder Nahrung
und Beschirmung gleich einem Schemen verzehrt und verheert,
vielmehr aber des Gegentheils etwa einseitig erhaltene conces-
siones, quia privilegia per fraudem data nullius sunt momenti
1. 2 Cod. d. s. trin. einmal für alle mal cassirt werden mögen.
"Wogegen wir mit größerer Inbrünstigkeit, so oft uns die Burg-
freiheit in den Sinn kommen wird, herzliche Dankopfer mit
angehängtem eifrigsten Wunsch für Ew. Königliche Majestät
immerwährenden Flor zu Gott dem Höchsten zu schickeu ver-
sprechen, nebst demüthiger Zurückkehrung des Inschlusses er-
sterbende
Ew. Königlichen Majestät
unsers allergnädigsten souverainen Königs
Königsberg,
den 28. April 1701.
allerunterthänigst treugehorsamste Bürgermeister, Räthe,
Gerichte, Zünfte und Gemeinde dreier Städte Königs-
berg.
Ein neues Rescript des Königs an die Preußische Re-
gierung d. d. Schönhausen den 30. April 1701 bewies aber, welches
Interesse der König an dem Zustandekommen des neuen Pro-
jectes nahm. Es behalte, hieÜ es in dem Rescript, bei der
vorigen Verfügung sein Bewenden; da er jedoch dieses Werk
gern vollständig zu Stande gebracht sehen wolle, so befehle er,
zu berichten, wie die neue Stadt eingerichtet werden solle, in
sjiccic. was wegen Besetzung des Magistrats anzuordnen sei,
welchen er aus beiderlei Evangelischen, Reformirten und Lu-
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26 Ueber ein Project zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg otc.
therischen bestellt wissen wolle852) Endlich sollte die neue Stadt,
wie schon vorordnet, vom Oberburggräf liehen Amte dependiren.
Die 3 Städte meinten nun das Gewicht ihrer schriftlichen Er-
innerungen noch durch Absendung einer Deputation verstärken
zu müssen, welche durch persönliche Vorstellungen auf die Ent-
schlüsse des Königs wirken sollte. Demgemäß war schon am
2. Mai 1701 ein Bittgesuch der Bürgermeister und Räthe der
3 Städte Königsberg um Zulassung einer Deputation an den
König abgesetzt, welches einem Schreiben an den damals all-
mächtigen Oborkammerherrn Grafen von Wartenberg in Berlin
beigefügt wurde. Gleichzeitig wurden auch der Oberhofmar-
schall von Dohna und der Geheime Rath von Ilgen ersucht, der
Sache der 3 Städte Königsberg förderlich zu sein.
Der Graf von "Wartenberg antwortete den 3 Städten schon
am 10. Mai, daß er ihre Supplik an den König dem maitre
des requetes von Wedel übergeben habe, und daß die königliche
Entscheidung demnächst erfolgen werde.
Am 15. Juni befahl der König der Preußischen Regierung
von Cölln aus, da er gern sehe, daß seine Intention wegen Er-
richtung einer vierten Stadt Königsberg je eher je lieber zum
Effect komme, die anbefohlenen Expeditionen entwerfen zu
lassen und einzuschicken.
Am 27. Juni berichtete die Regierung an den König, sie
hätte schon längst ihr Gutachten abgesandt; es wäre ihr aber
nicht möglich gewesen, das Archiv gründlich zu benutzen, da
der Archivarius desselben mit königlicher Erlaubniß nach Berlin
gereist und jetzt auf der Rückfahrt begriffen sei. Ueber diesen
Bericht war der König sehr ungehalten, er schalt in dem Re-
script d. d. Oranienburg den 8. Juli 1701 über die schlechte
Archivverwaltung, es seien doch mehrere Archivbeamte ange-
stellt; er verlange eine Besserung hierin. Die Einrichtung der
neuen Stadt solle aber gefördert, und dies denon mitgetheilt
werden, welche sich in der neuen Stadt niederlassen wollten.
32) Dies war eine Neuerung. Erst unter Friedrich "Wilhelm 1. wurden
dio Rcformirten zu den Stadtämtern zugelassen.
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Yon Georg Conrad.
27
Doch eine Entscheidung auf die Bittgesuche der 3 Städte
Königsberg ließ noch immer auf sich warten. In Folge dessen
wandten sich die drei Städte Königsborg unter dem 15. Juli mit
einem Schreiben an den Grafen von Wartenberg und mit einem
gleichen an den Geheimen Rath von Ilgen; sie hätten bis zur Stunde
nicht allein keinen tröstlichen Bescheid, sondern es sei auch
noch dazu vor wenigen "Wochen die Rede gegangen, daß die
Kriegskammer beordert sei, zu berichten, wie auf der Burg-
freiheit die märkische Accise eingeführt werden könnte. Da
unstrittig die sämmtlichen Freiheiten nebst der Königlichen
Burgfreiheit bei allen Willigungen der Landtage seit undenk-
licher Zeit zu den 3 Städten Königsberg gehört haben und
wirklich schon in dem jetzigen Jahresquantum der 30000 Thal er
stecken, demgemäß auch in dem District allein keine besondere
Accise erhoben worden könne, weil dadurch eine doppolte Last
auf die verarmten Städte zurückfallen möchte, so seien sie um
so mehr in ihren Privilegien zu schützen. Auch mit Rücksicht
auf die gemäß dem Königlichen Landtagsabschiede vom 27. Fe-
bruar 1701 ausgeschriebene Kronsteuer, bei welcher die Städte
Königsberg bei ihrer notorischen Possession ratione decimae
gelassen sind, obwohl die Regierung einen höheren Beitrag ver-
langte, hätten die Städte alle Ursache zu präcaviren, daß nicht
auf einseitiges Petitioniren etwas Präjudi ehrliches wider das
offenbare Recht der Städte verordnet werde. Auch den Hof-
rath Hamrath33), der soeben durch die Gnade des Königs De-
cernent in den Preußischen Sachen geworden war, suchten die
3 Städte in ihr Interesse dadurch zu ziehen, daß sie sein Wohl-
wollen durch ein Schreiben oaptirten, dem sie „ein Weniges
ad rationemu ihrer „künfftigen Erkcndligkeit" beifügten (ver-
muthlich 200 Dukaten).
Darauf gab derselbe den 3 Städten folgende ebenso feine,
wie eines Preußischen Beamten würdige Antwort, die es wohl
38) Er selbst schreibt: Hamraht.
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28 Ueber ein Projeet zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg etc.
verdient, in der Orthographie des uns glücklicherweise erhaltenen
Originals hierher gesetzt zu werden:
Wollgebohrner, Hochedle Veste und Hochgelahrte!
Meine Inbesonders Hochgeehrte Herren!
Deroselben geehrtes Habe woll erhalten und Gleichwie
Meinen Hochgeehrten Herren ich zum Höchsten obligiret bin
für die gütige gratulation, so Dieselbewegen der von Sr. Königl.
Maj. Mir allergnädigst conferirten expodition des Königreichs
Preußen mir zu machen belieben wollen, Also wird Mir auch
allemahl eine sonderbahre Freude und Vergnügen seyn, wan
ich Dadurch Gelegenheit überkommen möchte, Denenselben an-
genehme gefällige Dienste erweisen zu können etc. Was aber
Die aufirichtung der Dortigen Neuen Friderichs-Stadt anbelanget,
So Bestehen Sr. Königl. Maj. Unser allergnädigster Herr dar-
auf? dergestallt, daß nicht zu glauben, daß Sie Ihre aller-
gnädigste Willens-Meinung darunter ändern werden. Im übrigen
bin ich M. hochgeehrten Herren für Das Mir übersande praesent
zum Höchsten verbunden, wie ich aber dergleichen Von Nie-
manden nehme, So werden Dieselbe Hoffentlich nicht übell Deuten,
daß ich die Freyheit gebrauche, selbiges Hierbeygehend zurück
zu senden mit der auffrichtigen Versicherung, Daß ich ohnedem
Jedesmahl seyn werde
Meiner Hochgeehrtesten Herren
Dienstwilliger Diener
Berlin, den 27. Juli 1701. Hamraht.
Adresse :
Denen Wollgebohrnem Hochedlen Veston und Hochgelahrten,
Wollverordneten Herren Burgemeistern und Rähten der Dreyen
Königl. Städte Königsberg, Meinen Insonders Hochgeehrten
Herrn Königsberg.
Am 22. August 1701 schickte die Regierung endlich ihren
Bericht dem Könige ein. Sie legte demselben eine Abschrift
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Von Georg Conrad.
29
der Fundationsprivilegien der Altstadt und Kneiphofs, sowie eine
uns noch erhaltene Consignation der auf der Burgfreiheit befind-
lichen Gründe nebst ihren Eigenthümern, Miethern und An-
gabe der Professionen der Einwohner bei; letztere war auf Be-
fehl des Oberburggrafen von Rauschko durch die Gemeinältosten
daselbst im Juni und Juli 1701 aufgestellt worden. Diese Con-
signation ergebe, so lautete der Bericht der Regierung, was
etwa für Häuser verblieben, wenn die Königlichen Gründe und
adligen Höfe und Häuser abgezogen würden, und daß jeno
Häuser meistens von Handwerkern, Hökern und dergleichen
Leuten bewohnt würden. Aus den Privilegien geruhe der König
zu bemerken, daß die Fundationen der andern Städte eigent-
lich und principaliter auf die Stiftung der Magisträte, als Bürger-
meister, Käthe und Gerichte cum plonaria iurisdictione und dann
auf das freie Commercium eingerichtet seien.
Bezüglich der Magistrate sei nichts zu erinnern. Bezüg-
lich des Commerciums würde es auf das Befinden des Königs
ankommen, ob ein Unterschied zwischen Groß- und Kleinbürgern,
wie in den andern Städten, zu machen und ob nur jenen das
Recht des freien Handels zu verstatten sei; das Bürgerrecht
würde bei der Kammer gewonnen und das Quantum dafür nach
Verhältniß des Vermögens eines jeden eingerichtet werden
müssen. Die Zahl der Brauhäuser würde wohl nothwendig auf
sechs zu beschränken sein, weil auch bei den andern Städten
eine gewisse Anzahl von Brauhäusern nicht überschritten werden
dürfe.
Nach Abgang dieses Gutachtens der Regierung traf das
von den 3 Städten so sehr ersehnte Königliche Rescript ein.
Es war unter dem 19. August 1701 von Potsdam aus an
die Preußische Regierung in einem den 3 Städten günstigen
Sinne ergangen.
Der König versicherte in demselben, es sei nie seine In-
tention gewesen, den 3 Städten Königsberg Abbruch zu thun,
vielmehr habe er ihr Aufblühen durch Vermehrung der Ein-
wohner siehern und befördern wollen, deswegen habe er in Gnaden
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30 I'eber ein Projcct zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg etc.
resolvirt, den Städten Königsberg zu erlauben, einige Deputirte
nach seinem Hoflager zu schicken, durch welche sie ihre Ein-
wendungen gegen die Anlegung der neuen Friedrichsstadt dar-
legen könnten; darauf würde er sich je nach Befinden erklären.
Gleichzeitig ertheilte er der Preußischen Regierung den Auf-
trag, dies den 3 Städten bekannt zu machen, damit sie die Ab-
ordnung der Deputirten beschleunigen könnten; inzwischen sei
mit der Einrichtung der Friedrichsstadt bis zu fernerer Ver-
ordnung einzuhalten.
Die Oberräthe erledigten den erhaltenen hohen Auftrag
am 7. September.
So sehr die Städte über diese günstige "Wendung der Sache
erfreut waren, so wenig wollte es ihnen gelingen, über eine
neue Verlegenheit hinwegzukommen. Zunächst waren Persön-
lichkeiten, die sich als Deputirte nach Berlin begeben wollten,
nicht vorhanden. In einer der 3 Städte war so eben der Bürger-
meister verstorben, in den beiden andern waren die Bürger-
meister theils ihrer Kränklichkeit, theils ihres hohen Alters
wegen nicht geneigt, sich den Strapazen einer Herbstreise nach
dem Hoflager des Königs auszusetzen, andere an sich geeignete
Personen leimten die an sie ergangene Aufforderung ab, theils
aus Gesundheitsrücksichten, theils mit Rücksicht auf ihr Amt
oder ihr Geschäft, theils mit Rücksicht auf die gefahrdrohende
Lage der augenblicklichen politischen Situation; denn Karl XH.
hatte sich eben mit seinen Truppen den Grenzen des König-
reichs in einer "Weise genähert, die das Schlimmste befürchten
ließ, so daß Niemand Weib und Kind und seine Habseligkeiten
zurücklassen mochte. Sodann befanden sieh die Kämmereien
der Städte in einem so traurigen Zustande, daß sie außer
Stande waren, die zur Bestreitung der Kosten der Deputation
erfordorlichen Geldmittel aufzubringen.
Demgemäß kamen die 3 Städte darin überein , dem
Könige für die Präliminarresolution vom 19. August zu danken
und ihn zu bitten, unter Berücksichtigung ihrer mißlichen Lage
von der Entsendung einer Deputation abzusehen und sich an
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Von Georg Conrad.
31
die schriftlichen Ausführungen zu halten. Eine Petition dieses
Inhalts übergaben sie ain 19. September 1701 der Preußischen
Regierung, die sie dem Könige übermittelte.
Um ihrer Bitte noch mehr Nachdruck zu verschaffen,
wandten sie sich unter dem 23. September wieder an den Ober-
kammerherrn Grafen von Wartenberg, der bisher alle in dieser
Angelegenheit ergangenen königlichen Verordnungen mit Aus-
nahme derjenigen vom 30. April gegengezeichnet hatte, und an
den Geheimen Rath von Ilgen mit der Bitte, ihre Petition beim
Könige zu befürworten. Zu gleicher Zeit sollte auch ein von
dem damaligen Secretarius der Altstadt, dem bekannten Hein-
rich Bartsch verfaßtes und schon expedirtes Schreiben an den
Hofrath Hararath abgehen, in welchem derselbe gebeten wurde,
das neue Gesuch der 3 Städte zu befürworten, und angefragt
wurde, ob er es übernehmen wolle, im Namen der 3 Städte
Königsberg dem Grafen von Wartenberg 200 Ducaten zu offeriren.
Dieser letzte Passus, dessen Unschicklichkeit man wohl
nachträglich bei Berücksichtigung des Vorhergegangenen her-
ausfühlte, wurde gestrichen und eine neue Expedition desselben
Schreibens unter dem 4. Oktober an Hamrath abgesandt. Der
König resolvirte nun d. d. Potsdam, den 18. Oktober 1701 an
die Regierung, daß er auf der Entsendung der Deputation be-
stehen müsse, daß aber der Kostenersparniß halber wohl nur
eine Person gebraucht werden dürfe.
Unter dem 24. Oktober setzte die Regierung die 3 Städte
von dieser Resolution des Königs in Kenntniß.
Diese beschlossen in einem erneuten Gesuche den König
zu bitten, sie mit Rücksicht auf ihre mißliche Lage auch von
der Absendung des einen Deputirten zu entbinden.
Das Gesuch derselben an den König wurde einer noch-
maligen schriftlichen Vorstellung beim Grafen von Wartenberg
beigefügt, die am 15. November gleichzeitig mit einem Schreiben
an den Baron v. Fuchs und den Hofrath Hamrath abging.
Am 22. November antwortete der Graf von Wartenberg
den drei Städten Königsberg:
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32 U'iber ein Project zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg otr.
Hoch- und Woledle, Grossacbtbahre, Hoch- und Wol-
weiso, besonders Hoch- und Vielgeebrto Herren!
Das von Denenselbcn mir jüngsthin unterm 15t,M1 dieses
adressirto Supplicatum an Sr. Königliche Ma37estät, worinnen
Sie noch mahlen umb Nachlaßung der verlangten Deputation
allerunterthänigst bitten, habe icli denen Herren Geheimbten
Rathen bestens recommendiem laßen, umb es in favorablen ter-
minis vorzutragen, und wird hofl entlich die allergnädigste re-
solution darauf nechster Tagen erfolgen. Ich wünsche, daü
so wol selbige, alß Meiner Hoch- und vielgeehrten Herren übrige
Unternehmungen Zum aufnehmen und Besten der löblichen
Dreyen Städte ausschlagen mögen, worzu ich gern meines ortes
jeder Zeit beytragen wil, wie ich dann auch en particulier bin
Meiner Hoch- und Vielgeehrten Herren
Dienst und freundwilliger
Gr. v. Wartenberg.
Berlin, den 22. November 1701.
Mit diesem Schriftstück hören die Quellen plötzlich auf.
Der Ausgang der Sache ist leicht anzugeben: das vom
-
Könige mit allmälig wachsendem Interesse verfolgte Projekt ist
Projekt geblieben.
"Warum? Das ist schwer zu sagen. Doch läßt sich die
Vermuthung nicht von der Hand weisen, daß der Graf von
Wartenberg, in Folge des von den drei Städten erhaltenen
Geldgeschenkes die Anlegung der Friedrichsstadt hintertrieben
habe. Das war ihm um so leichter, als er sich beim Könige eines
bedeutenden Ansehens erfreute.
Zwar ist die Thatsache, daß er jene 200 Dukaten wirklich
erhalten habe, nicht direkt zu erweisen, allein wer den Charakter
von Wartenbergs kennt, wer die erhaltene Correspondenz ob-
jectiv prüft und namentlich den letzten äußerst zuvorkommenden
Brief desselben mit dem früheren mehr geschäftsmäßigen Briefe
vergleicht, wird der von uns aufgestellten Vermuthung bei-
stimmen.
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Von Georg Conrad.
Als eine "Widerlegung dieser Vermuthung kann es nicht
angesehen werden, daß die Kämmereirechnung der Stadt Kneip-
hof vom Jahre 1701 — die von der Altstadt und vom Löbenicht
war nicht aufzufinden — unter „Ausgabe" keinen Beitrag zu
jenem Präsent an den mächtigen Minister enthält. Denn jene
200 Dukaten waren offenbar privatim durch die einzelnen Raths-
glieder der 3 Städte aufgebracht. Dies war um so nothwendiger,
als die Kämmereien von Altstadt und Kneiphof — Löbenicht
besaß einiges Capital — derart verschuldet waren, daß sie
solche außergewöhnliche Ausgaben nicht ertragen konnten. Zu-
dem würde eine derartige Ausgabe f\; ta 5tovra1 die Solvenz
der städtischen Kämmereien vorausgesetzt, in einer Rechnung,
die hinterher von der Preußischen Regierung revidirt wurde,
nicht erkennbar gemacht worden sein.
Für die Geschichte von Königsberg haben wir nunmehr
die unsers "Wissens in der Litteratur nicht behandelte Thatsache
zu registriren, daß der von den Einwohnern der Burgfreiheit
beabsichtigte anfänglich erfolgreiche Versuch, Friedrich I. zur
Anlegung einer vierten Stadt Königsberg, der Friedrichsstadt,
auf dem Territorium der Königlichen Burgfreiheit zu veran-
lassen, an dem "Widerspruche der drei Städte Königsberg und
vermuthlich in Folge einer pflichtwidrigen Einwirkung des
Grafen von Wartenberg auf die Entschlüsse des dem Projekte
wohlgeneigten Königs scheiterte.
Die Folgezeit war nicht dazu geeignet, derartige Projekte
zur Ausführung zu bringen. Dire Tendenz ging vielmehr dahin,
die nebeneinander bestehenden Städte im Interesse einer ein-
heitlichen und sparsamen Verwaltung und der Vereinfachung
der Rechtspflege zu vereinigen.
Diese Vereinigung erfolgte für die drei Städte Königsberg,
deien Vorstädte und die Königlichen Freiheiten durch das
Rathhäusliche Reglement der drei Städte Königsberg vom
13. Juni 1724.
Altpr. MoufttMcbrift Bd. XXIH. Hft. 1 u. 2. 3
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Über das litauische haus.
Ein versuch
von
A. Hezzenberger.
(Mit 21 Zeichnungen.)
Ältere nachrichten über diesen gegenständ verdanken wir
Mathias von Miechow (ca. 1500) bei Pistorius Polonicae historiae
corpus I, 8. 143 = II, s. 194; Sigismund von Herberstein (1549)
ebenda I, s. 156; Alexander Guagninus (ca. 1580) ebenda I, s. 45
(der an dieser stelle fast wörtlich mit Herberstein übereinstimmt
und hier entweder diesen oder dessen quelle abgeschrieben hat);
Jan Lasiczki (ca. 1580) De diis Samagitarum (Basileae 1615)
s. 45; Georg Bruin (al. Braun) Civitates orbis terrarum, III
(Cöln 1593), s. 59 ; Caspar Hennenberger Erclerung der preüßischen
größern landtaffel (Königsberg 1595) s. 161; Erhard "Wagner
Vita et mores Lithuanorum (1621), Acta borussica I, s. 146;
Matthaeus Praetorius Preußische Schaubühne (ca. 1680) s. 106 ff.
des Piersonschen auszugs; Theodor Lepner Der preusche Littauer
(Danzig 1744) s. 70 ff.1) Die letzten, welche sich auf die gegend
um Budwethen beziehen, mögen den ausgangspunkt der folgenden
erörtern ng bilden. Lepner sagt:
„Die Littauer dieses ortes haben niedrige schmale häuser,
welche sie selbst aus runden holz bauen darin haben sie ein
1) Der Vollständigkeit halber erwähne ich auch die auf die Sudauer
bezügliche angäbe des Erasmus Stella bei Pistorius a. a. o. I, s. 11:
„Domo« in villarum modum extructas inhabitavere vicosque ac sine muro et
vallo omnia, quod forte ab externis, ipsos coinmercii gratia adeuntibus
didicere: aliquin alienum a Sarniatis". Nach ihrem Wortlaut sehe ich von
dieser stelle im folgenden aber ab.
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Über das litauische haus. Von A. BezzenWger. 35
paar kleine fenster, gar selten findet man einen schorstein
drinnen. Der ofen ist von hohlen schlechten ungegläseten
kacheln, bei einigen wenigen wohlhabenden siehet man auch
geglasete grüne kachel-öfen. Inwendig haben sie gemeiniglich
kleine von leim und holz zusammen geklebete kacheln, darin
ihnen des abends das schorstein- feuer leuchten muss. Einige
haben ein rundes von leim und holz fest zusammen gekleibtes
wesen, welches sie szibintas, eine leuchte, nennen .... unten
ist es breit und rund, mitten drin hänget ein eisen gleich einer
rost, darauf der kien oder klein gehauenes holz brennet und
ihnen licht im finsteren gibet; es gehet etwas zugespitzt durch
die bretter und das estreich auf die lucht, dahin sich der rauch
ziehet, welchen sie gar wohl vertragen können Im hause ist
ein heerd gar platt auf der erden. Ihre kammern haben sie gar selten
bei den stuben, oder in den Wohnhäusern, sondern absonderlich,
sie werden klete genannt, in etlichen von diesen schlafen sie,
in etlichen halten sie ihr getreidigt .... Auch halten sie
rauch-häuser, welche sie namas heißen, das andre Wohnhaus
heißet nur stubba vom Deutschen, die stube, in welchem sie
nur des winters wohnen. In solchen rauch-hause halten sie
allezeit feuer, um welches sie sitzen, sich wärmen, und die
kleider, wenn sie vom schlagg und regen nass sein, trockenen.
Des sommers essen sie auch darin und trocknen das fleisch gar
wohl darin. Noch haben sie ein absonderliches gebäudchen zur
mahl-kammer (maltuwe), darinnen sie eine oder mehr hand-
mühlen (querlen) halten. Ihr getreidigt dreschen sie in den
zangen, darin ist ihr badstube Daneben haben sie
noch eine schenn .... Einige, insonderheit die bei der wildniß
wohnende, haben wohl acht und mehr solcher gebäude "
Zu Lepners zeit und in seiner gegend hatten die Litauer
also zwei Wohnhäuser, 1) die stubba, „in welcher sie nur des
winters wohnen", und welche im allgemeinen nur aus der mit
einem flachen herd versehenen flur2) und gewiß nur einem
2> In den Worten „im hause ist ein heerd gar platt auf der erdenu
3*
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36
Über das litauische Haus.
zimraer bestand, und 2) den namas, der mehr ein Sommerhaus
war und nur aus einem räum bestanden zu haben scheint. Die
schlafräume (klete) und die wirtschaftsräume waren von diesen
gebäuden getrennt 8).
Ein hiervon etwas verschiedenes bild bietet die erwähnte
mitteilung des Praetorius, welche so lautet: „Man sieht noch
bei den Nadrauern, daß sie vielerhand gebäude aufrichten. So
bauen sie ein haus, das sie des sommers für sich und den gast
halten; ein apartes haus für ihre kinder, gesinde und junges
vieh, welches man das rauchhaus4) nennt, worin kein ofen, in
dessen mitte aber ein etwas erhöhter estrich geschlagen, feuer
darauf zu halten, insgemein mit tannen- oder linden -borke
bedeckt. Sie bauen aparte kammern vom wohnhaus abgesondert,
die teils zu getreide, teils zu speiswaaren, teils zu Verwahrung
ihrer haussachen, bette, kleider p. p. emploirt werden. Selbige
werden kleten genennet 6). Sie haben ihre maltuwen, das sind
aparte mahlhäuser, worin sie mahlen und brot backen. Ausser
vielerhand ställen, scheunen p. p. haben sie auchjaugien, worin
sie das auszudreschende korn vermittelst einer gewissen kammer,
darin ein von feldsteinen gemachter ofen eingeheizt wird, dörren
und ausdreschen Ihre badstuben stehen auch apart,
die einfältig genug, doch dicht, mit einem vorschauer pflegen
kann „haus" nur als „hansflur" aufgefaßt werden. Vgl. „drauf steigen sie
ab, treten ein .... aus dem hause treten sie in die stube" Praetorius
a. a. o. s. 74, „an einer Stange, welche an der decke oder dem balken der
stube oder des hauses festgemacht ist" das. s. 114 und Frischbier Preußisches
Wörterbuch I. 276, Grimm D. Wörterbuch IV. 2. 644.
3) Ich hebe beiläufig hervor, daß die dreiheit stubba — namas —
klete genau der skandinavischen st ofa — eldhns — bür entspricht;
vgl. hüs eru thrjü i hvers manns hibylum .... eitt er stofa, annat eldhns,
thridhja bür, Gragas I. 459.
4) Vgl.: „Der alten n omados wohl eigentlich namaites d. i. auf
preußisch die in den rauchhäusern wohnenden" Praetorius das. s. 6, „er opfert
ihm einen hahn und henne in der namus d. i. rauchhaus, ein offen haus
ohne ofen, worin sie allezeit feuer halten" das. s. 66.
5) In der klete hält nach Praetorius das junge ehepaar da* beilager,
a. a. o. s. 84 f.
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Von A. Bezzenberger.
37
gemacht zu werden Andere gebäude, als brachstuben,
darrhäuser p. p. übergehen wir, gewiß ist, daß man bei manchem
wohlhabenden Nadraver über 20 aparte gebäude in seinem ge-
böft finden wird. - Bei diesen gebäuden, sonderlich in Zala-
vonien und an den gränzen an Zamaiten, ist zu merken, daß
sie oft in ihren stuben keine ofen haben, sondern machen mitten
in der stube feuer, über welchem feuer- ort in der decke ein
loch, so mit ton umfangen, in gestalt einer glocke, durch welches
loch der rauch sich aus der stube ziehet. Die Wohnhäuser
pflegen auch so gebaut zu werden, daß durch die tür der wind
auf dem feuerheerde, der insgemein bloß und gleich der erde
aufm flor ist, das feuer nicht fassen oder aufwehen kann".
Da die Wohnhäuser, von welchen am ende dieses leider
etwas unklaren abschnittes die rede ist, doch nicht mit den
häusern, die „sie des sommers für sich und den gast halten",
identificiert werden können, so müssen die leute, deren woh-
nungsverhältnisse Praetorius hier schildert, mindestens drei zum
wohnen dienende häuser gehabt haben: 1) das eigentliche Wohn-
haus 2) ein Sommerhaus 3) das rauchhaus. Daß dieser luxus
am ende des XVII jahrhunderts um Niebudschen — dort hat
Praetorius die „Nadrauer" beobachtet — allgemein war, bezweifle
ich; ich lasse diesen punkt indessen bei seite. Es genügt mir
constatiert zu haben, daß die litauischen wirte — nur an solche
darf man hier natürlich denken8) — auch in jener gegend und
zu jener zeit der regel nach mehr als ein wohnhaus hatten, und
daß ein solches das „rauchhaus", der namas war.
Das wohnen einer familie in mehr als einem hause kann
unmöglich ursprünglich sein ; selbst wenn die historischen quellen
darüber schwiegen, würden wir doch mit bestimmtheit annehmen
müssen, dass die litauischen familien in einer zeit, welche Prae-
torius und Lepner vorangegangen ist, sich je mit einem wohn-
hause begnügten. Diese annähme wird aber durch Mathias von
Miechow, Herberstein, Lasiczki, Bruin, Hennenberger und
6) VgL auch „chaluppa baur-hütte vel kato-4 Praetorius a. a. o. s. 136.
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38
Über das litauische haus.
"Wagner vollauf bestätigt. Ich setze ihre mitteilungen der reihe
nach hierher, indem ich einleitend bemerke, daß sich die der
drei erst genannten auf tfemaiten, die Bruins auf Wilna, die
Hennenbergers auf das Insterburgische amt und diejenigen
"Wagners auf die Insterburger und Ragniter gegend beziehen.
„Nullus illic stubarum, nullus aedificiorum nobilium, sed
tantummodo tugurii unius7) usus, ventrem distensum et porrectum,
extrema vero habens coartata. Ex ligno et culmo structura,
largius ab imo sensim operis incremento aedificium in arctius
cogitur, in carinae, seu galeae maximae similitudinem elaborata.
In cacumine fenestra una superne lumen reddens, subter quam
focus et cibos parabiles coquens et frigus, quo regio pro majori
anni parte constricta est, repellens; in ea domo se, uxores, pig-
nora, servos, ancillas8), pecus, armentum, frumentum et omnem
supellectilem condunt (Mathias von Miechow). — „In humilibus
casis, iisque oblongioribus vitam ducunt, in quibus ignis in medio
conservatur; ad quem cum paterfamilias sedet, jumenta totam-
que domus suae supellectilem cernit. Solent enim sub eodem,
quo ipsi habitant, tecto, sine ullo interstitio pecora habere"
(Herberstein). — „Mapalia, quae turres appellant °), sursum angusta,
atque qua fumus et foetor exeat, aperta, ex tignis, asseribus,
stramine, corticibus faciunt. In his homines cum omni peculio,
in pavimento tabulato stante, hahitant. Ita paterfamilias
omnia sua in conspectu habet, et feram noxiam et frigus a pecore
arcet, ad ostium cubat, deastro foci custodia commissa, ne vel
ignis damnum domicilio det, vel prunae nocte extinguantur. übi
7) Dies wort steht nur an der ersten der beiden betr. stellen. Es
kommt darauf aber nichts an.
8) Dies zusammen-wohnen der Litauer erwähnt auch noch Brand
Reysen durch die marck Brandenburg u. s. w. (Wesel 1702) s. 92: „weilen
sio alle in einer Stuben bei einander liegen" „und wohnen ofter-
malen in einem kleinen haus vater, grofivater, großmuttor, kinder und
so weiter bei einander". Es ist zu bedauern, daß er sich nicht ausführlicher
und bestimmter über die litauischen Wohnungen, welche er gesehen, aus-
gesprochen hat.
9) Vgl. Lasiczki, das. s. 49: „Numeias vocant domesticus".
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Von A. Bezzenberger.
39
crebro accidit, ut vel sus vel canis ex olla in foco stante carnes
auferat, aut rostrum, aqua fervente, laedat. Qui in pagis degunt,
ii caulas separatas ab aestuariis habent" (Lasiczki). — „Domus
in Universum sunt ligneae, depressae ac humiles, nec cubilibus,
nec coquinis, imo nec stabulis, licet jumenta et bestias complures
alant, distinctae uno et perpetuo quodam suburbio
septa et circumvallata Vilna conspicitur, ubi infinitus aedicularum
numerus, nullo delectu, nullo platearum ordine, sed pro agresti
barbarorum voluntate, prout sor9 et occasio tulit, quasi consitus
videtur. Alibi namque casas hasce suas, ex pinorum aliquot
trabibus, rudi structura compactas, huc deferunt et quo libuerit
indiscriminatim collocant in domibus suis, perpetuo fumo
oppletis (non enim ulla fumibula habent) Videas pa-
rentes cum liberis, jumentis ac bestiis ad focum eodem in hypo-
causto foetido agere, ubi et hospitis conjunx puerpera duro in-
cumbat scamno " (Bruin)10). — „Auch ist sich dies an
ihnen zu verwundern, daß ihr so viel in einem gehöfte bei-
sammen, sich so friedlich können verhalten, wohl in die 20, 30
oder 40 auch wohl mehr personen, eines geschlechts, essen alle
gleich einerlei kost Das haus, darinnen sie alle essen,
heißt das schwarzhaus, und ist in der Wahrheit vom rauch und
ruß schwarz genug. Darneben hat ein jeglich paar ehegatten
ein sonderlich häuslein, das heißt man ein kleidt11), ist von
10) Das „Dictionarium trium linguarum" des jesuiten Konstantin
Szyrwid, welcher in Wilna lebte (gest. 1631) scheint dieser Schilderung zu
widersprechen, denn in ihm finden sich die ausdrücke kizie „hätte*', kletis
und kletete, namas (s. u.), namay „haus", pirkia „backhau»", pirtis
„badastube", kluonas „Scheune", troba kuriama „stube", wirtuwe
„küche", kamara „kammer", gulta und karaara gulima .^chlafstube",
platt troba „saal", priesenis „flur", pagrabas „keller" u. a. Aber
gerade diese fülle von ausdrücken hebt jenen Widerspruch: Szyrwid hatte
die Wohnungen vornehmer leute (didzianame) im auge, Bruin schildert die
des Volkes. Man beachte übrigens, dafi kizie, kletis, kamara und
priesenis fremdwörterj sind, troba kuriama, wirtuwe and plati troba
gemacht aussehen, kluonas eigentlich nur eine „tenne" ist, und daß
Szyrwida Übersetzung von poköj „zimmer" durch gi wen imas „wohnung"
bata Aufenthalt" (?) primitive Wohnungsverhältnisse voraussetzt.
11) Verhochdeutsch ung von klete.
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40
Über das litauische haus.
rundem holz gesatzt, unten hats wie ein niedriges kellerlein,
oben darauf wie ein kamraer ohne fenster, nur eine tür . . .
dorinnen haben sie ihre kleiderchen und was sie sonder-
liches haben. Derselbigen häuserchen sein so viel, als paar Volkes
im gehöfte sein. Sonsten haben sie auch viel kleiner häuserchen,
denn zu einer jeglichen arbeit haben sie ein sonderliches kleines
häuslein, als eins da man das korn innen treuget und trischet,
eines da man das getreid mahlet, eines darinnen man backet,
eins zu brauen, eines kleider zu waschen, eins zur badstuben etc.,
die alle sein mit brettern bedeckt. Haben keine Scheunen, son-
dern wie hohe ricke, da legen sie die aher ende einwärts, und
also auf einander, fragen nichts darnach, ob schon die stopfel
verfaulen, denn kein dach darauf ist" (Hennenberger). — „Exci-
tant autem illi domos suas terete saltem ligno, sibi pecorique
communes, illasque stramento operiunt, fumo nullus nisi per
fores datur exitus, cui longo uau ita assueti, ut illum ne quidem
sentiunt" (Wagner) 12).
12) Beachtenswert ist auch eine stelle der „Instruction der kauffschultzen
und willkühr des amptes Insterburg", Königsberg 1604. Hier heißt es unter
der Überschrift „Wie mit namus oder littawachen rochheusern zu halten":
.,Die littawschen rochhäuser, die sonsten namus genannt werden, sind fast
schädlich, erstlich wegen feuere gefahr, sintemal das viehe und leute fast
den winter über sich darinne uffhalten und durch Unachtsamkeit viel
Schadens erfolget. Fürs ander, werden solche gebaude zu decken viel borken
von dannen-bäumen gebraucht, dadurch dann groß und vieler schade dem
gehölz und wälden geschieht. Weil aber gedachte gebände bei den Littawen
schwerlich abzuschaffen sind, als soll der kaufschulz hinfüro keines wegs
gestatten, einig rochhaus oder namus mit borken zu decken, sonder mit
lehm oder schindel " Es ergibt sich hieraus, daß die Litauer mit
großer Zähigkeit an ihren „rauchhausern" hingen, und daß diese also
altüberliefert waren. — Ich hebe zugleich aus jenem werk auch folgendes
hervor: „Nachdeme auch bisbero und so viel jähr im amt großer schade
durch die jawygen, pirten, flachs- und hanfstuben, als auch darren erfolget,
also daß zum oftern große dörfer abgebrannt, die leute also liederlich in
arrnut gesetzt, und unsere gnedigste herrschaft ihres gebührenden zins und
pflicht uf vieles dero wegen entbehren muß, dem aber durch folgends mittel
mehrerteil6 gar wohl vorzukommen ist, nemblich: Soll der kaufschulz die
ernste Verschaffung tun, daß ihre jawygen, pyrten und dergleichen feuer-
gefährliche gebäude, wo immer müglich, nach der zeit, insonderheit die
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Von A. Bezzenberger.
41
Diese angaben geben (vgl. s. 53) kein allgemein zutreffendes
bild der litauischen wohnungs Verhältnisse ihrer zeit, aber das eine
geht aus ihnen in Verbindung mit der tatsache, daß namas
litauisch ist, stubba und klete aber entlehnt sind, doch mit
Sicherheit hervor, daß es ursprünglich nur ein litauisches wohnhaus
gab13). "Wenn wir nun an seiner stelle in einer späteren zeit
mehrere häuser finden, so erhebt sich die frage, wie sich dieso
zu jenem historisch verhalten, oder mit anderen Worten: ob das
alte litauische haus in einem und ev. in welchem der verschie-
denen häuser, von welchen uns berichtet wird, zu erkennen —
oder ob es völlig durch diese verdrängt ist, so, wie wohl hin
und wieder ein westfälisches bauernhaus durch eine fränkische
hofanlage ersetzt wird. Die beantwortung dieser frage ergibt
sich, wie ich glaube, aus folgendem : Das älteste litauische wort
für „haus" ist namas14), wie schon daraus hervorgeht, daß „zu
jawygeu, abgeschafft, oder do es so schleunig nicht geschehen könnte, daß
lennoeh die jawygen, pirten and brechstubeu ferne von anderen gebäuden
and insonderheit nahe bei wasser und nach dem Westwinde gesetzt und aus
den andern gebäuden aufgehaben werden. Wann aber, welches gott gnädiglich
verhüten wollte, ein ganz oder halb dort', oder des etwas, durch solcher
gehäude Verursachung oder anderswo herrührende abbrennen würde, alsdann
soll der kaufschulz darob sein und keineswegs gestatten, daß sie so enge
and nahe bei einander aufbauen, sondern nachdem ein jeder acker, vermöge
der instruetion, hat und haben muß, die hofstät bauen und richten : Hierüber
soll keinesweges einige jawyge jemands mehr daselbs zu bauen verstattet
werden, sondern die pirten oder badstuben, weil dieselben keineswegs von
denen leuten können en traten werden, mögen zugelassen sein, jedoch anders
nicht, daJ sie ferne von andern gebäuden, nach dem wind und beim wasser
abgesetzt oder gebauet werden. Ingleichem hat es mit den flachs- und
hanfbrachstuben, wie mit den darren eine meinung " — An noch
einer anderen stelle dieser instruetion wird verboten, mit offenem licht in
die „gehöffte und stelle" zu gehen.
13) Daß in ihm teilweise (vgl. Lasiczki und den Schluß der
anmerkung 12) auch das vieh hauste, läßt sich nach den obigen historischen
nachrichten nicht bezweifeln; aber selbstverständlich tat es dies im allge-
meinen nur im winter.
14) Man pflegt namas (lett. na'ms) gleich slav. domü, lat. domus,
gr. rföuo; zu setzen. Ich meinerseits vergleiche vermutungsweise skr. amä'
..daheim, zu hause, bei sich", amäjür „daheim alternd, ledig im vaterhause
bleibend", ama't „aus der nähe", amä'tya „hausgenos.se, eigener, ange-
böriger*' und avest. nmäna „haus, wohnung".
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42 Über das litauische haus.
hause" naml5 d. i. „in dem namas" und „nach hause" namo
d. i. „in den namas" heisst; das „rauchhaus" Praetorius', Lepners
und der „Instruction", worin „allezeit" ein schwelendes feuer
gehalten wurde, hiess namas15); die hauser, von welchen
Mathias von MiechoW, Herberstein, Lasiczki, ßruin, Hennen-
berger und "Wagner berichten, mit ihrem feuer in der mitte,
ohne genügende rauchabzüge, „perpetuo fumo oppletae" ent-
sprechen genau dem begriff, den jeder mit dem worte „rauch-
haus" verbinden wird. Nimmt man hierzu, wie schon bemerkt,
daß nämas eben ein litauisches wort ist, stuba und kletis
aber — die übrigen gebäudenamen kommen hier nicht in be-
tracht — entlehnt sind, so darf man wohl mit bestimmtheit
sagen, daß das älteste litauische haus, von dem wir wissen,
namas hiess und sich in dem „rauchhaus" erhalten hat. Das
oder die wohngebäude, welche Praetorius und Lepner neben
diesem sahen, waren zutaten einer späteren zeit, in welcher
auch die Litauer durch den verkehr mit fremden Völkern einen
gewissen comfort kennen und würdigen gelernt hatten; zutaten,
welche wohl die bestimmung, nicht aber den charakter des alt-
litauischen hauses, des namas, veränderten.
Durch das vorstehende sind, wenn ich mich nicht täusche,
feste anhaltspunkte für die beurteilung mindestens des heutigen
preussisch- litauischen Wohnhauses gewonnen, dessen nächste
grundlage ich in den von Praetorius und Lepner geschilderten
Wohnungsverhältnissen erkenne. Diese selbst sind aber ihrer
geschichtlichen entwicklung nach nicht ganz klar. Für aus-
gemacht darf wohl gelten, daß die litauische klete von Slaven,
vermutlich den Rußen, entnommen ist, aber woher kommt die
stuba? Dass dies wort im heutigen Bußischen und Polnischen
izba lautet, scheint ja bei oberflächlicher betrachtung den
deutschen Ursprung dieses raumes zu beweisen, aber die sache
bekommt doch ein anderes ansehen, wenn man beachtet: 1) daß
15) Die form namas des Praetorius und der „Instruction" verdient als
solche gar keine beachtung : das lehren ähnliche texte und Praetorius1 schrift
selbst zur genüge.
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Von A. Bezzenberger.
43
die preußischen Nordlitauer für stuba zum teil e stuba (aus
istuba) = lett istaba sagen; 2) daß der ruß. chronist Nestor
für izba istöba (genauer HCTbÖa) bietet; 3) daß der accent
von stuba nicht der des deutschen stube, sondern der des
ruß. izba istlc); 4) daß die Litauer deutsche stuben doch wohl
nur als bestandteile der Wohnhäuser, nicht aber als selbständige
gebäude kennen gelernt haben17); 5) daß ruß. izba „bauernhaus,
-hütte, -stube, gesindestube" bedeutet; 6) daß sich die Litauer in
älterer zeit äusserst exclusiv gegen die Deutschen verhielten:
„darumb sie" — sagt Praetorius a. a. o. s. 140 — „noch wo
immer möglich verhüten, daß sich in ein nadrawisch dorf ein
Deutscher nicht einnistele, denn sie bilden sich ein, daß alsbald
ihr ruin dadurch entstehe". Hiernach ist die Vermutung nicht
abzuweisen, daß die stuba gleicher herkunft mit der kletis ist18),
und daß ihre benennung nur dadurch einen mehr deutschen als
sla vischen anstrich bekommen hat, daß im anschluß an das
deutsche stube das i von istuba teilweise aufgegeben wurde.
Ich lasse diese Vermutung und damit zugleich die frage, woher
die stuba zu den Litauern gekommen sei, übrigens auf sich be-
ruhen, da sich jene ohne tieferes eingehen auf die ältere
litauische geschichte und die deutsche colonisation Litauens nicht
ganz sicher entscheiden läßt, und diese für meinen nächsten
zweck von untergeordneter bedeutung ist.
Über die anläge, den bau, das baumaterial der litauischen
häuser des 16. — 18. Jahrhunderts brauche ich angesichts der an-
16) Dieser grund ist hinfällig, wenn stuka „die stube" in Kurschats
Lit. -deutschem Wörterbuch sicher ist. Denn alsdann ist dies die litauische
Umwandlung des deutschen stock; vgl. Schiller-Lübben unter diesem Worte:
7) „von holz aufgeführtes ständerwerksgebäude (vgl. das hd. Stockwerk)".
Bis auf weiteres halte ich aber dies stuka, das ich nirgends gehört oder
gelesen und nach dem ich mich vergeblich erkundigt habe, nur für eine
verschreibuug von stuba, die neben diesem in dem an fehlem reichen
Wörterbuch Kurschats aufgenommen ist.
1?) Mit voller bestimmtheit läßt sich dies einstweilen nicht behaupten ;
vgl. Schmeller Bayerisches Wörterbuch8 II. 721.
18) Auch kamara „kammer" ist aus dem Slavischen, nicht dem
Deutschen entlehnt.
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44
Über das litauische haus.
geführten äusserungen Mathias von Miechow's, Herbersteins
u. s. w. nichts zu bemerken. Ich erlaube mir dagegen, so gut
ich es kann, hier noch das verhältniß des älteren litauischen
zum älteren lettischen hause festzustellen. Über das letztere —
oder genauer: über das kurländische bauernhaus — sagt Brand
Reysen durch die marck Brandenburg u. s. w. (Wesel 1702)
s. 69: „Sie wohnen in elenden und geringen häuserchen, worinnen
mehrmalen nur eine rauchstube und bisweilen ein beigelegenes
speicherchen ist, wo ihr liebes brot und schlechter trank ....
sammt sauer kraut und gurken verwahret wird; in der rauch-
Btuben haben sie einen von dicken kieselsteinen verfertigten
ofen, wie unsere backofen, welche sie mit schwarzen kohlen oder
andrem holz heftig einhitzen, nah bei welchem sie auch des
nachts alle unter einander, als vater, großvater, mutter, kinder
(dan es bei ihnen zu merken, daß sich bei dem vater die söhn
und enkel sämptlich pflegen aufzuhalten) vermischet schlafen,
auf der erden, auf etlichen untergelegten lumpen, wiewohl auch
etliche wenige bettstätte alda gefunden werden, welche sie doch
mehrenteils mit alten tüchern und untergeworfenem stroh be-
legen: das übrige ist vor ihr weniges viehchen, als ktihe und
dergleichen, von welcher milch sie ihre häufige kinder unter-
halten. Biese häuserchen seind alle von dickem fichtenholz,
welches sie auswendig meistenteils etwas gleich machen, inwendig
aber rund lassen, so artig zusammengeschurzet von ihnen selbsten,
daß kaum der wind dadurch einbrechen kann, fügen auch unter-
weilen von dem most der bäumen zwischen beiden; seind oben
mit stroh oder mit übergelegten flachen hölzern bedeckt, und
wird das stroh mit etlichen oben auf dem dach kreuzwegs über-
einander hinauf gestellten hölzern vor dem winde beschützet.
Zu dem haben sie auch absonderliche hart beigelegene kleine
ebenmässig gebaute scheunen, welche sie rygen nennen, wo-
rinnen sie ihr korn zu trucknen pflegen ul°) Ein er-
19) Fast ganz ebenso schildert Brand die livländischen bauernhäuser :
„Ihre häuserchen seind imgleichen von runden fichtenholzeren zusammen
geschurzet und bestehen nur aus einer rauchstuben und, wo einer etwas
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Von A. Bezzenberger.
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heblicher unterschied zwischen der wohnungsweise und dem
wohnhause der Letten und der Litauer hat also etwa im 16. Jahr-
hundert sicherlich nicht bestanden.
Ich wende mich nunmehr zu den litauischen Wohnhäusern
des 19. Jahrhunderts und zwar zunächst zu denjenigen des
preußischen Litauens, indem ich betone, daß es dort heute über-
all nur je ein wohnhaus gibt. Über dieselben hat meines
wissens zuerst gesprochen der präcentor Schultz zu Lasdehnen
in der schrift „Einige bemerkungen über die nationalität der
mehr ist, aus beigefügtem speicherchen, worinnen sie ihr brod, salz und
trank verwahren, das übrige ist nur ihrer pferden und kühen aufenthalt;
diese rauchstube ist mehrenteils nicht höher, als daß darinnen nur ein
mensch stehen kann, das übrige wird zur zeit des herbstes mit ihrem auf
etlichen dazu verordneten langen Stangen ruhenden getreide angefüllet, unter
welchem sie den aus großen kieselsteinen aufgerichteten und in form unsriger
backofen gemachten ofen so weidlich einhitzen, dass man selbigen kaum
von unsrigen brennenden kalkofen unterscheiden würde; .... und dieses
geschieht bei ihnen, nur allein das korn zu trücknen (wiewohl auch etliche
eine besondere dazu verordnete hütte hallen). In dieser ranehstuben essen,
trinken, dreschen, schlafen sie ja zur winterzeit halten sie hierinnen
ihr junges vieh, als schafe, hühner, gänse u. dgl.; ist auch mit keinen
fenstern versehen, sondern hat nur etliche viereckigte löcher, wo eiuer eben
den köpf durchstecken kann, welche sie mit hölzernen brettern des nachts
zuschieben1' (s. 136 f.). — Wenn Erasmus Stella von den Preußen sagt :
„Domos non fingebant, sed speeubus et arborum subere (unde etiam subaria
dicta comperitur) ab imbribus et algoribus sese ac infantes protexero"
(bei Pistorius a. a. o. I, s. 10) — so war dieser Standpunkt (zugegeben daß
er von Erasmus Stella nicht nur gemutmaßt ist, vgl. Tac. Germ. cap. 46)
zu seiner zeit jedenfalls längst überwunden; vgl. Simon Grunau's Chronik
I, s. 90 und die vocabeln 193—235 des Elbinger vocabulars. — In dem
ältesten Danzig sollen die häuser „mit röhr gedeckt und leimen gekleibt"
gewesen sein (Hennenberger a. a. o. s. 65). — Von den Polen berichtet
Aeneas Sylvius : „Ex maceria domos ferme omnes componunt, plerasque luto
linunt" (bei Pistorius a. a. o. I, s. 1). Bei Hennenberger a. a. o. s. 166
heißt es: .Zur Keelen eine halbe meilen von Angerburg am see gelegen,
da haben anno 1564 vier personen sich darnach in ein kleines
häuslein, wie die Polen haben, so von holz vierkantig gesetzt,
heimlich verschlossen Das hat die bauren verdrossen, haben das
häuslein hinweg wollen bringen, unten gar los gemacht, große bäume unter-
gebracht, aber gar nichts bewegen können". — Über den russischen hausbau
in älterer zeit habe ich keine angaben gefunden.
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Über das litauische haus.
Litthauer" (1832),' welche sich handschriftlich in der "Wallen-
rodt'schen und in der Elbinger städtischen bibliothek (dort unter
Msc. no. 78) befindet und vermutlich auch anderswo hand-
schriftlich erhalten ist. Ich würde mich auf ein referat über
die hier einschlagenden angaben Sch-ütz's beschranken, wenn
ich nicht beiläufig constatieren möchte, daß die „Bilder aus dem
preußischen Littauen" von Aug. Kuntze (Rostock 1884) zum teil
ein dreistes plagiat sind. So teile ich denn den „wohnung"
überschriebenen abschnitt jener schrift (vgl. Kuntze s. 19—21)
in voller ausdehnung mit.
„Die Wohnhäuser der Litauer sind aus übereinandergelegten
ganzen baumstämmen — in geersaß — erbaut und enthalten
nur ein zimmer auf dem einen ende des hauses. Die andere
hälfte desselben bildet eine finstere kammer, in der sich der
backofen und die handmühle — quirl — befindet. Der fußboden
des Wohnzimmers ist nicht gedielt, sondern nur mit ton ausge-
schlagen. Die decke und wände desselben sind glatt gehobelt
und werden von zeit zu zeit durch abwaschen rein und weiß
erhalten. Ein solches zimmer hat drei fenster, eins in jeder der
drei äußeren wände; von allen kann indes nur ein flügel auf-
und zugeschoben werden. Rund herum in dem zimmer stehen
an den wänden wohl abgewaschene weiße bänke und an dem fenster,
der tür gegenüber, ein eben solcher tisch. An der rauchfang-
wand dagegen, in der nähe des ofens, befindet sich ein mit ton
belegter kleiner tisch, über dem eine von ton geklebte röhre,
in gestalt einer glocke, mit einer obern Öffnung nach der küche
zu (welche auch verstopft werden kann) angebracht ist (dame-
laka«)20). Da die Litauer keinen feuerheerd in der küche haben,
so kochen sie gewöhnlich in der stube ihre speisen in einer
20) An diese einrichtung wissen sich ältere leute in der Memeler gegend
noch sehr wohl zu erinnern. Nach ihnen wurde auf diesem tisch bei offenem
teuer gekocht, und der rauch ging direct auf den boden. — Vgl. Meitzen
Bas deutsche haus in seinen volksthümlichen formen (Verhandlungen des
ersten deutschen geographentages zu Berlin, Berlin 1862) s. 64.
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Von A. Bezzenberger.
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nische der rauchfang- wand (kaminelis), die oben eine Öffnung
zum abzug des raucbes in den rauchfang hat. In dem rauch-
fange selbst ist aber in wagerechter läge, etwa 8 fuss von der
erde, eine dicke stange von holz gemauert, an der durch eine
eiserne kette ein kupferner kessel so befestigt ist, daß er etwa
V/t bis 2 fuss von der erde schwebt. Von diesem machen sie
nur dann gebrauch, wenn etwas in grossen quantitäten mit einem
male zu kochen ist. Der damelakas aber dient in der dunkel-
heit zur erleuchtung des zimmers mit kienspänen (ziburys),
welche auf einem, unter dieser glocke auf dem tontischchen
befindlichen eisernen roste angezündet werden. Hier, in der
nähe des wärmenden ofens (der aber gewöhnlich überheizt ist)
bringt die familie den tag und den abend Über zu. Zur nächt-
lichen ruhe dagegen verfügt sich alles in den Speicher (klete).
Diese klete ist ein, vom wohnhause etwa 10 bis 20 schritt ent-
ferntes, hölzernes kleines gebäude. Gewöhnlich ist es auf einem
etwas hohen fundamente gebaut, so daß man nur vermittelst
einer kleinen treppe hineingelangen kann. Der ganzen fronte
des gebäudes entlang sind oft einige hölzerne Säulen angebracht,
die ein kleines überdach tragen. Zwischen diesen säulen und
der wand befindet sich die treppe. Den ganzen untern räum
des gebäudes nimmt ein gemach ein, in welchem sich aber keine
fenster befinden. Jedoch hat es einen mit brettern gedielten
tubboden, gehobelte wände und eine, aus gespunteten brettern
bestehende decke. Aus diesem räume führt eine treppe auf das
getreidebehältniß. Das untere gemach ist nun die klete, oder
das prunkgemach der Litauer. Hier befinden sich kisten und
kästen und (das getreide ausgenommen) alle sonstigen Vorräte.
Auch nimmt man im sommer hier die liebsten gäste auf. Da
eine klete aber nicht geheizt werden kann, so schläft alt und
jung zur winterzeit im kalten, und zwar die ganz kleinen in
einer wiege, die aus einem recht winklichten hölzernen rahmen
besteht, um den starke leinwand so genäht ist, daß das ganze
gesteil die form eines kleinen bettgestells ohne füsse, sowie ohne
köpf- und fussbrett erhält (16pszis). Dieses gestell ist ver-
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48
Über das litauische haus.
mittelst eines Strickes an einem balken befestigt und wird in
der luft hin und her geworfen".
Die beschreibung, welche hier von einem litauischen
wohnhaus gegeben wird, ist leider nicht ganz klar ; ich verstehe
sie auf grund vielfacher anschauungen (vgl. auch die figuren 1
und 2) dahin, daß das betr. haus aus einem zimmer, einer ihm
gegenüberliegenden finsteren kammer und einer hausflur besteht,
in der sich ein, als küche dienender rauchfang befindet. Eine
besondere küche würde ich schon des Zusammenhanges wegen
hier nicht annehmen. — Ist diese auffassung richtig, so unter-
scheidet sich dies haus von der stubä, wie sie Lepner schildert,
nur durch die finstere kammer, in der sich der backofen und
die handmühle befindet". Erinnern wir uns nun, daß die Litauer
Lepner's und Praetorius' besondere „gebäudchen" (maltüwe) hatten,
„darinnen sie eine oder mehr handmühlen halten", „worin sie
mahlen und brot backen", so sehen wir ganz deutlich, daß diese
finstere kammer nicht anderes, als die alte maltuwe21), und daß
diese in späterer zeit zu dem oder zu einem wohnhause gezogen
ist — ein resultat, das übrigens von meiner auffassung dieses
ganzen hauses unabhängig und auf alle Mle festzuhalten ist.
Häuser, welche nach'ihrer räumlichen einteilung denjenigen,
welche mir Schultz zu schildern scheint, genau entsprechen,
finden sich noch heute. Ich verweise auf fig. 1, das wohnhaus
meines gastfreundes Miks Trauschies in Drawöhnen, das ich
einmal, gleich nachdem ich es verlassen und möglichst genau
angesehen hatte, aufgezeichnet habe. In ihm liegt links von der
geräumigen hausflur (a) ein vierfenstriges, zugleich als schlaf-
raum der familie dienendes Wohnzimmer (b) mit einem mäch-
tigen ofen (e); rechts von der flur — auf der sich in Nord-
21) Nach Brodowski hieß ein backhaus peczinne, nach dem quart-
lexikon peczone, und das letztere wort ist in Nordlitauen noch bekannt
(peczSne). Nach angäbe eines dortigen Litauers war es früher, als die
Wohnhäuser noch ohne Schornstein waren, verboten, in diesen zu backen,
und man brauchte deshalb die peczäne. In Südlitauen weiß man von diesem
gebäude nichts mehr.
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Von A. Bezzenberger.
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litauen*2) häufig der brütehock für die gänse befindet — , aber
nicht von ihr, sondern vom hofe aus zugänglich, sind zwei
dunkele gerätkammern (c und c *). Die hausfiur selbst ist mit
einer vorder- und einer hintertür und dem pelens (d) versehen,
einem niedrigen heerde, oder vielmehr einer feuerstelle, welche
durch eine rechtwinklig gebaute mauer eingehegt ist. — Offen-
bar sind o und c1 mit der finsteren kammer Schultz's identisch
und gehen also auf die maltuwe (oder peczäne, 8. s. 48 anm. 21)
zurück. Wenn sie als solche nicht benutzt werden, so kommt
das einfach daher, daß sich in Drawöhnen eine Windmühle be-
findet28). Auf ihre frühere Selbständigkeit weist meines er-
achtens der umstand, daß sie nur vom hofe aus zugänglich sind,
sehr deutlich hin.
Vergleicht man das eben besprochene haus mit der von
Lepner geschilderten stubä, so scheint es sich von der nach
Lepner gewöhnlichen form der letzteren nur durch die der stube
gegenüberliegende und aus der maltüwe entwickelte finstere
kammer zu unterscheiden, und es tritt damit die frage an uns
heran, ob dies haus etwa lediglich eine Verbindung von stuba
und maltüwe ist. Diese frage ist indessen entschieden zu ver-
neinen, wenigstens in der form, in welcher sie ausgesprochen
ist. Gewiss enthält dies haus stubä und maltüwe, aber es ent-
hält noch mehr, und zwar auch das alte rauchhaus, also das ur-
sprünglichste litauische haus, den nämas, der heut zu tage als
selbständiges gebäude nicht mehr vorkommt. Um dies zu be-
gründen, muss ich auf die preußisch-litauischen benennungen
des hauses und der hausfiur eingehen.
22) Wenn ich schlechthin Nordlitaaen (nordlitauisch), Südlitauen
(südli tatiisch) sage, so verstehe ich darunter das preußische Nord- und
Südlitanen.
28) Übrigens findet sich eine handmühle wohl noch in den meisten
litauischen häusern, doch wird sie, um mehl zu mahlen, in Nordlitauen nur
noch im winter, in Südlitauen aber überhaupt nur zur herstellung von grütze
und des zum kisel erforderlichen hafermehles benutzt. Sie steht in Nordlitauen
in der pryszininke d. i. der dem Wohnzimmer gegenüberliegenden stube oder
in einem winkel der hausfiur, in Südlitauen in einer der kammern des hauses.
Altpr. MonatMchrift Bd. XXIII. Hft 1 u. 2. 4
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50
Über das litauische haus.
Als heutige preußisch-litauische benennungen des Wohn-
hauses kenne ich namai oder nSmä; gywenamoji; bütas
oder bats, gywenamasis bütas; trobä und stubä24). Die
verbreitetste dieser benennungen ist bütas = nordlit. bats.
Dies wort ist allgemein gebräuchlich und zwar ausser mit der
bedeutung „wohnhaus" auch mit der allgemeineren bedeutung
„haus". (Den ältesten beleg für dies wort finde ich in dem
zemaitisehen fürstennamen Butegaide, ca. 1290). Die letztere
ist die ursprünglichere, wie sich einmal aus dem Altpreußischen
und dann aus dem umstand ergibt, daß in zweifelhaften fallen
das wohnhaus gywenamasis bütas (oder bäts) heißt. Die
grundbedeutung von bütas ist „Wohnraum, aufenthalt", vgl.
bute „aufenthalt, Wohnsitz, heimat", büwis „aufenthaltsort". —
Gywenamoji (Kurschat) = nordlit. gywenemäji ist eine Ver-
kürzung von gywenamoji trobä „wohngebäude". — Trobä
wird um Heydekrug, Kinten und Inse (wo überall bütas seltener
ist) in den bedeutungen „wohnhaus" und „haus" gebraucht und
kommt in der letzteren bedeutung auch sonst, aber selten vor.
(In der ersten bedeutung findet es sich auch in der erzählung „Jons
in Aniutia", Peterburgas 1877, s. 29, trioba geschrieben). Nach
meiner empfindung entspricht es mehr unserem „gebäude" als
unserem „haus", und hierzu stimmen die meisten Wörterbücher,
voran das quartlexikon des hiesigen geheimen archivs, das troba
und budawone als Übersetzungen von „gebäu" gibt, sowie da«
z'emaitische trobesis „gebäude" Geitler Lit. stud. s. 117 (oft
bei Dowkont und hier umfassender als trobä, vgl. unten s. 65).
In einem etwas anderen sinne scheint Szyrwid a. a. o. trobä
gebraucht zu haben, der izba „stube" mit troba kuria-
ma und sala „saal" mit plati troba übersetzt hat. Aber
dies ist doch wohl nur eben ein schein, und dieser gebrauch
spiegelt wohl lediglich die anschauung einer zeit wieder, welche
die verschiedenen räume eines Litauers nur als verschiedene
24) Dazu kommt aus älterer zeit und zwar aus dem alten quart
lexikon noch ymenya. Dies ist das russ. imenije.
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Von A. Bezzou berger.
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gebäude kannte26). Die ursprünglichste bedeutung von trobi
ist mir unklar; man pflegt es zu lat. trabs zu stellen, und
die ausdrücke sudurstimas trobeles, sudurstau trobely28) in
Szyrwids Dictionarium (unter klec, klecc.) stimmen dazu
nicht übel. — Stuba bezeichnet überall, in Nordlitauen neben
e stuba, eine „stube". Die bedeutung „wohnhaus" hat dies
wort daneben in der Stallupöner gegend und vielleicht auch
um Pillkallen; wenigstens übersetzte es Mielcke (der cantor in
Pillkallen war) mit „eine stube, ein wohnhaus". Die letztere
bedeutung schreiben ihm auch Nesselmann und Glagau Littauen
und die Littauer s. 116 zu, aber ob dabei beide nicht lediglich
auf Mielcke fussen, weiss niemand. — Namai bez. nSmä (accus,
namüs) endlich heisst das wohnhaus meines wissens nur in
der Umgebung von Prökuls (und so auch in Drawöhnen), sowie
teilweise umKinten undKarkeln (neben bez. bütas, bäts, trobä),
und dieser name ist nichts anderes als der nom. plur. des
schon wiederholt genannten namas. Ursprünglich bedeutete
dies wort, wie im Lettischen (na' ms), einfach „haus" und
wird so (im singularis) noch im russischen Litauen gebraucht27).
In den aus dem preußischen Litauen stammenden texten findet
sich sein singularis, wenn ich mich recht erinnere, nirgends;
daß er dort aber — gleichviel mit welcher bedeutung — noch im
vorigen Jahrhundert vorkam, wird durch die o. s. 34 f. abgedruckte
mitteilung Lepners und das schon erwähnte quart-lexikon bezeugt,
das unter „haus" namas, buttas, unter „backhaus" „priemena,
namas, rectius peczone", unter „wohnung" namas, gywenimas
25) Man beachte, was unten 8. 65 über den zeniaitischen gebrauch
von troba gesagt ist.
26) Su-dürstyti heisst „hin und her zusammenstecken". Ich
vermute, daß Nesselmann die ausdrücke sudurstyti troba. und sudur-
stimas lediglich aus Szyrwid genommen hat.
27) Unter deu mir aus Birsen mitgeteilten hausrissen fig. 12 — 14 ist
plana« nama u. s. w. geschrieben. — Daß sich namas „haus" heute
auch noch im preußischen Litauen finde, läßt sich aus den Worten Schleichers
Leseb. s. 292 und Kurschats Lit. wbch. unter namas nicht mit Sicher-
heit schliefen.
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Über das litauische haus.
bietet, aber freilich unter den mit „haus" beginnenden zusammen-
setzunge n n h in n s als pluraletantum behandelt und „wohnhaus" mit
yraenya, namai übersetzt. Ganz gewöhnlich ist dagegen schon
in den ältesten quellen der plur. namai und zwar mit der schlichten
bedeutung „haus", jedoch — meines wissens — nur, wo man
hierfür auch „wohnhaus" sagen könnte28). So steht in der
Forma chrikstima (1559) s. 26: su tais paczeis waikeleis,
kurie namusu czesu priegadas stoiesi apchrikstiti . . . .
kada kudikelis io rupestingoses silpnibes delei na-
musu apchrikstitas butu essas; Bretken (gest.
1602) übersetzt den vers Luk. 19. 46 mit namai mana namai
maldas ira, bet ius padarete ios namais rasbajq. Auch
in dem Brodowski'schen Wörterbuch ist namai kurzerhand mit
„haus" übersetzt2*). Es ist klar, daß dieser Sprachgebrauch mit
dem litauischen bauwesen im engsten Zusammenhang steht, aber
es ist nicht ohne weiteres deutlich, wie er zu erklären ist Irre
ich mich nicht, so kommen hierfür zwei, und zwar nur zwei
möglichkeiten in betracht: 1) die bezeichnung des hauses mit
dem plur. namai „häuser" ist durch die teilung des früher un-
geteilten hauses in mehrere räume veranlaßt (vgl. als analoga
ved. grhä's, lat. aedes); 2) zu dem einen haus, welches eine
litauische familie früher inne hatte, traten in einer späteren zeit
andere häuser (namai), und indem hierdurch eine hofanlage
entstand, indem diese namai genannt wurde (vgl. altnord. hüs),
nahm dieser plural die bedeutung „wohnort", „wohnung" an
28) Später mag das anders geworden sein, vgl. die ausdrücke küdikio
namai „nachgeburt", warliü namai „fischlaich", straiges namai
„Schneckenhaus" bei Nesselmannn.
29) Ebenso gibt Szyrwid für poln. dorn, lat. domus, aedes lediglich
namay. Befremdlicher weise übersetzt derselbe „obora, claustrum, septum"
„viehof" mit pune, namas, dagegen „obora, stabulum, pecuaria locau
mit gurbas. Ich möchto annehmen, daß die litauischen bedeutungen dieser
beiden artikel vertauscht sind, denn pune ist wruss. punja „viehstall,
schuppen4 und gurbas bedeutet sonst „koben, käfigu. Nach Lucas David
Preuß. chronik I. 108 hiessen die korndarren im Preußischen gorben. Da
im nämas teilweise auch vieh hauste, so konnte dies wort in einer vorge-
schritteneren zeit wohl auch die bedeutung „stall w annehmen.
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Von A. Bezzenberger.
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und wurde weiterhin teilweise zur bezeichnung der hauptwohnung,
des haupthauses verwendet. Von diesen beiden möglichkeiten
ist indessen die erste zu streichen, denn gegen sie spricht nicht
nur das vorkommen mehrer Wohnhäuser in späterer zeit und
was wir von diesen wissen, sondern auch: 1) daß der singularis
namas und der pluralis namai nirgends in der allgemeinen
bedeutung „räum eines hauses", „räume eines hauses" (vgl. gr.
d6iio$, dtoua und Möbius Altnord, glossar unter hüs) vorkommen80);
2) daß dagegen speziell die hausflur, ob geteilt oder nicht, in
Nordlitauen näms — namas genannt wird; 3) im allgemeinen
(vgl. s. 51) bedeutet namai heute nicht das haus, das wohnhaus,
sondern die wohnung, das hauswesen, die heimat („ein eigen haus,
die heimat" Mielcke) und bei Stallupönen den ganzen hof 81). Diese
bedeutungen stimmen nun aber so ausgezeichnet zu der zweiten
möglichkeit, daß diese festzuhalten ist. Freilich verstößt sie gegen
die historischen quellen, indessen dies tut auch die ihr entgegen-
stehende annähme, und der verstoß ist wohl nur scheinbar, denn
sicher schildern jene nur die Wohnungsverhältnisse der großen
menge und nicht diejenigen der vornehmeren Litauer; sicherlich
begnügten sich die letzteren schon in sehr früher zeit nicht mit
einem einfachen „rauchhaus", und umgekehrt gab es gewiß noch
zu Lepners zeit manchen armen teufel, dem das „andre Wohn-
haus" fehlte. Den beweis für diese behauptungen liefern s. 39
anm. 10, 8. 41 anm. 12 und der umstand, daß die pirten (lit. pirtls)
d. i. badestuben, brachstuben in den betr. ältesten quellen nicht
erwähnt werden, obgleich es unzweifelhaft ist, daß diese häuschen
schon in sehr früher zeit vorkamen, da sie einen echt litauischen
30) Vgl. dagegen pakAjus „zimraer" — pakijei „herrenhaus" bei
Leskien und Brugman Lit. Volkslieder u. s. w. s. 340 sowie rumas „haus,
gemach, halle" bei Geitler Lit. stud. s. 107 und den plural. rumai in der-
selben bedeutung das. s. 23. (In „Jons ir Aniutia", s. 7 sind rumai dagegen
„Wohnhäuser".)
81) Ebenso nach Dowkont Buda etc. s. 80 im Zemaitischen: Tokj
wlssa sawa. gywenima szenden dar kalnienaj !r Zamaitej tob
waden nömajs nu wissöpirmojo ir wissöweczojo sawo trobesio
nomö wadinamo; das ist ziemlich dasselbe, was ich oben sagte.
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Über das litauische haus.
namen führen und mit demselben (pi'rts) auch von den Letten
benannt werden. Ich nehme also an, daß sich der gebrauch von
namai in der bedeutung „haus", „Wohnhaus" in den besitzungen
der vornehmeren Litauer entwickelt hat.
Als das älteste litauische wort für „haus" ist namas zu
betrachten, denn nur dieses findet sich auch außerhalb der bal-
tischen sprachen (vgl. s. 41 anm. 14), und die „zu haus, nach
haus" bedeutenden ausdrücke sind von ihm gebildet. Vermutlich
minder alt, aber doch auch recht altertümlich ist das außer im
Litauischen nur noch im Preußischen vorkommende bütas.
Das alter von trobä entzieht sich der beurteilung. Die übrigen
litauischen benennungen des hauses sind jung. "Wenn nun ge-
rade namas in der bedeutung „haus", „wohnhaus" im preußischen
Litauen durchaus oder so gut wie durchaus nicht mehr vor-
kommt, so erklärt sich dies sehr einfach daraus, daß es hier
frühzeitig die specielle bedeutung „rauchhaus" erhielt und daß
dies als selbständiges gebäude verschwunden ist.
Der verbreitetste name der hausflur ist bütas, nordlit.
bat s. Er ist meines wissens allgemein gebräuchlich (vgl.
Nesselmanns und Kurschats Wörterbuch) und findet sich, wenn
ich nicht irre, zuerst in dem Brodowski'schen Wörterbuch (etwa
aus dem zweiten viertel des vorigen jahrhunderts) : „butts hauß,
vorhauß, behausung". Eine andere, aber nur in Nordlitauen ge-
bräuchliche benennung jenes raumes ist na ms, und dies wort
ist nichts anderes als die nordlitauische form des „hochlitauischen"
namas. — Andere benennungen der flur sind: prybutis (vgl.
Nesselmanns und Kurschats Wörterbuch), mir aus der Stallupöner
gegend bekannt; prynumangis in Nordlitauen (Lit. forsch,
s. 159) 82); namangis in Ruß und der Niederung (nach Nessel-
mann); pryange Kalningken (Niederung). Diese vier Wörter
bedeuten der reihe nach eigentlich „vorhaus" oder „vorflur", „räum
vor dem eingang zum nams", „eingang des namas", „räum vor dem
eingang". Das erste von ihnen ist in Nordlitauen bezeichnung
82) Aus dem dort mitgeteilten ergibt sich, daß auch in Nordlitauen
die hausflur zuweilen die in fig. 3, 4, 7 erscheinende form angenommen hat.
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Von A. Bezzeubergcr.
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einer, auch pr^numis genannten kammer, die zwischen einer
stuhe und der flur liegt (s. w. u.) und gewissermassen eine vorflur
bildet ; das vierte bezeichnet dort eine am hause befindliche veranda-
artige vorhalle, und ebendiese bedeutung hat daselbst auch die zweite
jener benennungen. Für die frage nach der entstehung der hausflur
kommen diese Wörter hiernach nicht in betracht. Sie sind zu
benennungen derselben höchstwahrscheinlich da und dadurch
geworden, wo, bez. daß eine teilung der flur vorgenommen
wurde (vgl. fig. 3 — 7), welche die entree in einen gegensatz zu
dem größeren teile der flur setzte. Von entscheidender bedeutung
für jene frage sind dagegen die zuerst erwähnten benennungen
der hausflur: nams und bütas, bats. Da die eigentliche be-
deutung dieser Wörter „haus" ist, und da von den ostpreußischen
Deutschen haus für hausflur gebraucht wird (vgL o. s. 36 anm. 2),
so liegt die Vermutung nicht fern, daß jener litauische Sprach-
gebrauch aus dem Deutschen stamme. Dieselbe ist jedoch be-
stimmt zurückzuweisen, da namas (nams) mit der schlichten
bedeutung „haus" im preußischen Litauen schon vor langer zeit
ungebräuchlich geworden ist und zwar ehe sich die einheitlichen
litauischen Wohnhäuser der neueren zeit eingebürgert hatten,
und da das haus in Nordlitauen eben nicht nams, sondern ba ts
und speciell um Prökuls auch n8mä heißt.
Wenden wir uns nun zu dem besprochenen Drawöhner
haus zurück! Seine flur heißt also nams oder bats und nams
= nämas bedeutete früher „haus", später speciell „rauchhaus",
bäts heißt „haus". Es ergibt sich daraus, daß diese hausflur
früher ein besonderes haus war, und weil sie schlechthin „haus"
heißt, das älteste litauische haus aber in dem namas, dem
rauchhaus, zu erkennen ist, so ist sie sicherlich mit diesem zu
identifizieren. Ihre beschaffenheit stimmt vollständig zu dieser
ihrer geschichte, denn in ihr werden die netze geräuchert81).
33) Vgl. die auf die litauische hausflur überhaupt bezüglichen worte
Glagau's Littauen und die Littauer s. 115 f.: „Der rauch streicht die
decke entlang zu den türen hinaus, von welchen die vordere auf die gasse [?],
die hintere gerade gegenüberliegende auf den hof führt [?J Der rauch erfüllt
den ganzen räum mit dichtem qualm, kämpft mit dem durch die gewöhnlich
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Über das litauische haus.
Die vorstehenden erörterungen legen, wie mir scheint, zu-
nächst die entstehnng aller der hansanlagen, welche fig. 1 ver-
anschaulicht, völlig klar. Diese sind entstanden durch eine Ver-
bindung von stuba, nämas und maltüwe. Über die weise, in
welcher diese Verbindung bewirkt wurde, scheint mir die reihen-
folge der einzelnen räume aufschluß zu geben sowie der umstand,
daß das ganze Wohnhaus in Südlitauen stuba> heißt. Ich nehme
demgemäß an, daß jene hausanlagen so zu stände kamen, daß
die flur der stuba zum nämas ausgebaut und daß an diesen die
maltüwe angefügt wurde84).
Hausanlagen, wie die besprochene, sind — von katen
natürlich abgesehen — die einfachsten, welche ich kenne. Alle
anderen mir bekannten sind weit complicirter. Aber obgleich
sie dies sind, scheinen sie mir doch nur ausbildungen und Ver-
vollkommnungen jenes einfachsten typus. Ich hoffe, diese be-
hauptung im folgenden ausreichend zu begründen.
Fig. 2 gibt den grundriß des ältesten und altertümlichsten
hauses86) des dorfes Enskehmen bei Stallupönen. Man bemerkt
hier sofort dieselbe dreiteilung, wie in flg. 1: in der mitte die
flur (a), von welcher ein großer teil durch einen weiten, als
küche dienenden rauchfang (b) — f ist ein offener heerd — ein-
genommen wird, und dessen hinterster teil (c) als kammer ab-
geschlagen ist; rechts davon eine größere stube, das Wohnzimmer
(d) mit einem ofen (h) und einem kamin (g), in welchem fiir
gewöhnlich gekocht wird, und hinter der wohnstube (stuba) ein
kleineres zimmer (e) (stub£le), das als altsitzerwohnung dient;
links von der flur zwei kammern (c1 und c2). — Die verschie-
offen stehenden türen hereinströmenden zugwind, belegt decke und wände
mit einem glänzend schwarzen ruß und räuchert auf seinem wego die an
der decke hängenden fische, wiirste und Speckseiten gar. Dennoch ist der
flur im sommer der gewöhnliche aufenthaltsort für die familie ; man ißt und
arbeitet hier, und wenn die leute naß geworden sind, setzen sie sich um den
herd herum und trocknen am feuer und qualm ihre kleider". Diese
beschreibung trifft freilich nicht allgemein zu.
34) Vgl. zu dieser annähme Henning Das deutsche haus (Straß-
burg 1882) s. 69.
85) Es wohnt in ihm bereits die dritte generation.
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Von A. Bezzenberger.
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denheiten, welche zwischen fig. 1 und fig. 2 hervortreten, sind
untergeordneter natur: die flur ist hier schmäler als dort, weil
man in Enskehmen keine netze strickt und trocknet, und eine
geräumige flur hier reiner luxus wäre; die kammer, welche fig. 2
hinter der küche zeigt, fehlt benachbarten häusern (vgl. fig. 3,
4, 6, 7) und ist zweifellos eine willkürliche einrichtung eines
besitzers dieses hauses; die i rennung der stubä in stubä und
stubele in fig. 2 ergibt sich durch die betrachtung der figur 8
als eben nur eine trennung und wird von den nördlichen
Litauern, bei denen dieselbe nicht durchgeführt ist, für un-
wesentlich gehalten: die einen, sagte mir ein solcher, bauten
ihre stuben isz Kdze (d. h. durchgehend, ungeteilt), die anderen
teilten sie in stubä und stubele; das mache aber jeder, wie er
wolle, und ein wesentlicher unterschied zeige sich darin nicht.
— Auch das fehlen der hintertür in dem durch fig. 2 dar-
gestellten haus und in anderen häusern und die verschiedene
läge der wohnstube (rechts oder links von der flur) sind irre-
levant; vgl. die fig. 4 und 7. Wichtig ist natürlich, daß an
stelle der dunkelen kammern (c und c 1) von fig. 1 in fig. 2 zwei
bewohnbare kammern erscheinen. Historisch wesentlich ist in-
dessen auch dieser unterschied nicht; die räume c und c1 der
fig. 1 sind einfach zu den kammern c1 und c2 der fig. 2 aus-
gebaut.
Wesentlich ebenso wie das eben besprochene Enskehmer
haus, waren in Enskehmen nach bestimmter angäbe des dortigen
lehrers, heim Marold, früher alle häuser gebaut36). Man erkennt
dies auch deutlich aus den grundrissen dortiger häuser, welche
in den fig. 3, 4, 5, 6 mitgeteilt sind. Mit ausnähme von fig. 6,
in welcher die stube i auf kosten der flur erweitert erscheint,
zeigen sie alle genau dieselbe dreiteilung wie jenes, und die
3C) „Auf diese weise" schreibt mir herr Marold, dem ich die grundrisse
fig. 2—7 verdanke, „waren hier früher alle bauernhäuser gebaut ; erst später
sind sie teils geändert, teils neu gebaut1' .... „Die häuser hatten in der
regel nur auf einem ende eine größere vorder- und eine kleinere hintorstube;
erst später richteten sie auf dem anderen ende noch eine stube ein".
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Über das litauische haus.
unterschiede, welche zwischen diesem und ihnen und unter ihnen
selbst hervortreten, sind klärlich nur solche, welche die fort-
schritte der cultur und die verschiedenen neigungen und be-
dürfhisse der besitzer bedingten. Eine ausführung dieser sätze
halte ich für überflüssig und beschränke mich darauf, die nötigen
erläuterungen zu den fig. 3 — 6 zu geben.
Ad fig. 3 : a = flur; b = küche; c und c1 = kammer;
d und d1 = stube; e — wohnstube; f »= heerd; g = ofen.
Ad fig. 4 : a = flur; b = küche; c, c1 und c2 = kammer;
d und d1 = stube; e wohnstube; f = heerd; g = ofen.
Ad fig. 5 : a = flur; b — küche; c = räum zur auf-
bewahrung des schweinetrankes, der schmutzeimer u. dgl.; d =
fleischkammer; e und e1 = stube; f = wohnstube; g = kam-
mer; h — heerd; i = ofen.
Ad fig. 6 : a = flur; b = küche; c — Speisekammer; d
und d1 = kammer; e und i = stube; f = wohnstube; g —
ofen; h — heerd.
Das in fig. 7 dargestellte haus steht in Hibben bei Stallu-
pönen und deckt sich in seinen grundlmien fast genau mit dem
in fig. 4 abgebildeten, a ist dort = flur; b = küche; c, cl
und c2 = stube; d und d1 = kammer; e = wohnstube; f =
heerd; g = ofen.
Die in fig. 3—7 dargestellten häuser sind also, wie ihre
geschichte und der augenschein lehren, Varianten des durch
fig. 2 vertretenen typus, und dieser selbst ist eine fortentwick-
lung des in fig. 1 hervortretenden grundtypus. Gehen demnach
selbst so complicierte südlitauische anlagen, wie z. b. die in fig. 5
geschilderte, auf diesen zurück, so ist es von vornherein wahr-
scheinlich, daß auch die reichgegliederten Wohnhäuser, welche
man in Nordlitauen findet, auf ihm beruhen. Prüfen wir, ob
sich diese Vermutung durchführen läßt!
Fig. 8 gibt den (nach erinnerung aufgezeichneten) grund-
plan eines hauses in Szwenzeln am kur. haff. In ihm ist: a =
flur; b = prV'butis (s. u.); c = küche; d und d1 = stube; e =
ofen; f = pelens (s. o. s. 49); g = wohnstube.
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Von A. Bezzen berger.
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Daß die linke seite des hauses hier, im gegensatz zu fig. 1,
geteilt ist, kommt natürlich nicht in betracht (vgl. s. 57); um
so mehr aber ist die rechte seite in das auge zu fassen, denn
sie ist durchgehend der schmalen hauswand parallel geteilt, und
hierdurch tritt dieser grundriß in einen bemerkenswerten gegen-
satz zu allen anderen bisher betrachteten. Ich halte diesen
gegensatz jedoch nicht für wesentlich. Er verliert alle bedeu-
tung, sobald wir annehmen, daß b, c und a früher ein räum
waren, den man in der vorliegenden weise teilte sei es, um be-
sondere räume zu gewinnen, ohne die hintertür zu versperren,
sei es, um wenigstens eine stube von der kalten hausflur zu
trennen37). Man beachte auch, daß wir querteilungen überhaupt auch
in den fig. 3 — 7 begegnen, daß g neben d und d1 als luxus er-
scheint, und b (prybutis) und c (kükne) keine alten litauischen
räume sind: kükne ist ein slavisches lehnwort (poln. kuchnia)
und prybutis oder prynumis (auch so wird ein räum wie b
genannt), d. i. „vor-butas", „vor-namas", bezeichnen hier nicht
etwa „vorhaus", sondern „vorflur" und diese Wörter können also
erst gebildet, dieser räum kann erst entstanden sein, nachdem
die hausflur den namen bütas (bats) oder namas (na ms) er-
halten hatte. Beiläufig bemerke ich, daß im prybutis das
fremdenbett zu stehen pflegt.
Ist es mir gelungen, nachzuweisen, daß nichts gegen die
zurückfuhrung des grundrisses fig. 8 auf den grundriß fig. 1
spricht, so würde sich diese zurückführung selbst nur in dem
falle abweisen lassen, daß die Unabhängigkeit des letzteren typus,
daß eine principiell verschiedene entwicklung dieser beiden typen
wahrscheinlich zu machen wäre. Dies ist aber, soweit ich sehe,
nicht möglich, und die auf der vorigen seite behauptete Wahr-
scheinlichkeit wird dadurch für mich zur gewißheit.
In fig. 9 (haus des Jons Trauschies in Drawöhnen) und
37) Für diese annähme ist wohl entscheidend, daß mir ein Litauer
den prynumis als teil des näms definierte (vgl. Lit. forschungen s. 159),
und dass mir andere ausdrücklich sagten, er diene in erster linie dazu, die
stube wärmer zu halten.
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Über das litauische haus.
fig. 10 (aus Hgejahnen, sö. von Memel) sind die grundrisse von
noch zwei coinplicierten nordlitauischen häusern gegeben; beide
sind augenscheinliche vervoll komm nun gen des in fig. 8 dar-
gestellten und bedürfen keiner besonderen besprechung. Ich
beschränke mich auch hier auf die nötigsten erleuterungen.
Ad fig. 9: a --^ flur; b — wohnstube; cundc1 = kleinere
stube (stubele); h = stube; d prvbutis; e — küknes weta
(wörtlich „küchenstelle" d. i. ein räum, in dem wohl ein Schorn-
stein, aber weder esse noch heerd ist, und der also nur als küche
vorgesehen ist; er dient hier zum fische - trocknen) ; f = ofen;
g — pelens.
Ad fig. 10: a ~ nams; b — kükne; c — üzkuknis („räum
hinter der küche"; darin befinden sich eimer, tranktonne u. dgl.);
d = pr<numis; e = estuba (wohnstube); f und f1 = istubale
(„stübchen") ; g und g1 — kamära („kammer"); h = rumpel-
kämmerchen (landyne genannt); i — heerd; k — ofen; 1 =
bodentreppe. — Die flur ist hier kleiner als in fig. 9 und fig. 8,
weil im binnenlande eine geräumige flur wirtschaftlich nicht
nötig ist (vgl. s. 57).
Ich habe hiermit sämmtliche grundrisse preußisch-litauischer
häuser, welche ich habe entwerfen oder auftreiben können, mit-
geteilt. Ginge ich in Litauen weniger der spräche nach, so
würde ich mit leichter mühe noch eine ganze menge solcher
risse haben sammeln können; ich bezweifle aber, daß dadurch
an den resultaten dieser Untersuchung etwas erhebliches geändert
wäre, denn so viele litauische bauernhäusor ich auch, von Du-
beningken bis nach Nimmersatt, besucht habe — ich habe
keines gefunden, das in einem wesentlichen gegensatz zu dem
nachgewiesenen grundtypus eines litauischen bauernhauses (fig. 1)
stände, und die hiervon verschiedenen hausconstructionen, welche
in unserem Litauen sporadisch vorkommen88), oder vorkommen
•
38) Herr oberlandesgerichtsrat Ernst Wiehert hatte die güte, mir
nach dem abschluß dieser arbeit die Zeichnung und den grundriß eines
hauses in Gilge mitzuteilen, das ich der ostdeutschen bauart zuweisen möchte.
Dieser grundriß ist in fig. 21 widergegebeu; ich verweise zu ihm auf
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Von A. Bezzenberger.
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mögen, sind sicherlich aus anderen gegenden Ostpreußens ein-
geführt. Daß in dieser provinz verschiedene bauweisen vor-
kommen, ergibt ein vergleich z. b. der bauernhäuser um Königsberg
mit der ausgezeichneten darstellung eines ermländischen bauern-
hauses, welche in den „Sitzungsberichten der altertumsgesellschaft
Prussia", november 1883 — 1884 (s. d. angehängten tafeln) veröffent-
licht ist. Vgl. auch Dittrich Das alte ermländische wohnhaus,
Zeitschrift f. d. geschichte u. alterthumskunde Ermlands V. 510.
Die resultate, welche ich in bezug auf die entwicklung des
preußisch-litauischen hauses gefunden zu haben glaube, sind, kurz
zusammengefaßt, folgende: Ursprünglich existierte nur ein
wohnhaus ganz primitiver art (namas); später trat dazu
mindestens ein zweites wohnhaus (stubä); noch später
wurden stubä, namas und der maltüwe genannte, früher
selbständige wirtschaftsraum zu einem hause vereinigt
und es entstand so der grundtypus fig. 1, auf welchen
alle mir bekannten preußisch-litauischen bauernhäuser
zurückgehen.
Ich gehe nun zu dem russisch-litauischen hause über 89).
Leider kenne ich dasselbe nur sehr ungenügend, da mir meine
zeit an ort und stelle nie erlaubt hat, ihm eingehende aufmerk-
samkeit zuzuwenden. Nach den eindrücken, die ich von ihm,
sowohl aus Zemaiten wie aus Litauen mitgenommen habe, ist
es von dem preußisch-litauischen hause principiell nicht ver-
Wichert's Littauische geschieh ten (Leipzig 1882) s. 211. Wie mir herr
Wiehert sagt, zeigen dort andere, und zwar gerade alte häuser denselben
typus. Auf welchem wege er uach Gilge gekommen ist. bleibt zu untersuchen.
39) Neuere literatur über das russisch-litauische und das zemaitische
haus gibt es meines wissens nicht. Nur in den „notizen von Preußen'',
II. Sammlung, Königsberg 1796, s. 160 habe ich eine diesbezügliche bemerkung
gefunden: „Die bauart ist in manchen dörfern der herrschaft Serrey nicht
mehr ganz polnisch. Die gebäude sind zum teil aus unbeschlagenem holze
in bollwänden erbauet und ziemlich geräumig. Manche haben auch Schorn-
steine, eino sonst ganz ungewöhnliche erscheinung iu polnischen dörfern.
Man beschreibt sonst überhaupt, und zwar sehr treffend, die Wohnungen
des polnischen hauers wie meise-kasten, und auch solche findet man noch
hin und wieder in den Serreyschen dörfern".
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62
Über das litauische haus.
schieden, und diese Vermutung wird durch die grundrisse be-
stätigt, welche ich erhalten habe. Der erste von ihnen, welchen
ich herrn dr. E. Wolter verdanke, ist der plan eines hauses in
Dewaltowo bei Wilkomir (fig. 11); die drei anderen stellen
häuser aus der gegend von Birgen (kreis Ponewesh) dar und
sind mir durch die gute des herrn generalsuperintendent
von Moczulski zugekommen (fig. 12, 13, 14). Ich gebe zunächst
die nötigen erläuterungen zu diesen rissen.
Ad fig. 11: a = flur (priWne); b = Wohnzimmer (grycze);
c und c1 = kammer; d = ofen; e = katelnycze.
Ad fig. 12 40), 13, 14. Hier sind durchgehende bezeich-
nungen angewendet: A = gryczia (wohnstube); B = hand-
kaminer uud küche; C = premenia (flur, Vorzimmer); D = ka-
marela del swiaczia (besuch-raiun) ; E = sekliczia (karaara) del
prakilna swiaczia (staatszimmer)41); F = kamarela del walgima
swiacziam (räum zur bewirtung der gaste); G = kamarela del
guala swiacziam (schlafstätte für gäste); a = duris (tür); b =
lungas (fenster); c = peczis (ofen); d = Iowa (bett); e = stalas
(tisch); f - kiarte (wieta) del padejima bulbu (platz für kartoffeln);
g =^ wieta del padejima wyralu (kubilu su burokeis, kapusteis
ir su batwynieis) (platz für geftisse mit roten rüben u. dgl.);
h = wieta del girnu (handmühle); i — wieta del zusu perejima
(lustos) (gänsenester); k = wieta del kiaulu palobima (mästplatz
für Schweine?); 1 — angelsk kuchnia (kochinaschine?). — Die
in A längs den wänden gezogeneu striche sind nicht erleutert,
stellen aber zweifellos bänke vor.
Wie mir der Zeichner dieser risse schreibt, ist in fig. 12
ein haus aus der zweiten hälfte des vorigen jahrhunderts, in
fig. 13 ein haus aus der ersten hälfte dieses jahrhunderts und
40) Man vgl. hiermit fig. 41 (s. 60) bei Henning a. a. o.
41) Griczia „wohnstube", priemenia und sekliczia erscheinen
auch in der wiederholt erwähnten schrift ,,Jons ir Auiutia'', deren dialekt
ich nicht zu bestimmen wage. Unklar ist mir in ihr derausdruck: noreja
ejti in piaczi del ipilima szilta wirala (s. IG). Sollte piaczius
(=päczus „backofen") hier etwa „küche" bedeuten?
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Von A. Bezzenberger.
63
in fig. 14 ein haus aus der zweiten hälfte dieses jahrhunderts
dargestellt. Der fortschritt der civiiisation, der in fig. 13 und
14 hervortritt, ist auch in dem äusseren dieser häuser zu er-
kennen; vgl. fig. 15, 16, 17, in welchem die zu fig. 12, 13, 14
gehörigen fronten abgebildet sind. Alle drei häuser sind mit
stroh gedeckt, doch gibt es bei neuen häusern auch Schindel-
dächer. In fig. 15 und fig. 16 treten die enden der zum bau
verwendeten balken hervor; an dem in fig. 17 abgebildeten
hause sind sie dagegen mit gehobelten brettern verschalt.
Vergleicht man nun fig. 11—14, die augenscheinlich auf
einen grundtypus zurückgehen, mit fig. 1 — 7, so ergibt sich eine
so überraschende Übereinstimmung zwischen diesen und jenen,
daß es jeder wahrscheinlich finden wird, die entwicklung unserer
russisch -litauischen und preußisch -litauischen häuser sei die
gleiche gewesen. Es fragt sich indes, ob diese Vermutung ganz
zutreffend ist.
Gr<cze (oder grf czia) ist aus grynicze verkürzt und
dies ist aus dem altrussischen gridlnica entlehnt (Brückner
Lituslav. stud. I, s. 85), das von Miklosich mit „satellitum
domus" übersetzt wird und, beiläufig bemerkt, skandinavischer
abkunft ist. Im heutigen Russisch soll eine nebenform dieses
wortes (gridlnja) dialektisch mit der bedeutung „bauernhütte"
vorkommen. Nach Ruhig-Mielcke bedeutet gryniczia „gesinde-
stube" und dieselbe bedeutung gibt Geitler Lit. stud. s. 84 der
form gricza. Nach Brugman (Leskien-Brugman Lit. Volks-
lieder u. s. w. s. 335) istgrincze(= grynicza, grVcze) „der
gewöhnliche ausdruck für ein kleineres haus, besonders bauern-
haus". In Szyrwids Dictionarium endlich findet sich nach „izba,
hypocaustum, troba kuriama" der artikel „izba czarna, fumarium,
pirtinia, grinicia". Da pirtinia von pirtis „badestube"
(bei Szyrwid unter laznia) abgeleitet ist und grinicia wegen
der herkunft und der heutigen bedeutung dieses wort zu Szyr-
wids zeit nicht wohl „rauchkammer" „räucherkammer" — so
übersetzt Nesselmann — bedeutet haben kann, so möchte ich
die frage aufwerfen, ob dort etwa pirtinia und grinicia je
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04
Über das litauische haus.
ein verschiedenes „fumarium" bezeichnen, und ob unter der
grinicia etwa das preußisch-litauische „rauchhaus", namas, zu
verstehen fst. Die grinicia würde alsdann neben der izba,
der troba kuriama, stehen, wie der namas neben der stuba.
Doch ich verfolge dies nicht weiter. Jedenfalls führt ein räum
der in rede stehenden häuser einen namen, der anderwärts, und
zwar auch in Litauen als bezeichnung eines selbständigen ge-
bäudes vorkommt und ursprünglich nur so gebraucht zu sein
scheint. Daß die altrussische gridlnica als „satellitum domus"
sachlich von dem namas, wie Praetorius diesen beschreibt (o. s. 36),
nicht weit abstand, sieht jeder. — Ein russisch -litauisches
synonymon von grtfcze „Wohnzimmer" scheint pirkcze bei
Fortuna tow und Miller Litovskija narodnyja pesni s. 116 zu
sein. Fortunatow bringt dies wort gewiß richtig mit pirkia
„czernaja izba" (Mikuckij), „piekarnia, artoptaeum, pistrinum"
(Szyrwid) zusammen (Beitr. z. künde d. indog. sprachen IH, s. 69) ;
allein da ich die lautliche identität dieser Wörter bezweifle, wage
ich ihre sachliche und historische nicht zu behaupten.
"Was die premene oder pre'menia betrifft, so erscheint
dies wort in einem artikel des alten quartlexikons, den Nessel-
mann — von Kurschat ganz zu schweigen — ungenau wieder-
gegeben hat; er lautet: „Backhauß priemena namas rectius
peczone". In der Bretken'schen bibelübersetzung ist die form
priemenei (nom. sg. priemenis) II. Mos. 40, 33 randglosse
zu dimsti, das Bretken II. Mos. 27, 9 in der bedeutung „hof-
raum" gebraucht; die neue litauische bibelübersetzung hat an
jener stelle prVbut\, an dieser pryangj. In einem modernen
z'emaitischen text, Pal^ngos Juze, finde ich prejmine (= pre*-
mene) als bezeichnung eines zemaitischen raumes, in dem ge-
kocht wird (taj tarusi iszeje i prejminq ir lij pe mergielej
ugni sukurti s. 8); in „Jons ir Aniutia" ist priemenia und
in der auf der folgenden seite aus Dowkonts Buda. u. s. w. an-
geführten stelle ist primiue ein im hause befindlicher Vorraum
(Dowkont erklärt das wort aus pirmo und minti). — Dies ist
alles, was ich über dies wort sagen kann, und gewiß ist dies
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Von A. Bezzenberger. 65
■
nichts weniger als hinreichend für die annähme, daß die prihneno
ehemals ein selbständiges gebäude gewesen sei. Läßt sich dies
aber nicht beweisen, so schwebt die annähme, daß der grund-
typus unserer russisch-litauischen bauernhäuser ebenso wie der
der preußisch -litauischen bauernhäuser durch die Verbindung
dreier selbständiger gebäude entstanden sei, in der luft.
Abbildungen zemaitischer Wohnhäuser kann ich leider nicht
mitteilen ; ich will aber einen zemaitischen Sprachgebrauch hervor-
heben, der in Verbindung mit dem vorausgehenden auf die ent-
stehung des zemaitischen hauses wohl licht wirft. In dem schon
erwähnten text Palangos Juze wird troba öfters in der bedeu-
tung , .stube" gebraucht: suejus i troba. arba grincze. s. 7;
s. 15 wird zu einem, der schon im nums ist, gesagt ejk i troba,;
woz duris atidariau, mergiele i qntra, troba, iszokusi
tare s. 27. In Dowkont's Dajnes Ziamajtiu no. 29 erscheinen
griniczele, seklyczele und trobuzele als verschiedene
räume gewiß eines hauses, und in Dowkonts Buda. u. s. w. s. 23
steht sogar: ketwirtasis trobesys buo trobas arbo swet-
lyeze rume pas mazosqs durys wadinos wirene
arba kokne, o rume pas didiosQs durys wadinos primine
. . . ., korioie buo trejes duris be didiuiü: beje wijnas
i koknq, antras i troba. o tretioses i priszinike, 42).
Hier ist also der pluralis trobas name eines hauses — und
zwar eines solchen, das nach seiner Schilderung den besprochenen
preußisch- und russisch -litauischen hüusern ziemlich genau ent-
spricht — , und troba bezeichnung eines raumes desselben 43).
Darnach ist es mir sehr wahrscheinlich, daß auch das zemaitische
wohnhaus in sich verschiedene früher getrennte gebäude vereinigt.
Was die großen Verhältnisse, die bauart u. s. w. der litaui-
schen häuser betrifft, so kann ich darüber nur wenig sagen.
Die besprochenen Enskehmer häuser sind zwischen 12 und
42) Dowkont spricht sich an dieser stelle ausführlich über den zemai-
tischen hausbau aus, aber er ist sachlich ein sehr unzuverlässiger schriftsteiler.
43) Vgl. rumas — rümai o. s. 53, anra. 30.
AJtpr. MonatMcbrlft Jl.l. XXIII. Hit. 1 u. 2. 5
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CG
V bor das litauische haus.
16,50 mcter lang und zwischen 7 und 8,50 meter breit. Das
Drawöhner haus fig. 9 besitzt eine länge von etwas über 24 m.,
eine breite von etwas über 6,50 m.; das Ugejahner haus fig. 10
schätzte ich 62 fuß lang und 28 fuß breit. — In Birsen sollen
die älteren häuser durchschnittlich 6 faden (s^ksnis) lang,
2,/2 faden breit und 6 fuss hoch, die neueren aber durchschnittlich
8 faden lang, 4 faden breit und 7 fuss hoch sein. Ich selbst
habe die höhe nirgends gemessen, höchstens unabsichtlich, in-
dem ich mit dem köpf an die deckenbalken stieß.
Im norden des preußischen Litauens und in Zeraaiten und
Ostlitauen herrscht fast ausscliließlich der holzbau, und auch
im süden des preußischen Litauens scheint derselbe früher die
regel gewesen zu sein. Heute findet man in dem letztgenannten
landstrich aber auch nicht wenige massive gebäude. Fach-
werkbau kommt meines wissens nirgends vor, dagegen bauen
ärmere leute lehmhäuser. Im süden unseres Litauens sind die
häuser vielfach geweißt. — Beim holzbau unterscheidet .man im
preußischen Nordlitauen zwei arten zu bauen, das bauen \ szulus
„in Ständern mit füllholz" und das bauen \ kertis „in gehrsass".
Der letzte ausdruck ist dadurch veranlaßt, daß die fuge, in der
zwei balken in einander greifen, die winkelkerbung, ebendort
kertis heißt. Anderswo sagt man \ sa/sparas budawöti für
\ kertis (auch \ kertes habe ich gehört) budawoti. - Das holz-
haus ruht auf einem fundament von steinen, das die preussischen
Nordlitauer pulements nennen; die unmittelbar auf diesem
ruhenden balken heißen bei ihnen p am ata (ein solcher heißt
pämats). Die spalten in der wand zwischen den einzelnen
brettern und balken Mntarpei) sind mit mos ausgestopft, das
dach ist durchaus von stroh. Seine first ist mit einer besonderen
strohschicht (nordlit. apwerszäwems) bedeckt, die durch stroh-
bündelchen (nordl. burczäka) und gekreuzte hölzer festgehalten
wird. Der gibel geht entweder von oben glatt zur erde, oder
er beginnt oben vertikal, wendet sich dann (hier mit stroh bedeckt)
unter einem stumpfen winkel seitlich und stößt unter einem
spitzen winkel auf die schmale hauswand, über die er ein stück
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Von A. Bezzenberger. 67
hinausragt 44). Erinnere ich mich recht, ao trägt er nur im
letzteren falle giebelverzierungen, etwas, das noch besonderer
Untersuchung bedarf. Dieselben heißen im preuß. Nordlitauen
gaidakä, in Drawöhnen auch peres; in Ostlitauen scheint es
dafür keinen bestimmten ausdruck zu geben, man nennt sie dort
wohl gaidzei, aber auch arklelei und ragai. Die zu dem
hause fig. 10 gehörigen sind in fig. 20 abgebildet. (Vgl. dazu
Passarge Aus balt. landen s. 220). — Vor der tür des hauses und
der klete ist nicht selten eine verandaartige vorhalle; am hause
befindlich heisst sie pr<numangis oder prfangis (auch
pryange), an der klete befindlich nur pr^angis.
Eine bestimmte Stellung innerhalb des gehöftes (nordlit.
gywenems) hat das litauische bauernhaus nicht. Ebensowenig
scheint mir — von der jäuja abgesehen — die Stellung der
übrigen gebäude zu ihm bestimmt zu sein. Doch ist es regel,
daß die klete (südlit. kletis, nordlit. klete) sich in der nähe
des Wohnhauses befindet. In dem in „Jons ir Aniutia" s. 7
geschilderten dorf steht sie je dem wohnhaus gegenüber. Im
preuss. Südlitauen ist sie jetzt wohl durchgehend unter einem
dache mit einem anderen räum, vereinzelt sogar mit dem wohn-
hause selbst; so ist sie z. b. unmittelbar mit dem in fig. 2
geschilderten hause vereinigt. Sie wird aber nicht zum wohn-
hause gerechnet. Dieses gebäude dient als Speicher und zugleich
als schlafraum, im allgemeinen für erwachsene mädchen; doch
schlafen hin und wieder die knechte und im sommer, wenn es
im wohnhause zu heiss ist, der wirt und seine angehörigen in
ihm. — Kleten sind die einzigen litauischen gebäude, welche
zweistöckig vorkommen. Der untere räum ist in Nordlitauen
meist in zwei hinter einander liegende kammem geteilt, von
welchen der erste prtf klete heißt, der obere räum heißt hier
gredä (plur.) oder beningis. — Die jaujen (lit. jauja48),
44) Die giebelwand bis zum dacbe heisst galas; insofern der giebel
einen teil des daches bildet, heisst er ggwelis. Im gegensatz zu galas
steht szä*ns eine „htng^ite des hauses'' (so in Nordlitauen).
45) In der Bretken'schen bibelübersetzung Richter VI. 11 steht der
locat. sing, jawioie.
5*
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(58
1'ber das litauische haus.
poln. jawia; vgl. Lit. forschungen s. 118) stehen, meines wissens
nach einer polizei Verordnung, in Nordlitauen vom gehöft entfernt;
in Südlitauen finden sich diese gebäude nicht, und wie man mir
dort sagte, kommen sie, ebenso beschaffen wie die nordlitauischen
jaujen, aber mit dem namen pirtls 46) erst nördlich von Pill-
kallen vor.
Die einfriedigung eines litauischen gehöftes wird, wenn ich
mich recht erinnere, im allgemeinen in der weise gebildet, daß
seine lücken durch hecke geschlossen werden. In südlitauischen
dörfern habe ich jedoch auch feste bretterwände gefunden. Nach
„Jons ir Aniutia" s. 7 ist jede sodiba (d. i. hier „bauernhof ')
mit tannenen zaunstacketen umzäumt. — In Nordlitauen ist die
einfahrt oft durch ein aus zwei vertikalen und einem darüber
gelegten horizontalen balken gebildetes, torartiges gerüst markiert.
Zum schluss erlaube ich mir einige worte über kurische
und lettische häuser.
In fig. 18 ist eine flüchtige skizze eines vom sande fast
vergrabenen häuschens in Nidden (kur. nerung), in fig. 19 eine
ebensolche skizze eines hauses in Karlkelbeek (nördlich von
Memel) mitgeteilt. Dort ist : a = wohnstube, b = nur, c — stall,
d = heerd, e = ofen; hier ist: a = flur; b = wohnstube,
welche durch einen nicht bis zur decke reichenden zäun in zwei
hälften geteilt ist; c, c1, c2 = Vorrats-, bez. gerätkammer;
d = heerd; e = ofen.
Fig. 18 47) stimmt in der hauptsache zu fig. 1 und fig. 19
bildet eine übergangsform von dieser zu fig. 8. Ich habe sie
als solche aber nicht verwortet, weil das betr. haus in einem
kurischen dorfe steht. Daß c, c1 und c2 früher ein räum waren,
ergibt sich aus der ganz singulären anläge dieser drei räume
4G) Daß dieser narae dort den namen jauja verdrängt hat, kommt
daher, daß dt>r eine teil einer jauja pirtis heißt, und dies beruht darauf,
daß frühzeitig (vgl. Lepner a. a. o. s. 71) jauja und pirtls („badstube")
vereinigt sind. Heute gibt es im preußischen Litauen keine badstuben mehr.
47) Vgl. dazu Passarge Aus baltischen landen e. 157 f., 214 f.,
256, 258, 269.
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Von A. Bezzenberger.
6U
und daraus, daß über der tür von c1 nach der flur zu der rest
einer raita (vgl. Gött. gel. anz. 1885, s. 940) erhalten ist; diese
tür ist also früher nicht vorhanden gewesen und jenseits der-
selben hat ein ofen gestanden, der doch einen größeren räum
voraussetzt.
Über die lettischen bauernhäuser Livlands und Kurlands
habe ich nichts specielles aufgezeichnet, glaube mich aber zu
erinnern, daß sie im allgemeinen wesentlich ebenso, wie die
litauischen, beschaffen sind48). Bielenstein, welchen ich nach
ihnen fragte, schrieb mir u. a.: „"Wenn heute in Kurland bei alt-
modigen Wohnhäusern derküchen- und Vorraum des hauses na'ms
heißt, so beweist das, daß dies ursprünglich das ganze haus war.
Alle anderen angebauten wohnstuben und kammern sind neuere
errungenschaften". Das stimmt bestens zu dem, was oben nach-
gewiesen ist. Im Übrigen bemerke ich, daß mit na'ms im
Lettischen noch besondere gebäude bezeichnet werden (vgl. Ul-
mann Lett. Wörterbuch s. 167), und nami' lisch in Livland
name der sommerküche ist. Bielenstein erinnert sich, solche
sommerküchen zeltartig aus stangen hergestellt gesehen zu haben ;
vielleicht hat sich da die ursprünglichste form des litauisch-
lettischen namas erhalten.
48) Wesentlich von diesen verschiedene häuser erinnere ich mich nur
auf der ostküste des Rigischen meerbusens — und zwar nur an der küste —
gesehen zu haben. Als icli Hennings schöne, ich möchte sogar sagen:
classische schrift über das deutsche haus las, glaubte ick mich bei fig. 40
{s. 68) nach Adjamünde versetzt — ebenso wie diese, jedoch je auf 4 stein-
blöcken ruhend, sahen zwei holzhäuschen aus, vor denen ich ein paar stunden
im sande lag, indem ich mich mit den fiachern, die in ihnen hausten, unter-
hielt. — Beiläufig erlaube ich mir noch ein paar bemerkungen zu der
erwähnten arbeit Hennings. Fig. 13 (s. 80) repräsentiert die gewöhnliche
form der krüge Kur- und Livlands. Die nach dem dachrauin führeuden
hochbrücken, welche Henning s. 17 erwähnt, habe ich ebendort an herrschaft-
lichen Wirtschaftsgebäuden häufig bemerkt, und die von ihm s. 18 besprochenen,
„aus blockhölzernen hergestellten" „brücken" sind auch den Letten nicht fremd,
and werden bisweilen in lettischen Volksliedern erwähnt (vgl. z. b. Latweeschu
tautas dfeesmaa n o. 3283, 3292, 3293). — Bei der Untersuchung des lettischen und
des estnischen hausbaus wird mau gut tun, an die Schweden an den küstcu
Estlands und auf Kuno (C. Rußwurm Eibofolke, Reval 1865) zu denken.
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••s,
70 Über das litauische haus.
Der auffassung, welche ich von der entwicklung des
litauischen hauses hege, steht die annähme entgegen, daß das-
selbe „fränkisch" sei. Diese ansieht tritt auf der karte hervor,
welche der erwähnten abhandlung Meitzens hinzugefügt ist. Ich
bin auf sie nicht eingegangen, weil sie nicht begründet und
von Meitzen s. 70 eingeschränkt ist, und weil ich den gang
meiner eignen Untersuchung nicht durch die discussion fremder
meinungen unterbrechen wollte. Gewiß ist der typus des
litauischen hauses demjenigen des fränkischen ungemein ähnlich,
aber bis auf weiteres halte ich diese ähnlichkeit für ein spiel
des Zufalles.
Nachträglich stelle ich noch einige angaben über
litauisches und lettisches bau- und wohuwesen zusammen, die
ich größtenteils nachweisungen L. Stieda's verdanke.
Gilbert de Lannoy (geb. 1386), Scriptores rerum prussi-
carum HI. 447 ff. la souveraine ville de Letau, nommee
le "Wime, en la quelle y a ung chastel, situe moult hault sur
une savelonneuse montaigne, fermee de pierres et de terre et
de massonaige; de dedens est tout edifie de bois .... Et n' est
point la ville fermee, mais est longue et estroitte de hault en
ba8, tres mal amaisonnee de maisons de bois; et y a aueunes
eglises de brieques. Et n' est le dit chastel sur la montaigne
forme que de bois par bolvereques, fais a manieres de murs"
„une tres grosse ville en Letau nommee Trancquenne 49), mallement
maisonnee de maisons toutes de bois". . . . „ung chasteau et
villaige nomme Posur ... et est le dit chastel moult grant tout
de bois et de terre".
Kosmopolitische Wanderungen durch Preußen, Liefland,
Kurland, Litthauen, Vollhynien, Podolien, Gallizien und Schlesien
in den jähren 1795 bis 1798, Germanien 1800, II. 607 ff.: „Für
seine wohnung muß er [der gemeine Litauer] selbst sorgen.
49) D. i. Troki, Tracken. Vgl. die Ortsnamen Trakehnen, Trak*
seden u. s. w.
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Von A. Bezzenberger.
71
Diese schlägt er gewöhnlich aus einigen pfählen zusammen,
überkleistert sie mit leim, haut einige kleine viereckigte löcher
hinein, steckt in dieselbe eine art von grobem glas, bedeckt das
dach mit stroh, und — nun ist der palast fertig. An küche
und Schornstein ist nicht zu denken. Der ofen nimmt gewöhn-
lich den 8ten teil des zimmers ein und ist die lagerstätte der
weiblichen familie. Die männer liegen auf den bänken um-
her, oder auf der bloßen erde Der kleine edelmann
wohnt nicht viel beßer, als der bauer. Zwar hat er ein etwas
größeres haus und meistenteils auch eine art von Schornstein;
allein an bequemlichkeit und reinlichkeit fehlt es ihm ebenfalls.
An einen gedielten boden ist nicht zu denken; man findet hügel
und täler in den stuben. In einer ecke schläft der edelmann,
und in der andern zuweilen schweine, kälber, hühner, enten,
alles friedlich bei einander. Wenn es hoch kommt, so sind
diese säubern gesellschafber durch eine brettwand von ihrem
herrn getrennt. In einer kammer neben der stube ist das
getreide aufgeschüttet. . . . Gebäude von steinen sieht man
nicht häufig".
Xarody Bossii (Die Völker Rußlands) U. 79 f. (St. Peters-
burg 1878): „Die gebäude [der Litauer] sind wegen des reichtums
an wäldern solid gebaut. Die fenster sind sehr eng, länglich
und an der Vereinigungsstelle zweier balken eingehauen; nur die
wohlhabenderen haben in ihren häusern fenster von mittlerer
große. Die dächer sind von stroh. In dem kreis Kowno und
den angrenzenden teilen anderer kreise heißt das bauernhaus
(H3Öa) gy wene (rHBene), in den kreisen Schaulen und Ponewesh
und in einem teil des Nowo-Alexandrowsk'schen kreises gryczoi
(rpHiofl), in 55emaiten troaba (rpoaÖa). Es wird durch eine
hausflur in zwei teile getrennt: in dem einen wohnt die familie
des wirts und die dienerschaft, in dem anderen sind die Vor-
ratskammern. Bei reichen bauern findet sich ein besonderes
erapfangszimmer für gaste, genannt seklycza oder seklyczawa.
Vor dem haus befindet sich ein kleiner, viereckiger hof, an
dessen Seiten scheuern und Speicher sich befinden. Ein kleiner
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72
Über das litauische hau«.
Speicher (swirni) ist ein unumgänglicher zubehör eines jeden
bauerhofs; in ihm wird aufbewahrt getreide, sowohl als körn,
wie als mehl, grütze und verschiedene gartengemüse. — Die
Zemaiten übertreffen an Schönheit des hausbaues und an rein-
lichkeit bei weitem die Litauer. Insbesondere in dem kreise
Telsch sind die häuser der Zemaiten im allgemeinen hübsch
und hinreichend hoch, haben größere fenster und zum dach
hinausgeführte Schornsteine. Alle gobäude, welche einen hof
bilden, heißen numa (HyMa), das eigentliche bauernhaus troaba.
Dasselbe besteht aus 3 abteilungen: eine für den wirt, die zweite
für die arbeiter, die dritte dient zur aufbewahrung von Sachen
und producten. Wohlhabende bauern haben ein besonderes
zimmer fürgäste, welches alker is (aibKepncb) heißt. Die troaba
hat ein hohes Strohdach. Die schwelle spielt im hause des
Zemaiten, wie der vordere winkel in dem des Litauers, eine
große rolle Die zimmer sind im zemaitischen hause immer
sauber aufgeräumt, der fußboden ist rein gewaschen, die decke
mit über die querbalken gesteckten blumen und duftigem grase
geschmückt, und die dielen sind mit tannenreisern bestreut.
An den wänden hängen heiligenbilder von dorfmalern. In der
anderen hälfte des hauses, wo das gesinde untergebracht ist,
befinden sich zur Winterszeit auch tiere: ein schaaf oder eine
ziege, ein neugeborenes kalb und mitunter auch ein mutter-
schwein mit ferkeln. Entsprechend der anordnung der lit.
baulichkeiten befindet sich bei jedem zemaitischen hause eine
swirnja, worin in großer Ordnung untergebracht sind getreide,
flachs, mehl, grütze und leinwand von ausgezeichneter weiße,
das hauptproduct der Zemaiten und ihr hauptstaat. In alten
zeiten hat man in den swirnen die kriegswaffen aufbewahrt
Bei den Zemaiten bildet das bett einen sehr wichtigen zubehör
zum häuslichen leben und dient zum beweis des Vermögens und
der Ordnung der Wirtschaft. Pfühle und kissen sind der unum-
gängliche besitz eines jeden wirts. Gewöhnlich schlafen die
Zemaiten in den speiehern und bedecken sich hier, um sich vor
der kälte zu schützen, mit vollgestopften bettpfühleu
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Von A. Bezzenberger.
73
Bei den Litauern dagegen bildet das bett keinen gegenständ von
besonderer Wichtigkeit".
Kosmopolitische Wanderungen (s. o.) HL 117 ff.: „In Cur-
land findet man selten eigentliche zusammenhängende dorf-
schaften, sondern meistens nur hin und wieder zerstreute Woh-
nungen. Was diese Wohnungen im 12. jahrhunderte waren,
das sind sie auch noch am ende des 18.: elende hölzerne ba-
rackeu, von denen man jeden augenblick erwarten muß, daß
sie über den köpf ihrer bewohner zusammenstürzen werden.
Sie sind sehr kunstlos, und ganz nach dem alten zuschnitt er-
baut. In einer gewissen entfernung von einander, steckt man
abgeschälte baumstämme in die erde, füllt die Zwischenräume
mit moos aus, und so ist ein curischer pallast fertig. Das
dach wird mit stroh belegt, das an beiden hauptseiten fast
bis auf die erde herabhängt. Statt der fenster sind viereckige
löcher eingehauen, die mit einem hölzernen Schieber versehen
sind. Diese löcher geben der wohnung das erforderliche tages-
licht, und rühren zugleich den rauch ab, da sonst die bewohner
dieses jammergemachs ersticken würden. Von Schornsteinen
weiß man in diesen hütten nichts; blos die Wohnungen der
edlen, der geistlichen, der beamten und die wirthshäuser sind
damit versehen. Oft fehlen in einer curischen hütte auch
sogar die fensterlöcher, und dann besteht das ganze gebäude
nur aus einem einzigen dache, welches hausflur und zimmer
zugleich vorstellt, und wo die kleine niedere thüre das tages-
licht hinein- und den rauch hinausläßt. Gewöhnlicher aber
findet man das gebäude in zwei hälften abgetheilt. Die eine
hälfte, in deren mitte sich die thtir befindet, dient zum haus-
flur, und ist der aufenthalt mannigfaltiger thiere, die, wie in
der arche Noah's, hier friedlich bei einander leben. Die andere
hälfte macht das eigentliche Wohnzimmer aus, welches von
der familie aber gewöhnlich nur im winter besucht wird. Im
sommer schläft ein jeder da, wo er es am bequemsten findet;
im winter aber sohlägt man sein nachtlager entweder auf dem
ofen oder auf der platten erde auf. Neugeborene oder kranke
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74
Über das litauische haus.
thiere werden in's zimmer genommen, und theilen dasselbe
mit ihrem herrn. Der fußboden besteht aus thonerde, die
man fest zusammengeschlagen hat. Der ofen nimmt einen
großen theil des zimmers ein, und wird bald zur Schlafstelle,
bald zum backhause, bald zum heerde gebraucht. Der gestank,
welcher hier von den ausdünstungen der menschen und thiere,
besonders im winter, herrscht, verbunden mit dem unaussteh-
lichen, die äugen beißenden rauche, der gewöhnlich wie eine
dicke wölke in dem oberen theile des zimmers schwebt, wie
auch die ganz unerträgliche hitze, die man daselbst aushalten
muß, machen diese Wohnungen zu einem höchst ungesunden,
pestilenzialischen aufenthalt". Das. s. 4G5 ff.: „Alle Wohnungen
der liefländischen bauern liegen zerstreut auseinander, umgeben
von dicken Waldungen, und sehr oft romantisch genug. Viele
haben nicht einmal abgesonderte hütten, sondern bloße scheunen,
in denen die arme familie hauset. Aber selbst diese htitte,
welch ein erbärmliches mach werk ist sie? — Kunstlos setzt
man sie von einigen in einer gewissen entfernung von einander
abstehenden bäumen zusammen, verklebt die wände mit werg
und lehm, haut ein paar kleine löcher, statt der fenster, in
die wand, die das tageslicht herein- und den rauch hinaus-
laßen, und die selten mit einer art von grober glasscheibe,
gewöhnlich nur mit einem hölzernen Schieber versehen sind —
und der pallast des Liefländers ist fertig. Die thür ist so
niedrig, daß man fast zur hälfte gebückt hineinkriechen muß.
Das dach ist mit stroh gedeckt. Schornsteine sieht man fast
gar nicht, sondern der rauch zieht durch fenster und thüren,
und bildet in der stube eine ewige dampfwolke. In diesem
gemache herrscht, besonders im winter. eine pestilenzialische
ausdünstung; und in diesem unerträglichen Gestank hausen die
armseligen bewohner fast ihr ganzes leben lang. Gemein-
schaftlich theilen sie diese wohnung mit ihren kälbern,
Schweinen , hühnern , gänsen , enten , hunden und katzen.
Wenn es abend wird, so stecken sie in die ritzen der wand
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Von A. Bezzenl>erger. 75
große dünngeschnittene kienstöcke, die ihnen statt des lichtes
dienen und einen unerträglichen erstickenden dampf von sich
geben. Bei diesem lichte sitzt nun die halbnackte familie,
und verrichtet ihre f.bendarbeit. Sie haben oft kaum satt zu
essen; spreubrod und höchstens kartorleln sind ihre nahrung;
milch und honig ist . ihre sonntagsspeise und fleisch essen sie
nur an hohen festlagen. Der boden des zimmers und der
große ungeheure ofen ist ihre lagerst fttte; hier verschlafen sie
ihr elend und sind im träume wenigstens glücklich'4.
J. G. Kohl Die deutsch - russischen ostseeprovinzen II.,
Dresden und Leipzig 1841, s. 53 ff.: „Ein lettischer bauerhof
besteht aus folgenden gebäuden und gebäudeabteilungen, dem
wohnhause, dem Pferdestalle, dem viehstalle, der badestube, der
kleete (dem vorratshause) und der rige. Alles liegt in einem
cirkel oder quadrat um einen runden oder viereckigen hof her-
um, alles niedrig mit stroh gedeckt, aus fichtenstämraen gebaut
und meistens von einigen hübschen birken beschattet, von denen
in der regel auch eine in der mitte des gehöftes selbst steht.
Des bei ihnen so beliebten badens und anderer rücksichten
wegen siedeln sich die Letten meistens am hohen ufer kleiner
backe an. Nur die badestube tritt gewöhnlich aus jenem häuser-
ringe dicht an das waßer des flußes heraus und zuweilen auch
die rige mitten in's feld. So an den flüßen, in Wäldern und
cümpfen zerstreut liegen diese gehöfte im ganzen lande umher.
Selten nur bauen sich zwei oder mehre gehöfte neben einander,
und nie bilden sie ein förmliches dorf. .... "Wie die häuser
so bestehen auch die befriedigungen und zäune, welche sie ver-
binden und umgeben, durchweg aus fichtenstämmen, selten aus
über einander gelegten steinen. In der Zusammensetzung dieser
zäune zeigen sich durchgehende, nationeile, provincielle und
districts-unterschiede. — Auf einem schmalen, kleinen, holperigen
wege, zu deßen beiden Seiten ein hoher holzzaun steht, gelangt
man zu dem hölzernen tore des gehöftes selbst. Nur ein eiu-
gang findet sich in der regel zu diesem gehöfte, welches der
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7«
Über das litauische haus.
nordische Boreas rund umher mit gebäuden umstellen und
stubenartig abschließen lehrte. Alle fenster und türen kehren
sich nach innen, von wo die ansicdelung daher auch viel heim-
licher und wohnlicher aussieht, als von außen, wo nur die ein-
förmigen holzwände erscheinen. Das wohnhaus tut sich durch
seine große und seine kleinen fensterlöcher als solches hervor.
Dem durch die niedrige tür eintretenden eröffnet sich sogleich
ein kleiner Vorraum, in deßen mitte der heerd mit dem grütze-
keßel steht. Zur rechten seite dieses vorhauses befindet sich
die große wohnstube, zur linken ein anderes zimmer, das zu
verschiedenen zwecken dient, gewöhnlich zur wohnung der
knechte und mägde. In der hauptstube zur rechten werden alle
Zimmerarbeiten verrichtet, das spinnen, weben, tischlern u. s. w. ;
auch schlafen der pater familias, seine frau und seine kinder
darin, wenn für sie nicht noch eine besondere nebenkammer vor-
handen ist. Der ofen ist das wichtigste aller möbeln. Er wird
von außen geheizt und ist der stuben- und backofen, der ehren-
platz der alten und der beliebteste ruheseßel zu gleicher zeit.
Er ist aus kacheln gebaut, rund herum läuft eine bank, und
oben hat er Schlafstellen, wo die armen leutchen ausruhen, sich
trocknen und sich im süßen dolce far niente des Schwitzens
und des bratens erfreuen. — Wie alles bei diesem kleinlichen
volke .... so zerfallen auch ihre Wohnungen in eine zahllose
menge kleiner abteilungen, kämmerchon und winkel. Da ist ein
enger stall für das hausvaterpferdchen, ein ställchen, so groß
wie ein hühnernest, für die zwei pferde des knechts, ein ställchen
für die kühe, eins für die schafe u. s. w., ein kleines häuschen,
kleete genannt, für die kleider-, leinwand-, butter-, flachs- und
kornvorräte des hausherrn, ein anderes kleetchen für die des
knechts u. s. w., ein kleiner schuppen für die schlittchen und
wägeichen, eiu anderer für die pflüge und ackergerätsehaften,
ein apartes kleines häuschen, wie ein taubenhaus hoch auf
pfählen stehend, für die trocknung der käse .... dann die
rigo für das dreschen und trocknen des getreides und endlich
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Von A. Bezzenberger.
77
ein badehäuschen So dürftig und elend die Wohnungen
der Letten hier und da im vergleich mit den bauerhäusern in
vielen gegenden Deutschlands erscheinen, so heimlich und wohl-
gefällig ist doch eine ganze solche kleine niederlaßung, wenn
sie einigermaßen in gutem stände erhalten wird. Auch haben
die Letten ihre alte nationelle Wirtschaft so lieb, daß sie nie
damit zufrieden sind, wenn ihre herren ihnen dann und wann
Wohnungen nach einem neueren und beßeren plane anlegen
laßen Die Esten, wie sie denn in allen stücken dürftiger
sind, haben noch unvergleichlich viel schlechtere Wohnungen
als die Letten, keine abschließung der geschäfte, keine sonderung
der zwecke und der ihnen dienenden räume. Gewöhnlich ist
man bei ihnen, wenn man zur haustür eintrat, in wohn-, schlaf-
und kochstube, in Vorratskammer, schaf- und Schweinestall zu
gleicher zeit eingetreten, und während die Letten fast durchweg
Schornsteine haben, qualmen bei den Esten rauch, dampf, dunst
und tiergerüche nur gelegentlich zur türe heraus. — Die alte
bauart der edelhöf e in den Ostseeprovinzen gleicht in den haupt-
zügen durchaus der der Wohnungen der urbewohner. — "
E. H. Busch Ergänzungen der materialien zur geschichte
und Statistik des kirchen- und Schulwesens der ev.-luth. gemeinden
in Rußland, Petersburg und Leipzig 1867, I. 730: Der bauerhof
des Letten besteht aus dem wohnhause, pferdestall, viehstall,
badehaus, der riege und kleete (vorrathshaus). Alle diese
gebäude sind aus horizontal gelegten kiefernbalken aufgeführt,
mit stroh gedeckt — in den kreisen Goldingen und Windau
mit schindeln — und schließen, mit ausnähme der riege und
des badehauses , welche zur Sicherheit gegen feuersgefahr
gewöhnlich in einiger entfernung von den übrigen gebäuden
liegen, einen nicht sehr geräumigen hof ein. Das ganze gehöft
wird von einem stacketenzaun oder einem erdwall umgeben,
in welchem nur eine einzige öfinung für das tor gelaßen ist.
Das wohngebäude besteht meistens aus zwei hälften, welche
durch die flur, die zugleich als küche dient, von einander
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78
Über «las litauische haut».
getrennt werden. Im dache über der flur ist eine Öffnung
zum abzuge des raucbes gelaßen oder auch ein Schornstein
von holz oder Ziegelsteinen angebracht. Rechts von der flur
liegen ein oder zwei zimmer für den hausvater und deßen
familie. Der aus ziegeln oder kacheln gebaute ofen wird von
der flur aus geheizt. Rund um den ofen laufen bänke und
oben auf demselben befindet sich das lager. Das fenster geht
meist nach dem hofe hinaus. Die knechte und mägde haben
auf der entgegengesetzten seite der flur ihr zimmer, das bisweilen
durch eine Scheidewand in zwei hälften geteilt ist, damit jedes
geschlecht seinen besonderen räum habe. An das zimmer der
wirtsleute stoßen ein oder zwei kammern zur aufbewahrung
der Vorräte. Unter einem und demselben dach mit dem wohn-
gebäude befinden sich bisweilen kleete und scheune. Die übrigen
Wirtschaftsgebäude sind meistens sehr klein, ihre türen gehen
auf den hof. Jede art des viehes hat ihren besonderen stall
und jeder arbeiter seine besondere kleete, bisweilen auch seinen
besondern Pferdestall. Das gewöhnlich sehr kleine und niedrige
badehaus bildet ein unumgängliches erforderniß eines jeden
bauerhofes und wird alle Sonnabend von allen bewohnern des
hofes besucht. Die männer baden zuerst, dann die frauen. —
Jeder bauerhof liegt inmitten der zu ihm gehörigen felder;
folglich fehlen in allen von Letten bewohnten gegenden die dörfer".
Narody Rossii (s. o.) s. 93. „Wie in Livland und Kurland
so gibt es auch im gouvernement "Witebsk viele [lettische] ein-
wohner, deren wohnung nur eine rauchhütte [KypHafl H3Öa] mit
einer balkendecke und fiißboden aus erde ist. In solch einer hütte
sind meistenteils zwei kleine fenster und dem ofen gegenüber
eine kleine Öffnung zum abzug des rauchs und zum hereinlassen
der äußeren luft. Die lettische hütte [xaTa] hat keinen religiösen
schmuck und nur ein hölzernes7 vollkommen schwarz geräuchertes
krucifix gibt dem eintretenden zu wißen, daß er sich in einer
christlichen wohnung befindet. Die hausflur, welche etwa den
vierten teil der ganzen wohnung beträgt, trennt die eigentliche
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Von A. Bezzenberger.
79
hütte von der Vorratskammer oder der klete. Im inneren
zeichnet die hütte sich aus durch enge, äusserste dunkelheit,
unsauberkeit und schlechte luft. Die ganze ausstattung bilden
zwei bänke an der wand, schemel und betten. Schränke und
regale gibt es nicht; statt ihrer dient ein einfacher, aus dünnen
fichtenen spännen geflochtener kästen, der an einem pfosten oder
an der wand aufgehängt ist. In diesem kästen befindet sich
das dürftige geschirre der Letten: zwei, drei schüßelchen und
die entsprechende anzahl von hölzernen löffeln.''
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Die Philosophie und Kant gegenüber dem
Jahre 1848.
Tischrede, gehalten an Kants Geburtstag am 22. April 1849
von
Karl Lehr«*).
Am 22. April 1824 beging unsere Gesellschaft den hundert-
jährigen Geburtstag Kants mit besonderer Feier. Die Zahl der
Gäste war eine ungewöhnliche: denn man hatte nicht nur an
die Mitglieder, sondern an alle Schüler Kants die Aufforderung
*) Als ich im vorigen Sommer an die seit lange vorbereitete Sammlung
der kleineu Schriften von K. Lehrs die letzte Hand anzulegen hoffen durfte,
wandte ich mich an einige Freunde und Bekannte, von denen ich ver-
muthete, daß sie im Besitze Lehrsischer Manuscripte seien, mit der Bitte
um gütige Mittheilung derselben. Von allen Seiten wurde mir, wofür ich
auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank ausspreche, auf das bereit-
willigste entgegengekommen. Nur diesem Umstände verdanke ich es, daß
die obige Rede, deren Original sich im Besitze meines Freundes Oskar Erd-
mann in Breslau befindet, zu meiner Kenntniß gelangte. Es ist die nämliche
Rede, die Lehrs als Bohnenkönig der Königsberger Kantgesellschaft im Jahre
1849 an Kants Geburtstage vorgetragen hat, dieselbe, die Friedländer in
der Deutsrhen Biographie unter obigem Titel anführt und mit Bedauern als
„nicht erhalten" bezeichnet. Ihre nachträgliche Veröffentlichung wird den
Verehrern des großen Mannes eine Freude sein, obwohl die Rede ohne
allen Zweifel von vorn herein nur für den erwähnten Zuhörerkreis bestimmt
war, wie schon äußerlich aus der überaus eiligen, oft nur flüchtig andeu-
tenden und manche kleinere Ergänzungen und Berichtigungen erfordernden
Schrift hervorgeht. Daß ich mich jeder unnöthigen Änderung streng
enthalten habe, braucht wohl kaum versichert zu werden. — Nicht ohne
Wehmnth sende ich das Vermächtniß in die Öffentlichkeit; denn dem
Wunsche, meine Sammlung der kleinen Schriften von Lehrs herauszugeben,
habe ich aus Gründen, die hier unerörtert bleiben können, leider entsagen
müssen.
Januar 1886. Arthur Ludwich.
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Die Philosophie und Kant gegenüber dem Jahre 1848. Von Karl Lehrs. 81
zur Theilnahme erlassen: und eine Kantate wie Tischgesänge
wurden ausgeführt. Der Ton dieser Feier war Ernst, aber
freudiger Ernst. Doch gerade derselbe Tag sah anderswo auf
eine Feier herab, die gleichfalls einer allgemeinen Theilnahme
der gebildeten "Welt gewärtig sein konnte; deren Charakter aber
war nicht freudiger Ernst, sondern düstere Trauer. Ein roh
gezimmter Sarg, mit der allergewöhnlichsten schwarzen Todten-
decke belegt, kontrastirte schon mit dem Bange derer, — es
waren Offiziere — welche ihn trugen: ebenso mit dem darauf
gelegten Ehrenschmuck, einem Helm, Schwert und einer Lor-
beerkrone, und den Massen der Geleitenden, deren Züge eine
tiefe und wahre Trauer verriethen. Was alles auf einen un-
gewöhnlichen und Hohen Todten wies. Es waren die Exsequien
des Lord Byron, die an diesem Tage — 22. April 1824 — in
Missolunghi gehalten wurden. Dieses ebenso tiefen als er-
habenen Geistes : „als Mensch zu gross und zum Genossen des
grossen Dämons nur ein Mensch" — von dem auch treffend
wie auf wenige gesagt werden kann: „es irrt der Mensch
(errat und vagatur) so lang' er strebt." Die Quellen aber der
labyrinthischen und melancholischen Irrgänge seines Innern
waren die edelsten, vor allem eine innerste und unermüdliche
Liebe für die Menschheit, eine Liebe, für die er aber das Ob-
jekt nirgend fand in dem jetzt geplagten und unterdrückten
und zur Erhebung, wie ihm schien, erschlafften Geschlecht.
Eine unbefriedigte Liebe also, deren Kummer er, dem ein Gott
gewährt zu sagen was er leide, durch alle Stufen hindurch
die gedankenvollen Töne gab, von der stilleren Trauer durch die
düstere Schwermuth — bis zum herben Sarkasmus nicht über
die Menschheit, aber über die Menschen. Dort wo er einen
grossen würdigen Aufschwung zu sehen glaubte, um die ersten
Bedingungen einer manschenwürdigen Wiedergeburt zu ge-
winnen, erschien er und starb — ein edles Erstlingsopfer für
das damals in den zwanziger Jahren von neuem erwachte
Ringen der Völker um Freiheit. Seitdem hat dieses Bingen
nicht nachgelassen. In dem Jahre, welches das Vierteljahr-
Altpr. MnnaUscbrift Bd. XXIII. Hfl. 1 u. 2. <j
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82 Die Philosophie und Kant gegenüber dorn Jahre 1848.
hundert vollendete, kamen die Ausbrüche über uns: und mit
einer Plötzlichkeit, mit einem Gefolge von Unbehagen, wogegen,
um sich selbst nicht zu verlieren, ich nicht wüsste womit man
sich hätte wafihen können als mit Philosophie. Ja wohl anfangs
wurden wir gehoben durch den Enthusiasmus. Mit jugendlicher
Poesie saßen wir unter den Trikoloren, sangen die zuversicht-
lichen und kühnen Lieder und durchstachen mit den stumpfen
Hiebern unsere Hüte. Doch diese Periode des Bausches, der
Zuversicht, sie legte sich bald. Die Kalamitäten der Wirk-
lichkeit kamen über uns, und wie sehr! Freilich die Kalami-
täten bleiben niemals aus. Doch im gewöhnlichen Gange der
Dinge giebt es ein Mittel, durch das man sich über sie hinweg-
hebt. Der Humor. Jetzt aber kamen sie so massenhaft, so
grotesk, daß ich den hätte sehen mögen, dem der Humor nicht
vergangen wäre. Da, meine Herren, bleibt denn nichts übrig
als die Philosophie. Urplötzlich und ohne Uebergänge waren
wir in der Demokratie. Und die Demokratie — sie giebt zu-
erst allen Klassen der Gesellschaft — und allerdings was dem
einen recht ist, ist dem andern billig — ihre Thorheiten frei.
Ach, meine Herren, die menschlichen Thorheiten frei! Kann
man das ertragen ohne Philosophie? Da will nun ein jeder
etwas sein, aber — was viel schlimmer ist, es will jeder etwas
reden! Ertrage das, wer es vermag, ohne Philosophie. — Die
Demokratie giebt ferner die Egoismen der Menschen frei: und
da wird der Egoismus des Hochmuths, der Bequemlichkeit, des
Vortheils, der Eitelkeit, der Selbstverzärtelung u. s. w. er-
scheinen! —
Und nun gerade in diesen Zeiten, wo wir alle auf die Phi-
losophie gestellt waren, wurde uns unser Philosoph entfuhrt, und
wie plötzlich entführt! Eos, die Morgenröthe, erzählt die Grie-
chische Mythe, raubte sich den schönen Jüngling Tithonus:
so fanden wir eines schönen Morgens unsern liebenswürdigen
Philosophen uns fortgeraubt. Konnte man das ertragen ohne
Philosophie?
Ernsthaft, meine Herren, das Lachen über die, menschlichen
Von Karl Lehrs.
83
Dinge war uns vergangen, das Weinen hätte jeden Mitfühlenden
zerstört, es blieb nichts übrig als sie zu begreifen. Und das
war ja von Anfang her die Bestimmung der Philosophie. Der
erste, der sich dieses Ausdrucks bedient haben soll, — Pytha-
goras — verglich, wie uns erzählt wird, das Leben mit den
Olympischen Spielen und der damit verbundenen Messe. Da
strömten die Ringer und die Läufer hin sich Ehre zu erwerben,
die Käufer und Verkäufer um ihren Vortheil wahrzunehmen,
die Staatsgesandten ihre Verträge abzuschließen — , und nur
wenige kamen ohne dergleichen Nebenabsichten blos um zu
beobachten. So sei es auch im Leben : und diese letzteren seien
die Philosophen. Aber doch auch der, der mehr oder weniger
in das Gedränge des Lebens hineingezogen wird, ja gerade wohl
er hat es nöthig, von dieser Philosophie so viel als möglich sich
zu bewahren und zu erretten: jedenfalls die Philosophie, die
durch den obigen Vergleich bezeichnet wird, die auf dem Inter-
esse an der Beobachtung der Menschen und ihrer Naturen be-
ruht, wie sie nun einmal sind, die danach der Einzelnen Hand-
lungen zu verstehen und ihnen ihre Quelle und ihre Stelle an-
zuweisen die Ruhe und die Fähigkeit erwirbt, und in aufgeregten
Zeiten macht sie sich geltend als ein großes, als ein unent-
behrliches Gut. In Virtuosität erworben — was freilich nur
wenigen gelingen kann — führt sie sogar zum Humor zurück,
wie bei Sokrates, bei Kant. Aber, meine Herren, diese Art
der Philosophie reicht nicht aus. Sie reicht nicht aus für
so ungewöhnliche Zeiten und nicht aus für so gebildete,
will sagen so von Gedanken angeregte Zeiten als die unseren
sind. Die philosophische Nothwendigkeit nicht nur, auch
die Würdigkeit der Ideen — die in der Praxis oft so un-
liebenswürdig erscheinen — hat man das Bedtirfhiß zu be-
greifen, noch mehr das Andringen so vieler spezieller Fragen,
welche nun auftauchen und so nahe an jedermann herantreten,
gab wol oft das Gefühl der Rathlosigkeit — und alles trieb
dahin, nach einem bewährten Führer sich umzusehen um Trost,
um Rath und Belehrung. Wohin aber sich wenden?
(i*
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84 Die Philosophie im»l Kant gegenüber dem Juhre 1848.
Wie sehr haben doch von jeher die Menschen, nicht nur
die Einzelnen, sondern die ganzen Völker, ihre Rathlosigkeit,
ihre eigene Unzulänglichkeit in schwierigen Lagen empfunden.
Der Grieche, wo er sich im praktischen oder moralischen mit
seiner eigenen "Weisheit am Ende sah, suchte seinen Orakelgott
auf, der — wie Gott von jeher gewesen — sich geduldig genug
erwies zu antworten. Indeß war dies immer noch einiger-
maßen unbequem, durch Zeit und Ort: denn eine Reise wurde
doch erfordert, und nur zu bestimmten Zeiten antwortete der
Gott. Nur einen Griechen kennen wir, dem es freilich auf
eine beneidenswerthe Art bequemer geworden, der den rathenden
Gott immer bei sich trug — nicht zwar wie einer der Italienischen
Lazzarone seinen Heiligen in der Tasche oder in der Mütze —
sondern im Schrein seines Herzeus: den Sokrates. Aber das
möchte doch gar zu wenigen zu Theil werden: und ich fürchte,
daß eben ausnahmsweise einmal in Sokrates der Gott die Mög-
lichkeit fand dem Denkenden und Verstehenden ein Räthsel zu
lösen, das sieh eigentlich aufdrängen mußte, wenn man dem
Delphischen Tempel nahte. Denn über seinen Tempel hatte der
Gott mit großer Schrift das Griechische Zehngebot eingegraben:
„Erkenne dich selbst." — Wozu denn? Wenn wir nur in den
Tempel zu gehen brauchen, um über was uns anliegt von außen
Auskunft zu erhalten? Er schien also zu sagen: erkennet euch
selbst, dann braucht ihr nicht hieher zu mir eure Heise zu
machen, dann komme ich selbst zu euch und ziehe ein ein
stets sich offenbarender Rathgeber in euer eigenes Herz. Wollte
er das sagen, dann freilich sieht man, daß dieser innere Weg
wol ein sehr würdiger, aber ein schwer und für wenige zu er-
reichender ist.
Die Römer waren ein praktisches Volk und hatten sich
schon bequemer eingerichtet. Wenn sie gar nicht mehr ein
noch aus wußten, nahmen sie ihre Zuflucht zu einem alten
Tröster, den sie in Rom stets bei sich hatten, den Büchern der
alten Sibylle. Und später sind einige andere hochgeachtete
Weise und Schriften zu gleichem Zwecke häufig benutzt worden.
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Von Karl Lohrs.
85
Bei den Römern selbst, als der Name Virgils so groß ge-
worden, diente Virgil vielfach dazu, um Rath und Trost aus
Versen, die man zufällig aufschlug, sich zu holen: sortes Vir-
gilianae.
Dann nun aber von Rechtswegen vorzugsweise die Bibel,
die zu solchem Zwecke bis in sehr neue Zeiten und ohne Zweifel
noch heute von manchen benutzt worden. Allen, die etwa in
Bezug auf die jetzige Zeit mit mehr oder weniger Glauben ihre
Bibel einmal aufschlagen wollten, wünsche ich einen ähnlichen
oder den gleichen Spruch, den einst Goethes Mutter fand, als
ihr neunzehnjähriger Wolfgang krank zum Tode war. Sie
schlug damals in der äußersten Noth ihres Herzens ihre Bibel nach
und fand den Spruch: „man wird wiederum "Weinberge pflanzen
an den Bergen Samariä, pflanzen wird man und dazu pfeifen."
Indessen unser Glaube an diese Orakel ist nicht mehr fest
und allgemein genug, auch wurden sie für die speziellen,
politischen Fragen der Gegenwart uns oft in ihrem Rathe nicht
befriedigen. In unserer Zeit werden wir wol an die Ge-
lehrten gehen müssen und unter ihnen wieder zu den Philo-
sophen — zumal die Geschichte — worüber viel zu sagen wäre
— sich nicht hinlänglich zwingend erwiesen. Unter den Ge-
lehrten und Philosophen werden wir aber diejenigen zu suchen
haben, die nicht nur gelehrt sind, sondern auch gelernt haben,
und nicht nur auswendig gelernt, sondern inwendig. Diese
werden es dann auch sein, welche die Selbsterkenntniß erworben,
welche der Gott verlangte, und auf welche das "Wort nicht an-
wendbar sein wird, das Kant einmal etwas anzüglich ausspricht:
„Gelehrte glauben, es sei alles um ihretwillen da." (Tomus XI,
1 pag. 237.)
Von Kant wenigstens gilt es so. Man höre ein wahrhaft
liebenswürdiges Selbstbekenntniß (ebd. 240): „Ich bin selbst aus
Neigung ein Forscher. Ich fühle den ganzen Durst nach Er-
kenntnis und die begierige Unruhe, darin weiter zu kommen
oder auch die Zufriedenheit bei jeder Erweiterung. Es war
eine Zeit, da ich glaubte, dieses allein könnte die Ehre der
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86
Die Philosophie und Kant gegenüber dem Jahre 1848.
Menschheit machen und ich verachtete den Pöbel, der von nichts
weiß. Rousseau hat mich zurecht gebracht. Dieser verblendende
Vorzug verschwindet, ich lerne die Menschen ehren und würde
mich weit unnützer finden wie den gemeinen Arbeiter, wenn
ich nicht glaubete, daß diese Betrachtung allen übrigen einen
Werth ertheilen könne, die Rechte der Menschheit herzustellen."
Solche Selbsterkenntniß wird unser Vertrauen wol zum
höchsten steigern, daß wir in ihm den Tröster und Belehrer
finden könnten, den wir suchen. Und in Wahrheit, wenn man
jetzt die Kantischen Schriften aufschlagt, man wird erstaunen über
die Bilder, die der Zeit aus den Augen geschnitten sind — er-
staunen über die Belehrung über die speziellsten Punkte, die
jetzt zur Sprache gekommen sind — erstaunen vor allem über
die Jugendlichkeit der Form, in der das alles auftritt. Ja, meine
Herren, wir haben einen Tröster gefunden, einen ewig jungen.
Wie es immer wahr und eindringlich erscheinen wird was
Christus über die Pharisäer und Kirchenrechtslehrer gesagt, wie
aber doch Zeiten kommen, wo man wie unter treffender Beleuch-
tung dennoch das Gefühl hat, als habe man's so nie gelesen,
als sei es gestern geschrieben für den heutigen Tag und man
vollkommen begreift, wie es für Päbste und Kardinäle dagegen
nur ein Mittel gab — es zu verbieten, — wie bei Tazitus immer
das Gepräge der Großheit und Wahrheit entgegentritt, doch unter
gewissen Umständen ein wahrhaft schreckhaftes Verständniß sich
eröffnet, daß man ausrufen muß: wehe dem Zeitalter, das den
Tazitus ganz verstünde! — so hingegen bei Kant: unter der
Beleuchtung der Freiheit tritt bei ihm alles in heiterer Sicht-
barkeit und Verständlichkeit hervor und alles, eine Menge von
Einzelheiten — an denen man sonst vielleicht vorüberginge —
fesselt den erstaunten Blick. Und natürlich gerade die Sonne
des vergangenen Jahres wirkt auf seine Schriften so. Denn
fragen wir uns: was ist denn eigentlich geschehen, so ist die
einfache Antwort: Kant's Principien haben endlich auch bei uns
die öffentliche Anerkennung errungen! 0 gäbe es ein Mittel,
der Muse der Geschichte die Notiz zu entziehen, wie spät und
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Von Karl Lehre.
87
widerstrebend das Vaterland der "Wahrheit seines eigensten
Philosophen nachzukommen sich entschloß — gäbe es ein
Mittel diese Notiz ihr zu unterschlagen, ich biete meine Hand
zu dem Betrug!
Jetzt muß man lesen, was er sagt über historisches Recht,
über die falschen Praktiker, die statt mit der Praxis glauben
mit Praktiken dem ewigen Vernunftgebäude der Menschheit ent-
gegenzutreten, — was er — denn man trifft auf so einzelnes —
von der Anerkennung der Revolution sagt, von dem Recht, si
vis der Pflicht des Staates zur Aufhebung der Fideikommisse und
der Kirchenvermächtnisse (gegen Entschädigung der Ueberleben-
den), von dem Stimmrecht (wozu nach ihm Selbständigkeit, d. h.
Unabhängigkeit von einem Privatwillen gehört, von Seiten des
Staats aber die Pflicht keinem den "Weg zur Selbständigkeit zu
gelangen irgend wie zu versperren) : — jetzt wo wir das Ringen
entgegenstehender Kräfte so lästig empfinden, wie er den vierten
Satz in den Ideen zu einer allgemeinen Geschichte der Mensch-
heit ausfahrt, der also lautet: „das Mittel, dessen sich die
Natur bedient, die Entwickelung aller ihrer Anlagen
zu Stande zu bringen, ist der Antagonismus derselben
in der Gesellschaft, sofern dieser doch am Ende die
Ursache einer gesetzmäßigen Ordnung derselben wird":
— jetzt feeinen bekannten Fundamentalsatz über den Staats-
verband — von der Freiheit als Mensch, von der Gleich-
heit als Unterthan — wozu bei ihm nicht als drittes die aller-
dings wunderliche Brüderlichkeit tritt, sondern die Selbständig-
keit als Bürger. Und so vieles andere.
Die "Wahrheit der Sachen könnte doch wenig helfen, sie
könnte uns nicht fesseln, wenn die Form etwa veraltet wäre.
Es herrscht wol der Glaube — und namentlich sehr in der
jungen Generation — in seinen Schriften sei Kant trocken.
Nein, seine ewige Jugendlichkeit sie tritt auch in der Form
immer neu heraus ; das erstreckt sich bis auf die Bildung neuer
so treffender "Wörter, daß man vermuthen darf die gelehrten
Herren Adelung und Campe werden sie ihren "Wörterbüchern
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88 Philosophie und Kaut gegenüber dein Jahre 1848.
nicht einverleibt haben, und man sich nicht getäuscht findet —
bei Grimm, ich verbürge mich, werden sie nicht fehlen. Immer
haben sich wahrhaft große Geister auch eine Sprache ge-
schaffen, die nie veralten kann — so Winckelmann, so Lessing,
so Kant — : zumal wenn sie wie auch diese nicht blos vom
Geist, sondern auch von der Begeisterung getragen wurden.
Ich kann es mir nicht versagen, eine etwas längere und weniger
bekannte Stelle — sie ist erst in der Königsberger Ausgabe
bekannt geworden — vorzutragen. XI, 1. 253—255: Von der
Freiheit — wir werden uns nachher vergegenwärtigen, welche
Freiheit er meint — eine Stelle, die besser als ein Bild vom
Maler gefertigt uns gleichsam in persönlicher Frische ihn vor-
führen wird.
Vor der Freiheit*).
„Der Mensch hängt von vielen äußeren Dingen ab, er mag
sich befinden in welchem Zustande er auch wolle. Er hängt
jederzeit durch seine Bedürfnisse an einigen, durch seine Lüstern-
heit an andern Dingen und indem er wohl der Verweser der
Natur aber nicht ihr Meister ist, so muß er sich nach dem
Zwange derselben bequemen, weil er nicht findet, daß sie sich
immer nach seinen "Wünschen bequemen will. "Was aber weit
härter und unnatürlicher ist als dieses Joch der Noth wendig-
keit, das ist die Unterwürfigkeit eines Menschen unter den
"Willen eines andern Menschen. Es ist kein Unglück, das dem-
jenigen, der der Freiheit gewohnt wäre, erschrecklicher sein
könnte als sich einem Geschöpfe von seiner Art überliefert zu
sehen, das ihn zwingen könnte (sich seines eigenen Willens zu
begeben), das zu thun, was es will. Es gehört eine sehr lange
Gewohnheit dazu, den schrecklichen Gedanken der Dienstbarkeit
leidlicher zu machen; denn jederman muß es in sich empfinden,
daß, wenn es gleich viele Ungemächlichkeiten giebt, die man
*) Wir geben diese Stelle genau nach dem Original-Manuscript, über
welches Schubert im 11. Bande der sämmtlichen Werke Kant« Abth. I
Seite 218 f. ausführlich berichtet. R. R.
Digitized by Google
Von Karl Lehre.
8»
nicht immer mit Gefahr des Lebens abzuwerfen Lust haben
möchte, dennoch kein Bedenken stattfinden würde in der Wahl
zwischen Sklaverei und Tod, die Gefahr des letzteren vorzuziehen.
Die Ursache hiervon ist auch sehr klar und rechtmäßig. Alle
anderen Uebel der Natur sind doch gewissen Gesetzen unter-
worfen, die man kennen lernet, um nacher zu wählen, wie fern
man ihnen nachgeben oder sich ihnen unterwerfen will. Die
Hitze der brennenden Sonne, die rauhen Winde, die Wasser-
bewegung verstatten dem Menschen immer noch etwas zu er-
sinnen, was ihn dawider schütze oder ihn doch selbst in der
E — — s). Allein der Wille eines jeden Menschen ist die
Wirkung seiner eigenen Triebe, Neigungen und stimmet nur
mit seiner wahren oder eingebildeten Wohlfahrt zusammen.
Nichts kann aber, wenn ich vorher frei war, mir einen gräß-
licheren Prospekt von Gram und Verzweiflung eröffnen, als daß
künftig hin mein Zustand nicht in meinen, sondern in eines
andern Willen soll gelegt sein. Es ist heute eine strenge Kälte,
ich kann ausgehen oder auch zu Hause bleiben, nachdem es mir
beliebt; allein der Wille eines andern bestimmt nicht das, was
mir, sondern ihm diesesmal das angenehmste ist. Ich will
schlafen, so weckt er mich. Ich will ruhen oder spielen und er
zwingt mich zum Arbeiten. Der Wind, der draußen tobt,
nöthigt mich wohl in eine Höhle, zu fliehen, aber hier oder
anderwärts läßt er mich doch endlich in Kuhe; aber mein Herr
sucht mich auf und weil die Ursache meines Unglücks Vernunft
hat, so ist er weit geschickter mich zu quälen als alle Elemente.
Setze ich auch voraus, er sei gut, wer steht mir davor, daß er
sich nicht eines andern besinne. Die Bewegungen der Materie
halten doch eine gewisse bestimmte Eegel, aber des Menschen
Eigensinn ist regellos.
„Es ist in der Unterwürfigkeit nicht allein was äußerst
gefährliches, sondern auch eine gewisse Häßlichkeit und ein
*) Im Original bricht der Satz ab; Schubert ergänzt: „seibat der Ein-
wirkung davon entziehen kann".
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90 Die Philosophie und Kant gegenüber dem Jahre I84>v
Widerspruch, der zugleich seine Unrechtmäßigkeit anzeigt. Ein
Thier ist noch nicht ein completes Wesen, weil es sich seiner
selbst nicht bewußt ist und seinen Trieben und Neigungen mag
nun durch einen andern widerstanden werden oder nicht, so
empfindet es wohl sein Uebel , aber es ist jeden Augenblick vor
ihm verschwunden und es weiß nicht von seinem eigenen Dasein.
Daß der Mensch aber selbst gleichsam keiner Seele bedürfen und
keinen eigenen Willen haben soll und daß eine andere Seele
meine Gliedmaßen bewegen soll, das ist ungereimt und ver-
kehrt. Auch in unseren Verfassungen ist uns ein jeder
Mensch verächtlich, der in einem großen Grade unterworfen
ist. — — — Anstatt daß die Freiheit mich scheinet über
das Vieh zu erheben, so setzet sie mich noch unter das-
selbe, denn ich kann besser gezwungen werden. Ein solcher
ist gleichsam vor sich nichts als ein Hausgeräth eines andern.
Ich könnte ebensowohl den Stiefeln des Herrn meine Hoch-
achtung bezeigen als seinen Laqueyen. — Kurz der Mensch,
der da abhängt, ist nicht mehr ein Mensch, er hat diesen Bang
verloren, er ist nichts außer ein Zubehör eines andern Menschen.
„Unterwürfigkeit und Freiheit sind gemeiniglich in ge-
wissem Grade vermengt und eines hängt vom andern ab. Aber
auch der kleinste Grad der Abhängigkeit ist ein viel zu großes
Uebel, als daß es nicht sollte natürlicher Weise erschrecken.
Dieses Gefühl ist sehr natürlich, aber man kann es auch sehr
schwächen. Die Macht, anderen Uebeln zu widerstehen, kann so
klein werden, daß die Sklaverei ein kleineres Uebel scheint als
die Ungemächlichkeit. Dennoch ist es gewiß, daß es [jenes
Gefühl] in der menschlichen Natur obenan stehe."
Diese Stelle also, meine Herren, über die Freiheit, das
ewige Thema unseres Kant, verdient heute vorzugsweise mit-
getheilt zu werden, 1. weil sie weniger bekannt ist, 2. weil sie
so schön ist, 3. weil sie so jugendlich ist und 4. weil sie so
persönlich ist, d. h. uns in die persönliche Erscheinung des
Mannes hineinversetzt, in die Begeisterung mit der er oft lehrte,
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Von Karl Lehrs.
91
— und die persönliche Erscheinung des Mannes durch Tradition
gleichsam fortzuleiten geziemt gewiß dieser Geburts-Gesellschaft
wohl! Ich erinnere mich öfter noch an diesem Tische von
älteren Zuhörern dasselbe gehört zu haben — und sie selbst
geriethen dabei in ungewöhnliche Begeisterung, mit welchem
heiligen Eifer er namentlich über das Thema sprach, daß der
Mensch zur Sache herabgewürdigt werde.
Man könnte das fast eine philosophische Marseillaise
nennen! Mir kommt dieser Ausdruck nicht zufallig — sondern
ich gestehe, sie erinnerten mich an das was wir in der letzten
Zeit wiederholt von der Innigkeit gelesen haben, womit eine
jugendliche Schauspielerin jene Freiheitshymne vorzutragen ver-
steht. Aber sie ist eine Schauspielerin und wir wissen nicht,
ob es ihr Ernst ist, noch weniger, welche Freiheit sie meint.
Bei Kant aber wissen wir, welches seine Freiheit sei, daß er
eine Freiheit meint, welche das Gebot der Selbstbeschränkung
zugleich in sich trägt. Die Maxime heißt: „Handle so daß
du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der
Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck,
niemals blos als Mittel brauchst" (Vlii p. 57). Und: „Das
Princip der Menschheit und jeder vernünftigen Natur überhaupt,
als Zwecks an sich selbst, ist die oberste einschränkende
Bedingung der Freiheit der Handlungen eines jeden Menschen".
Wenn dieses Verständniß der Freiheit immer allgemeiner
würde, wie wohl würde es um die Menschen bestellt sein. An Kant
liegt es nicht, wenn sie mißverstanden wird : er ist da ein ewiger
Kektifikator und wie er so viele auf den rechten Weg geführt,
gewiß so kann er, so wird er, hoffen wir, es noch an vielen
thun. „Und die Lehrer werden leuchten wie des Himmels
Glanz und die da viele zur Gerechtigkeit weisen wie die Sterne
immer und ewiglich." Als Kant auftrat waren im Gebiete des
Gedankens und der sittlichen Grundlagen viele Principien er-
schüttert, und viele, viele fühlten sich schwach und haltlos. Sie
lehnten sich an den mächtigen und warfen in ihrem Schwanken
den Anker in den Hafen seiner geistigen Tiefe. Um den Preußen
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U2
Die Philosophie und Kant gegenüber dein Jahre
Kaut scharten sie sich, und nicht blos die kleinen Mächte,
sondern auch die größeren, und aus allen Gauen Deutschlands —
der Würtemberger Fr. Schiller, der Sachse Gottfr. Hermann, der
Baier Johann Benjamin Erhard — sie scharten sich um ihren
geistigen Kaiser, und Er ward ein Deutscher. Aber der Ruhm
ward darüber nicht vergessen: der Königsberger Weise blieb
sein allverehrter Name: und wir selbst hocherfreut über seine
allverbreitete "Wirksamkeit haben uns fort und fort das An-
denken erhalten können, daß er unser ist: nicht die Erinnerung,
nicht die Erhebung ist dadurch für uns verloren gegangen, und
wir erneuern es jährlich an diesem Tage. Und möge dies noch
lange geschehen!
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Bas Volksschulwesen im Königreich Preussen und
Herzogthum Litthauen unter Friedrich Wilhelm L
von
JLMt Kell.
Sämtliche geschichtliche Darstellungen unseres preußischen
.Volksschulwesens zeigen, daß gerade die Entwickeiungsperioden
des gegenwärtigen Volksschulenorganismus mit ihren treibenden
und hindernden Momenten noch keine genügende Würdigung
gefunden haben. Solches gilt besonders von der "Werdezeit der
elementaren Schulen in unserm Königreich Preußen und dem
dazugehörigen Litthauen am Anfange des vorigen Jahrhunderts,
als Friedrich Wilhelm I. die Regierung des jungen Königreichs
von seinem Vater überkam. Die allgemeinen Werke der Ge-
schichte des deutschen und preußischen Volksschulwesens von
Hoppe, Keller, Kellner, Marsch, Neigebauer, Schumann, Schwarz
und Quiatkowski, die Geschichten der Pädagogik von Palmer,
Raumer, Schmidt und Vogel, die pädagogischen Encyclopädieen
und Zeitschriften, selbst speciellere Abhandlungen, wie die von
Pisanski1), Rehbaum1), Riemann3) und Riemasch4) gewähren
alle kein vollständiges Bild dieser Entwickelungsphase, da den
Autoren das nöthige Quellenmaterial fehlte. Auch die Arbeit
1) Pisanski, Abhandig. von Winkelschulen, Schulprogramm der Cathe-
drmlschule zu Königsberg 1774.
2) Rehbaum, histor. Entwickelang des preul. Volksschulwesens, Beilage
zum Programm des Friedrichs-Gymnasium in Breslau 1876.
3) Riemann, Anbau einiger Scholen in Preufien. Kgsb. 1795.
4) Riemasch, kurze Uebersicht der vornehmst. Denkwürdigkeiten des
18. Jahrhunderts, besonders in Rücksicht auf Preussen. Kgsb. 1801.
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94
Da« Volksschulwesen ün Königreich Preußen etc.
von Borowski6), das Beste auf diesem Gebiet, genügt nicht den
Anforderungen. Wohl sind die von ihm gegebenen Daten durch-
weg richtig; aber er giebt doch nur eine chronologische Auf-
zählung der äußern Thatsachen, ohne auf den innern Ent-
wicklungsgang und den innern Zustand des Schulwesens ein-
zugehen. Hierzu kommt, daß er nicht die primären Quellen
selbst benutzt, sondern sich mit einer Secundärquelle begnügt,
die er fast wörtlich in seinem Aufsatz wiedergiebt. Zu dieser
Behauptung führt unwillkürlich die Thatsache, daß die Borows-
kische Abhandlung eine überraschende Verwandschaft mit dem
chronologischen Teil eines im hiesigen Staatsarchiv vorhandenen
actenmäßigen Berichts von der Schulcommission an den König
aus dem Jahre 1743 zeigt; und Acten der Schulcommission
waren ihm ja, wie er selbst in der Einleitung angiebt, zur Be-
nutzung mitgeteilt worden.
Jetzt, wo die Königlichen geheimen Staatsarchive dem
Forscher geöffnet sind, so daß man nicht mehr allein auf die
Kirchenregistraturen bei einer derartigen Arbeit angewiesen ist,
wird es möglich, eine eingehendere Darstellung jener verdienst-
vollen, höchst schwierigen, mühevollen, jahrelangen Arbeit an
der Fundirung unseres Volksschulwesens durch Friedrich Wil-
helm I. zu geben.
Das Quellenmaterial zu dieser Arbeit, welche den Ent-
wickelungsprozeß und die erste fundamentale Begründung der
Volksschule in unserm Königreich Preußen und im Herzogtum
Litthauen zeigen soll, bilden die Acten des hiesigen geheimen
Staatsarchivs — besonders reichhaltig für die Zeit von 1731 bis
43 — Acten aus der Registratur der hiesigen Schloßkirche und
dem Archiv des Königlichen Consistorii und die vita des Ly-
sius, ein Manuscript aus der Gymnasialbibliothek des collegii
Friedericiani. Höchst erwünscht wären mir noch einige Quellen
über Lysius, Mansberg und Engel gewesen, da die über die-
6) Vom Landschulwesen in Ostpreußen, ein Anhang zu Borowski's
„Neue preußische Kirchenregistratur" Königsherg 1789.
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Von Adolf Keil.
95
selben vorhandenen Acten etwas spärlich sind; aber trotz alles
eifrigen Suchens bei den Kirchenregistraturen zu Insterburg,
Georgenburg, Zillen, Tilsit, Gumbinnen und im Gumbinner Re-
gierungsarchiv, wo dergl. Acten bei den beiden Bränden des
Regienmgsgebäudes fast gänzlich verloren gegangen sind8),
habe ich kein weiteres Quellenmaterial auffinden können. Aber
immerhin ist es möglich, aus dem vorhandenen ein sicheres
Bild jener großen, wichtigen Fundationsperiode zu entwerfen.
Die einzelnen hierbei beachtenswerten, schon vorhandenen
Darstellungen werde ich im weiteren Verlaufe noch anführen.
Um die energische, verdienstvolle Arbeit Friedrich Wil-
helms I. an unserm Volksschulwesen voll und ganz würdigen
zu können, ist es durchaus notwendig, zuerst einen kurzen
Blick auf dasselbe vor ihm, besonders unter Friedrich I. zu
werfen, weil diese Zeit alles vorhergehende recapitulierend uns
darbietet.
Das höhere Schulwesen hat sich der Fürsorge dieses
idealen Königs, der für das frische Erwachen der Philosophie,
für die pädagogischen Ideen eines Comenius, Moscherosch und
Schupp und teilweise auch für den Pietismus eines Spener und
Francke sich empfänglich zeigte, besonders zu erfreuen gehabt
und auch einen guten Fortschritt gemacht7).
Aber wie stand es mit dem niedern, elementaren Schul-
wesen seiner Zeit? Es hatte der König unzweifelhaft ein warmes
Vaterherz für unser Preußenland, das er „vor allen übrigen Pro-
vinzen jedes Mal geliebt und werth gehalten;"8) darum dachte
er auch an die Volksschule, hatte für sie die besten Absichten
und arbeitete soviel als möglich an deren Verwirklichung. Aber
dennoch ist, wie aus den Verordnungen des Königs, aus den
Berichten der Pfarrer an die Erzpriester und aus den Visitations-
6) VgL Programm des Friedrichsgymnasiums zu Gumbinnen 1865.
7) VgL Geschichte des Volksschulwesens in der Altmark von Schu-
mann. Halle 1871 pag. 150 ff.
8) Beheim-Schwarzbach, Friedrich Wilhelm I., Colonisationswerk in
Littauen, Königsberg 1879 p. 8.
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Da» Yolksachulwesen im Königreich Preuien etc.
berichten der Erzpriesfcer an das Consistorium hervorgeht, das
gesamte Volksschulwesen unter ihm durchaus in derselben Un-
vollständigkeit und Mangelhaftigkeit verblieben, in der wir es
unter seinen Vorgängern, dem großen Kurfürsten und den
andern Brandenburgischen Fürsten finden. Alle von ihm in
betreff des Kirchen- und elementaren Schulwesens gegebenen
Erlasse sind nur Wiederholungen der seit dem Uebertritte
Preußens zum evangelischen Bekenntnis seit 1568 hierauf be-
züglichen, landesherrlichen Verordnungen9), welche nur den
schon durch die Reformation bestimmten evangelischen Character
der Volksschule von neuem fixieren und betonen. Eine Badical-
cur vorzunehmen, ein festes Fundament für den allgemeinen
Volksschulenbau zu legen, ist ihm unmöglich gewesen. Daran
hinderte ihn die Leere der Königlichen Kasse und die maßlose
Armut unseres Landes, das unbebaut und fast menschenleer
dalag, infolge der Kriege des 17. und der furchtbaren Seuche
zu Anfang des 18. Jahrhunderts, die besonders verheerend in
den litthauischen und polnischen Aemtern aufgetreten war10).
Kurz, wir gewinnen ein richtiges Bild vom Volksschul-
wesen in unserm heutigen Ostpreußen und sehen auch nicht
zu schwarz, wenn wir behaupten, daß es trotz aller königlichen
Verordnungen bis zum Jahre 1713 (absolut) kein auch nur
einigermaßen geordnetes Volksschulwesen gab. Was bis dahin
Schule und Unterricht genannt wurde, verdient nicht diese
Namen. Es wird wohl in den Berichten der Prediger und Erz-
priester — letztere sind unsere heutigen Superintendenten und
Kreisschulinspectoren — von „Schulen" und „Schulmeistern"
geredet, aber wie steht es mit denselben?! Durchsuchen wir
einmal die Städte, Kirchdörfer und das platte Land, dann werden
wir klar sehen, was Friedrich I. in Bezug auf das Volksschul-
wesen erreicht hat. Die Berichte der Prediger und Erzpriester
beweisen einstimmig, daß auf dem platten Lande, also in den
9) Sie finden sich bei Grube „corpus constitutionum Prutenicarum"
Pars I p. 1 ff.
10) Beheim -Schwarzbach, a. a. 0. pag 7.
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Von Adolf Keil.
97
Dörfern, kein Schulbaus, keine geregelte Subsistenz für die Schul-
halter, kein fester ordentlicher Lehrer und demgemäß auch kein
regelmäßiger, ständiger Schulbesuch und kein systematisch
geordneter Unterricht bestanden hat. Nicht viel besser sah es
in den Kirchdörfern und Städten aus. Wir hatten damals in
unserm Preußenland circa 330 Landkirchen, darunter 61 Filial-
kirchen und circa 50 Städte mit 60 Kirchen11). Bei den Stadt-
und Landkirchen war man seit Herzog Albrecht bemüht, Schulen
anzulegen und in Stand zu halten. So kommt in der Ordnung
„von Erwehhmg der beyder Bischoff Samlandt und Pomezan" ")
vom Jahr 1568 über Schulen und Lehrer folgende Bestimmung
vor: „Die müssen für allen Dingen auf dem Lande und den
Städten wol bestellet werden: dann so lang es da mangelt, so
ist weder der Kirchen in unserm Hertzogthumb, noch der Uni-
versität zu Königsberg zu rathen, Darumb sollen die
Bischoffe für allen ihnen diese Sorge lassen angelegen sein,
das sie bey den Städten auch ziemlichen Kirchen auf dem Lande
anhalten, damit die Schulen wol bestellet und versehen werden."
Weiter heißt es da von der Bestellung und Annahme der Le&rer:
„Die bleibe bey wem sie von Alters her gewesen ist, doch also,
das der Pfarrherr jedes Orts derzu und ohne seinen Rath wissen
und willen kein Schul- noch Kirchendiener weder aufgenommen
noch abgesetzt werde: Es soll aber dennoch kein Schuldiener
von dem Pfarrherrn noch andern bestätigt werden, Er sey dann
dem Bischoff präsentiret, von welchem er seiner Geschicklich-
keit, Lehre und Religion genügsame testimonia bringe." Von
dem Character und der Aufgabe der Schule: „Weil die Schulen
des heiligen Geistes Werkstete seind, darinnen er muß Gnad
Gedeyen und Seegen geben, das die Kinder wolgerahten, darumb
soll das Erste sein, das man ja in allen Schulen schöne Christ-
liche Zucht halte, weil es war ist, das der weise Mann saget in
animam malevolam non intrabit spiritus Domini et sapientia
11) cf. Borowski, Verzeichnis aller luth. [Inspectionen, Kirchen nnd
Predigerstellen in Ostpreullen p. 193. cf. Grube p. 149 ff.
12) Grube p. 7.
Altpr. MonaUnchrilt Bd. XXIII. Hft. 1 u. 2. 7
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98 D«w Volkssclnilwesen im Königreich Preußen etc.
Sollen derhalben die Schuldiener wol zusehen, das die Kinder
in der Schul Kirchen und auf der Straßen fein züchtig und
eingezogen sich halten Nach der Zucht ist das
fürnehmste der heilige Catechismus, der unsere christlichen
Schulen als das größte Heiligthurab zieret, .... denn der giebet
den lieben Kindern wahre Gottesfurcht . . . sollen derhalben
in allen Schulen die Schulmeister und Gesellen den lieben Cate-
chismum als die fürnehmste und nötigste Lehr fleißig und ernst-
lich treiben, fürnemlich bei der jungen Jugend . . . . Es sol
aber fürnemlich kein anderer denn Lutheri kleiner Catechismus
getrieben werden, latine und Teutsch, .... ist doch dieser
der Ausbund und Kern über alzumahl .... Was in Verordnung
nothwendiger Lectionen in jeder Schul wil von nöthen sein,
sollen die Bischofle eines jeden Orts mit Rath der Anwesenden
Pfarrherm und Schulmeister bestellen, . . aucb die Pfarrherrn
die Schulen wöchentlich etliche mahl besuchen und darauff
achtung geben, wie die lectiones werden gehalten, auch sollen
die Bischoffe selbst die Schulen oft visitiren . . damit die Jugend
nicht verseumet." Und endlich vom Leben der Schuldiener
und ihrer Besoldung: „Darumb sollen zu der Schulregierung
keine zugelassen noch geduldet werden, dann die eines guten,
ehrlichen, züchtigen Lebens, reiner Lehr und Religion, und in
Summa die fein rund, gut Evangelisch seindt." „Schulmeister
sind aller Propheten Veter .... solcher hohen Werk muß Gott
ihr Lohn und Belohner selbst sein. Gleichwol sollen die Bischofie
die Verschaffung thun bey Stedten und Dörflern, daß solche
Personen ehrlich und wol versehen und unterhalten werden . .
Und weil an den meisten Örtern die Besoldung sehr gering
sollen die Bischoffe ihrer Bescheidenheit nach mit den Bürgern
handien, damit sie Gott zu Ehren und der armen Jugend zum
besten einen Tag umb den andern gemelten Schuldienern den
Tisch geben, sich auch zu besserer Unterhaltung derselben mit
was mehrerm angreifen wolten. Deshalb soll zum bessern Unter-
halt der Schulmeister bei der Decemseinnahme etwas mehr Geld
vom Geistlichen eingefordert werden, und zwar haben
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Von Adolf Keil.
99
1) Die Adligen von 6 oder 7 Huben 8 Schilling Schul-
meister-Geldt; von 9 oder 10 Huben, 1 Gr. mehr und so fort
nach der Huben-Zahl;
2) Die deutschen freien Güter zu 4 oder 5 Huben, 6 Schilling;
3) Die kleinen preußischen freien von jedem Roche, 8 Schill. ;
4) Die preußischen Bauern von 2 Huben, 8 Schilling;
5) Auch die Handwerker und Dienstleute, die Huben
haben, jährlich einige Schillinge Schulmeister-Geld zu entrichten.
Das Schulgebäude hat dann das ganze Kirchspiel zu bauen
und zu unterhalten. Ueber die ganze Schuleinrichtung haben
die Bischöfe zu wachen und bei den Visitationen von den Pre-
digern, Schulmeistern und Schulgesellen über die interna und
externa der Schulen genaue Kunde einzuziehen."
Diese Verordnung, welche die Gründung der meisten Kirch-
schulen in den Provinzialstädten und in den Kirchdörfern ver-
anlaßte, wird dann wieder erneuert durch die „eopia instructionis"
vom 18. Juli 1618.
Das III. wichtige Schulgesetz, der „Recessus Generalis der
Kirchen-Visitation Insterburgischen und anderer Littawischen
Embter im Herzogthumb Preußen anno 1G38", scheint einen
Fortschritt mit sich bringen zu wollen. Abgesehen von den
beiden sogen. „Gelehrten Schulen", die in Insterburg und Gol-
dapp angelegt werden sollen, wird verordnet, „daß aus jedem
Dorf ein Knabe in die Kirchschule zur Information geschickt
werde, woselbst die Knaben Lesen, Schreiben, Rechnen, Decli-
nieren imd Conjugieren, das Gebet und den Catechismum lernen
sollen." Damit die Kirchschullehrer leben können, „soll den-
jenigen, welche studieret haben und die in allen Punkten fleißig
sind, die Besoldung künftig auf 60 Flor, jährlich erhöht
werden.' 1 ....
„Die andern Schulmeister, die nur Handwerker oder sonsten
schlechte Siraplicisten seyn, die nicht mehr als Littawisch und
Deutsch singen, und im Notfall die Littawische Postil ablesen
können, sollen in den Schulen Kinder und Knaben im Lesen
und Schreiben, sonderlich im Gebet und Catechismo unter-
7*
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100 Das Volksschulwesen im Königreich Preuflen etc.
weisen. Ihre Besoldung soll 35 Mark sein, und zu ihrem
mehrerm und bessern Aufenthalt sich ihres Handwerks, und
auch sie so wol als die gelerten Schulmeister ihres Privilegii
mit der Höckerey und den Brandwein-Schenk gebrauchen;"
ihnen sollen y jährlich vom Kirchspiel drey Achtel, den erstem
4 Achtel Holz angeftthret werden." Hiernach wurden zum
Theil die bei den Kirchen angelegten Schulen wenigstens in
materieller Hinsicht geregelt; aber die interna der Schule, haupt-
sächlich der Unterricht, ließen noch viel zu wünschen übrig.
Diesen Mangel fühlte man sehr wohl und suchte ihn zu mildern,
indem man als Ergänzung zum Schulunterricht die kirchliche
Katechisation mit Erwachsenen und Kindern einführte. So er-
folgte im Jahre 1699 die wiederholte und erneute Kirchen-
ordnung, worin befohlen wird: „daß nach dem Evangelium vor
der Predigt die 5 Hauptstücke christlicher Lehre, Beicht- und
Frage-Stücke, auch allemahl ein Stück mit der Auslegung Lutheri
durch den Schulmeister deutlich abgelesen werde. Auch in den
Vesper-Predigten soll der Catechismus fleißig getrieben werden."
Auch in den folgenden Jahren erfolgen noch mehrere auf die
Katechisation und den Unterricht bezügliche Erlasse11), so im
Jahre 1700, 1701 und 1712. Doch ungeachtet aller Bemühungen
des Königs um das Volksschulwesen läßt sich am Ende des
Jahres 1713 als Resultat feststellen: daß zwar bei den Mutter-
kirchen in den Kirchdörfern und Städten überall eine Schule,
wenigstens dem Namen nach, vorhanden ist, — bei den Filialkirchen
jedoch nur ausnahmsweise, und in den Dörfern, auf dem flachen
Lande überhaupt keine. Dies beweisen klar und deutlich die
Visitationsberichte, besonders die aus den Jahren 1719 und 22.
Welch' ein Bild gewähren uns diese Kirchschulen?
Gemeinhin ist kein eigentliches Schulhaus vorhanden; ent-
weder ist überhaupt noch keines erbaut, oder es ist so schlecht
erbaut worden, daß es sehr schnell verfallen mußte, ähnlich wie
die „Widdembs", die Pfarrhäuser, welche wohl erbaut waren,
13) cf. Grube a. a. O. und Jacobson, Quellen des evangel. Kirchen-
rechts der Provinzen Preufen und Posen. Beilage.
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Von Adolf Keil. 101
aber nach kurzer Zeit schon mit dem Einfall drohten. Darum
mußte der Pfarrer, wenn er ein rechter Hirt seiner Gemeinde
sein wollte, und viele der damaligen Pastoren14) waren es auch,
zur Information der Kinder entweder ein Zimmer in seinem
eigenen Hause einräumen oder in dem ebenfalls meistens sehr
baufälligen Pfarrerwittwenhaus oder bei irgend ei nem Bauer
eine Stube zur Information der Kinder beschaffen. So sagt der
Pfarrer Kalau in Jodlauken in einem Bericht an den Erzpriester
zu Insterburg „der Präcentor an der Kirchschule muß sich wie
ein schlimmer Schilling in den Dörfern umherstoßen, da er kein
Haus hat, wo er Schul halten kann; mit den Bauern zusammen
sein und in einer Stub Schulhalten ist unmöglich, bei mir hat
er den Tisch, in einem elenden Gärtnerhaus ein Stäbchen."
War ein Schulhaus da, so unterrichtete der Lehrer die Kinder
in seinem Wohnzimmer, das gewöhnlich die eine Hälfte des
Schulhauses einnahm, während im andern Teil des Hauses das
Vieh untergebracht war.
Der Unterhalt eines solchen Lehrers, der außer der „Schul-
information" den „Organisten- und Küsterdienst" verrichtete,
kann fast durchschnittlich auf 60 — 100 Fl. baar Geld, incl. der
Accidentien und Calende angegeben werden. Aber die meisten
Kirchschullehrer erhielten nicht diesen Satz von den Leuten, —
ja selbst die Pfarrer mußten oft mehrere Jahre auf ihre Ein-
künfte warten, — und nur zu häufig mußte sich der Lehrer,
wenn der Pfarrer ihm keinen Freitisch geben konnte, mit „Reih-
tisch bei den Bauern, mensa ambulatoria" begnügen. Darum
klagen die Pfarrer fast einstimmig, daß ihre Kirchschullehrer,
auch Kantoren, Präcentores und Organisten genannt, kaum noth-
dürftige Subsistenz haben, obwohl sie seit 1638 sich noch ihres
Handwerks, auch „des Privilegii zur Höckerey und Branndtwein-
schank" bedienen konnten.
Die Folge davon war, daß fast durchweg „untaugliche
Subjekte" Schulmeister wurden. So finden wir außer Schustern,
14) Vgl. Kogge, Altpr. Monatsschrift. Bd. 17.
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102 Das Volksschalwesen im Königreich Preußen etc.
Schneidern, Leinwebern, Fleischern, Maurern und abgesetzten
Beamten, sogar Hirten als „informatores." Selten sind Literaten
als Kirchschullehrer angestellt; noch seltener findet man, daß
diese Literaten fleißige Informatoren und tugendhafte Menschen
sind. Meistenteils heißt es in den Berichten: „der Präcentor
säuft" oder „hat gesoffen"; „sein Betragen ist schlecht," ja oft-
mals: „hat aus der Kirche gestohlen." So klagt der Pfarrer
Harsinsk zu Nemmersdorf: „Bei der Kirch ist ein Schulmeister,
ein abgesetzter Landschöpp, mit Gewalt der Kirche aufgedrungen,
er ist hauptfaul, Säufer, Schläger, Rauffer, entsetzlicher Ver-
läumder, ein Tyrann in seinem Haus und in der Schule." Natür-
lich war von solchen Leuten auch nichts zu erwarten. Nicht
selten klagen deshalb die Pastoren, daß sie nur zu oft beim
Gottesdienst auch „selbsten Präcentor spielen müssen"15).
Höchst mangelhaft ist auch der Schulbesuch. Es wurde
wohl 1699 in der Instruction zur Kirchenvisitation festgesetzt,
daß die Erzpriester bei den Kirchenvisitationen auch darnach
fragen sollten, ob die Eingewidmeten ihre Kinder Sommer und
"Winter fleißig zur Schule halten; aber aus allen Visitations-
berichten, noch aus dem Jahre 1721/22 geht klar hervor, daß
im Sommer von keiner Schule die Rede gewesen ist. Die
Kinder wurden von ihren Eltern entweder zum Hüten des
Viehes und zur Bewachung des eigenen Hauses verwandt, wenn
sie in die Scharwerk gingen, oder sie wurden selbst vermietet,
damit sie sich das Leben erhalten konnten; denn die Eltern
waren zu arm. Die Lehrer nahmen dann ihr Handwerk wieder
auf, das ihnen einträglicher und weniger beschwerlich war. Um
nichts besser war es auch im Winter; da konnten die Kinder
wegen der häufigen Ueberschwemraungen, zu weiten Weges —
denn sehr viele Dorfschaften lagen '/«» otfc eme ganze Meile
und noch darüber vom Kirchdorf entfernt — zu dürftiger
Kleidung und wegen der Raubtiere nicht regelmäßig täglich
zur Schule gehen. Hierzu kam noch der recht häufig ein-
15) Vgl. die Berichte der Prediger zu Bilderweitychen, Tilsit, Pictu-
pöneD, Plaschken etc.
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Von Adolf Keil.
103
tretende Fall, daß in einigen Dorfschaften, wo etwas besser
situierte Leute wohnten, wie im Königsbergischen Departement,
die Bauern dahin übereinkamen, für den Winter einen Lehrer
für ihre Kinder sich selbst zu verschaffen. Das war denn ent-
weder der „Viehhirte" des Dorfes oder ein „verdorbener Hand-
werker," der in einem "Winter hier, im andern dort auftauchte.
Außer mensam ambulatoriara erhielten solche "Winkelschullehrer
etwas Geld, womit sie für die Winterzeit, wo sie sonst nicht«?
so leicht verdienen konnten, zufrieden waren. Unter diesen
Verhältnissen erfolgte den 15. Jan. 1712 die Königl. Verordnung,
daß jede Dorfschaft einen Knaben — des weiblichen Geschlechts
wird garnicht gedacht — das größere Dorf 2, mit Lebensunter-
halt versorgen und sie bei Winterszeit zur Schulinformation in
die Kirchschule schicken sollte. In mehreren Kirchspielen, wo
tüchtige Geistliche waren , wurde diese Verordnung auch
durchgeführt. So berichtet der Pfarrer zu Kraupischken hier-
über: „Da den Kindern zu beschwerlich, täglich in und aus der
Schule zu gehen, so müssen 2 Wirte auf 8 Wochen den Kindern
darauf zu schlafen, Betten zusammenlegen. Nach verflossenen
8 Wochen wieder die folgenden 2 u. s. w. Wochüber bleiben
sie in der Schule, Montags und Sonnabends bringen und holen
die Wirte, an wem die Reihe ist, diese Kinder. — Wegen
des Lichtes für die Arbeitsstunden muß jeder Wirt alle Herbst
bei der Decemseinnahme 1 Gr. mehr zahlen, wovon dem Lehrer
Licht beschafft wird. Zum Kochen und Essen ist ein Kessel
angeschafft, und dem Lehrer werden für jedes Kind von den
Wirthen entweder 1 Fl. Speisegeld oder pro Kind einige Vic-
tualien gegeben, und zwar von jedem der dazu destinierten
6 Wirte des betreffenden Dorfes an jedem Sonnabend etwa
1 Stof Grütze, Mehl, und Erbsen, 7« Pfund Speck und 2 gute
Handvoll Salz, oder in Ermangelung eines dieser Gegenstände
2 Stof vom andern." Diese Knaben wurden dann so lange zur
Schule geschickt, bis sie „lesen und den Katechismum auswendig
konnten." Dann wurden sie aus der Schule entlassen und
konnten in ihrem Dorf „Vorbehter" sein. Natürlich war den
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104
Das Volksschulwesen im Königreich Preufleu etc.
Wirten gestattet, auch „andere zum Lernen capable und erwach-
sene Kinder und Gesinde, wenn sie vermögen, sie selbst zu ver-
alimentieren, gleichfalls zur Schule zu schicken." — Doch unter
den damaligen drückenden Verhältnissen, bei dem grenzenlosen
Unverstand der Leute blieb diese Verordnung auf dem Papier
bestellen, und die Schulen standen auch im Winter leer; selten
findet man, sogar in den bevölkertsten und größten Kirchspielen,
daß der Kirchschullehrer einige 20 Schüler zur Information hat.
Fragen wir nun, worin bestand die Schulinformation in
dieser Zeit?
Der Kirchenvisitationsreces von 1638 giebt als Unterrichts-
gegenstände an: Lesen, Schreiben, „sonderlich Gebet und Cate-
chismus." Auch die verschiedenen nachdrücklichen Gebote in
betreff der Catechisation heben als Hauptlehrgegenstand den
kleinen Catechismus von Luther hervor. Derselbe soll „die
eigendliche norma secundaria catechisandi bleiben." l6) Daneben,
hauptsächlich zur Erläuterung, wurden dann verschiedene Be-
arbeitungen17) desselben gebraucht. Am verbreitetsten hiervon
waren die Bearbeitung des lutherischen Catechismus von Sanden17)
und der „Himmelsweg" des Pastors Hofer17) zu Kalkhorst in
Mecklenburg; beide Bücher wurden auch in das Litthauische
übersetzt. Hie und da wurde auch der Catechismus von Spener
gebraucht. Noch andere Geistliche stellten sich auch selbst für
den Schulgebrauch den Katechismusinhalt in Fragen und Ant-
worten zusammen. Daneben sind noch in mehreren Kirchschulen
der Morgen- und Abend-Segen, einige leichte biblische Sprüche.
16) ErlaJ vom Jahre 1700, vgl. Grube.
17) Ich habe keine der Bearbeitungen zu Gesicht bekommen können;
Auszüge daraus finden sich in den Berichten der Pastoren. Darnach enthielt
dieser „Himmels weg" neben den 5 Hauptstücken und einigen Gebeten christ-
liche, praktische Fragen und Antworten, welche sich an die einzelnen
Hauptstücke anknüpften, wie: „Bist du ein Christ? Woher weistu das?
Was mustu thun, wen du umb deiner Sünde willen nicht wilt verdammet
werden? — Resp. Bulle mufl ich thun, und mich mit reuigem Herzen zu
Gott bekehren! — Wer hat dich erschaffen? Was ist Sünde? Was heißt
das Wort Kyrie eleyson, Halleluja, Amen?"
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Von Adolf Keil.
105
mehrere Psalmen und Liederverse gelernt worden. Schreiben
und Bechnen kam in den meisten Kirchschulen erst später zum
Unterricht hinzu.
Nicht weniger primitiv ist auch die Methode des Unter-
richts gewesen. Wie die Berichte der Pfarrer aus späterer Zeit
vermuten lassen, wurde vom Morgen bis zum Abend Schule ge-
halten und den Kindern der betr. Gegenstand solange „vor-
gebetet", bis sie ihn erfaßt hatten und hersagen konnten. Ye^jj
einem Stundenplan in gegenwärtigem Sinne können wir kaum
reden; dafür sprechen, wie nachgewiesen, die durchweg unge-
ordneten äußeren Schulverhältnisse und der Unterrichtsgegen-
stand, der damals'keine Modulation zuließ. Doch Berichte von
einigen Geistlichen aus dem Jahre 1722 lassen schließen, daß
in manchen Orten ein Lectionsplan bestanden hat. Dies gilt
vornehmlich von den Kirchschulen des Amtes Balga im Depar-
tement Königsberg, wo Oberhofprediger und Generalsuperinten-
dent D. von Sauden die Inspection ausübte. Pen hier ge-
brauchten Stunden- und Lectionsplan will ioh mitteilen. Der
Unterricht wird erteilt vom Morgen bis zum Abend und zwar
in folgender Weise: Am Montag: Zuerst wird ein Morgenlied
gesungen, sodann Morgensegen, Vaterunser, ein Hauptstück, ein
Bußpsalm nebst andern kleinen Stoßgebetlein gesprochen.
I. Stunde: Nach dem Gebet lesen die, welche den Catechismum
schon erlernt haben, einige geistliche Lieder, die andern ren-
tieren ihr Aufgegebenes aus dem Catechismo oder dem betr.
Bußpsalm, oder was jeder sonst aufhat. II. Stunde: Nachdem
auch diese letztern aufgesagt haben, fangen die, so schon schreiben
können, zu schreiben an; die andern, so noch nicht schreiben,
sagen zum zweiten Mal ihre Lection auf. m. Stunde: Sodann
wird wieder auf gleiche Art wie das erste Mal von den großem
Kindern gelesen, von den kleinern buchstabieret. Darauf wird
ein Lied gesungen, gebetet und Mittagsstunde gemacht. Um
1 Uhr beginnt wieder der Unterricht. I. Stunde: Die größeren
Kinder lesen deutschgeschriebene Briefe, die andern buchstabieren.
II. Stunde: Wenn alle aufgesagt haben, fangen die erstem an
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lor,
Das Volksschulwesen im Königreich Preußen etc.
zu schreiben. III. Stunde: Nach beendeter Schreibstunde sagen
die Kleineren wieder auf, während die Größeren deutsche oder
latein. Stücke lesen. "Wenn auch diese aufgesagt haben, wird
ein Abendlied gesungen, gebetet und die Schulstunde für den
Tag geschlossen. Am Dienstag geschieht der Unterricht in der-
selben Weise. Am Mittwoch ist die 1. Lection wie am Montag;
in der II. Stunde fragen dann die Größern einander den Kate-
chismum ab; in der III. Stunde haben sie Rechnen, während
die Kleineren aufsagen; in der IV. Stunde wird das betr. Hilfs-
buch für das Verständnis des Katechismus erklärt. Am Don-
nerstag und Freitag erfolgt der Unterricht wie am Montag. Am
Sonnabend lesen in der I. Stunde die Größern das Evang. und
die Epistel auf den folg. Sonntag; die Kleinen repetieren ihre
Lection; in der II. Stunde fragen sich die Größeren den Cate-
chismum; in der III. haben sie Rechnen. Während dieser
2 Stunden lernen die Kleinern die Sprüche aus dem Evang.
und der Epistel auswendig; in der IV. Stunde werden von
allen die erlernten Sprüche aufgesagt und das Hilfsbuch erklärt.
Natürlich ist ein derartiger Lectionsplan nur in einzelnen
Kirchschulen befolgt worden, die meisten, besonders in den
littauischen und polnischen Aemtern, hatten weder eine Bibel,
noch ein Testament oder Gesangbuch, nicht einmal den kleinen
Katechismus Luthers, sondern beschäftigten sich im günstigsten
Falle mit einem der oben gen. Hilfsbücher, meistens aber wurde
nur eine von dem Ortspfarrer nach Vorbild des luther. Kate-
chifmus zusammengestellte „Kinderlehre" als Unterrichtsgegen-
stand benutzt.
Die Leitung und Aufsicht über das Schulwesen war den
beiden Consistorien übertragen; dieselben überließen die Ein-
richtung und Unterhaltung, auch die Regelung des Unterrichts
den einzelnen Predigern und kümmerten sich höchstens um die
Stadtschule. War nun der Geistliche ein tüchtiger Mann, so
konnte wohl in einem kleinen Kreise etwas gewirkt werden;
leider aber fehlte vielen der damaligen Geistlichen das Interesse
hierfür; dazu kamen sie erst, als Friedrich Wilhelm I. sein
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Von Adolf Keil.
107
energisches: „Es werde!" sprach. Darum war es unmöglich, im
ganzen Lande ein auch nur einigermaßen erfreuliches Resultat
zu erzielen und das Volk aus seiner Unwissenheit und seinem
geistigen Schlafe aufzurütteln. Charakteristisch für diesen
traurigen Zustand des Volkes und seiner Lehrer ist der Bericht
des Erzpriesters Cretzius aus Saalfeld an das Pomesanische
Consistorium: „Ich kann mit Wahrheit zeugen, daß a. 1712 in
den meisten, auch wohl größesten Parochien, außer bei den
Pfarrern und Schulmeistern, nicht eine Bibel oder Testamentuni
und sehr wenige Gesangbücher und Catechismi gefunden sind.
Ja die Barbarei war so groß, daß in Nartzim und Terwisch die
2 Prediger, welche über 40 Jahr in ministerio standen, all die
40 Jahr her nimmer eine Bibel besaßen, sondern sich mit
Postillen behalfen, auch im Nartzimschen Kirchspiel niemand
außer dem Pfarrer und Schulmeister, des Priesters Kinder nicht
ausgenommen, lesen konnten".
Erster Hauptteil: Die Vorbereitungsperiode von 1713 — 1732.
In dieser Verfassimg fand Friedrich Wilhelm I. das Volks-
schulwesen vor und mußte es noch einige Jahre nach seinem
Regierungsantritt so lassen, bis er das Uebel beseitigen konnte.
Gleich nach seiner Thronbesteigung wandte der König dem
armen Ostlande seine große Fürsorge zu. Schon 1714 kam er
selbst hierher, um untersuchen und heilen zu können. Diesem
alles selbst genau erforschenden und in allen Regierungsge-
schäften mitarbeitenden König, der die größte Wahrheitsliebe
und Treue von seinen Beamten in allen Berichten streng ver-
langte, der mit bewunderungswürdigem Kennerblick alle Ver-
hältnisse richtig zu prüfen und zu ordnen verstand, konnte
nichts entgehen. Gleich bei seiner ersten Anwesenheit in
Preußen erkannte er die Not des Landes und beschloß erstlich
das Land, „so durch die Pest, oder unter Regierung Friedrich
Wilhelms und Georg Wilhelms wüste geworden, zu besetzen.18)
18) Vgl. Beheim -Schwarzbach pag. 10 ff.
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108
Das Volksschulwesen im Königreich Preußen etc.
Natürlich erkannte und hörte er auch, wie es mit der
Moralität und Bildung des Volkes stand. Zugleich mit der
Kolonisation 18) verband er darum auch die Mission im Ostlande.
Die gleich nach seinem Regierungsantritt für die andern Pro-
vinzen der Monarchie erteilte Instruction19) zu einer Lokal-
visitation wurde auch auf unser Ostpreußen angewandt und nach
derselben in den Jahren 1714 und 15 eine Visitation durch das
ganze Land abgehalten. Die Folge derselben waren zuerst ver-
schiedene kirchliche Verordnungen in betreff der Predigt, daß
sie nicht länger als eine Stunde dauere, der Katechisation und
der Kirchenzucht, wodurch die Moralität des Volkes, welche
unter dem Laster der Unkeuschheit stark litt, gehoben werden
sollte. Das Resultat aller persönlichen Beobachtungen des
Königs und aller Berichte der Behörden hinsichtlich des mora-
lischen und geistigen Zustandes der Landesbewohner enthielten
die beiden Generaledicte des Jahres 1717. Die charakteristische
Stelle in dem ersten, vom Jan. 1717, lautet: „Nach der vom
Consistorium gehaltenen Untersuchung ist an den Tag gelegt,
daß bei den einfaltigen Leuten, welche von Gott gar wenige
Erkenntnis haben, eine fast entsetzliche Unwissenheit zu spüren,
woraus ein wildes gottloses Leben nebst allerhand groben Sün-
den und Lastern erfolgt." Um diesem Übel, dieser „fast gefahr-
lichen Unwissenheit in Glaubens-Sachen bey Jungen und Alten"
abzuhelfen, verordnete er an den Primär Hofprediger D. Bernhard
von Sauden den 2. Mai 1718, die Catechisation in den Kirchen
fleißig fortzusetzen, diejenigen, welche zum ersten Mal zur heil.
Communion gehen wollen, „in denen Articuln des christl. Glaubens
wohl zu unterrichten und zur wahren Grottseligkeit anzuführen;"
nach genügendem Unterricht dann die Catechumeni öffentlich
in Gegenwart der Gemeinde zu prüfen, darauf die, „welche wol
gegründet befunden sind, zu confirmiren und einzusegnen; da-
neben sollen auch die Schulmeister und Eltern wegen absonder-
licher Information ihrer Jugend treulich zu sorgen erinnert
18) Vgl. Beheim-Schwarzbach pag. 10 ff.
19) Schumann, Gesch. d. Volkaachulweeene in d. Altmark, Halle 1871.
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Von Adolf Keil.
109
werden*0). In dem zweiten, am 6. Dezember erlassenen General-
edikt'1), das als das eigentliche Fundament des Volksschulwesens
im ganzen preußischen Staate angesehen werden kann, verordnet
er ernstlich, „daß hinkünfftig an denen Orten, wo Schulen seyn,
die Eltern ihre Kinder gegen zwey polnische Groschen wöchent-
liches Schul-Geld von einem jeden Kinde, täglich im Winter
und Sommer, wenn sie daran bey ihrer Wirtschafft nicht be-
nöhtiget seyn, zum wenigsten ein oder zweymahl die Woche,
damit sie dasjenige, was im Winter gelernet worden, nicht
gäntzlich vergessen mögen, in die Schule schicken, oder, dafern
sie solches muhtwillig unterließen, nichts destoweniger das ge-
dachte Schulgeld, als wann sie die Kinder würklich geschickt
hätten, zu entrichten gehalten seyn, wie auch über deme, mit
einer nachdrücklichen Strafe beleget, falls die Eltern das Ver-
mögen nicht hätten, solche 2 Pohlnische Groschen aus jeden
Orts Almosen bezahlet werden sollen." — Auch wiederholt dieses
Edikt, daß alle Sonntag Nachmittag die Prediger, „insonderheit
auff dem Lande, die Catechisationes halten"21) Hierdurch be-
gründete der fromme Landesvater die allgemeine Schulpflicht
im preußischen Staate, die dem Lande so reichen Segen gebracht
und das preußische Schulwesen zu einem in ganz Europa muster-
gütigen erhoben hat22).
Da kam der König im Frühjahr 1718 zum zweiten Mal
nach Preußen, um alles in Augenschein zu nehmen, hauptsächlich
um sein Colonisationswerk auszuführen2'). Mit eigenen Augen
mußte er den noch bestehenden „deplorablen Zustand" sehen,
der ihm von Einheimischen, von Einzel- und Privatpersonen,
und den 2 Consistorien genugsam geschildert worden war. Er
erkannte, daß er das Wohl des Landes nur durch das durch-
20) Grube p. 124. Die Königl. Verordnungen seit dem 21. Jan. 1717
sind in den Akten des Staatsarchivs.
21) Grube p. 120.
22) Vgl. Preis: Die Licht- und Schattenseiten des preu*. und deutschen
Schulwesens. Lissa 1849.
23) Vgl. Beheim-Schwarzbach pag. 10 ff.
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110
Do8 Volksschulweaen im Königreich PreuBcn etr.
greifendste Missionswerk fördern konnte. Beherrscht von dem
lebenskräftigen Geiste des Pietismus, den Spener und Francke
der evangelischen Kirche einhauchten, faßte er die in den Worten:
„Kinder sind auch Menschen — und sollen Menschen werden" ausge-
sprochene wichtige Idee mit warmem Herzen richtig und voll auf
und ging mit allem Ernste und Eifer sogleich an die Einrichtung
und Verbesserung des Schul- und Kirchenwesens. Er erließ
eine Reihe der nachdrücklichsten Rescripte, die höchst wirksam
und durchgreifend waren. In wie weit dieselben die Kirche
betrafen und in ihr und für sie gewirkt haben, übergehe ich,
da die Geschichtswerke von Arnoldt, Borowski und Hartknoch
und Grube's Gesetzsammlung darüber genügend informieren.
Nur auf das Schulwesen und die dasselbe angehenden Rescripte
will ich mich beschränken.
Sofort von Tilsit aus ließ der König den 2. Juli 1718 an
die Preuß. Regierung, an die Kriegs- und Domänenkammern
und an beide hiesige Consistorien die Ordre ergehen, „alles
mögliche mit zusammengesetzten Kräften zu thun, daß der
großen Unwissenheit abgeholfen , die Leute zur Erkenntnis
Gottes gebracht, zu dem Ende auch Schulen erbaut und ein-
gerichtet und solche mit tüchtigen Schullehrern sondern Anstand
besetzet werden sollten."
Nun erfolgten die verschiedenen Organisationsversuche, um
diese heilbringende Idee zu verwirklichen.
Erster Versuch vom 2. Juli 1718 bis 22. Septbr. 1722 durch Lysius.
Der erste Versuch wird jetzt gemacht. Noch von Tilsit
aus rescribierte der König am 2. Juli, daß D. Heinrich Lysius
in Königsberg und Prof. Aug. Hermann Francke in Halle Vor-
schläge thun sollten, wie dieses Werk am besten anzugreifen
sei; zugleich auch sollten sie Sorge tragen für tüchtige Schul-
meister, welche die Jugend im Christentum besser unterrichten
könnten, als es bis dahin geschehen. Mit großer Klugheit hatte
der König diese Wahl getroffen; denn von den „Geistlichen und
Politicis" Ostpreußens war in der That keiner hierzu geeignet,
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Von Adolf Keil.
III
obwohl unter den damaligen Pastoren viele ideale, für das Wohl
des Volkes sorgende Männer waren24). Sie alle konnten eine
gewisse Engherzigkeit nicht unterdrücken. Lysius") war der
geeignetste Mann dazu. Er verfugte über einen reichen Schatz
pädagogischer Erfahrungen, die er einerseits als Rector der
neuen Königl. Schule gemacht, teils sich schon während seines
Aufenthalts in Halle im Jahr 1702 erworben hatte, wo ihm
Francke vertretungsweise die Inspektion über das Pädagogium20)
auftrug, mit der Aufgabe, die Mängel desselben mit besonderer
24) Vgl. Rogge, Altpreußische Monatsschrift, Bd. XVIII, 8. 116 ff.
25) Geb. d. 24 Oct. 1670 zu Flensburg, als Sohn des dortigen Pastors,
studierte seit 1687 zu Jena Philosophie, insonderheit Cartesius, seit 1688 zu
Leipzig, wo er dem collegio pietatis oder biblico bei Dr. Alberti beiwohnte,
seit 1690 in Königsberg, dem verscbrieenen „synkretistischen Ort". Hier
hörte er Dr. v. Sanden, Deutsch und Pfeiffer, der auf ihn Eindruck machte,
und wie Lysins in seiner vita sagt: „Sorgfalt wegen der reinen Lehre uud
wahren Gottseligkeit erweckte." 1691 war Lysius bei seinem Vater, als
Adjunkt; im Herbst 1692 zog er nach Kopenhagen; 1693 in der Fastenzeit
kam er zurück zum Vater und studierte jetzt fleißig Arnds Schriften,
kämpfend mit den mannigfachsten Zweifeln, „so daß er ohne stetigen An-
stoß und Unglauben die Schrift nicht lesen konnte, bis ihm Gott half und
aller Zweifel in seinem Gemüt verschwunde, als die Finsternis, wenn die
Sonne aufgeht." 1695 wurde er Hofmeister bei dem Generallieutenant
von Pleiss. Nach einem halben Jahr verließ er diese Stellung. Leider verlor
er jetzt immer mehr die Lust zum Predigtamt. Nach seiner Verheiratung
im Jahr 1696 reiste er 1697 nach Schweden und 1698 nach Drontheim in
Norwegen. In die Heimat zurückgekehrt, wurde er 1699 Kirchenvorsteher
in Flensburg und gewann wieder neue Lust zum Predigtamt. Während er
sich um verschiedene Predigerstellen vergeblich bemühte, wurde ihm 1702
durch D. Spener, Lange und die Halleschen Theologen die Vocation für die
zur Königl. Anstalt erhobene Gehrsche Schule zu Königsberg aufgetragen.
So kam er 1702 nach Königsberg als Director der neuen Königl. Schule und
Prof. theoL extraord. Mit erheuchelter Freundlichkeit wurde er hier em-
pfangen ; aber die Verbitterung gegen Gehr und dessen Schule übertrug sich
bald auf ihn, den man einen Pietisten, Schleicher etc. nannte. Bald brach
dann sein Kampf mit den Theologen in Königsberg aus und währte bis
zum Jahr 1710. Jetzt wurde er Prof. ord., einige Jahre später Hofprediger
und 1717 Consistorialrat. In diesen Stellungen verblieb er bis zu seinem
Tode am 16. Octbr. 1731. Vgl. seine „vita".
26) cf. Werke über Frnnckes Stiftungen v. Knapp, Korpjuhn. Kramer,
Schulze.
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112 Das Volkswchulwesen im Königreich PreuBen etc.
Berücksichtigung der damals herausgekommenen Censur des
Thomasius zu untersuchen. Wie Lysius selbst erzählt, „profitierte
er das dabei, daß er alle Anstalten im Pädagogium auf das
allergenaueste inne bekam." Auch hatte er von hier aus das
berühmte Gothaer Schulwesen kennen gelernt und mit dem
Leiter desselben, dem Gymnasialrector Vockrod, einem großen
Schulmann, Über das „Informationswesen" die lehrreichsten Unter-
redungen gehabt. — Zufallig hatte der König diesen ehrenhaften,
gottvertrauenden Mann kennen gelernt. D. v. Sanden, dessen
Sohn unter die Reiter eingezogen war, hatte absichtlich sein
Zusammentreffen mit dem König vermeiden wollen und deshalb
eine Revision der Kirchen im Brandenburgischen Amt vorge-
nommen. Für ihn mußte Lysius predigen; so auch, als Friedrich
Wilhelm nach Königsberg kam. Am ersten Sonntag nach Trini-
tatis, als er über das Gleichnis vom reichen Mann und armen La-
zarus predigte, wohnte der König in der hiesigen Schloßkirche dem
Gottesdienste bei. In dieser Predigt sprach Lysius demselben so
zu Herzen, daß er mehrere Male sagte: „er hat mir zwar vieles derb
genug gesaget, aber es ist sein Amt und der Text brachte es mit
sich; es mag wohl ein ehrlicher Mann seyn." Der König war sogar
gesonnen, ihn mit sich nach Litthauen zu nehmen, ließ sich aber
von einigen abreden, da ja nur „oeconomia und Kriegs-Sachen in
Litthauen zu untersuchen" wären.
Doch als der König Litthauen durchreist und dabei er-
fahren hatte, „daß die Einwohner in ihrem Christentum sehr
schlecht fundieret wären, und solches hauptsächlich daher, weil
es an tüchtigen Schulmeistern ermangele," gab er von Tilsit aus
dem Herrn von Creutz die Ordre, dem Lysius mitzuteilen, daß
ihm die Inspection über die Schulen und Kirchen in Litthauen auf-
getragen wäre mit dem speciellen Befehl, „in einem jeglichen
größern Dorf eine Schule anzulegen und dazu dem Schulmeister eine
halbe freye Hube von dem wüst liegenden Lande zu geben."
Sofort unterzog sich Lysius dem ehrenden, aber schwer zu er-
füllenden Befehl seines Herrn mit allem Eifer und der größten
Vorsicht und Zartheit gegen die andern Geistlichen, besonders
Von Adolf Keil.
IIB
gegen D. v. Sanden, „um ihm dadurch alle invidiam zu be-
nehmen."
Genau die Königl. Instruction befolgend, stellte er die
innere und äußere Gestaltung der Schule fest. Ausgehend von dem
durch die Reformation gegebenen christlichen Princip der Volks-
schule, beeinflußt und bestärkt darin durch einen gesunden
lebenskräftigen Pietismus, stellte er als die Universalaufgabe der
Schule die Förderung des christlichen Lebens hin. Darum war
seine erste Sorge darauf gerichtet, eine feste, allgemein giltige
Lehrnorm für den Schulgebrauch zu schaffen. Dieselbe bot ihm
der kleine Catechismus Luthers. Damit derselbe aber in allen
Teilen des Königsreiches Verwendung finden konnte, mußte er
dem Volk in seiner Muttersprache übergeben werden; denn nur
dann kann die Missionsthätigkeit eine gesegnete sein, wenn der
Mensch in den Klängen seiner Muttersprache die Heilsbotschaft
hört. Infolge dessen suchte auch Lysius, dem zuvörderst die
Mission in Litthauen aufgetragen war, eine einheitliche, allgemein
recipierte litthauische Version des kleinen lutherschen Catechismi
zu schaffen27). Denn soviel Kirchen in Litthauen vorhanden
waren, soviel Versionen vom Catechismus wie von den Evangelien
und Episteln wurden gebraucht. Hierin aber lag schon ein Stein
des Anstoßes für alle seine Arbeit, „denn die Prediger waren
keineswegs einig in den principiis der litthauischen Sprache."
Dazu kam das böswillige Verhalten der litthauischen Geistlichen,
wodurch es ihm nicht nur erschwert, sondern sogar unmöglich
gemacht wurde, das Fundamental werk für den Unterricht fertig
herzustellen. Dieses Verdienst behielten sich vielmehr seine
Gegner vor. Um dieses neue Werk für das ungebildete Volk
zugänglich und heilbringend werden zu lassen, daß es „nicht
allein dem Buchstaben nach, sondern auch mit gutem Verstände
den Leuten möchte beygebracht werden27), entwarf er folgende
Einteilung seines Lehrgehalts: Er teilte den ganzen Catechismus
27) vita Lysii p. 306 ff. und Altpreufl. Monatsschrift 1880 „Zur Ge-
schichte der litauischen Übersetzung des kleinen Lutherschen Katechismus
von Pfarrer Jacoby.
Altpr. Monat»*chrift Bd. XXUL Hit. 1 u. * 8
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114 T>ns Volkssclmlwesen im Königreifh PretiBen etr.
in 26 Abschnitte; dieselben sollten den Kindern in den
26 Winterwochen nach einander vom Lehrer beigebracht werden.
In den 26 Sommerwochen sollte dann ein jeglicher Teil vor
der Predigt, also am Sonntag, repetieret und nach der Predigt
vom Prediger in der Catechisation noch ein Mal „expliciret" und
durchgegangen werden. Diese Catechisation sollte gleichmäßig sein
in allen Kirchen; „wie einerley evangelia — sollten auch einerley
Teile des catechismi" erklärt werden. Auch für die Lehrenden
suchte er eine Hilfe im Unterricht zu schaffen, indem er den
Catechismusinhalt in Fragen und Antworten darstellte. Bei der
Abfassung der Fragen ließ er sich von dem pädagogischen Ge-
danken leiten, „durch lange Discurse und Fragen der Kinder
Verstand zu erwecken28). Die Antwort faßte er dann in mög-
lichst kurzen Worten zusammen. Um auch für die neuen
Schulen tüchtige Lehrer zu haben, richtete er in Königsberg
ein Lehrerseminar ein.
Doch ehe dieses Werk zur allgemeinen Einführung kommen
sollte, schickte er an jeden Erzpriester ein Exemplar des Cate-
chismus und seiner Einteilung, sie bittend, mit den Predigern
ihres Sprengeis darüber zu „conferiren, was zu ändern oder zu ver-
bessern seyn möchte." Doch unbeanstandet, „cum applausu
universali" erhielt er alles zurück, „weil alle gemeint hätten,
alles sey so klahr gefasset, daß nichts dagegen einzuwenden sey28).
Unterdessen hatte er gemäß der Instruction auch schon
für die äußere Gestaltung der Schule den Rahmen gezeichnet
und ein allgemeines Schulprojekt entworfen. Darnach sollte der
Unterhalt der Schullehrer darin bestehen, daß jedem Lehrer die
bezeichnete halbe wüste Hufe frei von allen oneribus und das
verordnete Schulgeld, 2 Dreyer pro Kind zugewiesen würde.
Die nötigen Schulgebäude, zu denen der König das Holz un-
entgeltlich hergeben wollte, werden von den zu einer Schule
geschlagenen Dorf Schäften erbaut; die erforderlichen Baukosten
sollten vorschußweise von der Kriegs- und Domänenkammer ge-
28) vita p. 30T> ft\
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Von Adolf Keil.
115
nommen und dann nach der Regulierung der Kirchenrechnungen
von den vermögenden Kirchen zurückerstattet werden. Die
Kosten sollten nach den beiden Anschlägen der litthauischen
Kammer pro Schule entweder 16 Thaler 30 gl. oder
36 Thaler 24 gl. betragen, je nachdem das Haus nach ein-
facher litthauischer Art oder in Fachwerk erbaut würde. Die
Direction bei der Ausführung dieses Projektes sei der Kammer
zu übergeben. Diese habe durch ihre Räte, von jeglichem in
seinem District, alles dem Plane gemäß durchführen zu lassen.
Beide Projekte sandte hierauf Lysius an Francke nach Halle
zur Begutachtung. Was diese beiden Männer entworfen haben,
fand nicht allein die allerhöchste Approbation, sondern der
König gab auch von Berlin aus den 9. September 1718 der
Cammer und dem Consistorium auf, dem Lysius auf alle "Weise
bei der Ausführung dieser Projekte zu assistieren. Unter der
Direction des Etatsrats von Creutz machte Lysius gleich im
Herbst 1718 den Anfang hiermit im Amt Insterburg, bereiste
es und fand 130 Schulen nötig, zu deren Erbauung er sofort
die erforderlichen Anschläge machte. Der König bestätigte
unter dem 8. April 1819 seine Einrichtungen und befahl ihre
schleunigste Ausfuhrung.
In demselben Frühjahr wurde dem Lysius dann ein „com-
missoriale" zugeschickt, wodurch ihm die Revision des Kirchen-
wesens in den Ämtern Lyck und Oletzko aufgetragen wurde.
Sogleich begann er auch diese Arbeit und fand hier einen
„rechten Greuel der Verwüstung unter der Geistlichkeit"20).
Aus Masuren reiste er sofort nach Litthauen zur weitern
Durchführung seiner Projekte. Jetzt begann man zu wühlen
und suchte diesen uneigennützigen, treuen Mann zu verdächtigen,
zuerst bei D. v. Sauden, „so daß derselbe entweder veranlaßte
oder auch zuließe, daß allerley ungegründete Vorstellungen an-
kähmen." Das Consistorium, selbst auch diejenigen, welche
früher nicht zu Sanden's Freunden gehörten, ergriffen jetzt
20) Vgl. vita p. W7.
8*
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116
Das Volksschulwesen im Königreich Preußen etc.
Partei für ihn, den „Zurückgesetzten". Die Feindschaft; brach
offen aus, zuerst unter den Predigern in Litthauen, als sie
sahen, daß Lysius, der Inspicient des Kirchen- und Schulwesens,
über ihr Verhalten und ihre Amtstätigkeit genau orientiert
war. Ihr Haß und ihre Feindschaft wurde noch mehr geschürt,
als sie von den Germanisierungsplänen des Lysius hörten, daß
er nämlich mit Hilfe der litthauischen Kammer darauf hinarbeiten
wolle, „daß alle junge littauische Leute deutsch verstehen und
reden lernen sollten."
Um dieses Vorhaben scheitern zu machon, trat jetzt unter
Führung des Pfarrers Gabriel Engel zu Zillen, der „am meisten
sich Mühe gab mit umherreisen und vorstellen"30), die ganze
litthauische Geistlichkeit in Opposition gegen Lysius. Auch
unter der polnischen Geistlichkeit erhob sich eine Partei gegen
ihn unter Führung des Erzpriesters Tyszka von Johannisburg,
der ein Mann von niedriger Gesinnung war80). Doch das
Lärmen und Schimpfen dieser Männer vermochte vorläufig keine
Änderung in der Wirksamkeit dos Lysius hervorzubringen, ob-
wohl man auch in Königsberg in der Geistlichkeit, bei der
Kammer und Regierung alles daran setzte, seine Arbeit zu
hemmen und ihm die Direktion aus den Händen zu nehmen.
Dieser erwünschte Zeitpunkt kam, als der neue Kammerpräsident
Truchseß von "Waldburg nach Berlin reiste zu einer Konferenz
mit den Ministern von Osten und Münchau. Lysius hatte schon
von früher her gegen diesen Mann mehrere Handhaben, die
auch jenem wohlbekannt waren. Dazu kam, daß Lysius durch
seine Arbeit das Vertrauen und die ehrende Auszeichnung des
Königs sich erworben hatte. Darum hielt Truchseß es nicht
für sicher, den Lysius im ungeschmälertem Besitz seines An-
sehens zu lassen, sondern verminderte seinen Kredit bei dem
Könige, obwohl er noch bei seiner Abreise den Lysius aller
Gnade versicherte. "Was aber Lysius im voraus sah, geschah,
daß nämlich von allen Anstalten, die er in Litthauen und Ma-
30) Vgl. vita des Lymn» p. 322 ff.
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Von Adolf Keil.
117
suren getroffen hatte, wenig oder nichts fortgesetzt und aus-
geführt wurde, und also seine ganze Arbeit im Sande verlief.
Als Truchseß von Berlin zurückkam, geriet wirklich das "Werk
in Stocken, und Lysius fiel in Ungnade. Über diesen jähen
Wechsel schweigen fast gänzlich die Schulakten — in zarter
Weise berührt ihn Lysius in seiner vita — ; nur ein Bericht
findet sich bei den Akten, das vom Consistorialrat Reinbeck
und Probst Porst zu Berlin hierüber abgegebene Originalvotum,
worin Porst sub 21 Febr. 1722 schreibt: „ . . . Sr. Majestät
Vertrauen ist durch ungleiche Vorstellung unterbrochen; soviel
er sähe, kähme es daher, die Herren Preußen hätten sich auf
den Fuß gesetzet, keinen Ausländer aufkommen zu lassen;
sondern einem solchen Alles in den Weg zu legen, so ihn nur
zurückhalten könne. Sie rechneten sich zur Schande, daß ein
Ausländer, dergleichen Lysius war, ein . . . Werk ausführen
sollte, um welches sie sich bis dahin nicht bekümmert, auch
wenig Lust hatten, ... so hetten Einige Politici und ungeist-
liche Geistliche die Sache mit scheelen Augen angesehen, ihm,
da er Hoffnung gehabt, Oberhofprediger und General Super-
intendent zu werden, sich entgegengesetzt; durch Jemand mit
ungegründeten Vorstellungen Sr. Majestät Vertrauen nieder-
geschlagen, ihn in Ungnade gebracht und zu diesem Werk un-
tüchtig gemacht."
Inwieweit dieser Umschlag begründet und gerechtfertigt
gewesen ist, möge dahingestellt bleiben; doch soviel steht fest,
daß durch den Rücktritt des Lysius und den Abbruch seiner
Arbeit für die Entwicklung unseres Volksschulwesens kein
nachhaltiger Schaden verursacht worden ist; denn wäre sein Pro-
jekt überall durchgeführt worden, was ja im andern Falle hätte
geschehen müssen, so wäre bei einer weitern Entwickelung der
staatlichen Verhältnisse eine neue Revision und Fundation des
Schulwesens unumgänglich gewesen. Sein Projekt war keines-
wegs dazu geeignet, ein praktisches, sicheres, dauerhaftes Fun-
dament für die Schule sein zu können. Erstlich der Gedanke,
die Subsistenz der Lehrer hauptsächlich auf das Land zu fun-
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Das Volkssehulwesen im Königreich Preußen etc.
dieren, hat seine großen, ernsten Bedenken. Abgesehen davon,
daß derselbe für das ganze Königreich im Interesse des Staates
undurchführbar war, infolge des bedeutenden Steuerausfalles, .
wäre doch damit der Schule wenig genützt, da ja der Lehrer
nicht allein im Sommer, sondern auch im "Winter in seinem
eigenen Interesse mehr Landwirt als Lehrer hätte sein müssen.
Ebenso erforderte dieses Projekt auch einen enormen Kosten-
aufwand; denn außer der großen Masse Holz, das zum Bau der
Schulhäuser und nötigen "Wirtschaftsgebäude aus den königlichen
Forsten genommen werden sollte, hätten auch die für jeden
Schulbau veranschlagten Baugelder notwendigerweise über-
schritten werden müssen. Auch die Zurückzahlung der vor-
gestreckten Baugelder von Seiten der Kirchen hätte unüber-
windliche Schwierigkeiten gehabt; denn wie es sich in den
folgenden Jahren nach Revision der Kirchenrechnungen heraus-
stellte, wäre nicht einmal das Capital der vermögenden Kirchen
hinreichend gewesen, um die erforderlichen Kosten zu decken.
Die Kirchen wären also vollständig ruiniert worden. Außerdem
fehlte auch jeder rechtliche Grund, die Kirchen zu einer so ein-
schneidenden Kontribution zu zwingen.
Auch seine das interne Schulwesen betreffenden Pläne
sind nicht durchweg aeceptable gewesen. Ich will nicht be-
haupten, daß er den Kreis für den Volksschulunterricht in seiner
Zeit zu eng gezogen, indem er ihn hauptsächlich auf die Reli-
gion beschränkt hat; aber mit der Zeit des regelmäßigen Schul-
unterrichts geht er zu engherzig um, wenn er die Information
nur auf den "Winter beschränkt und für den ganzen Sommer
die Schule schließt. In diesem Falle kann der Unterricht die
gewünschten Erfolge nicht haben. Das können wir noch heute
sehen, wenn im Herbst die Knaben wieder zur Schule kommen,
welche im Sommer gehütet haben, die doch gewöhnlich vorher
ein bestimmtes Quantum "Wissen und einen gewissen Grad sitt-
licher Haltung sich erworben hatten. Hoch anzuschlagen und
maßvoll zu rechtfertigen ist sein großer nationaler Gedanke,
Litthauen zu germanisieren und dadurch zu kultivieren; daß er
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Von Adolf Keil.
119
diese Idee mittels der Schule durchfuhren wollte, ist auch
richtig; und daß ein derartiges festeres Zusammenschmieden der
verschiedenen Volksst&mme zu einem Staate notwendig war,
kann kein echter Preuße ableugnen.
"Wenn darum Rogge in seiner Arbeit81) dem Lysius als
Hauptmotiv hierzu den rein materiellen Grund unterschiebt, um
Bücher den Litthauern billiger liefern zu können, so ist das
ebenso oberflächlich und wenig stichhaltig, wie seine weitere
Parallele mit dem Schnlrat Rettig.
Vergegenwärtigen wir uns zuletzt noch das Facit der ganzen
Arbeit des Lysius! Ein bleibendes Verdienst hat er sich nur
erworben um die interna des Schulwesens durch den Entwurf
und die Ausarbeitung des später so segensreich wirkenden
litthauischen Katechismus; dagegen vollständig resultatlos ist
seine Arbeit an der äußern Constitution der Schule. Die von
ihm mit dem größten Eifer festgesetzten Schulen sind größten-
teils nicht erbaut, überhaupt wurde, wie verschiedene Pfarrer
berichten, garnicht weiter an seine Einrichtungen gedacht und
auch nichts für ihre Ausführung gethan.
Zweiter Versuch vom 22. Septbr. 1721 bis 19. Mai 1722
durch Quandt, Sahme, Engel.
Nach dem Sturz des Lysius gelang es seinen Feinden, die
Organisation des Schulwesens in die Hände zu bekommen. Der
oben genannte Engel aus Zillen hatte das Glück, den König
bei seiner dritten Anwesenheit in Litthauen im Frühjahr 1721
persönlich zu sprechen und seine Gnade zu gewinnen. Er über-
gab bei dieser Gelegenheit dem König ein Gutachten von einigen
litthauischen Predigern wegen Einrichtung des Schulwesens.
Hierin griffen sie das Projekt des Lysius an, rechneten nach,
was das Holz und die Hufen für die anzustellenden Lehrer
kosten würden, und schlugen schließlich als das Beste vor, sich
mit den Kirchschulen zu begnügen und jährlich aus jeder Dorf-
31,i Altpr. Monatsschrift, B. 18. IT. Lysius in Litthauon und Masurai.
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120
Das Volksäichulwesen im Königreich PreuÄeu etc.
gemeinde 10 Kinder auszusuchen, die Jahr über diese Schule
besuchen sollten. Diesen sollte in der Zeit das Notdürftigst«,
der Katechismus und das Lesen beigebracht werden, so daß im
nächsten Jahr andere 10 Kinder an ihrer Stelle die Sehlde be-
suchen könnten. Als dieser Plan in den maßgebenden Kreisen
zu geringe Beachtung fand, riet Engel sub 17. Aug. 1721, die
Regulierung der ganzen Angelegenheit dem Oberhofprediger
D. Quandt, dem Consistorialrat Sahme und ihm aufzutragen.
Da seine Vorschläge von denen des Lysius nicht nur vollständig
different, sondern denselben sogar conträr waren, so ließ sich
der König noch aus andern Gründen, die kurz vorher erörtert
sind, bestimmen, den Lysius von der ferneren Untersuchung und
Fortsetzung seines "Werkes zu „excludiren" und es unter dem
22. Septbr. 1721 Quandt, Sahme und Engel aufzutragen. Durch
ein Rescript verordnete der König den 7. Octbr., „daß die
Kammer dieser Commission alle Assistenz leisten und die Nach-
richten suppediren soll." Die erste That der neuen Commission
war ein Gesuch an die Kammer, worin dieselbe gebeten wurde,
zur Revision der Kirchenrechnungen einen der Kammerräte der
Commission beizuordnen, und den Commissarien den nötigen
Vorspannpass, nebst Befreiung der Briefe und Packete vom
Postgeld, und Diäten zu bewilligen. Die Kammer berichtete
hierüber an den König den 22. Jan. 1722 und schlug vor, „da
die Kirchenrechnung in Litthauen ein sehr weitläuftiges Werk
sei, andern Leuten, die es zur Genüge verstehen, die Arbeit zu
übertragen und demjenigen, so darin gebraucht wird, Diäten zu
reichen." Dadurch wurde die Geduld und Langmut des Königs
auf die höchste Probe gestellt, und eigenhändig antwortete er
darauf an sein Staatsministerium unter Görne und Creutz in
sehr charakteristischer Weise am 8. Febr. 1722: „Dieses ist
nichts, denn die Regierung dieses arme Land in Barbarei be-
halten will, denn wenn ich baue und verbessere das Land und
ich mache keine Christen, so hilfet mir alles nit, sie sollen sich
mit Obermarschall Printz zusammenthun und Porst, Rheinbeck
und sollen zusammen mir vorschlagen, wie die Sache am besten
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Vou Adolf Keil.
121
und kürzesten anzustellen, und zum Oberdirektorio muß ein Welt-
licher sein, den man von hier hinsenden muß und der ein
Gottes Mann ist." — So unangenehm es auch dem Könige war,
er erfüllte dennoch jene Bitte der Commission, um nur das
"Werk vorwärts zu bringen, und die Kammer erhielt den Befehl,
zuerst den Vorspannpaß zu geben. Am 15. Mai reisten endlich
diese 3 Männer von Königsberg über Kaymen, Labiau und
Zillen nach Tilsit. Den 18. und 19. Mai hielten sie in der
Widdern des Erzpriesters zu Tilsit eine Conferenz ab, zu der
sie die litthauischen Erzpriester am 30. Dezbr. vorigen Jahres
berufen hatten. Es waren 4 Erzpriester, der von Tilsit, Ragnit,
Insterburg, Labiau, und 12 Pfarrer erschienen. Als erste Auf-
gabe, um den Zweck des Königs zu erfüllen und das Kirchen-
und Schulwesen in Litthauen in guten Stand zu setzen, er-
schien ihnen allen, den so „lang desiderirten litthauischen Cate-
chismus in reiner deutlicher Sprache zu Stande zu bringen und
in Litthauen einzuführen." Es wurde nun in der Versammlung
der von Lysius entworfene litthauische Catechismus vorgelesen,
endgiltig abgeschlossen und dem Druck übergeben. Das Werk
sollte in deutscher und litthauischer Sprache gedruckt werden
und zwar in folgender Ordnung:
1) die 5 Hauptstücke allein,
2) die 5 Hauptstücke mit der Auslegung Luthers,
3) die Bejcht- und Fragestücke Luthers, das gewöhnliche
preuß. Beichtformular und die alte kurze litthauische Beicht-
formel,
4) verschiedene Morgen-, Abend- und Tischgebete,
5) Die Haustafel,
6) Das Traubüchlein,
7) Das Taufbüchlein,
8) Eine Vermahnung an die Kommunikanten,
9) Einige Abendmahlsgebete aus dem kleinen lutherscheu
Catechismus.
Sodann beriet man über die Anlegung und Einrichtung
der Schulen. Um aber dieses Werk den lokalen Verhältnissen
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Das Volksschulwesen im Königreich Preußen etc.
anpassend und allgemein erträglich zu machen, hatte die Com-
mission schon vorher den Erzpriestern aufgetragen, gemein-
schaftlich mit den Pfarrern ein Schulprojekt zu entwerfen und
zur bezeichneten Conferenz einzuschicken. Dieselben hatten
auch alle ihre Angaben eingereicht und nach Vorschrift der
Commission angegeben:
1) die Namen der Kirche,
2) die dazugehörigen Dörfer und Wirte,
3) die in ihren Schulen gebrauchten Lehrbücher,
4) den Namen des Präcentors,
B) wie sich der Schulmeister aufführe,
6) dessen Subsistenz und was dabei zu erinnern,
7) die Beschaffenheit der Schulgebäude,
8) an welchen Orten Dorfschulen einzurichten,
9) wie solcher Schulmeister Subsistenz bestehen könne.
Diese Berichte der Geistlichen lagen der Beratung der
Conferenz zu Grunde und enthüllten sämtlich ein trauriges Bild
von der damaligen Schulverfassung; allein auf die brennendste
Frage: wie die Dorfschulmeister angestellt und unterhalten
werden sollten, vermochten sie gar keine genügende Antwort zu
geben. Wenigstens waren die meisten darin einig, ,,daß ohne
incommodität Sr. Majestät hierin nichts möglich ist." Wenn
sie noch einen Vorschlag machten, so war es der, „die Dorf-
schulmeister müssen Handwerker sein und zwar solche, welche
professionem sedentariam gelernt haben, nemlich Schuster,
Schneider, Leinweber, und dabei im Lesen und Schreiben er-
fahren. Solchen wäre ein Bauernhäuschen zur Wohnung und
eine Hube frey zu geben, welche die Leute bestellen müssten."
Da die Conferenz hierin zu keinem Resultat kam, wurde sie
geschlossen, und die Erzpriester sollten noch einmal mit Zu-
ziehung der Prediger ihres Sprengeis Projekte entwerfen und
sie mit ihrem Gutachten über den litthauischen, lutherischen
Catechismus in acht Tagen der Commission zusenden.
Dann revidierte die Comission die Kirchen rechnung, be-
sichtigte die Kirchen und Schulgebäude und setzte am 20. Mai
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Von Adolf Keil.
123
ihre Revisionsreise in die Niederung fort, wo sie bis zum
29. Mai arbeitete; da kam das Pfingstfest, und die Commission
kehrte nach Hause zurück. So war bisher von dieser Com-
mission kein Projekt fertig gestellt, und nichts erhebliches ge-
leistet worden; doch soweit war es wenigstens gekommen, daß
der von Lysius entworfene und bearbeitete Catechismus allseitige
Anerkennung fand, so daß die Einführung eines jedermann ver-
ständlichen Handbuchs für den Unterricht ermöglicht wurde;
auch war man sich klar geworden, wie dringend notwendig eine
allgemeine Schideinrichtung sei, und wieviel Schulen etwa im
litthauischen Departement fehlten, denn die Pastoren hatten,
jeder für sein Kirchspiel, dieselben beantragt, allerdings mit
engem Anschluß an die Festsetzungen des Lysius. Jedoch über
die Beschaffung des Unterhalts für die Dorfschulmeister war
man bis dahin noch zu keinem bestimmten Entschluss gekommen,
sondern schwankte baltlos hin und her.
Dritter Versuch vom 19. Mai 1722 bis 19. October 1724
durch Mansberg und Engel.
Da auch die Regierung zu Königsberg sub 22. Jan. 1722
an den König berichtet hatte: „daß durch diese Commission
das Werk schwerlich werde zustande gebracht werden, da
Quandt wegen seiner Kirchen-, Universitats- und Consistorial-
arbeit gar wenig sich anderen Arbeiten zu widmen vermag,
Sahme und Engel auch eine so langwierige Commission nicht
abwarten können," traf der König eine neue Änderung und
übertrug das Werk dem Cammergerichtsrat von Mansberg aus
Berlin. Mit Zuziehung Engels sollte er die Untersuchung und
Regulierung des Kirchen- und Schulwesens in Litthauen vor-
nehmen. So begann jetzt die dritte Commission ihre Arbeit.
Mansberg kam hierher und forderte von der Commission
die im Amt Tilsit gemachten Schul projekte, die Kirchenrech-
lmugen und den von der litthauischen Geistlichkeit verfertigten
Catechismus. Doch dadurch setzte er sich von vornherein mit
ihr auf einen gespannten Fuß; denn sie verweigerte die Hor-
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Das Volksschuhvesen im Königreich Preußen etc.
ausgäbe der Akten, wenn ihr nicht specielle königliehe Ordre
zugehe; denn ihr sei die Untersuchung aufgetragen. Mansberg
mußte sich deswegen bei Hofe beschweren und erhielt erst auf
ausdrücklichen Befehl der Regierung die Akten ausgehändigt.
Nach eingehender Information begann er dann seine Arbeit mit
Regulierung der so lange „unabgehört gelegenen" Kirchenrech-
nungen und regelte gleichzeitig „in loco mit Zuziehung der
Prediger und Beamten, was ratione der Schulen für nötig ge-
funden." Einen festen allgemein durchführbaren Schulplan
stellte er nicht auf, sondern fundierte jede Schule den betreifenden
Ortsverhältnissen angemessen, auf die halbe Hufe und das Schul-
geld; richtete sich überhaupt wesentlich nach dem Projekt des
Lj'sius. Der König approbierte die Erbauung der von ihm vor-
geschlagenen Schulen und gab auch das Geld dazu her, indem
er 1000 Thaler an ihn zahlen ließ, die Mansberg bei der Königs-
berger Cammer deponierte. "Wo dieselben aber geblieben sind,
ist nicht zu ermitteln; aus den Akten erhellt, daß sie zum Schul-
bau nicht verwendet worden sind.
Nachdem Mansberg vom 1. Juli 1722 bis zum 19. Octbr. 1724
hier in Litthauen thätig gewesen war, traf ihn plötzlich ein
ähnliches Schicksal wie Lysius. Am 20. Septbr. 1724 rescri-
bierte der König an die Königsbergsche Kammer, „daß weilen
Mansberg in der aufgegebenen Commission wegen Einrichtung
des Kirchen- und Schulwesens in Litthauen nichts gethan, sollte
er zurückkehren und die bis dahin gehobenen Diäten, 731 Thlr.,
zurückerstatten."
Hatte Mansberg wirklich diese Strafe verdient? Hat er
nichts ausgerichtet? — Sicherlich nicht! — Er war mit aller
Kraft bemüht gewesen, der königlichen Instruction in allen
Stücken nachzukommen und soviel als möglich den allerhöchsten
"Wunsch zu erfüllen. Er hat, wie es seine Rechtfertigungs-
schrift an den König unzweifelhaft darlegt:
Erstlich das eingegangene Seminarium litthuanicum in
Königsherg restauriert und dadurch den Grund zur Erlangung
tüchtiger Kirchen- und Schuldiener für Litthauen gelegt;
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Von Adolf Keil.
125
Zweitens hat er den Plan von den neu zu erbauenden
Schulen und die Anschläge der dazu nötigen Materialien und
Kosten entworfen, die vorhandenen Schulen visitiert, die Lehrer
in der richtigen Information der Jugend instruiert und etwa
20 neue Schulmeister hier und da angestellt;
Drittens die Übersetzung des Neuen Testaments ins Lit-
thauische fertig stellen lassen;
Viertens hat er die in ganz Litthauen seit einem halben
Jahrhundert in größter Unordnung befindlichen Kirchenrech-
nungen revidiert und richtig gemacht und einen gewissen Be-
stand hervorgesucht, aus welchem die neu anzulegenden Schulen
ohne große Beschwerde der königl. Kasse erbaut werden konnten ;
Fünftens hat er an sämtlichen unter königl. Patronat
stehenden 58 Kirchen Litthauens und an den 7 Hospitalen die
Einkünfte pro futuro reguliert, ein gewisses Rechenformular und
eine Generalinstruction hierfür aufgestellt, und
Endlich hat er in Litthauen noch 16 neu zu fundierende
Kirchen festgesetzt.
Das sub No. 3, 4 und 6 Angeführte war wohl in "Wirk-
lichkeit festgestellt, aber das Übrige blieb unausgeführt. Die
Schuld lag nicht an ihm; er hat alles bei den Ämtern, der
Cammer und Regierung „genugsam pressiret." Diese Instanzen
haben auch verschiedene nachdrückliche Verordnungen an die
Unterbeamten erlassen, allein bei der großen Widers penstigkeit
der letzteren blieben sie, was sie waren; denn mehrere Unter-
beamte mussten 3—4 Mal von der Commission citiert werden
und erschienen erst, wenn die Regiernng mit „Requisitionen"
einschritt. Dazu kam noch die Weitläuftigkeit der Verhandlungen ;
denn über die einzelnen Punkte mußte er immer mit „drei
Collegiis, der Regierung, der Cammer und dem Deputations-
colleg" verhandeln.
Doch war wenigstens von ihm die pecuniäre Lage der
litthauischen Kirchen geregelt und eine maßgebende Norm fiir
den Schulunterricht endgiltig festgestellt, aber von den neu an-
gelegten 19 Schulen war nichts vorhanden, und für Acker und
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126
Das Volksschulwosen im Königreich Preußen vir.
Gebäude war so wenig gesorgt wie für die sonstige Subsistenz
der Lehrer. — Wie und durch wen Mansberg bei dem Könige
in Ungnade gebracht ist, kann man aus den Acten nicht er-
sehen; die Cammer, die im allgemeinen auf die Schulorganisatoren
scheel herabsah, stellte ihm sub 20. Novbr. 1724 über sein
hiesiges Wirken das rühmlichste Zeugnis aus.
Vierter Versuch vom II. Juli 1726 bis 31. Juii 1728 durch Engel.
So geriet das Werk zum dritten Mal ins Stocken und blieb
vollständig liegen bis zum Jahr 1726. Da begann ein neuer
Versuch.
Im Sommer 1726 kam der König abermals nach Litthauen.
Bei dieser Gelegenheit erteilte er nach gehaltenem Gottesdienst
in der Kirche zu Zillen am 11. Juli 1726 dem Pfarrer Engel,
der sein Vertrauen noch immer besaß, den Befehl, das Schul-
wesen in Litthauen einzurichten. Am 12. Jan. 1727 überreichte
Engel dem Könige eine Schrift, in der er selbst anzeigte, daß
die hiesige Geistlichkeit „teils aus Verachtung, teils a.us negli-
geance jeden Fortgang des Schulwesens mit behindert habe,"
und machte nun seine Vorschläge, wie dergl. Hindernisse be-
seitigt werden könnten, wenn der König durch eine Special-
instruetion die ganze Einrichtung ihm übertragen und dann
verordnen würde:
1) daß die Erzpriester alle seine Vorschläge in ihren Kirchen-
sprengeln zur Ausführung bringen und nicht wie bisher durch
Verachtung aller Projekte das Werk hindern;
2) daß die Amtleute das Werk auch unterstützen und nicht
wie bisher zu hintertreiben suchen; besonders sollten sie das
Eintreiben des Schulgeldes besorgen, was zur Erleichterung für
die Leute monatlich geschehen müßte;
3) daß die Schulhäuser wie im Georgenburgischen Amt
gebaut werden. Ein solches Haus würde in Litthaucn 68 bis
78 Thaler kosten, selbst an Orten, wo Lehm, Mauersteine und
Bauholz von weither anzufahren wären:
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Von Adolf Keil.
127
4) daß dieses Material, besonders das Holz im nächsten
"Winter angefahren werde und zwar in jedem litthauischen
Kirchsprengel zu etwa 10 Schulhäusern.
Der König approbierte auch Engels Vorschläge und befahl
der Kammer am 6. Febr. 1727 diese Sache mit dem Consistorium
wohl zu überlegen und einzurichten.
Allein es erfolgte hierauf wenig oder garnichts, außer daß
der König klar einsah, daß aus dem ganzen Werk nichts werden
würde, wenn nicht andere Leute, besonders andere Prediger,
hierher kämen, die sich nicht mehr widersetzten, sondern mit
heiligem Ernst auch selbst Hand anlegten. Zu diesem Zweck
wandte sich der König wieder an Francke und trug ihm in
einem eigenhändigen Schreiben vom 2. und einem andern vom
26. Mai 1727 auf, „ins künftige sowohl zu Prediger als Pro-
fessores solche Leute nach Preußen in Vorschlag zu bringen,
die keine Preußen von Geburt, sondern aus meinen hiesigen
Provinzen und Landen gebürtig sind und von denen ihr voll-
kommen versichert, daß sie auf das rechte thätige Christentum
gehen, maßen ich nichts mehr wünsche, als das rechte wahre
Christentum in ineinen preuß. Landen einzuführen und die
dortigen Einwohner zur rechten Erkenntnis zu bringen. Die,
so Preußen von Geburt, wenn sie bei Euch studiert haben, will
ich in meinen hiesigen Provinzen befördern; auch müßt ihr euch
angelegen sein lassen, Leute, die zugleich Litthauisch mitlernen,
anzuziehen." Zugleich machte er es Francke zur Pflicht, die
beiden Professoren Woltf und Rogall, die auf seinen Vorschlag
an der Academie zu Königsberg angestellt waren, „beide fleißig
zu ermahnen, angelegentlichst die dortige Jugend recht zu unter-
richten, sodann ich dieselben jederzeit souteniren, auch die weiter
vacant werdenden Professuren mit solchen Leuten besetzen
werde, die ihres Sinnes sind." Gleichzeitig wandte sich auch
der unermüdliche König an den Probst Goedecke, „daß er bei
den in andern Landesteilen stehenden Regimentern suchen soll
tüchtige Kandidaten, die aus Preußen gebürtig, zu Feldpredigern
zu emploiren und bei den in Preußen stehenden Regimentern
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128
Das VolksKrhulwesen im Königreich Prenflen et<\
hiesige Landeskinder, die dort mit gutem Nutzen zu Predigt-
ämtern befördert werden können."
So war auch der vierte Versuch ohne allen Effect, und
das Schulwesen mußte jetzt wiederum vom Frühjahr 1727 bis
31. Juli 1728 gänzlich als im tiefen Schlaf begraben liegen
bleiben, und es findet sich keiner in ganz Preußen, der des-
wegen einige Schritte gethan hat.
Fünfter Versuch vom 31. Juli 1728 bis 4. Septbr. 1731
durch Wolff und Rogall.
Doch bei allen seinen Regierungssorgen faßte der König
im Jahre 1728 die Sache von neuem ins Auge und forderte
die beiden hiesigen Professoren Wolff und Rogall 8S) durch ein
Handschreiben vom 31. Juli 1728 auf, ein Gutachten wegen
Verbesserung des Schulwesens im ganzen Lande einzusenden.
Beide setzten sich schnell mit den Erzpriestern und Pfarrern
teils mündlich, teils schriftlich dieser Sache halber in Ver-
bindung, „um etwas gegründetes, heilsames, practicables vor-
stellen zu können," und entwarfen folgendes Projekt:
I. in betreff der Schullehrer:
1) Jeder Prediger hat so viel Schulmeister zu bestellen,
als in seinem Kirchspiel Schulen festgesetzt werden, und zwar
müssen in den Kirchdörfern studierte Leute angenommen werden,
die mit der Zeit in das Predigtamt hineinkommen. Dadurch
nur kann Schul- und Predigtamt aufgebessert werden; in den
andern Dörfern können wohl Handwerker, Schuster, Schneider,
Leinweber, Altflicker angenommen worden.
2) Jeder Prediger hat die Schulmeister für die Information
vorzubereiten.
3) Die hierin lässigen Prediger werden bestraft, und zwar
müssen sie die Kosten tragen für den Aufenthalt der Schul-
meister an dem Orte des Erzpriesters, wenn derselbe sie zur
Vorbereitung auf den Unterricht zu sich bestellt.
32) Nachrichten von dem Charakter rechtschaffener Prediger. B. 1.
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Von Adolf Keil.
4) Sollten einige Erzpriester nicht ernstlich für die Schulen
ihrer Diöcese sorgen, so sollte ein benachbarter Erzpriester oder
ein tüchtiger Feldprediger beauftragt werden, die Schulmeister
der betreffenden Diöcese jährlich zusammenzurufen und zu
examinieren.
II. Über die Anlegung der Schulen:
In jedem großen Dorf sollte ein Schulmeister sein, von den
kleinen Dörfern müssen 2—3, die der Prediger zu bestimmen
hat, zusammen einen Schulmeister halten; wo schon in einigen
Kirchspielen Schulen eingerichtet sind, da können die nötigen
noch hinzugefügt werden; in den übrigen, wo fast noch keine
eingerichtet sind, müssen wenigstens 3—4 in jedem großen
Kirchspiel zum Anfang besorgt werden.
HE. Die Schulkinder betreffend:
Die Eltern, Vormünder, Herrschaften und Wirte ohne Aus-
nahme sind verpflichtet, die Kinder so lange zur Schule zu
schicken, bis der Prediger bescheinigen kann, daß sie das Nötige
gelernt haben.
Die zu entlassenden Kinder sind bei der jährlichen Kirchen-
visitation dem Erzpriester vorzustellen, damit er sie examinieren
und sein Votum abgeben könne.
Auch wenn sie das Nötige gelernt haben, müssen sie den-
noch bis zur Conflrmation einige Stunden wöchentlich zur
Schale kommen, damit sie das Erlernte nicht vergessen. Das
Schulgeld kann die Herrschaft demjenigen, so schon im Dienst
steht, vom Lohn abziehen.
Der Schulbesuch muß mit dem 6. oder 7. Lebensjahr be-
ginnen; denn vom 9. oder 10. Jahr an verwenden die Eltern
ihre Kinder schon zu großem Nutzen in ihrer Wirtschaft oder
können sie schon in anderer Leute Dienste geben, wo sie sich
etwas verdienen können.
Die Schulzeit auf dem Lande muß wenigstens vom Herbst
bis Frühjahr, 2 volle Quartale, dauern, und die Kinder müssen
Vor- und Nachmittags zur Schule gehen; im Sommer müssen
Altpr. MonatMchrift Bd. XXIII. Hftln.lL 9
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130 Das Volksschulwcsen im Königreich Preußen etc.
sie auch für einige Stunden, welche der Pfarrer mit den Amts-
leuten festsetzt, zur Schule gehen.
Die, welche unterlassen die Kinder anzuhalten, besonders
am Sonntag nach der Predigt zu beten und das Erlernte zu
wiederholen, werden, falls ihre Kinder oder Gesinde bei der
Prüfung nicht bestehen, gezwungen, aufs neue die Kinder zur
Schule zu schicken; aber jetzt dürfen sie dem Gesinde für die
Information und die dazu erforderliche Zeit vom Lohn nichts
abziehen; das gilt auch von den Lehrjungen in den kleinen
Städten. Die Prediger selbst haben ein Verzeichnis aller schul-
pflichtigen Kinder zu führen, die Leute bei allen Gelegenheiten
zu ermahnen, ihre Kinder fleißig zur Schule zu schicken, und diese
Consignationen dem Erzpriester bei der Visitation abzugeben.
Ferner haben die Geistlichen jene königl. Verordnung
genau zu beobachten und kein Kind zur Beichte anzunehmen,
das nicht, wo nur immer möglich, lesen kann; auch keinen zu
proklamieren, zu copulieren und zur Gevatterschaft zuzulassen,
der nicht vom Christentum nötige Antwort geben kann. "Wider-
spenstige müssen hierzu mit Zwang und Strafe angehalten
werden.
IV. Die Information:
Die Kinder müssen fertig lesen, den kloinen Catechismus
Luthers fertig auswendig, deutlich aussprechen und dem Sinne
nach verstehen gelernt haben. Deswegen haben die Schulmeister
täglich eine Stunde denselben catechetice zu erklären und ein-
zuschärfen. Ferner sollte ein erfahrner Schulmann eine gute
Methode ausarbeiten, die dann in allen Schulen einzuführen
wäre. Bei jeder Schule muß mindestens eine Bibel von der
Kirche oder Dorfschaft angeschafft werden, damit den Kindern
daraus etwas vorgelesen, und die bibl. Geschichte nebst den
notwendigen Hegeln des Christentums beigebracht werden kann.
Auch sollen die Prediger dem Schulmeister den Inhalt der
nächsten Sonntagspredigt bereits am Anfang der Woche zu-
schicken, damit er den Kindern bekannt gemacht, und die Re-
petition der Predigt so vorbereitet werde.
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Von Adolf Keil.
131
Damit die Kinder das nötige erlernen, müssen die Schul-
meister eine gute Lehrart haben, und die Prediger haben zu
sorgen, daß denselben eine solche vorgeführt und dann auch
eingehalten werde.
V. Die Subsistenz:
1) Dazu muß jedem Schulmeister ein Häuschen und ein
kleiner Stall erbaut, wie auch ein Geküchgarten bei dem Hause
von etwa 36 Quadratruthen angewiesen werden. Die Kammer
und Regierung hat das zu den Gebäuden nötige Bauholz aus-
findig zu machen und sowohl für die Anfuhr desselben und die
übrige Scharwerk bei dem Bau als auch für das Geld zum Bau
Sorge zu tragen.
2) Der Schulmeister soll die Freiheit haben, ein Paar Kühe,
auch 2 — 3 Schweine zu halten, welche unentgeltlich auf die
"Weide der Dorfschaft gehen; ferner soll er sein freies Brenn-
holz aus den königl. oder der Dorfschaft Holzung erhalten, Frei-
heit von allen oneribus und das Recht außer den Schulstunden
sein Handwerk zu treiben.
3) Es soll jedem Schulmeister das wöchentliche Schulgeld
2 Gr. für jedes zu unterrichtende Kind bezahlt werden; von
denen, die nicht geben wollen, muß es eingetrieben werden;
für die notorisch Armen wird es aus den Kirchengefallen oder
der Armenkasse gezahlt. Wo nichts zureicht, kann in jedem
Dorf noch eine besondere Schulkasse eingerichtet werden, in die
jeder Wirt monatlich 1 Gr. pr. einlegt; reichere Leute können
mehr zahlen.
4) Da dieses zum Unterhalt nicht ausreichen kann, und
viele Dörfer auch zu arm sind, so muß jedem Schulmeister auch
die vom König accordierte Hube eingeräumt werden, und außerdem
dafür gesorgt, daß ihm jährlich eine gewisse Kaiende gereicht wird.
Dieses Projekt sollte, bevor es zur allgemeinen Durch-
fuhrung kam, nach Vorschlag der Autoren zuerst in 3 oder
4 Ämtern, in Insterburg, Rastenburg, Orteisburg und Fisch-
hausen erprobt werden und zwar mit der ausdrücklichen Be-
stimmung, daß innerhalb eines halben Jahres alles eingerichtet
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132 Da8 Volksschulwesen im Königreich Preußen cte.
sei. Die sich dabei zeigenden Schwierigkeiten sollten dann ab-
geändert werden, damit die Durchführung in den übrigen
Ämtern leichter und geschwinder fortschreiten könnte.
Damit man erfahre, wie das Schulwesen vorwärts komme,
sollten die Prediger bei Androhung von nachdrücklichen Strafen
verpflichtet werden, an die Consistorien über den Fortschritt,
die etwaigen Hindernisse und deren Beseitigung fleißig zu be-
richten. Ferner sollten die Amthauptleute gehalten sein, eifrig
darauf zu sehen, daß diese Sache der königl. Intention gemäß
auch auf adligen Gütern vollführt werde; die Kreissteuerräte
und Beamten, jene in den kleinen Städten, diese auf dem Lande,
müßten für die eilige Ausführung dieses Werkes Sorge tragen,
besonders auch dafür, daß der Schulmeister die festgesetzte, durchaus
notwendige Subsistenz erhalte. Und bis zur vollständigen Ein-
richtung im ganzen Lande, sollte die Regierung und die Cammer
alle halbe Jahr an den König referieren.
Der König approbierte dies Projekt und verordnete unter
dem 12. Septbr. 1729 an die Kammer, Regierung und Con-
sistorien, das Schulwesen dergestalt einzurichten und zuerst in
den Ämtern Insterburg, Rastenburg, Orteisburg und Fischhausen
den Anfang zu machen und innerhalb eines halben Jahres zu-
stande zu bringen; hernach in allen übrigen Ämtern damit zu
continuieren.
Allein der Winter kam und ging, und noch immer war
jenem königl. Befehl nicht Genüge geleistet worden. Vielmehr
brachte im März 1730 die Cammer ihre Bedenken über ver-
schiedene Punkte, hauptsächlich in der Existenzfrage der Lehrer,
vor und zugleich auch einen neuen Vorschlag wegen der Ein-
richtung des Schulwesens, nach welchem die Schulen im Sam-
ländischen, im Amt Fischhausen, vom Erzpriester Baumgart ein-
gerichtet worden waren. Die Cammer beanstandete nämlich die
Verteilung der halben Hube, weil dadurch, wie sie vorgiebt, das
Contributionsinteresse gemindert, das catastrum gestört, die
Untertanen, denen sie abgenommen werden, merklich geschwächt
würden, und schließlich der Schulmeister doch nicht materiell
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Von Adolf. Keil.
133
sicher gestellt wäre, so daß er davon seine genügende Subsistenz
hätte. Vielmehr würde er durch die große Landwirtschaft in
seiner Arbeit an den Kindern behindert werden, besonders im
Frühjahr und Sommer, wo der Landmann sehr in Anspruch ge-
nommen wird. Auch der Satz des Schulgeldes, wöchentlich
2 Gr. pro Kind, wurde als eine zu hohe Geldabgabe angesehen.
Trotz alledem würden die Schulmeister doch nicht ihre nötige
Subsistenz haben, da sie nur für die Winterquartale jenes Ent-
gelt erhielten.
Wohl liegt in diesen Einwendungen manches Richtige, be-
sonders in der Subsistenzfrage der Lehrer. Demnach läßt sich
das hervorheben, was wir im ähnlichen Falle bei Lysius sagten,
dem sich die beiden Autoren in der Regelung dieser höchst
schwierigen Frage im großen Ganzen anschlössen. Immerhin aber
ist dieses Projekt zuverlässiger als alle früheren, da es ein festeres
und strengeres Regiment für die Schule schuf, das damals
dringend notwendig war; ebenso ist es auch praktischer und
durchführbarer, als das zu derselben Zeit im Amt Fischhausen
vom dortigen Erzpriester eingeführte. Nach diesem Entwurf
soll der Schulmeister von jedem Wirt jährlich einen halben
Scheffel Korn und eine Metze Erbsen erhalten und wöchentlich
— ob derselbe viel oder wenig Kinder oder gar keine in die
Schule schickt — 1 Gr. pr. Schulgeld. Auf diese Weise hätte
er jährlich ein Fixum an Geld, etwa 13 Thaler und 14 bis
15 Scheffel Korn und gegen 2 Scheffel Erbsen, vorausgesetzt
natürlich, daß etwa 30 Besitzende zu der betreffenden Schule
gehören. Das Schulgeld müßte dann, damit es den Leuten nicht
schwer fällt, wöchentlich vom Dorfschulzen eingezogen und an
den Schulmeister abgezahlt werden. Diesen 1 Gr. pro Kind
können auch die Inst- und Miethsleute, wenn sie Kinder haben,
zahlen; für die notorisch Armen soll es aus der Armenkasse ge-
reicht werden. Wo nicht so viel Wirte zu einer Schule ge-
schlagen werden können, daß jener obige Satz herauskommt,
müßte ein jeder Wirt statt des einen Groschens 4 und 8/* Scheffel
Korn nebst 1 Metze Erbsen geben. Zudem brauchen auch die
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134 Das Volksselm Iwesen im Königreich Preußen etc.
Einrichtungen nicht überall gleich zu sein. Schließlich, wenn
der Schulmeister mit den Leuten gut umgeht, werden sie ihm
auch etwas zu gute thuu, so daß er bei vollständiger Steuer-
freiheit für sich und die Seinigen die notdürftige Subsistenz
haben könnte. Dann würden sich auch die Leute leichter be-
wegen lassen, ihre Kinder soviel wie möglich, auch im Sommer
zur Schule zu schicken; und ebenso würden sich tüchtige Leute
als Schulmeister melden.
Die Kammer hatte obige Bedenken und Vorschläge des
Erzpriesters von Fischhausen begründet gefunden und nachdem
sie auch die Berichte und Vorschläge von den Erzpriestern,
Predigern und Beamten aus den andern 3 Ämtern, insonderheit
die aus dem Amt Orteisburg erwogen und geprüft hatte, hielt
sie folgenden Vorschlag in der Subsistenzfrage für den besten:
„Zu jeder Schule sollen gewisse Wirtschaften wöchentlich zum
Unterhalt der Schulmeister 1 Gulden bis 4 Pf. baar Geld und
jährlieh das vorgeschlagene Getreide geben; die Instleute, Los-
gänger und Gärtner, so Kinder zur Schule schicken, geben
wöchentlich 1 Groschen. Die zum Aufhau der Schulhäuser er-
forderlichen Kosten soll die Königl. Kasse tragen; dieselben
würden für 22 Schulen, die im Amt Fischhausen noch nötig
wären, 1G50 Thaler betragen." Gleichzeitig schickte auch die
Kammer das Projekt von der Einrichtung der Schulen im Amt
Orteisburg ein, wo ein eifriger, treuer Beamte, der adlige Ge-
richtschreiber Fischer,83) ein „rechter Nehemia", wie ihn D. Pauli
zu Saalfeldt nannte, auf eigene Hand das Schulwesen organisierte,
und wobei sie nichts zu erinnern hatte, als daß nur auch die
übrigen Schulen in ähnlicher Weise fundiert und angebaut
werden. Beide Projekte gehen im September 1730 an das
General-Ober-Finanz-Direktorium nach Berlin ab. Darauf er-
hielt die hiesige Regierung und Kammer am 17. Novbr. 1730
durch Königl. Rescript den Befehl, „daß es nötiger und besser
33) Vgl. Altpreuß. Monatsschrift 18GG, S. 302 ff. Toppen. Die Ein-
richtung der Elementarschulen ini Amt Orteisburg.
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Von Adolf Keil. 135
ist, den Anfang mit dieser Einrichtung in den litthau ischen
und polnischen Grenz- Amtern zu machen, und wenn da geendigt
ist, in den Oberländischen und Samländischen Kreisen fort-
zufahren." Beide Instanzen sollten hierüber conferieren und dann
ein anderes Projekt einsenden, wie die Einrichtung in den
litthauischen und polnischen Ämtern am leichtesten geschehen
könne.
Inzwischen kam das Jahr 1731, wo der König im Sommer
unsere Provinz bereiste. Diese Gelegenheit nahmen 7 Prediger
in Litthauen wahr und stellten dem König vor, daß für die
Schulen nichts gethan werde; es werden weder die nötigen
Schulhäuser erbaut, noch den Lehrern die bewilligten Huben
angewiesen. Darauf decretierte der König sub 29. Juli 1731 an
die Regierung und Cammer: „Ihr habt ernstlich ohne Zeit-
verlust eine Designation von den in litthauischen Amtern er-
forderten Schulen zu verfertigen und mit Anschlag, wie viel
Holz und Geld dazu nötig, möglichst bald hier einzusenden und
in einer andern Specification nachzuweisen, welche Schul-
meister die Huben bereits empfangen haben und welchen sie
noch fehlen."
Da schickte die Cammer am 24. September 1731 den Be-
richt ein, daß in Litthauen in 10 Ämtern bereits 19 Schulen
wirklich eingerichtet sind, und daß man mit der Einrichtung
der 20. gegenwärtig beschäftigt ist. Der König forderte hierauf
am 16. Oktober 1731 noch eine accurate Tabelle, worin genau
anzugeben war:
1) Wie viel Dorfschulmeistor in Litthauen schon angebauet
und wie viel noch unumgänglich fehlen,
2) Wie viel Schulhäuser für dieselben nötig sind,
3) Wie hoch die Kosten für deren Anbau sich belaufen,
4) Wie viel wüste Huben noch den Schulmeistern ein-
zuräumen sind und
6) Wie viel desfalls an Zins von den Amtserträgen abzu-
schreiben ist.
Diese gegenteiligen Projekte der Cammer einer Kritik zu
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136 Da« VolksBchulwescn im Königreich PreuBen etc.
unterziehen, verlohnt sich nicht, da sie ja vollständig ohne alle
Principien zusammengestellt waren und darum dem Universal-
werk nicht nur nicht nützen, sondern vielmehr schaden konnten
und mussten.
Und so geschah es auch. Das von Wolff und Rogall ent-
worfene Projekt, welches in universalem Sinne gearbeitet war,
wurde weiter nicht beachtet, und aus den andern Entwürfen
ließ sich nichts allgemein durchfuhrbares entnehmen. So waren
alle bisherigen Versuche erfolglos und das Schulwesen blieb in
der alten, argen Verfassung.
Doch ein ganz unscheinbares Ereignis trat ein, das [per
Eescript] allen früheren nutzlosen, kostspieligen Versuchen ein
Ende machte, und wie wir sehen werden, endlich zum Ziele
führte. Am 4. September 1731 übersandte der König an die
hiesige Regierung ein Projekt zur Erwägung, in welchem er-
öffnet ward, daß eine Commission zur Durchführung der Schul-
organisation ernannt werden sollte; die Regierung sollte nun
mit der Cammer und dem Consistorium eine Instruction für
dieselbe entwerfen, auch vorschlagen, woher die Kosten für die
Commission zu nehmen sind. Dieses Projekt, wie der Gedanke
einer Commission, ging aus von dem Kammerrat von Grumbkow,
dem die wachsende Confusion im Kirchen- und Schulwesen sehr
zu Herzen ging. Sein Projekt hatte Grumbkow seinem Vetter,
dem Etatsminister v. Grumbkow in Berlin zugesandt. Darauf
antwortete den 29. November 1731 die Eegierung nach gemein-
schaftlicher Überlegung mit dem Consistorium, daß die im
Projekt vorgeschlagene Commission wenig Nutzen haben würde,
wie es sich bei der von Mansberg geleiteten Untersuchung ge-
zeigt hätte, als daß nur einige 100 Thaler Diäten daraufgegangen
sind. Die Regierung versichert, daß sie jederzeit die Amts-
hauptleute ernst ermahnt habe, die Kirchenrechnungen zu
Michaelis zu regeln.
Daß dieses nicht geschehen ist, lag an dem Mangel von
Amtshauptleuten.
Einen Calculator bei den Kirchenrechnungen hinzuzuziehen,
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Von Adolf Keil.
137
sei unnötig, da die Amtsschreiber und adligen Gerichtsschreiber
diese Arbeit gratis thun müssen, zumal da in den litthauischen
Amtern diese Arbeit von der Kirchencommission schon 1724
größtenteils geregelt ist. Auch das Consistorium pflichtete dieser
Ansicht bei, da eine Commission viele Jahre hierauf verwenden
müßte, wodurch die Kirchen, die aus ihrem Vermögen die Diäten
zahlen sollten, sehr geschwächt würden. Die perpetuirliche
Kirchencommission wird die Rechnungen durchgehen und dann
den Amtern und Magistraten bei fiskalischer Strafe aufgeben,
alle ausstehenden Gelder im Verlauf eines *U Jahres beizutreiben.
In Bezug auf das Schulwesen hatte das Consistorium dieses
zu erwähnen:
1) Daß an den meisten Orten bei einer Schule ein Lehrer
nicht ausreicht, da ca. 60—70 Kinder „von diversen profectibus"
zu unterrichten sind.
2) Daß die Salaria so klein sind, daß man rechten soliden
Männern mit gutem Gewissen einen solchen Dienst nicht auf-
tragen kann.
3) Daß auch die Leute zu arm sind, um das Schulgeld
und die sonstigen Ausgaben für Bücher bestreiten zu können.
Wenn diese Hindernisse nicht weggeräumt werden, dann
sind nicht nur alle Mühen und Ünkosten umsonst, sondern
auch der Endzweck des ganzen "Werkes, die Fördorung der
Moralität und Bildung des Volkes kann nicht erfüllt werden.
(SchluB folgt.)
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Das Culmcr-Lnnd und die Siid^rcnzc von
Pomesanien.
Von
Dr. W. K$trzyAskl.
In meinem polnisch geschriebenen Buche „über die pol-
nische Bevölkerung im Ordenslande Preußen" habe ich den
Nachweis geführt, daß bei Ankunft des Ordens das Culmer-Land
ein rein polnisches war und daß gerade aus Rücksicht auf die
dortige Bevölkerung der Orden das polnische Recht in deutscher
Sprache niederschreiben ließ, welches später Helcel und Volk-
mann nach einer Handschrift des XIV. Jahrhunderts heraus-
gegeben haben. Bei dieser Gelegenheit hatte ich mir auch die
Frage gestellt, ob nicht auch das Culmer-Land früher einstmals
den Preußen gehört hatte, wie wir dies vom Lande Löbau be-
stimmt wissen, war aber zu dem Schlüsse gekommen, daß dies
nicht der Fall sei, da kein schriftliches Zeugnis dafür spreche.
Schriftliche Zeugnisse über das Culmer-Land, sowie über
Preußen aus den dem XIII. Jahrhunderte vorangehenden Zeiten sind
sehr selten, *) desto größeres Interesse wird es bei den Forschern
preußischer Geschichte erregen, daß es mir im vergangenen Jahre
gelungen ist, in einer Handschrift (J. 31) der Bibliothek des
Capitels von Plock eine Nachricht zu finden, die jedenfalls
*) Einige interessante) Nachrichten über Preußen aus dem XII. und
XIII. Jahrhundert* enthält die von mir im vierten Bande der Monumenta
Pol. hist. p. 748— 754 herausgegebene: Mors et miracula beati Verneri epi-
scopi Plocensis. Auetore Joanne decano Plocensi. Der Verfasser war Kanzler
Conrads von Masovien gewesen.
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Das Culmer-Land und dio Südgrunzo etc. Vuu Dr. W.Ketrzyriski. 139
aus der zweiten Hälfte des XI. Jahrhunderts stammt und welche
auf das Culmer-Land ein unerwartetes Licht wirft. Obgleich
durch dieselbe meine Ansicht, als ob das Culmer-Land kein ur-
sprünglich preußisches Gebiet gewesen, umgestoßen wird, so
hindert mich dies doch nicht, von dem neuen Funde hier Nach-
richt zu geben.
Das betreffende nicht sehr umfängliche Schriftstück befindet
sich in einer aus dem XTV. Jahrhunderte stammenden Hand-
schrift und wird von mir im V. Bande der Monumenta Poloniae
historica herausgegeben werden. Es führt den Titel: Iste sunt
castellanie ecclesie Plocensis cum villis pertinentibus ad easdem
und enthält ein überaus interessantes und reichhaltiges Ver-
zeichnis aller Ortschaften, die dem Bisthum Ptock, wie ich vor-
muthe, bei seiner Begründung durch Vladislaus Herrmann von
Polen in der zweiten Hälfte des XI. Jahrhunderts verliehen wurden.
Dies Schriftstück wurde einer in der zweiten Hälfte des
Xin. Jahrhunderts untergeschobenen Urkunde Conrads von Ma-
sovien aus dem Jahre 1203 einverwebt,*) hat aber gerade dieses
Umstandes wegen, sowie in Folge der Lückenhaftigkeit des
Textes , der an vielen Stellen durch Mäusefraß beschädigt worden
ist, nicht die Berücksichtigung gefunden, welche es verdient;
die preußischen Gelehrten haben aber der Urkunde keine Auf-
merksamkeit schenken können, da aus der Preußen betreffenden
Stelle gerade die wichtigsten Worte ausgefallen sind.
Eine Vergleichung des von mir aufgefundenen Schrift-
stückes, das mit der Form einer Urkunde nichts gemein hat,
ergiebt das Resultat, daß dasselbe nicht der Urkunde von 1203
entlehnt ist, sondern daß beide — Schriftstück und Urkunde —
aus einer gemeinsamen Quelle stammen, die bereits einige Inter-
polationen aus dem Anfange des XHI. Jahrhunderts enthielt,
welche als solche selbst angedeutet sind.
Die das Culmer-Land und Preußen betreffende Notiz lautet
in der Urkunde, wie folgt: Rustk et cum castoribus super
*) Kodeks dypl. Ksi^twa mazowicckiego p. 337— 338.
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140 Das Culmer-Land und die Südgrenze von Pomesanien.
Drwancam et cum appendentibus villis ; im er-
wähnten Schriftstücke dagegen: Rusck Castrum et cum castori-
bus supra Druancam et eupra jpsum Ruz, Dzetino et cum lacu
et cum appendentibus villis in Pomezania.
Ehe wir uns an die Erklärung dieser Stelle machen, können
wir nicht umhin, unser Bedauern auszudrücken, daß gerade hier
unser Schriftstück von seiner Methode, alle Ortschaften namentlich
aufzuführen, eine Ausnahme macht.
Die Lage von Rusck ist leicht zu bestimmen, da zwei
Flußnamen dieselbe fixieren. Rusck ist das heutige Ruziec in
Polen am Flüsschen gleichen Namens nicht weit von der
Mündung desselben in die Drewenz. Die Städte Golub und
Dobrzyrf an der Drewenz liegen kaum eine halbe Meile davon.
Der in jener Notiz erwähnte See wird auf Specialkarten noch
erwähnt. Statt Dzetin dürfte Dzelin zu lesen und darunter das
etwas südlicher gelegene Dziatyn zu verstehen sein.
Daß diese Gegend in frühhistorischer Zeit einmal eine
wichtige Rolle gespielt habe, dies beweisen die zahlreichen
alten Schanzen und Burgberge.
Im XI. Jahrhundert war Ruziec also ein forstliches Castrum
oder eine Castellanei und als solche der Sitz der Verwaltung
des umliegenden Gebietes. Wenn nun die zur Castellanei Ruziec
gehörigen Ortschaften als in Pomesanien gelegen bezeichnet
werden, so kann unmöglich an das Pomesanien des Ordenslandes
gedacht werden, auch nicht an das unmittelbar jenseits der
Ossa gelegene Land, das der Orden dem Culmer-Lande einver-
leibte; alle diese Gegenden liegen viel zu weit ab von Ruziec
und können mit diesem in keinem Verbände gestanden haben.
Auch von dem südlichen Theil des Löbauer-Landes , wo das
Bistum Plock zahlreiche Besitzungen hatte, kann nicht die
Rede sein, da sie ebenfalls viel zu weit abseits gelegen sind und
1229 eine eigene Castellanei Swiecie*) (polnisch Schwetz) bil-
deten. Die Dörfer, die zum Castrum Rusck in Pomesanien ge-
*) Kodeks dyplomatyczny ksiestwa mazowieckiego nr. 6.
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Von Dr. W. K«trzynski.
141
hörten, können also nur in unmittelbarer Nachbarschaft von
Ruziec gelegen haben und zwar auf dem rechten Ufer der Dre-
wenz, das ist im sogenannten Culmer-Lande, wo, wie wir wissen,
der Bischof von Plock im Jahre 1222 seine Besitzungen dem
Bischof Christian abtrat
In jener Zeit also, aus der die von mir citierte Notiz her-
rührt, reichte Pomesanien noch bis an die Drewenz, war aber
in seinem südlichen Theil von Polen bereits occupiert und colo-
nisiert worden, so daß der Kirche von Plock ansehnliche Be-
sitzungen daselbst verliehen werden konnten. Ein Land Culm
existierte damals noch nicht. Da die Castellanei Ruziec in bi-
schöflichen Besitz überging, so wurde damals wahrscheinlich
schon der Mittelpunkt der fürstlichen Verwaltung nach Culm
verlegt und die Castellanei Culm begründet, die, wenn wir der
selbständigen Nachricht der großpolnischen Chronik*) Glauben
beimessen dürfen, im Jahre 1138 bereits bestand. Die Castellanei
Culm gab aber erst dem ganzen dazu gehörigen Bezirke zwischen
Weichsel, Ossa und Drewenz den Namen terra Culmensis.
*) Monumenta Poloniae hi»t. II, 518.
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Nachtrag zur Schlacht you Tannenberg.
(Bd. XXII S. 637-648.)
Von
A. Horn.
(Mit einoin Plane.)
Die Nachholung des Schlachtenplanes, die in der Anlage
erfolgt, giebt mir Gelegenheit, auf einige andere Beschreibungen
der Schlacht einzugehen, nämlich drei Beschreibungen im dritten
Bande der Scriptores rer. Pr. S. 316, 438 und 724, sowie die
in Caro's Geschichte Polens Bd. 3 S. 319 ff.
Zuerst giebt die dritte Fortsetzung der älteren Hochmeister-
chronik (S. 724 cit.) ein ziemlich oberflächliches Bild von polnischer
Seite wie folgt (aus dem Lateinischen):
„Wladislaus, der König Polens trat durch die Masau in
die Grenzen Preußens, in seinem Gefolge Wythold, Herzog von
Lithauen und Tachtamgrzus, Herzog der Tartarei mit einer un-
begrenzten Zahl Polen, Rutheuen, Lithauer und Tartaren. Als
er im Jahre des Herrn 1410 die Grenzen Preußens stark ver-
wüstete, brach er die mit Mauern umgebene Stadt Namens
Dambrowken (Gilgenburg), Litthauer und Tartaren zerstörten
die Mauern mit Feuer und Flamme von Grund aus und wütheten
trunken (debachati) mit solcher Grausamkeit, daß sie nichts
schonten, kein Alter, kein Geschlecht. Denn die Priester, welche,
wie man sagt, in ihren kirchlichen Gewändern vor den Thüren
der Kirche standen, tödteten die Lithauer nichtsdestoweniger
und wieder zu der Bevölkerung der Stadt gekehrt, ließen sie
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Nachtrag zur Schlacht von Tannenberg. Von A. Horn.
143
dieselbe durchweg über die Klinge springen, schonten in ihrer
Unmenschlichkeit nicht die Kindlein, die in der Wiege lagen
und die Tartaren sollen sogar Menschenfleisch gefressen haben;
man hat mehrere Tartaren ein Viertel eines Knaben am Fuß
durch einen Bing gezogen, schleppen gesehen.*) Als dies der
Hochmeister der Kreuzritter hörte , schickte er dem Heere
unseres Königs zwei Schwerter, nämlich eins für den König,
eins für dessen Bruder Wythold, verlangend, daß ihnen vom
Könige der Ort des künftigen Kampfes angezeigt werde (!)
Als der König dieses abgelehnt hatte, kamen sie auf dem Felde
Grunwald [soll heißen Grunfeld, wonach die Polen die Schlacht
benennen] am 15. Juli 1410 zusammen und kämpften so grausam,
daß selbst der Hochmeister „Petrus" (!) mit Namen, der Marschall
desselben und die Komthure des Lagers, deren Zahl 70 gewesen
sein soll und alle Kreuzherrn, vom Rhein, aus Baiern, Oester-
reich und England und anderen Theilen der Erde, Livland und
Frankreich, deren Zahl 140 000 überschritten haben soll, durch
das blutige Schwerdt des Königs von Polen und seines Bruders
"Wythold zusammenbrachen und vom Boden vertilgt wurden,
wie der König in dem (sonst kein bemerkenswertes Detail
enthaltenden S. 426 daselbst wörtlich abgedruckten) Briefe an
den Bischof von Posen berichtet."
Der unbekannte Verfasser dieses Berichtes — anscheinend
ein polnischer Geistlicher hat denselben offenbar nicht aus
eigener Anschauung, sondern aus seinem — betreffs der Namen
schwachen Gedächtnisse und nach dem allgemeinen Eindrucke, den
*) Damit stimmt eine niederdeutsche Chronik Scrip. III 405, wo es
von den Tartaren heißt: Was sie fanden unterwegs, Pferde, Esel, Maulesel,
Ochsen, Schaafe, das Fleisch essen sie roh, das Blut trinken sie. Wo sie
Mangel daran litten, griffen sie an Menschen, sonderlich Frauen und Jung*
frauen, die entehrten sie und wenn sie ihren schnöden Willen mit ihnen
vollbracht, so spicken sie sie durch, saugen aus ihr Blut und das Fleisch
fressen sie roh. Wo sie Kinder finden, da schlagen sie ihnen ab die Köpfe,
schneiden ihnen den Bauch auf, werfen die Kaidaunen heraus und essen
etwa die Hälfte, die andere Hälfte hängen sie in den Sattel (zadel) und
essen darnach, wenn sie hungert. Mit all dieser gräßlichen Wunderlichkeit
sogen sie in das Land Preußen.
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144 Nachtrag znr Schlacht von Tannenberg.
die Grausamkeiten in Gilgenburg selbst auf polnischer Seite
machten, niedergeschrieben.
Viel genauer und anscheinend aus eigener Beobachtung
ist die Schilderung des Verfassers der sog. Cronica conflictus,
welche S. 436—439 daselbst abgedruckt ist. Sie ist zu weit-
läufig, um sie hier wörtlich zu übersetzen, doch genügt wol
ein Auszug.
Nachdem die Gesandten des Königs von Ungarn, Nicolaus
de Gora, Stibor aus Siebenbürgen und Christoph von Kunzen-
dorf vergeblich zwischen beiden Theilen den Frieden vermittelt,
zieht Jagello am Sontag den 6. Juli durch das den Kreuz-
rittern verpfändete Land Zakrze an der Mlawka, plündert, ent-
faltet vor Asztyn (Hohenstein) seine Banner und Feldzeichen;
am 10. Juli rückt er vor, hält einen Tag Bast, begiebt sich
dann aber zurück, verliert einige Steinkugeln oder Steinbüchsen
(pixidum lapides). Sie werden von Preußen gefunden und zum
Hochmeister gebracht; Meister, der König flieht schon! rufen sie.
Der Meister forscht nach, kann aber nicht erkennen, warum sich
der König zurückzieht, was deshalb geschah, weil er nicht ohne
große Schwierigkeiten über die Drwanka (Drewenz) setzen
konnte. Der König mußte daher dessen Quellen umgehen. Am
11. Juli rastet er vor Dubrowno (Gilgenburg) zwei Tage, läßt
dann die Stadt heftig angreifen und erobern und blieb da herum
zwei Tage. (Von den verübten Gräueln schweigt der Autor). Am
Abend des 14. Juli waren starke Ungewitter, Blitze und Donner
und große Regengüsse machten die Erde feucht und weich, welche
vorher von der Sonnenhitze so staubig war, daß beim Marsche
des Heeres einer den andern vor Staub nicht sehen konnte.
Ein großer "Wind erhob sich, der das Lager und die Zelte der
Preußen aufwickelte. Einige Biedermänner wollen den Mond
in Blut getaucht und darin ein rothes Schwerdt gesehen
haben. Am Morgen darauf als die Finsterniß weicht, strömt
Regen; doch bald erhebt sich die klare Sonne. Gleich fangt
der König (der im Herzen der Heide geblieben war, als der er
geboren und erzogen war und trotz seiner 63 Jahre nur für
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Von A. Horn.
145
Festlichkeiten und Weiber Sinn hatte) an, vor dem Volke eine
feierliche Messe zu hören und läßt sich darin auch stundenlang
nicht stören, obwohl ein Bote über den andern ihm die Nähe
der Preußen meldet. Endlich erhebt er sich, giebt das Feld-
geschrei Krakau und "Wilna! aus und steigt zu Pferde; dann
folgt die Geschichte von den Herolden und den langen Reden,
endlich — man erfahrt später, es war 9 Uhr früh — stimmt
alles das Schlachtenlied „Boga rodzycza"*) an, und schritt —
mit Thränen in den Augen, welche ihnen die Ermahnungen des
Königs hervorgerufen! — zum Kriegshandwerk. Auf dem
rechten Flügel fing Witold mit seinem Volke den Streit mit
den ihm gegenüber unter der St. Georgsfahne stehenden Fremden
an. Ein leichter warmer Regen füllt und befreit die Füße der
Pferde vom Staub. Obwohl bei Beginn des Regens die Feinde
zwei Salven aus ihren Steinbüchsen geben, weil sie viele Stein-
büchsen hatten, thaten sie den Angreifern (Polen) doch keinen
Schaden, zogen sogleich diese Geschosse zurück und stürzten
sich wüthend in den Kampf (bellum fecere asperrimum).
Als schon beide Heere, sowohl das des Königs als auch
das Witolds mit der ganzen Schlachtreihe der Feinde hand-
gemein war und auserlesen starke Trupps der Preußen über
dem Volke Witolds standen, kam das Banner des St. Georg
und das Banner unserer ersten Schlachtreihe mit großem Ge-
schrei und Ansturm der Pferde an einem kleinen Thale zu-
sammen, wo beide Theile den Berg herabkommend sich durch
wechselseitigen Hieb und Stich zu zerfleischen suchten. An
jener Stelle fand man nach dem Streite aus den Speeren, die
damals von den Pferden zertrampelt waren und von dem Gipfel
jedes der Hügel von selbst die Höhe herabrollten und unten
*) D. h. Gottesgebarerin, der Anfang eines alten slavischen Kirchen*
liedes, welches der heilige Adalbert verfallt haben soll und mit dem die
Polen schon im 11. und noch im 18. Jahrhundert in die Schlacht zogen.
(Vgl. kathol. Kircheublatt, Danzig 1865 S. 105-108 und Wiszniewski polnische
Literaturgeschichte I. 1840).
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIII. Hfl. Ul 10
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146 Nachtrag zur Schlacht von Tannenberg.
im Thal sich sammelten, gleichsam eine mit der Hand gemachte
Brücke.
Nachdem auserlesene Schaaren der Kreuzherren fast eine
Stunde mit Witolds Leuten hart gestritten, müssen diese
weichen, glauben, die Verfolger haben bereits gesiegt und die-
jenigen hinten, welche zurückzugehen gezwungen werden, be-
ginnen zu fliehen. Einzelne Verfolger verlieren ihr Banner aus
dem Auge, zerstreuen sich und werden gefangen oder mit
dem Schwerdte niedergemacht. Die zurückgedrängten Slaven
bleiben stehen und werden unter dem großen Banner des
Kastellan von Krakau (Zindram), des Palatin von Sandomir u. a.
Bannern gesammelt. Nun begann ein neuer harter Streit und
viele fielen hüben und drüben; derselbe dauerte 6 Stunden;
da flohen die Kreuzherren zu ihrer "Wagenburg (ad stationes).
Der Hochmeister kam aus einem "Wäldchen mit 15 und mehr
Bannern und lenkte diese gegen die Person des Königs und
schon hatten sie Lanzen und Speere in die Schilder gebohrt.
Der König will sein Pferd ihnen entgegen lenken, wird aber
von seinen Bojaren daran gehindert. Einer der Ritter trennt
sich aus der Reihe und sprengt gegen den König an. Der
König aber ergriff eine Lanze und warf sie dem Angreifer ins
Gesicht, so daß er todt vom Pferde fiel. Die Reihen des Hoch-
meisters greifen an, werden geschlagen, er selbst getödtet, die
Flucht der Kreuzherrn, anfangs nach den abgemessenen Stationen
(der "Wagenburg), dann vereinzelt wird allgemein. Der König
verbietet die Verfolgung, um sich nicht von den Seinen zu
trennen, legt wegen der großen Sonnenhitze den Helm ab und
kommt ebenfalls nach der "Wagenburg der Ritter; passirt dann
ein "Wäldchen und dankt Gott für den Sieg. Die Schlacht war
3 Stunden vor Mittag begonnen (9 Uhr) und etwa eine Stunde
vor Sonnenuntergang beendigt (8 Uhr).
Der Bericht giebt wenig technisches Material und scheint
von keinem Sachverständigen herzurühren. Ich bezweifle auch,
daß er von einem Augenzeugen herrührt. Denn das Thal, in
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Von A. Horn.
147
welchem sich die Brücke von abgebrochenen Lanzenschaften be-
funden haben soll, existirt in der Natur überhaupt nicht. Das
Terrain ist zwar gegen die Stelle, an welcher der erste Zu-
sammenstoß stattgefunden haben soll, abgedacht, allein nicht
nach Art eines Grabenthaies, sondern die Senke findet kilometer-
weise ganz sanft statt, ich habe eine Schlucht, wie sie der
Bericht voraussetzt, nicht bemerken können, alles ist völlig
ebenes Ackerland. Eine Schlucht müßte jetzt noch erkennbar
sein. Es könnte sich nur etwa um einen gewöhnlichen Graben
handeln und dann hätte der Autor mit der langathmigen Ge-
schichte von dem Thale und der Speerbrücke stark übertrieben.
Professor Caro hat im dritten Bande seiner bis in die ersten
Zeiten Casimirs reichenden polnischen Geschichte, in welchem er
mit Vorliebe den slavischen Standpunkt vertritt, die Schilderung
des unbekannten Autors der Conflictschronik zu Grunde gelegt und
die Darstellung von Dlugoß verlassen. Wie es scheint hat er
in letzterem Punkte Recht. Nach der wiederholten Beleuchtung
desselben, welche dieser Schriftsteller im 3. und 4. Bande der
Geschichte Polens erfahrt, muß man seine ganze Darstellung
für eine tendenziöse halten, nicht sowohl die Slaven, als viel-
mehr einen einzigen Mann derselben, den späteren Kardinal
Zbygniew Olesnicki, zu verherrlichen bestimmt.
Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß die beiden
bedeutendsten Geschichtsschreiber des Ostens im 15. Jahrhundert
Johann von Posilge, Offizial des Bischofs zu Riesenburg, und
Dlugos, Domherr des Erzbischofs von Krakau, Secretaire von
Bischöfen waren. Vermuthlich waren beide ursprünglich Juristen,
welche um jene Zeit vielfach in bedeutende geistliche Stellungen
traten, wie z. B. der Zeitgenosse Willrichs von Kniprode, Bischof
Johann zu Heilsberg ehemals Secretair des Kaisers Karl IV war,
mit dem er auch befreundet blieb. Dlugos war in dieser
Stellung die rechte Hand des Zbygniew und der rothe Faden
seiner ganzen Geschichte ist die Lobpreisung dieses seines Herrn
und dessen Familie. Alles lobt er, obwohl Manches Tadel ver-
10*
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148
Nachtrag zur Schlacht von Tannenberg.
dient. Denn sein Patron, den er — seine Dichtung beginnend
— als jungen Sekretair des Königs Jagiello in der Schlacht bei
Tannenberg zum Lebensretter des Königs macht — er soll den
Ordensritter, der den König mit der Lanze angriff, mit einem
Lanzenwurf vom Pferde geschleudert und getödtet haben —
war wegen seiner Herrschsucht und seines übertriebenen Ne-
potismus allgemein verhaßt, hat aber gleichwohl Polen als erster
Minister Jagellos von 1410 bis zu dessen Tod — etwa 20 Jahre
lang unbeschränkt regiert, unter der kurzen Regierung seines
minderjährigen Sohnes Wladislaus II., der in einem Kreuzzuge
gegen den griechischen Kaiser verschwand, die Regentschaft
geführt und wurde erst unter Kasimir nach vielem Streit um
den Kardinalshut, den ihm endlich sein Dlugoß aus Rom holte
und nach allgemeinem Zerwürfhiß mit den Großpolen um Gnesen
entlassen, worauf er bald starb.
Einem Geschichtsschreiber mit der klardurchsichtigen
Tendenz des Dlugoß kann man auch bei der Darstellung der
Schlacht von Tannnenberg nicht folgen.
Ganz anders steht Johann v. Posilge da. Seine Darstellung
bleibt überall objektiv. In der Regel ist sie knapp, bei der
Schlacht von Tannenberg, die in seinem Geiste von einem
seiner Fortsetzer geschildert worden, wird sie ausführlicher. Ich
führe sie zum Schluß an.
„Diese (in Gilgenburg verübte) große Schmäheit und Laster
ging dem Meister, dem ganzen Orden und allen Rittern und
Knechten von Gästen gar sehr zu Herzen. Sie zogen mit ein-
trächtigem Mut und Willen dem Könige entgegen von Löbau
zum Tannenberge, dem Dorfe im Gebiete von Osterode, kamen
auf den König ungewarnt und hatten mit großer Eile gejagt
wol drei Meilen. Und als sie der Feinde ansichtig wurden,
sammelten sie sich und standen im Angesicht der Feinde
über drei Stunden. Der König schickte dieweile die Heiden
(Tartaren) zum Vorstreit und die Polen waren ganz ungewarnt.
Hätten sie den König von statt an (sofort) angegriffen,
sie hätten Ehre und Gut erworben! Aber das geschah
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Von A. Horn.
149
leider nicht, sie wollten ihrer wohl erbeiten [warten] und ritter-
lich mit ihnen streiten.*) Und der Marschall sandte dem Könige
zwei bare Schwerdter bei den Herolden, daß er nicht so liego
im "Walde, sondern daß er hervorzöge auf das Feld, sie wollten
mit ihm Streites pflegen. Da erst zog die Heidenschaft in den
Streit und von der Gnade des Herrn wurden sie vor die Füße
weg geschlagen. Und die Polen kamen ihnen zu Hilfe, es ward
ein großer Streit und der Meister mit den Seinigen schlugen sich
drei Stunden durch mit Macht und der König war gewichen,
also daß sie sangen „Christ ist erstanden!" Des kamen seine
Gäste und Söldner. Als diese nun vermüdet waren und trafen
mit ihnen auf die Seite und die Heiden auf die andere und
umgaben sie und schlugen den Meister und die Großgebietiger
und gar viele Ordensbrüder alle tot, weil sie auf nichts anderes
absahen, als auf die Brüder und die Pferde. Und schlugen die
Fahne des Meisters und des Ordens nieder. Und etliche Böse-
wichte, Ritter und Knechte des Landes Kulm unterdrückten
das kulmische und andere Banner, die da flüchtig wurden, also
daß ihrer gar wenig davon kamen. Und die Leute wurden in
der Flucht geschlagen von Tartaren, Heiden und Polen ohne
Wehr, also daß der König mit den Seinigen das Feld behielt.
Hätte man nicht zu wenig gewagt und wären des
Ordens Sachen anders bestellt, es möchte gekommen sein
zu großem Frommen, wenn der Meister gestritten hätte mit
seinem ganzen Haufen und der König ebenso mit seinem Haufen!
das brachte dem Orden großen Schaden und dem Könige und
den Seinen großes Frommen zu ihrem Glück und Segen." —
Strehlke, der Herausgeber des IH. Bands der Scriptores
(Anm. 2 S. 317) vergleicht mit Recht die Schlacht bei Tannen-
berg mit der großen Türkenschlacht bei Nicopolis 1396 „in der
sich auch ritterliche Gesinnung zum eigenen Ver-
*) Wie begrändct ist dieser Hieb auf die Turnierregeln! Während
alles auf dem Spiele stand und ein frischer, fröhlicher Angriff alles gerettet
hätte, kann sich die Marschallspartei nicht von dem Formen wesen der
Turniere trennen und schickt Herolde mit den Schwerdtern!
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150
Nachtrag zur Schlacht von Tannenberg.
derben die Benutzung wichtigster taktischer Vortheile
versagte." Aber wen 11 auch immerhin mit dem Herold- und
Schwerdtersenden kostbare Zeit verloren ging; den Hauptantheil
am Verluste der Schlacht tragen ohne Zweifel die schweren
Panzer der Reiterei und die Sonnenglut auf deutscher Seite,
welche auch die stärkste Kraft lähmen mußten, während die
Polen aus dem Schatten der "Wälder stets frische neue Glieder
stellen konnten.
Alle Nachrichten, die wir im Vorstehenden gesammelt, ent-
halten nur einzelnes schätzenswerthes Detail, genügen aber
nicht, um einen sachverständigen Schlachtenbericht herzustellen,
was daher auch weder einem Voigt noch der Feder Caro's ge-
lingen konnte und, wie es scheint, aufgegeben werden muß.
Nicht« erklärt die auffallendste Thatsache, die von allen Bericht-
erstattern Übereinstimmend verbürgt und darum als wahr an-
zunehmen ist, daß die Ritter mindestens drei Stunden unthätig
vor dem Feinde standen und diesen sich vor ihren Augen ent-
wickeln ließen. Das muß entschieden auf eine Differenz in der
Leitung zurückgeführt werden und kann anders gar nicht er-
klärt werden. Daß uns verborgen geblieben, worin diese Differenz
bestanden hat, ist ganz natürlich. Nur wenige werden darum
gewußt haben und diese, namentlich der Hochmeister und der
Marschall, fielen in der Schlacht. Wenn aber auch einer von
den "Wenigen, die ihr Leben daraus retteten, darum gewußt
haben sollte, so verschloß ihnen das Amtsgeheimniß, welches
nirgends strenger gehalten ist, als in den Conventen der Ritter
und auf den Grundregeln "Werners von Orseln beruhte, den
Mund und darum hat uns dieses Geheimniß keiner der Ueber-
lebenden Überliefern dürfen.
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Kritiken und Referate.
*ri$ Äannudict. £iftortfd)er Womon von Hrt&ur öobrccbt. 2 33bc. Berlin.
Verlag oon SS übe Im fccrfc. 1885. (XII, 385 unb 490 3. gr. 8.)
Es ist eine nicht unbedenkliche Suche, historische Begebenheiten dich-
terisch zu behandeln, ohne zugleich diejenigen Personen, welche in Wirk-
lichkeit einstmals im Mittelpunkt der Ereignisse standen, auch zum Mittel-
punkte der Dichtung zu machen. Die geschichtliche Treue und ein gewisser
Respekt vor den fiberlieferten Kenntnissen des Publikums verlangen es, daß
der wahre Held einstiger Tage auch in der dichterischen Schilderung derselben
entsprechender Weise in den Vordergrund trete — dem Dichter muß daran
liegen, soviel wie möglich seinen Helden als Träger der Handlung erscheinen
zu lassen — : ist nun dieser nicht mit jenem identisch, und setzt sich
andrerseits der Dichter nicht mit kühnem Entschluß über alle Bedenken
seines historischen Gewissens hinweg, so entsteht daraus ein Widerspruch
zwischen Sollen und Wollen, wenn man so sagen darf, der nicht selten zu
erheblichen Unzuträglichkeiten führen muß, und welcher stets um so fühl-
barer hervortreten wird, je näher die geschilderten Zeiten den heutigen
liegen und je frischer infolgedessen die Erinnerung an dieselben im Volke
lebendig ist. Denn gar leicht kann es dann kommen, daß infolge des Be-
strebens trotz der Einführung eines „unhistorischen4' Helden die geschicht-
liche Treue in möglichst weitem Umfange zu wahren, der Held, da er in
allen springenden Punkten hinter seinem historischen Nebenbuhler zurück-
treten muß, zu einer- unerfreulichen Passivität vorurteilt wird, und sich zu-
gleich das Interesse, welches naturgemäß in erster Linie dem Helden der
Dichtung gebührt, durch das Vorhandensein einer immer wieder als Träger
der Handlung auftauchenden andern Persönlichkeit in unvorteilhafter Weise
zersplittert. Die daraus sich ergebenden Unzuträglichkeiten zu beseitigen
oder wenigstens auf ein möglichst geringes Maaß zu reduciren, wird unter
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152
Kritiken und Referate.
den gekennzeichneten Umständen stete Sache der Geschicklichkeit des ein-
zelnen Dichters bleiben müssen, aber es wird oft viel Mühe vergeblich darauf
verwandt werden, diese Schwierigkeiten zn einer befriedigenden Lösung
zu bringen.
Auch der vorliegende Roman findet diese befriedigende Lösung nicht.
Derselbe leidet vielmehr sichtlich unter dem erwähnten Widerspruch und
den daraus resultirenden eben kurz angedeuteten Consequenzen.
Der Roman spielt in der Zeit jener langwierigen und zum Teil er-
bitterten Kämpfe, welche der große Kurfürst im Interesse seiner Souveränetät
mit den preußischen Ständen zu bestehen hatte. Auf diesem Hintergrunde
giebt er sich den Anschein, wie bereits der Titel besagt, die Erlebnisse Fritz
Kannachers, eines jungen brandenburgischen Offiziers zu schildorn, der nach
Ostpreußen kommt, um sein vom Vater ererbtes aber durch Verpfändung in
fremde Hände übergegangenes Gut zurüokznerlangen , und nach Ueber-
windung von mancherlei Hindernissen dieses Ziel schließlich auch erreicht
In Wahrheit aber — wenigstens vermeinen wir, daß auch jeder andere
Leser auf eine entsprechende Frage dies als Inhalt des Romans bezeichnen
wird — behandelt er die ihrem äußern Verlauf nach aus der Geschichte
genugsam bekannte Aftaire Kalkstein. Jedenfalls steht die charaktervolle
und markige Gestalt des Obersten von Kalkstein, sein hartnäckiges An-
kämpfen gegen eine Politik, mit der er sich nicht zu befreunden vermag,
sein Unglück und sein demnächst iges tragisches Ende vom ersten Augen-
blick an, da er selbst thät ig in die Handlung des Romans eingreift — und
das ist bereits in den ersten Kapiteln des ersten Bandes — so ganz und
fortdauernd im Mittelpunkt des Interesses, daß alles andere daneben nur wie
episodenhaftes Beiwerk erscheint. Auch der Verfasser fühlte .das wol, und
da er den Schwerpunkt dor Dichtung so unabweisbar von seinem Helden
auf eine andere Persönlichkeit übertragen sah, suchte er eine Art von Zu-
flucht darin, daß er die Schicksale des ersteren so enge als möglich mit
denen des letzteren verknüpfte. Aber gerade dadurch wird sein Held erst
recht in eine zweite und passive Rolle herabgedrückt, und tritt es um
so fühlbarer hervor, daß derselbe zu der den Roman beherrschenden Be-
gebenheit in so gut wie gar keiner inneren Beziehung steht. Wo in dem
Romane gehandelt wird, da geschieht es in der That von \ind um, für und
wider Kalkstein, da dreht es sich um Verwirklichung der Pläne, der
Wünsche, der Hoffnungen dieses Mannes. Die eigentlichen Schicksale Kan-
nachers spielen sich daneben gewissermaßen in den Zwischenpausen ab,
welche die Darstellung des Kalksteinschen Dramas der Phantasie und dem
Interesse des Lesers noch übrig läßt. Umgekehrt dagegen werden sogar
Partieen, an welchen Kannacher selbst ohne jede aktuelle Beteiligung ist,
die aber zu dem Schicksal des Obersten Kalkstein in engster Beziehung
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Fritz Kannacher. Historischor Roman.
153
stehen, wie z. B. der Prozeß gegen die beiden Leibdiener desselben beim
Kurfürstlichen Hofhalsgericht mit einer fast peinlichen Genauigkeit gegeben.
Gerade aber an solchen Stellen zeigt sich recht deutlich, wie wenig der
nominelle Held des Romans in Wirklichkeit diese Rolle spielt.
Angesichts dieser Thatsache könnte man sich nun vielleicht veranlaßt
fühlen, zu vermuthen, daß nur der Titel verfehlt sei, und der Roman ebensogut
oder richtiger „Kalkstein" hätte genannt werden können. Indessen dem
widerspricht wiederum nicht nur die deutlich erkennbare Absicht des Ver-
fassers, sondern auch der mehrfach sich wiederholende Umstand, daß die
Handlung, welche sich noch eben angelegentlich mit der Person Kalksteins
zu beschäftigen schien, dann auf einmal nnd gerade an den wichtigsten
Punkten bezüglich seiner Person vollkommen aussetzt. So geschieht es
zum Beispiel gelegentlich seiner ersten Gefangennahme: Nachdem wir ihn
kurz vorher, wenn nicht als Freund, so doch in vollem Frieden mit dem
Kurfürsten verlassen haben, und inzwischen in einigen Kapiteln von andern
Personen nnd Dingen unterhalten sind, finden wir ihn plötzlich als Hoch-
verräther im Gefängniß wieder, und haben von da ab in vielen Kapiteln
Gelegenheit, von einem Prozesse zu hören, auf den wir nicht im geringsten
vorbereitet waren, nnd über dessen Inhalt wir auch länger als billig im
Dunkeln bleiben. Noch fühlbarer zeigt sich dieselbe Erscheinung an anderer
Stelle: gerade das wichtigste Stück der ganzen Kalksteinschen Affaire, die
unheilvolle Katastrophe seiner plötzlichen Gefangennahme in Warschau
spielt sich so zu sagen hinter der Scono ab. Nur gelegentlich erfahren wir
aus drittem Munde in ein paar Worten, was sich inzwischen zugetragen:
aber es erweckt fast eine unangenehme Empfindung, wenn wir den bedeu-
tenden, energischen und klugen Mann, den wir eben mit Gewalt und List
die Ketten durchreißen sahen, welche ihn in unwürdiger Lage daheim ge-
fesselt hielten, nach einer Weile, während der wir ihn ganz und gar aus
den Augen verloren, wieder als ohnmächtigen Mann gefangen hinter den
dicken Mauern der Feste Memel wiederfinden, ohne zu wissen, wie das ge-
kommen und wie das hatte kommen können.
Mag man nun auch, von dem Gedanken ausgehend, daß der Roman
nicht die strenge Struktur eines Dramas erfordere, solche Mängel mit Nach-
sicht beurteilen, so läßt sich doch jedenfalls nicht leugnen, daß durch die-
selben eine gewisse Zwiespältigkeit in die Dichtung gekommen ist, welche
die Einheitlichkeit in der Führung der Handlung nicht unerheblich beein-
trächtigt und selbst dem unbefangenen Leser gelegentlich in störender Weise
zum Bewußtsein gelangt.
Abgesehen von diesen lediglich die Komposition des Ganzen betreffen-
den Mängeln läßt sich dem Roman viel Gutes nachsagen. Der Verfasser
weiß geschickt und wo es noth thut, spannend zu erzählen: es kann daher
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154
Kritiken und Referate.
nicht fehlen, daß es ihm an der Hand seiner kulturgeschichtlichen und
historischen Kenntnisse sowie seiner augenscheinlich eingehenden Studien
Über die geschilderten Ereignisse selbst trefflich gelingt, von dem Stadt-
und Land-, dem häuslichen und politischen Leben jener bewegten Zeiten
anschauliche Bilder zu entwerfen. Auch besitzt er Geist und Gemüth, und
da er zugleich über ein nicht unbedeutendes Talent der Charakterisierung
verfügt, vermag der Leser sich wohl für Denken und Fühlen seiner Per-
sonen zu erwärmen. Einzig hinsichtlich der Frauengestalten bleibt die
Charakterzeichnung durchweg etwas matt, was sich namentlich bei der
Geliebten des Helden, Anna, und fast noch mehr bei der leidenschaftlichen
Frau Hedwig von Keller fühlbar macht. Beide treten uns nicht recht als
Gestalten von Fleisch und Blut entgegen, haben vielmehr geradezu etwas
schemenhaftes. Auch hätte die Entwickelung des letzteren Charakters wol
einen größeren Raum in Anspruch nehmen dürfen: wie derselbe sich jetzt
uns darbietet, wird er in seinem plötzlichen und nur durch die Länge der
dazwischen liegenden Zeit erklärlichen Wechsel fast unverständlich. Dafür
entschädigen auf der andern Seite so prächtige Figuren wie der alte Doktor
Crusius, der durch und durch den Typus eines Ostpreußen repräsentirende
Herr von Kannacher auf Pelnicken, und nicht in letzter Linie der Oberst
von Kalkstein selber. Auch einige Gestalten aus der Umgebung des Kur-
fürsten, wie der Oberburggraf von Kainein und der Oberpräsident von
Schwerin dürften als besonders wohl gelungen bezeichnet werden.
Außerordentlich glücklich ist der Verfasser übrigens in den hin und
wieder eingeflochtenen, der klareren Darlegung der Sachlage dienenden Exposes,
seien dieselben nun politischer Natur, wie solche die Darstellung der oft
hohe Politik enthaltenden Verhältnisse nöthig macht, oder kulturgeschicht-
lichen und juristischen Inhalts, wie sie die Schilderung der Schicksale der
handelnden Personen mit sich bringt. Dem gegenüber dürfte der Vorwurf,
daß der Autor hinsichtlich der letzteren bisweilen sogar zu weit gehe, doch
wol nur eine sehr bedingte Berechtigung haben.
Schließlich sei noch bemerkt , daß der Roman , da er mit verschwin-
dender Ausnahme in unserer engeren Heimath und hier wieder hauptsächlich
in Königsberg und in Samland spielt, und zugleich eine der interessantesten
Epochen unserer heimathlichen Geschichte behandelt, gerade für den Ost-
preußen von besonderem Reiz sein dürfte und demgemäß hier auch besonders
eifrig gelesen zu werden verdiente. Indessen — ein Roman wifd ja nicht
für eine Provinz, sondern für ein Volk geschrieben. G.
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Cesare Paoli, Grundriß der lateinischen Palacographie etc. 155
(irandriß der lateinischen Palaeographle nnd der Urknndenlehre von
Cesare Paoli, Staatsarchivar und Professor zu Florenz. Aus
dem Italienischen übersetzt von Dr. Karl Lohmeyer, Professor
zu Königsberg in Pr. Innsbruck, Verlag der Wagner'schen Uni-
versitäts-Buchhandlung 1885. gr. 8.
Ein kurzgefaßtes, alles Wesentliche für den Studierenden der Geschichte
zusammenfassendes, auf den heutigen Stand der Forschung gestütztes Lehr-
buch der lateinischen Paläographie und Urkundenlehre war so lange in
Deutschland ein Desiderat um. Denn die Lehrbücher von Leist über Urkunden-
wesen konnten mannigfacher Mängel wegen nicht gut als Ersatz dafür gelten.
Es war daher ein sehr glücklicher Gedanke von einem so bewährten Fach-
mann , wie es Karl Lohmeyer ist , das Werkchen des verdienten florentiner
Staat «arcliivars und Professors Cesare Paoli, Programraa di paleografia latina
e di diplomatica, welches derselbe zunächst für seine Schüler als Leitfaden
bei seinem Unterricht in den genannten Disciplinen verfaßt hatte, auch den
deutschen Studierenden zugänglich zu machen. Das Büchlein ist kurz, es
umfaßt nicht mehr als 77 Seiten Text, bietet uns aber in knapper und prä-
ciser Form alles, was für das theoretische Verständniß eines so praktischen
Lehrgegenstandes zunächst erforderlich ist. Wenn hier und da der Wunsch
laut wurde, daß dem Büchlein auch Proben, Facsimiles eti. beigefügt würden,
so möge man nicht vergessen, daß es von vornherein nicht in der Absicht
des Verfassers lag, dasselbe als völlig ausreichend und genügend für den
Selbstunterricht zu gestalten und andrerseits, daß die vielen Anmerkungen
und Verweise, die eine Hauptzierde des Werkeheus bilden, jedem die Mittel
an die Hand geben, sich weiter auf diesem Gebiete zu informieren und auch
praktisch sich weiter auszubilden. Einen besonderen Werth vor dem Original
erhält das Buch auch durch die nicht geringen Erläuterungen und Ergän-
zungen, die der Verfasser selbst der deutschen Uebersetzung hinzugefügt
hat und so sei dieselbe denn allen Studierenden und Freunden des be-
handelten Gegenstandes bestens empfohlen.
J&ilfebisdj für ben Unterrtdjt in ber branbenburajfrf):prcufufrf)en (Sefdurfjte für fyöljcre
Scbranftolten unb 9Ritte(f dürfen oon Dr. St. äobmener, $rofcffor an ber
llnioerfttät ju ftöniaßberg unb St. X^omai, Oberilm am Xcalgnmnaftum
ju Xrffit. &aue 188«. »ud)banblung beß Söaifcnbaufeß (V, 108 ®.
gr. 8.) 1 2Rf.
$ilfli«d) für ben Unterricht in ber beutfd)en ©cfäidjte biß jum roeftffilifdjen grieben
otn benfelben Serfaffern. Cbenb. (IV, 98 6. gr. 8.) 1 3Rf.
Die Herren Verfasser „haben es" nach dem Vorwort „für angezeigt
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156
Kritiken und Referate.
gehalten, mit einem nenen Lehrmittel für die preußische und deutsche Ge-
schichte horvorzutreten, weil bei näherem Zusehn sich selbst die besseren,
vollends was die abgelegenem Gebiete betrifft, oft so unkritisch gearbeitet
zeigen, daß es fast auasieht, als wären für die Verfasser derselben die For-
schungen der letzten Jahnsehnte und ihre reichen Ergebnisse nicht vorhanden
gewesen." Als Hauptverdienst nehmen also diese Hilfsbücher für sich in
Anspruch, daB sie die älteren Lehrbücher „mit dem Stand der wissenschaft-
lichen Forschung in vollen Einklang gebracht haben."
Dies ist unstreitig der Fall in den Abschnitten über die Geschichte
des Deutschordensstaates in Preußen. Sie sind zweifellos in dieser Beziehung
die wertvollsten des Buches, und bierin übertrifft das erste der neuen Lehr-
bücher alle seine Vorgänger an Reichhaltigkeit, geschickter Auswahl und
Zuverlässigkeit.
In den übrigen Partieen ist dies weniger sichtbar. Von dem Neuen,
das hier geboten wird, verdient insbesondere hervorgehoben zu werden, daß
der Erbvertrag der Hohenzollern mit den schlesischen Herzögen auch vom
Habsburgischen Standpunkt gewürdigt wird (P. G. p. 26); daß Friedrich II.
es war, der die Teilung Polens anregte (p. 55); daB Frankreich 1792 durch
die Kriegserklärung an Ostreich die Revolutionskriege begann (p. 60); daB
die Teilungen Polens die Kriegführung am Rhein während des ersten
Coalitionskrieges wesentlich beeinfluBten.
Teilweise findet sich dies allerdings auch schon in früheren Hilfsbüchern.
Vorausgesetzt die Richtigkeit der Angaben ist aber die Methodik eines
Lehrbuches die Hauptsache: die Auswahl des Stoffes und seine Anordnung.
In dieser Beziehung sind besonders gelungen in der brandenburgisch-preußi-
schen Geschichte die Abschnitte p. 1 fg., 4 fg., 7—9, 11, 41, 58 fg., 61 fg.,
63, 68, 77 — 79. Aus der deutschen Geschichte wäre besonders hervor-
zuheben: p. 5, 16—23, 28—32, 87—41, 45—50, 67 —76.
Mit der Behandlung anderer Abschnitte dürfte man weniger einver-
standen sein. Häufig ist für die Tertia zu viel Material beigebracht, welcher
Mißstand sich besonders in der deutschen Geschichte fühlbar macht. In
andern Partien wieder vermißt man manches Wesentliche oder doch Wünschens-
werte. So möchte ich nicht mit Stillschweigen übergehen, daß über die
Kultur des Mittelalters in dem ganzen Handbuch garnichts zu finden ist.
An einigen Stellen sind die Thatsachen streng chronologisch geordnet, wo
aus pädagogischen Gründen der rein sachliche Zusammenhang fest zu halten
ist. Dadurch ist hie und da der Zusammenhang der Ereignisse durch Ein-
schiebungen unterbrochen und so dem Schüler das Verständnis erschwert.
Da solche Ausstellungen und Wünsche aber immer subjectiv sein werden,
so halte ich es bei der Beschränktheit des mir zugemessenen Raumes nicht
für erforderlich, hier ins Einzelne zu gehen, habe nur meine Notatenreihe
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Dr. K. Lohmeyer, Hilfsbuch für den Unterricht in der Geschichte etc. 157
den befreundeten Verfassern zur geneigten Berücksichtigung für neue Auf-
lagen zur Verfügung gestellt.
Es bleiben noch ein paar Kleinigkeiten zu erwähnen, an sich von ge-
ringer Bedeutung, die aber doch zeigen, wie sich auch bei der peinlichsten
Sorgfalt in ein Handbuch Unklarheiten und Incorrectheiten einschleichen
können. Es hei fit (brd.-pr. Gesch. p. 18): „Zwar machte der Sachsenherzog
Heinrich der Löwe einen Versuch, die Wendenlande zn erobern, doch eine
dauernde Wiederherstellung der deutschen Herrschaft ging erst von der
sächsischen Nordmark ans, seitdem im Jalir 1134 Albrecht der Bär . . . mit
derselben belehnt worden war." Dies könnte den Schüler auf den Gedanken
bringen, da* die Eroberungen Heinricbs des Löwen in die Zeit vor 1134
fallen. Aus der Darstellung p. 31 muß der Schüler die Vorstellung gewinnen,
dal die Gefangennahme des Hieronjrous Bode nach der Huldigung geschah,
un d als schließe sich der Verrat und die Hinrichtung Kalksteins unmittelbar
daran an. Den Krieg Englands, Rußlands und Ostreichs 1805 und den Eng-
lands, Rußlands und Preußens 1806 und 7 gegen Napoleon „zur dritten
Coalition, an welcher sich Preußen wenigstens nicht gleich beteiligt", zu-
sammenzuziehen (p. 67) erscheint nicht zweckmäßig, vielmehr müssen beide
Ereignisse scharf auseinandergehalten werden. Ein unklares Bild der wahren
Vorgänge giebt die Darstellung der Erhebung des Herzrgs Friedrich Wil-
helm von Braunschweig 1809 (p. 66 fg.) Auf p. 72 wird der Eindruck er-
weckt, als ob die Sprengung der Elsterbrücke noch in der Nacht vom 18.
zum 19. October 1813 erfolgte. Daß „die Burgundischen Gebiete für immer
an Frankreich verloren gingen" (dtsch. Gesch. 65), verleitet in diesem Zu-
sammenhang zu der Ansicht, daß diese Gebiete schon unter Maximilian I.
definitiv au Frankreich abgetreten wurden.
Die Akademie der Wissenschaften ist von Friedrich Wilhelm I. wohl
arg vernachlässigt, aber nicht aufgehoben worden (p. 57). Der bairische
Erbfolgekrieg ist nicht veranlaßt durch das Tauschproject Josephs II. (p. 55) ;
auf diesen Plan kam der Kaiser erst später. Der Fürstenbund ist nicht ge-
stiftet nach dem Tode Karl Theodors (p. 55), sondern noch bei seinen Leb-
zeiten. Die Kriegserklärung Preußens an Frankreich erfolgt nicht „wenige
Tage nach" (p. 69) dem „Aufruf an mein Volk" — 17. März — sondern
schon am 16. März.
Ein glücklicher Gedanke war es, die Lage der Orte, welche im Text
vorkommen, in Anmerkungen zu fixieren. Aber ungenaue Angaben wie:
El hing liegt an der Vereinigung des . . . Elbingtiu-sses mit der Nogat, Labiau
an der Mündung der Deime (p 7), Rastatt liegt an der Mündung der Murg
in den Rhein (p. 39) können die Schüler zu Irrtümern verleiten, zumal an
andern Stellen von Städten ähnlicher Lage correcter gesagt wird, sie liegen
in der Nähe der Mündung etc. Wenn man liest (dtsch. Gesch. p 3): „No-
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158
Kritiken und Referate.
ricum lag zwischen Inn, Dran und Donau, Pannonien östlich davon," so ist
man versucht, Pannonien auf die linke Seite der Donau zu verlegen.
G. Rohse.
Alterthumsgesellschaft Prussia in Königsberg 1885.
Sitzung Tom 18. September. Zur Einleitung des auf der Tagesordnung
stehenden Themas:
EriimeriiMffen mu die erste Berrelnnr Benttchland»
▼or tO Jahren
verglich Dr. Bujack das heute in ganz Deutschland gefeierte Sedanfest mit
dem Oaltgarbenfest unserer Provinz, das am 18. Juni 1818 zum ersten und
in den sechziger Jahren zum letzten Male zur Erinnnerung an die Schlacht
bei Belle-Alliance von der akademischen Jngend der Albertina gefeiert
wurde, und bat General von Auer um einen Bericht derjenigen Ovationen,
die dem Sieger von GroBbeeren, von Dennewitz und dem Mitsieger von
Belle-Alliance, dem Grafen Bttlow von Dennewitz, am 18. Jannar 1816
im Anschluß an das Krönungsfest in unserer Stadt dargebracht wurden.
Diesem Wunsche willfahrte General von Auer, ein Neffe des genannten
Siegers in freundlichster Weise und verweilte bei dem Ehrengeschenke der
Stadt Königsberg und demjenigen, welches er von König Friedrich
Wilhelm III. aus der Napoleonischen Beute der Schlacht bei Belle-Alliance
erhielt, wie bei den Waffen Napoleons, welche sich später der preußische
Feldherr b im zweiten Einrücken in Frankreich erwarb. Der Gefeierte er-
freute sich aber nur kurze Zeit seines Ruhmes und seiner Stellung — er
war kommandirender General in unserer Provinz — schon am 18. Oktober 1816
sagt der Direktor des Altstädtischen Gymnasiums in seinem Gedicht auf
die Befreiung Europas und Deutschlands zur Siegesfeier der Schlacht bei
Leipzig :
Ach Einer fehlt, der sonst den Heldenreigen
In manchem Kampfe ritterlich begann;
Du bist's, um den wir in diesen Mauern,
Held Dennewitz, noch lang' und bange trauern.
Nach Verlesung der gesammten, vorher citirten Dichtung, die in An-
erkenntnis rühmlicher und wohlgelungener Bestrebungen einer verdienten
Lehranstalt im Auftrage des Magistrats gedruckt wurde, gab Dr. Bujack
eine Beschreibung des Viergespannes des Napoleonischen Wagens, aus dem
der geschlagene Kaiser in der Schlacht bei Belle-Alliance nur noch auf ein
Reitpferd zur Flucht entschlüpfen konnte, nach den persönlichen Mit-
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Alterthumsgesellschaft Prussia 1885.
159
theilungen eines nun schon verstorbenen Kombattanten, zeigt« das in einer
Felddruckerei hergestellte Siegesbülletin über genannte Schlacht, das der er-
wähnte Augenzeuge bis an seinen Tod bewahrt (jetzt Eigenthuin des
Prussia-Huseums V. No. 35), und wies als eine Beglaubigung für seinen
Berichterstatter einen Krystallpokal vor, den derselbe am 31. Januar 1849
nach vierzigjähriger Dienstzeit von dem Offizier-Corps der ersten Artillerie-
Brigade als Ehrengeschenk erhalten hatte. Das genannte hohe Trink-
gefäß ist mit einem silbernen Deckel versehen, auf dem sich ein vollständiges
Geschütz-Modell mit beweglichem goldenen Rohr befindet und in dessen
Glaswandung die Namen von 7 Schlachten und 5 Gefechten eingeschliffen
sind, denen u. A. der erwähnte Kombattant beiwohnte.
Von dem grölen Feldherrn und dem Artilleristen in anspruchsloser
Stellung zu einem der ersten Staatsmänner, dem Fürsten Hardenberg,
übergehend, zeigt der Vortragende einen hohen Rohretock desselben, in
dessen großen Elfenbeinknopf 15 Menschen- und 2 Thierköpfe mit bisweilen
nicht schmeichelhaften Emblemen äußerst kunstvoll eingeschnitzt sind, und
bezeichnet es noch als eine nicht leichte Aufgabe, die charakteristischen
Köpfe die durchaus Portrait'Aehnlichkeit zu haben scheinen, in ihren
Originalen zu entdecken. Höchst wahrscheinlich müssen sie in unter-
geordneten Arbeitern des Wiener Kongresses gesucht werden. Fürst
Hardenberg gab diesem Spazierstock vor vielen andern den Vorzug und
schenkte ihn mit warmer Hand vor seiner Reise nach Genua, wo er im
Jahre 1822 starb, dem damaligen Bürgermeister der Stadt Müncheberg, aus
dessen Nachlaß er in die Hände eines Verwandten nach Königsberg kam.
Danach erfolgt eine Vorlage aus der Portrait-Sammlung für die Zeit von
1806 bis 1815 und zwar 5 von König Friedrich Wilhelm HI. und ebenso
viele der Königin Luise, wie von Preußens Helden, sowohl auf einem Ge-
sammtblatt als auch in Einzeldarstellungen, ferner vom Fürsten von Harden-
berg, zwei von Schön, vom Ober-Präsidenten Hans von Auerswald, vom
Bischof Borowski, drei vom Stifter des National-Kavallerie- Regiments, vom
Grafen von Lehndorff. Hieran schließt sich eine Vorweisimg von Gegen-
ständen zur Illustration der genannten Periode, beginnend mit einer Fahne
der Nationalgarde aus einer kleinen Ortschaft der Französischen Republik
und Scheinen von Assignaten von 2000 Francs; für das Jahr 1806 ein
militärischer Kalender und ein historisch - trenealotrischer mit einer Ab-
handlung „Wilhelm Teil und Arnold Winkelried" von Johannes v. Müller;
1807: eine Semmel, wie sie in Königsberg gebacken wurde, mit Certifikat
zum Zeichen der Theurung aufbewahrt; die Stadtschlüssel von Königsberg,
wie sie Napoleon nach der Schlacht bei Friedland überbracht wurden; ein
Franc als Uhrschlüssel umgearbeitet und nach dem Tilsiter Frieden in
Königsberg getragen; große Medaille nach dem Tilsiter Frieden gleich nach
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im
Kritiken uml Referate.
1808 mit den Inschriften unter bildlichen Darstellungen: Oede trauren Flur
und Berge 1806—1808. Fleiß und Freude kehren wieder; 2 Artillerie-
Uniformen, getragen von Lieutenant Terlo, geb. 1787, f 1827; 1812: Na-
poleon'8 Portrait, in Wachs poussirt und von ihm aus Paris mitgebracht,
und von dessen Leibarzt Dr. Hasper dem Klempnermeister Kalk geschenkt,
bei dem Dr. H. logirte; seidenes persisches Tuch, das ein in Statlupöuen
versterbender Franzose aus Rußland mitgebracht hatte; die Franzosen auf
ihrem Rückzug aus Rußland nach Preußen, eine von Rittergutsbesitzer
von Farenheid auf Angerapp 1812 enworfene Skizze, in Privatbesitz ; 1813:
eiserner Fingerring mit der Inschrift: „Gold gab ich für Eisen"; lederner
Mützenschirm mit der eingepreßten Inschrift : „Gewisser Lohn von Fürst
und Volk Ewiger Ruhm. Deutsche Treue der Deutschen Schirm"; eine
Litewka des National- Kavallerie -Regiments mit Pallasch, getragen vom
Freiwilligen David Zacharias, und ein Tschako; gedruckte Tischdecke mit
Darstellung Napoleons auf der Weltbühne, von England in Schiffsladungen
nach dem Kontinent importirt, mit deutscher und englischer Unterschrift;
Pamphlet auf Napoleons Kontinental-System mit Benutzung seines Portraits
und der Unterschrift „Triumph des Jahres 1813. Den Deutschen zum
Neuen jähr"; Photographie des Rechlin'schen Bildes im Rathhaussaal zu
Königsberg: Erstürmung des Grimmaer Thors zu Leipzig den 19. Oktober 1813;
Friccius' Degen mit den eingravirten Namen Motherby, Wnorowski, Dulk,
Groß, Rüben, Tholon, Schelten, Le Brun; Tasse aus der Berliner Porzellan-
Fabrik mit der Karte des Schlachtfeldes von Leipzig, in Privatbesitz; der
Orden für die Frauen der aus den Schlachttagen bei Leipzig heimkehrenden
Offiziere; 1814: Gedicht an die zurückehrende Kunigsbergsche Landwehr und
die sie begleitenden Waffengefahrten von Ihrer dankbaren Vaterstadt, den
24. August; 1 Dutzend Theelöffel mit gepreßtem Stiel; die quadriga des
Brandenburger Thors zu Berlin, die 1814 von Paris fast allein nur zurück-
geholt wurde; 1815: ein Feuerstahl mit daranhäsgendem seidenen Beutelchen
zum Feuerstein, in den Beutel ist gehäkelt : C. W. den 28. Januar 1815 ; ein
Reisebesteck Napoleons, aus seinem Wagen in der Schlacht bei Belle -Alliance
von Major Struve erboutet, das Besteck besteht aus Löffel, Messer und
Gabel, letztere hat das Bourbon'sche, erstere beide Stücke das Napoleou'sche
Wappen, in Privatbesitz; Pamphlet auf Napoleon in bildlicher Darstellung
als corsischer Knabe, Militärschüler, Glücksritter zu Paris, General, Herrscher,
Großherrscher, bei dem Abschied aus Spanien, auf der Schlittenfahrt aus
Moskau, bei dem Lebewohl aus Deutschland und in der Fortdauer nach
dem Tode.
An Zugängen für das Prussia-Museum wurden vorgelegt oder nam-
haft gemacht : Zur Sammlung von Steingeräthen : 2 beschädigte Steinbeile,
gefunden zu Kirpehnen, Kreis Fischhausen, geschenkt von Rittmeister
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Alterthnmsgesellschaft Prussia 1885.
1G1
von Montowt auf Kirpehnen ; ein dnrchlochtes Beil, gefunden beim Grand-
fahren vor dem Steindammer Thor zn Königsberg, gekauft. Zur Abtheilung
von Gräberfunden nachchristlicher Zeit: Ergänzungsfnnd für Stobingen,
Kreia Wehlau, in welchem besonders bronzene Armringe in Spiralforin her-
vorzuheben sind, geschenkt von Lehrer Mindt in Kloschenen; ein importirtes,
auf der Töpferscheibe gearbeitetes GrabgefäB aus den ersten Jahrhunderten
n. Chr., erworben; ein Spinnwirtel aus Bernstein und eine Perle in Pauken-
form, gefunden in Kirpehnen, geschenkt von Rittmeister von Montowt;
2 bronzene hufeisenförmige Fibulen aus dem 11. bis 14. Jahrhundert, ge-
funden auf dem Kirchhof zu German, geschenkt von Pfarrer Stein wender
daselbst. Für die ethnographische Abtheilung zur Vergleichung wurde ge-
kauft ein Modell eines Eskimobootes (Kajak) mit figürlicher Darstellung
eines Eskimo auf demselben, und einer anderen eines Eskimos in einem
Scbneehause sammt 9 Holzgeräthen, gearbeitet von Herrenhutern in Grön-
land. Für die Abtheilung von Gegenständen aus der Zeit der Herrschaft
des Deutschen Ordens: zwei eiserne Speerspitzen mit Oeffhung an der
Seitenwandung der Tülle, damit in dieselbe eine am Holzschaft sich
befindende eiserne Feder einfallen und die Speerspitze zum Angriff fest-
halten kann, die eine gefunden im Wongel-See, Kreis Sensburg, ge»
schenkt von Landrath von Schwerin, die andere gefunden bei Gilgen-
burg, geschenkt von Kaufmann Pulewka daselbst. Zu der Serie von
Gegenständen des 17. Jahrhunderts gab dor Magistrat unserer Stadt zur
Aufbewahrung ein im Charakter der Renaissance aus Lindenholz geschnitztes
Sopha, mit dem Wappen der Altstadt Königsberg, mit Plüsch überzogen (zu
zwei Sitzen), 2 Lehnstühle dersellien Art und ein sechssitziges Sopha mit
Leder überzogen, ferner Bilder aus der Rothen Waage (der „Börse auf der
Lastadie"), welche behufs Heranführung des Geleises des Pillauer Bahnhofes
an den Pregel vor wenigen Jahren gebrochen werden mußte, sie sind auf
Leinwand in Oelmalerei hergestellt; einzelne Tafeln enthalten aber nur
Inschriften (1699 und 1718) jetzt von Maler Piotrowski sämmtlich gut
restaurirt, so dafl die Malerei und Inschriften wieder deutlich sind; sie
werden in Rahmen gesetzt und schmücken jetzt die Wände des Eingangs-
raums in das Prussia-Museum. Stadträthin Marticke schenkte eine eichene
Lade mit Eisenbeschlägen auf Rädern und der Inschrift auf eisernem Schilde
G. W. Johans Burgden, 10. August 1695.
Für die Abtheilung von Gegenständen des 18. Jahrhunderts sandte
der Magistrat die bei Untersuchung des Pregelgrundes behufs des Baues der
neuen Köttelbrücke gefundenen Gegenstände ein: einen hölzernen Pfeifen-
kopf mit Messingbeschlag, ein Wehrgehenk aus Messing, einen Hirschfänger
und ein messingenes Kästchen vom Jahre 1759 zu holländischem Tabak
mit noch darin liegendem messingenen Pfeifenprickel für die Kalkpfeife ;
AHpr. Monatucbrüt Bd. XXIII. Hft 1 n. 8. U
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1U2
Kritiken und Referate.
Kaufmann Homeyer schenkte 8 gerieft« Ofeukacheln, diu das Aussehen
von Schmelzt iegeln haben, aber darauf eingerichtet sind, so viel Fläche als
möglich nach der Außenseite zu bieten, damit die Wärmeausstrahlung eine
um so größere wäre; von demselben sind über 200 auf dem Grundstück des
Gebers Münzplatz No. 5 gefunden worden. Ein Fayence-Fruchtkorb und
zwei Fayence-Trinkkrüge mit Gesichtern an der Seitenwandung und den
Deckeln als Mützen aus Elbing wurden gekauft, ebeu so eine Laute, die
der Königsberger Lieder-Komponist Nithard um 1758 gespielt hat, und
ein Jagdhorn, geschenkt von Frau Stadt rath Marticke. Für die Mappen-
und die Bilder-Sammlung schenkte Gymnasiast Ti essen Pläne von Peters-
burg, Paris, Wien und Pillau aus dem 18. und 19. Jahrhundert, Referendarius
Conrad 6 alte Briefbogen mit verschiedenen Ansichten von Danzig und
eine photographische Aufnahme des Geburtshauses des Ehrenbürgers von
Rom Ferdinand Gregorovius in Neidenburg von Schumacher und
das photographische Atelier von Gottheil & Sohn ein Portrait Kants
aus dem Universitäts-Album der Albertina, dessen Veröffentlichung Pro-
fessor Bezzenberger veranlaßt hat. Volksschullehrer Eduard Küßner
schenkte ein in der äußeren Ausstattung kostbares Notizbuch, die Deckel
sind aus Email-Masse und in Messing gefaßt, Hauptlehrer Matthias ver-
ehrte einen Paß für Heinrich Matthias, ausgestellt den 23. April 1810
im Königreich Westphalen unter Jerome, und einen Königsberger Bürger-
brief vom 5. März 1822. — Für die Münzsammlung verehrten Dr. Brüg in
Coadjuten und Konsistorialsekretär Kletsch neuere Münzen, für die
Bibliothek Rittergutsbesitzer Hellbardt auf Tengutten eine große Reihe
von Werken, besonders Reisebeschreibungeu und historischen Inhalts, aus
dem vorigen Jahrhundert, die im Jahresbericht sämmtlich verzeichnet sein
werden, und endlich sind auch im Vorraum des Prussia-Museums 2 Steine
aufgestellt (Anno 1800 P. et B. — Abgebrandt 1816, Erbaut 1817 B. et F.),
welche in der Außenwand des früheren Gebäudes der Altsädtischen Knaben-
volksschule, Altstädtische Langgasse 43, eingelassen waren. Nach dem Ein-
reißen des genannten Gebäudes zur Gewinnung des Baugrundes des Alt-
städtischen Gymnasiums haben die bezeichneten Steine auf Veranlassung des
Magistrats diese Stätte der Aufbewahrung erhalten.
[Ostpr. Ztg. v. 16. Oktober 1885. No. 242.]
In der Sitzung am 16. Oktober 1885 hielt Hauptlehrer Matthias einen
Vortrag über die archäologischen Alterthümer der Insel Bornholm nach
dänischen Berichten über Vedel's Arbeiten. Die Steinzeit ist auf der Insel
im Verhältniß zu den späteren Perioden nur schwach vertreten, und zwar
durch Gangbauten, Grabkammern und Rundhaufen, selten durch Längshaufen.
Die Form der Kammer ist in der Regel ein Oblong, seltener ein OvaL Die
Kammern enthalteu ungebrannte Leichen mit Beigaben aus Flint, Aexten
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t
Alterthumsgesellschaft Prussia 1885. 163
(selten), Pfeilspitzen; ferner Thon- und Bernstein-Korallen. Die ebenfalls
vorkommenden Steinkisten bestehen aus flachen Granitsteinen oder aus
Sandsteinplatten. In dieser Art von Gräbern werden besonders häufig Hohl-
meißel gefunden. Auch außerhalb der Gräber werden häufig nicht blos ver-
einzelte, soudern auch gesammelte Steingeräthe angetroffen. Sie sind
8ämmtlich unzweifelhaft auf der Insel angefertigt worden. Die Bronzezeit
wird durch eine sehr große Anzahl von Grabhügeln reprasentirt, und zwar
ausschließlich in den fruchtbaren Gegenden. Ihr Inneres besteht aus größeren
oder kleineren Steinkisten, von denen erstere meistens ungebrannte, letztere
gebrannte Leichen enthalten, deren Ueberreste fast immer ohne Urnen bei-
gesetzt sind. Rings um die Hügel kommen jedoch oft Grabstellen mit
Urnen vor. Eine besondere Art von Grabhügeln sind die sogenannten
Kosen, niedrige Steinhaufen, theils mit Erde bedeckt, theils freiliegend. Sie
gehören nicht nur dem Bronzealter, sondern auch dem Steinalter und dem
Eisenalter an, und werden in staunenswert her Anzahl besonders in den
unfruchtbaren Gegenden angetroffen. Hie und da werden auch Steinkisten
mit Urnen in flachem Felde gefunden. Die selten darin gefundenen Gegen-
stände bestehen fast immer aus Bronze. Auch außerhalb der Gräber sind
wiederholt größere oder kleinere Funde von Bronzesachen gemacht worden,
die vorsätzlich an der Fundstelle niedergelegt waren. Die auf der Insel ge-
sammelten Bronzealterthümer weichen im Allgemeinen von denen des
übrigen Theiles von Dänemark nicht ab. Unter den gefundenen Waffen be-
finden sich 25 Schwerler, 26 Dolche, 56 Messer, 6 Palstäbe, 10 Lochcelte,
3 Lanzen- und 2 Pfeilspitzen. Unter den Schmucksachen ist eine schön ge-
arbeitete Bronzefibul hervorzuheben, deren rhomboidische Platte sechs Zoll
lang und drei Zoll breit ist und Ornamente von Spiral-Wellen- und Zickzack-
linien zeigt. Aus dem Eisenalter sind besonders merkwürdig die sogenannten
Brnndpletter, große Klumpen schwarzer in die Erde vergrabener, zerschlagene
Knochen und Urnenscherben enthaltende Branderde, die Ueberreste des
Scheiterhaufens, bei welchem sich weder Steinkisten noch Urnen vorfinden.
Es sind dereu über 2500 untersucht worden. In diesen Brandpletten sind
viele ein- und zweischneidige Schwerter, Lanzenspitzen, Schildbuckel, Messer
von Elsen (auch einige von Bronze) gefunden worden; ferner eine große
Anzahl von Fibuln und anderen Schmucksachen. Auf den Brandplettplätzen
sind auch Gräber mit ungebrannten Leichen aufgedeckt worden, welche in
hingen Steinkisten lagen. Aus den hier gemachten reichen Funden soll nur
das Folgende angeführt werden: Ein zweischneidiges eisernes Schwert,
Ueberreste eines Schildes mit eisernem halbkegelförmigem Buckel und
bronzenem Randbeschlage, der Ueberreste von Holz einschloß. Seine Be-
kleidung hatte aus feinem, auf der Unterseite hochrot h gefärbtem Leder
bestanden, wovon noch einige Stücke erhalten waren. Der Durchmesser
11*
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164
Kritiken und Referate.
hatte ca. 3 Füll betragen. Ferner ein Ledergürtel, S1/* Zoll breit, geziert
mit Knöpfen und Querleisten von Bronze, und ein goldener Fingerring,
dessen Vorderseite aus 3 Bügeln besteht, die in Vogelköpfen endigen. Aus
dem mittleren Eisenalter ist ein Grab besonders bemerkenswert h, welches
mit einem Steinkranze umgeben war und eine ungebrannte Leiche enthielt.
Die Beigaben bestanden aus einem zweischneidigen eisernen Schwerte in
hölzerner, mit Birkenrinde bekleideter Scheide, eiuem eisernen Schildbuckel,
auf dessen Mitte ein flacher Knopf von Bronze saß, einem Schildhand-
griff, einer Lanzenspitze, einer Axt, einem Trensengebiß, einer Scheere,
sümmtlich von Eisen, einem Wetzstein und einer Waageschale von Bronze.
In einigen Gräbern des jüngeren Eisenalters, deren Leichen meistens
mit einem kleinen eisernen Messer ausgestattet waren, hat man auch
Spuren von Holzsärgen gefunden. Auffallend ist die große Anzahl der
Bautasteine, von denen noch 350 erhalten sind, und welche meistens in
Gruppen stehen. In solcher Anordnung kommen auch Steinsetzungen in
Schiffsform vor. deren 24 gezählt worden siud. Sie sind lauge uud schmale
auf beiden Enden zugespitzte schwach gewölbte Pflasterungen, eingefaßt
von einem Rahmen großer Steine. Es sind darin theils mit dunkler Asche
gefüllte Steinkisten, theils ungebrannte Leichen gefundon worden. Noch
sind zu erwähnen die häufig anzutreffenden „Helleristninger1'. Sie sind in
lose Steinblöcke, zuweilen auch in feste Felsen eingehauen oder geschliffen.
Die schalenförmigen Vertiefungen sind am häufigsten, auch Figuren von
Schiffen, von Fußsohlen und Räder mit Kreuzen darin sind nicht selten;
menschliche Figuren aber wurden nur dreimal gefunden. Die zahlreichen
Münzfuude bestehen aus römischen Silberdenaren aus dem 1. und 2. Jahr-
hundert, byzantinischen Goldsolidis aus dem 4. bis G. Jahrhundert und
arabischen Münzen aus dem 10. Jahrhundert.
Dr. Bujack macht Mittheilungen aus dem Werke von JohnEvans:
The ancient bronze iniplements, weapous and Ornaments of Great Britaiu.
Indem der Verfasser bei seinen Untersuchungen die Schriftdenkmäler und
Bildwerke der alten Völker heranzieht, kommt er zu dem Schluß, daß es
unmöglich sei, den Schluß des Steinalters in bestimmte Grenzen zu bringen
und den Anfang des Bronzealters und des Eisenalters festzustellen. Obwohl
diese drei Kulturstufen in ihrer Reihenfolge feststehen, muß der Uebergang
von der einen zur anderen in einem Lande, das eine solche Ausdehnung wie
Britannien hat und von verschiedenen Volksstämmen bewohnt war, eine
lange Jahresreihe erfordert haben, ehe sie allgemein wurde, ein Ausspruch,
der für den ganzen Norden gilt. Besonders interessirt der Nachweis, den
der Verfassser zu führen versucht, daß in einzelnen Ländern dem Bronze-
alter noch ein Kupferalter vorangegangen zu sein scheine.
Vorgelegt wurden an Erwerbungen und Geschenken: für die prä-
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A Herthumsgesellschaft Prusaia 1885.
165
historische Sammlung: zwei bemalte pompejanische und ein römisches Ge-
fäß ; für die Abtheilung von Graberfunden der ersten Jahrhunderte n. Chr. r
ein Ergänzungsfund aus Kl. Blumenau, Kr. Fischhausen, geschenkt von
Kaufmann Haubensack; für die Sektion der Gegenstände aus der Zeit der
Herrschaft des Deutschen Ordens: ein beschädigter Grapen aus Bronzeguß,
dem 14. Jahrhundert angehörig, gefunden bei Memel; ein ebenda gefundener
Grapen, doppelt gehenkelt und auf 8 Füßen stehend, dem 15. Jahrhundert
angehörig; ein eisernes Räuchergefäß, auf einem hohen dreifüßigen Gestell,
auch aus dem 15. Jahrhundert, alle drei Stücke erworben, ein Theil eines
Kirchenstnhls, mit dem in Holz geschnitzten Wappen des Hochmeisters
Friedrich von Sachsen mit der Jahreszahl 1509, geschenkt vom Gemeinde-
kirchenrath zu Neuhausen, Kreis Königsberg; eine eiserne Speerspitze, ein
eisernes Messer in einer Holzscheide, ein messingenes Glöckchen, gefunden
zu Jerusalem bei Mossicken, Kr. Fisrhhauson; zur Abtheilnng der Gegen-
stände des 17. und 18. Jahrhunderts: ein eiserner Steigbügel und zwei
eiserne Sporen des 17. Jahrhunderts, bei Grabungen für die Wasserleitung
im Löbenicht gefunden: ein messingenes Räuchergefäß an einem messingenen
Bügel, zum Schwingen zu gebrauchen, aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts
gekauft; eine auf gewebtem Zeuge mit Seide in Arabesken und Blumen ge-
stickte große Decke, geschenkt von Frau Rittergutsbesitzer Krause geb.
v. d. Trenck, eine Schnupftabacksdose in Form eines Mannes mit Kaftan,
vermuthlich aus Stein; zur Abtheilung der Gegenstände des 19. Jahrhunderts:
eine aus einem afrikanischen Kürbiß hergestellte Wasserflasche mit ein-
geritztem Kriegsschiff und dem Kopf eines Admirals, ein Beutestück aus der
Schlacht bei Pr. Eylau 1807, geschenkt von Professor v. d. Goltz bei seinem
Fortgang ans Königsberg, Eintrittskarte für den Blessirten Batist Micha-
lausitz in das Hospitnl zu Labian, 15. August 1812, in französisch er Sprache,
geschenkt von Dr. med. Herz, eine Brille in Lederfassung und mit Bändern,
gekauft; zur Bibliothek: eine Flurkarte des Dorfes Quednau, auf Ver-
anlassung des Königsberger Magistrats 1729 aufgenommen, gekauft, Erlaß
an die Kriegs- und Domainen-Kammer vom 26. Juni 1726 und vom
23. Juli ejusdem a., Abschrift, geschenkt vom Gymnasiasten Brock mann,
Bericht an Seine Majestät wegen der Ritterdienste im Königreich Preußen,
de dato Königsberg, 6. Juni 1725, geschenkt, Goldbeck's vollständige Topo-
graphie des Königreichs Preußen in zwei Theilen (2. Band Marienwerder 1789),
und Seekarten der Ost- und Nordsee längs der anliegenden Küsten und des
Atlantischen Oceans von der Französischen Küste bis Island, aus dem Ende
des vorigen und dem Anfang dieses Jahrhunderts, vorzüglich Holländische,
geschenkt von Dr. med. Herz, und zur Bilder-Sammlung: 2 Stiche von
Schadow und Jugk aus dem Leben Friedrich des Großen und ohne weitere
Angabe des Verfertigors die Vertheidigung eines französischen Grenadiers,
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im
Kritiken und Referate.
ein Bnistbild der Königin Luise und die alte Börse an der Grünen Brücke
zu Königsberg, geschenkt von Maler Schenk.
[Ostpr. Ztg. v. 19. Nov. 1RS5. No. 271.]
In der Sitzung vom 20. NoTomber 1885, in der sich die Mit-
glieder nach den zwei gehaltenen Vorträgen zur General- Versammlung kon-
stituirten und die ausscheidenden Vorstandsmitglieder wie die vorjährigen
Kassen-Revisoren wiederholten, legte Professor Hey deck die Ergehnisse
der Ausgrabungen vor, die er mit Bildhauer Eckart vereint im Sep-
tember 1885 in der Fritzenschen Forst, Kreis Fischhausen, zu Gr. Raum
und Dammwalde und in der Sadlower Forst im Kekitter Revier, Kreis
Rössel, unternommen hatte. Es wurden nach ertheilter Erlaubiß des Herrn
Regierungspräsidenten in beiden genannten Königlichen Forsten Hügelgräber
vorchristlicher Zeit aufgedeckt, in deren Steinkisten mit einer einzigen Aus-
nahme nur Urnen mit den von Leichenbrand herrührenden Knochen bei-
gasetzt waren. Diese in ein einziges Hügelgrab der Fritzenschen Forst, zu
der Asche gelegten Beigaben waren aber um so seltener und wiesen auf
eine südeuropäische Herkunft hin: ein großer kanelirter Ring aus Bronze
mit zurückgebogenen Endigungen, der entweder um den Hals oder auf der
Brust mit Hilfe eines um den Hals gelegten Bandes getragen werden konnte,
ein eingeschlossener bronzener Armring mit scheibenförmigen Endungen und
ringförmigen Anschwellungen, und zwei bronzene Haarnadeln verschiedener
Größe; nur ein Hängestück aus Bernstein gehörte der preußischen Heimath
an. Der Vortragende behandelte die Formen der Gefäße aus Hügelgräbern
wie die Herstellung der Ornamentik derselben und legte dann die Funde
eines Gräberfeldes der ersten Jahrhunderte n. Chr. aus dem Raatenburger
Stadtwald, die Görlitz genannt, vor, zu dessen Hebung der Herr Bürger-
meister in Rastenburg den Vorstand der Gesellschaft freundlichst aufgefordert
hatte. Bei Gelegenheit des Baues einer Hopfenscheune hinter dem Stadt-
haus Görlitz war man auf einige Urnen gestoßen, von denen noch zwei von
Herrn Oberförster Barkowski dem Prussia- Museum übergeben wurden
und hatten in Folge dessen Professor Heydeck und Bildhauer Eckart
diese Untersuchung in mehrwöchentlicher Frist systematisch fortgesetzt.
Außer den durch ihr Profil und ihre Ornamente ausgezeichneten Urnen und
den wenigen Beigaben, unter denen die bronzene Zackenfibula sich auch
nur wenig wiederholt, legte Herr Professor Hey deck eine große, von ihm
ausgeführte Zeichnung derjenigen Stelle des Gräberfeldes vor, welche die
größten Urnen enthielt. Der Besucher des Prussia-Museums nimmt jetzt
genannte Zeichnung zwischen der Trophäe der ersten Jahrhunderte n. Chr.
und der Trophäe des 10. Jahrhunderts wahr und sieht auf dem großen
Karton die Darstellung der Grube in natürlicher Grösse, in welcher die
Riesenurnen schon von Erde befreit, aber von ihrer Unterlage, den Üiesen-
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Alterthumsgesellschnft Prussia 1885.
167
artigen Steinen, noch nicht gerückt sind, gleich einigen kleineren Urnen,
nnd ebenfalls wie einige ans der Erde vorguckende Steine und der Contur
der darunter sich befindenden Erdmasse vermnthen lassen, daß mit den
Steinen auch Urnen zugedeckt und diese noch zu heben sind. Leider waren
die Steine auch die häufigsten in den Urnen wiederkehrenden Beigaben. —
Nach diesem Vortrage aus der Prähistorie erinnerte Herr Gyranasialdirektor
Dr. Babucke daran, daß wir 1885 das Jubelfest des Potsdamer Edikts zu
nennen berechtigt wären. 1G85 hatte der Große Kurfürst den nach Auf-
hebung des Edikts von Nantes massenweise aus Frankreich flüchtenden
Protestanten durch das genannte Potsdamer Edikt bereitwillig seine Staaten
geöffnet, und Tausende von Refngies fanden in Brandenburg-Preußen will-
kommene Aufnahme. Welche Gefahren diese Flüchtlinge bestehen mußten,
welchen todes verachten den Heldenmut!» sie bewiesen, ist bekannt. AI« ein
Beispiel dafür legte der Vortragende die eigenhändigen Aufzeichnungen eines
jnngen Mädchens vor, welches 1687 von La Rochelle aus sich selbst und
noch fünf jüngere Geschwister zunächst nach England, dann nach dem
Haag in Sicherheit brachte, während sich die Eltern getrennt auf anderen
Wegen retteten. Die Aufzeichnungen enthalten den Namen der jugendlichen
Heldin nicht, der Vortragende machte es jedoch im höchsten Grade wahr-
scheinlich, daß es Susanne de Robillard gewesen sei, welche späterhin eine
Ehe mit Karl Baron de la Motte-Fouque' einging, der gleichfalls als Refugiä
nach dem Haag gekommen war. Aus dieser Ehe ist dann der später unter
Friedrich dem Großen zu so hohem Ruhm gelangte General Fouque ent-
sprossen — Als Accessionen für das Prussia-Museum wurden folgende Ge-
schenke vorgelegt : ein Ergänzungsfund für das Zintener Gräberfeld der
ersten Jahrhunderte nach Chr., von Herrn Justizbeamten Lehrmann; ein
Solidus des Herzogthums Preußen vom Jahre 1669, von Herrn Major Beck-
herrn; ein Salzburger Kaufbrief vom Jahre 1717; drei geöhrte Amulette
von Kaufmann Herrn B rzezinski; ein seidenes Taufmützehen mit Gold-
stickerei von Herrn Hauptmann Ephraim; ein Schreibbild des Schneider-
meister Lichtenau in Danzig, 1757, in welchem die ersten 17 Psalmen die
Figur nach Apokalypse Kap. 12 zusammensetzen, geschenkt vom Haupt kassen-
Rendanten der Südbahn Herrn Wohlgemuth; eine Stutzuhr aus dem
empire nnd eine Tasse mit einer Silhouette von Fräulein v. d. Recke;
zwei alte Fayence-Töpfe mit den Bildern des Admiral Nelson und Kapitän
Berry von Frl. v. Lehwald.
[Ostpr. Z. v. 21. Jan. 1886 No. 17 (Beil.)]
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Mittheilungen und Anhang
Notizen zor Gründungsgeschichte der jüdischen Gemeinden
Altpreußens.
Von M. Friedeberg.
I.
Die älteste Geschichte der Juden in Deutschland ist seit Ph. Jaffö
und O. Stobbe bis zur Zeit Karls des Großen zurück mit großem Eifer ans
deutschen und hebräischen Urkunden, Gemeindeakten, Grabschriften u. s. w.
erforscht worden. In den Capitularien Karls des Großen und seiner Nach-
folger werden die Juden öfters als negotiatores genannt (cf. Pertz, monu-
menta; Leges p. 114 No. 4), von Magdeburg, Merseburg u. s. w. drangen
sie im zehnten Jahrhundert (cf. Leuber, Stapulae saxonicae in einer Urkunde
Ottos des Großen vom Jahre 965) handeltreibend bis in die von Slaven be-
wohnten Landesstriche jenseits der Oder. Es erscheint daher, wenn auch
dem Charakter der Zeit nach nicht befremdend, so doch bemerkenswerth,
daß noch im Jahre 1309 ein Edikt des Hochmeisters Siegfried von Fencht-
wangen bestimmte, daß kein Jude und kein Zauberer in Preußen geduldet
werden soll. Somit kann es bei dem halb religiösen halb kriegerischen
Charakter der Ordenssiedelungen nicht auffallen, daß. während im frän-
kischen Reich bereits unter Ludwig dem Frommen, Karl dem Kahlen und
seinen Nachfolgern jüdische Gemeinden blühten, während in Polen das
11. Jahrhundert von ihren Niederlassungen (Handelsfaktoreien) zu berichten
weiß, Litauen unter Witowd um 1388 organisirte Gemeinden hat, die Ent-
wickelung derselben in Preußen eine so langsame war. daß Königsbe rg in
Preußen erst im Jahre 1680 nach eingeholter Erlau bniß zur Gründung einer Syna-
goge eine organisirte Gemeinde bildete. In einem von Professor J. Saalschütz
(Königsberg) aus den Akten des geheimen Archivs mitgetheilten Schreiben des
Königs Friedrichs I. vom 14. Oktober 1701 heißt es noch : „Es sei den Juden
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Notizen zur Gründiingsgeschichte der jüdischen Gemeinden. D>9
nur gestattet zur Beförderung des Handels, sonderlich mit dem benachbarten
Polen und Litauen, durchzureisen und bis sie ihre Waaren verkauft
und ihre Einkäufe gemacht, auf einige Tage oder höchstens eine Woche
sich aufzuhalten." Die jüdischen Gemeinden in der Provinz sind noch
jüngeren Datums, als die Königsberger Gemeinschaft. Im Anfang des
18. Jahrhunderts wohnten Juden auf den Aemtern Ragnit, Lyck, Osterode,
Johannisburg, Marienwerder, Preuß. Holland, Deutsch-Eylau. In Memel
war im Jahre 1682 die später in den Akten des geheimen Archivs viel ge-
nannte Familie de Jonge koncessionirt worden. Schon dieser noch heute
am Rhein vielfach vorkommende Name deutet darauf hin, daß die östlichen
Ansiedelungen der Juden in Preußen sich keineswegs ausschließlich aus
Polen rekrutirten. Als im Jahre 1767 die Juden in Gumbinnen eine Bet-
stube und einen Begräbnißplatz mit obrigkeitlicher Erlaubniß anlegten, war
die erste Leiche, mit der der Begräbnißplatz eingeweiht wurde, die eines
Handelsmanns C. Kiewe aus Krojanke. der zum Besuch des Darkehmer
Jahrmarkts gekommen war. Aus den posenschen und westpreußischen Städten
Krojanke, Flatow, Tützn. a. haben sich vorwiegend die Gemeinden Gumbinnen
und Tilsit rekrutirt, die neben Königsberg die einzigen in Ostpreußen sind, deren
Begruhnißplätze bereits ein Alter von 100 Jahren überdauern. Aus den von
den dortigen „Beerdigungsgesellschaften' ' geführten Akten (die Chewra Ke-
discha, heilige Gemeinschaft, bildet einen Verband der bei den Beerdigungen
thätigen Männer, dieser Verein führt Notizen, feiert ein jährliches Stiftungs-
fest und seine älteren Urkunden bilden in den meisten Fällen ein noch
unverwerthetes Material für die Geschichte der Juden in Deutschland) er-
hellt mit Sicherheit, daß während die Synagoge in Tilsit erst seit 1842 steht,
die Begründung einer ständigen Betstube ungefähr gleichzeitig mit der
Einrichtung einer solchen in Gumbinnen zu setzen ist. Der Bau einer Sy-
nagoge wurde von der Obrigkeit zumeist erst sehr spät (in Tilsit erst
durch eine Kabinetsordre Friedrich Wilhelm IV.) gestattet, dagegen existirt
ein noch heute vorhandenes reguläres Statut eines jüdischen Frauenvereins
der ca. 17 Familien repräsentirte, zu Tilsit vom 17. Dezember 1837. Bemerkens-
werth ist eine neuerliche statutarische Festsetzung vom 17. Dezember 1845,
daß die Frauen bei Beerdigungen nicht in auffallendem Bänderschmuck er-
scheinen sollten, sondern ein weißes Band als gemeinsam acceptiren müssen.
Diese Frauenvereine, welche zunächst die Theilnahme der weiblichen Ge-
meindemitglieder an Beerdigungen der Frauen reguliren, die Herstellung
der Sterbegewänder, Vornahme der rituellen Waschungen überwachen, bilden
neben der oben erwähnten Chewra Kedischa den historischen Ansatz für die
heutigen Cultusgemeinden. Was den oben erwähnten ethnischen Charakter
der ersten die ost preußischen Gemeinden statuirenden Familien anbelangt,
so lassen sich aus Grabinschriften, Notizen der Chewra etc. folgende Familien
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170
Mitteilungen und Anhang.
nach ihrem deutschen Ursprung verfolgen: Moses aus Flatow erhält 1786
das Schutzprivilegium für Gumbinnen. Dieser Mann schaffte für die dortige
Gemeinde die nöthigen Betpulte, seidenen Vorhänge, Kronleuchter, Gebet-
bücher u. s. w. an, kaufte von der Stadt den zum Friedhof führenden "Weg
und ließ um den Friedhof einen Wall aufwerfen. Ihn unterstützte die
Familie Joel, verschwägert, mit der Familie Grühn. Joel war Graveur,
ein Bruder desselben starb in Tilsit (Dezember 183G). In Tilsit lebten gleich-
zeitig die aus Tütz in Westpreußen angesiedelten Familien Markuse, Leon-
hardt sowie die drei Linien umfassende Familie Lebegott, von denen später
Julius Lebegott eine Reihe von Jahren Vorsteher der Tilsiter Kaufmannschaft
(Korporation) war. In Gumbinnen waren aus Westpreußen angesiedelt:
W. Zaddek aus Flatow, S. J. Meyer aus Krojanke, J. M. Markuse aus Tütz,
F. J. Hell aus Krojanke, M. N. Zacharias aus Flatow, Th. Flatow aus
Conitz, S. Anders aus Danzig. Ferner lieferte nach dem Erscheinen des
bekannten für die Juden günstigen Edikts vom Jahre 1812 die große Ge-
meinde Märkisch Friedland für Gumbinnen und Tilsit eine Anzahl Gemeinde-
mitglieder; so errichtete M. Cohn aus M.-Friedland eine Seifensiederei in
Gumbinnen. In Tilsit machte sich der Goldarbeiter Löwensohn durch in-
dustrielle Erzeugnisse, mit denen er selbst Berliner Ausstellungen erfolgreich
beschickte, bemerkbar. Eine in Ostpreußen heute weitverzweigte Familie,
Sklower in Tilsit, die ihren Ursprung auf den berühmten Herausgeber
hebräischer Druckwerke, den Talmudisten May zurückführt, zog aus
Breslau hier an. Obwohl sonach, wie schon aus den von überall her
zusammengewürfelten Ursprungsfamilien erhellt, ein eigentliches historisches
Judenthnm in Ostpreußen nicht wie im deutschen Westen oder im ehem.
polnisch-litauischen Reiche existirt, dürfte es doch interessant sein, weitere
Mittheilungen über Cultur und Charakter der jüdischen Gemeinde-
Institutionen in Ostpreußen, nach bisher ungedruckten Quellen im Folgenden
entgegenzunehmen.
II. Tilsit.
Bei der großen Zahl der bereits in der ersten Hälfte des vorigen
Jahrhundert« durch Tilsit passirenden, die Handelsgeschäfte mit dem
Osten vermittelnden Juden existirten in Tilsit bereit« lange vor der
Bildung einer eigentlichen deutschen Gemeinde Betstuben für diese zu
Handelszwecken aufhaltsamen poln.-litauischen Juden. Die Zahl der fremden
Passanten, die z. B. noch in den Jahren 1858—60 an 5000 Personen umfaßte, ist
aktenmäßig erhalten , da seit dem Jahre 1796 höheren Orts eine Steuer von
3 Groschen von jedem fremden Juden erlegt werden mußte. Diese litauischen
Handeltreibenden stifteten im Jahre 1768 in Tilsit einen Verein für Pflege
erkrankter und Beerdigung gestorbener Glaubensgenossen. Das hebräische
Vereinshuch, die Statuten, Verzeichniß des Inventariums dieses Vereins sind
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Notizen zur Gründungsgeschirhte der jüdischen Gemeinden. 171
erhalten.*) Dieser Verein hat ungefähr bis zum napoleonischen Feldzug
(1812) bestanden, er zerbröckelte langsam. Nach der siegreichen Erhebung
Preußens zeigt sich der erwachende deutsch-nationale Geist in der Stiftung
einer nur von ansässigen deutschen Juden begründeten „Zunft*4 zu den-
selben Zwecken. Stiftungstag und Grundziige des Statuts sind diesell>en
wie in dem alten Verein. Doch wird derselbe von dem Stifter der
neuen Zunft, Joachim Simon, gänzlich ignorirt und dürfte es unter Um-
ständen lohnen, zu recherchiren, wohin das zum Theil sehr kostbare Inventar
des alten Vereins hingekommen ist.**) In dem noch vorliegenden hebräischen
Vereinsbnch werden Spenden von silbernen und goldenen Gerätschaften,
Sammetdecken n. s. w. von hohem Werth aufgeführt. Die Statuten der
1818 begründeten Zunft lauten wie folgt:
Statuten
für die heute hier gestiftete Israelitische Armen- , Kranken-, Verpflegungs-
und Beerdiguiigs-Zunft am 15. Tago im Monat h Kislew im Jahr 5579.
Nach der Schöpfung der Welt
Entworfen
von
Joachim Simon
Tilse den 13. Dezember 1818.
Einleitung. Da auf dem jetzt hier existirenden Israelitischen
Gottes-Acker nur noch sehr wenig: Platz übricr ist, so war es nothwendie,
CT O ' O'
ein Stück anstoßendes Feld anzukaufen. Dieses ist auch bereits durch mich
Joachim Simon nls Bevollmächtigten geschehen und ist zwischen mir und
dem Verkäufer dein Schuhmacher-Meister Ruth durch gerichtlichen Contrakt
der Kauf abgeschlossen und auch aus der alten Bestandkasse, welche der
Herr Itzig Hennigson unter Aufsicht hatte, bezahlt. Da es nun nothwendig
werden dürfte, von dem neuen dazu gekauften Felde Gebrauch machen zu
müssen und dieses nach unseren Gesetzen nicht eher geschehen darf, als
bis es durch einen Fasttag einer Beerdigungszunft dem alten einvorloibt
werden kann — aber bis jetzt noch keine wirkliche Beerdigungs-Zunft hier
exi«tirt, so hahe ich an aer jetzt sich hier vergrößernden Gemeinde, wie
wichtig es ist, eine Armen-, Kranken-, Verptlegungs- und Beerdigungs-Zunft
*) Befindet sich z. Z. in den Händen des Referenten. Die Statuten
des alten Vereins haben den beistehenden ersichtlich als Vorlage gedient,
nin so befremdender wirkt die Ignorirung des alten Buches in denselben.
**) Für die bevorstehende Kulturlüstorische Ausstellung in K. nicht
ohne Werth.
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172
Mittheiluii^en und Anhang.
zu bilden vorgetragen. Es ist allgemein mein Vorschlag angenommen
worden. Es haben sich der größte Theil der Gemeinde, wovon schon früher
welche Mitglieder von Zünften anderer Orten waren, zu wirklichen dienenden
Mitgliedern verbunden. Auch habe ich heute als den 15. Tag im Monat
Kislew zum Stiftungstag der hiesigen A.-, K.- und V.- und B.-Zunft be-
stimmt, wozu gleich die Einverleibung des neu gekauften Stück Feldes zum
alten Gottesacker mit in sich begreift. Es haben sich zu diesem heiligen
Zweck unterzeichnete Mitglieder folgenden Punkten oder Statuten zur Auf-
rechthaltung des Ganzen, welches ich festgesetzt habe, unterworfen.
§ l.
Dio heute zu dieser Zunft verbundenen Mitglieder werden als der
Stamm derselben angenommen und es hat Jeder dem allgemeinen Gebrauch
zufolge ein Stammgeld von 18 Thalem zu zahlen. Es kann heute weiter
Keiner aus der übrigen Gemeinde als wirkliches Mitglied der Zunft auf-
genommen werden. Für die Folge müssen diejenigen, die in die Zunft auf-
genommen zu werden gedenken, am Ersten des Monats Kislew den Vor-
steher der Zunft mit ihrem Wunsch bekannt machen, welcher dann am
15. Kislew als den immer zu feyemden Stiftungstag bey der Zusammenkunft
der Zunft denselben mit dem Wunsch der einzutretenden bekannt macht,
und ist gegen denselben sein guter Ruf und friedliches Betragen nichts ein-
zuwenden, so entscheidet die Mehrheit der Stimmen durch Ballotiren für
oder wider seine Aufnahme.
Die heute zusammentretenden Mitglieder wählen aus ihrer Mitte einen
Zunft- Vorsteher und einen Beisitzer auf zwey hintereinander folgende Jahre.
8 3.
Dem Vorsteher werden von der Zunft alle mit diesem Amt verbundenen
Geschäfte tibertragen, und hängen alle Anordnungen, insofern sie nicht den
Religionsgebräuchen zuwiderhandeln, lediglich von ihm allein ab und ohne
das Vorwißen desselben darf Niemand sich anmaßen etwas anzuordnen,
oder ihm zuwiderzuhandeln. Ein respektwidriges ungehorsames oder un-
gesittetes Betragen in der Zunft-Versammlung oder im Dienst wird mit
einer angemessenen Geldstrafe bis einen Thlr. zur Casse, aber ein grobes
widergesetzliches Vergehen mit Ausstoßung aus der Zunft bestraft.
Bei wichtigen Vorfällen ist der Vorsteher verpflichtet, die Zunft zu-
sammen bitten zu lassen. Da es aber für die Folge so wir mit göttlicher
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Notizen zur Gründungsgeschichte der jüdischen Gemeinden. 173
Hülfe hoffen noch die Zunft stärker werden wird, so werden aaller dem
Vorsteher und Beysitzern nur 5 aus der Zunft durch das Loos gezogen,
wozu noch jedesmahl ein Mitglied des Kahel hinzugezogen wird.
Zur Einnahme der Casse sind bestimmt :
1. Die schon im Jahre 1796 von höhern Orts bestimmten von jedem
Fremden Glaubensgenossen zu erhebenden drey Groschen.
2. Die Begräbnilgelder.
3. Die Einkaufsgelder in der Zunft, Collekten und mildthätige
Beiträge.
Zur Ausgabe gehören:
1. Die Unterhaltung des Begräbnisorts,
2L des Leichenwagens und der Geräthe,
3. des Krankenhauses nebst Geräth.
3. Die Verpflegung der armen fremden Kranken, desgleichen armer
Kranken aus der Gemeinde.
5. Das Beerdigen der verstorbenen Armen.
6. Die Besoldung des Zunft- und Kranken-Wärters.
§6.
Ist der Vorsteher verpflichtet, alle drey Monathe über alle die Ein-
nahmen und Ausgaben den Beysitzern gehörige Rechnung abzulegen und
von den von jedem Fremden einzuziehendeu drey Groschen, welche des
sichern Eingangs halber von dem Herrn Registrator Taudien einstweilen ein-
gezogen werden, von welchem er diese alle drey Monath zu empfangen und
an Ein hochlöbl. Magistrat erforderlichen Falls über die nützliche Ver-
wendung derselben Rechnung abzulegen hat.
Pflicht des Beysitzers den Vorsteher zu vertreten.
§8-
Der Bernf eines jeden Mitgliedes der Zunft ist, die heiligen Pflichten
seines Standes, ohne irgend auf eine Belohnung dabei zu rechnen oder sonst
einen eigenen Nutzen dabey zu bezwecken, als nur das angenehme
Bewußtsein, seinen Mitmenschen, der sich in der traurigen Lage beflndet,
sich selbst nicht helfen zu können, treulich seinen Pflichten eingedenk bei-
zustehn und er muß jeder Zeit, es sey im Tage oder des Nachts, bey einem
Kranken oder Todten, es sey Freund oder Feind, arm oder reich, sowohl
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174
Mittheilungen und Anhang.
den Religiösen als den Nichtreligiösen ohne Unterschied seinem Beruf
Folge leisten.
§ 9.
Ein jedes Mitglied, daß bey einem Kranken berufen oder von dem
Vorsteher hierzu aufgefordert wird, muß diesem Ruf sogleich nachkommen
um für alles dem Kranken benöthigeude zu sorgen, und findet er, daß der
Kranke sich schon dein Tode nahet, so muß er sogleich hiervon den Vor-
steher benachrichtigen lassen, damit dieser, wenn er es schon für nöthig
findet, mehrere Mitglieder bey dem Sterbenden zusammenrufen lassen kann,
um ihn nach den Gesetzen der Religion zum Tode vorzubereiten. Der
Vorsteher hat darauf zu reflectiren, dsß sowohl bei der Thara (Reinigung
und Waschung des Todten) als auch bei der Beerdigung alles unnöthige
Geräusch vermieden wird.
§ 10.
Da die Zunft gegenwärtig noch klein ist, so haben sich die übrigen
Mitglieder der hiesigen Gemeinde gleichfalls zu den Wachen bey den
Todten verstanden.
§ u.
Es wird ein tüchtiger zu diesem Geschäfte brauchbarer Zunft- Auf-
wärter, der aber zugleich Staatsbürger sein muß, besonders an-
genommen, welcher freye Wohnung im Krankenhause und eine angemessene
Besoldung erhält. Die Tage, die er mit der Zunft-Büchse zur Sammlung
herumgeht, darf er Niemand von der Gemeinde auslaßen, auch kann er
fremde Glaubensgenossen um mildthätige Beisteuer mit der Büchse an-
sprechen, ohne zudringlich zu werden.
§ 12. Feier des Stiftungstages.
Die Zunft versammelt sich in der Synagoge, woselbe wie an einem
Feiertage erleuchtet ist und die dabei üblichen Slicho-Gebete gesagt werden,
alsdann besucht sie den Gottesacker und verrichtet daselbst die üblichen
Gebethe, versammelt sich gleichfalls zum Vesper- und Abend-Gebeth in der
Synagoge, wo bey Ereterem sowie des Morgens aus der Thora Wajchal
vorgelesen wird, die dabei Aufzurufenden werden durch das Loos bestimmt.
Auch bleibt dieser Tag als Fasttag für die Zunft festgesetzt. Den
Beschluß dieses Tages macht eine von dem Vorsteher hierzu veranstaltete
Abendmahlzeit , wozu ein jedes Mitglied zur Bestreitung dieser Kosten bei-
trägt, welches aber nicht über 1 Thlr. sein darf. Die Mitglieder der Zunft,
welche unvermögend sind, den Beytrag zu leisten, werden von dem Vor-
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Notizen zur Gründnngsgeschichte der jüdischen Gemeinden. 175
steher hierzu eingeladen. Auch werden zu diesem Mahl das Kahel und
andere Mitglieder der Gemeinde, die der Vorsteher für gut befindet, eingeladen.
Daß vorstehende Abschrift der Statuten mit dem Original in hebräischer
Sprache gleichlautend ist, attestire hiermit
Tilse den 28. May 1820.
Meyer Cohn,
Lehrer der hiesigen Israelit. Jugend.
aus Friedland
Joseph Rosen feld.
H. Pollnow aus Ragnit.
Unterschriften : *)
Vorsteher: Joachim Simon.
Mitglieder: J. Hennigson.
J. Lebegott, M. Salinger i
W. Markuse, M. Markuse/
J. Saphir aus Elbing.
D. Herrnberg aus AHenstein.
M. Leonhard) m,
H. , ) ^
M. Saß aus Bütow.
aus Tietz. A. Kaddisch a. Friedland.
H. Danziger aus Hasenpoth (Kurland).
M. Moldeano aus Zinten.
Goldarbeiter Löwenson.
S. M. Löwenberg, Lotterie-Einnehmer.
L. Sklower aus Breslau.
Unlversltfits-Chrouik 1885.
(Sachtrai:.)
13. Juli. Phil. I.-D. von Richard Trlebel (a. Königsberg): Ueber Bau und
Entwickelung der Oelbehälter in Wurzeln von Compositen. Halle.
Druck vun E. Blochmann & Sohn in Dresden. (46 S. L Tab. I-VH.)
1886.
16. Jan. Phil. I.-D. v. Johannes Rahts aus Königsberg in Pr. : Berechnung
der Elemente des Tnttle'schon Cometen für seine Erscheinung im
Jahre 1885. Kiel. Druck von C. F. Mohr. (20 S. 4.)
Zu der am 18. Jan. stattfindenden Feier des Krönungstages laden hiei-dnrch
ein Prorect. u. Senat d. Albertus- Universität. Kgsbg. in Pr. Har-
*) Die Unterschriften des älteren dem 18. Jahrhundert angehören-
den Statuts des Beerdigungsvereins sind solche von polnisch - litauischen
Juden. Indeß haben sich auch die litauisch-jüdischen Gemeinden schon seit
dem 16. Jahrhundert aus deutschen Einwanderern vom Rhein, Main, ans
Schwaben, Böhmen, Oestreich u. s. w. gebildet, worüber demnächst aus-
führlich gehandelt werden soll. Für den Handelsverkehr Altpreußens mit
dem Osten waren und sind diese Vermittler, deren Verkehrssprache zumeist
deutsch (vermischt mit jüdischen und polnisch-litauischen Elementen) war,
von großer Bedeutung. In dem wirthschaftlich noch wenig ktütivirten
russischen Litauen bilden sie durchschnittlich 25 Prozent der Bevölkerung.
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176 Mittheilungen und Anhang.
tungsche Buchdr. (2 Bl. 4.) [Preisaufgaben f. d. Studirenden im Jahre
23. Jan. Phil. I.-D. v. Justus Buzello Poananiensis: De oppugnatione Sa-
gunti quaestiones chronologicae. Regimonti Ex ofticina Liedtkiana.
(45 S. 8.)
28. Jan. Phil. I.-D. v. Frlderictu Hoffmann (a. Schwaig Opr.): De Festi
de verhorum significatione libris qnaestiones. Regim. Ex oftic. Har-
tungiana. (52 S. 8.)
1. Febr. Med. I.-D. v. Franz Gürtler (a. Königsberg), prakt. Arzt : Der
Strvehnin-Diabetes. Kgsbg. in Pr. R. Leupold's Buchdr. (Bl S. 8.)
„Acad. Alb. Regim. 1886. I. ' Iudex lection. ... per aostat. a. MDCCCLXXXVI
a d. XXVII m. Aprilis habend. [Prorect. Iul. Walter Dr. P. P. 0.]
Regim. Ex oftic. Hartungiana. (27 S. 4.) Insunt Henrici Iordani
Quaestiones Criticae (p. 8-11.)
Verzeichnis« d. ... im Somm.-Halbj. vom 27. April 1886 an zu haltend.
Vorlosungen u. d. öffentl. akadem. Anstalten. Kgsbg. Hartungsche
Buchdr. (9 8. 4.)
27. Febr. Med. I.-D. v. Carl Cohu (a. Schneidemtthl), prakt. Arzt : Ueber
die Verknöcherung der Arterien. Königslrerg. Hartungsche Buchdr.
(20 S. 8.)
27. Febr. Med. I.-D. v. Rudolph Cohn (&. Schneidemühl), prakt. Arzt : lieber
die Bedeutung des negativen Thoraxdruckes. Ebd. (22 S. 8.)
27. Febr. Phil. I.-D. v. Carl Frltsch (a. Elbing), ord. Lehrer am Real-
gymnasium in Osterode: Ueber die Marklücke der Coniferen. Königs-
berg in Pr. Buchdr. v. R. Leupold. (2 Bl., 27 S. 4., Tafel I. II.)
10. März. Phil. I.-D. v. Victor Röhrich (a. Mehlsack): Adolf I, Erzbischof
von Köhl. I. Teil: Adolf als Reichsfürst. Breunsberg. Druck der
Erailänd. Ztgs.- u. Verlagsdruckerei (J. A. Wiehert). Verl. v. Hesse's
Buchhdlg. (Emil Bender). (2 Bl., 107 S. 8.)
13. März. Phil. I.-D. v. Walter Nanke aus Tilsit : Vergleichend-anatomische
Untersuchungen über den Bau von Blüten- und vegetativen Axen
dikotyler Holzpflanzeti. Kgsbg. in Pr. Hartungsche Buchdr. (2 Bl.,
5ü S.' 8, Taf. I-VI.)
15. März. Phil. I.-D. v. Adolf Keil (a. Tublauken) : Das Volkasehnlwescn
im Königreich Preussen und Herzogtum Litrhauen unter Friedrich
Wilhelm I. I. Hauptteil. Kgsbg. in Pr. Buchdr. v. R. Leupold.
(„Abdruck aus der Altpr. Monatsschrift Bd. XXIII. Heft 1/2., S. 98 bis
137."). (51 S. 8.)
IC. März. Med. I.-D. v. Ernst Wolf (aus Bartenstein in Oatpr.), prakt. Arzt,
Ueber die Umlaufsgeschwindigkeit des Blutes im Fieber. Kgsbg.
Hartungsche Buchdr. (28 S. 8.)
Zu der am 22. März stattf. Feier des Geburtstages Sr. Mai. d. Kaisers und
Königs laden ... ein Prorect. u. Senat . . . Kgsbg. i. Pr. Har-
tungsche Buchdr. (2 Bl. 4.) [Preisvertheilg. am 18. Jan. 1886.]
Lyceum Hosianum in Braunsborg 1886.
Index lectionum . . . per aestatem a die XXVII. Aprilis anni MDCCCLXXXVI.
instituendarum. [Reet: Dr. Wilh. Killing, P. P. O.] Brunsbergae,
188<». Tvp. Heyneanis (R. Siltmann). (19 S. 4.) Praecedunt Prof.
Dr. W. Edling Observationen ad theoriam transformationura conti-
nuarum pertinentes (p. 3—17: Zur Theorie der Lie'schen Transfor-
mat ions-G rnppen .)
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Altprenssische Bibliographie 1885.
177
Altpreussische Bibliographie 1885.
»Ibrc&budj bcr Stobt u. b. ÄretfcS ©umbinnen. £>rSg. o. Hlb. aelleSjttn. «umb.
(Sterjcl) (IV, 81 S. gr. 8. m. 1. outogr. $lan) boar n. 2.—
ftbreftbutf) bcr §aupt« u. Äcftbenjftabt ÄönigSbcrg f. 1885 . . . reb. o. Carl 91ürm«
berger. «gäbg. Wartung. (X, 336 u. 160 S.) baar n. n. 7.—
»lörcfibudi für bie Stobt Xüfit auf bog >!ir 1885. «u§ amttiaVn Duellen jufammen«
flffteat. %\\\\X. Äenlfinber & Sobn. (80 6. u. XIV 6. Änjeigen gr. 8.)
aimanodj. ÄonigSberger, 2. 3abrg. 1885/86. gü&rer burd) Äönigsberg u. feine Umgebgn.,
6ifenbal)n»SBerbinbgn. o. Oi't« u SBcftpr., 9lotijen f. Stobc» u. Hunbreifen iC jc.
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»thenftaebt, 2., Dberftlieutenant. Die erften 25 Sa&re beS 5. 0 ftpreu feigen Onfanterte«
9lfaiment3 9lr. 41. 3m Auftrage bc§ SiegimentS bargeftellt. 93reälau, 3"nflf«-
(IV, 159 S. u. 102 6. Anlagen gr. 8. m. ©L I-IV «arten u. Sfijaen in
Fol.) (ÄönigSbcrg, SRürmbergerä 9Jud)bblg.) baar 6.75.
Baenitz, Dr. C, Leitfaden f. d. Unterricht in der Physik ... 2. verm. u.
verb. Aufl. Berlin, Stubenrauch. (IV, 148 S. gr. 8.) geb. 1.50.
Lehrbuch der Physik in populärer Darstellung ... 9. vm. u. vb.Aufl.
Ebd. (VII, 258 S.) geb. 2.50.
u. Cberl. Äopfa, 2ebrb. b. @eograpI>ie ... 2 ZbU: 1. Unt. u. mittl. Stufe
. . . 2. «. »ielefelb. Schagen & Älaftng. (VHI, 289 6. gr. 8.) 3.80. -
2. Obere Stufe. (VUI, 338 S.) 4.30.
Bahnsen, Oberl. Dr. Fr., Tristan-Studien. (Beil. z. d. Progr. d. Kgl. Gymn.)
Dunzig. (20 S. 4.)
©ail, $rof. Dbert. Dr., metliob. ficitfaben f. b. Unterr. i. b. Siaturgcfd). . . . ©otanif.
1. fceft. Rurf. I-III. 4. oerb. «ufl. Spj. gue«. (VIH, 144 S. gr. 8.) n. n.
1.20. - 2. fceft Äurf. IV- VI. 2. oerb. Vufl. (V, 174 S.) n. n. 1.20.
... Soologie: 1. $eft. Kurf. I— KI. Unter SRitroirfg. o. Se&rer Dr. Jride.
3. ob. «ufl. (VI, 194 S. gr. 8.) 2. fceft «urf. IV- VI., (VI, 210 S.) geb. 4
n. n. 1.50.
Saren, 2anbgcrid)t3 « $räfib. Otto oan, $er 3°™ ftriebridb,« b. ©r. üb. Cftpreufe.
Sortr. [Sep.«?lbbr. auä b. «Itpr. 3Jt. u. ^nfterburg. Stg.J ^nfterburg 2öityelmi
(20 S. 4.)
Bau- und Kunstdenkmäler, die d. Prov. Westpr. Hrsg. i. Auftrage d. Westpr.
Provinz.-Landtages. Heft II. Der Landkreis Danzig, mit 76 i. d. Text
gedr. Holzschn., 8 Kunstbeil. u. 1 Uebersichtskarte. Danzig Bertling.
(S. 74-149 gr. 4.)
Bauck, Gymn.-Lehr. Dr. Louis, J. J. Rousseau und Montaigne. Ein Beitrag
zur Geschichte der Pädagogik. (Gvmn.-Progr.) Gubinnen. (S. 1—15. 4°.)
Bannigart, Prof. Dr. Hermann, GoetWs Weissagungen des Bakis und die
Novelle. Zwei symbolische Bekenntnisse des Dichters. Halle, Waisen-
haus 1886(85). (98 S. gr. 8.) 1.60.
Baumgarten, Prof. Dr. med. P., üb. Tuberkel u. Tuberkulose. 1. Thl. Die
Histogenese d. tuberkulös. Processes. Mit 7 (chromolith.) Taf. [Aus:
„Zeitschr. f. klin. Med."] Berlin. Hirschwald. (125 S. gr. 8.) baar 8. —
Replik [Virchow's Archiv f. pathol. Anatomie . . . 101. Bd. S. 198.]
Beckherrn, Carl, Verzeichniss der die Stadt Rastenburg betreff. Urkunden
[Aus „Altpr. Monatsschr.u] Kgsbg. Beyer. (101 S. gr. 8.) 2.40.
Altpr. Mon»U«chrilt Bd. XXI1L Hit 1 u. S. 12
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178 Mittheilungen und Anhang.
Bender, O., Geschichte des städtisch. Krankenhauses u. der öffentL
anst alten in Thorn. Danzig, Kafemann. (41 S. gr. 8.)
»enerfc, *prof. Dr. $ie bcutfdje Seefifdjerei u. b. Wittel ju ihrer §ebung. föa&f
bud) f. ©cfe&gcbung, SBertoaltg. u. SotfSroirtbfd). im Dtfd). !Reid). IX. 3abrg.
$räg. o. ©uft. SAmoOcr. S. 119—137.] Die Hufcung b. ©afferä burd) gifd)«
»ud)t. (3u«ft oerbffcntl. i. b. 3tfd»r. ,,2anbioirtbfd)aftl. 2bier}ud)t" »unjlou,
Mppun) |93crid)te beä Südjerei'Sercinä b. $roo. Oft» u. Söeftpr. 9ir. 4. S. 87—45.]
Beignu, R., Inventar der Bau- und Kunst-Denkmäler in d. Prov. Branden-
burg, im Auftr. d. Brandenh. Prov. -Landtages unt. Mitwirke, v. A. v. Eye,
W. Könne. A. Körner etc. henrb. mit viel. Abbildgn. Berlin, Voss (XX,
813 S. hoch 4.) baar n. n. 20.—
ein Srunncn o. ©eorg Sabemoolf. [Äunftgetocrbcblatt tyia. o. 8lrt&. $abft.
1. 3a&rg. 9ir. 7.] Wenzel Jamitzer betreffend. [Ztschr. f. Kunst- u.
Antiquitäten-Sammler IL 9.]
Bergbau», Dr. bie $irte.*) [Eos Muölcnb. Hr. 37.]
Scridit üb. b. fteier b. 50jäbr. $riefter.3ubilaumd b. $rn. ^rfitoten ftriebrid) fionb«
meffer, Pfarrer a. b. St. 9ttcolai<flird)e in 3)anjig . . . 35anjig, Cocnig. (35 S. 8.)
Bericht üb. d. 22. Versammlung d. preuss. botan. Vereins zu Marienbnrg am
9. Oct. 1883. [Aus: Schriften d. phys.-ökon. Ges. zu Kgsbg.] Kgsbtr.
1884. Berl., Friedländer. (67 S. gr. 4.) 2.50.
Bericht üb. d. Handel und d. Schifffahrt von Kgsbg. i. J. 1884. Kgsbg. Här-
tung. (VI, 172 S. gr. 8.)
©eridjt üb. b. Sdüdfale ber 6tobt 9kanit im 7jäb,r. Äriege, indbef. am 24. Sept.
1757. 3Jon Jlugenjeugen in »riefform erjSblt. [gamilien»Äalenber f. b. 3. 1885.
SBeigabc j. „^ntferburg. 3tg." S. 18-25.]
»eridjte beä ftifdjerci.SJeretnä ber ^rooinjcn Oft« u. SBeftpreufe. 1884,85.
»erilittg, Der 2Raler oon Danjig u. feine Seit. [Stanj. 3tg., Sonntags » »eil. ju
9tr. 15 569. 81. 93 u. 15 606.]
Bertling, Mgathe, Cin Sebenäbtlb. «uS Erinnerungen u. »riefen jufgfietli. Eine
20eibnad)tsgabe für b. Dtfd). grauenroelt. ©otfja, ^ertbeä. (VII, 135 S. gr. 8.) 2.—
©efudj, (Sin, in Jrafcbncn im Sommer. (Sine SRetfe»©rinnerung oon Ü. §. 3Rit
t. «lan u. «bbilbgn. Stuttgart, Sd)itt>rbt u. ebner. (III, 46 S. 8.) 1.—
Bezzen berger, Beiträge zur künde der indogerman. sprachen hrsg. v. Dr. Adalb.
Bezzen berger. X. Bd. Gotting. Vandenhoeck und Ruprecht. (348 S.
gr. 8.) 10. —
2ettif<be fcialert.Stubien. öbb. (2 SBC 180 S. gr. 8.) 4.—
— — Zur litauisch, dialektforschung II. [Beiträge z. künde d. indogerm.
sprachen IX. bd. s. 253-293.1 Misceilen [Ebd. s. 331—337.] lat. emo-
got. nima [Ebd. X. bd. s. 72. [ zur Chronologie d. griech. lautgesetze
[ebd. s. 146.J zur litau. accentuation. [s. 202—204.] Die indogerm. Endung
des Locativs Sing, der u-Declination [Nachrichten v. d. k. Ges. d. W.
z. Gotting. N. 4. S. 160-162] Ree. üb. Kurschat littau.-dtsch. Wörterb.
[Gotting, gel. Anz. No. 23. S. 905—948.]
»ienen*3dtiM8' $reuBifd)e . . . bräg. „. 3. ©. aQnty ... 91. IX, alte XXII.
Sabrg. Ägsbg. Dftpr. 3tgs.« u. Slgsbr. (2 3)1. 188 S. 8.)
Bisknpski, Dr. L., Über den Einfluss d. germanischen Elements auf das
Slavische, II. Teil. Die Diphtonge in der Sprache der Lüneburger Slaven.
(Polaben). G}onn.-Ber. Conitz. Gebauer. (22 S. 4.)
»ledj, tyreb. Dr. $b. SB- bas 9tcid) ©ottes auf 6rben in ©efdncbten b. alt. u. neu.
ieftam. 6. oerm. Slufl. Danjig, Saunier. (IV, 203 S. 8.) —80.
»Icirocifr. Schrcr 91., Se&rgang f. b. Sdjreibunterridjt i. b. Sdnile ... Kit 2 Za\.
Rönigöbg. Strübig. (73 S. gr. 8.) —80.
Mit Ausnahme des ersten einleitenden Passus nichts weiter als ein
unerlaubter Abdruck des gleichnamigen Artikels von K. Käswurm in der
Altpr. Mon. Bd. VL 1869. S. 878-876. Vgl. die von Seiten der Red. des
Auslandes abgegebene „Verwahrung" in No. 6 vom 8. Febr. 1886. S. 120.
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Altpreussische Bibliographie 1885. 179
f Blochniann, Dr., (Kgsbg.)] Neuer Luftprttfer v. Dr. Blochmann in Kgsbg. i. Pr.
[Wochenbl. f. Baukunde No. 85.]
Saul, 25er öraumöndj oon «önigöberg. Ähie alte Stabtgefdudjte. 2pj. 1886(85).
Denide (2 81. 93 S. 8.) 1.—
Bock, Oberl., üb. versch Konstruktionen zur Übertrag^, v. Figuren von e.
gegeb. Oberfläche auf eine andere. II. Wissenschaft!. Abhdlg. f. d. Ost.-
Progr. Lyck. Siebert. (26 S. 4. m. 1 Taf.)
ßoening, Rieh., Anatomie d. Stammes der Berberitze. I.-D. Kgsb. (Graefe
& Unzer.) (34 S. gr. 8. m. 8 autogr. Taf.) baar n. n. 1.50.
Börnstein, R, Bewegung einer Böe über Berlin. [Meteorologische Zeitschr.
2. Jahrg. S. 1&-195.J
Böttcher, Dir. Dr. Carl, Lehrplan d. Realgymnasiums auf der Burg zu Königs-
berg i. Pr., u. der m. demselben verbundenen Vorschule . . . Königsb.,
Schubert u. Seidel. (68 S. 8.) baar n. 1.—
vier neue Capitel zur pädagog. Carriere der Gegenwart. Kritische
Plaudereien. Leipzig, Frohberg. (61 S. 8.) 1. —
Böhm, JM das Gräberfeld von Rondsen b. Graudenz. [Ztschrift f. Ethnologie.
17. Jahrg. S. 1—7. hierzu Tafel I— II.]
Sohn, $rof. Dr. «dnigSberg. 8am ©d)Iafe ber «inber. [Die Syrerin in 6djule
u. §au$ . . . bria. d. Marie fioeper « §ouffefle. Berlin. $ofmann. I. 3at)rg.
©. 200-204.]
8olb, 91. (Slbtng), bie Sage ber 2lefarb§müble u. b. fö)redliä)e SKaffenmorb inberfelbcn
anno 1273. [«Itpr. 3tg. Hr. 20 («eil.)]
Braudjitfd), 5R. o., bie neu. preu&ifd). 8erroaftuna3gefekc. jfgeft. u. erlaut. 9t. BufL,
ooQftb. umgearb. u. biö auf b. Gteqenroart fortgef. o. SReg.«8raf. Stubt u. ®elj.
5teg.«5t. 8raunbebren3 ... 8. ©tfammtaufl. b. Organifationöa,efe$e b. inneren
»«noalta. 1. 8b. 3. beriet, «bbr. »erlin, §enmann. (XII, 614 S. gr. 8.) 8.—
3. 8b. 1. u. 2. «bbr. 4. u. 5. «efammtaufl. b. „Supplementbanbed". ISbb.
(VIII, 453 S.) (ä) 8.—
Brennecke, P., Urfunben bet Statt $r. grieblanb bis jum Slaljre 1650. (Progymn.-
Prog.) Pr. Friedland. (22 S. 4.)
Srünnrif, $rof. Dr. jur. 2BUb. o., 8eitrSge jur ©efeb. u. Dogmatil ber 8fanbbrief»
fnfteme nacb preufj. Hecbt. (grortf.) [8eitr5ge j. ©rlÄuterg. b. Dtfd). Äed)t3. 3. %olqt.
9. 3abrg. ®. 161-209. 465-524.]
Brunnemann, Dir. Dr., kürztet asste Gesch. d. städtisch. Realgymn. zu Elbing
während d. erst. Vierteljahrh. seines Bestehens. (Real gvmn.-Progr.)Elbing,
Riedel. (22 S. 4.)
8uttner. G. 8., «olonialpoliti! u. (Sbriftentbum, betradjtet m. fcinblid auf b. Dtfd).
Untcrnebmungen t. ©übmeftafrifa. (47 ®. 8.) [Sammig. o. Sorträg. IjrSg. o.
ftrommel u $faff. 18. 8b. 8. $ft. §eibelberg, ffiinter.] —80.
«derbem u. »k^iiAt in Süb'SBeft'Mfrifa (Damara« u. ©r. 9lamaqualanb.) SRit
1 «arte u. 30uftr. (60 S. gr. 8.) [Die Dtfd). Golonialgcbietc. «Rr. 3. Seipjig.
©djloemp.] 1.—
SRiffton u. Kolonien. Vortrag auf b. fadjf. SKifftonSfonferenj in ©alle. [SlCgem.
9)tiffione«3tfd>r. XII. 8b. S. 97—112.] Die Missionsstation Otyimbinpue
in Damaraland. (Ztschr. d. Gesellsch. f. Erdkunde zu Berlin. 20. Bd.
S. 37—56.] Die Temporalformen in den Bantusprachen. [Zeitschr. f.
VölkerpsychoL u. Sprachwissenschaft. XVL Bd. S. 76-117.]
8ujad, Dr. phil. Önmn.»Cberl., ba« «niffia-SRufeum im «Rorbflügel beS «gl. €d)toffe3
ju «gibg. in $r. Die auSgefteHt. Altertümer ber prabiftor. 3"t oor <8eb.
bift §. »ramn ber biftor. 3eit b\i ca. 1300. Deä I. 2ei(3 b. «atalogd jroeite
$älfte. «bg. Dftpr. 3tg§.« u. »erlgäbr. (48 ©. gr. 8.)
Sujad, 8. o. Da« littbauifcbe 8ferb u. b. preufr. «ferbejudjt. Bad) o. 8uiadä $anb«
fdjriftl. «ufjeidmungen. [Der «efedige 9ir. 198. 2. 8latt.]
Bardach, Fr., pract. Arzt, Ueber den Senftleben'schen Versuch die Binde-
gewebsbildung in todten, doppelt unterbund. Gefässstreckon betreffend.
[Virchows Archiv f. pathol. Anatomie 100. Bd. S. 217—235.]
12*
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180
Mittheilungen und Anhang.
3?uroto, 3ulit, [^tau tyannenfämibt], ^rücfite au« b. »arten b. geben«. 3b«« jungen
§reunbinnen genribmet. 2. 9L 3>at>o«, Ritter (VII, 157 €. 8.) geb. 4.—
Bosolt, G., Griechische Gesch. his z. Schlacht v. Chaironeia 1. Tl.: Bis zu
den Perserkriegon (XII, 623 S. gr. 8.) 12.— [Handbb. der alten Ge-
schichte. II. Serie. 1. Abtig. 1. Tl.]
Bemerkungen über die Gründungsdata der griech. Colonien in Sicilien
u. Unteritalien. [Rhein. Museum f. Philol. N. F. 40 Bd. S. 466—469.]
Buttlar, SRinfa o., «Derlei für «inber. Seipj. Sebrmittelanftalt o. Dr. C3f. ®d)neiber
(24 6. b,o<b 4 mit eingebt, ©bromolitb,.) cort. 3.50.
9Rfira)en. Gbb. (61 S. gr. 4 m. eingcbr. Gbromolitt).) 3.—
£aru«, Cberbofpreb., ©en.«6up. D., $rebtgt j. Ärönungöfeter in b. Sdjlo&firdje ju
flöniftSbg. t. J)r. 18. 3an. [9tu$: „^aftorolbibliot^cfj Öotba, ©djloc&mann.
(15 S. gt. 8.) -40.
Chodowlecki. Auswahl aus des Künstlers schönsten Kupferstichen. 135 Sticho
auf 30 Carton-Blätt. Nach den zum Teil sehr seltenen Originalen in
Lichtdr. ausgeführt von A. Frisch. Neue Folge. Fol. Berlin, Mitscher
u. Rösteil. Li Leinw.- Mappe (a) 20.—
$. «. Stet, »naleften j. ®efd). b. neuer, btftt). «unft. 3. G/fjobottiif <fl an «Ricolai.
[Sie «renkten. 9lr. 8. I. S. 408-417.]
$boralmrIobicn • ^Bud) ;um ©oangel. ®efangbud) für Oft« unb Kkftpr. §r3g. o. b.
Äommiffion j. Slusarbeitg. e. einbcitl. Gt)oraIbud>3 . . . Äbg. Örafe & linier.
(100 6. 8.) -80.
(Tbtiftul, bet gefd)ld)tlicV, u. feine ^bealität. «Uer Sein in neuem Sdtfautbe, bar*
geboten allen gebübeten ftreunben bet Religion oon einem Seteranen. Aönigöb.
Wartung (XVII, 307 S. gr. 8.) 3.-
(Ffmn, «ßrof. €arl, ÄatcAiömu« ber Wifro«fopie. Kit 94 in ben 2eyt gebr. Slbbitbgn.
2pj. ffiebet. (VIII, 138 ®. 8.) geb. 2.-
— — Über die cyklische Entwickelung der Siphonophoren. 2to Mitth. hiezu
Taf. II. [Sitzgsber. d. Akad. d. W. z. Berl. XXV. XXVI. S. 511-529.]
(Hericn*. $aQa3. 3eitfd)rift b. Äunft»®en»frbe«Screinä j. SRagbeburg. Web. 2. Glcricud.
6. Siabrg. 12 5Rrn. (95. gr. 4.) SRagbeburg, gaber in Comm. baar 4.—
— — Bemerkungen zur Kunstbeilage der No. 6 des Herold. [Der ätsch. Herold
No. 7/8 S. 92—93.] Notizen über die letzten Aebte des Klosters Gr.
Ammensieben. [Ebd. No. 12. S. 139-140.] Sphragistische Miscelle [Ebd.
S. 140.] Zur Genealogie des Hauses Battenberg. [Ebd. S. 140.] Ree
[Ebd. S. 130.]
Conwents, Dir. Dr., Uebersicht der hauptsächlichst. Schriften Göppert's.
[Leopoldina Hft. XXI. No. 15-18. S. 135—39 149-54 ]
[Coppernirut.j Holland, F. M. The rise of Intellectual Liberty from Thaies
to Copernicus London. (VII, 458 pp. 8°.) 21.50.
(Trainer, fc., weil. D6.»«ubitcur u. ©eb,. ^uftijratf), llrfunbenbud) 3. ©efdj. b. normal.
SMotbumi ^omefanien. 1. §eft. (15. £cft ber 3eitfd)r. b. b^iftor. S5. f. b. Steg.»
58ej. SRariemoerber.} SRarienroerber (112 6. 8.)
Carte«, Gymn.-Oberl. Max, verba filiorum Moysi, filii Sekir, id est Maumeti,
Harne ti et Hasen. Der Liber trium fratrum do geometria. Nach der
Lesart d. Codex Basileensis F. H. 33 m. Einleitung u. Commentar
hrsg. Mit in den Text eingedr. Holzschn. [Aus: „Nova Acta d. Ksl.
Leop.-CaroL deutsch. Akad. d. Naturforscher.44] Halle. Leipzig. En gel-
mann in Comm. (63 S. gr. 4.) 3.50.
Ree. [Dtsch. L. Z. No. 22. 32. 45. 48.]
$abn, ftelij, Heine Romane aud bet SJölferwanberung. 3. SBanb. ®elimer ... 1. bift
3. VufL (HI, 630 6. 8.) 9. geb. 10.- 4. »b. bie fdjlimmcn «Rönnen »on
Voitiet« [a. 589 n. Sbr.] 1-3. Mu«. (Sbb. (308 6.) 5.- geb. 6.-
— — Harald und Theano. Eine Dichtung in 5 Gesängen. Illustr. v. Johs.
Gehrta. Leipz. Titze. (111 S. gr. 4 m. niustr.) geb. 20.—
Urgefcfaitfjte b. german. u. roman. SöKer (3. 99b. 6. 385-640 gr. 8.) [«Hgem.
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Altpreussischo Bibliographie 1885.
181
©efd). in ginjelbarftellungen . . . brög. o. 9JBUb\ Dnrfen. Slbty. 93. 104.] »erltn.
©rote. ä 8.—
De kruisvaarders. Eeno vertelling mit de 13 e. eeuw. Uit het Hoog-
duitscb vertaald door J. van Loenon Martinet. 2 dln. Roy 8vo. (242
en 253 bl.) Sneek, J. F. van Druten. f. 4, 90.
— — Een strijd om Rome. Historische roman. Uit het Duitsch vertaald door
G. T. B. 2 e druk. 2 dln Arnhem. J. Rinkes r. (4en 370 bl.; 4en 427
bl.) f. 4.20.
3um neuen 3ab,r 1885. ©ebidjt [©artenlaube 9lr. 1.] Som 9Reere$ftranb. @e«
bidit [ßbb. 40.] 9?ad)frang jum 4. Januar 1885. (@ebi#t auf bie ©ebrüber
©rimm.) [»erl. SWonatdbcftc f. 2it. flritif unb Z^tat brög. o. £einr. $>art.
SRinben in 95Jeftf. 1. »b. S. 28—30.] 3ung«»i3mord. ©ebtdjt. [Horb u. ©üb.
»b. 33. §eft 97 S. 1.] Jacob ©rimm [Dtfdje. Slcoue bräg. o. 9ttd). gleifcber.
X. Jabrg. 4. 18b. ©. 289—319.] flur neuer. Sit. üb. roeftgotb- Äei<f)3. u.
9tcctjt«gcfcf». [Ärit. Sicrtcljabrättbrift f. ©efefcgebung u. 9ic*tSn>. 91. ft. »b. VIII.
6. 343-368.] Ree. [Gotting, gel. Anz. No.' 7. Lit. Ctralbl. No. 15. 9Äünd>ener
«Kgem. £tg. »eil. ju ?lr. 349J
Tal}«, ftcltr. unb 2b«cfe [geb. ^rfiin °- Drofte«$m[3b>ff,] 2Bau)att. ©ermanifebe
©ötter» unb fcelbenfagen . . . 2Rit mef»r alä 50 »ilbertaf. . . o. Jobd. ©ebrtS.
2fg. 1-9. Areujnad), SSoigtlänber (665 S. gr. 8.). 6. SJufl. geb. 10.—
Jaütotg, Ofr., Pfarrer, ber Äampf jroifd». ©(auben unb ffiiffcn. ©in ©ort jum ^rieben.
©otba, UertbcS. (V, 37 S. gr. 8) -80.
DarfteUung, furje, ber ©efd). b. 6. Cftpr. Infant. «Wegiment« 9lr. 43. 1860— 1885
. . . »erltn. 9Rittler A Sobn. (VI. 78 3. 8.) -80.
Dewitz, H., weitere Mittheilungen üb. d. Klettern der Insekten an glatt.
senkrecht. Flächen. [Zoologischer Anzeiger No. 190.] Richtigstellung
der Behauptung des Hrn. Dr. Dahl. [Archiv f. mikroskop. Anatomie.
Bonn. 26. Bd. S. 125-128.]
Tierd*, ©uftao, Die arab.'iuaur. flultur in Spanien. [9lu3 äff. 3citen u. Sanbcn.
3. Jabra. fceft 11.] Der beutfd)«fpanifd)e Conftift. [Die ©egenroart 41.] Die
spanische Folk-Lore Gesellschaft. [Das Magazin f. d. Litt. d. In- u.Ausl.
No. 5.J jur ftrage ber Gbolcraimpfung. Script au3 Spanien. [Die 9tation.
2. Jabrgang 9?r. 40.] Da« fpanifdje $olf u. bie ©fcoteraimpfung. [@bb. 43.]
Die SRufif in Spanien. [Unfcrc 3«it, £»eft 1 u. 2.]
[hinter] Wuftmann, 9B., ©uftan ftriebrid) Dinier nad? f. fieben u. SBHrfcn. [Der
ojriftlidje Sdnilbote. £rög. p. ft. Seimbad). 23. Jab,rg. 9lr. 23-25.]
Dtridjlet, 5Balter äejeune, baä perbammte ©c(b! 91ad) bem t$ranj. beä »aftiat f. b.
Deutfd)e ©egenroart bearb. »erlin, SBalter & Slpolant (24 S. gr. 8.) —50.
ebenfo 2. Slufl.
Distel, Theodor, das Lied vom Igel, als Spott auf die Leinweber (1518).
[Archiv f. Litteraturgesch. hrsg. v. Franz Schnorr v. Carohdeld. XI II. Bd.
S. 427 — 428. | ©ine Su&roafdjuna. bcö Äaiferä auf b. ÄeidjStage ju 9%egenSbura
1653. f^citfdjr. f. aüg. ©cfdv, flult.«. Sit.« u. Äunftgefd). feeft 8. ©. 639-40.1
»efunb ber *cid)e Äaifer 3RorimiIiand H. ffcbb. £ft. 10. 6. 799 - 800.J
Urteile ^b°rn'fllbfen,ö üb. feinen Sdiüler 3ofcpl> öermann (II.) auS Dreflben.
rSt|d)ft. f. b\lt>. Äunft. §rdg. u. ßarl v. Sü|}on). 20. »D. 9. ipeft.] Elf kriminalist.
Mittheilgn. ans d. königl. Sachs. Hauptstaatsarchiv zu Dresden. [Ztschr.
d. Savigny - Stiitg. f. Rechtsgesch. VI. Bd. 2. Hft. Germanist. Abth.
8. 184— 189. J Gutachten der Juristenfacultät zu Leipzig üb. e. Bauer,
welcher „ungebeichtet das Sacrament empfangen wollen." (1523.) [Ebd.
S. 189 — 190. j
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182
Mittheilungen und Anhang.
Kulturhistorische Ausstellung für Ost- und
Westpreussen.
Wie unsere Zeitungen berichten, liegt es im Plane, hierselbst eine
„Kulturhistorische Ausstellung für Ost- und Westpreußen" zu veranstalten.
Zu diesem Zwecke ist ein Comite aus den weiter unten genannten Herren .
zusammengetreten, welches folgenden Aufruf*) erläßt:
Im Sommer des Jahres 1883 hat man in unserer Schwesterstadt Riga
eine sogenannte kulturhistorische Ausstellung veranstaltet, die zwar ursprünglich
für die gesammten deutschen Ostseeprovinzen Rußlands, welche einst auch mehr
als drei Jahrhunderte lang unter der Herrschaft des Deutschen Ordens ge-
standen haben, berechnet war, dann abor äußerer Umstände wegen auf die
Stadt Riga hat beschränkt werden müssen. Dennoch war die Ausstellung,
wie Kataloge und Berichte erweisen, sehr reich beschickt und hat nach
allen Richtungen hin einen sehr befriedigenden und günstigen Erfolg ge-
habt. — Ferner haben in mehreren Provinzen des preußischen Staates in
den letzten Jahren kunstgewerbliche Ausstellungen stattgefunden, welche
stets auch eine historische Abtheilung hatten. Bei solchen Gelegenheiten
kamen in der Regel und zwar meist aus Privatbesitz, eine Menge von
Gegenständen der Vorzeit zu Tage, die durch ihren (oft von den Besitzern
selbst nicht genügend erkannten) Werth allgemein überraschten. Infolge
dessen ist bei den Unterzeichneten der Gedanke rege geworden, jenem
Beispiele zu folgen und auch für unser engeres Vaterland, für die Pro-
vinzen Ost- und Westpreußen, die lange das Hauptland des Deutschen
Ordens gewesen sind, hier in Königsberg eine solche „kulturhistorische
Ausstellung" ins Werk zu setzen. Wir haben die Ueberzeugung, daß unser
Altpreußen keineswegs so arm ist an kulturhistorisch wichtigen Gegen-
ständen früherer Zeiten, wie die landläufige Meinung es wahr haben wilL
Ohne Frage ist in dem Besitze vieler Institute, gewerblicher und besonders
kirchlicher, in dem Besitze von Stadtgemeinden und anderen Behörden und
auch in dem Besitze von Privatleuten in Stadt und Land, in Bürgerhäusern
und auf Schlössern, so manches Stück vorhanden, welches das Leben und
Treiben unserer Vorfahren veranschaulicht, von ihren Sitten und ihrer
Kunstfertigkeit zu uns redet. Was die geplante kulturhistorische Ausstellung
umfassen soll, geht aus dem nachstehenden (vorläufigen) Verzeichnisse der
Abtheilungen, in welche die ausgestellten Gegenstände eingeordnet werden
sollen, hervor. Wir gedenken die Ausstellung zeitlich so weit herabzuführen,
*) Wir bringen den Aufruf unseren Lesern mit dem lebhaften Wunsche
zur Kenntniß, daß derselbe möglichste Berücksichtigung finden möge.
D. Red.
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Kulturhistorische Ausstellung für Ost- und Westpreußen.
183
daß die Kunstrichtung des sogenannten Empire noch darin ihren Plate
findet; die äußerste Grenze würde also etwa zwischen den Jahren 1815 und
1620 liegen. Wegen der nöthigen, jedenfalls höchst umfassenden Vor-
bereitungen wird die Ausstellung nicht früher als im Sommer 1887 statt-
finden können. Als Ausstellungsort ist der im hiesigen Schlosse befindliche
Moskowitersaal, dessen Gewährung durch das Königl. Hofmarschullamt
auch für unsern Zweck sicher zu erwarten ist, vorläufig in Aussicht ge-
nommen. Die Gewinnung dieses umfassenden und gewiß ausreichenden
Raumes würde die Kosten der Ausstellung um ein Bedeutendes geringer
stellen. Da wir nicht verkennen, daß die auf eine „kulturhistorische Aus-
stellung" gehörigen Gegenstände durchweg von hohem Werthe sind, mag
dieser Werth ein natürlicher sein oder in der Vorstellung des Besitzers be-
ruhen, so sind wir uns auch der Verpflichtung voll bewußt, das große Ver-
trauen, welches mit Darleihung solcher Sachen in uns gesetzt werden würde,
dadurch zu rechtfertigen, daß wir für alle mögliche Sicherheit und für jede
irgend angängige Versicherung peinlichst Sorge tragen werden. Die Kosten
des Transportes, der Aufstellung und der Versicherung werden, sofern nicht
andere Wünsche geäußert werden sollten, aus den Ausstellungsmitteln ge-
deckt werden. Auf Grund obiger Auseinandersetzung dürfen wir wohl
später, falls das von uns geplante Unternehmen zu Stande kommt, die ganz
ergebene Bitte wagen, daß auch Sie dann die Gewogenheit haben wollten,
unsern Zweck zu unterstützen, sei es durch gütige Darleihung von passenden
Gegenständen, die sich in Ihrem eigenen Besitze befinden, oder durch
freundliche Einwirkung auf andere Eigen thümer solcher Sachen, oder wie
es sonst sein kann. Unsere nächste, vorbereitende Aufgabe muß sein, eine
Uebersicht über das bei uns noch vorhandene Material zu gewinnen.
Darum beehren wir uns, Sie zu ersuchen, uns zunächst nur darüber ge-
fällige Mittheilung machen zu wollen, ob und wo solches Material Direr
Kenntniß nach etwa noch vorhanden ist, und an wen wir uns deßwegen
weiter zu wenden haben würden. — Alle auf den Inhalt dieses Aufrufes
bezüglichen Anschreiben bitten wir an den mitunterzeichneten Professor
Dr. C. Lohmeyer (Königsberg in Pr., Königstraße 6/7) richten zu wollen.
Dr. Albrecht, Gewerbeschuldirektor a. D., Vorsteher des Gewerbl. Centrai-
vereins f. Ostpr. Dr. Anger, Kgl. Gymnasialdirektor, Vorsitzender d. Graudenzer
Alterthumsgesellsch., Graudenz. Biel!, Ehrenmitglied der Altert humsgesel lach,
Prussia, Gr. Lichterfelde bei Berlin. Dr. Bujack, Gymnasialoberlehrer, Vor-
sitzender der Alterthumsgeselisch. Prussia. Dr. Carus, Erster General-
Superintendent d. Prov. Ost- u. Westpr. Dr. G. Dehio, Prof. d. Kunstgesch.
an d. Universität. Graf A. Dönhoff, Friedrichstein. Graf zu Dohna,
Schlodien. Dorgerloh-Oommusin, z. Z. Berlin. Graf, Stadtrath. v. Grammatzki,
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Mittheilungen und Anhang.
Landesdirektor der Prov. Ostpr. Heydeck, Prof. an der Kunstakademie.
Dr. F. Hipler, Prof. der Theol. und Regens des Priesterseminars,
Braunsberg. Dr. Gustav Hirschfeld, Prof. d. Archäologie an d. Universität.
Höpker, Oberpräsidialrath. Hoffmann, Zweiter Bürgermeister, Juneck,
Kaiserl. Bankdirektor. Dr. C. Lohmeyer, Prot. d. Geschichte an d.
Universität. Prof. Dr. L. Prowe, Vorsitzender des Copernicus-Vereins
f. Wissensch, u. Kunst, Thorn. Selke, Oberbürgermeister. Thomale, Ober-
bürgermeister, Elbing. Dr. Otto Tischler, Direktor des archäolog. Provinzial-
museums der PhyBikal.-ökon. Gesellsch. Dr. M. Toppen, Direktor des Kgl.
Gymnasiums, Elhing.
Die oben genannten Abtheilungen umfassen : Haupt abtheilungen. I. Heid-
nische Zeit. II. Ordeuszeit. III. Neuzeit (bis zu den Befreiungskriegen).
Fachabtheilungen. 1. Möbel (besonders auch kirchliche). 2. Gottesdienstliche
Geräthe, Gefäße und Gewänder. 3. Profane Gefäße aus Thon, Glas,
Porzellan etc. 4. Kostüme, Kostümbilder und kostümgeschichtlich interessante
Porträts; sonstige Werke der Textilindustrie. 5. Waffen und Rüstungen.
6. Arbeiten aus Edelmetall ; Schmuck, Uhren, Dosen, Schnitzereien etc.
7. Bernstein. 8. Gröbere Holz- und Metallarbeiten für häusliche und ge-
werbliche Zwecke. 9. Veranschaulichung der topographischen Entwickelung
der preußischen Städte. 10. Die preußischen Architekturdenkmäler in Auf-
nahmen, Photographien, Modellen. 11. Skulpturen und Abbildungen von
solchen. 12. Gemälde und andere bildliche Darstellungen kulturhistorisch
wichtiger Gebräuche und Scenen. 13. Historische Porträts. U.Flugblätter;
Abbildungen von historisch merkwürdigen Ereignissen, Festen etc.; Karri-
katuren. 15. Münzen und Medaillen. 16. Urkunden ; Siegel und Siegel-
stempel. 17. Handschriften; Drucke; Büchereinbände. 18. Landkarten,
Globen ; astronomische und geometrische Instrumente. 19. Musikinstrumente.
20. Spiele. 21. Maße und Gewichte. 22. Gilden und Gewerke. 23. Akade-
mische Erinnerungen.
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ersten Mal veröffentlicht: in Cab. 1 M., in Quart 6M. — 5 Photographieen
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Tafl
Vorderseite
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41
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Vorärrseäe
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Das Volksschulwesen in Preussen und Litthauen
unter Friedrich Wilhelm I.
von
Dr. Adolf Kell.
Zweiter Hauptteil: Die Hauptperiode von 1732—1739.
Allem Anschein nach mußte man jetzt glauben, daß unser
Preußenland gleichsam dazu bestimmt war, in der Unwissenheit
und Barbarei zu verbleiben. Aber der eiserne Landesvater ließ
den Mut nicht sinken ; unermüdlich und mit größtem Nachdruck
unternahm er von neuem die Kettung des Landes und setzte
deshalb unter dem 8. Dezember 1732 eine neue Commission ein,
welcher in einer Instruction von demselben Datum die Regulie-
rung der externa und interna des Kirchen- und Schulwesens
aufgetragen wurde. Dieselbe bestand aus dem hiesigen Etats-
minister v. Kunheim, dem Ravensbergischen Oberappellations-
gerichts-, Hof- und Criminalrat v. Sonnentag und Prof. Dr. Franz
Albert Schulz *), der nach dem Tode von Wolff und Rogall, aus
Pommern nach Königsberg berufen, seit dem 6. October 1733 ihr
zugesellt war.
L Die Feststellung des generellen Projekts, der principia regulativa,
vom 8. Dezember 1732 bis I. August 1736.
Um ihre Aufgabe lösen zu können, sollte die neu ernannte
Commission die frühern Acten durchgehen, die schon gemachten
1) Nachrichten von dem Charakter rechtschaffener Prediger und
Diaconen, Trescho. Briefe über die neueste Literatur. I. Bd. p. 1%.
Altpr. MouuUHclirilt B*L XXI II. Hfl. Ü u. 4. 13
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Das Yolkssrlmlwesen im Königreich PrtMiBen et<\
und approbierten Vorschläge prüfen, mit der Cammer, Regierung
und dem Consistorium sich zusammenthun und nach geraein-
samer Überlegung ohne Verzug in die Ämter reisen, um mit
den Geistlichen und Beamten unter Zuziehung des Pfarrers
Engel festzustellen, wieviel Kirchen und Schulen noch fehlen,
wieviel Prediger und Schulmeister noch anzustellen, und wie
der nötige Unterhalt für dieselben zu beschaffen sei; sodann, da
zur Erbauung der Schulen auf den Beitrag der begüterten
Kirchen zu rechnen wäre, müsse sie auch sorgen, „daß die
Kirchenrechnungen jährlich abgelegt und berichtigt werden".
Der König versprach in der Instruction Bau- und Brennholz
geben zu wollen. Die Eingewidmeten sollten das festgesetzte
Schulgeld entrichten ; bei zu großer Armut müßte es den Lehrern
aus Kirchenmitteln ersetzt werden. Endlich nahm die Instru-
ction noch Bezug auf die Bestallung tüchtiger Lehrer, die in
jedem Falle von dem königl. Gutachten abhängen sollte.
Gleichzeitig rescribierte der König an die Kriegs- und
Domänen- Cammer und Regierung: „Den neuen Commissarien
ohnweigerlich mit Rat und That an die Hand zu gehen, ihre
Einrichtung zu befördern und, was sonst zur Erlangung bei
solchem Werk nötig wäre, beizutragen".
Ganz natürlich musste diese Commission Bedenken tragen,
das schwere Werk zu übernehmen, angesichts der großen
Hindernisse, die jedem, der hieran arbeitete, durch den Zustand
des Landes und durch den Character seiner Bewohner, besonders
der leitenden Männer, in den Weg gelegt worden waren. So
weigerte sich Sonnentag ernstlich, nachdem er die Acten durch-
gelesen, nach Preußen zu reisen, und mußte schließlich vom
„officio fisci" dazu durch Ordro gezwungen werden. Auch
Schulz, der erfahren hatte, wie es Lysius ergangen war, machte
Vorstellungen bei Kunheim.
Da aber des Königs unbeugsamer Wille an seinen Be-
schlüssen nichts ändern ließ, gingen endlich diese Männer an
die Arbeit, nachdem Sonnentag Mitte September 1733 in Königs-
berg angekommen war.
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Von Dr. Adolf Keil.
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Das Erste, was sie jetzt thun konnten und auch wirklich
thaten, war der Entwurf eines neuen Projekts; denn es handelte
sich hauptsächlichst um die wichtige Aufgabe, ein festes, allge-
mein durchführbares Fundament für den Schulenaufbau und
Unterhalt der Schulen und Lehrer zu finden.
Die leichtere Aufgabe, die Feststellung des Schulunterrichts,
war in der vorigen Periode gelöst. Damit die Commission alles
genau und practicabel fasse, wollte sie zuerst nur in einem
kleinen District den Versuch machen; dann die hier gemachten
Erfahrungen benutzen, um ein auch für grössere Districte, zuletzt
für das ganze Land anwendbares und bequem durchfuhrbares
Projekt entwerfen zu können.
Darum wurde die Cammer und Regierung ersucht, die ge-
samten Beamten des Amtes Schaaken und den Erzpriester
Busolt nebst allen Predigern des Amtes nach Königsberg zu
berufen. Sofort ergingen an dieselben die ausdrücklichen Be-
fehle, von Allem, bei der Einrichtung des Kirchen- und Schul-
wesens Nötigen, genaue Nachrichten einzuziehen und schriftlich
zu überbringen:
1. Wieviel Kinder und Hufen jedes Dorf hätte/
2 wie weit es von der Kirche und den andern Nachbar-
dörfern entlegen sei, — um dann gründlich überlegen zu können,
wo Schulen anzulegen wären, —
3. wie viel der Bau jeder Schule und der notdürftige
Unterhalt der Schulmeister erfordere,
4. woher alles zu nehmen sei und
5. wieviel mit Conservation der Unterthanen jeder dazu an
Geld und Getreide beitragen könne.
Mit diesen Nachrichten fanden sich am 17. November 1733
Beamte und Geistliche bei Kunheim ein. Das auf Grund dieser
Angaben in gemeinsamer Überlegung festgesetzte Projekt wurde
den Einzelnen nach Hause mitgegeben, damit sie alles nochmals
in loco prüfen, die etwaigen Zweifel erwägen und dann völlig
ausgearbeitet und begutachtet zurücksenden. Sehr bald erhielt
die Commission diesen Entwurf als durchaus zufriedenstellend
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Das Vulksschulwesen im Königreich PreiiBen etc.
und durchfuhrbar anerkannt zurück, so daß sie schon unter dem
27. November dem Könige ihr neues, im Amt Schaaken von den
Geistlichen und Beamten als practicabel befundenes Projekt,
übergeben konnte.
Was enthielt dieses neue Projekt?
Es sprach sich gegen die Absicht aus, jeder noch fehlenden
Landschule 1/i Hube zuzuweisen und das wöchentliche Schul-
geld, 2 polnische Groschen pro Kind, weiter einziehen zu lassen.
Denn fürs erste würde der Schulmeister mehr zum Bauer, als
zum Lehrer gemacht werden; zum andern sei das Schulgeld zu
hoch, so daß von den Bauers- und Arbeitsleuten fast Niemand
imstande sein würde, 3, 4 oder mehr Kinder zugleich zur Schule
zu schicken. Dagegen um die Anlegung neuer Schulen leicht
und möglich und die Unterhaltung der Lehrer erträglich zu
machen, wurde die Einrichtung einer Schulkasse bei jeder Dorf-
kirche proponiert, und damit im Amt Schaaken der Anfang ge-
macht. In diese Schulkasse zahlen sowohl die Besitzenden wie
das Gesinde ihren Beitrag, es mag der Betreffende viele, wenige
oder gar keine Kinder haben, und zwar giebt:
ein Amtshauptmann 4 fl.
der Cöllmer 2 — 3 „
der gutsituierte Bauer 15 pr. Gr. — 2 fl. und 1 Sch. Korn
Instleute und Gärtner 5 „ — 1 fl.
Knechte 8 „ und l/t Sch. Korn
und Mägde 1 Gr. — 6 Pfennig.
An Orten, wo die Leute ärmer sind, kann der Beitrag ge-
ringer gesetzt werden. Aus diesem Fonds ist nach einem ge-
wissen Überschlag nicht allein ein beständiger Unterhalt für alle
neu anzustellenden Schulmeister zu entnehmen, sondern es
können auch die Kosten für den Bau der Schulgebäude allmählich
daraus gedeckt werden. Man war nämlich in dem Projekt
dahin schlüssig geworden, daß die bemittelten Kirchen das Geld
zum Bau vorschießen sollten, welches sodann aus der Schulkasse
allmählich zurückerstattet wird. Das Anfahren des Bauholzes be-
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Von Dr. Adolf Keil.
189
sorgen die adligen und cöllmischen Unterthanen, während die
zur Schule geschlagenen Dorfschaften die Handdienste leisten.
Die Subsistenz der Lehrer endlich wurde dahin geregelt,
daß jedem Lehrer ein gewisses Fixum an Geld aus der Schul-
kasse, ein noch zu bestimmender Satz des Schulgeldes, freies
Bronnholz, etwa 20 Fuder Sprock, und eine kleine Calende,
bestehend aus einigen Scheffeln Getreide und circa 4 Schock
Stroh für seine Kühe, zugewiesen wurde. Dazu sollten „die
Schulmeister, die kein Handwerk treiben, von allen Abgaben
frei sein, wer aber seine Profession exerciret, hat Schutzgeld zu
geben".
Auf diese "Weise glaubte man ermöglicht zu haben, daß
alle Leute, auch die ärmsten und mit vielen Kindern gesegneten,
für einen geringen Beitrag zu gleicher Zeit ihre Kinder zur
Schule schicken konnten. Noch ein weiterer Fortschritt ward
hier gemacht, indem der von altersher bestehende Hauptfehler
der Landschulen, daß sie nur im Winter gehalten wurden, be-
seitigt und der Schulunterricht auch auf die Sommerzeit ausge-
dehnt wurde. Ja, nach dem Projekt hegte man sogar die Hoff-
nung, daß nicht allein die kleinen Kinder regelmäßig die Schule
besuchen würden, sondern auch die größern, selbst Knechte
und Mägde, da sie ja Schulgeld bezahlen, wenigstens im "Winter
zur Erlernung des Catechismus sich angetrieben fühlen würden.
Auf dieses neue Projekt, das die Commission samt den
Tabellen von der Anzahl der Besitzenden und Dienenden und
dem Situationsplan von allen 9 Kirchspielen des Amtes Schaaken
zur Prüfung an den König eingesandt hatte, erhielt sie unter
dem 3. Januar 1734 als Bescheid, daß „es zwar gründlich und
wohl abgefasset ist, . . . aber es finden sich noch dubia, welche
Ihr gehörig erwägen und uns euer Gutachten darüber eröffnen
könnt". Dieses waren folgende wichtige Fragen:
1. "Wieviel ein Schulmeister an Gehalt haben sollte und
ob alle im ganzen Lande gleich sein sollten;
2. wer die Sorge und Rechnung für die Schulkasse über-
nehme;
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Das Volksschulwusen im Königreich Preußen etc.
3. ob eine allgemeine Schulkasse im ganzen Lande ange-
legt werden, oder ob jegliches Kirchspiel eine eigene Kasse
errichten sollte, und
4. wie es mit dem Lohn der Dienenden stehe.
Am 23. Januar beantworteten Sonnentag und Kunheim
diese Fragen dahin:
ad 1) daß ein Schulmeister unter 15 — 20 Thaler Geld und
circa 20 Scheffel Getreide samt seiner Familie nicht bestehen
könne,
ad 2) daß die Schulkasse durch die Vorsteher einer jeden
Kirche verwaltet werden sollte. Die haben das Geld beizu-
treiben und in allen Stücken wie mit der Decemseinnahme dabei
zu verfahren. Darum ist der neue Schuldecem auch zwischen
Michaelis und Martini einzuziehen, weil das Dienstjahr von
Martini bis Martini geht, und die Dienstleute jahrweise ihren
Lohn erhalten; die zu fuhrenden Rechnungen seien jährlich den
Amtshauptleuten vorzulegen.
ad 3) daß jedes Kirchspiel seine eigene Schulkasse haben
müsse; denn eine allgemeine Schulkasse einzurichten würde
große Schwierigkeiten machen,
ad 4) daß der Lohn nicht tiberall gleich sei.
Der König prüfte das Projekt, und weil es hauptsachlich
auf den Beitrag der Unterthanen ankam, so resolvierte er im
Februar, daß die Commission mit der Cammer zusammen end-
giltig beschließe, „wie es mit dem Beitrag zur Erbauung der
nötigen Schulen und zur Salarierung der Schulmeister zu halten
sei". Den 5. März unterbreitete die Commission der Cammer
das Projekt über den an die Schulkasse zu zahlenden Beitrag,
den Kostenanschlag und Abriß eines Schulgebäudes und den
Entwurf des Planes vom Amt Schaaken, wo und wieviel Schulen
anzulegen seien, und wie der Unterhalt der anzustellenden Schul-
meister beschafft werden könne, zur Prüfung und Begutachtung.
Doch erst nach 3 Monaten, den 24. Juni, teilte die Cammer
der Commission ihr Urteil hierüber mit. Sie hielt den Plan
des Beitrages zur Schulkasse keineswegs für „applicable und
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Von Dr. Adolf Keil.
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durchführbar", da bei den adligen und köllinischen Unterthanen
seit Einführung des Generalhubenschosses und bei den königl.
Bauern durch die Domänenkommission das Einkommen so regulirt
wäre, daß nach Abzug aller praestanda vom Ertrag des übor-
gebenen Landes nur soviel übrig bliebe, daß die Leute leben
können. Der Beitrag für die Schulkasso ist ihr durchschnittlich
zu hoch angeschlagen, da ein Bauer von 3—4 Hufen alles in
allem über 2 Thaler zahlen müsse; das Schulkassengeld erschien
ihr somit als ein neuer Kopfschoß, der dem ganzen Lande eine
Abgabe von über 100000 Thaler auferlegte. Auch war sie
gegen eine im ganzen Lande gleichmäßige materielle Ausstattung
der Landschulen; vielmehr erschien es ihr praktischer und er-
träglicher zu sein, je nach der Beschaffenheit des Amtes ent-
weder baares Geld oder etwas Getreide, Victualien und der-
gleichen andere Aequivalente dem Schulmeister reichen zu lassen.
Ja sie wollte von diesem Projekt überhaupt nichts wissen,
sondern entschied sich teils für dasjenige von Wolff und Bogall,
teils für die Ortelsburgische Einrichtung und die Vorschläge
des Erzpriesters zu Fischhausen , was doch alles eins dem
andern contrair war, und wollte darnach die Einrichtung des
Schulwesens gefaßt wissen. Kurz die Cammer fand das Projekt
in allen Punkten höchst nachteilig für das Land.
Infolge dieses wegwerfenden Urteils forderte Kunheira die
Originaltabellen von der Einrichtung des Schulwesens im Amt
Schaaken zurück. Obwohl inzwischen die Coramission durch
nebensächliche Begulierungen von Kirchen- und Schulsachen,
wie wegen der Calende, welche die Bauern der Dorfschaften
Gr. und Kl. Berschkullen dem Präzentor zu Gerwischkehmen
entzogen hatte, in ihrem Wirken behindert wurde, suchte sie
zuerst schriftlich die von der Cammer gemachten Einwürfe
Punkt für Punkt als unerheblich nachzuweisen. Als dieses den
erwünschten Erfolg nicht hatte, ging sie auf den Vorschlag ein,
eine Conferenz hierüber zu halten, und trotzdem die größte Eile
hierin nötig war, da der König die Einrichtung des Schul-
wesens energisch forderte, verschob die Cammer, bei der nur
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11)2 Das Yolkssohuhveson im Königreich Preußen otc.
das Bestreben herrsclite, jeden Fortschritt der Commission un-
möglich zu machen, den Termin zur Conferenz bis auf den
6. August. Auch trotz der Conferenz, in der die Commission
ihr Projekt pro et contra ventilierte, verblieb die Cammer bei
ihrer oben dargelegten Meinung.
Nun blieb nur das als einziger Weg übrig, dem Könige
die Entscheidung hierin zu überlassen. Damit die Commission
ihre Pläne und Gegenbeweise durch Thatsachen recht fest stütze,
ließ Kunheim sofort durch Sonnentag nochmals eine Unter-
suchung in den beiden Kirchspielen des Schaakenschen Amtes,
Kaymen und Wargen, abhalten und hierbei besonders genau der
Kammer Ansichten berücksichtigen. Das Ergebnis dieser zweiten
Lokaluntersuchung, ferner das neue Projekt der Commission,
die verschiedenen Pläne und Protokolle aus den Ämtern Schaaken,
Fischhausen und Orteisburg, auch ein Votum über die Ansichten
der Cammer, schickte Kunheim nach Berlin ab. Speciell in
dem Votum beleuchtete die Schulcommission gründlich Punkt
für Punkt die Einwürfe und Ansichten der Cammer und wies
schlagend nach, daß das Schulwesen nach Vorschlag der Cammer
„nie in eine gehörige, beständige und ersprießliche Verfassung
zu setzen", möglich sein könne.
Während dieser Verhandlungen wurde die Aufmerksamkeit
der Commission wiederholentlich auf Litthauen gerichtet; denn
die dortigen Geistlichen und Beamten hatten den König um
die Einrichtung von Schulen gebeten. Infolge dessen erging im
August an die Commission das königl. Rescript „vor allen
Dingen nach Litthauen zu gehen und die Einrichtung an den-
jenigen Orten, wo Salzburger angesetzet sind, zu machen, damit
es derselben Kinder an dem nötigen Unterricht im Christentum
nicht fehlen möge".
Allein die Schulcommission konnte unter den gegenwärtigen
Verhältnissen nichts weiteres unternehmen, da der Ausgang aller
bisherigen Unterhandlungen mit der Cammer absolut frucht-
los war.
Um sich bei dem Könige zu rechtfertigen und keinen Un-
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Von Dr. Adolf Keil.
193
willen ihres Benehmens wegen zu erregen, ließ die Cammer im
Stillen eine anderweitige Lokaluntersuchung im Schaakenschen
Amte, in den Kirchspielen Rudau und Kaymen, durch die Räte
Stolterfoht und Waga abhalten und entwarf auf Grund derselben
ein anderes Projekt, das sie hinter dem Rücken der Commission,
die noch immer eine Verständigung mit ihr erstrebte, am
19. August nach Hofe abschickte. Dadurch wurde die ganze
Sache nur noch weitläuftiger und schwieriger gemacht.
In diesem Projekt .gestand sie zu, daß gemäß dem Vor-
schlage der Commission ein hinlängliches Salarium für jeden
Schulmeister ausgemacht werden müsse, und zwar sind dazu 100 fl.
oder 33 Thaler 8 g. Gr. jährlich nötig — wenn auch nicht an
allen Stellen — , dazu freie Wohnung, ein Garten und Weide
für etwas Vieh; doch erklärte sie sich gegen die Einrichtung
einer Generalschulkasse. Wie wollte nun die Cammer die
Cardinalfrage über die Beschaffung des Unterhalts der Lehrer
und der Baukosten lösen?
Der Hauptbestandteil des Unterhaltes sollte erstlich das
Schulgeld sein. Dazu teilte sie die Eltern der schulpflichtigen
Kinder in 3 Klassen. Die Leute der I. Klasse, zu der Amts-
hauptleute, Cöllmer, Freie, Hofleute, Müller, Kammerknechte und
Kaufgärtner gehörten, hatten wöchentlich pro Kind 1 poln. Gr. zu
zahlen. Die II. Klasse, welche Bauern und Fischer umfaßte,
giebt 2 Pf., und alle übrigen, die der HI. Klasse angehörten,
wöchentlich 1 Pf. pro Kind. Wo das Schulgeld die Höhe von
100 fl. nicht erreichte, müßte noch die wüste halbe Hufe dem
Lehrer zugewiesen werden. Wo aber nun solche nicht vor-
handen wäre, müßten die betreffenden Dörfer eine Calende ent-
richten, die bis dato die Kirchschullehrer erhalten haben, und
zwar jeder Wirt circa V* Scheffel Getreide, und die königliche
Kasse hat noch "den Zins der halben Hufe, der im Samländischen
auf 7 Thaler angesetzt ist, hinzuzufügen. Den Bau des Schul-
hauses berechnete sie mit 36 Thaler, die aus den Kirchen-
mitteln zu entnehmen sind.
Durch das Rescript vom 6. November approbierte der
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194 Das Volksachulwesen im Königreich Preußen etc.
Köllig dieses Schulprojekt und befahl der Commission „nach
solcher bereits zur Probe gebrauchten Methode weiter fortzu-
fahren, daß alles nach dem Zustande jedes Orts proportioniret
und eingerichtet werde . . ., auch möge einer aus der Cammer
Mitte, und zwar aus jedem Departement der bestallte Rath Euch
(Commission) zugeordnet, ... in jedem Amt die Sache best-
möglichst ausgearbeitet, ... an die dortige Regierung und
Cammer referiret und . . . anhero zur Confirmation eingesandt
werden". Am 20. Dezember hielt die Commission eine Be-
ratung über dieses Schulprojekt ab, das nach Angabe der Prediger
sehr oberflächlich mit absichtlicher Verkennung aller Unmöglich-
keiten einer Durchführung entworfen war. Die Haltlosigkeit
desselben besonders in der gravierenden Frage von der Be-
schaffung des Unterhalts für die Lehrer und dem Aufbau der
Schulen lag klar vor Augen; denn die wenigen bemittelten
Kirchen konnten unmöglich die Baugelder und den zum Lehrer-
gehalt noch überall notwendigen Zuschuß reichen; außerdem
waren, um eine recht hohe Einnahme des Schulgeldes zu er-
zielen, zum mindesten 4 Dörfer zu einer Schule geschlagen, so
daß eine Lehrkraft für die große Zahl der Kinder, die durch-
weg über 100 betrug, keineswegs hinreichte. Um der Cammer
die Schwäche ihres Projektes schlagend zu beweisen, und zu-
gleich die Königl. Instruction zu erfüllen, ersuchte die Com-
mission die Cammer, den Rat vom Amt Schaaken zu beauftragen,
sich mit der Commission zur Regulierung der Schulen nach dem
approbierten Projekt in loco zu vereinigen, damit mit Zuziehung
der Interessenten die Probe gemacht werde, um dann an andern
Orten darnach weiter regulieren zu können. Gleich in den
folgenden Tagen erklärte die Cammer, daß sie dem Departements-
Rat Stolterfoth dies aufgetragen habe. Indessen verlief das
Jahr 1734, und auf abermaliges Ersuchen am 22. Januar 1735
antwortete Stolterfoth am 28. Januar, daß er der Schulcommission
keinen gewissen Termin zur Localuntersuchung des Schulwesens
im Amt bestimmen könne, da er bis zum 8. Februar in seinem
Amtsbezirk dienstlich beschäftigt sei. Auch die wiederholte
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Von Dr. Adolf Keil.
195
Bitte der Commission, die Cammer möge Stolterfoth von seinen
Departements-Geschäften dispensieren, bis das Schulwesen im
Amt reguliert sei, blieb unbeantwortet und ohne Erfolg. Endlich
schrieb Stolterfoth dem Sonnentag, daß er sich zur Schulcom-
mission auf den 18. Februar bereit halte. Am 19. Februar
erging dann an die Prediger der Amter Schaaken und Fisch-
hausen der Befehl, sich zur Localschuleinrichtung fertig zu
halten und eine accurate Specification der sämmtlichen Wirte
und Kinder von 5—12 Jahren in ihren Kirchspielen zu ent-
werfen. Ebenso rescribierte die Cammer an den Landvogt zu
Schaaken, auch die adligen Einsassen aufzufordern, sich vor
die Schulcommission auf deren Requisition zu gestellen.
Am 18. Februar 1735 wurde also mit Zuziehung der
Pfarrer und Beamten des ganzen Amtes im Rudauschen Kirch-
spiel der Anfang gemacht, und folgende Punkte als principia
regulativa bis zur Approbation des Königs festgesetzt:
1. Jedem neu anzusetzenden Schulmeister ist ein Stückchen
Land zum Garten, ohngefahr 2—3 Ruthen ins Quadrat, wo-
möglich hinter seinem Hause anzuweisen.
2. Da die neuen Schulen unmöglich in einem Jahr erbaut
werden können wegen des schlechten "Winters, der Entlegenheit
der königl. Haiden, der Anfuhr des Holzes, sollten den neuen
Schulmeistern an den Orten, wo Schulen eingerichtet werden,
ad interim gewisse brauchbare Wohnungen angewiesen werden.
3. Von Grund-, Inst-, Kopf- und Horn-Schoß mögen die
neu anzusetzenden Schulmeister frei sein ; bei denjenigen Schul-
meistern, welche in dem Pachtertrag als Contribuenten aufge-
fuhret sind, hängt es vom Könige ab, ob sie nicht bei künftigem
Anschlag der Amter aus dem Ertrage zu lassen seien, so daß
also durchgehends allen Schulmeistern diese Immunität zu teil
werde.
4. Der Schulmeister soll für 2 Kühe, 2 Schweine oder
2 Schafe freie Weide haben, doch muß er des Hütens wegen sich
mit der Gemeinde und den Hirten jedes Orts abfinden.
5. An Brennholz sind für jeden Schulmeister 20 Fuder
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19Ü Das Volksschulwescn im Königreich Preußen etc.
Sprock- oder Lagerholz nötig. Die Anfuhr desselben ist gemein-
schaftlich von den zur Schule gewidmeten Dorfschaften, die An-
gespann haben, zu besorgen.
6. Als Salarium muß der Schulmeister 100 fl. oder 33 Thlr.
8 g. Gr. jährlioh haben.
7. Das Schulgeld ist durch die Beamten in 2 Terminen,
Lichtmess und Martini, beizutreiben, welche es dann den Pre-
digern, und diese den Schulmeistern zu bezahlen haben, wobei
jene diese jedes Mal ihrer Pflicht zu erinnern nicht ermangeln
sollen.
8. Alle Jahre müssen die Schulmeister eine accurate Speci-
fication vom Ab- und Zugang der Kinder fertigen, dieselbe den
Predigern, und diese nach gehöriger Revision den Beamten zu-
stellen. Dies soll beim Ausgang des Jahres oder auch alle halbe
Jahr sein, wie es Ort und Umstände erfordern; dadurch werden
die Einsassen aufgemuntert, die Kinder sowohl fleißig zur Schule
zu halten, als auch das dafür fallende Schulgeld willig zu be-
zahlen.
9. Für die Sicherheit des einzunehmenden Schulgeldes,
damit es von den Einsassen bezahlt werde, ist es unumgänglich
nötig, daß die Beamten durch das ganze Land für diesen Beitrag
haften; sonst würde die Etablierung der Schulen zwar ihren
Anfang, aber zugleich auch ihr Ende erreichen.
10. Die Schulen sollen Winter und Sommer gehalten
werden ; daher müssen die Eltern das Schulgeld für ihre Kinder
bezahlen, sie mögen zur Schule gesandt werden oder nicht.
11. Zur Vermeidung aller Unordnung haben die Eltern,
deren Kinder in dem bereits angetretenen Jahre abgehen oder
sterben, gleichwohl das Schulgeld auf das ganze, wenigstens für
das Viertel-Jahr zu entrichten.
12. Auch bei Mißwachs muß das Schulgeld bezahlt werden,
da der Beitrag so bemessen ist, daß die Einsassen ihn bei guten
und schlimmen Jahren ohne Beschwerde abführen können.
13. Kinder von 5—12 Jahr müssen beständig zur Schule
gehen; Kinder über 12 Jahr, auch wenn sie schon dienen,
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Von Dr. Adolf Keil.
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müssen nach Bequemlichkeit ihrer Wirte solange zur Schule
gehen, bis sie lesen können.
14. Für tüchtige Schulmeister haben die Prediger zu sorgen.
15. Für notorisch arme Kinder wird dem Schulmeister aus
den Kirchenmitteln der Abgang an Schulgeld ersetzt. Bei
Kirchen, die kein Vermögen haben, wird es die königl. Kasse
reichen lassen und auch für Bibeln und Bücher sorgen.
16. Die sogenannte große Calende, welche nach altein
Brauch darin besteht, daß jeder zum Kirchspiel gehörige Wirt
dem Schulmeister im Kirchdorf jährlich V*— V* Scheffel Gerste
giebt, möge ihm als Organisten auch fernerhin gelassen werden.
17. Die sogenannte kleine Calende, die in etwas Butter,
einer Fleischwurst, 7* Schweinskopf, einem Knoten Flachs und
dergl. Kleinigkeiten besteht, soll der Kirchschullehrer mit den
übrigen Schulmeistern teilen.
18. Beim Bau der Schulen sollen die Kirchen, bei denen
Mittel vorhanden sind, wenn sie dieselben entbehren können,
zur Erbauung der Schulen mit herangezogen werden. So können
die im Hauptamt Schaaken und Fischnausen fehlenden Schulen
aus dem jährlichen Überschuß der Kirchenmittel successive füg-
lich ohne die Capitalia anzugreifen erbaut werden.
19. Nach Überlegung mit sämmtlichen Geistlichen und
Beamten sind in den 9 zum Hauptamt Schaaken gehörigen
Kirchspielen 39 Schulen festgesetzt, von denen 14 vorhanden,
25 aber, und zwar 18 königl. und 7 adlige, noch zu erbauen
sind. Die zur Einrichtung obiger 18 Schulen erforderlichen
655 Thaler können aus den Mitteln der Kirchen zu Caymen —
die ein Vermögen von 8000 Thaler hat 322 Thaler
zu Wargen 144 „
zu St. Lorentz 111 „
und zu Pobethen 74 „
655 Thaler
genommen werden.
Bei dieser Localuntersuchung, welche den 6. April beendigt
war, zeigte sich nun klar, wie wenig practicable das Projekt der
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Das Volkftschulweaen im Königreich Preußen etc.
Cammer war, denn an allen Orten stellte sich heraus, daß das
festgesetzte Lehrergehalt 100 fl. nach der Cammer Intention
weder durch das Schulgeld noch durch die Calende zusammen-
gebracht werden könne, daß vielmehr enorme Zuschüsse von der
königl. Kasse, besonders von den Kirchen, außer den Baugeldern,
erforderlich waren. So stellte sich heraus, daß die 4 bemittelten
Kirchen des Amtes Schaaken an Baugeld (355 Thaler und zum
Unterhalt der Schulmeister jährlich vom Kirchendecem 154 Thaler
30 Gr. 12 Pf. geben sollten, während die Einsassen zum Unter-
halt der Schulmeister 863 Thaler 32 Gr. 15 Pf. jährlich bei-
trugen. Ähnlich war das Resultat im Amt Fischhausen, wo
28 Schulen festgesetzt wurden, von denen 16 zu erbauen waren.
Dadurch wäre die finanzielle Lage der Kirchen vollständig
ruiniert worden, und die Schule hätte doch keinen Bestand ge-
habt; denn die Einrichtung fundierte sich größtenteils auf
kirchliche Gelder. Diesen Mißerfolg sah die Cammer gleich
voraus und zögerte wohl deshalb solange mit der Untersuchung.
Am 27. April fand eine Conferenz statt, und in dieser
wurde die in den Ämtern Schaaken und Fischhausen aufge-
nommene Schuleinrichtung vorgetragen. Commission wie Cammer
waren darin einig:
1. daß der Schulmeister, auch wenn er Handwerker sei,
dennoch 100 fl. haben müsse,
2. daß in Ermangelung des Landes eine Entschädigung aus
der königl. Kasse zu zahlen sei, und
3. daß die Kassen der Kirchen in dieser Weise nicht an-
gegriffen werden können.
Ebenso wie die Commission, konnten sich auch die Erzpriester
und Prediger beider Ämter mit der Localschuleinrichtung nicht
zufrieden geben und einstimmig gaben sie ihr Votum dahin ab :
1. daß die von der Commission festgesetzten Schulen zu
wenig sind, da zu viel Kinder zu einer Schule gehen, und der
Weg zu sämmtlichen zu weit,
2. daß die Lehrer mit der festgesetzten Subsistenz kaum
kümmerlich leben können,
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Von Dr. Adolf Keil. 199
3. auch das Schulgeld nicht immer richtig gezahlt werde,
4. daß die Kirchen die jahrliche Last nicht zu tragen ver-
mögen,
5. daß die Prediger mit der Einnahme des Schulgeldes
nicht belastet werden können.
Und mit mehr oder weniger crassen "Worten stimmen alle
darin überein, daß dies Projekt vollständig zu verwerfen sei.
Damit die Zeit nicht durch weitere Unterhandlungen mit
der Königsberger Cammer nutzlos verstreiche, faßte die Com-
mission in jener Conferenz am 25. April den Entschluß, mit
der litthauischen Cammer wegen des Schulwesens in Verbindung
zu treten. Sie berichtete deshalb an den König und schlug vor,
den Hofgerichtsrat Uhde zu autorisieren, ihm Diäten und freie
Vorspann zu bewilligen, damit er das Schulwesen in Litthauen
gemäß der Instruction vom 8. December 1732 reguliere. Als
der König hierzu seine Einwilligung gab, reisten Bülow — der
am 29. April 1734 der Schulcommission zugewiesen war — und
Schultz nach Gumbinnen und traten mit der damaligen lit-
thauischen Deputation in Conferenz. Während die Commission
mit der Königsberger Cammer viele Schwierigkeiten hatte, ging
hier alles gut von statten, so daß schon am 6. September defm
König das Projekt für die Localuntersuchung zugeschickt werden
konnte.
Hiernach sollte:
1. die Anzahl der Schulen so festgesetzt werden, daß die
zu jeder Schule gehörigen Dörfer nicht Über eine Viertelmeile,
höchstens eine halbe Meile von der Schule entlegen wären,
2. das zum Bau der neuen Schulen nötige Geld sollte aus
Kirchenmitteln entnommen werden, wenn die Kirchen etwas
entbehren könnten und übrig hätten; Bau- und Brennholz aus
den königl. Forsten; wo kein Holz vorhanden wäre, sollte aus
Feldsteinen gebaut werden. Die Fuhren hätten die Einge-
widmeten zu stellen.
3. die Inspicierung des Baues sollte den Predigern und
Beamten obliegen,
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Das Volksschnlwesen im Königreich Preuflen etc.
4. ferner sollte jedem Schulmeister bei seiner Wohnung
etwa ein halber Morgen als Garten gegeben werden, oder wo es
unmöglich sei, ein kleinerer Platz oder ein Äquivalent dafür,
5. auch sollten die in adligen und cöllmischen Dörfern neu
anzustellenden Schulmeister von Kopf- und Hornschoß und
Schutzgeld frei sein; dagegen die schon angesetzten, welche
dergl. Abgaben zahlen, mögen auch fernerhin dieselben entrichten,
wofür sie bei der Localuntersuchung entschädigt werden sollten.
6. die Subsistenz des Lehrers sollte bestehen aus frei
Brennholz, circa 24 Fuder Holz oder Torf oder einem Äquivalent
an Geld; ferner aus freier Weide für 2 Kühe, und 3 Schweine,
Calende und Schulgeld.
Diesen Entwurf hatte die Commission bei der Localunter-
suchung als Fundament zu nehmen und darnach an jedem Ort
zu bestimmen, wie viel baares Geld, Getreide und Victualien
nach der Cammertaxe zu liefern sein werden. An den Orten,
wo das festgesetzte Lehrergehalt, 29 Thaler, auf keine Weise
von den Eingewidmeten zusammengebracht werden könnte,
sollte auf einen Zuschuß aus der königl. Kasse gerechnet werden,
indem das an den Lehrergehältern fehlende Quantum vom Etats-
quanto der Ämter abgezogen und den einzelnen Lehrern zuge-
wiesen würde.
Dieses einmütige, erfolgreiche Handelu der litthauischen
Cammer mit der Schulcommission übte einen für das Schul-
wesen vorteilhaften Einfluss auch auf die Königsberger Cammer
aus. Die erste Wirkung war die, daß man in Berlin allmählich
immer mehr aufmerksam wurde auf das Treiben dieser Cammer.
So erfolgte am 17. October 1735, nachdem die Cammer mehrere
Monate hindurch das Schulwesen hatte liegen lassen und nur
einige Berichte an den König, in denen sie sich stets als die
fleißigste, sorgsamste Dienerin darstellte, abgefaßt, auch hie
und da zu einer Schule die Holzassignation erteilt hatte, durch
den Kronprinzen, der von seinem Vater die Direction der
preußischen Kirchen- und Schulcommission empfangen hatte,
der ausdrückliche Befehl, das Schulwesen zu befördern. Gleich
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Von Dr. Adolf Keil. 201
am Tage darauf wurde denn auch von der Cammer eine Con-
l'ercnz gehalten, und die zu Gumbinnen entworfenen Protocolle
und Projekte erwogen, um zuzusehen, wie weit der eine oder
andere Punkt auch hier angenommen, und durch welche Mittel
das "Werk beschleunigt werden könne.
Auch eine directe Beeinflussung ließ sich bei der Königs-
berger Cammer verspüren, denn sie kam jetzt davon ab, dem
Schulmeister l/t Hufe Acker zu geben; auch in betreff des
Schulgeldes hielt sie für nötig, damit der Lehrer beständig ein
festgesetztes Schulgeld habe, dasselbe nicht von allen Kindern,
sondern nur von zwei Drittel der consignierten Anzahl, und
zwar auch an den schlechtesten Orten 3 Gr. alle halbe Jahr
pro Kind, praenumerando einziehen zu lassen.
Am 24. October übersandte die Commission an den König
das litthauische Schulprojekt. Es waren danach im litthauischen
Departement 280 Schulen für nötig befunden, zu deren Er-
bauung der König um 7 000 Thaler, pro Schule also 25 Thaler,
und um freies Bauholz gebeten wurde. Außerdem sollte die
königl. Casse zur Unterhaltung der neuen Lehrer jährlich noch
3 360 Thaler hergeben.
Infolge dieses Projektes fragte die Cammer den König an,
aus welchem Fonds diese Gelder hergenommen werden sollen,
da aus dem ordinären Etat nichts dazu verwandt werden könne;
ferner, ob sie die notwendigen Ordres des Bau- und Brennholzes
wegen ausfertigen soll und ob die Schulen im deutschen De-
partement in derselben "Weise einzurichten wären. Hierauf
rescribierte der König im November an die Commission und
Cammer,
1) daß die Schulen, wo Kirchenmittel vorhanden, daraus
zu erbauen sind; im andern Fall sollte nach gemachtem An-
schlag die deshalb notwendige Summe aus dem preussischen
Extraordinarium der 151 000 Thaler verabfolgt werden;
2) nochmals verhieß der König freies Bau- und Brennholz
aus den königlichen Forsten;
Altpr. MonatMohrlft BJ. XXIII. Hft. !J o. 4. H
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Das Volkiwohulwesen im Königreich Prentfen etr.
3) Freiheit der Lehrer von allen oneribus, wie in der
Churmark und den andern Provinzen, und
4) zur Besoldung sollte jeder Schulmeister etwas Acker,
"Wiesenwachs und Gartenplatz erhalten; im übrigen sollten wie
in der Mark Handwerker zu Lehrern angenommen werden, da-
mit sie sich etwas Geld daneben verdienen.
Dabei war das Jahr 1735 verlaufen, und noch immer hatte
man kein allgemein acceptiertes, praktisches Projekt. Die
Cammer hielt mit unbegreifbarer Zähigkeit an ihrem bisherigen
fest und ließ alle Erfahrungen inbezug auf seine Undurchführ-
barkeit unberücksichtigt. Nochmals gab die Commission nach
und erklärte sich bereit, eine neue Untersuchung und Regelung
der Schulangelegenheiten nach dem Project der Cammer unter
Berücksichtigung des litthauischen Entwurfes und der letzten
königlichen Vorschrift machen zu wollen. Es geschah dieses
endlich nach mehrfachem Drängen bei der Cammer im Amt
Brandenburg. Den 8. Februar begann hier die Localunter-
8uchung durch Sonnentag, die Departementsräte Manitius und
Tettau, mit Zuziehung der Geistlichen und Beamten. Am
17. März war man hiermit fertig. Das directe Resultat der
Arbeit war, erstlich, daß für die zu gründenden 21 Schulen in
diesem Amt die königl. Casse zu Baukosten 435 Thlr. 80 gr.
geben sollte, während die Kirchen mit 804 Thlr. 84 gr. dazu
concurrierten; zum andern, daß sie zum Unterhalt der Lehrer
noch 290 Thlr. 66 gr. jährlich zuschießen müßte.
So ward der Cammer wiederum bewiesen, daß die Unter-
haltung der Lehrer nicht den Wirten allein aufzuerlegen sei,
die Kinder zur Schule schicken, sondern wie es die Commission
immer verlangte, allen, so daß auch die, welche keine schul-
pflichtigen Kinder hätten, Getreide, Futter und dergl. liefern
müßten. Dann wäre die Unterhaltung der Lehrer keine
drückende Abgabe für Einzelne, und keine so schwere Last für
die Staatskasse.
Am 4. April 1736 trat die Commission zu einer Conferenz
zusammen, in der die Protocolle und Berichte aus dem Amt
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Von Dr. Adolf Keil.
203
Brandenburg vorgetragen und beraten wurden. Hier kam sie
zum Entschluß, daa es im Interesse der Kirchen und des Staates
am besten wäre, wenn der König eine freiwillige Collocte aus-
schreiben würde, ,, wonach die gesamten Kirchen im ganzen
Reich — die Kirchen im Königreich Preußen und Herzogtum
Litthauen ausgenommen, als welche ohnedem schon das Ihrige
hierzu beitragen — zum Aufbau der Landschulen im König-
reich Preußen von allen und jeden besitzenden Capitalien 2 pCt.
hergeben sollen." Am 15. April berichtete dann die Commission
an den König, daß erfahrungsmäßig mit dem Project der Cam-
mer nirgend etwas auszufuhren sei, wie es die Untersuchungs-
protocolle aus den Ämtern Brandenburg, Schaaken und Fisch-
hausen genügend beweisen, und schlug außer der obigen Collecte
noch vor, zur Beschaffung des Lehrergehaltes „alle Einsassen
ohne Ausnahme" zu einer jährlichen leidlichen Schulabgabe zu
verpflichten.
Jetzt ruhte wieder für eine Zeitlang die ganze Schul-
arbeit. — Da die Cammer in eine weitere Fortsetzung der
Untersuchuug in den deutschen Amtern durchaus nicht ein-
willigte, und auch dieses Jahr ähnlich wie die früheren unter
nutzlosen Schreibereien und erfolglosen Conferenzen dahinging,
bat die Commission den König, ein allgemein durchführbares
Schulproject festzustellen.
Diese Stunde der Entscheidung nahte, als am 22. Juni
der König der Commission mitteilte, daß er in Übereinstimmung
mit dem General-Ober-Finanz-Krieges- und Domänen-Directorium
resolviere: „alles bis zu seiner bevorstehenden Ankunft auszu-
setzen und inzwischen mit der Cammer und dem General-Finanz-
Kriegs- und Domänen-Directorium unter Görne reiflich zu er-
wägen, um dann den gemeinschaftlichen Vortrag halten und
die königl. Entschließung einholen zu können."
Görne, der eben in Preußen war, ließ sich nun die Acten
geben, ging alles in der Schulsache Verhandelte genau durch
und besprach sich auch oft mit Prof. Schulz, um gründlich in-
formiert zu sein.
U*
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Das YolksNcliulwtwm im Königreich Preußen etc.
Da kam der König im Juli nach Preußen, und in einer
dreitägigen Conferenz, vom 29. Juli bis 1. August wurde das
lang ersehnte, feste Fundament zum preußischen Volksschulen-
bau gelegt. Am 29. Juli ließ sich der König von Görne den
Vortrag halten und setzte zur Salarierung der Schulmeister ein
Capital von 50 000 Thaler aus, indem er zu den sub 18. No-
vember 1735 hierzu destinierten 40 000 Thaler noch 10000 hin-
zufügte mit der Bestimmung, daß „die daraus entstehende
revenue a 2 000 Thlr. vornehmlieh zur Salarirung derer Schul-
meister in Litthauen und denen polnischen Amtern, wo die
Bauern wegen Armut wenig oder nichts bey tragen können, an-
gewand werde, und Görne, Knnheim und Bülow haben darüber
eine richtige Reparation zu machen, nach welcher jeder Schul-
meister jahrlich 30 Thaler Tractament bekommet." Wegen der
Anlage dieses Capitals verfügte er weiter: „Die Regierung soll
für die Sicherheit des Capitals respondieren und kann solche
die 42 000 Thaler — weil Magistrat — d. i. der von Königs-
borg — die Interessen von 8 000 Thaler für das Truchsische
Haus übernehmen muß — bei ermangelung eines andern expe-
dientis an die hiesige (Königsberg'sche) sämmtliche Kaufmann-
schaft oder an einige der principallsten Kaufleute a 4 pCt. aus-
thun, so daß alle vor einen, und einer vor alle stehen, und muß
der Hofrat und advocatus fisci Wahrt den Punct der Caution
so ein jeder Kaufmann mit seinem Hause oder Speicher nach
Proportion der von diesem Capital aufnehmenden Summa, zu
machen hat, berichtigen."
In der Conferenz am folgenden Tage entwarf Görne mit
der Commission pro norma einer beständigen Einrichtung und
endgiltigen Regulierung des Schulwesens gewisse principia regu-
lative2), die wohl vorerst auf das litthauische Departement ge-
richtet waren, weil dessen Zustand am besten bekannt sein
2) Dieselben sind richtig verurteilt licht von Dr. Beruh. Schulz: „Die
Schulordnung für die Elementarschulen der Provinzen Ost- und WcstpreuBen.*
Danzig 1882.
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Von Dr. Adolf Keil.
205
durfte, aber in der weitem Ausarbeitung für das gesamte
Schulwesen Giltigkeit erlangen konnten und mußten, so daß
teils der Unterthan nicht beschweret, anderenteils auch der an-
zusetzende Schulmeister seinen notdürftigen Unterhalt haben
möge." Zur genauem Durchführung dieses Generalschulgesetzes
fügte Görne noch einige specielle Bestimmungen hinzu, welche
bei der Localuntersuchung beachtet werden sollten:
1. Inbetreff des Baues sollte der vom Landbaumeister Hum-
mius verfertigte Riß beibehalten werden, nach welchem eine ge-
raume Schulstube, zur Seite eine kleine Nebenstube, die beide
ein Ofen heizt, ingl. ein Cammerchen neben dem Hausflur und
dahinter ein Stall eingerichtet wurde. Die Unkosten für das
Schneiden der Bretter, für Fenster, Steine, Haspen an den
Thüren, Ofen und für alle Zimmer- und Maurerarbeit wurde
auf 15 Thaler festgesetzt.
2. Wegen des Beitrages zum Unterhalt der Lehrer wurde
bestimmt, daß das Getreide jährlich im October durch die Dorf-
schulzen zusammengebracht und dem Prediger abgeliefert, das
Schulgeld bei der Decemseinnahme bezahlt werden sollte, und
daß der betr. Prediger dann praenumerando jedem Schulmeister
auf V* Jahr das Seinige zu geben habe.
Am 31. Juli wurde der Entwurf dem Könige zur Appro-
bation vorgelegt. Der König approbierte und sanctionierte ihn.
Am 1. August wurden dann diese principia regulativa der Re-
gierung und der Schulcommission publicirt mit der Ordre,
„nachdrücklich zu arbeiten, daß das ganze Werk so bald möglich
zuerst in Litthauen und folglich auch im deutschen Departement
zu Stande kommen möge und das Nötige zur Execution dieser
Einrichtung mit dem General - Ober - Finanz - Krieges- und Do-
mänen-Directorium weiter zu besorgen."
So wurden durch die principia regulativa alle unangenehmen
erfolglosen Dispute zwischen der Commission und Cammer ent-
schieden. Nach manchen Hindernissen gelang es endlich in den
folgenden Jahren nach diesem Generalschulplan im ganzen König-
reich ein festes Fundament für das Volksschulwesen zu legen.
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Das Volksschuhvtvscn im Königreich Preußen utr.
II. Die Regulierung nach den principia regulativa von 1736—1738.
Endlich war die Zeit gekommen, in der die vollständige
Einrichtung der Schulen nach dem festgesetzten Schul plan im.
deutschen und litthauischen Departement geschehen konnte.
Zugleich wurde in beiden Districten das "Werk unter-
nommen. Unverzüglich begann die Arbeit in Litthauen, welche
der Hofgerichtsrat, späterer Generalfiskal Uhde und Prof. Schulz
leiteten.
Nachdem sich die Commission mit der dortigen Cammer
in Einverständnis gesetzt hatte, bat sie sub 21. August von
Gumbinnen aus den König, durch das General-Ob.-F.-Kr.- u.
Dom.-Director. die nötigen Ordres zur Beschleunigung der ganzon
Sache zu erlassen. Sogleich wurde dann die Localuntersuchung
auf Grund der princ. regul. vorgenommen. In ganz Litthauen
fand die Arbeit nicht die geringste Contradiction, vielmehr bei
allen nur die erwünschteste Unterstützung. Die Cammer, welche
der Commission keine Departementsräte zuerteilt hatte, beorderte
sofort die Beamten, überall in loco gegenwärtig zu sein, über
alles gewissenhafte Auskunft zu erteilen und in allen Stücken
Gehorsam zu leisten. Den 21. August reisten Uhde und Schulz
in das Amt Insterburg und machten hier die Einrichtung in
den Kirchspielen Salau, Aulowönen und Georgenburg. Von da
ging es im September in das Amt Memel. Wegen des heran-
rückenden Winters mußte die Arbeit ausgesetzt werden und
konnte erst gegen Ende April 1737 in den anderen Kirchspielen
des Amtes Insterburg und in den Ämtern Tilsit und Ragnit
vorgenommen werden. Im Mai wurde die völlige Regulierung
der Dorfschulen in allen 4 Hauptämtern Litthauens beendigt,
und die Zahl der Schulen auf 275 festgesetzt3).
Jetzt kam es noch auf die Vorbereitungen zum Bauen an.
Auch darin ging die litthauische Cammer mit rühmenswertem
Beispiel voran. Sie erteilte schnell die nötigen Holzassignationen
3) Die axisführlicheren Berichte über diese LitthauLsehe Localunter-
suchung fehlen bei den Acten.
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Voii Dr. Adolf Keil.
207
und beorderte auch nachdrücklich die Beamten, die betreffenden
Schulsocietäten zur Anfuhr des Bauholzes und zur Errichtung
der Gebäude anzuhalten. — Während die Dorfschaften das Holz
anrückten, stellte die Commission mit der litthauischen Cammer
das Quantum der Baukosten fest. Hierzu entwarf der Ober-
amtmanu Mühlpfort einen gründlichen Anschlag; derselbe wurde
schon bei der Untersuchung in Aulowönen und Georgenburg
geprüft, und es ergab sich darnach die Möglichkeit, ein Schul-
haus für 15 Thaler völlig auf- und auszubauen. Die Cammer
hatte an diesem Anschlag nichts zu ändern, und auch sämtliche
Beamte übernahmen dafür den Schulbau. Es wurden nun dio
Erzpriester aufgefordert, eine genaue Specification der in ihrem
Sprengel festgesetzten Schulen einzureichen, die Baukosten für
alle anzusetzen und nebst Quittung über die ganze Summe
schleunigst bei der Schulcommission zu Gumbinnen einzureichen,
welche dann durch die Cassenrendanten Fabricins und Tres-
covius das festgesetzte Baugeld auszahlen ließ.
Unter der Fürsorge der Cammer wurde der Bau im folgen-
den Jahr unternommen und reussirte so erfreulich, daß im Jahr
1739 die meisten Schulen völlig fertig dastanden, und der
Unterricht glücklich beginnen konnte.
Desto langsamer ging die Einrichtung im Königsberger
Departement vor sich. Die Schuld daran trug die Cammer zu
Königsberg.
Die Schulcommission, welche recht wohl wußte, daß ihr
und dem ganzen "Werk dio größten Hindernisse bevorstehen
werden, wenn die Cammer bei der Local Untersuchung beteiligt
ist, machte schon den Vorschlag, im Amt Brandenburg, wo die
Localuntersuchung vorher stattgefunden habe, dem Amtsverweser
und den Predigern, aufzutragen, die Subsistenz der Lehrer nach
den princ. regul. einzurichten; für die übrigen Amter wären nur
die Beamten und Geistlichen zu instruieren, nach dem festge-
setzten Schulplan unter Leitung des Sonnentag die Einrichtung
zu machen. Der Anfang könnte in den Ämtern Rastenburg
und Lützen gemacht werden. Als nun die Cammer im Outobcr
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Das Volkssrlmlwescii im Königreich Prt'ußon etc.
1736 ersucht wurde, die deshalb nötigen Ordres an diese Ämter
ausfertigen zu lassen, erklärte sie der Commission wider Ver-
muten, daß sie zur Assistenz wohl bereit sei; aber da alles in
loco ausfindig gemacht werden müßte, könnte sie nicht zugeben,
daß der Amtshauptmann oder Sonnentag allein die Einrichtung
machen, sondern es wären die Departementsräte dabei nötig,
und so hätte sie für die bevorstehende Untersuchung im Amt
Brandenburg den Räten Cupner und Aschersleben die nötige
Intruction erteilt. Die Schulcommission war auch hiermit zu-
frieden und wartete nun auf die Anwort, wann diese Arbeit
beginnen sollte, damit sich auch Sonnentag ihr unterziehen
könnte. — Doch darauf wartete sie vergeblich; denn die beiden
Räte waren in aller Stille in das Amt gefahren und machten
mit dem Amts Vorsteher ihre Einrichtungen.
Wie die eingelaufenen Protokolle bei der Revision er-
wiesen, war nun aber bei der Regelung der Subsistenzfrage der
Lehrer fast nirgends der Schulplan beobachtet worden, so daß
an den meisten Orten das Gehalt unter 30 Thaler festgesetzt
und dem Adel vollständig freie Hand bei der Einrichtung
seiner Schulen gelassen war. Die Commission that dieser
Fehler wegen Vorstellung bei der Cammer. Aber es half
nichts.
So verstrich das Jahr 1736, ohne daß etwas im deutschen
Departement geschehen war, außer der schlechten Regulierung
des schon eingerichteten Schulwesens im Amt Brandenburg.
Auf mehrfaches Anfragen und Drängen bei der Cammer
erhielt endlich Sonnentag, der noch immer in Königsberg weilte,
am 8. Januar 1737 die Antwort, „daß der Departementsrat von
Aschersleben am 9. Januar im Amt Uderwangen, das zum
Hauptamt Brandenburg gehörte, regulieren werde."
Damit glaubte aber die Cammer vor der Hand genug ge-
than zu haben. Die nächste Forderung der Commission, die
das Werk mit aller Kraft zu fördern sich bemühte, für die in
den Ämtern Schaaken, Fischhausen und Brandenburg neu zu
erbauenden Schulen die Holzassignationen an die Beamten er-
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Vun Dr. Adolf Keil.
209
gehen zu lassen, beantwortete sie am 20. Februar dahin, daß sie
für nötig hielte, wegen des Holzes zum Schulenbau und wegen
der Regulierung der Subsistenz der Schulmeister an den König
zu berichten. Bis zur Erlangung dieser Entscheidung müßte
die Assignation aufgeschoben bleiben.
Unterdessen wurde die Regulierung im Amt Uderwangen
vollendet, und nach vielem Monieren brachte es Sonnentag nun
dahin, daß die Untersuchung in den Ämtern Bartenstein, Rasten-
burg und Lötzen vorgenommen werden sollte. Doch die em-
pörende Gesinnung der Cammer zeigte sich schon auf der Reise
nach Bartenstein, wo der betr. Departementsrat erklärte, daß er
nur bis Lötzen der Untersuchung beiwohnen könne, da er nicht
weiter instruiert sei. Als die Einrichtung in Bartenstein (und
Rastenburg) mit dem 21. Februar beendigt ward, berichtete
Sonnentag darüber an die Commission und bat um weitere In-
struction, was er unter diesen Verhältnissen vornehmen sollte.
Wie vor der Abreise von Königsberg beschlossen, unternahm er
jetzt noch die Einrichtung im Amt Lötzen, die bis zum 1. März
fertig wurde. Doch an demselben Tage verließ auch hier der
betr. Departementsrat die Commission, ohne der weitern Unter-
suchung in den andern Ämtern seines Departements, in Anger-
burg, Sperling, Sehesten und Barten beizuwohnen.
Nachdem Sonnentag mehrere Tage in Lötzen nutzlos zu-
gebracht hatte, erhielt er endlich am 9. März den Auftrag, die
Einrichtung in den Ämtern Johannisburg und Lyck vorzunehmen,
die zum Departement eines andern Rates gehörten. Sofort
reiste er in die bezeichneten Ämter. Da aber der betreffende
Departementsrat noch in Königsberg war, conferierte Sonnentag
allein mit den Predigern und Beamten, die er alle ganz willig
fand, und erhielt von allen Seiten zur Nachricht, „daß der Zu-
stand der Einsassen höchst elend und jämmerlich sei, und daß
dieselben, obschon sie mehrenteils Cöllmer wären, dennoch weit
schlechter ständen als die Bauern, so daß also hier auf den
Fonds der 2000 Thaler stark zu reflectiren sei." Inzwischen
war Stolterfoht am IG. März in sein Departement nach Rhein
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»210 Das Volkssc-hulweseu im Königreich Preußen etc.
gekommen und sofort meldete er dem Sonnentag, der so lange
auf ihn schon gewartet, „daß er wegen der andern weitläufigen
Dienstgeschäfte vor 6 Wochen zur Schularbeit nicht abkommen
könnte." Dieses Schreiben legte Sonnentag der Schulcommission
vor, und die, ergriffen von den Schilderungen jenes jammer-
vollen Zustandes der Leute und der Lehrer, ersuchte die Cammer,
den Stolterfoht zu beordern oder sich erklären zu wollen, ob
Sonnentag allein mit den Predigern und Beamten die weitere
Einrichtung machen könne; die Protocolle könnten dann dem-
selben communiciert werden. Da meldete die Cammer der Schul-
commission am 20. März, daß Stolterfoht einen Termin ansetzen
werde, wo er nach Johannisburg komme. Dieses that er am
27. März, wo er dem Sonnentag mitteilte, daß er nach Ostern
der Untersuchung sich anschließen könne. Doch Sonnentag,
der inzwischen die Termine zu den Commissionstagen den
Predigern und Dorfschaften schon angesagt hatte, wollte die
Arbeit, welche bis dahin im ganzen Departement fertig sein
konnte, nicht liegen lassen, sondern fuhr in der Einrichtung des
Schulwesens fort und forderte im April Stolterfoht auf, wenn er
mit seinen Departementsarbeiten fertig sein werde, ihm zu helfen.
Indessen war es der Schulcommission durch Bitten ge-
lungen, denn anders vermochte sie nichts bei der Cammer zu
erreichen, den Departementsrat von Aschersleben zu bewegen,
mit der Einrichtung zufrieden zu sein, welche Sonnentag in den
polnischen Amtern seines Bezirkes machen werde. So wurde
es möglich, daß Sonnentag anfangs Mai die Untersuchung im
Amt Angerburg und den andern polnischen Amtern beginnen
konnte. Aber die Malice der Cammer hinderte wieder seine
Arbeit; denn die Beamten und Prediger waren nicht zur Ein-
richtung beordert worden. Darum weigerten sich diese sämtlich
die Protocolle zu unterzeichnen, obwohl sie kein Bedenken gegen
die gemachte Einrichtung hatten. Auch in den Ämtern Barten
und Sehesten wollten sich die Beamten ohne Ordre von der
Cammer der Commissionsarbeit nicht unterziehen, und so mußte
Sonnentag unverrichteter Sache nach Königsberg zurückkehren.
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Von Dr. A.loir Keil.
211
Nun entspannen sich längere, nutzlose Verhandlungen mit
der Cammer wegen der Regulierung im Amt Johannisburg, wo
Sonnentag auf die Umstände der Leute reflectirt und alles nach
den princ. regul. gefaßt hatte. Dieselbe focht die Einrichtung
an, da die Bauern nicht imstande wären, zum Unterhalt der
Lehrer so viel Geld beizutragen; es müßte hier das ganze Schul-
geld aus dem königl. Fonds gezahlt werden. Doch es wurde
ihr bewiesen, daß die Leute hier nach der alten Art für die
Unterhaltung der Schulmeister mehr gezahlt haben als nach
dem neuen modus.
Als diese resultatlosen Verhandlungen im Juli glücklich
beendigt waren, schlug die Commission die Einrichtung in den
Ämtern Barten, Sehesten, Rhein und Lyck vor, allenfalls auch
in Labiau und Tapiau, und verlangte wieder, daß nur die Be-
amten instruiert werden wie in Litthauen.
Um den Schein der Bereitwilligkeit zu wahren, bestimmte
die Cammer den Departementsrat der erstgenannten Amter, die
Schuleinrichtung in denselben vorzunehmen. Als hier die Arbeit
im Juli beendigt war, konnte Sonnentag mit Einwilligung des
Rates Stolterfoht endlich in den andern polnischen Amtern, in
Lyck, Oletzko, Rhein, Arys, Czichen, Polommen und Stradaunen
die Schuleinrichtung allein mit Zuziehung der Prediger und Be-
amten im Amt Johannisburg fortsetzen.
Als er hier fertig war, trat er gemäß dem Vorschlage der
Cammer mit Stolterfoht über die Schuleinrichtung in Beratung,
und nach abermals langwierigen Verhandlungen, die durch die
Cammer noch erschwert wurden, einigten sich beide dahin, daß
in den Amtern Oletzko, Lyck und Rhein wegen der Armut der
Leute vom allgemeinen Schulplan inbetreff des Schulgeldes und
der Calende abgewichen wurde, und daß die Bauern anstatt des
Schulgeldes mehr Getreide, 1fi Scheffel Korn und V* Scheffel
Gerste pro Hufe, geben sollten. Nach Abschluß dieser Ver-
handlungen nahm der unermüdliche Sonnentag im Dezember
die Regulierung in den Ämtern Barten und Sehesten vor, die
zum Departement des Rates von Ascherleben gehörten. Hier
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Das Vulksschulweson im Königreich Preußen etc.
ging die Arbeit, da die Cammer sie nicht erschwerte, gut vor-
wärts, und mit Leichtigkeit ließ sich der bestimmte Unterhalt
der Lehrer festsetzen, so daß kein Zuschuß nötig war. Jeder
Bauer hatte jährlich 15 pr. Groschen Schulgeld pro Kind, dann
pro Hufe lj\ Scheffel Korn und 2 Metzen Gerste zu geben; der
Cöllmer eben so viel Getreide, Schulgeld aber 22*/2 pr. Groschen
zu geben.
Als das Ende dieses Jahres heranrückte, und im Königs-
bergischen Cammerbezirk die Schuleinrichtung noch nicht voll-
endet war, wurde der König unwillig und forschte nach der
Ursache davon. Sehr schlau wußte die Cammer, der es zuwider
war, daß Sonnentag sie ständig urgierte, — und so lange er
hier blieb, hatte sie auch nichts anderes zu erwarten — zu
rechtfertigen und die Schuld an dem langsamen Fortschreiten
des "Werkes auf die Schulcommission zu werfen. Darum hatte
sie am 2. Dezember an den König berichtet, „daß die Schuld
der Trainirung des "Werks an der schlechten Disposition der
Schulcommission läge .... viele Diäten und Vorspannkosten
müßten umsonst hergegeben werden. Die Gegenwart Sonnen-
tags, da er bei gedachter Commission weiter nichts als schreiben
kann, ist garnicht nötig, indem das Hauptwerk mit Zuziehung
der Beamten reguliert werden könnte, so daß es nicht in einem
sondern in zwei, sogar in drei Hauptämtern zugleich vorge-
nommen werden kann."
Aber bevor der König hierüber entschied, forderte er zwei
Mal von der Commission das Gutachten über die Gegenwart
Sonnentags ein. Als dieselbe gegen Ende Dezember referiert
hatte, „daß es nützlich und notwendig sei, Sonnentag noch
ferner hier zu lassen . . . das "Werk sei nur dadurch aufgehalten,
weil die Departementsräte nicht in die Departements gingen,
und wenn Sonnentag nicht allein reguliert hätte, wäre auch das
"Wenige noch nicht geschehen ... es möge nur die Cammer
2 Räte in die Amter schicken, dann kann im nächsten Sommer
alles fertig sein"; da rescribierte der König am 31. Dezember
an die Cammer: „Sonnentag soll bis zum Schluß der Einrichtung
Von Dr. Adolf K< il. 213
des Schulwesens in Preußen bleiben, die Cammer aber alles in
der Welt contribuieren, damit dieses "Werk ohne Contradiction
zu Stande komme."
Dieser energische Befehl, welcher alle Machinationen der
Cammer durchschnitt, wirkte, und am 18. Januar 1738 wurde
die Untersuchung im Amt Schaaken von Sonnentag und dem
Departementsrat Lilienthal vorgenommen. Mit der Introducierung
des Schulplanes hatte es keine Schwierigkeiten, so daß am
13. Januar die Arbeit hier beendigt war. Am 3. Februar be-
gann dann die Verbesserung des von Fischer vor 12 Jahren
eingerichteten Schulwesens im Amt Orteisburg. Doch auf
Fischers Wunsch verblieb es hier bei der alten Einrichtung,
und nur ein Zuschuß von 50 Thaler wurde festgesetzt. Doch
nachher hat Fischer selbst den Schulplan zum Fundament gelegt.
Darauf continuierte Sonnentag in den Ämtern Neidenburg,
Soldau, Hohenstein, Osterode und dem adligen Erbamt Gilgen-
burg, und schon am 14. März ward hier unter Assistenz des
Departementsrates Rieger alles fertig gestellt, so daß jetzt nur
die nötigen Befehle wegen des Baues zu erlassen waren. Mit
gleicher Bereitwilligkeit ging die Cammer auch auf die Unter-
suchung und Regulierung des Schulwesens in den Ämtern Balga,
Pr. Eylau, Marienwerder, Riesenburg, Pr. Holland, Pr. Mark,
Liebstadt und Mohrungen ein. Da kein Widerspruch von ihrer
Seite erfolgte, ging die Arbeit leicht vorwärts und ward gegen
Ende August abgeschlossen.
Doch dem strengen Landesvater dauerte die Sache schon
zu lange und er fragte am 29. August die Commission an, wann
Sonnentag abberufen werden könne. Die Cammer, welche der
König darum, und wann das Werk zu Ende sein werde, be-
fragte, antwortete, daß die Einrichtung im deutschen Departement
bis auf die Ämter Waldau, Deutsch Eylau, Schönberg und
Pr. Eylau geschehen sei; ob Sonnentag noch hier bleiben solle,
vermöge sie nicht zu entscheiden; absolut nötig wäre er nicht,
weil Uhde dies thun könnte, der schon in den an Litthauen
anstoßenden Ämtern, im Samländischen, im Gerdauischen und
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Das Volkssclmlwosoii im Königreich Preußen <*to.
Tapiauschen reguliert hätte. Den 24. September antwortete die
Commission dem Könige, „daß Sonnentag noch bis zum nächsten
Frühjahr hier bleiben solle, da er noch 3 Ämter, Pr. Eylau.
Deutsch Eylau und Schönberg zu regulieren und dann das ganze
"Werk zu revidieren habe." Der König erklärte sich hiermit
zufrieden, und Sonnentag konnte dann in den genannten Ämtern
regulieren, so daß Ende November 1738 die Einrichtung im
Königsberger Departement vollständig fertig war, und in den
hierzu gehörigen 24 königlichen Haupt- und 5 adligen Ämtern
excl. der 320 Kirchschulen noch 885 Dorfschulen festgesetzt
worden waren.
III. Die Durchführung der Einrichtung von 1738-1739.
Bei der Ausführung der eben geschilderten Schuleinrich-
tungen handelte es sich um zwei wichtige Fragen:
1. wie wird der Schulenaufbau ermöglicht, und
2. wie der festgesetzte Unterhalt der Schulmeister beschafft.
Die Schwere beider Fragen hatte die Schulcommission ganz er-
faßt und auch die Mittel, sie zu lösen, besorgt.
Gleich beim Beginn ihrer Wirksamkeit hatte sie nach
Mitteln ausgespäht. Wie den frühern Organisatoren boten sich
auch ihr von Anfang an zwei Quellen dar, das Kirchengut der
hiesigen preußischen Kirchen und die königliche Gasse. Doch
die Erfahrung bei der Localuntersuchung in Litthauen und in
den Ämtern Schaaken und Brandenburg hatte sie bald gelehrt,
daß diese beiden bei alleiniger Benutzug allzu sehr geschwächt
würden. Darum berichtete sie am 4. April 1736 nach Berlin:
„Da der Schulbau der königlichen Casse und den Kirchen-
kassen zu viel kostet, so möge der König eine freiwillige Collecte
etwa 2 Procent von allen in Vermögen stehenden Capitalen
für alle Kirchen des ganzen Reiches, das Königreich Preußen
und Litthauen ausgenommen, ausschreiben lassen." Dieser Vor-
schlag schien auch dorn Könige über die größten Schwierig-
keiten hinwegzuhelfen; so erfolgte am 9. Juni 1730 die Ver-
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Von Dr. Adolf Keil.
215
Ordnung wegen des von sämtlichen Kirchen zum preußischen
Schulenbau zu gebenden Beitrages. Im Sommer 1737 liefen die
Gelder bei der Königsberger Regierung ein, und zwar vom re-
formierten Kirchendirectorium zu Berlin 396 Th. 2 Gr., vom
Churmärkischen Amtskirchen- Revenuen -Directorium 2060 Th.,
aus der Churmark 1527 Th. 17 Gr. und von der Minden-Ravens-
bergischen Regierung 44 Th. 20 Gr. — die Clevesche Regierung
hat wegen der Armut ihrer Kirchen nichts schicken können. —
Bis zum 1. October 1737 waren die Collectengelder von den
reformierten und lutherischen Kirchen der gesamten Lande ein-
gelaufen und betrugen 4713 Thaler 12 Groschen. Davon sollten
aber dem litthauischen Departement allein zur Erbauung der
festgesetzten Schulen 3238 Thaler gegeben werden. Für das
deutsche Departement blieben also 1375 Thaler. Da zu diesem
die polnischen Ämter gehörten, wo wegen der Armut der Leute
schon zum Unterhalt der Lehrer ein Zuschuß aus der königl.
Casse festgesetzt worden war, hätte dieses Geld vielleicht zur
Erbauung der Schulen in 2 Amtern gereicht. Darum verordnete
der König auf nochmaligen Vorschlag der Schulcommission an
alle Consistorien und Regierungen sub 20. October 1737: „daß
jede königl. und adlige Kirche auch von den Capitalien, die
nicht zinsbar ausgethan werden, 1 Procent beitragen und solches
Geld an die preuss. Regierung übersenden soll." Auf diese
Weise wurde ein Fonds beschaffen, aus dem die nötigen Bau-
gelder bestritten werden konnten. Wie die Rechnungen der
Schulcommission ergeben, verfügte dieselbe am 1. April 1738
über ein Baucapital von 8896 Thalern 4 Groschen. — Das Bau-
material wurde unentgeltlich, sogar für adlige Schulen, wenn
der betreffende adlige Einsasse keine eigene Holzung hatte, aus
den königl. Forsten verabfolgt. Es konnte und sollte nun das
"Werk schnell vor sich gehen. Zu dem Zwecke bestimmte die
Schulcommission, wenn die Regulierung in einem Amt geschehen
wäre, sollten von dem Untersuchungsprotocoll drei Abschriften
gemacht werden, eine samt einem Extract für die Cammer zur
Assignation des Bau- und Brennholzes, und die beiden übrigen
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216
Das VoJksschulwesen im Königreich Preußen etc.
für den Erzpriester und das Hauptamt. Sobald nun die Cammer
die Holzassignationen ausgestellt hatte, ließ die Commission
sogleich von den Revenuen der Collectengelder das Geld,
a 15 Thaler für die Schule, gegen Quittung an den Erzpriester
remittieren.
Auch für die Beschaffung des festgesetzten Unterhaltes
sorgte die Commission. Zu den praestanda, welche die Leute
an Schulgeld, Calende und Acker nach den princ. regul. für die
Schullehrer zu entrichten hatten, kam noch ein gewisser Zuschuss
von der Kirche, oder wo dieselben unvermögend waren, aus der
königl. Casse hinzu. Letztere hatte zu diesem Zweck schon im
November 1735, nachdem die litthauischen Schuleinrichtungs-
acten eingelaufen waren, ein Capital von 40 000 Thaler aus dem
preuss. Extraordinariuni ausgesetzt, dessen Zinsen zur Unter-
haltung der Lehrer angewandt werden sollten. Als dann der
König bei der Festsetzung der princ. regul. erfahren hatte, daß
die Zinsen dieses Capitals für den genannten Zweck nicht hin-
reichen, fügte er am 29. Juli 36 noch 10000 Thaler hinzu und
bestimmte, daß dieses Capital als mons pietatis zu 5 Procent
sicher untergebracht werde. Die Schulcommission schickte noch
in demselben Jahr einen Entwurf ein , wie diese 50 000 Thaler
zinstragend zu vergeben seien, und brachte auch eine Com-
mission in Vorschlag, welcher die Verwaltung und Verant-
wortung dieses Fonds zu übertragen wäre. Der König aeeep-
tierte ihre Vorschläge und erließ am 21. Februar 1737 folgende
Fundationsurkunde :
„Wir haben aus höchster Königlicher Gnade und Huld,
Uns dahin wohlbedächtig entschlossen, zu Salarirung tüchtiger
Schulmeister, außer denenjenigen, so bereits bis anhero daselbst ge-
halten und verpfleget worden, annoch ein jährliches Quantum
anzuwenden, auch zu Etablirung eines sichern und beständigen
Fonds, dazu ein Capital von Ftinffzig Tausend Rthlr., dergestalt
allergnädigst herzugeben, daß solches nun und zu ewigen Zeiten
verordneter maßen, zu Bauung des Reichs Gottes, und zu Be-
förderung dieses heylsamen Endzwecks unvermindert aufbehalten,
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Von Dr. Adolf Keil.
217
auch zu keinerley anderen Ausgaben, sie mögen Nahmen haben
wie sie wollen, als zu Ansetzung und Unterhaltung dergleichen
tüchtigen Schul-Meistern angewendet werden solle." . . .
„Was die Administration dieser 50000 Thaler und der-
selben Interesse betrifft, tragen Wir sowohl, als die Reparation
der letzteren, lediglich Unserer im Königreich Preußen ver-
ordneten Regierung auf. Umb aber das Werk so viel be-
ständiger und sicherer zu verfassen, haben Wir unter Direction
vorbemeldeter Regierung annoch eine besondere Cassam aller-
gnädigst errichten, auch derselben den Nahmen vom Monte
pietatis beylegen wollen, bey welcher nicht allein die würcklich
Geheimen Etats- und Krieges-Ministri, denen Wir die Respici-
rung der geistlichen Sachen, zum Departement ertheilen, vor-
jetzo, nahmentlich, die würcklich Geheime Etats-* und Krieges-
Rähte v. Kunheim und Freyherr v. Bülow, das Praesidium
fuhren, sondern auch zu Mit- Vorstehern Unser Preußischer Advo-
catus fisci, dann zwey Membra aus dem Preußischen Hoff-Gericht,
wie auch aus dem Samländischen Consistorio, die der Rechten
kündig, und Unsere Preußische Regierung benennen wird, auch
einer von Unseren Commissions - Secretariis zu Führung des
Protocolls und Besorgung der übrigen Expeditionen zugegeben
werden sollen."
Wie anbefohlen, brachte Kunheim das Geld in diesem
Jahre sicher unter, so daß alles vorbereitet war, um das Werk
endgiltig durchzuführen 4).
Allein es fanden sich doch noch Schwierigkeiten ; dieselben
wurden wohl nicht durch die Verhältnisse, aber durch die aus-
führenden Personen bereitet. Die einen betrieben das Werk
sehr lässig, besonders die Unterbeamten ; die andern, die Adligen,
zeigten kein Interesse hierfür, und die Staatsmaschine, die
Cammer zu Königsberg, suchte ebenfalls die Sache zu hinter-
treiben. Während die polnischen und litthauischen Beamten den
Bau für 10—15 Thlr. aufzuführen übernahmen und auch in allen
4) Wie die Zinsen dieses Montia p. verteilt wurden, zeigt der Anhang.
Altrr. MoimtM.HcJirift IM. XXIII. Hit, 3 n. 4. 13
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218 Das YolksMchulweaen im Königreich Preußen etc.
Stücken nach dem Anschlag der Commission bauten, machten
die Beamten im deutschen Departement, welche an der Cammer
einen Hinterhalt hatten, neue, kostspieligere Anschläge. Alles
Vorstellen der Schulcommission fand bei der Cammer kein
Gehör, und die Beamten bauten infolge dessen nicht eher, als
bis sie das geforderte Geld erhalten hatten. Obwohl auch dieses
geschah, ging es doch mit dem Bau sehr langsam vorwärts trotz
aller nachhaltigen Rescripte.
Da gab ein unscheinbarer Vorfall der ganzen Arbeit einen
kräftigen Anstoß. Prof. Schulz machte im Sommer 1738 eine
Reise nach Deutschland und hatte bei dieser Gelegenheit in
Berlin den König gesprochen, der sich natürlich nach dem
Fortgang der Schularbeit erkundigte. Durch diese Unterredung
veranlaßt erließ der König am 30. August ej. a. an die Regie-
rung und Cammer zu Königsberg das nachhaltige Rescript: „er
will im künftigen Jahr seine zum Besten des Landes und Unter-
thanen gereichende Absicht und Willensmeinung vollstreckt und
ausgeführt sehen, sämtliche sothane Schulen nicht allein erbaut,
sondern auch mit tüchtigen Schulmeistern besetzet und alles
wohl eingerichtet finden." Für einige Zeit ging nun alles im
ganzen Departement gut vorwärts. Doch schon im folgenden
Jahr begannen die alten Schwierigkeiten wieder. Der Beamte
von Pr. Eylau reichte sogar mit 25 Thlr. beim Bauen nicht und
forderte noch 12 Thlr. Zuschuß; der von Neuhausen erklärte,
daß er die zu Waldau festgesetzte Schule eingehen lassen und
die betr. Dörfer zu einer andern Schulsocietät schlagen wolle,
obgleich Geld und Holz schon angewiesen waren, da' er nicht
wisse, wer Holz anfahren und wo die Schule stehen solle. Da
kam die energische Ordre vom 29. Mai 1739, welche über alle
Hindernisse leicht hinweghalf und das Werk endlich seiner Vol-
lendung zuführte. In den meisten Amtern ging der Schulenbau
ernstlich vorwärts und unter beständigem Rescribieren der
Cammer und Regierung wurden fast alle Schulen noch im Jahr
1739 fertig. Nur der Adel machte noch immer Schwierigkeiten,
wodurch der Bau an einigen Orten bis 1740 verschleppt wurde.
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Von Dr. Adolf Keil.
219
Dritter Teil: Die Ausgangsperiode von 1739—1743.
Im April 1739 kam der greise Landesvater nach Preußen,
um das Werk in Augenschein zu nehmen. Als er das ganze
Land durchreist hatte, fand er, daß zu wenig Schulen und
zu viel Mängel bei den bestehenden vorhanden wären. Dem-
zufolge traf am 18. August 1739 die Ordre ein, daß der
Schulenbau nicht mehr durch die Beamten und Geistlichen
gefuhrt, sondern alles von den Dörfern, die zu einer Schule
geschlagen sind, besorgt werde; ferner, daß die Erzpriester
alle Jahr Schulvisitationen abzuhalten und bei Verlust ihrer
Visitationsgelder vollständige Berichte Über die ganze Schulver-
fassung einzureichen haben; sodann, daß vorerst in Litthauen
mehr Schulen angelegt werden sollen, so daß die dazu ge-
schlagenen Dörfer höchstens eine halbe Meile entfernt liegen;
und endlich, daß Sonnentag eine Revision aller eingerichteten
Schulen im ganzen Königreich vornehme, zugleich eine neue
Untersuchung für die noch anzulegenden Schulen anstelle und
bis zum vollständigen Effect die Arbeit fortsetze.
Im September 1739 übernahmen Schulz und Sonnentag
diese Schulrevision. Die litthauischen Schulen fanden sie
meistens sehr gut erbaut; auch wegen des Unterhaltes der
Lehrer hatten sie nur selten etwas zu corrigieren und einige
kleine Mängel zu beseitigen, wie die Klage der Schulmeister im
Amt Memel, welche nur 3 Achtel Brennholz und 24 Fuder
Strauch erhielten und deshalb frieren mußten. Nachdem die
Revision und Untersuchung geschehen war, conferierte die
Commission mit der Cammer zu Gumbinnen wegen des Anbaues
von noch 56 Schulen in Litthauen. Dieselbe acceptierte die
Vorschläge der Commission und forderte die königliche Ge-
nehmigung ein. Als dieselbe im April 1740 erfolgt war, ging
man an die Erbauung der noch festgesetzten Schulen, die auch
im folgenden Jahr ausgeführt wurde, so daß der neue König
Friedrich II. sub 5. December 1741 resolvieren konnte, „daß es
bei den bereits vorhandenen Schulen in Litthauen bleiben solle."
15*
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220 Das Volksschulwesen im Königreich PrcuBun etc.
Als die Revision iu Litthauen gegen das Ende des Jahres
1739 abgeschlossen war, nahm die Commission dieselbe Arbeit
im Königsberger Departement vor. Zuerst revidierte sie im
Amt Fischhausen, wo durch die Cammerräte bei der Localunter-
suchung infolge der Abweichung vom generalen Schulplan zur
größten Confusion und zu den bittersten Klagen Anlaß gegeben
war. Man klagte über Entlegenheit der Schulen, über schlechte
Wohnungen und die notdürftigste Subsistenz. Durch die Re-
vision wurde alles umgeschaffen und eine bequeme Verfassung
hergestellt. Doch zu ihrer Durchführung bedurfte es noch eines
schweren Kampfes mit der Cammer, denn die hatte jetzt neuen
Mut, da sie die eiserne Hand Friedrich Wilhelms I. nicht mehr
spürte. Doch Kunheim, der im August 1740 in Berlin persön-
lich Über das Benehmen der Cammer Beschweide führte, be-
wirkte trotz der Renitenz der Cammer die glückliche Durch-
führung der neuen Einrichtung in Fischhausen. Auch in den
übrigen Ämtern wurde die Revision fortgesetzt, wobei Sonnen-
tag mit bewunderungswürdigem Fleiß und seltener Ausdauer
alle Anstrengungen ertrug und Tag und Nacht reiste, so daß er
die 63 Cammerämter im Königsberger Departement im Juni 1741
vollständig revidiert, die frühern Einrichtungen von ihren
Mängeln befreit und noch 73 neue Schulen festgesetzt hatte, die
auch zum Theil nach langem verbitterndem Drängen bei der
Cammer und energischem Einschreiten gegen den Adel bis 1743
fertig wurden.
So war es der Schulcommission gelungen, die hochedle
Absicht des seligen Königs zu verwirklichen. Sie hatte ca. 400
alte Kirchschulen eingerichtet und ca. 1200 Dorfschulen die für
jene Zeit vortreffliche Verfassung verliehen. Nun konnte die
„Erkenntnis Gottes" gepflegt werden und das Wohl der Menschen
gedeihen; gegen 100 000 Kinder, die früher ohne Unterricht in
ihrer Unwissenheit aufwuchsen, empfingen jetzt die notwendigste
Kenntnis des Christentums und während vorher öfters kein
einziger Mensch im Kirchspiel ein Gesangbuch oder eine Bibel
hatte und darin lesen konnte, außer dem Präzentor und Pfarrer,
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Von Dr. Adolf Koil.
221
waren durch die väterliche Güte Friedrich "Wilhelms I. Hunderte
von polnischen, litthauischen und deutschen Bibeln, Gesang-
büchern und Catechismen unter das Volk verteilt worden, und
Jung und Alt fing an zu lernen.
So hatte Friedrich Wilhelm I. den Grund und Boden für
das preußische Volksschulwesen geschaffen, auf dem sein Sohn
und alle spätem Nachfolger zum Segen des Landes weiter
arbeiteten.
I. Anhang.
Speciflcation der sämtlichen Könlgl. Dorfschulen im Königs-
bergischen und Litthauischen Departement.
Hauptamt
Kirchen
Do rfschulen
Ausgaben aua
dem Mono pio-
totis (um
Unterhalt der
Lehror.
1. Branden-
Brandenburg
Brandenburg. Tengen
burg
Ludwigswalde
Hafestrohm
Sodrinen
Perschke
Kaigen
Tharau
adl.
Padersort, Perwilten
Seeligenfeld
adl.
Lichtenhagen
adl.
Gollau
Mühlhausen
adl.
Mansfeld
adl.
Kobbelbude
Creuzburg, Stadt
Solniken, Tieffenthal, Ca-
wern. Liebnicken, Mo-
ritten
Borchersdorff
Fuchsberg
Domnau, Stadt adl.
Allen au
adl.
Döllstädt
adl.
Schmodittcn
Lampascii, Althoff, Nau-
nienen
Deutachwilten
adl.
•
Friedland, Stadt
Heiurichsdorff
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222
Das Volksschulweson im Königreich Preußen etc.
Hauptamt
2. Balga
3. Bartensteiii
Dorfschulen
Abschwangen a<U.
Jeaau adl.
.Tergenau adl.
Stockheim adl.
Gr. Sch wenau adl.
Steinbeck und filia
Neuendorff adl.
Ottenhagen ndl.
Almenhausen adl.
Uderwangen
Balga
Heiligenbeil, Stadt
Grünau, filia
Passarie
Waltersdorff
Lindenau adl.
Eisenberg
Zinten, Stadt
Eichholtz
Tieffensee
Höhenfürst
Doutsch Thierau
Hermsdorff und filia
Pellen
Guttenfeld adl.
Bladiau
Grünbaum
Schweno
Gr. Lindenau
Frisching, Sovilten. Trinck-
heim
Kahlholtz, Tollendorff . .
Wolitte
Hoppenbrnch
Carben, Rosenberg,
Schirten
Hehfeld
I Vogelsang .
| Schönlinde
Nemritten
Wolau
Schönfeld .
Ausgaben ans
dem Nonn pie-
tati» sum
Unterhalt der
Lehrer.
a 7 Tb.
6 '
Hauswalde
Stolzenberg, Schönwalde,
Lauterbach
Königsdorff, Lauck
8-13 Gr.
7 Th.
a 6 Th.
Borcken l Spit ahnen
Bartenstein, Stadt ! Gr. Kährten, Damerow, 1
Gollingeu
adl.
Liesken
Siddauen
13 Th. 15 gr.
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Von Dr. Adolf Keil.
223
Hauptamt
Kirchen
Dorfschulen
Ausgaben aas
dorn Mona pie-
tatia tum
Unterhalt der
Lebror
4. Pr. Eylau
Albrechtsdorff adl.
Kodnau adl.
Petershagen adl.
Peisten, filia adl.
Hanshagen
Eichhorn
Konkeim
i& in.
Schönbruch
Poninken
Buchholz adl.
Dexen
Houssainen, Jopprinnen
Canditten adl.
Landsberg, Stadt
Glaudau
Pr. Eylau, Stadt
Mohvitten, Poschloschen
5. Barten
Barten, Stadt
Tenkmitten, Freudenberg,
Drengfurt, Stadt
Sansgarben adl.
Friedeberg adl.
Schwarzstein
Blaustein adl.
Wenden adl.
Taberwiese, Meisters-
felde
Fürstenau, Marienthal,
Wolfshagen
Redkeim
Rosenthal
6. Angerburg
Angerbnrg. Stadt
Kruglankeu
Kutten
Kosengarten adl.
filia, Doben
Wensofken, Wcnsken,
Krzwinsken , Hansen.
Kehl
Possessern, Sywens Sie wen
Soltmahnen
Jakunowen, Kl. Strengelu
Masehnen
Engelstein
Prynowen , Brosowen,
Wessolowen. Gr. Juga,
Thiergarten
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224 l>i« Volk»sclnilw«;8eu im Königreich Preußen etc.
Hauptamt
— _ - - - —
K i r c h o n
Dorfschulen
Ausgaben au«
dorn Mona pio-
tati* zum
Unterhalt der
Lohrer.
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Gurnen
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Urttn i ) p( ) wie i *i i So vtn iiiTiPii
i/ifiiiuiun iwtii^ kjui xuiij jicii*
JjinBKll
filia Buddern
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Grabowen
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achen, Duneyken ....
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7. Lötzon
Lützen, Stadt
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woua, w i880vvaiten
Gr. Stürlack
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8. Rastenburg
Raatenburg, Stadt
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filia Kosenthai
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Beslack
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Gr. Wollsdorf adl.
Schönflieas
filia Tolksdorff adl.
1 Larogarbon
Gouocken
Langheim
ZandersdoriV
Gudniken adl.
Schippenbeil, Stadt
Langendorff, Stolzenfeld.
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Löwenetein
Kröligkeim
Falkenau adl.
Rosenort
DietrichsdorfT adl.
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Von Dr. Adolf Keil.
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Hauptamt
9. Sehesten
10. Rhein
Kirche
Dorfschulen
Klünenberg adl.
Lindenau adl.
Gr. Schwansfeld adl.
Leuneburg adl.
Sehcsten, Flecken
Sensburg, Stadt
Aweydo
Sorquitten
Ribben
Rosen
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Eckertsberg
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Arys, Stadt
•Schimonken
Eichin edien
Nicolaiken, Stadt
Rhein, Stadt
Ausgfibon aus
dorn Mon» pi«-
tatis cum
Unterhalt der
Lehrer
Pfaffendorff, Weissenburg,
Reuschendorff, Rudwan-
gen, Langenbruck, Kres-
tinowen, Guzewen, Snr-
mowen, Bmszewen . . .
Koschewen, Proberg,
Krummendorß', Gra-
bowen, Pohüschdorff
Cierpienten , Crutinnen,
Kelbuncken, Macharen,
Langendorff, G Olingen,
Peitschendorff
Sontag, Pustnicken
Skomatzko, Rosinsko
Dzubiellen, Dombrowken,
Chmielewen, Lyssuuen,
Gregersdorff, Cierspien-
ten, Glitten
Strzelnicken , Pianken ,
Osciwilken
Olschöwen, Rutowkon
Salbkeim. Woznitzen
Talten, Schaden, Eascen,
Seibungen, Kaniien
Gneist, Orlen, Jrossen
Löffken, Riebenzahl. Gr.
Jauer, Saltza, Gr. Notist,
Sondren
Slabowen, Cerwanken.
Skorupken .
25 Th. 15 gr.
zusammen.
ä 1 Th. 57 gr.
50-7G-9.
> 14« Th.
ä 5 Th.
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226
Das Volksschulwesen im Königreich Preußen etc.
Hauptamt
12. Lyck
13. Oletzko
Kirche
Dorfschulen
Angaben
dem Möns pie-
tatia inm
Unterhalt der
Lehrer.
11. Johannis-
burg
Rosinsko
Bialla, Stadt
Kumilsko
Dry galten
.Tohannisburg, Stadt
Grabnick
Lyssowen
Ostrokollen
Lyck, Stadt
Maggrabowa
Wielizken
Kallinowen
Kursunsken, Sokollen
Kosuchen, Wlosten, Lissen
Rogmnillen , Thierowen.
Ichsen, Kowalewen,
Jacuben, Grunsee
Rudden, Oskeuken, Mo-
netheu, Omuasen ....
Pilchen, Sdorren, Irzonken,
Kallenzinnen, Gr. Kessel,
Dietrichswald , Jasch-
kowen ,Przyro8t,Rosken ,
Hinterpagabienen ....
Krollowollen
Stosnen, Romanowen, Kal-
leschniken
Dombrowken, Wisch-
nöwen, Kaienzinnen,
Bobren, Popowen, Hugo-
korellen
Gollubken , Gr. Lasken,
Sypytken, Stazen
Przykoppen , Ohelchen,
Sordachen, Neuendorff,
Niekrassen, Sutzken, Sie-
den, Monzcn, Moldzien,
Chrzanowen
Krupinnen, Jaschken, Mo-
zanen, Legawen, Gor-
deiken, Babken, Kur-
kowen, Olschewen
Kleschowen, Seesken, So-
bollen, Markofsken
Milewen, Marzinowen,
Czinien, Saborowen. . .
► 184- 37-9.
V 39-35-9.
20—45-15
zusammen.
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Von Dr. Adoli Keil.
227
Hauptamt
Kirche
Dorfschulen
AtMgaben »U«
dem Mona pie-
tatis «um
Unterhalt der
Lehrer
Czichen
Mierunsken
Schareiken
Schwentayno
Widminnen
Jucha
Stradaunen
filia Gonsken
14. Neuhoff Neuhoff adL Erbamt
15. Orteisburg
Fridrichowen
Passenheim, Stadt
Theerwisch
Reinswein
Mensguth
Dibowen
Rogamen, Sczuchten,
Neudorff
Plensken, Borawsken, Gar-
baschen
Sesken, Moneten
Gisen, Grünheyde, Dutken,
Krziwen
Wentowken, Gr. Gablick,
Grondzen, Juchoflasken
Gorlen, Gr. Orzecho wen,
Pietroschken, Sceci-
nowen, Gorloffken, Ploff-
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Czykorren, Ceyven, Przy-
dollen, Kiewen, Babken
Gonsken
Willamowen, Klonalias,
Liebenberg, Jarinnen,
Spalinen, Puppen, Cnr-
wien, Carpen, Idunowen
Grammen, Schult zendorff,
Gr. Rauschken, Seiesch-
ken, Schwirgstein, Wop-
lies, Narraiten, Schön-
felsdorff, Michelsdorf,
Kuckuckswalde
Ollschoffken, Rudkowen
Jelinowen, Mingffen, Mar-
pöwen
Woppendorff, Raroi, Sam-
platen, Seepanken
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Willenberg, Stadt
Sendrowen , Kutzburg,
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Baranowen, Gr. Pifnitz
Montfitz, Lasrhienen . .
filia Opalienciecz
Opaliencziecz
Groschlaffkeu adl.
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Von Dr. Adolf Keil.
229
Hauptamt
Kirche
Dorfschulen
Ausgabe atnt
dem Mona pie-
tati» «um
Unterhalt der
Lehrer.
17. Soldan
ooiaau, otaat
Kischin, Kirkau. Pier-
laffken, Sacrau, Hohon-
dorff
Kl. Koslau
Willemsdorff
Heinrichsdorff
■
Narzim
Brodau
Borchersdorff
Skurpien
Scharnau
Schönwiese, Niedekan
ld. Hohenstein
Wittichwalde
4-30.
Manchenguth
Adamsgut, Heinnchsdorn
11-37 zus.
Hohenstein, Stadt
Lichteinen, Knaschengut,
1 13-35.
Merken, Schwirgstein .
Selleschen
12-37—9.
filia Kurken
5—15.
Waplitz
adl.
Gardienen
adl.
Pätzdorff
adl.
Kirstendorff
adl.
Mühlen
adl.
Tannenherg
adl.
19. Osterode
Osterode, Stadt
Taffeibude
Hirschberg
Hirschberg
Thierberg
Thierberg
Aman
Arnau, Thierau
Schmuckwalde
Theurnitz, Bergfrier
filia Petersdorff
Petersdorff
Leipe
Roschken
Marien felde
adl.
Geyerswalde
adl.
Reichenau
adl.
Crapelau
adl.
Saubersdorff
adl.
Dohringen
adl.
Osterwein
adl.
Gr. Groeben
adl.
■
1
Digitized by Google
230 Das Volkssclml wesen im Königreich PreuBen etc.
Hauptamt
Kirchen
Dorfschulen
AuHgithen ru«
dem Mona pie-
tati« cum
Unterhalt <W
Lehrer.
adl. Amt
21. Dt. Eylau,
adl. Amt
22. Schönberg,
adl. Amt
23. Marien -
werder
Usdau
Dzurdzan
adl.
lieselicht
adf.
Rauschken
adl.
Gruben
adl.
Seuuliiniipii
adl.
Koschelau
adl.
Oilgenburg
adl.
Marwald
adl.
Dölau
adl.
Hertzogswalde
adl.
Fredenau
adl.
Deutsch Eylau
Stadt
adl.
Sommerau Stadt adl.
Finkenstein
•
Gr.Albrechtan
f
Beischwitz
•
Rosenberg adl . Stadt
Langenau
adl.
tiUa Goldan,
»
Marienwerder Stadt
Gransee, Stadt
Gr. Nebrau
Niderzähren
Gr. Krebs
Riesenkirch
Riesenwalde
adl.
Gr. Jauersee
Neuhöfen, Grabau, Com-
pagnen, Ellerwald, Bal-
drau, Zieglack, Kneberg
Granseedorff, Iren kohl
Kl. Nebrau, Schinkenberg,
Weichselburg, Canitzke,
Stangendorff, Rosenau
Kl. Krebs
6-12-9.
Digitized by Google
Von Dr. Adolf Keil.
231
Hauptam t
Kirche
Dorfschulen
Auggfibpn aus
dem Moni pie-
tatia mm
Unterhalt der
Lehrer.
25. Pr. Marek
26. Liebstadt
Neudorffchen adl.
Kl. Tromnau adl.
Plaut adl.
Leistenau adl.
Radau adl.
Gr. Tromnau adl.
Bischofswerder,
Stadt Conradswalde
filia Petrowitz
Freystadt, Stadt Guningen
Riesenburg, Stadt Gunten
filia Dakau Wachsmut
Liebemühl, Stadt
Bieberwalde
fiiia Pr. Marek
Muswalde
Alt-Christburg
Saalfeld, Stadt
Blumenau
filia Heüigenwalde
Weinsdorff
Schnell walde
Sonnen born
filia Venedig
adl.
Arensdorff
adl.
Joschkendorff
adl.
Wülmsdorff
adl.
Seegertewalde
adl.
Altstadt
Sannau
adl.
Liebstadt, Stadt
fdia Reich wald adl.
Bieberswalde, Bogu-
schöwen, Zalewen,
Altenhagen
Tabern
Pr. Marek
Kornellen, Dennen
Buchwalde, Mortung
Kuppen, Sorbähnen
Alt Döllstädt
Gerswald, Schwaigendorff
Weppers
Reussen
Alt Bolitten, Reichenthal
Digitized by Google
232
Das Volksschulwesen im Königreich Preußen etc.
27. Mohrungen
Aaseahe aas
dem Mona pio-
tati« zum
Unterhalt der
Lehrer.
Hertzogswalde
Tonkpitifin
iiiin. Waltersdorff
Silberbach
•
Herrn onau
Mohrungen, Stadt
Gcrijeiithal, Guldenboden,
Wiese, Himmelpfort
Lokken
Hrukendorff ^Venii?ken
filia Langguth
Toniftrovnpii
Eckersdorff
Horn Gu bitten
Kah lau
tilia Hagenau
Mühlhausen, Stadt
Lohberg, Lorap
Schönberg
filia Munsterberg
Schmauch
Alt Teschen, Sommerfeld
Dobem
Alken
Hermsdorff
Gr. Thierbach
adl.
Grünhagen
adl.
Hirschfeld
adl.
Bogehnen
adl.
Schönau
adl.
Marienfelde
Rappendorff, Brunsdorff,
25 Th.
4 Th.
Stegen, Lupeten, Bunden
Ja2Th.25 gr.
Neumark adl.
filia Caminden adl.
Herrendorf adl.
filia Schlobitten adl.
Laucke adl.
filia Ebersbach adl.
Dentschendorf adl.
Samroth adl.
Holland, Stadt.
Weskendorff, Wesken-
hoff, Copiehnen, Nenen-
dorff
Digitized by G
Von Dr. Adolf Keil.
233
Hauptam t
Kirche
Dorfschulen
Ausgaben aus
dem Mona pio-
tntin mm
Unterhalt der
Lohrer.
29. Fisch-
German
Palmningken, Rottehnen
hausen
Po wunden
Sobitten. Willkaymen,
Schmidehneu, Gun-
thenen
Lockstedt
Tenkitten
Alt Pillau
Heil. Oreutz
Laptau
Cuhinenen
Medenau
I
90. Schaaken
Thierenljerg
Fischhausen, Stadt
Schaaken
Wargen
Caymcn
Kwluu
Pobethen
St. Lohrentz
Juditten
Post nicken
Kunt /.cn
fiüa Sarken
1 Gr.Dirschkeim, Gr.Kuhren
Transau, Mulsen, Nor-
i jelinen 8 Th.
Ladkeim, Drugehnen,
Wickau, Seefeld, Pro-
jerstieten
Cragau
Ziramerbude, Marechenen,
i Blumenau a 8 Th.
Kl. Dirschkeim
Urnlacken 8 Th.
Caspershöfen, Geydau,
Neuendorff
Neuendorff, Terpienen,
Gallgarben, Conradsvitt
Bärwalde, Korkehnen, Po-
jerstieten, Margen
Waughusen, Bläcken,
Mettkeim, Seeseln. Siel-
keim, Dunau
Crantz, Michelau
Rantan, Strobjehnen, Rad-
niken
Pr. Bat tau, Rauschen,
Krahm
Kuntzen . . .
' Sarkau . . . .
| Pilkoppen
Altpr. Monntwchrift Bd. XX.III. Htt. 3 n. 4.
15 Th.
15 -
18 -
16
Digitized by Google
234
Da* Volkwhulwesen im Konigroü h ProuBen eto.
■ -
Hauptamt
■
Kirchen
Uorl so hu Ion
•lern Moa« pii>-
tuti» min
InU.rhult <1«t
Lohr er.
01. rseuniiu.seu
^ueuimu
oianiuii
Schönwalde
Kuickeiin, Poggenpfuhl
^ IUI Ii A 11 fUtf 1
JvllU J>pt;irtlJ< Uli, J-J* Ir^l 1 1 »" II,
Lauth
Heiligemvalde
ßogahnen
Aman
G Th.
i
Tormitten, Alzitt
83. Tapiau
ft2. Labiau Laukischken
Legitten
Labiau, Stadt
Gilge
Popelken
Skaisgirren
Tapiau, Stadt
Goldbach
Cremitten
Starkenberg
4 Th.
15 -
10 -
Gertlaaken
AngstJigirron 2—24-12.
Ky narien 9 Th.
Heydenberg 5 -
Promitten
Sabugiuen, Poppein, Gon-
tendorff, Vordergros-
fridrichsgrabeningken
Hintergroal'riedrichgrabc-
j ningken.
i Nemonien
Lauknen
Petriken
Alexen, Lappiehnen,
Korehlen, Wit girren,
i Ditthenen
Bud wethen, dürsten, Tra-
i koninken, Gohimwi,
Margelanken
l
Rolunnn, Pregelswalde.
I Poinauden,
Moterau, Uderballen,
i Sohillenberg
Pomedien
Schh«>s Cremitten. ... 12 Th.
Bijothen, Warpinen
Gauhiden
Digitized by Google
Von Dr. Adolf Keil.
235
H a uptamt
Kirche
Dorfschulen
Auflguben aus
dem Mona pie-
tati« Elim
Unterbilk der
Lohror
24. Gerdanen
1. Insterburg
Paterswalde
Grftnhayn
Wehlan, Stadt
Petersdorff
Kl. Schönau
Gr. Engelau
Allenburg, Stadt
Richischken
Böttchersdorff adl.
Auclitten adl.
tilia Schönwalde
Pnschdorff adl.
Löwonhagen adl.
Gerdauen adl. Stadt
Mohinenen
Assaunen
Molthenau adl.
Nordenburg
adl. Stadt
Trempen adl.
DKmerowken adl.
Georgeuburg
Bieberswalde
Negussen, Nickelsdorff,
Poppendorff
Gr. Nuhr, Kl. Kühr, Bnr-
i gersdorff
Wilkendorff, Taplacken,
Damerau
Hanswalde, Friedrichs-
dorff, Kl. Engelau
Allendorf, Allenburg
Aschlacken, Waidlacken,
Gr. Ponnau
Muldsssen
Gerkienen
Wandlacken, Gr. Sobroat,
Kl. Sobrost, Löbeninken
Gr. Bajobren, Ellerbruch,
Hochlindenburg
Pleinlanken,Starkeninken.
Auxkallen, Leipeniiiken.
Budwetschen
Astrawischken , Kii'lon-
dorff, Ihnsdorff. Schön-
linde
GTh;
4 Tb.
16*
Digitized by Google
236
Das Volksschulwesen im Königreich Preußen etc.
Hauptamt
Kirchen
Dorfschulen
Ausgaben ho»
«lern Mona jiie-
tatta «um
Unterhalt der
Lehrer
Aulowehnen
Jodlaucken
Kutten
Didlacken
Ischdaggen
Judschen
Saalau
fiiia Berschkallen
Norkitten
Pelleuinken
Niebudzen
Insterburg, ev. luth.
Gemeinde
ev. reform
Kattenau
Malwischken
Laukagallen. Pilhvagallen:
Ackmenischken, Swai-
nen, Wasserlauken,
Gerslauken
Drmipincn, Trepinen, Pa-
t remschen
Rutschen, Draupgen, En-
kisken, Baltruschatschen
Schäppetschen, Paballen.
Austkallnen
Campischkehmen
Wersmeninken, Gau-
dischkehnien
Gr. Berschkurren, Cubbeln,
Kiaulkehmen
Stohricken
Lazaninken, Wirballen,
Peslau
10 Th.
r> tu.
G Th.
H Th.
a Th.
Kl. Jägersdorff, Obelisch-
ken
Sauskoppen, Sziraudzen,
Seslack, Nainischken
Springen, Bracupönen,
Pawösen 10 Th.
Tamawischken , Powi-
lischken
Lenkaizen, Kl. Gedanken
Kraupischkehmen ....
Pncalnenen, Piraginen
Kiaulacken, Schilleuinken,
Jentcutkampen, See-
kampen
Pizinken, Abschnitten,
Smailensive, Jodu-
pchnen
6 Th.
6 Th.
Digitized by Google
Von Dr. Adolf Keil.
237
H a u pt a m t
Dorfschulen
Auftgaben ans
dem Mona pie-
Unterhalt der
Lohrer.
Enzuhnen ev. luth.
ev. refonn.
Tollmingkehmen
*
Balleten
I
I
■
Gawaiten
Nemmersdorff
Walterkehmen
Wilhelmberg
i
ev. reform.
Darkolimen, Stadt
I
f
Giunbinnen, Stadt
I
Bilderweitschen
Szirgupoenen
Plimballen, Rauschen,
Krauleidschea, Sakal-
lelen
Gurdczen, Willuhnen,Ben-
I nullen, Bnxzen
i
Soginten, Endrischken .
Didznlisohken, Piklau, Lau-
kischken, Rominten.
Taweln
Jurgaitachen, Rubaitechen
Sodehnen, Schwirdzen
Cariotkehmen, Gr. Gudel-
len, Czicen
Stonnpoenen, Plawisch-
ken
Kianten
Pruschillen
Collatiscbken
Zublauken, Suskehmen,
Kiaulischken
Maiguniseliken, Schesto-
ken, Ribbinnen, Praa-
lauken, Mazutkehmen,
Bndzesen, Warelegen . .
Gudwainen, Romoakeh-
! men
Wilhelmsberg
Gudwallen, Pötzeln. Hall-
wischken
Baltzkehmen
Stannaitachen, Waiwern,
Zameitscben, Thuren
Daggessen, Gud Wetschen.
Nicelischken
Sodenehlen, Puspern,
Äugst upoenen
6 Tb.
{ 6 Th.
10 Th.
10 Th.
3 Th.
»10 Th.
10 Th.
12 Th.
6 Th.
}
8 Th.
Digitized by Google
238
Das Yolksschulwrsun im Königreich Preufoii etc.
Hauptamt
Kirchen
2. R&gnit
Dubeninken
AuMpahen aas
«lern Mon« pi*-
tati» mm
Unterhalt der
" j-20 Th.
Stall upoeucn
Szabinen
Kleschowen
Mehlkehmen
Szadweit sehen, ref..
Kirchenach Gum-
binnen verlegt.
Gerwischkehmen
Stat.schausen, Metschkru-
pelmen, Czarnen .
Paulischken, "Wilpischken,
Pischiken 8 Th.
Enskehmen ^
Knigstanien, Wittgirren .
Wilkischken
Dtimbelii, Kickniden, Sza-
nimfin
Szadweitschen , Neston-
kehmen
5
5
15
Goldap, Stadt
Pillnpoem
Göritten, evan. ref.
Szittkehmen
4 rth.
Schirwindt
Willuhnen
Pillkallen, Stadt
Malewischken, Pctsch-
kehmen 3 Th.
Kl. Berrechkurren, Gr.
Berschkurren, Czernin-
ken
Pibellen
Jehrkischken, Wilkait-
schen, Pietraschen,
Skictachen
Egglinischken, Wikna-
witachen
Dupoenen, Mazutscheu
6 relbrm. Dorfschulen
Skaisgirren, Wiszupönen . , j 12 rth.
ref. Ribbenischkcn
I.
21 rth.
1
8 rth.
Kermuschienen, Pirappen \
Deunen f*>
Wingern , Warrakallen,
Seillehnen, Ascrutten
Uschpiaupen, Rudzen,
Doblinzen, Julien, Kl.
Warninken
Digitized by Googl^
Von Dr. Adolf Keil.
239
Hauptamt
3. Tilsit
Kirche
Lasdehnen
Wischwill
Wilkiacbken
Zillen
Ragnit. Stadt
filia Lengwethen
Heinrichswalde
Joneykischke»
Lappienen
Kau Rehmen
Coadjuten
Piktupoenen
filia Tauroggen
Dorfsch ulen
AnMfraben
dem Mon« pie-
tati« com
Unterhalt der
Lohrer.
10 rth.
15 rth.
Gr. Wersineninken, Jug-
natsohen, Ballupoenen,
Angstutschen, Wisba-
rinnen
Widkehmen, Wezeninken,
Alt Lubölmen, Gal-
braschen, Trapönen,
Krakischken
Kniwellen, Kackzen, Wa- 1 g rtfl
zeninken, Skaisgirren . J
Balaudzen, Szlekken, Tv-
portcn, Gigarn, Czibir-
ben, Uzelksnen
Paskalben, Waidinnen,
Sobersken, Netzunen, >10 rth.
Unter Eysseln
Gmnenherg, Puschkappen.
Segvethen, Skardu-
pönen, Kl. Friedrichs-
dorff
Bartscheiten, Leutenbude,
Lindendorff. Wolffsberg,
Bogdohnen
Elbinger Neusäss, Kutten-
, berg, Powelninken
Skören, Sköpen, Kaukeh-
; men, Warekillen, Leit-
girren
Zamaitkehmen, Bittmesz-
ken, Augszkyken, Tim-
stern
Culmenen, Jonikaitcn,
Lumpönen
Tauroggen 15 rth.
Digitized by Google
240 Dh* Volksscliulwesen im Königreich Preiiflen etr.
Hauptamt
Kirche
Dorfschalen
Ausgaben ho»
dein Möns pie-
tatis zum
Luterbftlt der
Lehrer
— — .
Kallenincken
— — ... . .
filia Inse
5 rth.
Tilsit, Stadt
Pogegen, Lasdehnen, Po-
krnken, Alt Wagnothen,
Bartken, Karteninken,
5 rth.
II. Anhang.
Memei
•Schakkuhnen
Hlia Karkel
Russ
Kinten
Pröculs
Werden
Deutsch Crottingcn
Memel. Stadt
filia Curwaiten
Spuken, Wieszaiten
Czihe, Skvrwilt, Pokalnc,
Schakunellen
}»
Tli.
Gergekischken, Maatzken, 1 n
> b In.
Staukischken, Minge
Dittauen, Roken, Stuttcn,
Aglonen, Dwvlen, Schil-
leninken, Swenzeln,
Grumbeln, Sakuten
Rankutten, Peterleiden, \\
Kukoraiten, Martinnau- /
disch, Heidekrug, Pa- ylti Th
schissen, Jucnaten, \
Uschieiken |'
Gergenkunken, Gibbiszen.
Karkelbeck, Wallenen,
Wittanten
Plukeu, Tnwzcl, Jagszen, \\
Darein. Sudmanten, I
Dietzken, Buddelkeim, • (
Kischken, Schmelz . . . '
Curwaiten
16 Th.
Digitized b^Qoögk
Von Dr. Adolf Keil. 24 t
Specification der durch die Revision festgesetzten Schulen.
Hauptamt
Kirche
Dorfschulen
Au» rtem
Mon« pietati»
zum Unterhalt
<l»>r Lohrer
wird gogobon:
1. Ragnit
NSchirwindt
8 Tb. 15 gr.
Wüluhnen
Kruszen, Eggenischken. .
a 15 Tb.
Pillkallen
Schwarzeln, Kartschu-
a lo «
Lasdehnen
15 .
Wischwill
Uszballen, Augsgirren . .
a lo •
U Th. 80 gr.
Budwethen
Gerskullen
Szillen
13 Th. (iO gr.
Ragnit
Raudzen, Bitthenen ....
a 15 Th.
2. Merael
Schakuneu
10 Th.
Pröculs
Gallezinnen, Jahn Snoten
a 10 •
Werden
TT — 1 • ^ »
15 •
Deutach Orot titigen
Pipirren
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Nidden, Scbwnrzort ....
a 15 Tb.
filia Curwaiten
3. Tilsit
Jotieykiscliken
Gilkendorff
Kankchmen
>
Ginnischken
4. Insterburg
Georgenburg
15 Th.
Küssen
Mingstinnen
Didlacken
15 Th.
12 Tb. 12 gr.
15 Th.
Ischdaggen
Florkehmen
Norkitten
10 Th.
Pelleninkon
10 .
lnsterburg
10 .
Kraupischken
Girrehnen, Schupinnen . .
a 15 •
Nemmersdorf
15 .
Walterkehmen
10 .
Wilhelmsberg
6 .
1 Kl. Kuttel
7-15.
Enzuhnen
15 Th.
Digitized by Google
242
Das Yulks.M-huIwo.seii im KönigroinU P reu Ben vir.
Aas dem
Hauptamt
Kirche
Dorfsrlmlen
Mon» pietati*
zam UntwrhiUt
der Lehrer
wird gegeben:
5. Gumbiunen
Szirgupoenen
15 Th.
Angerburg
Lotzen
Oletzko
Lyck
Szabinen
MeUlkeUmen
Gerwischkehmon
Szitkehmen
Benckheim
Angerburg
Kutten
Gumen
Ridzöwon
Mücken
Lotzen
Widminnen
Miemesken
Czichen
Stradatuien
Wielitzkeu
Marggrabowa
Kallinowcn
Lisaöwen
Pissanitzen
Lyck
Kngallen
Szimkuhnen . . .
Kl. Berrschkurren
Szauslcszuwcn . .
Kerszken . .
Kl. Pillaken
Miesschullen
Ogonken . . .
Sobiechen . .
Wilkowen . .
Zubinick
Grodziüko
Pila<ken .
Zielacken . .
Kleschöwen .
Knicklumen
Danowen .
Spieroten . .
Kmiipen .
Orlowen, Lippowen, Ma-
suchot'ken
1 Bitkowen
Borcken
Gollnbien
Plocicko
Woynaaehen
Zayden, Dabrovskcn.
Dopken
Wiersbowen
Borziniincu
Skomento. Skrzywen . . .
Gollubien, Butzken, Bar-
tossen
7 .
15 .
15 ,
11 7 V
7 Th.
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12-27.
10 TU.
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10 .
10 •
10
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9 Pf. pro
Alle.
Digitized by Google
Von Dr. Adolf Keil.
•243
Hauptamt
Kirche
Dorfschulen
■
Ann «lern
M<m» pintilti»
zum Unterhalt
iii<r Lnbrer
wird gegob»u:
Johanuisburg
Rosinsko
Y-v • «
17—30.
Johannisburg
12 Ith.
T II "1 • A.A.
Jaschkowen, Ribittwcn
k 10 •
Rhein
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ITT" 1
13 •
Schimmiken
10 .
Arys
10 .
Eckoraberg
Juchlimmen, Zastrosnen,
f-9 • 1
a 15 •
Rhein
Skoppen. Weydicken,
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Eichniedien
in balbkeim, Zulage a . .
1 rth. 30 gr.
Seheston
Sensburg
10 rth.
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Sehesten
11 rth.
Orteisburg
Orteisburg
Scedantzig
1 zusammen
Schön Damerau
Xeykeikutt, Marzowen . .
J53 Th. 20 gr.
Neidenburg
Willen berg
Gr. Przesdzenek, Gr. Piw-
nitz, Leschinen, Kepar-
allTh.8gr.
)
Muschaken
10 Th.
Neidenburg
Scherokopass
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Napierken
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Soldau
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Scurpien, Zulage
3 Th.
Schernau
2 >
Osterode
Osterwein
Parwalcken
15 •
Hohenstein
Hohenstein
15 «
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244 Das Volksschulwesen im Königreich Preußen etc.
Hauptamt
Kirche
Dorfschulen
Aua dem
Mono pietAtit
zum Int erhalt
der Lehrer
wird gegeben:
Liebetadt
Waltersdorff
Liebstadt
Waltersdorff
Sporteimen
Pr. Mark
Schnellwalde
Alt Christburg
Heiligen walde
Saalfeld
Weppers. Zulage
Buchwalde, Zulage ....
Alt Döllstädt
Sorbühnen, Zulage ....
5 rth.
1 •
2 »
8 •
Balga
Heiligenbeil
Zuschuss ....
7 •
Pobethen
Rudau
Kasniken
Cranz
10 .
10 •
Labiau
Popelken
Labiau
Czerninken
Neu Hinderort
15 .
15 •
Tapiau
Kl. Schönau
Cremitten
Paterswalde
Petersdorff
Dietrichs walde
Warginen
Lindemlorff
Weissensee, Lieakeu,
Skitten
6 •
6-85.
Pr. Eylau
Dexen
Rositten
Brandenburg
Gersehke
Creutzburg
Thierenberg
Barton
4 rth.
Fischhausen
Norgen
Digitized by Google
Johann Albrecht I. yon Mecklenburg,*)
der Schwiegersohn des Herzogs Albrecht von Preussen, in seinen Be-
ziehungen zur deutschen Reformation und zum Herzogtum Preussen.
Vortrag",
gehalten in der Königlichen Deutschen Gesellschaft in Königsberg in Pr.
am 22. März 1886
von
Dr. Paul Tschaekert,
Professor in Königsberg in Pr.
Je länger sich die Wissenschaft mit Herzog Albrecht von
Preußen und seinem Lebenswerke beschäftigt, desto mehr werden
seine unschätzbaren Verdienste um sein Land und damit auch
um ganz Preußen anerkannt. Aber auch alles, was ihn persön-
lich betraf, darf bei uns patriotisches Interesse beanspruchen,
zumal ja über den edlen Herrn ein unsagbar tragisches Greisen-
alter gekommen ist. Je trübseliger seine zweite Ehe mit einer
ihm nicht gleichgesinnten braunschweiger Prinzessin war, von
1550—1568, wo beide, fern von einander, an einem Tage starben,
der Herzog in Tapiau, die Herzogin in Neuhausen, und den
Sohn hinterließen, der mit epileptischem Erbteil begabt in
Schwermut verfiel und doch im Königsberger Schlosse sein
trauriges Leben bis auf 65 Jahre brachte1): um so lieber ge-
denken wir der glücklichen und erfolgreichen Periode des Lebens
und der Regierung Albrechts, wo von 1526 — 1547 bei dem Auf-
*) Mit Benutzung von F. W. Schirrmacher, Johann Albrecht I.
2 Teile. 775 und 403 Seiten. Wismar 1885.
1) C. A. Hase, Herzog Albrecht von Preußen und sein Hofprediger.
V1879.) S. 258. 889. 394-390.
Digitized by Google
•24 ü
Johann Albrecht I. von Mecklenburg etc.
blühen des Herzogtums und der Universität die edle Frau aus
dem dänischen Königshause, Dorothea, in glücklichster Ehe ihm
zur Seite stand.
In dem durch die degenerierten Ordensritter verwahrlosten
Lande hat die hohe Frau fast 21 Jahre lang als Schöpferin
edler Sitte, als Mutter des Volkes, als Gönnerin unserer Hoch-
schule gewaltet, bis ein früher Tod sie 1547 Innnahm. Alle
Liebe, mit der Albrecht ihr verbunden gewesen, konnte er nur
auf das einzige Kind übertragen, das ihm aus der kinderreichen
Ehe mit Dorothea übrig geblieben war, auf die Prinzessin Anna
Sophia; wem er sie einmal anvertraute, mußte ein Fürst nach
seinem Herzen sein. Dieser fand sich unerwartet, als bei der
Hochzeit im Jahre 1550 hier neben der Fürstentochter der junge
fromme ritterliche Herzog von Mecklenburg Johann Albrecht saß.
Es war gerade damals eine Zeit hochgradiger politischer
Erregtheit ; fernab vom Kaiser Karl V., diente die Hochzeit in
Königsberg zugleich als politischer Congreß;2) verwandte und
gleichgesinnte evangelische Fürsten fanden sich zusammen, um
sich gegen den nach dorn schmalkaldischen Kriege übermächtigen
Kaiser, der zwei gefangene deutsch-evangelische Fürsten nicht
freiließ, zur Wehr zu setzen; der thatkräftige Küstriner Mark-
graf Johann von Brandenburg hatte dazu auch den jungen
Mecklenburger Herzog eingeladen; in diesem fand Albrecht den
rechten Mann für seine Tochter; an seinem eigenen Hochzeits-
tage, am 24. Februar 1550, legte er ihre Hand in die des jungen
Fürsten. Beide Herzöge haben wie Vater und Sohn von da an
in innigem Verkehr mit einander gestanden. Schon das ist
Grund genug, sich mit Johann Albrecht von Mecklenburg
genauer bekannt zu machen. Dazu kommt noch ein weiterer
Anlaß, indem im Jahre 1885 Professor Schirrmacher in Rostock
uns eine umfassende, gelehrte und mit Urkunden reich ver-
sehene Geschichte des hochzuehrenden Ahnherrn des mecklen-
burgischen Herzogshauses geschenkt hat. Da jüngst eine Seiten-
2) F. W. Sehirrmacher, Johann Albrecht I. (1885.) f. Teil, S. 70.
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Von Dr. Paul Tschackert.
linie dieses urevangeli sehen Hauses durch eine Mischehe römisch-
katholisch geworden ist, so wird ihr gegenüber das Lebensbild
Johann Albrechts zugleich ein recht zeitgemäßer Spiegel für
die Gegenwart.
Der Bräutigam zählte, als er sich verlobte, 25 Jahre. Er
war am 22. December 1525 in Schwerin geboren. Seine Er-
ziehung hatte er seit seinem vierzehnten Lebensjahre an dem
Berliner Hofe unter dem evangelisch gesinnten Joachim II. und
an der brandenburgischen Universität Frankfurt a. O. genossen.
Im Kriegsjahr 1547 verlor er seinen Vater, der auf des Kaisers
Seite stand. Bei dem mecklenburgischen Princip der Erbteilung
war der junge Herzog als der älteste von fünf Söhnen nicht
im Stande, diese kaiserfreundliche Politik zu ändern, zumal
seine Mutter streng katholisch blieb, und das Mecklenburger
Land tief verschuldet war. "Während der Katastrophe von Mühl-
berg auf der Lochauer Heide am 24. April hielt der junge
Herzog neben Karl V. Noch im Herbste belehnte dieser daher
ohne Anstand ihn und seine beiden ältesten Brüder auf dem
Reichstage zu Augsburg, auf demselben Reichstage, wo der sieg-
reiche Kaiser den geknebelten protestantischen Ständen einen
halben Katholicismus im „Augsburger Interim" aufdrängte. Aber
Johann Albrecht war evangelisch und ein Charakter ; in Mecklen-
burg wurde daher das Interim nicht angenommen, und als er
sich 1550 mit der preußischen Prinzessin verlobte, versprach er
ilir ,,sie bei der Wahrheit der Augsburgischen Confession zu
lassen, in der sie, wie er selbst, erzogen sei."8)
Am Königsberger Hofe wünschte man, daß die Hochzeit
noch in diesem Jahre stattfinde. Allein der Bräutigam, der die
Geschicke des Protestantismus und des Vaterlandes auf dem
Herzen trug, hatte zum Heiraten noch keine Zeit; erst sollte
die wahre Religion und des Vaterlandes Freiheit und
Frieden hergestellt werden.*) Dieser ideale Standpunkt
B) F. W. Schirrmacher, Johann All recht I. (1885), I. Teil, S. 6.
4) F. W, Srhirrmacher, a. a. O. S. 41.
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248
Johann Albrecht I. von Mecklenburg eto.
trieb den jungen Fürsten zunächst zur Mitwirkung bei dem-
jenigen Stück deutscher Geschichte, als deren Held gewöhnlich
Churfürst Moritz von Sachsen gefeiert wird, als derjenige
Diplomat und Kriegsherr, welcher dem unentwegten Rechner
Karl dem Fünften alle Vorteile des Schmalkaldischen Krieges
entwand und den Protestantismus staatsrechtlich sicher stellte;
ja von mancher Seite wird dieser „Retter des Protestantismus"
so hoch gepriesen, daß man ihm vergiebt, was er 1546 treulos
verbrochen, weil ihn doch scheinbar sechs Jahre später die That-
sache rein wäscht, daß er den Passauer Vertrag erzwang und
dadurch den Augsburger Religionsfrieden vorbereitete. Allein
gerade die Handlungsweise Johann Albrechts von Mecklenburg
wird eine thatsächliche Korrektur dieser landläufigen Ansicht
über Moritz ; wir kommen dabei zu der Erkenntnis, daß Moritz,
dieser Meister Staatsmann ischer Intriguen, weder für das Recht
der Augsburgisehen Konfession, noch für die Freiheit Deutsch-
lands das Schwert gezogen, sondern von Mühlberg bis Sievers-
hausen das egoistische Ziel verfolgt hat, durch Ausnützung aller
brauchbaren Parteiverhältnisse diejenige dominierende Stellung
zu erringen, die ihm, wenn er nicht 32 jährig gestorben wäre,
ermöglicht hätte, den habsburgischen Einfluß aus dem deutschen
Reiche zu verdrängen. War einmal erst die Erfolglosigkeit der
Allerweltspolitik des Habsburgischen Hauses offenbar geworden,
warum sollte nicht bei vorkommender Kaiserwahl der mächtige
Wettiner, der Held der Staatskunst und der Schlachten, die
deutsche Krone empfangen? Nur aus solch einem Plane, den
der wortkarge Mann mit sich herumgetragen haben mag, läßt
sich das Netz von Treulosigkeiten erklären, welches er ge-
sponnen hat. An einer Stelle hat es Johann Albrecht durch-
schaut, der als Fürst von Ehre, als Christ mit Gewissen, als
Deutscher mit Selbständigkeitsbewußtsein im Jahre 1552 in den
Krieg gegen den Kaiser gezogen war. Wäre es nach ihm ge-
gangen, so hätten wir den Passauer Vertrag nicht bekommen,
wohl aber einen besseren, einen sicheren Religions- und Reichs-
frieden, der nicht, wie der Augsburger, durch seine verbittern-
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Von Dr. Paul Tsehackert.
249
den Bestimmungen die Möglichkeit des dreißigjährigen Krieges
bereits in seinem Schooße trug. Aber Moritz dachte anders.
Nach dem unglücklichen Ausgange des Schmalkaldischen
Krieges galt er als Verräter des Protestantismus, zumal da er für die
Befreiung der beiden gefangenen evangelischen Fürston nichts
that. Er, der jedesmal einer Partei nur soweit beitrat, daß er sich
den Zugang zur Gegenpartei offen hielt, der auch den Kaiser nur
benutzt hatte, um zunächst in Xorddeutschland die dominierende
Stellung zu erlangen, er sah sich jetzt gezwungen, die Sympathie
der norddeutschen protestantischen Stände wieder zu gewinnen.
Durch eine neue Treulosigkeit wandte er sich daher gegen den
Kaiser, der ihn doch für so zuverlässig hielt, daß er sich trotz
aller bösen Gerüchte nicht entschließen mochte ihm zu miß-
trauen. Nachdem sich Moritz für den Fall des Mißlingens
seines Unternehmens einen festen Rückhalt in Magdeburg ge-
schaffen, führte er seine Reisigen über den Thüringer Wald
nach Süden gegen Augsburg, um gerade durch Einnahme dieser
berühmten kaiserlichen Stadt den Kaiser in Deutschland um
seine ,, Reputation" zu bringen. Unter den Fürsten, die sich zu
einem Angriffskriege gegen Karl V. am 22. Mai 1551 zu Torgau
und am 5. October zu Lochau verbunden und sogar die Hülfe
des habsburgischen Erbfeindes, des französischen Königs im
Vertrage zu Friedewalde in Hessen Anfang des Jahres 1552
zugesichert erhalten hatten, gehörte begeistert auch Herzog
Johann Albrecht von Mecklenburg, der mit 600 Reitern unter
Moritz Oberbefehl focht.5) Wir denken mit Trauer an jenen
Krieg, in welchem sich der französische König als sogenannter
Reichsvikar diejenigen Städte des deutschen Reiches ausmachte,
in denen nicht deutsch gesprochen würde, „des villes qui no
sont de la langue Germanique", Metz, Toul und Verdun, woraus
später die französischen Provinzen Elsaß - Lothringen wurden,
die 1870 zurückerobert werden mußten.") Die Hauptschuld
5) v. Lau genn, Moritz Herzog mul Churfürst zu Sachsen (18-11),
r, S. 4G7. 474. 484 un«l F. W. Schirrmacher, a. a. 0. S. 147. 205.
6) v. Langen n. a. a. 0. S. 485.
Altrr. Monatwcbrift Bd. XXIIL Hft 13 u. i. 17
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250
Johann Alhrecht I. von Mecklenburg etc.
aber an jenem verzweifelten Schritte deutscher Fürsten trägt
der ausländische Mann an der Spitze des Reiches, der spanische
König, der deutschen Glauben zertreten und deutsche Fürsten
gefangen gesetzt und vielleicht für einen Ungewissen Tod hinter
spanischen Mauern aufgespart hatte.7) Seiner spanischen Un-
treue gegenüber schreckten die Verbündeten nicht zurück vor
dem Versuche, einen Ausländer mittelst eines andern lahm
zu legen.
Der Feldzug gelang überraschend; Moritz zog in Augsburg
als Sieger ein und der Zugang durch das Lechthal nach Tyrol,
wo der Kaiser weilte, die Ehrenberger Klause bei Füssen, ward
am 18. Mai 1552 erstürmt; in der Nacht des folgenden Tages
floh der Kaiser aus Innsbruck; gichtkrank, trübselig, hülflos
ließ er sich in einer Sanfte auf gebirgigen Wegen nach Villach
tragen, um der sicheren Gefangenschaft zu entgehen. Als Moritz
am 23. Mai in die Hauptstadt Tyrols einritt, war er Herr der
Situation im ganzen deutschen Reiche. Alle Welt erwartete,
daß er dem Habsburger einen Frieden abnötigen würde, welcher
den Protestantismus und die Freiheiten der deutschen Stände
sicher stellte; die Macht dazu hatte er unzweifelhaft. Da geschah
das Unerwartete; er ließ sich mit dem Bruder des Kaisers auf
Verhandlungen ein, und diese führten am 2. August 1552 zum
Passauer Vertrage, in welchem Alles — auf einen Reichstag
hinausgeschoben wurde, der in einem halben Jahre zusammen-
treten und die Religionssache und die Gravamina der Stände
verhandeln solle.
Dieser Passauer Vertrag wird gewöhnlich als die von
Moritz erzwungene Rettung des Protestantismus gepriesen und
selbst der ausgezeichnete Biograph des Churfürsten, von Langenn
meint: wenn Moritz nur einen Sondervorteil gewonnen hätte,
so würde er kein reines Andenken in der Geschichte haben;
bei diesem Werke könne des Baumeisters ohne Bitterkeit ge-
dacht werden.8) Allein wenn wir erwägen, daß Moritz seine
7) v. Langenn, a. a. 0. S. 473.
8) v. Langenn, a. a. O. S. 544.
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Von Dr. Paul Tsdiackcrt.
251
Fehde gegen den Kaiser fallen ließ, als er und seine Verbündeten
noch das siegreiche Schwert in der Hand hatten, Karl V. aber
in Deutschland machtlos und sein Bruder Ferdinand von den
Türken im Osten bedroht war, so liegt die Vermutung nahe,
daß er Hintergedanken hegte. Es mochte ihm noch nicht an der
Zeit scheinen , den Kampf mit den Habsburgern bis zum
Äußersten zu führen ; gewonnen hatte er ja doch schon viel, indem
er des Kaisers „Reputation" gründlich geschädigt hatte; die
weitere Ent Wickelung konnte er abwarten, zählte er doch erst
31 Jahre. Daher schwenkte er zunächst wieder einmal in das
kaiserliche Lager ab und focht zu Gunsten des Königs Ferdinand
in Ungarn gegen die Türken. Allein nicht bloß der wilde
kampflustige Albrecht Alcibiades von Brandenburg - Kulmbach
hielt die Passauer Abmachung „mehr für eine Verräterei als
einen Vertrag" ; 9) auch Johann Albrecht von Mecklenburg dachte
nicht daran, „sich von Moritz in das Schlepptau nehmen zu
lassen." Er, der den Feldzug bis Innsbruck aus idealen Interessen
mitgemacht hatte, weil er „keinen andern Weg sah, seine
Unterthanen und sich bei reiner göttlicher Lehre zu erhalten," 10)
sprach in Gemeinschaft mit den anderen Verbündeten ein jetzt be-
kannt gewordenes Bedenken aus, das dem 27jährigen jungen
Fürsten alle Ehre macht. Habe man sich einmal mit dem franzö-
sischen Könige verbunden, so dürfe der Vertrag auch nicht ohne ihn
geschlossen werden; „ehe wir gegen fürstliche Treue und Glauben
handeln, eher wollten wir an Leib und Gut Nachteil erdulden."
Materiell vollends gereicht der Vertrag dem papistischen Teil zum
höchsten Vorteil, uns dagegen zum äußersten Nachteil. Denn die
Hauptsache, warum dieser ganze Krieg vorgenommen, ist mit
keinem Finger angerührt. Diese Hauptursache aber ist eine doppel-
seitige, einmal die religiöse, die Wahrheit des Wortes Gottes
gemäß der Augsburgischen Konfession, sodann die nationale,
nämlich die Freiheit des Vaterlandes, zumal die Abstellung der
9) v. Lange nn, a. a. 0. J. S. 552.
10) F. W. Schirrmaclier, a. a. 0. S 154. — Beteiligung am Fern-
zuge. S. 189.
17*
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252
Johann Alliwht I. von Mecklenburg etc.
Gravamina und die Freilassung des gefangenen Landgrafen.
In Bezug auf die religiöse Seite habe der Herzog keine Lust,
über die wahre Religion weiter disputieren zu lassen; eine
dreißigjährige Erfahrung habe gelehrt, wie es die Gegner mit
der Religion meinen; vollends sich die evangelische auf ein
halb Jahr vom Kaiser bewilligen zu lassen, während dem
papistischen Teile seine angeblich „alte Religion" frei gelassen
werde, — eine solche „halbjährige Religion" erschien ihm
schmachvoll. Sollten Religion und Gravamina erst wieder in
die "Weitläuftigkeit eines Reichstagen kommen, so werden wir,
sagte er, „in das weite Meer gewiesen", und das alles „in einer
Zeit, da wir noch das Schwert in der Hand haben". Statt all
dieser Weitläufigkeiten verlangte Johann Albrecht, daß die
wahre Religion gemäß der Augsburgischen Konfession ganz rein
und klar zugelassen werde, ohne daß von Konzil und Kolloquium
noch die Rede sei; er verlangte ferner die Zurückberufung der
durch das Interim vertriebenen evangelischen Prediger, die Auf-
hebung der Jurisdiktion der Geistlichen, die Beobachtung der
goldenen Bulle, die Erledigung der gefangenen Fürsten und
noch manches andere, was uns gegen den Papst und gegen die
spanische Regierung sicher gestellt hätte.11) Aber dem edlen
charaktervollen Fürsten fehlten die Mittel, die Politik eines Moritz
erfolgreich zu durchkreuzen. Enttäuscht über den Ausgang des
Krieges zog er im September 1552 nach Mecklenburg zurück,
um wenigstens im eigenen Lande die Reformation energisch
durchzuführen.
Als dann Moritz im folgenden Jahre im planvollen politischen
Interesse, zur Aufrechterhai tung seiner eigenen dominierenden
Stellung in Norddeutschland die Fehde gegen den wilden
Albrecht Alcibiades von Brandenburg - Kulmbach aufgenommen
hatte und beide zum Kampf auf Leben und Tod im Hannöver-
Ii) Das Bedenken ist gedruckt bei Schirr macher a. a. O., II. Teil.
S. 175—179. Dazu die Darstellung bei Schirrmach er a. a. O. I. Teil.
S. l'JO-197.
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Von Dr. Paul Tschackert.
253
sehen einander gegenüber standen, eilte der edle Johann Albrecht
in die Nähe von Burgdorf und Peine, um die Fürsten zu ver-
söhnen und die bevorstehende schwere Schädigung der protestan-
tischen Streitkräfte zu verhindern. Sie wollten aber nicht hören.
Johann Albrocht, der an jenem unglückseligen 9. Juli 1553
nicht fern von Sievershausen gewesen war, wo der siegende
Moritz die tödtliche Schußwunde erhielt und G000 Todte das
Schlachtfeld deckten, ist in der trübsteu Stimmung unverrichteter
Sache in seine Heimat zurückgekehrt.12)
Von da an gehört der mecklenburgische Herzog ganz seinem
eigenen Lande an, wo unter unsäglichen Streitigkeiten mit seinen
Brüdern, den partikularistischen Ständen und besonders mit der
oppositionellen Stadt Rostock seine feste Hand dringend nötig
war. Unter den vielen glänzenden Leistungen seiner Regie-
rung steht die Reformierung und neue Fundierung der Landes-
universität Rostock im Geiste der Wittenberger und wie es
scheint , nach den Verhältnissen der Königsberger Hochschule
obenan, so daß Johann Albrecht, der feinsinnige Freund Melanch-
thons, als der zweite Begründer der Rostocker Universität ge-
feiert werden muß.13) Auf die Verhältnisse des deutschen
Reiches hat er nicht mehr eingewirkt; dagegen spielte er in der
Geschichte der deutschen Ostseestaaten eine wichtige Rolle.
Abgesehen von seinen mißlungenen Versuchen, das Erzbistum
Riga als Versorgungsstelle für einen jüngern Bruder zu erwerben
und so Mecklenburgs und dadurch Deutschlands Einfluß in den
baltischen Ostseeprovinzen aufrecht zu erhalten, M) nehmen seine
Beziehungen zum Herzogtum Preußen nicht bloß aus lokalen,
sondern auch aus sachlichen Gründen unser Interesse in Anspruch.
Nachdem die hohe deutsche Politik und viel Ärger im
eigenen Lande den jungen Fürsten seit 1550 volle fünf Jahre
beschäftigt hatte, konnte er endlich an seine Vermählung denken.
12) v. Lauge im, a. a. O. I. äSO AT., Schirrniarher, a. a. O. I. 230ff.
18) Schi rr mach er, a. a. O. I. 854.
11) Sc hirr mach er, a. a. 0. I. 282 ft'.
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251
Johann Allnvcht I. von Mecklenburg «tc.
Sie wurde auf den Hochzeitstag des Schwiegervaters, auf den
24. Februar 1655 festgesetzt, und unser Herzog willfahrte gem,
die Prinzessin im "Winter selbst nach "Wismar zu bringen. Die
Trauung fand dort am festgesetzten Tage, am Sonntage Estomihi
in der Hofkirche statt.16) Die Ehe war mit Kindern gesegnet,
und wie schon seit der Verlobung des Mecklenburgers, so waltete
seit seiner Vermählung zwischen ihm und dem Preußenherzog
ein herzliches Verhältnis, bis der Tod sie schied. Der Schwieger-
sohn sah in seinem Schwiegervater eine Zierde der Christen-
heit und der deutschen Nation;16) nichts wichtiges hat er
unternommen, ohne sich von dem greisen Herrn Rat zu erbitten:
dieser wieder wußte sich mit Johann Albrecht einig bis in die
geheimsten Bedürfnisse des religiösen Gemütes. Oft ist Johann
Albrecht mit seiner Gemahlin und seinen Kindern in Königs-
berg gewesen; sein ältestes Söhnchen ist im Alter von 4 Jahren
(1561, 2. März) auch hier gestorben;17) Herzog Albrecht hin-
wiederum gab viel auf das Wort seines Schwiegersohnes. Als
in Folge der Osiandristischen Streitigkeiten hier die Zustände
fast unerträglich wurden, konnte so der mecklenburgische
Herzog, der eigens deswegen Anfang 1556 nach Königsberg ge-
kommen war, die Abhaltung der Synode von Riesenburg und
den ersten "Widerruf des Hofpredigers Funck am 18. Februar
1556 daselbst durchsetzen.18) Ein in dieser Angelegenheit jüngst
veröffentlichter Brief Funcks zeigt, daß der mächtige Günstling
des Herzogs sich vor dem mecklenburgischen Herrn beugte. lfl)
Daß dann bei der schlimmen Entwickelung der politischen Ver-
hältnisse im Herzogtum Preußen Johann Albrecht daran dachte,
sich für den Fall der Minderjährigkeit des zukünftigen Regenten
Einfluß zu sichern, wird ihm niemand verdenken. Die heillose
15) Schirrmacher, a. a. O. I. S. 263 ••■265.
16) Schirrmacher, a. a. 0. I, 673.
17) Schirrmaoher, a. a. O. I. 753.
18) C. A. Hase, Ilorzog Albrechl. von Prcußrn und sein Hofpmliger
(1879), S. 244 ff.
19) Schirrmacher, a. a. 0. II, 300-^03.
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Von Dr. Paul Tschackert.
255
Wirtschaft der alten und der neuen Eäte des Herzogs, zumal
seitdem der falsche Markgraf von Verona, der Schwindler Skalich,
von 1562 bis 1566 das Vertrauen desselben hier mißbrauchte,
erfüllte ihn mit Unwillen.20) Er hoffte daher, die Mitbelehnung
und die vormundschaftliche Regierung zu erhalten. Als die Dingo
in Königsberg „zum Brechen reif" waren, setzte er im Früh-
jahr 1566 hier durch, daß der 76jährige Herzog an Stelle des
alten Testaments vom Jahre 1541 am 14. Mai 1566 ein neues
aufsetzte, in welchem er für den Fall dos Todes seines Sohnes
Albert Friedrich aus zweiter Ehe, neben dem Ansbacher Mark-
grafen Georg Friedrich, auch seiner geliebten Tochter Anna
Sophie, deren Gemahl Herzog Johann Albrecht und seinen
Enkeln aus deren Ehe ihre gebührende Gerechtigkeit vorbe-
halten will. Falls Albert Friedrich unmündig sterbe und Johann
Albert vom Polenkönig nicht [als Lehnsnachfolger] anerkannt
werde, so testiere er ihm (ex avita dispositione) die Schlösser
Memel, Tilsit, Ragnit, Insterburg, Georgenburg und Angerburg
oder als Ersatz dafür 600 000 ungarische Goldgulden. Bleibt
aber Albert Friedrich am Leben, so soll während seiner Un-
mündigkeit nächst dem polnischen Obervormund und Testamen-
tarius König Sigismund August doch noch der Herzog Johann
Albrecht als Nebenvormund fungieren, damit alle Stände
bei Recht und Gerechtigkeit und insbesondere das Land
bei der Augsburg ischen Konfession erhalten werde.
Johann Albrecht empfing damit die Aufgabe, den jungen
Sohn unsers Herzogs vor der Tyrannei der Regiments-
räte und das Preußenland vor der Polonisierung zu be-
wahren.81) Aber der bald darauf im Herbste 1566 erfolgte
Königsberger Justizmord, durch welchen der Hofprediger Funck
und die Räto Schnell und Horst am 28. Oktober 1566 „mit un-
heimlicher Eile" hingerichtet wurden, gab den deutlichsten Be-
weis, daß nicht der Mecklenburger, sondern Polen in Königs-
20) Seil irrin ach ur, a. a. O. I. 6ßtt.
21) Schirrmacher, a. a. O. I, 6fi4~<;ü5.
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250
Juhauti AI brecht I. von Mi-cklenburg etc.
berg Einfluß besaß. Johann Albrecht wurde seitdem durch die
Krone Polen von jeglicher Teilnahme an den preußischen Ver-
hältnissen ausgeschlossen, das Testament Albrochts vom Jahre
1560 kassiert und der greise Herr gezwungen, unter polnischem
Hochdruck 1567 ein neues, das letzte aufzusetzen, welches für
Johann Albrecht keinen Vorteil bot. Er hat weder Vormund-
schaft, noch Schlösser, noch Geld empfangen; ohne in die
preußischen Verhältnisse eingreifen zu können, mußte er viel-
melir noch erleben, daß 1573 der junge Herzog in Preußen fünt
Jahre nach dem Tode seines Vaters geisteskrank wurde. Gewiß
mag der alte Herzog gewußt haben, warum er seinem zur Schwer-
mut neigenden Sohne einen Vormund hat geben wollen, wie es
sein Schwiegersohn war.22)
Schon drei Jahre darauf, am 12. Febr. 1576, ist auch Jo-
hann Albrecht heimgegangen, noch in der vollen Blüte des
Mannesalters, 50 Jahre alt, schied or — es sind seine eigenen
"Worte — voll Hoffnung auf das Vaterland droben aus dieser
Welt, die ihm so viel zu schaffen gemacht habe.28) So lange
wir seinen Lebensweg verfolgen können, zeigte er sich als eine
mannhaft religiöse Natur; er war evangelisch aus Überzeugimg,
begeistert für das Wort Gottes als das höchste Gut und Kleinod,
aber als Freund Melanchthons allen Lehrgegensätzen abhold;24)
als warmer Patriot wollte er die Freiheiten der deutschen Nation
gegen hispanische und jesuitische Politik sicher stellen; als
Landesfürst edel, umsichtig, zu schnellem Handeln bereit, rast-
los thätig, war er auf Mecklenburgs Wohlfahrt unter unsäglichen
Mühen gewissenhaft bedacht, allem Edlen in Kunst und Wissen-
schaft zugeneigt, mit vielen ausgezeichneten Gelehrten in ver-
trauensvollem Briefwechsel nahe verbunden, als Mensch liebens-
würdig, zumal in Familienverhältnissen, voll namenloser Geduld
gegen seine halsstarrige altgläubige Mutter, voll Opferwilligkeit
22) So Schirrmacher, a. a. O. I, 676.
23) Sch irrmach c r, a. a. 0. 1, 775.
24) Schirrmacher, a. a. O. I, 754 11, 303 ff., 310, 311.
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Von Dr. Taul Tsehackert.
257
gegen seine intriguanten Brüder, — Alles in allem ein Muster-
fürst nach dem Herzen Luthers, unter schwerem Fürstenkreuz
auf der Höhe des Herrschers getragen von dem Bewußtsein um
seine landesväterliche Verantwortlichkeit.
Daß gerade dieser Fürst von der ßegierung des Preußen-
landes ausgeschlossen wurde, war damals, an sich betrachtet,
nicht bloß für ihn ein Mißgeschick. Heut aber, nach Verlauf
von mehr als 300 Jahren, muß die Geschichtsbetrachtung einen
andern Standpunkt einnehmen. Der Herzog von Mecklenburg
würde dem Churfiirsten von Brandenburg den Weg nach
Preußen verlegt haben. Durch dio Ausschließung Mecklen-
burgs war also die Möglichkeit der Belehnung Churbrandenburgs
mit dem Herzogtum Preußen und damit die Voraussetzung der
Begründung des preußischen Königtums gegeben.
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Zum 22. April 1886.
Ucbcr Kants Kritik der aesthctischcn Urteilskraft.*)
Von
Hermann Baumgart.
Als Ergänzung der „Kritik der reinen Vernunft" und der
„Kritik der praktischen Vernunft" und gewissermaßen als ein
verbindendes Mittelglied fügte Kant im Jahre 1790 jenen bei-
den die dritte hinzu: „Die Kritik der Urteilskraft." Be-
stimmt er in der ersten die Natur und die Grenzen des Erkennt-
nisvermögens, stellt er in der zweiten das durch das Vernunft-
vermögen bestimmte sittliche Gesetz fest, so ist in der dritten
der Gegenstand der Untersuchung: das Wesen uud die Wirk-
samkeit des „Gefühls", als eines zwischen jenen beiden stehen-
den Vermögens, zu erkennen. Der Verstand erkennt die Dinge
nach den ihm eingeborenen, a priori gültigen Gesetzen; auf
diesem allein beruht die Gewißheit und die Allgemeingültigkeit
unserer Erkenntniß; über die reale Existenz der Dinge erhalten
wir durch ihn keineswegs Gewißheit. Wie den so erkannten
Dingen gegenüber sich unser Begehr ungsvermögen zu ver-
halten hat, dafür giebt uns die Vernunft das unbedingt ver-
*) Die nachfolgende Abhandlung erhielt ihre Form durch die Bestim-
mung in der Kant-Gesellschaft zu Königsberg bei der Erinnerungsfeier von
Kants Geburtstag am 22. April 1886 vorgeh sen zu werden. In Rücksicht
auf die gebotene Kürze bei der Weite des Stoffes erschien, nachdem das
Thema exponirt war. der Uebergang zur Gesprächsform räthlich, wobei Kant
möglichst mit seinen eigenen Worten redend eingeführt ist, während, wie
es nicht anders geschehen konnte, sein Interlocutor nur aus dem Geist und
Sinne seiner Philosophie sprechend gedacht ist. Dennoch konnte auch in
dieser Weise vieles nur angedeutet werden, was für die Mitteilung im Druck
nicht zu ändern war ohne das Ganze neu zu gestalten. Die nähere Aus-
führung und Begründung wäre nur in einer eventuellen Fortsetzung der
begonnenen Coutroverse angänglich.
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L'eber Kant** Kritik der aeathetischeu Urteilskraft. Von II. Baumgart. 259
bindliche Gesetz. Wir bemerken nun, daß es eine dritte Art
giebt, wie wir uns zu den Dingen verhalten, wobei wir sie weder
mit unserm Verstände zu begreifen suchen, noch sie zu dem
Vernunftsgesetz oder zu unserm sittlich bestimmten Willen in
irgend eine Beziehung setzen, wobei wir aber nichtsdestoweniger
ein ähnliches Bewußtsein haben mit sicheren und allgemein
geltenden Gesetzen uns in Uebereinstimmung zu befinden wie
in jenen beiden andern Fällen. Ohne zu erkennen und ohne
uns in den Besitz irgend welcher Begriffe gesetzt zu haben,
fällen wir Urteile, denen wir gleichwohl eine unbedingte Ge-
wißheit und ewige Geltung zuschreiben, und indem wir die
Gegenstände solcher Beurteilung strengstens von dem Gebiete
absondern, in welchem die Vernunftgesetzgebung herrscht, vin-
diciren wir ihnen gleichwol nicht allein eine völlige Freiheit
von allem Zwange des Sinnlichen, wie sie sonst nur in jenem
zu erreichen ist, sondern ein dunkler, aber nur um so mächtigerer
Trieb zwingt uns sie als mit jenem Reich der Freiheit in der
innigsten Verwandtschaft stehend uns vorzustellen.
Als die Gegenstände einer solchen Beurteilung unterscheidet
Kant das Schöne und das Erhabene: das Vermögen ihrer Beur-
teilung nennt er die „aesthetische Urteilskraft. u Die Kritik
dieses Vermögens und die Analysis der Erscheinungen, die diesem
Vermögen unterworfen sind, bildet den Hauptteil seiner „Kritik
der Urteilskraft."
Dieses Buch ist die Grundlage der modernen wissenschaft-
lichen Aesthetik geworden; es ist bekannt, wie Schillers ganzes
Denken und Dichten sich im engsten Anschlüsse daran ent-
wickelte. Bis auf den heutigen Tag stehen Kants Sätze im
Mittelpunkte der Erörterung, so zwar, daß von den entgegen-
gesetzten Seiten sich die Angriffe gegen dieselben richten : hier
eröffnete Herder den Reigen mit fast leidenschaftlicher Polemik,
und von dort begann Herbart die Opposition, über die seine
Anhänger noch bedeutend hinausgegangen sind. Nach den
üblichen Schlagworten kennzeichnet sich die eine Richtung als
die der idealen, die andre als die der formalen Aesthetik.
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2<;<>
Uehcr Kants Kritik der acsthotischen UrteDskrall.
Keiner von beiden genügt Kants Lehre vom Schönen;
während sie den Anhängern der idealistischen Aesthctik, die an
die objective Existenz des Schönen und seine Idendität mit dem
Guten und Wahren glauben, als viel zu formal erscheint, halten
die formalen Aesthetiker, die über Kant hinausgehend die Rea-
lität der Dinge geradezu leugnen, und daher das Phänomen des
Schönen lediglich als die Wirkung eines reinen Formenspioles
betrachten, die Kantsche Lehre noch für bei weitem zu
idealistisch.
Denn einerseits erkennt Kant allerdings der Schönheit
sowie der Erhabenheit keine selbständige Existenz zu, sondern
betrachtet beide nur als subjectiv in dem Gemüthszustande des
die Eindrücke Empfangenden vorhanden. Wie alle Erkenntniß
subjectiv ist und uns keineswegs die wirkliche Beschaffenheit
der Dinge an sich lehrt, dennoch uns Gewißheit gewährend, weil
die Gesetze, nach denen sie verfahrt, Gewißheit enthalten: so
beruhe die Lust am Schönen und am Erhabenen ganz allein auf
dem Bewußtsein, mit welchem die Art und Weise seiner Beur-
teilung das Gemüth erfüllt. Ohne den Gegenstand, der uns als
schön oder erhaben erscheint nach Begriffen zu bestimmen, ohne
ihn nach irgend einem Zwecke zu messen, sondern lediglich in
der Vorstellung oder, wie Kant es nennt, mit der Einbildungs-
kraft, seine Theilo zu einem Gesamtbilde vereinigend, werden
wir durch ein unmittelbar gefälltes Urteil uns seiner Zusammen-
stimmung mit den Forderungen des Verstandes bewußt, Forde-
rungen, die, nach Kant, der Urteilskraft durch eine unbewusste
und unmittelbar sich vollziehende Reflexion auf die überhaupt
geltenden Gesetze des Verstandes immerfort gegenwärtig sind.
So kommt das zustande, was unter einem seltsam paradox klin-
genden Ausdruck in der Kritik der Urteilskraft unaufhörlich
wiederkehrt und den Eckstein des ganzen Systems bildet: ein
Urteil, welches auf Verstandeserkenntniß reflectirend Bezug
nimmt und doch ohne alle Begriffe gefällt wird, das ferner eine
Zweckmäßigkeit zum lebhaftesten Bewußtsein bringt, ohne doch
irgend einen Zweck dabei ins Auge zu fassen. Die bloße Har-
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Von Hermann Buumgart.
201
monie der durch die Einbildungskraft gewonnenen Vorstellung
mit dem durch jene allgemeine Reflection ins Bewußtsein treten-
den das All beherrschenden Verstandesgesetze erfülle das Gemüth
mit dem Gefühl einer in diesem Urteile gegebenen Zweckmäßig-
keit, einer Zweckmäßigkeit also, die in der Thätigkeit der
Urteilskraft selbst enthalten ist, nirgend anders ihren Sitz
hat. In dieser Zweckmäßigkeit, dieser Harmonie mit dem allge-
mein gültigen Erkenntnisgesetz liegt das Princip a priori der
Urteilskraft und daher die allgemein verbindliche Gültigkeit der
Geschmacksurteile übor das Schöne und Erhabene.
Es ist leicht zu erkennen, was in diesem System den
Idealisten Anstoß giebt, ja sie gelegentlich zur Empörung bringt,
da sie das Wahre, Gute, Schöne in den Eigenschaften der Dinge
finden, den Ideen desselben daher ein von Uranfang her ge-
gebenes Dasein zuschreiben und die Lust an der Wahrnehmung
derselben darauf zurückführen, daß die Erinnerung oder Ahnung
derselben, jedenfalls die Fähigkeit ihrer Aufnahme eine durch
die Erschaffung der Seele mitgetheilte Gabe sei, ein Beweis ihres
göttlichen Ursprungs.
Allerdings läßt es sich nicht leugnen, daß Kant durch sein
System zu sehr wunderbaren Consequenzen sich führen läßt:
wenn er z. B. sehr nachdrücklich behauptet , daß das Natur-
schöne einer jeden Art des Kunstschönen weit überlegen sei;
ferner, daß „das Gefühl fürs Schöne nicht allein vom moralischen
Gefühl spezifisch unterschieden sei, sondern auch das Interesse,
"welches man damit verbinden kann, mit dem moralischen schwer,
keineswegs aber durch innere Affinität, vereinbar zu sein
scheine" (S. 165); oder, daß die Kunst, wenn sie das Schöne
der Natur nachahme, nur durch ihren Zweck, niemals an sich
selbst, interessiren könne." (S. 169.)
Andererseits aber wehren sich die Formalisten mit aller
Kraft gegen das speculative Element in Kants System; ihnen
gilt jede Einmischung eines intellectuellen oder reflectirenden
Elementes in das rein ästhetische Urtheil schon als eine Ver-
fälschung desselben oder doch als eine seinem Wesen fremde
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202
Ueber Kants Kritik der ästhetischen Urteilskraft.
Zutliat. Sie wollen dasselbe aus der reinen Perception der
bloßen Formen herleiten, die sie auf das Strengste von allen
Wirkungen, welche dieselben iu den übrigen Seelen vermögen
hervorbringen, zu sondern bestrebt sind. Das Wohlgefallen am
Schönen sei daher auch nicht nach den Gegenständen verschieden,
sondern es sei nur ein einziges und immer dasselbe; die
Lust an dem Einklänge nach gewissen Grundverhältnissen zu-
sammenstimmender Formen.
Es giebt einen Punkt, in welchem diese, in allem Uebrigen
von entgogengesetzten Seiten ausgehenden Angriffe, dennoch zu-
sammentreffen. Beide nämlich legen ihrer Betrachtung die Be-
schaffenheit des Objectes selbst zu Grunde, das Schöne ist ihnen
eine objective Erscheinung, der nach ihrer Meinung eine ideale
oder formale Zweckmäßigkeit als Eigenschaft anhaftet. Eine
solche sich vorzustellen, eine objectiv vorhandene Zweck-
mäßigkeit ohne den Begriff eines Zweckes, ist nach Kant „ein
wahrer Widerspruch. " (S. 76.) Die Lustempfindung, auf der
unser Urtheil, ein Gegenstand sei schön, beruht, setzt er in
„nichts als die subjective Zweckmäßigkeit der Vorstellungen im
Gemüthe des Anschauenden, welche wohl eine gewisse Zweck-
mäßigkeit des Vorstellungszustandes im Subject und in diesem
eine Behaglichkeit desselben, eine gegebene Form in die Ein-
bildungskraft aufzufassen, aber keine Vollkommenheit irgend
eines Objectes, das hier durch keinen Begriff eines Zweckes ge-
dacht wird, angebe'* (ibid.) Nun scheint freilich Kant an einer
Stelle (S. 93) dem gegnerischen Standpunkt eine Concession zu
machen, wenn er den Widerspruch, daß das ästhetische Urtheil
auf freier Gesetzmäßigkeit der Einbildungskraft beruhe, während
diese doch, obwohl frei produktiv thätig, an eine bestimmte
Form des gegebenen Objectes gebunden sei, auf folgende Weise zu
lösen sucht: „es ließe sich doch noch wohl begreifen, daß der Gegen-
stand ihr gerade eine solche Form an die Hand geben
könne, die eine Zusammensetzung des Mannigfaltigen enthält,
wie sie die Einbildungskraft, wenn sie sich selbst frei überlassen
wäre, in Einstimmung mit der Verstandesgesetzmäßigkeit über-
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Von Hermann Baumgart.
2*33
haupt entwerfen würde." Damit scheint Kant sich auf den
Boden der Anerkennung zu stellen, welche die Gegner an ihm
vermissen, daß nämlich das Schöne allerdings im Objecte ge-
legen, in einer bestimmten Form desselben gegeben sei. Allein
er hat nichts Eiligeres zu thun, als diese scheinbare Concession
sogleich wieder aufzuheben. Die Einbildungskraft könne gar-
nicht zugleich frei und autonom und doch von selbst gesetz-
mäßig sein; das sei ein "Widerspruch: das Gesetz gebe allein
der Verstand. Es bleibt also dabei, daß nach ihm das Schöne
nur insoweit existent ist, als es durch das ästhetische Urteil
constatirt wird, und daß dieses letztere einzig und allein in der
subjectiven Uebereinstimmung der Einbildungskraft „zu der
freien Gesetzmäßigkeit des Verstandes", die durch eine unmittel-
bar geschehende Reflexion im Urteil zum Bewußtstein gebracht
wird, bestände. Ich glaube daher, daß Lotze entschieden Un-
recht hat, wenn er sagt: „in "Wahrheit ist für Kant doch nicht
die Harmonie der Seelenkräfte das Schöne selbst; sie ist viel-
mehr die sich selbst genießende ästhetische Lust; schön ist für
ihn, wie für den gewöhnlichen Sprachgebrauch der Gegenstand,
dessen Einwirkung auf uns diese Lust erzeugt." Und: „es
sei Kants eigene Meinung, was man als Bedenken gegen ihn
angeführt habe: wenn auch das Wohlgefallen am Gegenstand
nur die harmonische Thätigkeit unseres Innern ist: der Grund,
der diese Thätigkeit anregt, liegt doch in dem Gegenstande
selbst", das eben ist Kants Meinung nicht, sondern das grade
Gegentheil, und man wirft sein ganzes System über den Haufen,
wenn man das leugnet. Er hat das mit einer Deutlichkeit aus-
gesprochen, die keinen Zweifel übrig läßt. So an folgender
Stelle (§ 32 S. 143): „Sagen: diese Blume ist schön, heißt eben
so viel, als ihren eigenen Anspruch auf Jedermanns "Wohl-
gefallen ihr nur nachsagen. Durch die Annehmlichkeit ihres
Geruchs hat sie garkeine Ansprüche; denn Einen ergötzt dieser
Geruch, dem Andern benimmt er den Kopf. "Was sollte man
nun anders daraus vermuthen, als daß die Schönheit für eine
Eigenschaft der Blume selbst gehalten werden müsse,
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264 Ueber Kants Kritik der aesthetisehen Urteilskraft.
die sich nicht nach der Verschiedenheit der Köpfe und
so vieler Sinne richtet, sondern danach sich diese
richten müssen, wenn sie darüber urtheilen wollen,
und doch verhÄlt 63 sich nicht SO. Denn darin besteht eben das
Geschmacksurteil, daß es eine Sache nur nach derjenigen Be-
schaffenheit schön nennt, in welcher sie sich nach unserer Art,
sie aufzunehmen, richtet." Ebendaher erklärt es auch Kant für
eine Unmöglichkeit, ein objectives Princip des Ge-
schmackes aufzustellen; ein Satz, der mit der Annahme, daß
das Schöne im Grunde doch in den Gegenständen liege, deren
Einwirkungen wir erfahren, ganz unverträglich ist. Diese
letzteren ergeben nach Kant an und für sich nichts als ein
empirisches Urteil der Lust oder Unlust; das allgemein ver-
bindliche, also a priori gültige, ästhetische Urteil allein bringt die
Schönheit hervor: dieselbe ist ein freier Effect der harmonischen
Thätigkeit unserer Seelenvermögen; indem wir dieselbe wahr-
nehmen und unsern Vorstellungszustand mit Lust empfinden,
genießen wir das durch unser Urteil in uns erzeugte Phänomen
der Schönheit, das zuvor nicht existirte und das aufhört zu
existiren, sobald unsere Urteilsthätigkeit aufhört.
Natürlich fordert das scheinbar Parodoxe diese Anschauungs-
weise, deren wahrer Kern nicht leicht zu erkennen ist, den
Widerspruch der Gegner ebenso heraus, als es die Anhänger
dazu antreibt das Anstößige derselben zu mildern oder ihr Vor-
handensein bei Kant überhaupt in Abrede zu stellen. Was liegt
näher als das Zugeständniß, daß, um jenes harmonische Zu-
sammenstimmen der Erkenntnißvermögen überhaupt möglich zu
machen, sicherlich um es thatsächlich ins Spiel zu setzen, die
Vorstellung eines angemessenen Objectes erforderlich ist,
dessen Beschaffenheit also doch nothwendig eine objectiv be-
stimmte und bestimmbare sein muß. Es gehört mit zu den
vielfachen Schwierigkeiten des Studiums von Kants Kritik der
Urteilskraft, daß man diesen Schluß unaufhörlich verlangt und
erwartet, und in dieser Erwartung durchaus getauscht wird.
Kaum daß im Ausdruck er vorübergehend gestreift wird: wirklich
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Von Hermann Baumgart. 265
gezogen wird dieser Schluß nicht; noch viel weniger also
kommen die ungemein wichtigen Consequenzen zur Ent-
wickelung, die sich, sobald er gezogen ist, nothwendig an ihn
knüpfen müssen.
Ganz besonders durch diesen Umstand, aber keineswegs
allein durch ihn, wird der seltsame Zustand der Erregung ver-
anlaßt, den, wie ich vermuthe, ein Jeder empfunden haben muß,
der sich jemals anhaltend mit dem Studium des merkwürdigen
Buches beschäftigt hat, oder dasselbe auch nur versucht hat: ein
Zustand, in dem überzeugte Beistimmung mit ebenso über-
zeugtem Widerspruch, lebhafteste Bewunderung mit Zweifel und
Mißbilligung unaufhörlich in den härtesten Kampf gesetzt
werden.
Hier ist, in der modernen Aesthetik wenigstens, zum
ersten Male ein fester Boden für bestimmte, wissenschaftliche
Erforschung ihrer Probleme geschaffen durch die scharfe Unter-
scheidung des ästhetischen Urteils über das Schöne von der
bloß empirischen Empfindung des Angenehmen sowohl als von
den Urteilen, die uns über das Nützliche, das Gute unterrichten,
oder die unsere Erkenntniß bereichern. Der Vermischung des
Schönen mit Nützlichkeitszwecken, mit lehrhaften oder moralischen
Tendenzen ist hier ein für allemale in der Theorie ein Ende
gemacht. Hoch erhoben ist das Wesen des Schönen über das
niedrige Niveau der Ansicht, daß es, lediglich aus der Erfahrung
und Gewöhnung sich bildend, nur relative Geltung habe, die
nach Zeiten und Völkern und Sitten, ja nach Temperament, In-
dividualität und Lebensalter unaufhörlichem Wandel unter-
worfen sei. Die ästhetische Urteilskraft ist den höchsten Ver-
mögen des menschlichen Geistes ebenbürtig beigesellt und ihrem
Ausspruch absolute Gewißheit und ewige und allgemeine Giltig-
keit zuerkannt.
Dem gegenüber steht nun aber: daß dieses System vor
Allem die Möglichkeit einer objektiven Gesetzgebung, also einer
fest bestimmten, durch den Verstand zu begründenden Kritik des
Schönen, ausschließt; daß es ferner sich nicht begnügt, das Schöne
Altpr. Mormtsuchritt Bd. XXIII. Hft 3 u. 4. 18
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Tebcr Kantn Kritik der aesthotisehen l'rteilskrart.
vom Wahren und Guten streng zu scheiden, sondern daß es
,jede Affinität" zwischen seinem Gebiet und dem des Guten
wie des Wahren leugnet; daß es — eins der schwersten Be-
denken — die subjectiven Empfindungen und Gefühle als
rein sinnliche Vorgänge auffaßt, bei denen das Subject sich
passiv verhält, und die als pathologische Zustände jeder Thätig-
keit der höheren Erkenntnißvermögen und namentlich dem
durch die praktische Vernunft bestimmten Willen als Hinder-
nisse im Wege stehen; daß es demzufolge „Reiz und Rührung"
als nicht zum Gebiete des Schönen zugehörig erklärt, und aus
allen diesen Gründen zusammen das Schöne nicht in den Ein-
wirkungen der Beschaffenheit der Dinge erkennt, sondern allein
in dem durch die Thätigkeit der Urteilskraft bedingten Vor-
stellungszustande.
Neben allen diesen Bedenken, denen sich noch manche
andere hinzufügen ließen, ist es aber ein Bestandtheil der De-
duction dieses ganzen Systems, und zwar grade der wesentlichste,
der Hauptpfeiler, auf dem es ruht, der einen nicht zu besiegenden
Zweifel hervorruft. Immer aufs Neue kehrt dieser Theil der
Beweisführung wieder, in unzähligen Wiederholungen wird er
für jeden neuen Satz als Stützpunkt in Erinnerung gebracht
und aufs Neue festgestellt, ohne daß, wie es mir wenigstens
scheint, es der formalen Logik gelänge in unserer inneren
Ueberzeugung ihm einen Platz zu gewinnen. Wir sollen im
ästhetischen Urteil einer Zweckmäßigkeit uns bewußt werden,
ohne daß doch irgend ein Zweck uns dabei ins Be-
wußtsein trete; die Einbildungskraft, will sagen unser Vor-
stellungsvermögen, welche die mannigfachen Teile des
Gegenstandes zu einem Ganzen vereinigt, soll sich mit der Re-
flexion auf die Verstandesgesetze in uns zu einem zu-
sammenstimmenden Urteile verbinden, ohne daß doch irgend
ein Begriff dabei in Betracht käme. „Im Gemtith" soll
diese Zweckmäßigkeit ohne Zweck, diese Verstandes-
mäßigkeit ohne Begriffe, zum Bewußtsein gelangen, und die
Lust an diesem Bewußtsein der harmonirenden Thätigkeit der
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Von Hermann Bauragart.
207
Einbildungskraft und des Erkenntnisvermögens überhaupt, nicht
der auf irgend ein Object gerichteten Erkenntniß, soll die eine,
einzige, immer sich gleichbleibende Freude am Schönen sein, den
tausend und abertausendfachen Manifestationen des Schönen gegen-
über immer qualitativ die gleiche, höchstens quantitativ verschieden :
das bedeutet doch also, von den Empfindungen, die durch die
Beschaffenheit der Dinge in uns erzeugt werden, nicht im
mindesten modificiert, sondern ein ewig sich gleichbleibender
Effect in dem Zusammenwirken der Kräfte unsres geistigen
Organismus. Das widerspricht nicht allein aller unsrer Er-
fahrung auf das Schroffste, sondern auch der Intuition, die uns
von dem theoretischen Verhältniß dieser Dinge eigen ist. Beiden,
dieser Intuition wie unserer Erfahrung, ist es nicht fremd, daß
es ein solches „Lustgefühl" in unserm „Gemüthe" giebt,
aber wir sind weit entfernt es mit der Freude am Schönen für
dasselbe zu halten. Ein solches Lustgefühl ist es, welches die
verstandesmäßige Erkenntniß des Richtigen, des Wahren be-
gleitet: dieses bleibt immer dasselbe, mag eine Rechnung zum
stimmen gebracht, eine mathematische oder physikalische Auf-
gabe gelöst, eine philosophische Wahrheit erkannt oder ein neues
Weltgesetz gefunden sein. Diese selbe Lust wird uns durch
die Anschauung unmittelbar zu Theil, wenn uns die Re-
sultate solcher Erkenntniß in Figuren und Körpern vor Augen
treten. Hier wäre die Zusammenstimmung der Vorstellungskraft
mit der Verstaudesmäßigkeit, welche die Kantische Deduction
verlangt, vorhanden: aber freilich im Gegensatze zu derselben
würde sie grade auf erkannte Begriffe gegründet sein, nur
daß dieselben uns so völlig geläufig geworden wären, daß wir
ohne sie zu „denken" auf sie ,,zu reflectiren" vermöchten.
Von dieser selben Art der Freude an der Ueberein-
stimmung des Geschauten mit dem Erkannten ist nach
Kant die Freude am Schönen, nur daß statt des „Erkannten"
zu setzen wäre des ..der Erkenntniß Geraäßen", auf das ohne
Begriffe die Reflexion in der Seele gemacht werden soll.
Hier liegt, nach meinem Erachten, der unaufgeklärte Punkt
18*
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268 Ueher Kants Kritik der ästhetischen rrteilskraft.
m Kants Kritik der Urteilskraft, der uns in dem ganzen System
nirgends zur völligen Ruhe und Befriedigung gelangen läßt.
Es liegt etwas fast mystisch zu Nennendes in diesem von Kant
statuierten Vermögen der „Urteilskraft", das uns nur in seiner
Wirkung, nicht in seiner Existenz nachgewiesen wird. Fragt
man, wo dasselbe denn nun seinen Sitz hat, so kann man
aus dem System nur die Antwort entnehmen: im „Gemüth,"
oder im „Gefühl", obwohl diese Frage nirgends eine directe
und ausführliche Beantwortung findet. Denn im „Gemüthe"
oder im „Gefühl" soll ja die harmonische Vereinigung der Thätig-
keit der Einbildungskraft mit der Reflexion auf das Erkenntnis-
vermögen stattfinden und, zum Bewußtsein gelangt, die „Lust"
erzeugen; und zwar die Lustempfindung des Schönen wenn die
Reflexion auf Verstandeserkenntniß und die des „Erhabenen"
wenn sie auf das Vernunft gesetz stattfindet, beidemale
„ohne Begriffe" von der einen oder dem andern. In dieser
Reflexion auf die a priori geltenden Principien der reinen und
der praktischen Vernunft liegt die allgemein verbindliche
Geltung der ästhetischen Urtheile über das Schöne und das
Erhabene.
Was haben wir uns nun nach Kant unter diesem
Vermögen des „Gemüthes" zu denken? Ist es dem Ver-
standes- und Vernunftvermögen nebengeordnet, steht es über
oder unter ihnen? Ist es selbständig und wie jene angeboren
oder entwickelt es sich in Abhängigkeit von jenen?
So viel ist sicher, daß jene beiden andern Hauptvermögen
in völliger Unabhängigkeit von den Kräften des Gemüthes, ja
in strengster Scheidung von denselben ihr Geschäft vollziehen,
sowohl die reine Vernunft als die praktische. Aber nach Kant
begleitet das Gemüthsvermögen mit seiner Bethätigung die
Thätigkeit jener beiden andern offenbar nicht allein in der Weise,
daß es in der Form des Bewußtseins davon Act nimmt und
parallel mit der Thätigkeit jener eine Bewegung in sich selbst
hervorbringt, welche wir Lust, Wohlgefallen nennen, sondern
es muß nach Kant schlechterdings die Fähigkeit haben die
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Von Hermann Baumgart. 269
Resultate der Thätigkeit jener beiden Hauptvermögen
in sich aufzunehmen und sie festzuhalten. Denn wie
sollte es sonst im stände sein auf dieselben zu reflectiren. An-
geboren können dem „Gemüthe" die allgemeinen Principien der
reinen und practischcn Vernunft nicht sein; denn in diesem Falle
müßten sie im natürlichen Gefühl und Begehren unmittelbar sich
äußern, wovon das Gegentheil der Fall ist. Es bleibt also nichts
anderes übrig, als die Annahme, daß das „Gemüth" je länger es
die Erkenntniß- und Vernunftthätigkeit mit seinem Bewußtsein
begleitet, desto mehr zugleich der Gesetzgebung, nach welcher
jene beiden arbeiten, sich bewußt wird, so daß es nun zwar
nicht selbst nach diesen Gesetzgebungen die Arbeit jener zu
thun vermag, aber doch, wo es etwas von dieser Arbeit gewahr
wird, die Zugehörigkeit derselben sofort zu beurtheilen vermag.
In der That braucht Kant nicht selten den Ausdruck von einer
„Denkthätigkeit" des Gemüthes. So in der Analytik des
Erhabenen: (S. 110) „Aber was das Vornehmste ist, das Un-
endliche als ein Ganzes auch nur denken zu können, zeigt
ein Vermögen des Gemüthes an, welches allen Maßstab der
Sinne übertrifft." Oder: „das Unendliche aber dennoch ohne
Widerspruch auch nur denken zu können, dazu wird ein
Vermögen, das selbst übersinnlich ist, im menschlichen Ge-
müth erfordert." Und an einer andern Stelle (S. 167): „Die
Vernunft muß an jeder Aeußerung der Natur von einer dieser
ähnlichen Uebereinstimmung ein Interesse nehmen; folglich kann
das Gemüth über die Schönheit der Natur nicht nach-
denken, ohne sich dabei zugleich interessiert zu finden." Also
„denken" soll das Gemüth, und doch sollen ihm „Begriffe"
vollkommen fremd sein! Aber mag man den Ausdruck „denken"
hier auch nur für uneigentlich halten und darunter eben nur
jene „allgemeine Reflexion auf die Erkenntnißvermögen über-
haupt" verstehen, so bleibt doch auch dieser Begriff gänzlich
dunkel, wenn man nicht dem Gemüthe eine der Denkkraft
wenigstens analoge Fähigkeit zuerteilt, Begriffe aufzufassen,
sie wieder zu erkennen und darnach ein Urteil zu fällen, was
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270
Ueber Kants Kritik der aestbetischen Urteilskraft.
wieder dem ganzen System widersprochen würde, und worüber
sich in demselben keine Aufklärung findet.
Ich möchte den Versuch wagen diesen Widerspruch und
mit ihm die daran sich reihende Kette von Schwierigkeiten
aufzulösen, weil ich glaube, daß, wenn man eine Anzahl der
Kantsehen Aufstellungen als Irrthümer erkennt, er in einem
höheren Sinne zuletzt doch Recht behält, ja daß seine Absicht,
durch die „Kritik der Urteilskraft" das Gebäude seines Systems
zu krönen, dann erst in ihrer ganzen Herrlichkeit erreicht wird.
Ich würde aber den Mut zu diesem Versuche nicht haben, wenn
ich nicht die Argumente dazu einem ebenbürtigen Genossen
Kants entlehnte, mit dessen Geist und System er die vielfachsten
und engsten Berührungen hatte, dem Kant der Griechen,
Aristoteles.
In der Auffassung zweier auf dem ästhetischen Gebiet in
Betracht kommender Grundbegriffe weicht Kant am weitesten
von Aristoteles ab: in der Auffassung des Begriffs der subjectiven
Empfindung — nti'^o^ — , und des Gefühls der Lust — r^oi'ij.
Unter r Empfindung" versteht Kant zunächst nur die bloße
sinnliche Wahrnehmung, also was die Griechen Aisthesis nen-
nen. Von dieser objectiven Empfindung unterscheidet er die
subjective, die durch die erstere bewirkte Bestimmung des
Gefühls der Lust oder Unlust, und nennt diese „Gefühl."
Hier bleibt aber eine Lücke! Der sinnlichen Wahr-
nehmung, die Kant allein Empfindung nennen will, entspricht
ein Veränderungsvorgang der Seele, dem dann erst die
Bestimmung nach Lust und Unlust anhaftet. Jene Verände-
rungsvorgänge sind es, die wir als Empfindung zu be-
zeichnen gewohnt sind, z. B. Liebe, Zorn, Furcht, Hoff-
nung, Mitleid, Haß, und von denen wir annehmen, daß sie eben-
sowohl berechtigt sein können und also nothwendig dem-
gemäß zu erstreben, als unberechtigt, also fehlerhaft und
zu bekämpfen. Nun betrachtet aber Kant jene Veränderungs-
vorgänge der Seele, die die Griechen mit nnih^ bezeichnen,
indem er sie „pathologische Gefühle" nennt, ebenso als bloß
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Von Hermann Baiungart.
271
sinnlich wie die Sinnes-Empfindungen selbst und ganz ebenso
faßt er die Lust auf, wenn sie durch äußere Einwirkungen
irgend welcher Art erregt wird. Ganz entgegengesetzt betrachtet
er die Lust nur in dem Falle, daß sie dem Bewußtsein innerer
Seelenzustände entspricht, welche auf ein a priori geltendes
Princip Beziehung haben. Diese Geringschätzung der
Empfindungsthätigkeit an sich scheint mir der Hauptquell
seiner Irrthümer in der Kritik der Urteilskraft, und nicht allein
in dieser, zu sein.
Es ließe sich hier ein contradictorisches, mündliches Ver-
fahren zwischen den beiden Philosophen eröffnen, das vielleicht
kürzer zum Ziele führt. Also Aristoteles würde beginnen:
A.: „Mit Unrecht scheinst Du mir die Empfindungen. —
ich meine damit das, was ich selbst /rciitog nenne — in denen
das erste Leben der Seele sich äußert, mit dessen Aufhören sie
selbst wenigstens im Körper zu leben aufhört, so tief herabzu-
setzen, daß Du sie ganz auf die Sinnenwelt einschränkst und
ihr jede Verbindung mit dem Logos und Nous absprechen willst.
Ich behaupte im Gegentheil, daß so wie der Logos, ohne daß
die Aisthesis, die sinnliche Wahrnehmung, ihm Vorstellungen
zuführte, welche die Phantasia für ihn sammelt und aufbewahrt,
niemals sein Geschäft vollziehe und seine Kraft entwickeln
könnte, so auch der Nous seine Aufgabe, den "Willen zu bestim-
men, ohne die Empfindungsvorgänge in der Seele niemals zu
erfüllen im Stande wäre, und daß aus diesem Verkehre der
Empfindungen — der Pathe — mit dem Nous den erste-
ren die größten Vortheile erwachsen."
K.: „Wie sollte zwischen dem Reiche der Vernunft, in
welchem Freiheit herrscht, und dem der pathologischen Ge-
fühle und Neigungen, die dem Zwange der Sinnenwelt unter-
worfen sind, ein anderer „Verkehr" möglich sein, als daß die
letzteren durch die erstere gedemütigt und niedergeschlagen
werden! Die Triebfeder der sittlichen Gesinnung muß von
aller sinnlichen Bedingung frei sein. Die Vernunft giebt sich
selbst ihr Gesetz, das alle Gefühle und Neigungen uuuaehsicht-
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lieber Kants Kritik der acathetihcheu Urteilskraft.
lieh verwirft. Diesem Gesetz kann gar keine besondere Art von
Gefühl als vorhergehend oder zu Grunde liegend angenommen
werden. Erst im Triumphe des Sieges über die Empfindungen
durch das moralische Gesetz wirkt die Vernunft nun ein neues
Gefühl in sich selbst, das eben deswegen nur ein moralisches
genannt werden kann: es ist das der Achtung vor dem Ge-
setze! Dieses Gefühl der Achtung ist aber keineswegs ein
Gefühl der Lust. Wäre es das, wäre es pathologisch und also
auf den inneren Sinn gegründet, so würde es vergeblich sein,
eine Verbindung desselben mit irgend einer Idee a priori zu
entdecken."
A.: „Halt, lieber Freund! Ist hierin nicht etwas von einer
petitio prineipii? Zuerst behauptest Du, keine Empfindung, kein
durch die Sinnenwelt erregtes und deshalb also pathologische«
Gefühl könne über die Sinnlichkeit hinausgehen; dann triffst
Du in dem Bezirk der Vernunft gleichwohl ein „Gefühl" an;
anstatt nun zu beweisen, daß dieses Gefühl mit dem, was man
sonst Gefühl nennt, der Gattung nach nichts zu thun habe,
so daß dieses also auch niemals aus jenem entstehen könnte,
widerholst Du einfach die Behauptung, daß die Empfindungen
für immer in das „sinnlich-pathologische" Gebiet eingeschlossen
bleiben müßten, und aus diesem Grunde jenes mit der Ver-
nunft im Verkehr stehende Pathos von einer ganz andern Natur
sein müsse."
K.: „Sicherlich! Das ist es auch. Was Du Pathos nennst,
hängt immer einem Objecte an, und ist nothwendig von Ver-
gnügen oder Schmerz gefolgt, wie Du selbst lehrst, von rfivvr^
oder AtvrTf. Das Gefühl der Achtung, von dem ich rede, ist
nur auf die Befolgung des Gesetzes der Pflicht gegründet und
bringt daher nur ein moralisches Interesse hervor. Wir
stehen unter der Disciplin der Vernunft, deren Verbindlichkeit
wir uns keineswegs als eine von uns selbst schon beliebte oder
beliebt werden könnende vorzustellen haben, gleich als ob wir
es dahin jemals bringen könnten. Es ist eine stolze Einbildung,
wenn wir uns anmaßen gleichsam als Volontaire, aus Liebe und
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Vou Hermann Hauingart.
273
Zuneigung zu dem Inhalte der Handlungen in Uebereinstimmung
mit dem Gesetz handeln zu wollen, blos aus eigner Lust zu dem.
wozu für uns kein Gebot nöthig wäre."
A.: „Sehr schön! Ich wäre der Letzte das zu bestreiten!
Man soll das Gute nur um des Guten willen thun, das ayafröv,
ort aya&ovl Ich kenne wohl das herrliche „Pathos", das edle
Feuer der Empfindung, mit dem Du diese Lehre vorträgst, be-
sonders von der überwältigenden Stelle an: „Pflicht! Du erhabe-
ner, großer Name u. s. f." Nicht allein „Achtung" für Deine
Person und Schätzung für Deine Lehre, sondern Liebe für beide
hat mich durchdrungen, seit ich zuerst Deine Worte vernahm.
*
Gewiss! es sei der Nous der Lenker des Begehrungsvermögens,
dem die letzte Entscheidung allein gebührt, weil allein die seinige
die unbedingt sichere ist. Aber wenn Du behauptest, daß „nie-
mals ein vernünftiges Geschöpf dahin kommen könnte, alle
moralischen Gesetze völlig gern zu thun", weil das die Stufe
der Heiligkeit wäre, so muß es doch einen Weg geben sich
dieser Höhe anzunähern, und Du selbst bezeichnest es, wie
ich mich erinnere, als eine Pflicht beständig darnach zu streben,
die ehrfurchtsvolle Scheu vor dem Gesetz in Zuneigung, die
Achtung in Liebe umzuwandeln. Ich müsste mich auch sehr
irren, wenn Du nicht Deinem liebenswürdigen Schüler und
Nachfolger Schiller es längst zugegeben hättest, daß eine ver-
edelnde Cultur der ursprünglich blos sinnlichen Empfindungen
möglich sei, die uns jene Stufenleiter hinaufführen könne, daß
durch aesthetische Erziehung die Neigung wenigstens auf den
Weg zu der freiwilligen Einstimmung mit dem Willen geführt
werden könnte, so daß sie ihm Begleiterin und Stütze würde,
ohne doch je an seiner Statt der Zügel sich anmaßen zu dürfen."
K.: „Mit dieser Einschränkung habe ich es ihm ja aus-
drücklich zugestanden, daß, um in seiner Sprache zu reden, die
Tugend 3ehr wohl von den Grazien begleitet sein kann: aber
doch nur so, daß es immer nur die moralisch gerichtete Vernunft
ist, die erst durch ihren Einfluß auf die Einbildungskraft die
Sinnlichkeit mit ins Spiel zieht. In dem Hauptpunkt fehlt mir
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274 l'ebor Kant» Kritik der ästhetischen Urteilskralt.
doch bei ihm die volle Klarheit, die ich verlange. Es klingt
sehr schön von der aesthetischen Cultur reden zu hören, die
durch ein freies Spiel mit den Formen der Sinnlichkeit Zugang
zu dem Reiche der Freiheit verschafft. Aber das sind bildliche
Wendungen, ebenso wie Dein Verkehr der Pathe mit dem Nous,
die keinen strengen Beweis liefern. Um darin fortzufahren,
könnte ich sagen, ich sehe da wohl einen äußern Friedensschluß
zwischen der Sinnlichkeit und der Vernunftfreiheit, aber keine
innere Verbindung. Ich bleibe bei meiner Unterscheidung der
lediglich sinnlichen Empfindung und dem ihr entsprechenden
pathologischen Gefühle und des moralischen Gefühls, das seinen
Ursprung in der Moral hat und von jener ganz getrennter Gat-
tung ist."
A.: „Zur rechten Zeit erinnerst Du mich an mein Wort
von den ndör^ und dem i*of c. Ich sagte, so wie der Logos ohne
den durch die Phantasia ihm zugeführten Vorrath von Sinnes-
wahrnehmungen, Aistheseis, eine leere Form bleiben, niemals in
Thätigkeit kommen und also unentwickelt bleiben wurde, so
würde ebensowenig der Nous in Thätigkeit gesetzt werden und
sich entwickeln können ohne die Empfindungsbewegungen der
Seele, die ich, wenn ich sie absolut als Vorgänge betrachte, mit
dem Ausdruck ndDo^ bezeichne, mit dem Ausdruck na^uma
dagegen, wenn ich die einzelnen, thatsächlich so oder so statt-
findenden Empfindungen ins Auge fasse. Einer jeden Einwir-
kung von außen her, sei es durch einen Gegenstand, sei es
durch einen Vorgang, entspricht eine Veränderung in der
empfindenden Seele, ein ndihr^ia derselben. Wie dieselben nun
auch sonst beschaffen sein mögen, so scheiden sie sich in zwei
Gattungen, sie sind entweder wohlgefällig oder mißfällig, von
Lust oder Unlust, rfiov^ oder Aivnj, begleitet; sie bestimmen
daher das Begehrungsvermögen entweder positiv oder negativ,
zur diwh$ oder qriyij, zum Streben nach einem Ziele oder zur
Abwendung davon. Diese i€ttih\uaia sind an sich dem uloyov
tioQt'ov, dem vernunftlosen Theil der Seele zugehörig; sie sind
verstand- und vernunftlos, nicht unvernünftig, nur ohne
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Von Hermann Bauiugart.
275
Antheil an jenen beiden, nicht ihnen widersprechend. Natürlich
haben nicht allein die wirklichen Dinge, sondern auch ihre Ab-
bilder in der Phantasie die Kraft die Pathemata hervorzurufen
und durch sie also auch das Begeh rungs vermögen in Thätigkeit
zu setzen. Mit dem Spiel dieser Kräfte beginnt das Leben der
Seele und mit demselben gelangt sie zuerst zur Entfaltung.
Sofort aber beginnen alle diese Bewegungen und Reizungen
nun ihren Einfluß zu üben auf die beiden Vermögen, die wir
Beide in völliger Uebereinstimmung als von Anbeginn in ihr
vorhanden und als die Gewähr ihres übersinnlichen Wesens,
ihres göttlichen Ursprungs betrachten: auf den Logos und auf
den Nous. Indem der Logos jenem Spiele zuschaut, vergleicht
er nach den ihm eingeborenen Wahrheitsgesetzen die Bilder der
Dinge und erkennt ihr Wesen entweder als wahrheitsgemäß oder
ihr widersprechend, als richtig oder falsch. Ebenso beobachtet
er die Pathemata und die ihnen folgenden Begehrungsbestimmun-
gen und bejaht sie als richtig oder verneint sie als falsch.
Dabei befindet er sich nun entweder mit der Empfindung im
Einklang, dann verstärkt er ihre Entscheidung durch sein Ge-
wicht; oder er tritt zu derselben in Widerspruch, dann stellt
er mit seinem Einfluß sich ihr entgegen. Hat er nun in einem
Falle einmal das Uebergewicht gewonnen und seinerseits dem
BegehrungsVermögen die Bestimmung ertheilt, so wird auch
dieser Vorgang rückwirkend von einer Veränderung des Empfin-
dungsvermögens begleitet sein. Hier aber brauche ich Dir nicht
den Beweis zu führen, daß, um in Deiner Ausdrucksweise zu
sprechen, es a priori als gewiß angenommen werden muß: diese
einer richtigen Verstandesentscheidung entsprechende Empfin-
dung kann nicht anders als wohlgefällig sein. Ich selbst nenne
ein solches Pathos einfach ein richtiges — 6q!>6v — und erkenne
nach meiner Dir bekannten Lehre als ein solches dasjenige,
welches die richtige Mitte zwischen dem zu viel und dem zu
wenig, zwischen dem Uebermaß und dem Mangel, — hriQtioXi}
und *Um''/c — einhält. Wenn also die Empfindungen von
Hause aus freilich ohne Verstand sind — aloya — , so ergiobt
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276 Ueber Kante Kritik der aesthetischen Urteüskrart.
sich hieraus, daß sie doch fähig sind Verstand anzunehmen,
sich ihm conforra zu modifizieren, ihr Uebermaß abzuthun, ihren
Mangel auszufüllen. Denn da die richtigen Empfindungen
wohlgefällig sind, der Logos aber immer gegenwärtig ist, um
sein verbesserndes Geschäft zu betreiben, so ergiebt sich, da man
doch naturgemäß die wohlgefälligen Empfindungen den minder
wohlgefälligen vorziehen wird, daß auf diese Weise eine Ge-
wöhnung zu den richtigen Empfindungen eintreten kann, welche
zuletzt der Seele so zu sagen zur zweiten Natur wird. Zwar
wird die Oberaufsicht und in vielen Fällen das Superarbitrum
des Logos niemals entbehrt werden können, aber, worauf es mir
hier allein ankommt, der Beweis dürfte doch geführt sein, daß
die Empfindung mit dem Logos in Verkehr zu treten und
seine Gesetzgebung wenigstens zu einem Theile in sich aufzu-
nehmen fähig ist. Noch einen zweiten Schluß aber möchte ich
hieraus ziehen: so lange die Seele im Körper lebt, hört sie nicht
auf zu empfinden; kein äußerer Vorgang kann an sie heran-
treten, und, wie wir sehen, auch kein innerer in ihr sich er-
eignen, ohne daß ihm eine Empfindungsbewegung entspräche.
Daraus ergiebt sich, daß nicht, wie meine Freunde von der Stoa
meinen, der beste Zustand der Seele der ist, in dem sie am wenig-
sten empfindet, sondern vielmehr der, in welchem sie am meisten
empfindet, nur vorausgesetzt, daß sie alle Empfindungen zur
Richtigkeit zu bringen vermag. Nicht also die Empfindungen
zu unterdrücken, sondern sie in größter Zahl zu erwecken und
rege zu halten, aber in ihrer reinsten Gestalt, im richtigen Maße,
wäre die Aufgabe. Es ist wie mit den körperlichen Kräften,
welche um das Leben zu erhalten, Bewegung verlangen und
Uebung in der ihrem "Wesen angemessenen richtigen Weise;
geschieht das, so ist das Ergebniß ein Wohlgefühl, welches
zurückwirkend wieder die gesund erhaltende Kraft hat jenes
richtige Gleichmaß zu bewahren. — Ich kann mir nun wohl den
näheren Nachweis ersparen, daß ein ganz ähnlicher „Verkehr"
zwischen den Empfindungen und dem Nous sich noth wendig
entwickeln muß. Wie der Verstand ohne die Vorstellungen, so
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Von Hermann Baumgart.
277
würde die Vernunftkraft ohne das Spiel der Empfindungen und
Begehrungen ewig eine leere Form bleiben. Die erste Anregung
zu ihrer Bethätigung wird erst durch jenes Spiel hervorgerufen.
Doch ist der Kampf zwischen dem Empfindungsbegehren und
der Vernunftentscheidung ein viel ernsterer, ausgedehnterer und
heißerer, denn das Princip des Guten, welches dem Nous ein-
geboren ist, tritt in sehr vielen Fällen zu der vernunftlosen
Empfindung in den schroffsten Gegensatz. Hier aber bin ich
nun endlich an der Stelle angelangt, wo ich meine den Irrthum
in Deinem Systeme klar legen zu können. Die Vernunft frei-
lich stellt das unbedingte Gesetz auf, den kategorischen Im-
perativ: aber in ihr selbst ist nicht die Kraft ihn auszuführen.
Was die beste Legislative ohne Executive ist, das sehen wir
an den zahlreichen Weltweisen, die die genaueste Kenntniß des
Sittengesetzes besitzen ohne doch im Handeln es ausführen zu
können. Je lebhafter die Empfindungen und in Folge dessen
die BegehniDgskräfte in Thätigkeit sich befinden, desto öfter
ergeht an den Anfangs noch unentwickelten, dann später zu-
nächst doch auch nur erst zuschauenden Nous die Aufforderung
seine Entscheidung dazwischen zu rufen, bald dann kategorisch
für seinen Befehl den Gehorsam zu fordern. Aber der Kampf
zwischen der Empfindung und der ihr entsprechenden Neigung
und andererseits dem Vernunftgebot ist keineswegs ein solcher,
der nur mit der Niederlage der einen der streitenden Par-
teien endigen könnte. Die Empfindung selbst vermag sich
diesem Gebot zu unterwerfen, wie ein Kind auf die Stimme des
Vaters hörend und ihr gehorsamend (uianeff uYLovarixdv tov TtaTQÖg.)
Um kurz zu sein, schreite ich gleich bis zu dem letzten Schlüsse
vor: so kann die Empfindung dazu gelangen, ebenso
wie das Verstandesgesetz auch das Vernunftgebot in
sich aufzunehmen, indem sie sich gewöhnt, nachdem
sie in vielen Fällen der Vernunft gehorsam das rechte
Maß in sich selbst erfahren hat, nun unmittelbar und
von selbst dieses rechte Maß zu treffen, sich selbst-
tätig richtig zu bewegen. Eine solche Gewöhnung kann
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278
l*eber Kants Kritik der aesthetischen Urteilskraft.
zur festen, ständigen Haltung werden, zur bleibenden Gesinnung,
zu dem, was, wie Du weißt, ich mit dem Namen des „Ethos "
bezeichne."
K.: „Ich verstehe, worauf Du hinauswillst! Du kannst Dir
das Weitere ersparen. Du willst auf diesem Wege den Wider-
spruch beseitigen, den Du in meiner Definition des aesthetischen
Urtheils erblickst, daß darin eine Verstandes- und Vernunft-
mäßigkeit ohne Begriff constatirt werden soll. Du ver-
legst das aesthetische Urteil in die einfache Entscheidung
der Empfindung, welche durch den als schön beurteilten
Gegenstand erregt wird; in der Wohlgefftlligkeit dieser
Empfindung soll das Urteil liegen. In der absoluten Richtigkeit
der Empfindung soll also die Uebereinstimmung mit dem aprio-
ristischen Princip des Verstandes und der Vernunft gegeben sein.
Wo aber bleibt die Allgemeingültigkeit dieses Urteils, oder vielmehr
dieser Empfindungsentscheidung, ihre allgemeine Verbindlichkeit,
auf die mir Alles ankommt? Und ferner, wie soll es möglich
sein, die mit ihr verbundene Lust, also die Lust am Schönen,
von der bloß sinnlichen Lust zu unterscheiden ? Wo hörte
das Angenehme auf, wo finge das Schöne an?"
A.: „Ich sehe, in der Hauptsache verstehen wir uns, und
auch hierüber werden wir uns nun schnell verständigen. Wie
Du das aesthetische Urteil, so erkläre ich diese wohlgefällige
Empfindungsentscheidung über das Schöne für rein subjectiv.
Aber mir scheint Deine Deduction der Allgemeingültigkeit
dieses Urteils nun erst recht zur Geltung zu kommen.
Nicht die stärkste und heftigste, sondern die richtigste Em-
pfindung ist das Maximum (axQotarov), dessen die Seele hierin
fähig ist, und eine solche Bethätigung der Empfindung erfüllt sie
mit dem Maximum des Wohlgefühls, dessen sie fähig ist; denn
es ist, ganz wie Du es ja verlangst, die Wirkung eines voll-
kommenen Zusammenstimmens aller obersten Seelen-
vermögen in der Thätigkeit dieser Empfindung, ge-
wissermaßen das Bewußtsein der Erfüllung der höchsten
Bestimmung des gesammten seelischen Organismus in
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Von Hermann Bnumgart.
279
diesem Acte. Eben deshalb bestreite ich auch Deine Auf-
fassung der Lust als einer Folge der von außen erregten Wahr-
nehmung und Empfindung, der Du eine lediglich sinnliche Natur
zuschreibst. Ich habe diese Auffassung dem Plato bestritten,
der die Hedone als das die Ausfüllung eines Bedürfnisses be-
gleitende woldgefällige Bewußtsein definirt, und ich will meinen
Beweis hier nicht wiederholen. Ich betrachte die Lust, die
Hedone, als eine Erscheinung in der Seele, die ohne
daß die Seele in irgend einer Thätigkeit sich befindet,
in ihr nicht eintreten kann, eine Erscheinung also, die
nur als Begleiterin einer Energie auftritt, aber wie die
Blume bei der zur Vollkraft gelangten Pflanze, wie die
Jugendblüthe dem zur Reife entwickelten Organismus, so
sich der Energie zugeseilt, wenn sie in ihrer Art eine
vollendete ist, die vorzüglichste Art der Betätigung an dem
vorzüglichsten Gegenstande. So muß es also ebenso viele Arten
von Freude geben als es Arten von Energien giebt; keine einzige
derselben kann also jemals an sich verwerflich erscheinen, selbst
nicht wenn die erregende Energie eine sinnliche ist; vielmehr
muß eine jede dem harmonischen Gedeihen des Gesammt-
organismus höchst förderlich, ja unentbehrlich sein. Verderblich
und zu fliehen wären nur die falschen Freuden, die eben des-
halb falsch wären, weil sie einer unrichtig ausgeübten Energie
an einem unwürdigen Gegenstande entsprächen. Nach dieser
Theorie also gäbe es neben den den Körper betreffenden, so-
matischen, Arten der Hedone, die auch ihre volle Berechtigung
haben, die von jenen freilich der Art nach ganz verschiedenen
Erscheinungen der Hedone an der Bethätigung des Logos, des
Nous und der Aisthesis. Ich schweige von den andern und
verweile nur bei der letzteren: das wäre also die Lust am
Schönen.
Ich meine hier so ganz mit Dir zusammenzutreffen, daß
ich garkeinen Einspruch mehr erwarte. Die Aisthesis, die
Auffassungskraft durch die Sinne, wäre das, was Du die Ein-
bildungskraft nennst; diese müßte die vorzüglichste sein und
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280
lieber Kants Kritik der aesthetischen Urteilskraft.
an dem am vorzüglichsten dafür geeigneten Gegenstand aus-
geübt werden, damit die Freude am Schönen zu stände komme.
Alles kommt nun darauf an die Frage zu beantworten: welches
ist denn nun die vorzüglichste Auffassungskraft, die
njxtriorri atath\a^ Dies springt sofort in die Augen, wenn
man beachtet, daß zwischen dem inneren Empfindungsvorgang,
dem rcu&o^ und der äußern "Wahrnehmungskraft ein Verhältniß
der "Wechselwirkung stattfindet. Freilich werden die Em-
pfindungsvorgänge erstlich durch das allein erregt, was die
Aisthesis der Seele von den Erscheinungen und Vorgängen ver-
mittelt. Nun aber existiren sie als selbständige Bewegungen und
erhalten durch den Verkehr mit dem Logos und dem Nous, der un-
ausgesetzt ihnen offen steht, eine ganz veränderte Natur, ohne
daß sie doch ihre ursprüngliche und engste Verbindung mit der
Aisthesis jemals aufzugeben im Stande wären. Aber statt daß
sie früher der Aisthesis unterthan waren und sich nicht zu
bewegen vermochten außer auf deren Veranlassung, nehmen sie
umgekehrt sie jetzt in ihre Dienste, und weisen sie an, setzen
sie auch in den Stand dazu, das an den Dingen und Vorgängen
aufzufinden und zusammenzufassen, was ihrem eigenen höheren
Bedürfniß entspricht. Ein Vorgang, den die Erfahrung des
Lebens täglich bestätigt: Der in seiner Empfindung ver-
edelte Mensch sieht die Dinge und Vorgänge anders, er weiß
mehr darin zu entdecken, sie in anderer Weise zu verbinden,
als er zuvor es vermochte. Wir fassen die Ursache in die Be-
zeichnung der "Wirkung zusammen, und nennen ihn aesthetisch
gebildet. Das äußere Organ bildet den innern Sinn, dann
aber in weit höherem Maße noch der innere Sinn das äußere
Organ. Hier wäre also die gesuchte Zusammenstimmung der
Einbildungskraft mit den Principien a priori des Verstandes
und der Vernunft, ohne daß Begriffe dabei ins Spiel kämen
und das daraus resultirende aesthetische Urteil: einfach gegeben
in der richtigen, d. h. denkbar höchsten Energie der Aisthesis
im Bunde mit den Empfindungen."
K.: „Ich kann es zufrieden sein, wenn Du Dir alle Mühe
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Von Hermann Baumgart.
281
giebst, Deine Theorie mit meinem System in Uebereinstimmnng
zu setzen. Es mag also auch dem aesthetischen Urteil, wie
Du es Dir vorstellst, die Allgemeingiltigkeit a priori beiwohnen.
Aber begierig bin ich zu erfahren, wie es mit Deiner Behauptung
steht, dass auch Du, ganz so wie ich. es Dir als ein subjectives
vorstellst. Deine ..Aisthesis", auf der es beruht, bliebe doch
schlechterdings an die objective Beschaffenheit der Dinge ge-
bunden. Da läge also das Schöne denn doch in den Dingen und
nicht in dem beurtheilenden Subjecte.*'
A.: „Mit Nichten! Es scheint nur so. Hier erst recht
bin ich in der Lage die Richtigkeit Deines Satzes völlig zu be-
stätigen. Die Dinge und Vorgange müssen eben nur die Be-
schaffenheit haben, daß sie die Möglichkeit, die Bereit-
schaft — die di'vafiig — gewähren, daß die Energie der
Aisthesis sich in der beschriebenen vorzüglichsten Weise an
ihnen zu bethätigen im Stande sei! Darin beruht ihrerseits die
„Vorzüglichkeit'', die sie dazu geeignet macht zur Entstehung
des Schönen mitzuwirken. Dieses letztere aber tritt, ganz wie
Du es lehrst, auch nach meiner Ueberzeugung nur dadurch in
die Welt, daß die Energie der Aisthesis sich in der rechten
Weise dem Dinge gegenüber bethätigt. Die Dinge, die wir
schön nennen, erfreuen nicht an sich! Dadurch unter-
scheiden sie sich eben von den sinnlich angenehmen, die
das allerdings thun, sondern sie schaffen eben nur demjenigen,
der das Vermögen dazu in sich entwickelt hat, die Möglichkeit
und den Anlaß sich zu erfreuen!
Aber wenn ich Dir hierin völlig beistimme, so muß ich
doch sogleich wieder einen neuen Streitpunkt bezeichnen : Du
leugnest die Möglichkeit eines objectiven Princips des Schönen.
Darin liegt sicherlich viel Wahres; aber das Eine ist doch von
selbst klar, daß jene objective Beschaffenheit, welche die
Dinge zu Gegenständen der Freude am Schönen geeignet macht,
sich auch objectiv feststellen lassen muß und zwar mit der
größten Bestimmtheit! Sollte hierin nicht ein großer Vorzug
Altpr. Monatwchrift Bd. XXIIL Hit 3 u. 4. IQ
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282 Ueber Kante Kritik der aesthetisohen Urteilskraft.
meiner Anschauungsweise vor der Deinen liegen? Hierüber hätte
ich wohl Lust mit Dir eingehend zu disputiren.
K.: „Für diesmal laß es genug sein. Ueberdies hast Du
mir in alledem, was für mich das Wesentlichste ist, Recht ge-
geben. Olfen gestanden habe ich mich um das Uebrige, um die
Künste mit allem ihrem Raffinement, Zeit meines Lebens weniger
gekümmert. Euch Griechen lagen diese Dinge ja näher. Wie
ich höre haben meine Deutschen sich seit meinen Tagen auch
mehr und mehr darauf verlegt. Mögen sie! Wenn sie das
nur nicht vergessen, was vor Allem ihnen einzuschärfen, ich
mir zur Aufgabe meines Lebens gemacht habe!"
M. H.! Möchte es Allen unvergeßlich eingeprägt sein,
das Vorbild Kants im Denken und im Handeln! Möchte er
dem ganzen deutschen Volke das sein, was — wie einmal
Rosenkranz in einem Briefe an die Königsberger Freunde
Kants schreibt (am 22. April 1849) — Kant für ihn war: das-
selbe nämlich was einem Katholiken sein Lieblingsheiliger
ist! Aber, was auch kommen möge, des Einen sind wir sicher,
daß seine Lehre und sein Vorbild unsterblich fortleben werden!
Lassen Sie uns dem Andenken unsers großen Mitbürgers ein
volles Glas weihen!
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Bas „propugnaculum in introitu terre Nattangie"
der Chronik des Dusburg (pars HI, cap. 133).
Von
C. Ileekherrn.
"Während des Krieges, welcher zwischen dem Deutschen
Orden und den Preußen in Folge des im Jahre 1261 begonnenen
allgemeinen Aufstandes der letzteren mit Erbitterung und
wechselndem Erfolge geführt wurde, erstürmte der Markgraf
Dietrich von Meißen im Jahre 1272 eine von den Preußen ver-
theidigte Schanze an der Grenze Natangens, vernichtete dabei
zugleich die Streitmacht dieser Landschaft und verheerte diese
darauf so gründlich, daß deren Bewohner sich bald dem Orden
wieder unterwarfen. Den einzigen zuverlässigen Bericht über
dieses Ereigniß liefert Dus bürg und, ihm genau folgend, Jero-
schin. Da diese Chronisten nun aber über den Ort, an welchem
die Schanze gelegen, deren Erstürmung so wichtige Folgen nach
sich zog, daß unser Interesse an diesem Kriegsereignisse erregt
wird, nur solche Angaben machen, daß er nicht direct festge-
stellt, sondern nur durch locale Untersuchungen und Combination
der Nebenumstände ermittelt werden kann, so soll in dem Nach-
stehenden die Auffindung des Ortes versucht werden.
Dieser Versuch ist übrigens schon von unsern älteren
Historikern Schütz und Voigt gemacht worden. Beide er-
zählen aber Vieles, was offenbar ihrer Phantasie entsprungen
ist, und wovon ihre Quelle, Dusburg, nichts weiß. Ersterer
macht aus der Schanze „eine große und weitbegriffene Festung** ,
welche er, durch den dort befindlichen Ort Görken verleitet, an
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284 Das „propngnaciilnm in introitu terre Nattangie" etc.
die Grenze von Pomesanien verlegt ; letzterer, welcher die Kriegs-
ereignisse dieser Zeit so durcheinanderwirft, daß die Kriegführung
des Ordens als eine ganz planlose erscheint, ist unentschieden
darüber, ob das propugnaculum eine bei Heiligenbeil gelegene
„AVehrburg" oder ein zwischen diesem Orte und Brandenburg
zu suchender „Verhau" gewesen sei.1) Von neueren Forschern
hält v. Winkler, ohne seine Ansicht näher zu begründen,
den Lateinerberg bei Heiligenbeil für die fragliche Schanze, 2)
und diesem stimmt Rogge bei.8) Die drei ersten zu wider-
legen, ist überflüssig, weil sie ihre dem Berichte Dusburg's
offenbar widersprechenden Ansichten durch nichts zu stützen
vermögen. Rogge dagegen versucht, seine Behauptungen zu be-
gründen, sie sollen daher weiter unten genauer erörtert werden.
Zunächst aber lassen wir Dnsburg sprechen; er berichtet:
Im Jahre 1272 kam Herr Dietrich, Markgraf von Meißen,
mit einer Menge von Reisigen in das Land Preußen. Nachdem
er sich mit dem Landmeister und den Ordensbrüdern vereinigt
hatte, stieß er unvermuthet (invenit), als er die Feinde an-
greifen wollte, am Eingange (in introitu) in die Landschaft
Natangen auf eine Schanze (propugnaculum), besetzt mit
vielen Bewaffneten, welche sein Vordringen verhinderten.
Aber zwei Ordensritter, die Brüder Dietrich und Günther
von Regenstein, stellten sich an die Spitze der Ordensmann-
schaft und der Reisigen und zerstörten die Schanze, nachdem
sie alle Vertheidiger derselben getödtet oder gefangen genommen
hatten. Als dieses geschehen war, drang der Markgraf, den
Spuren seines Vaters folgend, wie ein unerschrockener Löwe,
welcher sich nicht scheuet, irgend wem entgegenzutreten, mit
dem Heere die Landschaft Natangen betretend, bis zu einem
Markt platze (forum) vor, welcher Gerkin genannt wird. Hier
blieb er drei Tage und Nächte, an jedem Tage Natangen unter
Brand und Raub durchstreifend. Die Zerstörung, welche er an-
1) Gesch. Preuß. III, 315, 31G.
2) Zeitachr. f. d. Gesch. Ermlands II, 653.
3) Altpr. Monatsschr. XIV, 588.
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Von C. Beckherrn. 285
richtete, war so groß, daß die Einwohner sich im folgenden
Jahre dem Orden wieder unterwarfen. Nachdem Alles so ver-
laufen war, kehrte der Markgraf wieder in die Heimat zurück,
jedoch nicht mit der ganzen Zahl der Seinigen, weil zuerst
bei der Erstürmung der Schanze 150 und dann bei der Ver-
wüstung Natangens 50 von seiner Mannschaft von den Preußen
getödtet worden waren.
Dieser im Ganzen klare Bericht giebt doch in Folge seiner
Knappheit über einige wesentliche Punkte keine directe Aus-
kunft. Zunächst bleiben wir über den Ausgangspunkt der
Expedition im Dunkel; da wir aber das erste Operationsobject,
nämlich den Marktplatz Gerkin, das heutige Dorf Görken, eine
Meile nordwestlich von Pr. Eylau gelegen, kennen, so ist uns
auch damit ein Anhalt für die Ermittelung der Marschlinie und
des Ausgangspunktes gegeben. Es braucht wohl nicht näher
begründet zu werden, daß der Markgraf von Meißen seine
reisige Schaar zunächst nach Elbing, dem damaligen Haupt-
hause des Ordens in Preußen und Sitze des Landmeisters ge-
führt habe. Von hier aus stand dem weiteren Vormarsche die
in der Nähe des Haffes nach Königsberg führende Etappen-
straße zu Gebote. Diese muß auch von der Kriegsschaar des
Markgrafen benutzt worden sein, denn ein directer Vormarsch
auf das in der Luftlinie 11 Meilen entfernte Görken durch
wenig bekannte, unwegsame und in vollem Aufstande ihrer Be-
wohner befindliche Gegenden, in denen auch nicht eine einzige
Ordensburg oder Stadt der Expedition einen Rückhalt gewährte,
ist bei den damaligen Verhältnissen unwahrscheinlich. Selbst
wenn die Schwierigkeiten, welche sich einem directen Vor-
marsche von Elbing aus entgegenstellten, zu hoch angeschlagen
wären und der Markgraf diesen wirklich unternommen hätte,
so würde doch dieser Umstand in unserer Untersuchung, welche
sich, wie weiter unten ausgeführt, auf die Annahme des Aus-
gangspunktes in Balga stützt, zu demselben Resultate führen;
denn die beiden Marschlinien Elbing-Görken und Balga-Görken
stoßen in einem spitzen Winkel zusammen, so daß sie schon in
Digitized by Google
286 Das ,.propugnaculuni in introitu terre Nattangie" etc.
einiger Entfernung vor ihrem Vereinigungspunkte nahe neben
einander herlaufen. An der erwähnten EtappenstraBe existirten
damals die bischöfliche Burg und Stadt Braunsberg und die
Ordenshäuser Balga, Brandenburg und Königsberg. Auf welchen
dieser Orte hat nun der Markgraf seine Unternehmung gegen
Görken basirt? Braunsberg kommt bei dieser Frage von vorn-
herein als Stadt, und zwar als bischöfliche, nicht in Betrachtung,
ebensowenig die Burg, wenn auch beide aus der Zerstörung
durch die Preußen im Anfange des zweiten Aufstandes sich
wieder erhoben haben sollten. Das im Jahre 1255 gegründete
und einige Jahre darauf an eine andere Stelle verlegte Ordens-
haus Königsberg hatte seinen Wirkungskreis im Samlande ; seine
Beziehungen zu Natangen und seine Verbindungen mit dieser
Landschaft, welche für eine von dort zu unternehmende Expe-
dition in diese letztere sehr wichtig waren, konnten bei der
kurzen Zeit des Bestehens dieses Hauses nur sehr mangelhafte
sein, denn seine Besatzung war entweder mit der Unterdrückung
des Aufstandes im Samlande vollauf beschäftigt, oder hatte auch
feindliche Angriffe von seinen Mauern abzuwehren. Schließlich
fällt der bedeutende Umweg, den die Truppen des Markgrafen
zurückzulegen hatten, wenn sie ihr Operationsobject über Königs-
berg erreichen sollten, so sehr ins Gewicht, daß dieser Ort als
Operationsbasis nicht angenommen werden kann.4) Branden-
burg war mit geringeren Anforderungen an die Kräfte der
Truppe und mit geringerem Zeitverluste zu erreichen, auch lag
es dem Operationsobjecte am nächsten; aber es war im Jahre
1266 von den Preußen zerstört und erst 1268 in Eile wieder
nothdürftig aufgebauet worden, zur Aufnahme und zum Stütz-
punkte einer größeren Heeresabtheilung also noch sehr wenig
geeignet. Bei der Besatzung dieses Hauses, welche nach dem
Wiederaufbau gewiß eine ganz andere, als die frühere wurde,
darf nur eine sehr geringe Kenntniß der Landschaft Natangen
4) Perlbach (Altpr. Monatsschr. XII, 115) vermuthet in Königsberg
den Ausgangspunkt, giebt aber keine Gründe dafür au.
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Von C. Becklierrn.
2«7
vorausgesetzt werden. Ein wichtiger Grund für die Wahl
Brandenburgs zum Auagangspunkte, nämlich die Lage des
Ordenshauses Kreuzburg auf der Linie des Vormarsches gegen
Görken, war überdies zu jener Zeit hinfällig geworden, denn
dieses Haus war nach längerer von Heinrich Monte geschickt
geleiteter Belagerung der Ausdauer des Feindes im Jahre 12(i5
erlegen. Von den oben aufgezählten Ordenshäusern ist also noch
Balga in Bezug auf den in Rede stehenden Zweck zu prüfen.
Dieses Haus war in dieser Gegend Preußens nächst Elbing das
älteste, geräumigste und mit allen zur Kriegführung notwen-
digen Gegenständen am besten ausgerüstete militärische Eta-
blissement. Von hier aus war die erste Eroberung "Warmiens,
Samlands und Natangens erfolgt und die Erbauung der Kreuz-
burg in letztgenannter Landschaft bewirkt. Auch während des
ersten und während des zweiten jetzt noch andauernden Auf-
standes der Preußen waren Streifzüge durch diese Landschaft
von Balga aus unternommen worden, so z. B. der im Jahre
1248, welcher mit der Niederlage bei Krücken endigte, der des
Jahres 1249 und gewiß noch manche andere, welche in der
Geschichte nicht verzeichnet sind. Die angeführten Umstände
rechtfertigen die Annahme, daß bei der Besatzung Balga's, bei
Anführern und Mannschaft, eine Kenntniß der localen und
sonstigen Verhältnisse der Landschaft Natangen vorhanden ge-
wesen, wie eine solche auf den andern Ordenshäusern nicht zu
finden war, und welche auch durch einen Personenwechsel in
der Besatzung nicht verloren gehen konnte, weil dieser sich doch
immer nur theilweise und allmählich vollzog. Nach allem diesem
kann es also keinem Zweifel unterliegen, daß der Markgraf von
Meißen das Haus Balga als Operationsbasis für seine
Unternehmung auf den Rath des Landmeisters gewählt habe,
denn abgesehen davon, daß es das von Elbing aus am leichtesten
zu erreichende war, fand er hier Unterkunft für seine Mann-
schaft, Ersatz für Waffen und sonstiges Kriegsmaterial, Proviant,
zuverlässige Nachrichten über die gesammten Verhältnisse Natan-
gens, eine praktikable Verbindung und gut unterrichtete Führer.
28«
Das ..propugnacuhun in introitu terro N'attangie" etc.
Nach dieser Feststellung der Operationsbasis wird es an-
gemessen sein, daß wir uns auch noch mit dem bereits be-
kannten engeren Operationsobject, dem Marktplatze
Görken, beschäftigen. Das "Wort forum, Markt, womit Dus-
burg den genannten Ort bezeichnet, findet sich in derselben
Anwendung auch in einigen alten preußischen Urkunden, z. B.
in einer von 1287, wo ein forum Pogusanie,5) und in einer
andern von 1326, wo ein an dem Wege von Fischhausen nach
Medenau gelegenes forum erwähnt wird. °) Es kann demnach
nicht bezweifelt werden, daß es im alten Preußen Orte gab,
welche in Bezug auf ihre Einrichtungen und ihr Verhältniß zu
den übrigen Ortschaften des Landes der Bedeutung des ge-
nannten Wortes entsprachen. 7) Wir übersetzen das Wort forum
gewöhnlich einfach durch Markt und verstehen darunter einen
öffentlichen in irgend einer Ortschaft gelegenen Platz, auf
welchem Erzeugnisse der Landwirthschaft und der Gewerbe
feilgeboten werden; im alten Rom aber gab es neben diesem
Handelsforum noch ein solches, welches zu Volksversammlungen
und gerichtlichen Handlungen diente. Welche von diesen beiden
Bedeutungen dem forum Görken beizulegen sei, muß dahingestellt
bleiben, wahrscheinlich diente es beiden Zwecken. Will man
einen Nachdruck darauf legen, daß Dusburg gerade dieses Wort
zur Bezeichnung des Marktplatzes Görken gebraucht, während
in alten Schriften auf derartige Oertlichkeiten auch noch ein
anderes, nämlich mercatus, angewendet wird,8) welches nur die
Bedeutung Handelsplatz hat, so kann man auch für Görken ein
5) Cod. Warm. I, No. 77.
6) Matric. Fischhus. p. 39.
7) Ein solcher Markt- und Handelsplatz war auch Truso in der Um-
gegend von Elbing, welcher durch Wulfstan's Reisebericht bekannt geworden
ist. Dieselbe Eigenscbaft scheint auch Pr. Mark bei Saalfeld beizulegen zu
sein. Vgl. N. Pr. Prov. M. VI, 290 ff.
8) Vita S. Adalbert! des Erzbischofs Brun. Foris projecti veniunt in
mercatum, ubi confluxerat unda populorum. Dieser Marktplatz scheint im
südwestlichen Samlande gelegen zu haben. Zu beuchten ist hier dos Zu-
sammenströmen und Treiben einer groBen Volksmenge.
I
Digitized by GoggÜ
Von C. Beckherrn.
289
Vorwiegen der politischen und gerichtlichen Zwecke annehmen.0)
Immerhin geht aus dem Angeführten hervor, daß Görken einer
der bedeutendsten und wichtigsten Orte Natangens gewesen
sein muß, durch dessen Zerstörung der ganzen Landschaft große
Nachtheile zugefügt werden konnten. Eine feindliche Heerea-
abtheilung durfte darauf rechnen, hier am leichtesten ihren
Unterhalt zu finden, und von hier aus die ganze Landschaft
ausrauben und verwüsten zu können, da dieser wichtige Ort
gewiß mit den entferntesten Punkten der Landschaft durch ver-
hältnißmäßig bequeme "Wege nach allen Richtungen in Verbin-
dung stand. Es ist demnach einleuchtend, daß dieser Ort dem
Markgrafen von Meißen als derjenige bezeichnet wurde, dessen
er sich zu bemächtigen hätte, um den Zweck der Expedition
am schnellsten und sichersten zu erreichen.
"Wir stehen nun vor der Hauptfrage: Wo lag das von
Dusburg erwähnte propugnaculum? Nach den vorausgeschickten
Ausführungen kann es nur westlich von Görken gesucht werden,
und zwar in dessen Nähe, denn der vonBalga resp. vonElbing
gegen Görken in Anmarsch begriffene Markgraf stieß zuerst auf
die Schanze, eroberte sie und besetzte dann sogleich diesen Ort.
Das gegenwärtig sehr unbedeutende Dorf Görken liegt auf der
nordöstlichen Absenkung des unter dem Namen Stablack von
der "Walsen aus der Gegend von Piauten in nordöstlicher Rich-
tung bis an den Pasmar in der durchschnittlichen Breite von
anderthalb bis zwei Meilen sich erstreckenden Höhenzuges. Den
Rücken desselben bilden viele, theils zu kleinen Ketten anein-
andergeschlossene, theils ganz isolirte, sehr steil geböschte
Hügel, welche absolute Höhen von 300 bis 688 Fuß erreichen.
Sein Abfallen nach Nordwesten hin geschieht sanft und ziemlich
9) Sollte der Name des Dorfes Görken etwa zu dem des urkundlich
beglaubigten altpreuflischen Gottes Curche (Curcho, Kurko, Gurcho, Gorcho)
in Beziehung stehen und hier ans einem ursprünglichen Cultusorte sich ein
Handelsort auf naturgemäßem Wege entwickelt haben? Beispiele für der-
artige Vorgänge liefern viele christliche Kirchen des Mittelalters mit ihrer
Kirmes.
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290 1^ .,pro])iipnaculmn in introitu torro Nattangie" etc.
stetig, auf der östlichen und nordöstlichen Senkung aber treten
steile Ränder auf, welche besonders auf letzterer von vielen tief
eingerissenen Wasserlaufen durchschnitten werden. Dadurch
sind hier zahlreiche Bergnasen und Plateauvorsprünge gebildet
worden, welche von den alten Proußen mit Vorliebe bei der
Anlegung ihrer Befestigungen benutzt wurden.
In geringer Entfernung westlich von dem 3800 Schritte
südwestlich von Gurken gelegenen Dorfe Pilzen entspringt der
Kniewittbach, fließt, bald ein Ravin mit steilen bis zu 75 Fuß
hohen Rändern bildend, nach Nordosten, nimmt rechts ein von
Pilzen ebenfalls in tiefem Ravin herunterkommendes Rinnsal
auf, desgleichen bei Grundfeld ein anderes links von Jerlauken
her, wendet sich dann nach Osten und ergießt sich, nachdem er
Görken berührt hat, bei Drangsitten in den Pasmar. Ebenfalls
bei Pilzen seinen Ursprung nehmend, zieht sich ca. 100 Schritte
östlich von dem schon erwähnten von diesem Orte ausgehenden
ein zweites Ravin anfanglich in nördlicher, dann in nordöst-
licher Richtung nach Grundfeld hinunter, dessen Rinnsal dort
in den Kniewittbach fällt. Auf diese "Weise wird von dem
hohen rechten Rande des Ravin s, in welchem der Kniewittbach
fließt, ein kleines, einen isolirten Bergrücken bildendes Stück
abgeschnitten. Dieser Rücken hat nur über die Landenge
zwischen den beiden Ravins an seinem südwestlichen Ende von
Pilzen her einen praktikablen Zugang, welcher aber noch durch
eine beide Ravins verbindende Einsattelung coupirt wird. Auf
diesem Ende des kleinen isolirten Rückens, welches auf drei
Seiten von den soeben erwähnten Terraineinschnitten um-
schlossen wird, erhebt sich über den hohen und steilen Rändern
der Ravins ein Hügel mit den Ueberresten einer alten Schanze.
Diese hat in jüngster Zeit durch Beackerung, Kiesabstich und
anderweitige Benutzung durch den Besitzer bedeutend gelitten;
im Jahre 1879 konnte aber noch ihre Ausdehnung und ihre
Form im Grundriß und Profil festgestellt werden. 10) Die
10) Die Angaben über die GröJJe und Form dieser und der weiter
unten noch zu erwähnenden Schanzen beruhen auf Notizen und Croquis,
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Von C. Beckherm.
Schanze bestand aus einem geschlossenen inneren Werke und
mehreren äußeren "Wällen. Ersteres, ein regelmäßiges Rechteck
von 75 und 50 Metern Seitenlänge, wurde gebildet von vier in
gerader Linie aufgeworfenen und in scharfem rechten Winkel
zusammenstoßenden Wällen, deren Stärke nicht festgestellt
worden ist, deren Höhe aber mindestens 15 Fuß betragen hat.
Die beiden längeren Fronten waren nach Nordwesten und Süd-
osten gekehrt. Auf dieser letzteren Seite waren vor dem Haupt-
walle, mit diesem parallel, noch zwei voreinanderliegende Wälle
aufgeworfen, welche sich in geringer Entfernung von einander
und ebenso vor dem Fuße des Hauptwalles bis an den etwas
vorspringenden Rand des südwestlich gelegenen Ravins aus-
dehnten, den Hauptwall auf dieser Seite also etwas debordirten.
Die äußere Böschung des äußeren dieser Wälle stützte sich auf
den Rand des südöstlichen Ravins. Vor der nordwestlichen
langen Front zeigten sich gleichfalls noch Reste eines parallelen,
dem Hauptwalle dicht anliegenden Außenwalles, welcher größten-
teils durch Absturz des steilen Ravinrandes zerstört zu sein
schien. Die beiden kurzen Fronten des geschlossenen Haupt-
walles waren durch keine Außenwälle verstärkt, hier vielmehr
die Hauptwälle unmittelbar auf die Ravinränder aufgesetzt.
Der Lagerraum des Hauptwerkes begriff 3750 Quadratmeter in
sich, konnte also ca. 1850 Mann als Besatzung aufnehmen.
Diese reichten zur Besetzung sämmtlicher Wälle und zur Bildung
einer angemessenen Reserve vollkommen aus.
Folgen wir von diesem Schloßberge aus — so wird die
Schanze von den Umwohnern genannt — dem Laufe des Knie-
wittbaches in der Richtung nach seiner Mündung, so treffen
wir nach etwa 1000 Schritten auf dem linken Ufer bei dem
Dorfe Grundfeld einen zweiten Schloßberg an. Bei diesem
Dorfe, an dessen östlicher Lisiere, mündet, wie schon oben be-
merkt, ein von Jerlauken herkommender unbedeutender Bach
welithe der Besitzer von Jerlauken, Herr Huhn, der Prussia einzusenden die
Güte hatte.
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292 Da8 „propiignaculum in introitu terre Nattangie" etc.
in den Kniewittbach. Die Ravina, in denen diese beiden Ge-
wässer fließen, sind in einem Abstände von 300 bis 400 Schritten
von ihrem Vereinigungspunkte durch eine schmale Bodenein-
senkung mit einander verbunden. Auf dem in dieser "Weise
abgeschnittenen plateauartigen Bachwinkel, westlich und un-
mittelbar neben dem Dorfe, liegt der Schloßberg, ein Hügel,
welcher mit einer Schanze gekrönt ist. Die Kuppe des Hügels
bildet ein plateauartiges längliches Oval, auf dessen westlichem
Ende die Schanze errichtet ist, von deren Erhaltungszustand
dasselbe gilt, was darüber schon bei der von Pilzen bemerkt
wurde. Der Grundriß der Schanze von Grundfeld bildete ein
Quadrat von ca. 24 Metern Seitenlänge, ihre Wälle hatten eine
Höhe von mindestens 18 Fuß und stießen ebenfalls unter
scharfen rechten Winkeln zusammen. Die von der Schanze
nicht eingenommene kleinere östliche Hälfte der Hügelkuppe
schien durch leichte Umwehrung zu einer Vorburg hergerichtet
gewesen zu sein. Den Fuß des Hügels umschloß im Süden und
bis zur Hälfte auch im Osten ein in flachem Bogen gezogener,
von dem Kniewitt- bis zu dem Jerlauker Ravin sich erstrecken-
der Graben. Dieser schien, nach geringen Ueberresten zu
schließen, auf seinem inneren Rande einen Wall getragen zu
haben, welcher vermuthlich sich auch um den nördlichen Fuß
des Hügels auf dem Rande des Jerlauker Ravins herumgezogen
hat, da dieser hier nur 30 Fuß hoch ist. Der innere Raum des
Kernwerkes maß 576 Quadratmeter und konnte 250 bis 280 Mann
aufnehmen, welche zur Besetzung seines Walles vollkommen,
zur Mitbesetzung der Vorburg nothdürftig ausreichten. Zur
gleichzeitigen Besetzung der äußeren Umwehrung war aber eine
sehr zahlreiche Mannschaft erforderlich, welche allerdings in
dem Räume zwischen Hügel und äußerem Walle genügenden
Lagerraum fand.
Zur Fortsetzung unsrer Untersuchung verlassen wir nun
den Kniewittbach und begeben uns über Jerlauken zu einem
andern kleinen Bache, welcher, aus der Gegend von Sodehnen
herunterkommend, die Landsberg-Kreuzburger Landstraße be-
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Von 0. Beckherrn.
293
gleitet und bei dem eine Viertelmeile nordwestlich von Grund-
feld gelegenen Dorfe Schlauthienen in einen größeren Bach fällt,
welcher, bei Hussehneu entspringend, bei Graventhien in den
Pasmar mündet. UngefahröOO Schritte westlich von derVereinigung
dieser beiden Bäche bei Schlauthienen liegt an dem südlichen
Ufer des Hussehner Baches ein dritter Schloßberg. In einer
Erweiterung des Kavins, in welchem der Bach dahinfließt, bildet
der südliche ca. 40 Fuss hohe Band einen Vorsprung in der
mittleren Länge von 60 und Breite von 50 Metern. Die frei-
liegende breite Seite ist nach Nordosten gewendet, die südöstliche
Ecke ist abgerundet, die nordwestliche läuft in einer schmalen
Zunge bis zum Bache aus. Die ehemalige Befestigung dieses
Schloßberges hat vom Zahne der Zeit und von der Hand des
Menschen sehr zu leiden gehabt. Aus den geringen übrig ge-
bliebenen Spuren konnte nur noch geschlossen werden, daß
sowohl der nach dem Ravin abfallende Rand, als auch die sehr
breite Kehle des Vorsprunges eine leichte Umwehrung getragen
haben dürften. Innerhalb derselben am südöstlichen Ende schien
ein kleines kreisförmiges Kernwerk mit einem Umfange von
ca. 35 Metern gestanden zu haben. Die ganze Befestigung
mochte etwa 1000 bis 1200 Menschen Lagerraum gewähren.
Es bleibt nun noch die Aufgabe, zu untersuchen, ob einer
und welcher dieser drei Schloßberge das gesuchte propugnaculum
gewesen sei. Dusburg sagt klar und bestimmt, daß der Mark-
graf auf seinem Zuge von Balga oder, wenn man lieber will,
auch von Elbing aus nach Görken hin unvermuthet auf eine
Schanze gestoßen sei;11) er hat also von der Existenz derselben
vorher keine Kenntniß gehabt. Dieses läßt sich bei der gründ-
lichen Information über die Zustände und Vorgänge in Natangen,
welche er auf Balga erhalten haben mußte, nur dadurch erklären,
daß die Schanze erst kurz vorher von den Natangern errichtet
worden ist. Das kann nur zu dem Zwecke geschehen sein,
11) Invenit propugnacnlura. In venire enthält den Begriff des Unver-
motheten, Zufälligen.
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2f>4 Dfts „propugnaculum »n introitu terre Nattangie" ete.
durch dieselbe den Feind in seinem Vordringen von Balga
(oder Elbing) her aufzuhalten und den wichtigen Markt-
platz Görken zu decken, 12) welcher Absicht allerdings eine
genaue Kenntniß des Ausgangspunktes und Operationsobjects
des Feindes vonseiten des Heerführers der Natanger zu Grunde
gelegen haben muß. Diese zu erlangen, und zwar rechtzeitig,
ist dem natangischen Heerführer sicherlich nicht schwer ge-
worden, denn unter den zahlreichen Preußen, welche sich auf
den Ordenshäusern theils in dienstlichen Stellungen, theils als
Gaste aufhielten, gab es gewiß so manchen Spion und Verräther.
Auch die Bewohner "Warmiens, welche gleichfalls Gelegenheit
hatten, manche wichtige Beobachtung in Bezug auf die doch
immer einige Tage erfordernden Vorbereitungen zu der Expe-
dition zu machen, werden bei ihrem tiefen Hasse gegen die
Bedrücker es nicht verabsäumt haben, dem allgemein als Befreier
angesehenen Heerführer der Natanger Heinrich Monte schleunigst
darüber Mittheilung zu machen. Es genügte, wenn er über den
Plan des Feindes etwa eine Woche vor dessen Erscheinen an
der Grenze Natangens unterrichtet war, um die Vorbereitungen
zu seinem Empfange treffen zu können; die zeitraubendste der-
selben, der Bau der Schanze bei Pilzen, konnte mit der darin
unterzubringenden Mannschaft bequem in vier Tagen ausgeführt
werden. Diese Schanze mußte, wenn sie ihrem Zwecke ent-
sprechen sollte, erstens auf oder nahe bei der Marschlinie des
anrückenden Feindes liegen, und zweitens mußte sie westlich
von Görken, jedoch nicht zu weit davon entfernt errichtet
worden sein, damit bei einer etwaigen Umgehung vonseiten des
Feindes diese leicht bemerkt und dem Angriffe auf Görken auf
12) Daß diese Schanze keinem dauernden, sondern nur einem vorüber-
gehenden Zwecke dienen sollte, darf man vielleicht auch aus dem Auadrucke,
welchen Dusburg dafür gebraucht hat, schließen. Er hat für die verschie-
denen Befestigungsanlagen bestimmte Bezeichnungen, z. B. für ein passageres
Werk propugnaculum, für ein permanentes Castrum, für ein Marachlager
den Plural dieses Wortes, für Verhaue indagines. In einigen wonigen Fällen
setzt er auch Castrum für propugnaculum. offenbar ans Unkenntnis über
die Bestimmung oder Beschaffenheit der betreffenden Befestigungen.
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Von C. Beckherrn.
295
einem andern Punkte zeitig entgegengetreten werden konnte.
Den angegebenen Zwecken entspricht am meisten Pilzen,
weniger Grundfeld wegen seiner mehr nördlichen Lage, 13)
während Schlauthienen ganz außerachtzulassen ist. Daß dieses
sich so verhält, wird der Blick auf eine gute Karte (General-
stabskarte) sofort ergeben.
Dusburg berichtet ferner, daß der Markgraf am Eingänge
in die Landschaft Natangen auf das propugnaculum ge-
stoßen sei, und daß gleich nach Eroberung desselben das Heer
diese Landschaft betreten habe. Toppen 14) konnte bei dem
Mangel an Anhaltspunkten die Grenze zwischen Warmien und
Natangen nur in ihrer allgemeinen Richtung angeben, hat sie
aber in seinem Atlas doch so gezogen, daß sie ungefähr Pilzen
berühren und nicht weit von Schlauthienen (südwestlich) vor-
überziehen dürfte. 15) Die nordwestliche, das Dorf Labehnen
umziehende Verlängerung dieses Grenzabschnittes, welches Dorf
Toppen mit dem in der Friedensurkunde von 1249 genannten
natangischen Orte Labegow für identisch hält, ist als feststehend
zu erachten, nachdem Perlbach durch eine Urkunde von 1394
die Identität beider Orte nachgewiesen hat. 10) Dieselbe Quelle
nun, aus der die specielleren Angaben über unsere drei Schanzen
stammen (vergl. Anmerk. 10), giebt uns ein Mittel an die Hand,
diese Grenze auch auf der Strecke Schlauthienen-Pilzen genauer
festzustellen. Verschiedene Merkmale nämlich lassen erkennen,
daß die alten Preußen schon vor der Ankunft des Deutschen
Ordens auf den Grenzen der Landschaften Landwehren errichtet
gehabt haben, ob zur Verteidigung oder nur als feste Grenz-
marken, mag dahingestellt bleiben. So war z. B. das Samland
vom Witlande nördlich von Witlandsort durch eine Landwehr
13) Nähme man den Anmarsch des Markgrafen von Elbing her an,
so würde Grandfeld gar nicht in Betrachtung zu ziehen sein.
14) Hist. comp. Geogr. S. 19.
15) Auf Voigt's Burgenkarte liegt Pilzen unmittelbar an der Grenze
innerhalb Natangens.
IG) Altpr. Monataschr. XI, 2G4 No. 7.
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206
Das „propugnaculura in introitn terre Nattangie" etc.
geschieden, welche sich gegenwärtig noch als mächtiger Wall
von der Stätte der ehemaligen St. Adalberts-Capelle unter dem
Namen Gardiene quer über die Halbinsel bis gegen das Half
erstreckt. 17) Es liegen ferner ziemlich sichere Anzeigen vor,
die jedoch durch weitere Forschung noch vermehrt werden
müßten, um zu einem ganz sichern Resultate zu gelangen, daß
auch die Grenzen zwischen Barten, Pogesanien und Sassen
einerseits und Galindien andererseits schon vor dem berührten
Zeitpunkte durch Landwehren markirt waren. Der Orden hat
sie streckenweise in die befestigten Linien hineingezogen, welche
er später gegen die Einfalle der Litauer anlegte. Dem ist es
zuzuschreiben, daß in diesem Theile des Landes an der großen
Wildniß sich ausgedehntere und bedeutendere Spuren der alten
17) v. Cohauaen (Zeitschr. f. preuß. Gesch. u. Landesk. 186« S. G13 ff.)
hält diesen Wall für ein von den Samländern zu einem speciellen Verthei-
digungszwecke, nämlich gegen den auf Samland durch den Landmeister
Heinrich v. Wida zwischen 1242 und 1249 unternommenen Angriff, er-
richtetes Werk. Er entnimmt dieses der aus Weyer's Chronik geschöpften
Nachricht bei Hennenberger (Erklär, d. Landtal'. S. 413), welche folgender-
maßen lautet: ,.II. v. Wida zoch mit grosser Mannschaft [im Winter über
das Haff] auff Samlandt, aber die Samen hatten einen starken Hagen von
grossen Beumen und Ricken vom Seestrande an bis in das frische Haff ge-
macht, den durchhieben die Brüder, sprengten in das Landt, raubten,
branten und mordeten, mitler weil samleten sich die Samen, machten den
Hagen wieder und warteten alda dos Meisters. Die Christen aber setzten
freidig in die Heyden, und wurden auff beyden Seiten viele erschlagen,
unter des durchhieben etzliche Christen wiederumb den Hagen, dadurch
dränge der Meister mit dem Hauffen, aber den Raub mußten sie lassen."
Diese Nachricht enthält aber nicht die geringste Andeutung über die Auf-
wertung eines Walles, spricht vielmehr nur von der Herstellung eines Ver-
haues aus großen Bäumen und von Zäunen. Es ist aber sehr wahrscheinlich,
daß dieser Verhau vor dem schon vorhandenen alten Gren z walle
angelegt und auf diesem selbst ein Brustwehrzaun errichtet worden sei, wo-
durch denn eine starke verthoidigungsfähige Grenz wehr, und zwar in kurzer
Zeit entstanden wäre. Dieser Punkt ist besonders zu beachten, denn die
Samländer konnten unmöglich über Zeit und Ort des Angriffes so frühzeitig
unterrichtet sein, daß es ihnen möglich gewesen wäre, außer dem Verhau
auch noch einen mindestens Fuß hohen, 30 Schritte breiten und 2700
Schritte langen Wall herzustellen, zu dem die Erde nicht einem dem Walle
anliegenden Graben, sondern anderweitig entnommen wurde.
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Von C. Beckherrn.
2i)7
Landwehrwällo erhalten haben, als weiter im Innern, wo der
Orden keine Veranlassung hatte, sie zu erhalten, weshalb sie
schon frühzeitig der hier sicli schneller entwickelnden Boden-
cultur erlagen. Diese Andeutungen müssen hier einstweilen
genügen, weil ein näheres Eingehen auf diesen Gegenstand zu
weit abführen würde. Nun waren im Jahre 1879 noch Bruch-
stücke von sogenannten Längswällen bei den Schloßbergen von
Pilzen und Schlauthienen vorhanden, welche sämmtlich eine
Höhe von 6 Fuß hatten. An letzterem Orte durchsetzte dicht
unterhalb, Östlich des Schloßberges, ein solcher ca. 100 Meter
langer "Wall, nur dem Bache eine Oeffhung lassend, das dortige
Ravin in der Richtung von Nordwest nach Südost. Auf den
höheren Theilen des Terrains schien er tiberall dem Pfluge
erlegen zu sein, in seiner Verlängerung nach Südosten trat er
jedoch in dem Ravin des Kniewittbaches ca. 80 Meter lang
wieder auf, und zwar mit derselben Richtung und das Ravin von
seinem nordwestlichen Rande bis zum Ufer des Baches, dem
von Pilzen herabkommenden gegenüber, durchschneidend. In
seiner ursprünglichen Richtung verlängert gedacht, würde er
dem soeben erwähnten Ravin vom südwestlichen Fuße des
Schloßberges bis zu dessen nach Süden vorspringenden Ecke
folgen. Hier trat er in zwei kurzen Bruchstücken an der daselbst
befindlichen Einsattelung abermals auf, aber mit der Richtung
von "Westen nach Osten. In Anbetrachtung der über die alten
Landwehren gemachten Bemerkungen dürfte es wohl erlaubt
sein, diese soeben besprochene als einen Theil derjenigen anzu-
sehen, welche die Grenze zwischen den Landschaften "Warmien
und Natangen bezeichnete. Eine Andeutung über das Vor-
handensein dieser Landwehr enthält vielleicht sogar Dusburg's
Bericht, in welchem wir lesen, daß der Markgraf am Eingange
in die Landschaft Natangen die Schanze angetroffen habe,
wörtlich: „invenit propugnaculum in introitu terre Nattangie." 18)
18) .Teroschin schreibt:
Im was gach, er was gereit
urloigis an di viende varn;
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIIL Hft. 3 u. 4. 20
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298 I)ns „propngunculum in introitu terre Nattangie" etc.
Das Wort introitus hat die eigentliche Bedeutung Eingang,
Eintritt, wird aber auch örtlich, also im Sinne von Thür, Pforte
und dergl. gebraucht, mit einer solchen Anwendung verbindet
sich aber unerläßlich die Vorstellung eines Raumes, welcher von
einem Gegenstande, Mauer, Wall u. s. w. umschlossen ist, worin
allein ein solcher Eingang befindlich sein kann. Wenn nun
Dusburg's „introitus", wie auch Jeroschin's „inwege" wirklich
im Sinne von Pforte, Durchgang u. s. w. gebraucht wäre, wie
es in der That der Fall zu sein scheint, so würde dadurch auch
die Existenz einer Landwehr auf der Grenze Natangens be-
glaubigt sein. Nach allem dem muß die von Töppen gezogene
Grenze zwischen Warmien und Natangen als richtig anerkannt
des nam er au sich sundir sparn
den meistir und der brüdir trucht
und nam mit in di zucht
kegcu Nattangin in daz lant,
an des inwege er sft vant
gebuwit eine vestin,
di da allin gestin
di invart pflac vorbitin,
want ei von den diten
gemannit was zu grözir wer.
Das „inwege" scheint hier eine Einschränkung der Passirbarkoit der Grenze
auf einen bestimmten Punkt anzudeuten; eine offene, kein Hindern iß dar-
bietende Grenze konnte auf allen Punkten überschritten werden.
19) Es darf hier nicht verschwiegen werden, daß außer den Grenzen
der Landschaften auch die der kleineren Territorien durch Landwehren
markirt gewesen sein müssen, weil letztere in Urkunden an solchen Orten
erwähnt werden, welche von den uns bekannten Grenzen der Landschaften
weit entfernt liegen. So in einer Urkunde von 13G1 (Handfestb. A. 199
fol. XXVI d. Staatsarch. z. Königsb.) „dy aide lantwer" zwischen Saalau
und Lasenischken, in einer anderen von 1284 (Codex dipl. Pr. II, No. 6)
„fossatum, quod Lantwer vulgariter nomiuatur" zwischen Braunsberg und
Kleinau, ferner in zweien von 1299 und 1305 (Cod. dipL Pr. II No. 60, Ul
No. 1) „defensio terre" zwischen Fischhausen und Bludau, dann wieder in
einer von 1903 (Voigt, Gesch. Pr. I, 482, Anmerk. 4) „locus, quem nos
Lantwer dicimus in vulgari" zwischen Altstadt und Königsee, und endlich
von 1333 (Theilung Samlands, Altpr. Monatsschr. VII. 289) „antiqua fossata,
que eyn Lantwer dicuntur, et ille locus noininatur in prutenico Rogarbi"
zwischen Rössen und Wiekau. Daraus könnte vielleicht der Einwand er-
hoben werden, daß auch tlie zwischen Schlauthienen und Pilzen aufgefundene
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Von C. Beckherrn.
299
werden, 20) und aus ihrer Lage und Richtung, welche durch die
nachgewiesene Landwehr noch genauer markirt wird, geht her-
vor, daß der Schloßberg bei Pilzen die fragliche Schanze sein
muß, denn er liegt innerhalb Natangens, unmittelbar an
der festgestellten Grenze, während Grundfeld weiter im
Innern und Schlauthienen schon außerhalb Natangens, in "War-
mien liegt.
Wenn wir auch bei Dusburg bereits genügende Anhalts-
punkte gefunden haben, um die gesuchte Schanze mit einer der
drei beschriebenen identificiren zu können, so ist es zu diesem
Zwecke zwar nicht erforderlich, aber doch erwünscht, auch An-
gaben über ihre Beschaffenheit zu haben. In diesem Punkte
läßt uns aber Dusburg im Stich. Man kann aus seinem Berichte
höchstens entnehmen, daß die Schanze kein kleines Werk sein
konnte, weil er bemerkt, daß sie mit vielen Bewaffneten besetzt
gewesen sei, welche das Vordringen des Markgrafen verhinderten.
Auch die Angabe über den Verlust von 150 Todten nur allein
aus der Zahl der eigenen Mannschaft des Markgrafen bei der
Erstürmung läßt erkennen, daß diese nicht leicht, die Schanze
vielmehr ein durch Lage, Größe und Bauart starkes Werk ge-
wesen sei. In dieser Beziehung hat aber Pilzen unstreitig den
Vorrang, während Schlauthienen ganz in den Hintergrund tritt.
Landwehr nicht auf der Grenze Natangens gelegen, sondern die eines
kleineren, unbekannten Territoriums bezeichnet habe. Für diesen Einwand
würde hier aber jeder Anhaltspunkt fehlen, während solche für das Zusam-
menfallen der gedachten Landwehr mit der Töppenschen Grenze Natangens
genügendennaßen beigebracht aind.
20) Bender (Zeitschr. f. d. Gesch. Ermlands II, 378 ff.), welcher »ich
bei der Bestimmung der Grenzen der alt preußischen Landschaften mit auf
die Kirchspielsgrenzen stützt, läßt in Folge dessen die Grenze zwischen
Warmien uud Natangen mit der jetzigen östlichen Grenze des Kreises
Heiligenbeil zusammenfallen. In vielen Fällen ist bei der Abgrenzung der
Kirchspiele sicherlich auf die alten Landschaftsgrenzen Rücksicht genommen
worden, in vielen aber haben locale und anderweitige Verhältnisse ebenso
gewiß ein Verschieben nach einer oder der andern Seite veranlaßt, wie solches
bei den Grenzen der ursprünglichen (kleineren) Komtureien, welche Bender
ebenfalls zur Bestimmung der Grenzen der Landschaften heranzieht, an
einigen Punkten wirklich nachweisbar ist.
20*
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300 Das r-proptignaenlnm in introitn terro Nattangie"' etc.
Das Ergebniß der hiemit abzuschließenden Untersuchung
ist also: Der Schloßberg bei Pilzen ist als derjenige an-
zusehen, welcher dem von Dusburg erwähnten propug-
naculum hinsichtlich des Zweckes, der Lage und Be-
schaffenheit überhaupt und im Vergleiche mit den
beiden andern beschriebenen Schloßbergen am meisten
entspricht. Die Verschanzungen auf dem Schloßberge bei
Grundfeld sind der regelmäßigen Form des Kernwerkes wegen
walirscheinlich ebenfalls von dem Erbauer der Pilzener Schanze
während des zweiten Aufstandes angelegt oder verstärkt worden,
vielleicht schon vor dieser, vielleicht auch gleichzeitig mit ihr,
und zwar als Zufluchtsort für die Familien und die fahrende
Habe der Krieger. Der Schloßberg bei Schlauthienen dürfte als
befestigter "Wohnsitz eines preußischen Edelmannes anzusehen
sein. Er ist wahrscheinlich schon bei den vorhergehenden
Kriegszügen zerstört worden und hat zur Zeit der Unternehmung
des Markgrafen in Trümmern gelegen. Die Schanze von Pilzen
betreifend muß hier noch ein Umstand erörtert werden, welcher
scheinbar das Resultat der Untersuchung in Frage stellen könnte.
Diese Schanze wich nämlich durch ihren regelmäßigen, in
scharfen rechten Winkeln gezogenen Grundriß von den alt-
preußischen Befestigungsanlagen ab, welche nur regelmäßige
elliptische Umrisse zeigen, ferner kreisförmige, vierseitige mit
abgerundeten Ecken, oder ganz unregelmäßige, welche sich der
Formation des Terrains anpassen. Man könnte daher leicht ver-
führt werden, die Pilzener Schanze als ein Werk des Ordens
anzusehen, welcher, wenn er nicht preußische Befestigungen um-
änderte, neuen Erdwerken regelmäßige eckige Formen gab. Eine
Erklärung für die berührte Abweichung werden wir finden, wenn
wir uns erinnern, daß der Erbauer der Pilzener Schanze kein
Anderer gewesen sein kann, als der tüchtige und bewährte
Heerführer der Natanger, Heinrich Monte. n) Dieser war als
Knabe vom Orden nach Deutschland geschickt und dort erzogen
21) Vgl. Dnsbnrg III, 89, 135.
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Von C. Beckberru.
301
worden 22) und hatte später im Umgange mit den Ordensbrüdern
auf den Ordenshäusern in Preußen und bei deren Kriegszügen
Gelegenheit gehabt, sich mit jedem Zweige der Kriegskunst
und mit sämmtlichen militärischen Einrichtungen des Deutschen
Ordens vertraut zu machen. Es ist daher natürlich, daß er, die
Vorzüge derselben erkennend, von ihnen nach Möglichkeit Ge-
brauch machte, als er an der Spitze seiner Landsleute seinen
ehemaligen Lehrmeistern . als Feind gegenüberstand. Dafür
hatte er z. B. schon bei der Belagerung Kreuzburgs Beweise
geliefert. ")
Zum Schlüsse noch einige Bemerkungen über die Aus-
führungen Rogge's, welcher den Lateinerb erg bei Heiligen-
beil für das propugnaculum hält. 24) Er geht zunächst von der
Ansicht aus, daß der Lateinerberg, also das propugnaculum
Dusburg'8 das preußische Nationalheiligthura gewesen sei.
Darauf ist zu bemerken, daß Dusburg in seinem Berichte
diese wichtige Eigenschaft der eroberten Befestigung, wenn sio
dieselbe besessen, ganz gewiß hervorgehoben hätte. Im Uebrigen
ist zu vergleichen, was oben auf Seite 294 über die Bestimmung
der Schanze gesagt worden.
Um dem Berichte Dusburg's in Beziehung auf die Lage
zu entsprechen, nimmt Rogge an, Natangen habe sich bis in die
Gegend von Heiligenbeil erstreckt, weil ja später auch der
Orden diese Gegend zu Natangen gerechnet habe, und weil die
von Töppen gezogene Grenze nicht sicher begründet sei. Auch
habe schon zur Heidenzeit ein kleiner Thoil Ermlands, in
welchem die Orte Haselau und Gedilgen (Lateinerberg) liegen,
den Namen Natangen geführt.
Die Töppensche Grenzlinie dürfte nun wohl durch die
Ausführungen auf Seite 295—298 hinreichend festgestellt sein,
und die Uebertragung des Namens der alten Landschaft Natan-
22) L. c. 91.
28) L. c. 89, 93, 118.
21) Altpr. Muuatsschr. XIV, 588.
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302 Dm „propugnaculum in introitu terre Natt«ngie" etc.
gen auf den nördlichen Theil Ermlands haben Töppen15) und
Bender28) genügend erklärt. "Was das altpreußische Territorium
Natangen, das spätere Kammeramt dieses Namens anbetrifft,
welches Rogge aus Urkunden von verhältnißmäßig spätem Datum
(1320 und 1334) nachweist,27) so ist es, die Existenz desselben
zugestanden, doch schwer glaublich, daß die Preußen in diesem
kleinen in unmittelbarer Nähe der Etappenstraße gelegenen Ge-
biete den Bau der weitläufigen Schanzen des Lateinerberges
bei Gedilgen fast unter den Augen der Besatzung Balga's un-
bemerkt hätten ausführen können. Allerdings hält Rogge die
vom Markgrafen eroberte Schanze für eine ältere Anlage, es ist
aber oben nachgewiesen, daß sie erst unmittelbar vor dem An-
griffe errichtet wurde.
Um seine Behauptung auch weiterhin mit Dusburg in Ein-
klang zu bringen, bedarf er eines Ortes Görken in der Nähe
seines propugnaculum. Er sagt deshalb: „Die ganze Gegend,
um die es sich bei uns handelt, hieß Görken, und die Lesart
Cierkin in der Hartknochschen Ausgabe weist deutlich genug
auf Schirten (ganz nahe bei Heiligenbeil) hin."
Diese Behauptung steht in ihrem ersten Theile ganz offen-
bar im Widerspruch mit Dusburg's Angabe, denn dieser spricht
nicht von einer ausgedehnten Gegend, sondern von einer eng-
begrenzten Ortschaft, dem Marktplatze Görken. Die Herleitung
des Namens des Dorfes Schirten aus der Lesart Cierkin mag
nicht geradezu zu verwerfen sein, zumal, wie Rogge nachweist,
aus der ursprünglichen Namensform Scurbenite die spätere
Skirtayn entstand. 28) Aber steht es auch fest, daß Hartknoch
richtig gelesen hat? Man wird, ohne Hartknoch zu nahe zu
treten, doch wohl Toppen mehr Vertrauen schenken dürfen.
Ferner lesen wir bei Rogge: „Es ist nicht annehmbar, daß
damals am Zusammenflusse der Bahnau und Jarft keine Ansied-
25) Hist. comp. Geogr. S. 200.
26) Zeitschr. f. d. Gesch. Ermlands II, 383 ff.
27) Altpr. Monatuschr. V, 123.
28) L. c. V, 126, VI, 494 No. 101,
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Von C. Beckherni.
303
lung bestanden, und die größte "Wahrscheinlichkeit spricht dafür,
daß das Heer des Markgrafen vom nachmaligen Heiligenbeil ans
Natangen verheert habe."
Hieraus ist ersichtlich, daß Rogge außer seinem weiteren
doch noch ein engeres Görken nöthig hat, welches er nach
Heiligenbeil oder Schirten verlegt. Zur Probe wollen wir nun
die Ansicht Rogge's zu der unsrigen machen und das propug-
naculum auf den Lateinerberg, Görken aber nach Heiligenbeil
oder Schirten setzen. In diesem Falle konnte der Anmarsch
des Markgrafen nur von Elbing her erfolgen. 20) Er marschirte
dann auf der Etappenstraße zuerst durch sein Operationsobject
(Heiligenbeil, Schirten) hindurch oder ganz nahe daran vorüber,
ohne eine Ahnung davon zu haben, daß er sich am Ziele be-
fände, eroberte das propugnaculum (Lateinerberg), kam nun zur
richtigen Erkenntniß, kehrte nach Görken (Heiligenbeil) zurück
und wendete dann abermals um, um die ganze durch Rogge
vergrößerte Landschaft Natangen, deren entferntester Punkt erst
nach Zurücklegung von 12 Meilen zu erreichen war, zu durch- ■
ziehen und gründlich zu verwüsten. Und das alles in drei
Tagen und größtentheils mit geschlossenem Heere, denn eine
Auflösung desselben, der Zeitersparniß halber, in kleinere Streif-
kommandos unter Zurückhaltung eines angemessenen Soutiens
war bei der von Rogge angenommenen Ausdehnung des zu ver-
wüstenden Gebietes ohne äußerste Gefährdung der Truppen
nicht ausführbar. Ein so deutlich ausgesprochenes Ungeschick
und eine so planlose Kriegführung, wie sie sich aus Rogge's
Annahme bei dem Markgrafen und den ihm beigegebenen
Ordensrittern ergeben müßte, darf man aber keineswegs bei
diesen voraussetzen.
Diese Erörterung der Annahmen Rogge's dürfte genügen,
sie als unhaltbar erscheinen zu lassen.
29) Nach Balga konnte er nicht gelangen, er hätte denn die stark
besetzte Schanze auf geringe Entfernung in der Flanke und im Rücken
lassen müssen, was ganz undenkbar ist.
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Die Güter Geduns
von
Adolf Rogge.
In einer Anmerkung „Paul Poles Preuß. Chronik" *) sagt
Toeppen: Merkwürdig ist die Notiz bei Erwähnung der Güter
Gedunes: „Schirndinger hat itzt die gutter zum teil und Zcander
' von Loden". Ich verstehe sie so: „Zu den Gütern Gedunes,
deren Handfeste Pole gekannt zu haben scheint, gehörte auch
Scurbenite, nachmals Schirten. Poles Schirndinger soll wohl
den Besitzer von Schirten bezeichnen. Gedune besaß aber noch
andere Güter wie Pyalsede 2), nachmals Thomasdorf, welche an
andere Besitzer gekommen waren. Der von Pole angeführte
Zcander von Löden gehörte möglicher Weise der in Braunsberg
vorkommenden Familie Loyden an."
Diese Ansicht beruht auf einem Irrthum, welcher offenbar
durch den Namen „Schirndinger'' veranlaßt ist, der mit „Schirten"
gar nichts zu thun hat. Moritz Schirendinger war einer der
Edelleute, welche 1512 den Markgrafen Albrecht von Anspach
nach Preußen begleiteten8). Schirndinger ist wohl ein Sohn
oder sonstiger Verwandter desselben, der nicht auf Schirten,
1) Script rer. Pr. V. S. 179 Anm. 1.
2) Muß heiflen „Pralsede".
3) Script, rer. Pr. V. S. '6VJ.
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Die Güter Oeduns. Von Adolf Rogge.
305
sondern gerade auf Thomasdorf saß. Richtig ist mithin nur,
daß man zu Poles Zeiten noch genau wußte, welche Güter Gedun
verliehen waren, was dann später in Vergessenheit gerieth.
"Wie wir wiederholt nachgewiesen haben4), wurden 1262 dem
Preussen Gedun durch den Landmeister Helmerich v. Wirzburg
das Dorf Thomasdorf (Pralsede) und das Feld Schirten (Scurbenite)
verliehen, dessen Grenzen bei dem Flusse Jarft anfangen, der
die gemeinsame Grenze dieser Güter bildet und sich nach Rehfeld
(Sirbelauk) hinunterziehen sollten 6). Die genannten Güter können
nicht lange im Besitze Geduns oder dessen Erben geblieben sein,
das geht selbst aus der lückenhaften Geschichte hervor, die wir
in Folgendem an der Hand der noch vorhandenen Urkunden
zu geben gedenken.
A. Schirten.
Das Feld, nachmalige Dorf Schirten, zerfiel in mehrere
Parzellen, welche verschiedene Namen trugen. Diejenigen der-
selben, welche sich urkundlich nachweisen lassen, führen wir
nach einander auf. Das urkundliche Material, mit dem wir
unsere Darstellung belegen, ist größten theils den von uns „Alt-
preußische Monatsschrift VI S. 467—508 und VII S. 97—139"
veröffentlichten Regesten entnommen, auf die wir nur durch
Anfuhrung der Nummer hinweisen werden.
a. Geidaw.
Zwei Erbe zu Geidaw wurden den 15. Januar 1289 dem
Ordenstolken Jacob in Balga und dessen Bruder Heinrich vor-
liehen. Vorher waren dieselben im Besitz der Brüder Quesyge
und Samsange6) gewesen. Welche Veränderungen in nächster
Zeit mit diesem Gnindstück vor sich gegangen, möge die nach-
folgende Urkunde bezeugen:
4) Altpr. M.-Schr. V. S. 124 und 125. XIII. S. 2.
5) Mon. Warm. II. S. 555.
6) Rogge „das Amt Balga". Altpr. M.-Schr. V. S. 122. Wir bemerken
bei dieser Gelegenheit, daß Gedau mit Gedilgen nicht identisch ist.
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306
Die Güter Gcdiuis.
„In nomine domini Amen. Ut rei geste ambiguitate qua-
libet propulsata et apud presentes et apud posteros noticia verior
habeatur Nos frater Ludderus ordinis hospitalis beate Marie Mi,
domus Theutonicorum generalis Magister, dei gracia natus dux
Brunswigii constare volumus universis presentem paginam
inspecturis, quod de raaturo fratrum nostronim consilio et assensu
cum fideli nostro Nicoiao de Gedaw titulo punctacionis conveni-
mii8 in hunc modum, quod ipse Septem mansos, quos ex largicione
fratris Karoli quondam magistri generalis, sicut in hiis desuper
confectis plenius apparet, in carapo Nathägyn habuit, nobis et
nostris fratribus libere resignavit, tradidit et donavit nil juris
aut inpeticionis sibi vel suis heredibus in eisdem bonis reservando.
In quorum recompensam dignam prefato Nicoiao viginti mansos
in campo Growitin 7) assignamus, conferimus et donamus predicta
bona ab eodem Nicoiao et suis veris heredibus ac legittimis suc-
cessoribus Jure colmensi perpetuo libere et hereditarie possidenda.
Item tarnen, quod idem Nicolaus in prenotatis viginti mansis
de quolibet aratro duas mensuras, unam videlicet tritici et aliam
siliginis ac sui posteri domus nostre Balga in festo — Beati
Martini epi singulis solvant annis. Addicientes, quod hujus
nostre donacionis pretextu predictus Nicolaus et sui successores
cum equis et armis in terra consuetis ad expediciones, terrarum
defensiones, municiones construendas et veteres reformandas, vel
eciam dirimendas, contra nostros et terrarum nostrarum quos-
libet invasores, quocunque et quocienscunque requisiti fuerint
servire fideliter tenebuntur. In quorum vim, evidenciam pleniorem
et robur firmitatis perpetue presentes appensione nostri sigilli
dedimus communitas. Date Marienburgk Anno Dom. M°ccc°xxx°
quarto in octava beatorum petri et pauli apostolorum presentibus
dilectis nostris fratribus Conrado Kesselhuyt magno commen-
datore et provinciali culmensi, Theodorico de Aldenburgk Mar-
schalko, Sifrido hospitalario et commendatore Elbingen, Gunthero
de Schwartzburgk Trappiere et commendatore Kersburgen,
7) Gedau Kirchspiels Eichholz.
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Von Adolf Rogge.
307
Ludolfo Koningk thesaurario, Henrico de Muro commendatore
in Balga, Ruthero de Thalheym commendatore in Brandenburgk,
Henrico nostro cappellano, Joanne, canonico "Warmiensi et plebano
in Frawenburgk et Hermanno de Konniata, nostris notariis
et aliis8)."
Längere Zeit scheint der Orden nun Geidaw genutzt zu
haben. Wenn 1374 Gottfried von Linden einem gewissen
Menning sechs Morgen Wiesen zu Pobreyden (Bregden) verleiht 9),
die zuvor Geidowen gehört, und die er von Ulrich Fricke 10)
gekauft, so kann hier nur Nicolaus Geidow gemeint sein, der
1330 nach Growiten übersiedelte.
TJ ms Jahr 1429 scheint dann eine Besitz Veränderung statt-
gefunden zu haben, bei der man wieder auf die älteste Ver-
schreibung von 1289 zurückgriff, die für Otto v. Tiedemannsdorf
vom Hochmeister Paul v. Rußdorf bestätigt wurde n), Otto
v. Tiedemannsdorf, der 1430, wo er drei Morgen auf der Komp-
wiese bei dem Reuschenhof erhielt 12), ausdrücklich als Besitzer
von Geidaw genannt wird, war auch noch im Kammeramt Zinten
begütert. So erhielt er 1435 eine Verschreibung über drei Hufen
im Felde Maraunen zu preuß. Recht 1S). Er scheint danach der
Familie Sparwin entweder direct, oder durch Verschwägerung
angehört zu haben. Daß er zu den bedeutendem Grundbesitzern
des Balgaschen Gebietes gehörte, geht schon daraus hervor, daß
er mit Lircho, dem Landkämmerer von Natangon den Gegenbrief
Über das Schalbenkorn 21. Februar 1442 unterzeichnete Auf
8) Schwarzes Hausbuch des Amt« Balga Fol. 126 vgl. unsere Regesten
No. 17 und 24.
9) No. &3.
10) Comthur zu Balga 4. August 1361—7. August 1369.
11) No. 49.
12) No. 51. Die Urkunde ist von Jost Strupperger. Comthur zu Balga
ausgestellt. Zeugen: Lephart Preszbarger, Hauscomthur, Berthold Erleboke
Pt'crdemarschalk, B. Gerhard v. Wende, Waldmeister zum Eisenberg, Br. Ditt-
rich v. Wendenaw, Fischmeistor, Br. Heinrich Messinger Compan, Herr
George, unser Caplan.
13) No. 53 vgl. 42.
14) Toeppen. Acten der Ständetage etc. 11. S. 402.
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308
Die Güter Gertuns.
dem Landtage zu Marienburg, welcher noch in demselben Jahre
11. October stattfand, begegnen wir bereits dem Sohne des
Vorigen, Jorge Tiedemannsdorf ,ö), der die väterlichen Güter über-
nahm und 1470 bereits gestorben war Die Ehefrau desselben,
Gertrud, verkaufte in diesem Jahre die Hälfte von Sparwienen,
Hufen zu Dietrichsdorf und ihren Antheil an den Bauern
zu Leyden, lauter Sparwinsche Besitzungen, die es von Neuem
beweisen, daß die Tiedemannsdorfs der alten Preußen familie der
Sparwins angehörten.
Noch 1476 wird ein Jorg Tiedemannsdorf erwähnt, jedenfalls
ein Sohn des Vorigen, der zu Geidaw noch 11 Haken und drei
Gärten in Steindorf erhielt 17), danach scheint das Geschlecht
ausgestorben zu sein. Das schwarze Hausbuch bemerkt aus-
drücklich 1S): „Schirtter haben diese und alle Tiedemannsdorfsche
gütter ein: Dieselben scheinen wieder der Herrschaft angestorben
zu sein, vielleicht ums Jahr 1501, wo Herzog Albrecht den
Wilhelm v. Eppingen, welcher das Dorf Schirten nach Absterben
seiner Halbschwester vorlangt, vertröstet und ihm das Dorf
„Wideraw" verschreibt 19).
b. Vier Haken zu Schirten
wurden 1359 vom Comthur Hennig Schindekopf den getreuen
Preußen Plaudewo und Velten verliehen20).
c. Vier Haken im Felde Skirtayn
verlieh Martin Truchseß 1482 an Bartold v. Massenbach 2l).
d. Zwei Hufen
zwischen Gedilgen Trunkelin, Grunwald und Schirten werden
vom Comthur Heinrich Keuß von Plauen 1497 allen Einwohnern
des Dorfs Schirten verschrieben22).
15) Ebendaselbst S. 512.
18) No. 71.
17) No. 86.
18) Bei No. 49.
10) No. 249.
2m No. 28.
21) No. 100.
22) No. 140.
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Von Adolf Roggo.
309
e. Monglys oder Candeyn
Das Stammgut Geduns, „eine wüste Feldmark, dem Orden anheim
gestorben4', 12 Hufen groß, wurde 1512 vom Hauscomthur Claus
v. Bach an die Thomasdorfer verkauft23)."
f. Drei Grundstücke
werden 1533 vom Bischof Georg v. Polenz ausgethan u).
g. Petersgut.
Dasselbe war einst vom alten Rathmann Christoffel v. Schirten
von Claus v. Bach gekauft. Der Bischof Georg v. Polenz
bestätigte den Kauf 1534 26).
B. Thomasdorf.
Erst 164 Jahre nach der Primordial- Verschreibung des
Gutes erhalten wir durch die nachfolgende Urkunde, welche
sich im Hausbuche des Gutes Rossen befindet, eine Nachricht
über dasselbe.
„Handtveste ober den Hoff Thomasdorff."
„Kundt sey allen, die desen brief sehen, hören oder lesen,
dz Ich Andrisz von Thomasdorf habe meinen Leuten zu Thoms-
dorf verkaufft meinen Hoff daselbst mit dem Acker vnd dem
Walde, der darzu gehört, freye erblich ewiglich zu besitzen zu
demselbigen Rechte, alsz ir alden Handtvesten ausweisen, aus-
genommen den walt von der halben hüben bis in der nehisten
v . . . kegendeme kurzen stucke, als hierin vorgerennist; der
Weyde in dem "Walde sullen sie was sie mögen geniszen, were
is auch sache, dasz der walt vele worden, so sollenn sie die
nehisten sein in zu kaufen. Des sullen sie und elire nachkom-
lingen alle Jahr jherlich zinsen of Lichtmessen i. m. gewon-
lieher Münze des Landes. "Wenn sie daz nu haben gethan, so
sollen sie nicht mehr pflichtig sein zu thun von des Ackers
wegen. Gezeugen sind diese nachgeschriben erbar Leute: Lorentz
23) No. 104.
24) No. 189.
25) No. 19^.
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310
Die Oüter Geduns.
von Sparwien, Niclosz Hane (?), Jekel, der alte Scholtz von
Tomszdorf, Heinrich Hesze, Grosze Albrecht, Burger zu Heyligen-
bil, Borchard von Carben und andere erbare lute viel. Zu merer
gedechtnusse habe ich Andress vorgenanter mein Inge9iegel
gehangen an diesen kegenwortigen brief, der gegeben ist zum
Heyligenbil in der Jahrzahl Vnsersz herrn xiiijC ihm xxvj Jahre
am Tage S. Matthie des Heiligenn Apostilsz."
Andreas Thomasdorf, der Aussteller obiger Handfeste ist
uns in geschichtlichen Urkunden nicht weiter begegnet, scheint
aber zur Sippe der Sparwins gehört zu haben, welcher der erste,
so wie nach unserer Vermuthung auch die beiden nächsten Zeugen
Niclosz und Hane* angehörten. Lorenz, Hans und Nicolaus
v. Sparwin waren berühmte Zeitgenossen16). Wir werden in dieser
Vermuthung um so mehr bestärkt, als Lorenz, ein Sohn des
Nicolaus Sparwien, welcher zuerst 1442 erwähnt wird und früh
starb, einen gleichfalls früh dahin geschiedenen Sohn besaß,
welcher der Erbe eines Antheils von Thomasdorf war27).
Dieser Antheil scheint danach in andern Besitz tiber-
gegangen zu sein. Am 20. Januar 1540 kaufte nämlich Georg
v. Proeck Thomasdorf, „hiebe vor Bischoffen Thomasdorf" genannt
von Caspar v. Scherentingen und Ursula, des jungem Zander
von Loyden Wittwe für 1702 i/t Mrk. 28). Über Caspar v. Scheren-
tingen 29) haben wir uns bereits früher geäußert. Wie derselbe in
den Besitz des Gutes gekommen, ist nicht zu ermitteln.
"Was Sander (Alexander) v. Loyden anlangt, so gehörte
derselbe einer ursprünglich zu Braunsberg angesessenen, aber
auch ausserhalb des Bisthums begüterten Familie an, in welcher
der Vorname Sander stehend gewesen zu sein scheint. Auf den
26) v. Mülverstedt. Das Geschlecht v. Sparwein in Preußen. N. Pr.
Prov. Bl. a. F. IX. S. 314. ff. und Toeppen, Akten der Ständetage I. u. II.,
wo das Register nähere Auskunft giebt.
27» v. Mülverstedt a. a. O. S. 318.
28) No. 212.
29) In Meckelhurgs Adelsmatrikel N. Pr. Prov.-Bl. a. F. IX. S. 145
heißt die Familie v. Schirnding.
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Von Adolf Rogge.
311
Ständetagen 1649/50 erscheint ein solcher als Vertreter für
Braunsberg80). Ein anderer, wohl der Sohn des Vorigen, starb
ums Jahr 1506 als Bürgermeister von Braunsberg 81). Dieser
hatte Barbara, die Tochter des Landrichters Hans v. Proeck
geheirathet und war dadurch der Schwager des Hans Schrande-
keim, Andreas Sparwein und Jacob v. Baysen geworden ,2). Ein
Sohn desselben scheint der hier erwähnte jüngere Sander v. Loyden
gewesen zu sein, der vielleicht durch eine Heirath in die Familie
Sparwien zu seinem Besitz in Thomasdorf gelangte. Doch
urkundlich ist hierüber ebensowenig etwas festzustellen, wie über
den Namen „Bischoffen Thomasdorf'. Da dieser Name vor
1540 nicht vorkommt, so glauben wir kaum, daß derselbe sich
auf die älteste Geschichte des Guts bezieht und auf die Sage
von der durch Bischof Anselm umgehauenen Curcho-Eiche hin-
weist, wollen aber nicht unerwähnt lassen, daß noch heute ein
uicht mehr mit Bäumen bestandenes Theilstück von Thomasdorf
„Eichwald" heißt.
Nachdem Georg Proeck ganz Thomasdorf erworben, wurde
das Gut wieder getheilt, durch seinen Sohn Hans aber wieder in
eine Hand gebracht.
Diesem verkaufte nämlich, laut Contract d. d. Königsberg
10. Mai 1567,'3) Friedrich v. Aulack mit Vorwissen seines Vaters
und seines Bruders, die beide den Namen „Caspar" führten,
seinen halben Theil des Dorfes Thomasdorf, 15 Hufen, wie sein
Vater und er denselben gebraucht, gegen 3 Hufen zu Albrechts-
dorf im Pr. Eylauschen „die Hans Proyke und seine Vorfahren
von dem Melgedeinen pfandweise innegehabt und 1500 Gulden
(a 30 Groschen preußisch). Nach Hans v. Proecks Tode kam
Thomasdorf in den Besitz des ältern Sohnes desselben Martin,
30) Toeppen. Acten der Standetage PreuBens IIL S. 89, 137, 194, 232.
31) Mon. Wann I. S. 154 und 194.
32) Rogge. Die Proyken. Altpr. Mon.-Schr. XII. S. 464 und 4öo.
33) Rossensches Hausbuch Fol. 87 No. 39. Cf. Rogge. Die Proyken.
Altpr. Mon.-Schr. XII. S. 4(i6.
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312
Die Güter Geanns.
welcher 1626 ohne männliche Erben starb. Ob Thomasdorf auf
einen seiner drei Schwiegersöhne, Johann v. Tettau, Joachim
v. Below oder den Burggrafen Abraham v. Dohna übergegangen S4),
ist nicht nachzuweisen. Seit langer Zeit ist das ehemalige
Rittergut ein Dorf.
34) Roggc. Die Proyken. 1. c. S. 46G.
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Insterburger Kirchen-Nachrichten.
Mitgetheilt von
Otto Tan Baren,
Landgerichte-Präsident in Insterbnrg 1886.
In der Registratur der Evangelisch-lutherischen Kirche zu
Insterburg befindet sich ein altes Aktenstück, welches auf dem
Deckelblatt betitelt ist:
„Acta Der Deutsch -evangelischlutherischen Kirche zu
Insterburg Historische Nachrichten enthaltend. Enthalt
98 Folio."
Ein folgendes Titelblatt enthält die Ueberschrift:
„Historische Nachrichten von denen unter dem Erz-
priesterthum Insterburg stehenden Kirchen."
An das Deckelblatt ist ein blaues, jetzt schon sehr be-
schädigtes Etikett (Aktenschwanz) angeklebt, welches be-
schrieben ist:
„Acta specialia Mixta Historische Nachrichten von 1644
ab. No. 1 Fach XIII. Litt. A."
Die Eintheilung der Kirchen -Registratur in „Fächer" und
„Litterae" ist längst nicht mehr vorhanden, und es hat Mühe
gekostet, das erwähnte Aktenstück aus der, zur Zeit (1885)
völlig ungeordneten „Registratur" der lutherischen Kirche heraus-
zufinden. Dies im Uebrigen gut erhaltene Aktenstück hat eine
gewisse Berühmtheit erlangt, weil es von mehreren Forschern
der Gesehichte Insterburg's als Quelle benutzt worden ist. So
hat es 1848 dem Verfasser der Aufsätze „Ueber Georgonburg
Altpr. Monat »achrilt B.l. XXIII. Hft. D a. 4. 21
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314
Insterbnrger Kirchen-Nachrichten.
bei Insterburg" und über „Althof - Insterburg" F. Zschocke1)
vorgelegen; ebenso dem Verfasser der „Historischen statistichen
Nachrichten über die Stadt Insterburg" J. A. Kossmann 18442)
und dem Verfasser der im Besitz des Magistrats befindlichen
handschriftlichen Chronik der Stadt Insterburg Dr. Friedrich
von Kruse 1861. Andere Schriftsteller und Forscher haben
die von Zschocke aus dem gedachten Aktenstück entnommenen
Notizen aufgenommen und benutzt; so X. v. Hasenkamp in seiner
historischen Abhandlung „Ostpreussen unter dem Doppelaar."3)
A. Rogge erwähnt das Aktenstück wiederum in seinem Auf-
satz „Der Schreibkalender des Erzpriesters Hahn."4) Es erscheint
daher an der Zeit, den Inhalt dieses wichtigen Aktenstückes
weiteren Kreisen zugänglich zu machen.
Ueber die Einrichtung des Aktenstückes ist folgendes vor-
anzuschicken.
Dasselbe ist angelegt und von Blatt 1 bis 30 eigenhändig
geschrieben von dem Erzpriester Benedictus Friedrich Hahn,
welcher von 1733 ab erster Prediger an der lutherischen
Kirche in Insterburg und Erzpriester (Superintendent) war.5)
Er hat zunächst, wie er es über die erste Seite geschrieben:
„Einige Nachrichten, welche aus den Insterburgischen
Alten Kirchenrechnungen in Kirchensachen extrahiret
sind"
zusammengestellt, indem er auf der linken gebrochenen Seite des
ganzen Bogens eine Kolonne „Anno" ausfüllte, daneben die betr.
Notiz schrieb und auf der anderen Seite des Bogens, oder auch
zwischen die weitläuflig geschriebenen Notizen, später Zusätze
machte. Je näher die Notizen der Lebenszeit des Erzpriesters
Hahn selbst kommen, etwa vom Beginn des 18. Jahrhunderts
1) Neue Preuflische Provinzialblätter Bd. 6 S. 70. Bd. 8 S. 321.
2) S. 19. Anm. S. 41.
3) Neue PrunJ. Prov.-Blatter dritte Folge Bd. 7 S. 162 Anm.
4) Altprenß. Monatsschrift Bd. 20 S. 644.
6) Friedrich Pastenaci, Historische Nachrichten von allen im König-
reich PrcuJen befindlichen Kirchen und Predigern. Königsberg 1757 S. 29.
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Von van Riren. 315
*
an, je ausfuhrlicher werden sie und nehmen zuletzt die Gestalt
einer Chronik an, die auf Grund eigener Erlebnisse und zu-
verlässiger Nachrichten sorgfaltig und im Hinblick auf künftige
Zeiten zusammengestellt ist. Es sind zwischen den einzelnen
Niederschriften weite Zwischenräume gelassen und häufig auch
mit anderer Tinte ausgefüllt. Aus der Vergleichung der in dem
Aktenstück enthaltenen Notizen mit denjenigen, welche der
Pfarrer Eogge aus dem Schreibkalender des Erzpriesters Halm
veröffentlicht hat,8) ergiebt sich, daß letzterer während des
siebenjährigen Krieges seine persönlichen Erlebnisse kurz und
flüchtig in dem Schreibkalender vermerkt und aus diesem dann
Eintragungen in die „Historischen Nachrichten" gemacht hat.
Die Kalendernotizen sollten die Thatsachen fixiren und das Ge-
dächtniO unterstützen , die Eintragungen in die historischen
Nachrichten als Chronik dienen. Beide stimmen nicht immer
wörtlich tiberein ; manche Notizen des Kalenders sind weg-
gelassen, manche andere Thatsachen neu hinzugefügt; im Ganzen
aber ist das "Wesentliche vom Inhalt des Aktenstücks aus dem
Jahre 1757 bereits durch die Veröffentlichung des Schreib-
kalenders bekannt geworden. Der Vollständigkeit wegen sind
indeß die Eintragungen des Jahres 1757 nochmals in den nach-
stehenden Auszug aufgenommen. Auf Blatt 2(> hören die Ein-
tragungen mit dem Jahre 1761 auf, um auf Blatt 27 noch ein-
mal Notizen über das Insterburger Hofgericht aus den Jahren
1723 bis 1732 nachzuholen. Blatt 28 enthält eine Zusammen-
stellung des Personals und der Bezirke der 9 Justiz-Collegia,
in welche 1751 die 8 Hauptämter Ostpreußens verwandelt wurden.
Blatt 29 enthält eine gleiche Zusammenstellung betreffs der
übrigen Behörden Ostpreußens und Blatt 30 bringt noch einmal
Insterburger Personal-Notizen aus den Jahren 1738 bis 1749.
Hier endet die Thätigkeit des Erzpriesters Hahn. Seine
Handschrift ist in den späteren Jahren immer flüchtiger und nach-
lässiger geworden, und die Schrift häufig kaum zu entziffern.
fi) Altprenß. Monatsschrift B<1. XX. S. 641.
21*
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316
Insterbnrger Kirchen-Nachricbten.
Es folgen nun in dem Aktenstück von Blatt 31 bis 30
schön und kalligraphisch geschriebene Abschriften von In-
schriften der Leichonsteine aus dem 16. und 17. Jahrhundert,
welche theils in der Kirche, theils in der Begräbnißka pelle
damals aufgestellt waren und werthvolle Familien-Nachrichten
für die darin erwähnten Adels- und Bürgerfamilien enthalten.
Von Blatt 37 bis 48 folgt eine Beschreibung der lutherischen
Kirche zu Insterburg, ihrer Decken-, Wand- und Chorgemälde,
ihrer Leichensteine, sowie zweier Leichensteine auf dem Kirch-
hof. Blatt 49 bis 52 enthält eine Abschrift des von dem Bürger-
meister und Rath aufgestellten Zustandes der Stadt Insterburg
im Jahre 1763. Blatt 53 bis 56 sind einzelne, unrichtig ver-
heftete Theile einer Abschrift des Privilegii der Stadt Inster-
burg vom 10. Oktober 1583.7j Auf Blatt 57 bis 60 befindet sich
ein von dem Ober-Kirchenvorsteher Elias Krampt! aufgesetztes
Kirchen-Inventar vom 5. April 1677; Bl. 61. 62 die Abschrift
einer Glocken-Ordnung vom 6. März 1724. Von Blatt 63 bis
96 hat der zweite Geistliche der lutherischen Kirche zu Inster-
burg Johnnn Friedrich Fokk im Jahre 1720 eine Reihe von
Commissions- Untersuchungen, Fragen, Vorschlägen, Berichten
und Bescheiden gesammelt, die sich auf die Aufbesserung der
zweiten Predigerstelle beziehen, welche durch Neubildung der
Kirchen zu Pelleningken und Judtschen in ihrem Einkommen
geschmälert worden war.
Das Aktenstück schließt Blatt 97, 98 mit einem ..Extract
aus der Jahresrechnung des Hauptamtes Althof-Insterburg vom
Jahre 1686 bis 1687 die Kirche zu Insterburg betreffend."
Im Folgenden sind die Aufzeichnungen des Erz-
priesters Hahn auszugsweise, soweit sie öffentliche und all-
gemein wichtige oder interessante Thatsachen, Begebenheiten
oder Verhältnisse betreffen, wörtlich wiedergegeben. "Weg-
gelassen sind die Stellen, welche sich lediglich auf lokale Zu-
stände der Stadt und Kirche, Personalien, Ausgaben derselben
7) Insterburger Stadtbuch hn Arcbiv der Stadt I. S. 1 vergl. Koss-
mann Beilage B. S. VI1L
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Von van Baren.
317
u. s. w. beziehen. Die Lücken sind mit etc. bezeichnet. Die
Schreibart, die Abkürzungen des Chronik-Schreibers sind bei-
behalten. Charakteristisch ist, daß er alle Zeichen über den
Vokalen iäöu und ü in der Regel wegläßt. Die Blattzahlen
rühren aus einer späteren Zeit her.
1544 ist die Insterburgische Kirche die einzige gewesen und
Blatt
hat den decem von 9686 Hub. 22 M. aus 13 Schulzen-
ämtern gehoben.
1589 in den vorgegangenen 48 Jahren sind von unserer Kirche
als matre erbauet 11 Kirchen neml.
Gumbinen, Kattenau, Küssen,
Stallupenen, Pillupenen, Szitkemen,
Tolminkemen. Gawaiten, Szabinen,
Nemersdorf, Kraupischken
1572 sind in einem fürstlichen abschiede, welcher im Stadt-
privilegio allegiret wird, 4 Huben zum Pfarr und 2 Huben
zum Hospital Acker ausgemacht.
1583 ist das Stadt Privilegium ertheilet darin auch Kirch und
Hospital prospiciret ist etc.
1590 ist die Stadt abgebrant d. 19. Julii Kirchen und Schul-
Gebäude aber unversehrt geblieben etc.
1595 sind nur in 9 Kirchen Pfarrherrn gewesen etc.
1599 ist die Kirche zu Balleten angelegt und zum Bau der
Anfang gemacht etc.
1601 u in folgenden Jahren wütete die Pest des ErzPriesters
Gehalt war 250 M.
1602 ist wegen der Pest kein decem gefallen.
1603 ist die Muldschensche Kirche angelegt u zu bauen an-
gefangen etc.
1604 ist ein Comes palatinus mit fürstlichen Fürschriften wegen
des Schuldenrestes angekommen, hat Reisegeld bekommen
4 M. 30 ,1 etc.
Die neue Kirche in Muldschen kostot 325 M. 43 ß 3 pf.
1605 ist eine neue Vermessung gewesen etc.
HIB
Iiistcrbur^er Kirchon-Nadirichteu.
1607 weil d Ertz Priester die Zauper8) vermöge Contractu ab-
gegeben wird ihm 60 M. gezalt.
Blatt 2. 1608 V* Tonne Bier hat gekostet 2 M. 30 ß. etc. die Walter-
kem'sche Kirche erbauet.
1609 die land Kirchen sind von der matre separiret und da den
letzteren der decem bis auf ein geringes entgangen, so ist
verordnet, daß sämmtliche land Kirchen 200 Marek jährlich
zum Unterhalt des ErtzPr u Diaconi contribuiren sollen etc.
1610 bis 1612 ist die neue Kirche erbauet etc.
1613 ErtzPrioster nutzt die Zauper selbst, sein Gehalt 270 M. etc.
Blatt 3. 1618 ist der Glocken Thurm und Kantzel zu stände ge-
kommen etc.
1621 war Pest etc.
1622 sind erbauet die neue Caplaney das Kaufmanns Chor das
Altar dazu Christoph Froedner 1000 M. gegeben.
1630 war das theuere Jahr da 1 Scheffel Korn 10 M. gegolten.
1632 Dom adv. hat der Churfurst Gevatter in Insterb. gestanden
vide Taufbuch etc.
1637 ist bey Gelegenh der vom ErtzPr u Schul Collegen abge-
gebenen gravaminum e. Commission gewesen. Commissarii
waren Ahasverus Brandt Fabian v. Ostau Friedr. v. Götzen.
Der Eeceß ist datirt Inst d. 12 Dec 1637 etc.
1639 ist der Insterburgersche Kirchen Visitations recess er-
richtet etc.
Blatt 4. I644 etc. Die Kirche wird angefangen gemalt zu werden etc.
Der Maler der die Decke gemalt wohnte in Insterburg
und hieß Michel Zeigermann. Hans Menio war ihm zu
Hülfe Westphal aus Königsberg staffirte die Cantzel etc.
1645 etc. Die Decke über der Taufe wird vom Donner be-
schädigt und reparirt. Die Pfeiler in der Kirche zu
staffiren kostet 262 M. 30 ß. Für das Schnitzwerk an d
8 Pfeilern hat Isaac Awad Bildhauer aus Königsb bekommen
148 M. 30 ß.
8) Das Vorwerk Zauper bei Althof.
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Von van Raren. 319
G Friedrich Dönhof Camer H u Oberster beygesetzet.
d 9. Aug ist der Zauper abgetreten an das Amt u
die 242 M. jährlich zu geben versprochen. Die Confirmation
ist datirt Kön. d 4ten Sept 45 mit Churf. Fr. W. eigen-
händiger Unterschrift etc.
1653 ist wegen der Pest kein Jahrmarkt gehalten etc. Blfttt 5-
1654 etc. Churfürst Fr. W. hat d. d. Köln an der Spree
d 23ten Apr. 1654 der Kirche 4 Scharwerkshuben ver-
schreiben lassen.
1655 Ein Kirchsitz tragt 9 M.
etc. die Witwe Königin v. Schweden Maria Eleonora logirt
auf dem Schloß.
1656 haben die Quartianer die Stadt gebrandschatzt.
1657 hat H. Ober Stallmeister, Pietre de la Cave 60 m an die
Kirche für den Baumgarten bezahlt. Der Krieg hindert
den Jahrmarkt. Die Pest komt dazu etc.
1658 die Pest continuiret etc.
1659 etc. Standgeld pr Jahrmarkt ist wegen Pest und Krieg
nicht gefallen etc. Die Schweden hielten ihren Rückzug
a. Polen.
1661 etc. die Pest continuiret etc. Blatt 6-
1678 das Kirchen Silber wird wegen des Schwedischen Einfalls
nach Königsberg in Sicherh gebracht etc.
1679 am Neu Jahrs Tage sind 18 000 Schweden eingerückt und
haben 14 Tage alles herum ausgezehrt. 106 M. zu Eichen
am Pregelstrom. 45 M. für Mundirung 9 Kirchenrechnung
die im Schwedischen wesen weggekommen etc.
1680 das Kirchen Silber ist wieder geholt. Blatt 7.
1681 das Kirchen Silber wird gestolen. Die Diebe sind in
Königsberg ertapt. 2 sind eingebracht, einer entlaufen, in
der Rechnung wird das Silber specificirt u. d. Gewicht an-
gezeigt etc.
1682 etc. Es wird verordnet, was an Zapfen-Geld gegeben
werden soll etc.
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320 Insterburger Kirchen-Nachrichten.
1683 etc. Den Leuten die den Kirchen Dieb zum andernmal
eingebracht 18 M.
Die Stadt hat ihr erstes Jubel Jahr celebriret etc.
1687 von nun an wird das Zapfen Geld gezahlt etc.
1690 d 24 Julii ist die Stadt abgebrannt. Kirche und Schul-
gebäude bleiben unbeschädigt. Zum Andenken wird dieser
Tag gefeyret.
1696 d 7ten Oct. ist den Inst. Kirchen Vorstehern e Amts-
Protocol gegeben daß sie von jedem Knecht in der Stadt
Vorst, u Freyheit 20 gg von e Magd 5 g von e Amme
20 g Schenkin 20 g fordern sollen, eben das wird von
dieson Leuten bey Cölmern gefordert. Ein Knecht e
Bauern gibt 6 g Magd 3 g Hirthe 5 g Losgänger 10 g
widrigenfals sollen es Vorsteher ex propr zalen.
8- 1704 logirt Fürst Czartorinsky auf dem Schloß etc.
1709 etc. Da die littsch. Bauern an der Pest ausstarben und
Keine Leute waren die das Getreyde an d. K. Vorwerken
einsammieten, werden Leute aus Königb. gesandt vide Inst.
Taufb 1710 im Aug.
Das Collegium sanitatis hat verordnet, daß die Litthauer
in Stobingen od. Tamowischken so lang die Pest dauert
ihre sontägl Versammlungen anstellen sollen d d Inst
d 19ten Juni 1710.
1712 d 16 Dec. stellet der Insterb. Magistrat dem Verweser
Chrisoph v. Schlieben vor daß sie es nicht rathsara achten
durch Zwangsmittel die Leute zur Kirch zu nöthigen, es
sey genug daß die Brantwein Häuser und Handwerks
Stuben visitirt würden. 2. sie protestiren wider die Ein-
führung des Gesinde decems.
3. etc.
1714 etc. Ein patent d. d. Berl. von 25ten April beraubet die
pia corpora des Juris prioritatis. Vorsteher soll die gelder
gleich andern ingrossiren laßen. Die Ingrossation soll
gratis geschehen.
1717 war e. Commission. Die Kirchen Vorsteher repliciren da-
Von van Baren.
321
gegen, daß sie sich nicht einlassen könnten in Hachen
dio nicht vom Amt u Magistrat conjunctim abgemacht
waren. Inst, d 10 Dec.
1718 ist die Calende der Prediger reguliret und als etwas ge- Blatt
wisses bestätiget worden. Der Decem soll gleichfalls von
allen ohn Unterschied der relig bezalet werden u die K.
Vorwercker sollen den Gesinde Decem geben. Berlin
d 12ten April 1718.
d Ilten Sept. (1720) ist publicirt d K. resor. von der
Reg. daß die liegenden Gründe die von piis corporibus er-
kauft worden nicht mehr die Immunität genießen sollen.
Instcrb. d 1 Aug. 1718 der personal Decem soll künftig
von Gesinde Gesellen u dergleichen beygetrieben werden,
weil ihro K. Maj d 15 Martii und 13. Julii c. diese com-
missorialiseho Einrichtung approbiret. Ein Gesell soll
15 g e Lehrjung 10 g e. Knecht 10 g e. Magd 6 g geben.
Königsb. d 23 Oct. Kirch Vorsteher werden be-
richtiget gemäß Kirch Ordnung mit "Wegnehmung der
Pferde und Wagen gegen morose debenten zu verfahren.
In diesem Jahre sind 5 neue Kirchen fundiret.
etc. Nach Pellen (ingken) sind geschlagen Gr u Kl
Gerlaucken, Laukogallen, Kundern, Jeschen, Binkszonen,
Storgallen, Auxkallen, Schillgallen, Papuschinen.
1719 die 10 Huben zu Streitlauken u 10 H. zu Kl. Gaudischkemen
sind in diesem Jahr nach Judschen geschlagen.
etc. Nicolai Höfchen u Kl. Trakehnen haben vorher
den decem nach Ischd (aggen) bezalet, seit der Commission
aber anno 1718 nach Insterb. In diesem Jahr ist der
personal decem von Gesellen u Gesinde zu zu zalen an-
gefangen, in der Rechnung ist notirt was e. jeder geben
soll neml.
ein Kaufgesell 1 M. ein Handwercks Ges. 10 g. Kauf-
junge 8 g. Handwercksjunge 4 g. Knecht 6 g. Mittel-
knecht 3 g. Magd 4 g.
322 Iiisterburger Kirchen-Nachrichten.
1720 in diesem Jahre Laben Ihre K. Maj. die Leib Eigenschaft
in Preußen gehoben etc.
1721 etc. Berl. d 19. Martü 1721 werden d. Predigern 4 od.
wo der Acker schlecht ist 6 Huben frey zu lassen oder
anzuweisen befolen.
1722 sind die potabel abgeschafft d d Berl d 10. Nov. da bis-
her 4 Kling Seckel herumgegangen, so werden 3 abge-
geschafft. Doch wird der 2te für das Hospital beybehalten
Inst, d 28. Dec. etc. in rechn (ung) ist notirt, daß künftig
nach Thalern soll gerechnet u die rubrique soll ist gefallen
in rest aufgeführt werden etc.
1723 d d Berl. d 20 Febr. ward die Prediger Calende gehoben.
etc. e. gedrucktes Ed. d. Berlin d 2te Junii 23 ist
publicirt darin verordnet, daß adeliche Kirchen sich der
Inspection des ErtzPr unterwerfen müssen.
Berl. d 23 Jan ist die Fever der Marien und Apostel
Tage gehoben.
Blatt 10. 1724 In diesem Jahre ist der plan nach welchem Fürsteher
der administration des piorum Corp. führen sollen ge-
druckt etc.
d 15. Junii 1724 publicirt H. Commissarius v. Mans-
berg daß d. d. Berl d 17 Maj Colonisten die auf alte Huben
gesetzt werden, sofort im ersten Jahre geben, die aber
auf wüste Huben kommen den Decem nicht ex debito
geben sondern sich in Güte mit den Vorstehern einigen
sollen.
1725 Dem Adel, Colmern u Pred. wird verbothen ihren Brant-
wein in der Stadt zu verkaufen etc.
1727 etc. der Insterb. Kirche sind die Dörfer Nauseden, Kul-
metschen, Pooselischken u. Dwarischken abgenommen u
nach Gerwischkemen geschlagen Gr. u Kl. Gerlauken u
Medukallen sind nach Pelleninken u Jessen nach Ischdaggen
geschlagen.
1728 etc. Berl d 12ten Julii ist der verbothene zweyte Kling
Seckel wieder nachgegeben etc.
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Von van Baren.
323
1730 etc. d 28 Junii 1730 ist das reformations jubilaeum ge- Blatt 11.
feyret
1732 Königsb. d 1. Jan. 32 Kirchen Capitalia sollen nicht ohne
K. Consens angegriffen u ausgethan werden.
Inst, d 8te April 32 wird e. exemplar von den 1724
publicirten reglement, nach welchem Kirchen Vorsteher in
Litth. die administration fuhren sollen, zugefertigt cum
man dato solches bey 2 fl Ung. für die Successores zu
asserviren.
Inst, d 3 Martii 32 alle memoralien sollen in duplo
u die privat Sachen auf Stempel Papier durch e manda-
tarium geschrieben eingereicht werden.
(Bl 30) die Königl. ordre daß das Hauptamt mit dem
litt. Hof Gericht combinirt werden soll ist datirt Berl.
d 19. Maj 1732.
Inst, d 4 Julii 32. Prediger sollen eine registratur
halten u für jedes feiende rescript 1 fl. zalen. In diesem
Jahr ist das Corpus bonorum der Inst. Kirche gefertiget u
approbiret etc.
1733 etc. Da in diesem Jahr der adjunctus eingesetzet, welcher
Dom. rog. s. Probe Predigt gehalten dorn 9 p. Trin. von
Oberhof Pr. D. Quand introduciret, so in dorn X p. Tr. s.
Anzugs-Predigt gehalten so hat adj die 22 rtl. 20 g. für die
Vesper Predigt erhalten.
1734 etc. In diesem Jahr ist die erneuerte und Erweiterte Blatt 12-
Verordn. über das Kirch u Schulwesen gedruckt und ein-
geführet etc.
1735 ist die ref. Kirche fertig geworden u inauguriret wo bey
der Etats Ministre v. Bülow in Gegenwart des luth. ministerii
u anderer eine Rede gehalten.
d 16te Jan hat der ErtzPr adj. Hahn9) einen Juden von
18 Jahren getauft er hieß Joh. Bär etc.
1736 etc. d 20 Oct. dem Adel u allen Landleuten ist ver-
f») Der Verfasser dieser Nachrichten.
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324
lnsterhtn-ger Kirchen-Nachrichten.
bothen victualien u Getreyde zum Wieder Verkauf zu
kaufen.
etc. In diesem Jahr ist die Veriniethung der Kirch-
sitze auf K. Befehl angefangen.
1737 Berl. d 5. Nov. 37 ist das reglement datirt, wie es mit
Introd. der Prediger ratione der Kosten u Versorgung der
Witwen gehalten w. soll.
Blatt 13. etc. Vermöge Verord. d. d. Berl. d. 26. Aug. 37 müssen alle
Lichter bey dem Altar u die weiße Casel u das singen
beym heil. Abendmahl abgeschafft werden. König Friedrich
hat 1740 d 3. Julii alles wieder froygegeben.
1738 etc. Kön. d 16 Nov. 38. Prediger können bey dem Gebeth
Verhör zwar mit einer Malzeit aufgenommen werden Kost-
bahre Gastmale aber dazu ganze Dorfschaften gezogen
werden, bleiben verbothen etc.
1739 etc. in e gedruckten Patent v 15te Jnnii 39 ist verordnet
daß Kein Prediger von den öft'entl. Kirchen Buße Thuenden
nichts u von d. Früh Kinder nicht mehr Taufgeld nehmen
soll als sonst erlaubt ist etc.
K. d. 15. Sept. Prediger dürfen nur Bier zu ihrer
Nothdurft Keinesweges aber zum Verkauf brauen. Das
Branntwein brennen wird gentzlich untersagt.
In diesem Jahr ist die Insterburgische Prediger Witwen
Cassa errichtet etc.
1740 etc. d 1 April hat die Gumb. Cammer an alle Beamte
rescribiret, daß diejenigen welche wüste Huben bebauen,
die noch nie contribuiret haben, so lange von decem frey
sind als die Freyjahre dauern diejenigen aber, welche
wegen e. Baues od. Brandes freyjahre genießen, müssen
den vollen decem bezalen etc.
1742 etc. K. d. 7. Sept. e. jeder junger Mensch, sobald er das
löte Jahr erreichet, er sey ad sacra gewesen oder nicht
soll den personal decem bezalen.
Der schreckliche kalte Winter welcher schon im Oct.
eintrat hat alle Übst Bäume ruinirt etc.
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Von van Baron.
325
1743 ist das gedruckte reglement wegen Erhaltung der Schulen Blatt 14.
auf dem platten Lande publiciret d 2 Jan. etc.
1744 etc. Dom. 6 p. Tr. war e. starke Ueberschwemmung.
1745 Berk d 30 Martii, für Hurkinder soll nichts mehr an Tauf- Blatt 15.
geld genommen werden als für andere. Die Hur soll auch
zu Keinem Gewissen Beicht Geld angehalten werden etc.
K. d 22 Sept. 45. Prediger und Schul Bediente
sollen bey dem diesjährigen Miswachs an Rogen sich bey
Hebung der Calende und Schul Getreyde begnügen mit
der Hälfte, stat der andern Hälfte soll ihnen nach Mas-
gebung des Schul reglements § 6 vor 1 Scheffel Roggen
V4 Gerst vergütet werden.
1746 dem Kriegs R Mühlpfort als Beamten in Georgenburg
wird verwiesen daß er des Pfarrers Knecht daselbst
arretiren lassen, da doch des Predigers Gesinde nicht unter
der Amts-Jurisdiction stehe, u Kein periculum in mora
vorhanden.
Die zwistigkeiten zwischen der Insterb. u Nor-
kittenscheu Kirche sind beygeleget. Lotztere hat die
Dörfer Abschruten u Kosaken an Insterb. retradirot und
stat der praecipirten 41 rtl. 25 rtl. bezalet.
1747 der d 9te u 13te Dec. entstandene unerhörte Wind hat
die Kirch Gebäude fast gantz abgedecket u 13 Scheunen
umgerissen.
d 11. Febr. rescribirt die Reg. daß, bei Hofe d
25 Dec. 1746 nach dem Vorschlage des Kriegs- u Dom
Directorii beschlossen worden, daß Keine Witwen Häuser
ferner sollen erbauet werden sondern daß die Prediger
eine Kasse zu ihrem Unterhalt sowie bey dem ref. an-
legen die Miethsgelder aber v d Kirch Kassen bezalet
werden sollen.
1749 hat der Hof declarirt daß er bey Besetzung von Prediger- Blatt 16.
stellen selbst disponiren u daher jedesmal wissen wolle,
wie hoch die Pfarre rendiren könne. Inst. d. 29te Junii
etc. Ein gedrucktes Edict vom 14te Oct. befielet daß alle
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326
Insterbnrger Kirchen-Nachrichten.
Landes Kinder auf einheimischen nniv. studiren sollen,
ist d 2te Mai 1750 renovirt etc.
d. d. Berlin d 23te Dec. 49 ist verordnet e. gedr. Edict
welcher Gestalt in ansehung der auf Univers, sich befin-
denden unwürdigen Stipendiaten verfahren werden soll etc.
1750 hat die Viehseuche binnen 6 Wochen das Horn Vieh so
angegriffen daß in der Stadt Kaum der lOte Theil im
Durchschnitt übrig geblieben.
Fast den gantzen Sommer war es Kalt u regnete.
Die Niedrigung stand bis zum Sept. unter Wasser.
etc. d. d. Berlin d 15 Jun. 50 ist das militar Con-
sistorial reglement u Kirch Ordn. des Feld ministerii
publicirt.
d 4 Oct. 50 ist die Instruction für das luth. Ober
Consistorium gedruckt Ueber 100 Stück litth. Bibeln auf
dem Lande unterzubringen vertheilt.
Blatt 17. 1751 der Groß Cantzler v. Cocceji welcher in allen K. Ländern
das Justitz Wesen geändert, hat das litth. Hof Gericht,
alle Haupt Aemter, das Saalfeltsche Consistorium gehoben
u die Justitz Collegia eingerichtet etc.
in diesem Jahre hat das Consistorium die Conduiten
Listen dem ErtzPr. zu fertigen anbefolen.
im Julio hat sich abermal das Viehsterben eingestellt.
1752 etc. d 26t. Febr. ist die Leiche des Oberst v. Buchholtz
hier durchgebracht auf einen Schlitten nach Trempen hin,
sie ist zwar nicht in der Kirche oder sonst abgesetzt,
dennoch aber eine Stunde beläutet, u die Kirche, Prediger
u Schule haben ihr accidens erhalten.
d 13 Febr. ist die Leiche des hier verstorbenen Ge-
neral Maj. v. Stosch in das Gewölbe des Abends bey-
gesetzt. d 24 Febr. geschahen die exequien u das parade
Sarg ward mit 60 Fackeln bis zur Kirche gebracht u das
erste Sarg mit der Consol hineingesetzt, er ist gestorben
d 9ten Febr.
d 14 Febr. communicirte des Consistorium e. Reseript
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Von van Baren. 327
vom 28. Jan. 1752 denen Predigern zu publiciren daß das
Fest Mariae Verkündigung wenn es in der Woche zwischen
Dom. Judica u Palm, u also kurz vor Ostern einfalt Dom.
palm. eingezogen werden solle etc.
Im iunio und Julio sind abermal über 120 Stück
Rind Vieh gefallen, mehren Theils vom angekauften u an-
gekrankten Vieh etc.
1752 im Nov. ergehet e ordre an die Post Amter, daß Kirchen
u Schul Sachen nicht porto frey seyn sollen.
1753 war es im Martis u April fast beständig Somer "Wetter. Blatt 18.
Vom 5ten bis 10 Maji war April Wetter Tag u Nacht
kalt, des Nachts Frost. Von Pfingsten bis ultimo Julii
hat es fast täglich geregnet.
d 12 Julius geschah ein Donnerschlag man leutete u
trommelte, aus H. Tierbachs Brauhause stieg ein Rauch
auf, wurde Gottlob gedämpft.
1754 etc. d. ed. d 18 Julii 1731 soll jährlich Dom 2 p. Ep.
verlesen werden, daß niemand außer Land ohne Erlaubniß
reisen soll. Seit Anfang Dec. hat es beständig gefroren.
Der Schlittenweg dauerte bis am Ende des Martii. Das
Eis ging den 5. u 6. April ohne Regen ab. Der April
war warm. Bis Ostern war trocken Wetter.
Es ist ein langer Faschinen Damm am Pregel zur
Bedeckung der Althöfischen Aecker bis zur Capelle gelegt.
Der Berg an der Capelle ist der gestalt eingefallen daß
der Weg eingegangen u das Thor an dem Schloßplatz ver-
legt ist.
1755 etc. Der Frost stellte sich vorge Weihnachten ein, con-
tinuirte bis Ostern, d 3te Ostertag brach das .Eis. Wir
hatten viel Schnee, im Febr. war die Kälte am strengsten
doch sind hier nicht wie anderswo Menschen erfroren.
Bis zur Hälfte Junii war es heiß, darauf folgte Regen.
d 13. Sept. starb der Quartus Collega Bliesener.
d 1 Nov. hat ein gewaltig Erdbeben Lisbon zerstört
in Hispanien Holland England Teutschland Schweiz Mai-
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328
Insterburger Kirchen-Nachrichten.
land u in der Afr. Barbarey Erschütterung verursachet.
Hie hat man außer einige Erhebung des Wassers an
einigen Orten nichts bemerket. Im Herbst hat es oft ge-
regnet u vor d. 31 Deo. hat man K. Frost gemerket.
Blatt 10. i75f, etc. vom 19ten Oct. bis 6. Nov. war trockener Frost u
großer Wasser Mangel.
Domm 11) p Tr. war Dankfest wegen des Sieges bey
Loboschütz.
Im Nov. hat ein jeder von seiner Hufe gewisse
rationes an Gehrde10) zum Magazin nach
Ragnit u Königsberg müssen von einer Hube
2 Sehe darauf folgte die 2te Lieferung, auch in
Tilse und Lik sind Magazine angelegt.
d 19. Nov ist zwar viel Schnee gefallen aber der
Wasser Mangel continuiret etc. d 4 Dec. war horrible
Kälte d 16. 17.
1757 bis medio febr. war starker Frost und Schnee u großer
Wasser Mangel besonders bey den Mülen. d 24ten Febr.
ging das Eis. Seit d 20 Febr. war es recht warm.
Medio Febr. ward hier ein Heu Stroh u Korn Ma-
gazin eingerichtet. Die Preußen zaleten für 1 Schock
Stroh 27a rtl. für 1 Stein Heu 377- g. für 1 Sch. Korn
75 g.
d 6. Martii starb der General v Langermann u ist
in s. Gütern beygesetzt.
d 31. Martii marschirte das Manteuffelsche Infanterie
Regiment hier durch in die Cantonirungs Quartiere auf
D. Dörfern.
d 1 April starb der alte Sünder adelicher Gerichts-
schreiber Hofgerichts R Falck.
d 2 April ist der General v Plathen angekommen der
das Langermansehe Dragoner Regiment erhalten.
10) Ein großer runder Tintenfleck verdeckt hier die Schrift auf vier Zeilen
theilweise.
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Von van Baren.
329
d 2 April ist auch d H FeldMarschall v. Lehwalt
angekommen.
d 1 April sind 3 Esq vom Platenschen Reg in Can-
tonirangs Quartiere gerückt.
d 3ten ist das Canitzsche Infanterie Reg durch
marschirt.
d 13 April hat man angefangen den baufälligen
Thurm an unserer Kirche abzunehmen.
d löten nam man den Knopf ab darin nichts als ein
verfaultes Papier 1 Achtehalber ein 6ser u 1 Drey Polker
gofunden worden.
Im April ist die Pr Feldbäckerei am Schloßplatz an-
geleget.
d 19 Maj war Siegesfest wegen der d 6ten hujus
bey Prag erfochtenen Sieges.
Das Lewaldsche Infanterie und das Platensche Dra-
goner Regiment schoß Victoria bey Georgenb. item das
Manteuffelsche und Sidowsche Regiment u 24 Canonen.
Die Bürgerschaft vor dem Thor.
d 6 Juniis fing die Preußische arme an zu campiren
von der Stadt bis Wachsenhöfchen u bis nach Krau-
pischken zu.
d 5 Julii ist alles Kirchen Silber wie auch Kirchen
u Schul Gelder ans Justiz Collegium eingesandt, auch
29 rtl 30 g die für Karwach gesamlet waren.
d 2 Julii bis zum 4ten ist Memel von denen Russen
belagert.
d 8 Julii sind 4 Bataillions Musq u 5 Esc. Cavallerie
nach Welau aufgebrochen.
d lOten folgte die Avantgarde dahin.
d Ilten folgte die gantze Pr. Armee nachdem in den
Tagen zuvor der proviant abgeführt wordern.
d 2ten August früh brachten um 6 Uhr die Pra. Blatt 20.
schwartze Husaren einige Wagen mit 18 blessirten Russen,
die bey Kattenau in einem Charmutzel gefangen waren.
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIII. Hft 8 a. 4. 22
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330
Insterburger Kirchen-Nachrichten.
d 7ten Aug. hat H D. Blanck in der Dantziger
Rede die Russische Flotte angetroffen, welche aus 26 Krie-
gesschiffen 3 Fregatten u paquet Bohten bestanden. Das
Admiral Schiff hatte 3 Verdecke fahrte 95 Canonen u
800 Man.
Die meisten bemittelten Leute insonderheit Weiber
u Kinder flüchteten nach Königsberg, die Furcht war un-
aussprechlich.
d 9ten Abends zeigten sich die Russischen Vorposten
bey Piraginen, charmutzirten mit unseren Husaren
in der Nacht retirirte sich das gantze Corp Preussen
welches bei Althof campiret hatte.
d lOten erschien die Russische K. Arme die der
Feld M v Apraxin selbst führte vor der Stadt an 120 000
Man. Das Ministerium uud Mogistrat ging des Morgens
entgegen trafen aber die Kosacken schon am Thor an.
worauf auch Kaimucken folgten.
d Ilten wird die Huldigungs Predigt und die Hul-
digung in unserer Kirche vorgenommen.
Der Feld Marschall u die hohe Generalität speiseten
Mittags in der Widdern. Die vornehmsten waren Diro
Exc. dH. Feld Marschal v Apraxin, Printz Gallizin, v Lepu-
chin, Pannin v Waimarn Basquer Romanzoff Levonthoff
Sagrofsky Liewen Dolgoruckky Monteuffel der Oesterrei-
chische General en Cheff Andrae über 30 Personen von
Range u viel andre.
d 12ten Aug. muste eine Dank Predigt gehalten wer-
den wegen des unschädlichen Ueberganges der Stadt.
Nach der schrecklichen Dürre die 10 Wochen con-
tinuiret hatte erfolgte d 20ten Aug. ein Regen.
d 13 Aug. als Kein Gräselein mehr vorhanden war
rückte das Haupt Quartier bis Georgenburg eodem traf die
Sibilskische Arme ein u campirte auf dem Berge zwischen
der Stadt u dem Höfchen des Förster Wachsen. Sie be-
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Von van Haren.
331
stand etwa a 16000 Man. ich nahm Abschied von den
H. Feld Marschal.
d 15 Aug. zog das Corp durch die Stadt samt der
Bagage.
Bey Georgenburg sind 2 Bauern gefangen u ihrer 11
sind die Fingern abgehauen weil sie Gewehr gehabt.
d lßten rückte die Arme von Georgenb. bis Stärke-
ninken. d 20ten rückte sie fort und ließ einige Bagage
nach Tilse gehn.
Da alle Bauern geflüchtet u manche aus dem Walde
feureten wurden die irregulaire Völcker in den "Wald zu
gehn comeudirt.
d 24ten rückten die R. bis hinter Plebischken.
d 2(>ten sind sie über den Strom gegangen. Das
Preußische Corp reterirte sich immer näher zu ihrer armee.
d 28ten Abends Kommen viel Commandos mit Wagen
die gantze Stadt war in allen Gassen besetzt ea ward stets
getrümmelt. niemand wüste was es bedeute, alles war
in Furcht.
d 29ten passirten Ochsen durch.
d 30ten lieferten die Preußen den R. früh eine Sehlagt,
die Proußen mußton sich zuletzt aus schuld einiger Offi-
ciren reteriren u ihre canonen in stiebe lassen.
d 31 schössen die R. Trouppen Victoria auf der
Walstat hinter Norkitten.
d 1 Sept. bin ins R. Lager gefordert ein Paar bles-
sirte Officiren zu berichten.
d 2t en u 3ten sind über 2000 blessirte hierdurch nach
Tilse gebracht. Einigo blieben hier Nacht. Die Leiche
des Gen. Lepuchin v. Sibirn wird durch 100 Kosacken in
e. Preußischen Pulverwagen fort gebracht. 150 gefangene
Preußen mehrentheils vom Lewaltischen Reg u Manteuflel-
schen werden zwischen Kosacken fortgeführt.
d 4ten werden noch einige 100 dergleichen u in son-
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332
Insterbnrger Kirchen-Narliricliten.
derh vom Sidowschen Regt fortgeschlept. Die Frühpredigt
wird gehindert u in der Recht Predigt war große Störung.
Die blessirten haben an der Zauper unter den Linden
die Nacht im Regen zu gebracht.
Die arme hatte Über 500000 Pferde. Diese hüteten
alles ab.
Blatt 21. d 12ten Sept. retournirte die arme vom Kampfplatz
durch Insterb. ohne Spiel. Die Kosacken u Kaimucken zogen
um die Kirche hemm, campirten. alles wird abermal
abgehütet die Scheunen zum andern mal spoliirt. Nie-
mand behielte Handvol Heu u Stroh. Das Vieh blockte
jämmerlich.
d I5ten complimentierte ich d H Gen. FeldM. bey
Althoff wegen seiner retour.
d 16ten complimentirte ich zum Namens Tage der
Kayseriii da alle Officire u Leute vom Range im Zelt des
FeldM waren. Um 12 Uhr schickte mir der Gen. Feld-
Marschall durch H. General v. Waimarn 50 goldene Rubel.
H. Bürgermeister Tennig H. Raths V. Brück u
Fröhlich wurden als Geißel mit genommen.
d 17ten rückte die R. Arme bis Seslacken.
d 18tcn zeigten sich wieder Pr. Husaren.
d 19ten kam der Obrist Lieutenant v. Gersdorf u
convocirte die Prediger u Magistrat, wir musten uns in
Georgenb. vor d. Hertzog v. Holstein stellen, der uns
befal dem Pr. Feld Marsch, v Lewald entgegen zu reisen.
d 20ten u 21ten habe ich den H. Feld M. v. Lewald
in Georgenb. gesprochen. Die gantze Preußische Arme
avancirt bis Georgenburg.
d 21 nehmen 800 Preußen Quartier in der Stadt.
d 22 Die Russen avanciren bis Zillen die Preußen
nach Aulowenen.
d 22 In Insterburg wird wieder ein Magazin angelegt
wegen Menge der Wagen Konnte Niemand reisen.
d 24 ist ragnit abgebrant.
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Von van Baren.
333
d 27 die Preußen haben bisher unterschiedliche R.
Gefangene gebracht.
d 28 ward H. Camer Präs. Domard u Kriegsrath
v. Wegner nach Tilse gerufen nachdem die R. über die
Memel gegangen.
d 30ten ist die Pr. Bäckerei aus Welau hier ange-
langet u Über 100 Man vom Königsb. Garnison Reg.
v. Putkamer die 800 Man v. Manteufelschen sind wieder
ausmarchirt.
d 4 Oct. der Jahrmarkt ist schlecht, weil Kein Maitz
vorhanden Kann Keiner mer brauen. Die Gumbinner
liefern Bier a 5 g pro St.
d 7ten die Bäckerei nach Tilse gebracht unterwegons
kam contra ordre u ward im Schloß wieder angelegt.
den 16ten ist Berlin vom üsterr Gen. Hadduk ge-
brantschatzt mit 200 000 rthl.
den 20ten wird die Feldbäckerei abgefahren.
Von nun an ist die Pr. Arme in unterschiedlichen
Colonnen nach u nach nach Pommern gegangen.
Die Insterburgische Geißel kommen a der R. Arme
zurück.
d 21 haben über 500 Cosacken über die Memel bei
Tilse gesetzt u Vieh fortgeschlcpt. Das Heidekrugische
Kirchspiel a 72 Dörfer ist weggebrant.
d 29 ist die Compagnie v. Putkamerschen Regiment
ausmarchirt. Stadt und Land war nun ohne alle Bedeckung.
d 28 Nov. früh um 8 Uhr starb der hiesige Diaconus
Pilgrim.
d 24 Dec. starb der ref. Inspector H Jacob Tamnau
u ist d 30 begraben.
1768 d 12ten der Rückzug der R. erneuert das Schrecken Alles
wird theuer.
d 13ten ist Tilse von R. wieder besetzt.
d 14ten Die Tilseuer Post brachte nichts als e R.
Zettel den niemand lesen konnte.
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334
lii8»erljur^»*r Kircheii-NacliriohUn.
d 22ten Jan haben die R. Königsb. u Pillau occupirt.
d 24ten Am Geburthsfest des Königs v. Pr. hat die
academie gehuldiget.
d 25ten erhielt die Gumb. Camer ordre nach Königsb.
zu kommen.
d 29. Jan. von nun an ist das Kirchen Gebeth nach
Ii. Vorschrift geändert.
Für verunglückte Prediger haben dio hiesige Syno-
dales 50 rtl collegirt.
d 3ten Febr. ging der R. Brigadier v. Hartrois hie-
durch in Gumbinnen das Directorium zu führen.
d 4ton ist in Gegenwarth des IL Lieutenants v. Robock
der Eyd denen aus der Inspection abgenommen die vor-
her nicht gehuldiget es wurden nur Leute von Distinction
admittiret.
Das Land soll 140 000 Albrechts Thaler Contribution
u Insterb. 16400 rtl 37 g 4 pf.
nachgehens sind diese in Reichsthaler, verwandelt.
d 27ten April sind über 400 Pferde samt Husaren u
einige Curassirs u Infanteristen hier gewesen u d folgenden
Morgen weiter zur Weichsel marchirt. Der Haber wird
rar u 2 fl für e. Scheffel bezalet. sonst haben wir Kein
Durch Marche gehabt u wenig Kriegs Völker mehr gesehn.
d 19 Maj hat es nach langer Dürre zum erstenmal
geregnet. Die Noth war unbeschreiblich weil für das Vieh
nichts wachsen konte, doch dauerte der sanfte Regen nur
wenig stunden. Die Kälte Wind u Witterung continuirten. etc.
d 12 Dec. ist das Ritterfest St andr. gefeyert u ge-
predigt worden. Die Predigten an Ritterfest sind hernach
nicht mehr anbefolen noch gehalten.
Die disjährige Contribution des Landes war 1 Million
Spec. Th. von der Stadt war 6545 rtl 84 g 12 pf. collegirt.
Der 4te Theil ist bey dem letzten Termin erlassen
daß also nicht Spoc. sondern Reichsthaler genommen sind.
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Von van Baren.
335
1769 etc. d 19ten Jan. sind 250 R. Stückknechte durch mar-
chirt. sie blieben bis d 21te etc.
d 4ten Martins Nachmittag um 2 Uhr ist e. Bataillion
Infanterie eingerückt ohne Spiel es waren etwa 200 Man
recrouten sie besetzten weder Wache noch Thore.
d 7ten kamen noch etwa 300 Man dergleichen Mann-
schaften mit Spiel u in Piraginen in andern Dörfern lagen
dergleichen Leute, item kam 1 Canone u Pulverwagen.
d lOten sind die Wachen besetzt und verbothen
Nachts ohne Laterne zu gehen.
d 12ten sind diese Mannschaften in unterschiedlichen
kleinen Colonnen fort marchiret.
Da der General en Cheff v. Fermor nach Petersburg
gegangen hat H. Gen Lieutn. Frolow Bagrejews comendiret.
d Ilten lief scharfe ordre ein daß auf Erfordern des
Cheffs einem jeden Corps Pferde, Wagen u was erforderlich
ist geliefert werden solle bey Strafe der Coufiscation aller
Güter u Leibes u Lebens.
d 13 martii ist Fähnrich Michel Rastoflow auf hies-
sigem Kirchhof begraben, etc.
d 19 sind Ihro Excell v. Fermor wieder in Königsb.
angekommen u mit canonen salutiret.
d 21 ist der Major v Strik der die letzte Wagen ab-
gewartet von hier gegangen.
d 24 Martii war schrecklicher Sturm.
d 12 April hat mir die fr. Rittmeistern Arnoltin einen
schönen Wagen mit beschlagenen Sielen geschenkt.
Viel Mundirungs- Wagen passiren nach d. Weichsel
das Magazin wird zu Wasser weggebracht.
d 21 sind 1000 Pferde angekommen.
d 13 Maj ist H. Cantor Schultz früh tod im Bette
gefunden ist am Stichfluß gestorben.
1759 d 8 Aug. ist H. Probst Wolf in Gumbinnen an ins Leib
getretenen Podagra gestorben.
d 16 Aug. ist H. Hein als Cantor introduciret.
330
Insterburger Kirchen-Nachrichten.
Die Pflaumbäume die sich vor einem Jahr übertragen
und doch, nichts zur Reife gebracht, sind voller dürrer
Aeste und haben wenig Früchte. Man hat Keine Kirschen
noch Nüsse gesehen, auch wenig Obst.
d 26 Sept. hat die Gumb. Camer den ruin des Fa-
schinen Dams an der Kirche u die ruinen an dem Ca-
pellenBerge untersuchen lassen.
d 15 Sept. sind einige 100 Stück Pferde u Knechte
hin verlegt.
d 19ten steht der Strom und ist schrecklicher Wasser
Mangel dass Keine Müle geht.
d 15 Dec. Da die Russischen Staatsfeste gefeyert
werden, so ist der Bußtag verlegt.
1760 d 1 Jan. muste ein eingetretenes versiegeltes Paket von
allen Predigern vor der Predigt eröfnet werden u verlesen
werden dadurch jeder Rubel von 3 fl 18 g bis 4 fl 6 g
erhöhet wurde. Die viel rubel hatten, wurden also reicher.
d 7ten sind 14 Cosaquen in der Vorstadt einlogiret,
einer führte 2 Camele bey sich.
d 12ten werden 500 Ochsen durchgeführt nach u nach
sind bis 8000 Ochsen durchgezogen u in den Aemtern zur
Ausfutterung vertheilet, in der Stadt sind über 500 Pferde
ausgefuttert.
Die Preußische u Rußische Kriegesgefangne werden
nach einer gewissen Taxe ausgewechselt.
Bis zum 28ten Martii ist noch starker Frost, viel
Schnee u Schlittenweg.
d 3—7 Aprü starker Frost, d 9ten geht das Eis.
d 21ten ist der letzte Schnee verschwunden u die Erde
offen geworden, im Frühjahr bis den 3ten Mai ist eine
ungeheure Menge Hochwasser auf d "Wiesen gewesen.
Die Russische Völker ziehen u kommen in kleinen
Haufen, daß man nicht klug daraus wird noch wissen kann,
ob sie hin oder zurückgehen, noch wie stark.
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Von von Baren.
337
Die Stadt zalet 3723 rtl 24 g Contribution von allem
Gelde Silber u Zinn, von den capitalien bis 8 pro Cent.
d 25 Mai geht die Blüthe Zeit an, die Bltithknospen
an Kirschen u Pflaumen u die Meisten von Birnbäumen
sind erfroren daher auch in Litthauen Keine Kirsche u
Pflaume gesehen worden.
d 31 die Russische Einquartirten u die ausgefütterten
Pfeerde gehen zur arme.
Im Maj Junio bis zum 7 Julii ist Kein regen gefallen
d 7ten entsteht das erste Gewitter. In der bisherigen Vieh-
seuche sind von der Stadt Heerde an 1200 Stück Rind
Vieh gefallen, u ist auf dem Lande auch wenig geblieben,
noch im Julio ist wegen der Dürre schlecht Graß insonder-
heit laßt sich das Sommer Getreyde schlecht an. Man
siebet Keine Kirsche noch Pflaume. Die Hertzkirschen-
bäume item Spanische sind gantz ausgegangen es zeigen
sich sehr wenig Bim u wenig Aepfel. a Keine Johans-
beeren in Königsb u Elbing sind dergleichen Früchte.
d 20ten ist regen der anhält.
Seit dem 28 Julii bis an Ende Aug. ist fast beständig Blatt 24.
Regen u Donner Wetter gewesen der Hagel hat viel ver-
wüstet. Die Gerste geht an Ende Aug. erst recht auf die
meiste ist schon vertrocknet u kan nicht einmal zu Futter
gebraucht werden. Das Grummet verfaulet. Das wenige
Getreyde ist wurmstichig.
d 8 Sept. bis hieher continuirt der Regen.
d 11 Sept wird publicirt dass das bisherige teutsche
Geld, das so algemein war das man das Polnische u
Preußische nicht mehr sähe, heruntergesetzt sey u nach
dem 1 Jan. nichts mehr gelten solle. Dis war härter als
die schwerste Contribution.
Das Gesinde ist übermüthig u theuer die waren, pp.
D. 9 Oct. Kam H. Governeur v Korf hier an besah die
Kirche, frühstückte bei H ... . Tierbach reisete um 12 Uhr
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338
Inaterburger Kirchen-Nachrichten.
vergnügt nach Gumbinnen nachdem er sich in unserer
Kirche alles zeigen lassen.
Das Pfd. Kaffe Bohnen kostet 50 g.
Der starke Regen verdirbt die wenige Gerste viel
Heu verfault ungehauen.
d 13 Oct. Die R Pfeerde werden wieder durchge-
bracht zur Ausfutterung.
Domin 21 p Tr. muste eine Dankpredigt gehalten
werden wegen der Occupirung der Stadt Berlin von R u
Oestreichern.
Der Regen hat bisher continuiret.
Am Capellen Berg wird ein Faschinen Dam u Ein-
fassung des Berges vorgenommen nachdem der Weg so
schmal geworden, daß das Thor eingehen u am Schloß ver-
legt werden müssen.
Die Bürger bekamen für jedes Schock Faschinen 60 g
da das Wasser hoch u der Weg schlecht geht alles schwehr
von statten zumal Menschen u Pferde rar.
d 20 Dec. geht das Eiß d 25 Sturm regen u Ueber-
schwemmung.
1761 Jan. der Weg ist grundlos. Die Posten gehen unordentlich.
d 7 Jan. nach langem gewaltigen Sturm u Regen
friert es.
Seit einigen Tagen kamen R u Cosaken mit ausge-
hungerten Pferden.
d 23 Jan. ist d H. Brigadir Zernikow angekommen
der hin u wieder hindurch gut comando gehalten hernach
von d Preußen bei Posen gefangen ist.
Blatt 26. d 15 Febr. ist Postmeister Drewis arretirt wegen ge-
stolene Postgelder.
d 7 bisher große Ueberschwemmung.
Die Russ. Völcker sind in allen Städten, Dörfern u
Höfen zerstreuet. 3 — 31 warm trocken Frülingswetter etc.
d 6 Maj dem Tractament am Staatsfest bey dem H.
Brigadier Czeripow beygewonet.
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Von van Baren.
339
d 22 Maj ist Brigadier Czeripow abgegangen mit den
hier gewesenen Soldaten.
Hier wird e. großes Magazin angelegt n vieles aus
Königsberg gebracht. Die Kaufleute Blank Tierbache u
Urbani haben sich übernommen, hier eine große Menge
Haber zu liefern u dafür den in Königsb befindlichen
Russischen Haber anzunehmen welchen sie verkaufen.
d 7 Junii bey der fruchtbaren "Witterung bekommen
die Bäume wieder starken Trieb zum "Wachsthum nach
manchen schlechten Jahren etc.
(d 21 Jim). H. Baron von Eulenburg ist von s. Gütern
arretirt in Klötz geschlossen nach Petersburg gebracht
wegen beschuldigter unehrerbietigen Reden ist aber pardo-
nirt u aus Petersburg dimittirt.
Julius 1761 das Korn u Heu ist gut gerathen und
auch eingeerntet.
Die Stadt soll von 1563 Mans Köpfe von der Wiege
bis zur Krücke 2 Rubel pro Kopf zalen. niemand ist
eximirt. es macht 3126 Rubel. Prediger für ihre Person
sind frey.
General Totleben ist in Pommern arretirt wird nach
Petersburg gebracht, wie er sein Leben daselbst so bald
geendet ist nicht bekannt etc.
Sept. Es ist schön u heiß Erntwetter gewesen, die
Gerst ist schlecht gerathen, "Weizen u Korn desto besser.
Es sind viel Nüsse, gering Birn u ziemlich viel Aepfel
zur Reife gekommen.
d 14. 15 Sept. ist es plötzlich kalt geworden, daß es Blatt
gereift, nachher nach einigem Regen u Sturm blieb es
schön trocken "Wetter. Das Magazin wird vermehrt auf
dem Schloß.
October bisher sind Ochsen u Pferde durchgebracht
zur armee.
D. H. Major Kudrin hier bisher sehr gute Manszucht
gehalten u die im "Winter einquartirten im Sommer stets
340
Insterburger Kücheu-Nacliricliten.
ziehende Cosaken sind u durch ihre Hetmanns (?) von ex
cessen abgehalten. "Wo sie aber sind, fordern sie auch
Essen sind aber mit Erbsen und Cartoffeln zufrieden etc.
Hier schließen die chronologisch geordneten
Notizen des Erzpriesters Hahn.
Die Fortsetzung der Kirchen Nachrichten findet
sich im Anschluß an einen Auszug der Aufzeichnungen des
Erzpriesters Hahn, und offenbar als eine Abschrift aus den
Notizen desselben in seinen Schreibkalendern, von anderer
Handschrift in einem mit Papier durchschossenen Exemplar
des "Werkes von Friedrich Pastenaci (Historische Nach-
richten von allen im Königreich Preußen befindlichen Kir-
chen und Predigern. Königsberg bei J. F. Driost, 1755)
hinter Seite 18. Diese Fortsetzung lautet wörtlich
u. vollständig wie folgt:
1762 Den 19ten Jan. hat Magistrat und die Bürgerschaft den
23ten Jan. haben Prediger Cronbediente etc. den Huldi-
gungseid an Peter HI vor dem Altar abschweren müßen.
Der Eid ist von mir in praes. des Lieuten. Bensings ab-
genommen.
d 2ten Febr. c. ist das 6wöchige Geleut wegen Ab-
sterben der rußischen Kayserin Elisabeth angefangen.
d 17ten Febr. sind 180 preußische Gefangene v Trep-
tau Über Memel hierher gebracht sie waren vom Knobloch-
schen Regiment. Der Capitain hieß Kleist. 56 haben
communicirt 7 haben im Lazareth berichtet
d 19ten große Ueberschwemung bei schrekl. Sturm auf
der Freiheit mußte man mit Kähne fahren.
d 23ten Febr. wurden die gefangene Pr. aus der Ves-
per auf den Markt berufen wer ruß. Dienste nehmen wolte,
es ist keiner vorgetreten. Ich habe für sie eine Collecte
gehalten. Den 9ten Martii sind sie nach Schlesien unter
e. Esq. als Freygelassone von Rus. gebracht.
d lOten Martii sind die Cosaken ins fürstl. verlegt.
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Von van Baren.
341
d 9ten n lOten ward für ankommende ruß. Regimenter
Brod gebaken.
d Ilten Martii marsch irte das 2te ruß. Grenadier Regi-
ment durch mit Spiel und Gepäk.
d 18ten Martii ward die Gedächtnis Predigt über den
Tod der Kayserin Elisabeth gehalten über Kr. 44. 12 — 14
u das Geleut sistirt.
d 23ten Martii früh um 7 ist H. Caplan Gartz ge-
storben.
d 6ten April haben diejenige huldigen müßen, welche
die Termine versäumt hatten.
Den ganzen April hindurch war es heiß u trocken daß
es stäubte.
Das Deputat Holz soll nicht mehr geflößet werden
sondern wie sonst angefahren werden, ist hernach gehoben.
d 28ten Maji seqv. friert es 9 Grad der ausgeschla-
gene Wein u Blüte u eingesetzte Früchte verderben es ist
in der ganzen Gegend keine Kirsche gefunden Pflaumen
u etwas Obst war in meinem u wenigen anderen Garten
in den meisten nichts Spanische Hollunder, Linden u andere
Bäume haben garnicht geblüht. Der "Wind kam fast ständig
aus Ost u Nordost.
d lten Junii verdarb ein abermaliger Frost die Banm-
früchte u Blumen.
d Gten Julius in voriger Nacht um 12 kam ein bla-
sender Courier mit Friedensnachrichten u von der Rück-
gabe Preußens an unseren König.
Preußische Werber heben junge Leute aus.
d 11 Julius ward der Friede publicirt. H. Justiz Rath
Heidenreich zu Pferde war Herold. Die Grosbürger saßen
zu Pferde. Vor dem Rathhause stand die Bürgerschaft im
Gewehr. 1 Tambour 2 Postillione 2 Trompeter ließen sich
hören. Die Proclamation geschah vor dem Rathhause und
in unterschiedenen Orten der Stadt.
d 25ten solte das Friedensfest gefeyert und die von
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34t>
Insterburger Kirchen-Nachrichten.
beyden Höfen im Druk emanirte Patente verlesen werden
und waren Illuminationes bestelt.
d 16ten Julius Abends lief Nachricht vom Tumult in
Petersburg ein u daß die Russen d 16ten Abends nach
Ankunft e. Couriers die Festung Friedrichsburg wieder
occupirt hätten. Die preuß. "Werber eilen mit den Rekruten
so gut sie können davon.
d 25ten ward statt des Friedensfestes ein ruß. Patent
des Gouverneurs "Wojakoff abgelesen, worin wir nach wie
vor für Rußen erklärt werden.
d 27ten schwehren die Cosaken der Kayserin.
d 17ten Aug. sind 40 östreichische Kriegsgefangene
officier einquartirt der. Zahl nach u nach vermehrt werden
— es war der H. General Feldwachtmeister Baron v. Biela
2 Obersten 4 Capitaine 2 Rittmeisters 4 Capit. Lieuten.
16 Ober Lieuten. 11 Unter Lieut. 1 Fähnrich.
d 22ten Aug. ist endlich die Friedens -Danckpredigt
gehalten über E. 45 v. 7. Es ist keine Erbse im Lande
reif geworden. Mehlthau u "Würmer haben alles verzehrt.
"Weitzen Korn Gerst Haaber sind sehr gut gerathen. Im
Septbr 1762 ziehn sich die Russen nach u nach in kleine
Corps fort nach Russland.
den 7ten u 8ten marchiren Curassire. Die Preußen
werben stark.
den 9ten ist ein Cavallerie Regiment Curassier durch-
gegangen mit 8 Standarten. Darnach 5 Regimenter Infan-
terie General Romappe zieht ab. Die Generale v Nemeni-
kow u Follerlop, v Essen etc. kommen. Letzterer war den
12ten in der Kirche. Die Russen campiren auf der Alt-
höfschen Wiese, den lOten sind die 6 Infanterie Regi-
menter aufgebrochen. Den 9ten Abends beneventirte ich
den H. General Feldmarschall von Soltikoff er hatte viel
Pferde u Jagdhunde.
d 19ten gegen 11 Mittag kam ein Regiment Cür. mit
klingendem Spiel. Die Predigt mußte abgekürzt werden.
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Von van Buren.
343
Den 20ten gingen sie ab. Den 21ten Sept. um 12 Uhr
kam das schönste Regiment, es waren Curassiers Leute
Pferde u Montur waren vortrefflich, alle hatten grüne Feld-
zeichen auf den Hüthen. Gelbe Pferdedecken.
d 23ten hat sich das Regiment, welches theils in der
Stadt, theils auf den Dörfern Quartier hatte, auf dem Markt
wieder versammelt u ist fortgezogen Alle Truppen lebten
für ihr Geld u es geschahen keine Excesse. Die Musik
war schön, des Morgens und Abends ward gespielt, aus
meines Herzens Grund, der lieben Sonne Licht etc. Manche
Weibsleute sind unter ihnen gegangen, manche sind ge-
salbt und gekrönt, an der Grenze haben sie manche im
Strom ersäuft.
den 7ten Nov. die hier u anderswo sich noch befin-
dende rußische Ofnciers u Gemeine brechen auf, wozu ein
doppelter Tumult in Königsberg Gelegenheit gegeben. Das
rußische Magazin in Königsberg ist den 20ten Nov. an
unsern König verkauft.
Die Bürgerschaft muß eine bestimmte Zahl Recruten
liefern, an die Königl. Armee Ihro Königl. Magest&t ver-
langen 5000 Last Korn und Mehl. 900 Last sind davon
in dem rußischen Magazine.
1762 Jezzo roullirt kein ander Geld als russische V» V* 7« 7**
wie auch Düttchen 2 gr. 1 gr. und ß auch preußische Die
preuß. 75 von 1757 werden nirgends genommen; Ob es
gleich nicht friert, so ist doch kein Waßer, auch im Strom
reicht es nicht zu. Korn hat gegolten 3 fl 12 gg Weizen
ebensoviel, Gerst 2 fl Haber 1 fl 6 gg in Insterburg. Die
Kaufleute haben erweiterte Grenzen des Marktplatzes ge-
setzt, darin es erlaubt ist, Getreide zu kaufen.
den 17ten Dec. die Stadt liefert wieder 10 Recruten
200 Mann vom Lande werden hier in Empfang genommen.
den 25ten wird es heftig kalt früh 8 Grad Abends 13Va.
den 26ten 15 Grad d. 27ten u 28ten 10 Grad die Baro-
meter stehen schrecklich hoch bei hellem Wetter.
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344
Insterburger Kirchen-Nachrichten.
Pastenaci 1763 Im Frühjahr ist der Faschinen Damm hinter der Schule
u meinem Garten erhöhet.
1764 den 2ten war im ganzen Lande eine allgemeine Haus
Visitation.
Dem schreckl. Holtzmangel, den der impassalbe Weg
verursachet, wird durch den Frost abgeholfen, der mit dem
Anfang des neuen Jahres eingetreten, nachdem es vorher
einige Tage gewaltig gestürmt. Der Frost hat nur bis zum
13ten gedauert, den 22ten Febr. stieg der Frost bis 4 Grad
den 12 — 14ten Mart hat H. D. Bock u Justizk. v. Essen
eine fatale Commission gehalten wider die unschuldigen
Schul Collegen.
d 17ten Martii sind die Meierschen Dragoner von
Pieragienen u den 20ten die Plathenschen Dragoner in
Cantonirungs Quartier gerückt.
d 24ten Martii deutete des Abends um 10 die Sturm-
glocke u Trommel eine Feuers Gefahr an die Gangens
Knecht durch die Laterne im Holzstall angerichtet. Es
ward Gottlob gelöscht.
d 16ten Maj sind die Platensche Dragoner zur Revue
nach Merael aufgebrochen.
Vom 7ten Junio an sind die Sechser von 1763 bis
auf 4 gg heruntergesetzt u alles übrige Geld soll in die
Münze geliefert werden.
Im Julio wird der Faschienen Damm hinter meinem
u dem v Bergschen Haus und bis zum Holtzgarten gemacht
den 6ten Sept. wird die Arbeit geschlossen.
den 23ten Jul. ist die Structur der neuen Orgel in
der Kirche aufgerichtet d 26ten der Principal angerichtet.
d 24ten mein Dielenzaun u 2 Thorwege fertig gewor-
den, von der 2ten rußischen Contribution sind mir 3 rthl
61 gg statt 70 rthl vom Magistrat retradirt in abgesetztem
rußischem Gelde.
d löten Jul brannte der Schornstein im Ausstinschen
Hause der Orgelbauer arbeitet, ruhe an mein Stall.
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Von van Baron.
845
d 1 Aug. hat Meister Pancritius den Altar bekleidet.
d 7ten Aug. gegen 3 entstand eine starke Eilung Blitz
u Donner u dauerte 10 Minuten riß viel Scheunen u Bäume.
d Ilten erschoß sich ein Dragoner wegen verweiger-
ten Trauschein. Arbeitsleute mußten ihn begraben. In
diesen Monath hat man angefangen den Strom von Steinen
zu reinigen. Die Saderschen Mousquetiere mußten arbeiten.
d 25ten Sept. war Feuer im Lipschen Hause an der
Capelle, es ward gestürmt doch Gott half bald
ist ein Bürgerhaus für den General g3kauft.
d 30ten Octbr. "Wein ist nicht reif geworden der
Herbst war naß u kalt Obst Nüße Pflaumen sind gut Ge-
treide und Heu ziemlich.
d Ilten Nov. Abends entstand der große Brand in
Königsberg.
d 7 Dec ist ein desertirter Dragoner an einen Pfahl
gehangen.
1765 den Ilten Jan. brannte Bings stall nahe an meinem in der
Nacht um 11 die Gefahr war groß. Die Funken spielten
über Kirch und Thurm Gott half.
den 20ten Maj ward wegen eines brennenden Schorn-
steins gestürmt.
Im Julio hat Hr. Kirchen Vorsteher Kühn mit colligir-
ten Gelde die Kirche ausgeweißet.
Das Dach und Balken sind reparirt.
Die Stadt Cämmerey hat hinter meinen Garten einen
Gang zum Wasser erhöhen u pflastern lassen.
d 17ten Julii 1765 erschien der K. Pr. Tabaks Ver- S. 8&
pachtungs Contract nach welchem die Pächter 11 Tonnen
Geldes an Ihro Maj zahlen.
1766 d 9 Febr. ist in der Kirche zum Bau der hiesigen ref.
Schule eine Collecte gehalten.
Die Viehseuche grassiret an einigen nahen Orten e.
g. in Sterkeningken läßt wenig übrig.
Altpr. Monut -.schrill B l. XXIII. Tlft. 8 n. 4. 23
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346
Instcrlmrger Kirchen-Nachrichten.
d 27 Febr. Cantor a.Tilse Harte die neue Orgel revidirt.
Es ist viel Schnee aber seldechte Baun.
d 16ten April ist das Amts Vorwerk Maigunischken
eingeäschert u weil man den Thorschlüssel nicht finden
können alles Vieh u Pferde verbrannt, nichts gerettet u der
Gärtner mit den seinen verbrannt.
Der April ist sehr heiß.
d 25ten Maj haben französische financiers die Accise
Einrichtung geändert u viel neues angefangen.
d 9ten Juny ist die Stube im Hinterhause mit neuen
Balken u mit einer neuen Deke versehen. Der neue Kachel-
ofen in meiner Stube kostet 25 rtl u ist der Ofen in der
Hinterstuben, u Bakofen gesetzt. Das Korn ist gut ge-
rathen konnte schon medio Julii gehauen werden. Gerst
ist nicht sonderl. Erbsen gut. Kirschen gut, viel Aepfel
wenig Birnen keine Pflaumen u Nüße.
Das Stempel Papier u Postwesen und die Freyheit
Spiel zu halten wird erhöhet.
Der Canal von Angerburg ist nicht fertig.
d 14ten Novbr. kam das erste Bauholz u ein Kahn
mit 3 Last Korn aber nur an die Nase.
d 18ten stand der Pregel.
Der Sommer und Herbst war trocken.
im Nov. Decbr friert es Wasser im Strom wegen des
Vieh Trinkens und Malens war bis Novbr 1767 große Noth.
Im Jahre 1819 forderte die Königliche Regierung zu Gum-
binnen durch die im littauischen Amtsblatt abgedruckte Verfü-
gung auf
in jeder Stadt die Merkwürdigkeiten derselben, welche
für die Nachkommen von Interesse und Nutzen sein
könnten, aufzuzeichnen.
In Folge dessen stellte der damals an der lutherischen
Kirche zu Insterburg fungirende Superintendent August
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Von van Bareu.
347
Friedrich Heydemann11) Nachrichten zusammen, welche er
als eine Fortsetzung von „A. E. Hennig Topographisch-
historischer Beschreibung der Stadt Insterburg 1794a,
jedoch als zuverlässiger als diese letztere bezeichnet „weil sie
die gegenwärtige Zeit betreffen".
Diese „Chronik von Insterburg" ist, von seiner Hand-
schrift geschrieben und in Abschrift, ebenfalls im lutherischen
Kirchenarchiv vorhanden und lautet wörtlich, wie folgt:
Am lOten May 1780 verloren 4 Wirthe auf der Vorstadt
ihre Scheunen und Stallungen durch ein entstandenes Feuer.
Am 5ten July 1783 traf ein Blitzstrahl den lutherischen
Kirchen Thurm, zerschmetterte einige Pfeiler im Thurm, einen
Balken in der Kirche, und fügte der Orgel einen bedeutenden
Schaden zu.
In eben diesem Jahre und demselben Monath den 28ten
Juny brannten in der Vorstadt in einer Zeit von 4 Stunden
12 Ställe und 11 Scheunen ab.
Im Jahr 1803 wurde auf dem Kirchenthurm eine neue, von
dem Uhrmacher Siede zu Darkehmen verfertigte Uhr aufgesetzt.
Am 4ten September 180G Morgens um 4 Uhr traf ein Blitz-
strahl eine Scheune vor dem Obermühlen thor, und brannten
31 Scheunen ab.
Im Jahr 1806 nach der unglüklichen Schlacht bey Auer-
städt sammelten sich hier viele von ihren Regiementern ver-
sprengte preuß. Militair-Personen und nach der Schlacht bei Pr.
Eylau am öten Februar 1807 war hier der Sammelplatz der
Russischen Truppen. Die zu den Lazarethen eingenommene
Privat Häuser das ganze Schlos, sämtliche Schulgebäude und die
reformirte Kirche waren mit kranken Russen so überfüllt, daß
zu einer Zeit sogar fiOOO Gemeine und Unterofficire und 870 Offi-
cire in denselben lagen. Der größte Theil derselben ist gestor-
ben, und außerhalb der Stadt begraben. Die Anzahl derselben
11) starb am 23 October 1842.
23*
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348
Insterburger Kirchen-Nachrichten.
kann aber nicht angegeben werden, weil die Russen keine Todten-
Register gehalten haben.
Dadurch entstand auch bei den Einwohnern eine Krankheit
die Pestartig war, die Sterblichkeit bey derselben war um 2/a
stärker als sonst, ja es starben einige Hänser beinahe ganz aus.
Am 17ten Juny 1807 nach der Schlacht bey Friedland strömte
von den Russen eine so große Menge in die Stadt, daß wenigstens
4000 Mann sich in derselben befanden, welche aber durch einen
blinden Lerm aufgeschreckt in wenigen Mienuten die Stadt ver-
ließen.
Am 18ten Juny Abends wurde eine Deputation der Bürger-
schaft nach Bubainen an den Französischen General Beaumont
abgeschickt, um Schonung für die Stadt zu bitten. Einzelne
Husaren waren Nachmittags in die Stadt gekommen recognos-
cirten ob Russen darin wären, und achoßen in die Fenster
und Häuser. Beaumont gab dem General Cambaceres 200 Mann
Husaren, diese eilten Abends 11 Uhr in die Stadt, um sie zu
schützen 100 Mann blieben auf dem Markte stehen, die übrigen
vertheilten sich in die Häuser, wo sie Essen und trinken in
Vorrath fanden und requirirten von den einzelnen Einwohnern
Wäsche und Leinen und was ihn sonst anstand und gefallig war.
In dieser Nacht vom 18ten bis 19ten Juny mußte die Stadt ,
ohne was einzelne verlohren hatten, noch baar Geld zahlen
1. an einen Husarren von Cambaceres . 20 rtl
2. an einen Unterofficir 100 rtl
3. an Cambaceres selbst 1000 fried'or
4. an dessen Adjudanten 50 frd'or
5. „ „ Lieutenant 20 do.
6. den Fourier 10 Ducaten
7. an Tüchern und "Waaren ans den
Kramläden 2329 rtl 52 gr
8. an Lebens Bedürfhißen und andere
verschiedene Gegenstände die dem
Cambaceres geliefert werden mußten 9652 rtl 2 gr 1 V8
9. an den General Grouchy .... 200 fried'or
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Von van Baren.
34y
10. an einen Commandern- eines Husaren-
Antachements 80 fried'or
11. an mehreren franzosischen Militairs
und nahmentlich an den Rittmeister
Boyer vom Cambaceres'schen Re-
giement 1200 rtl
Die ganze Summe der Requisitionen beträgt 63 650 rtl und
zwar ... 10 927 rtl liquide
und ... 52 725 rtl iliquide
welche blos Cambaceres erhalten hat. So theuer kam der fran-
zösische Schutz zu stehen!
Am 19ten Juny traf der Marschall Ney mit 12 000 Mann
ein, einige 1000 blieben hier, die übrigen wurden in die um-
liegende Gegend verlegt.
Aus der Königl. Salz Kasso wurdo baar 1868 rtl 21 gr
41/« pf. an Salz — 134
Tonnen französisches
43 Tonnen englisch Stein
und 384 Tonnen Liverpool Salz
in Beschlag genommen und nachher verkauft.
Aus dem Depositorio des Königl. Oberlandes -Gerichts
wurden genommen baar 1125 rtl
aus der Salarien-Casse desselben 151 rtl 30 gr
und aus dem Depositorio des Königl. Stadtgericht 14.336 rtl,
und kleine Summen aus der Kämmerei, Kirchen, Armen und
Hospitals-Casse. Der Verlust würde jedoch noch bedeutender
geworden seyn, wenn man nicht aus Vorsicht, schon den
größten Theil der Kassen Bestände nach Memel fortgeschikt hätte.
Die Stadt sendete zwar Abgeordnete nach Königsberg an
den Französischen Intendanten Grafen Daru um wenigstens das
Vermögen der Unmündigen zurückzuerhalten, das größtenteils
in Documenten im Depositorio des Stadtgerichts gelegen hatte,
p. Daru versprach mehr als die Abgeordneten zu bitten wagten
und — hielt nicht Wort.
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350
Insterburger Kirchen-Nachrichten.
Späterhin wurden diese Documenta und Gelder durch den
Pariser Frieden zurückgewonnen. Die Franzosen zogen in be-
deutenden Abtheilungen durch. Ein Korps von 10000 Mann
vom Bernadotte'schen Corps bivouaquirte beim Pangerwitzer
Kruge auf dem Berge, und blieb vom 19ten bis zum 28ten Juny,
dadurch litten aber sowohl die Einwohner der Stadt in der Nähe
des Lagers als auch die umliegenden Dörfer, denn alles wurde
genommen was zu einem bivouaque gehört. Thüren, Fenster,
Stühle, Banken, Spiegel, Betten und Hausgeräth, was sie fanden,
und ihnen anständig war. Es gefiel ihnen alles was sie sahen.
Das bivouaq glich einer hübschen Stadt, die wie durch
einen Zauberer in wenigen Stundon entstanden war.
Die Ordnung in diesem Lager war gut; überhaupt betrugen
sich die Franzosen im Jahr 1807 als Feinde besser als im
Jahr 1812 wo sie als Alliirte erschienen. Im ersteren Jahre
waren sie wirkliche Franzosen, das heißt artig, freundlich und
wirklich menschlich wenn gleich geld- und raubgierig; im letztern
aber waren sie höchst brutal, nichts war ihnen gut genug und
sogar bei der Retirade im Dezember 1812 machten sie Präten-
sionen, die der übermächtigste Sieger sich nicht erlauben wird.
Die ganze Summe des hier durchgegangenen französischen
Militairs wird etwa 30000 Mann betragen.
Die letzten gingen den 24ten July ab. Die große Menge
der Franzosen hatte unter allen Gattungen von Vieh eine große
Verwüstung angerichtet. Zu diesen Kriegs Uebel gesellte sich
noch eine Viehseuche. Es sind ausser dem geraubten und
requirirten Rind -Vieh noch mehr als 1000 Stk. umgekommen.
Am 8ten Januar 1809 marschirte das Dragoner-Regiement
v. Esebeck welches hier in Garnison gestanden, nach Riesenburg
in das neue Standtquartier und am 12ten rückten zwey Esqua-
drons vom Litthauischen Dragoner Regiment als Besatzung hier ein.
Am 29ten März 1809 wurde das hiesige Stadtgericht vom
Magistrate getrennt. Am 24ten Juny 1810 wurde an dem in
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Vou van Baren.
351
dor Nacht vom lüteu auf den Ilten Dezember 1809 eingestürzten
alten Rathhause der Grundstein zum neuen Gebäude und in
selbigen nachstehende Nachrichten gelegt. (Weggelassen.)
Am 29ten März 1812 wurde das Kreis-Justiz-Amt Inster-
burg, welches seinen Siz in Georgenburg gehabt nach der Stadt
verlegt.
In diesem Jahre wurde die so genannte große Schule in
eine höhere Bürgerschule umgewandelt.
Krieges und Tagesbegebenheiten in diesem Jahr.
1812. d 7ten Juny Kam von dem Landhofmeister v. Auerswald der
Auftrag an den Magistrat: Die schleunige Einleitung zur
Erbauung der französischen Bakofon zu treffen, an dem
nehmlichen Abend um 6 Uhr traf der französische Com-
missaire Lievre nebst Maurer und Zimmerleute zur Er-
richtung von 18 Bakofen ein.
den 8 und 9ten geschahen bedeutende Requisitionen zum Bau,
an Eisen, Bretter, Kessel und andere Materialien.
d lOten Kam die Nachricht, daß 13 000 Mann und 2000 Pferde
in und um Insterburg einrücken wärden, auch erschienen
die ersten französchen Fußvölker.
d Ilten waren kleine Ein- und Durchmärsche.
d 12ten Kam der General Quartier Meister vom Prinz Eckmuehl-
schen Corps mit der Nachricht, daß der Prinz selbst ein-
rücken würde, er blieb aber in Georgenburg.
d 13ten marschirten Truppen ein und durch.
d 14ten Kam Marschall Davoust Prinz Eckmühl nach Insterburg,
um die Backofen in Augenschein zu nehmen, als er auf
die Frage, warum solche noch nicht fertig seyn, die Ant-
wort erhielt, es fehle an Ziegeln, erwiderte er:
ich sehe ja aber noch hier eine ganze Reihe Häuser
stehen, warum werden die nicht dazu gebraucht?
Doch waren die 18 Bakofen in 3 Tagen fertig, sie standen
damals auf dem Platze wo jetzt das Schauspiel-Haus steht.
d löten ging eine große Menge Truppen und viel Geschütz durch.
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352 Insterbnrger Kirchen-Nachrichten.
d 16ten rükte die französische-kaiserliche Garde ein.
den 17ten Kam Napoleon um 5 Uhr Nachmittags an, ritt gleich
aus, besah die Feldbäkkerey und das äußere Terrain und
logirte im v. Bilzingsloe wen 'sehen Hause.
Die Franzosen bivouacquirten hinter den Gärten der
Freiheit, Vorstadt und bey Althoff Insterburg. Alle Zäune
in der Gegend wurden in wenigen Minuten abgebrochen
und zum bivouaq gebraucht auch aus den Häusern wurden
Gerätschaften mit Gewalt genommen.
den 18ten Ritt Napoleon geführt von dem Kaufmann Johann
"Weiss durch die Vorstadt nach Neudorff ins Lager, musterte
die daselbst stehenden Truppen und die bey Insterburg und
fuhr Nachmittags um 2 Uhr nach Gumbinnen.
d 19ten Ging die Garde nach Gumbinnen, es kamen aber
6000 Mann sächsische Truppen an, und erhielten Quartier
und noch mehrere riikten ein und aus. Eine Esquadron
von Preuß. Dragoner aus Wehlau, unter Commando des
Major v. Raeumer so wie 2 Kompagnie Musquetiere gingen
durch nach Padrojen.
d 20ten waren kleine Ein- und Durchmärsche.
d 21ten gingen die Sächsischen Truppen weg und es blieb
ziehmlich ruhig.
d 22ten Kam die kaiserliche Kriegs-Casse unter Bedeckung der
Preuß. schwarzen Husaren. Gegen Abend rükte ein
Bataillon Preuß. Mousquetier v. 3. Ostprß. Infantrie Re-
giement ein.
d 23ten rükte um 2 Uhr morgens die einquartirte Infantrie aus,
um 8 Uhr dagegen 4 Französische Infantrie Regimenter
ein, empfingen Lebensmittel und gingen um 10 Uhr weiter
nach Gumbinnen.
d 24ten Morgens ging die französische Kriegs-Casse ab, bald
darauf kamen einige Proviant- Wagen futterten und gingen
weiter. Mehrere Französische Train- Wagen kamen an.
d 25ten rükten 2 Compagnie Preuß. Füselier ein.
d 26ten Kamen 2 Compagnieen Französische Infantrie.
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Von van Baren.
353
d 27ten des Morgens gingen sämtliche Französische und auch
die 2te Compagnie Preuß. Infantrie weg es kam aber ein
Regiment französische Infantrie, nachher Cuerassire und
andere Cavallerie an, kleine Pulks von 5—10 bis 15 Mann
ließen sich einquartiren (Croaten und Pandnren) 18 russische
Unterthanen wurden von 3 preußische Dragoner escortirt
und als Gefangene eingeliefert.
Ueber Lieferung von 300 Hemden, 300 Bettlaken
72 wollene Decken, 100 Handtücher 100 Servietten zum
Lazareth über 948 rtl an Werth, wurde zwischen dem
Landrath Burchardt und der Requisitions-Commission der
Contract abgeschlossen.
d 28ten um 8 Uhr Morgens rükten 21 Proviant und andere
Wagen mit 204 Pferden bespannt ein und den 29ten
wider aus.
d 29ten Kamen 20 Wagen mit Pferde an.
d 30ten gingen die 20 Wagen ab, es kamen aber einige
90 Wagen mit Ochsen bespannt, empfingen Brod und
gingen weiter. 3 Kompagnien französischer Infantrie er-
hielten Quartier und es wurde bekannt gemacht, daß sämt-
liche Militair Personen sich den Morgen darauf aus der
Stadt entfernen sollten.
d lten July Morgens ging sämtliches Militär weg, es kamen
aber einige Officire an und blieben hier.
d 2ten rükte eine Esquadron Pariser Husarren ein, und erhielt
sowie einige Fußvölker Quartier.
d 3ten gingen sie ab, es kamen aber einige 1000 Mann fran-
zösischer Infanteristen.
(1 4ten marschirte die Infanterie ab, es waren aber kleine Ein
und Ausmärsche.
d 6ten desgleichen.
d 6ten erschienen früh Morgens mehrere Wagen mit Lebens-
Mittel, eine Menge Pulverwagen ging durch imgleiclien
eine Compagnie Portugisischer Infantrie und 2 Esquadrons
nach Tammowischken, die Officire blieben hier.
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354 lu.sterlmrgur Kirchou-Nachrichteii.
d 7ton waren von Morgens ab kleine Emquartirungen und
Durchmärsche um 5 Uhr Nachmittags riikto ein Regie mont
Infanterie zum Quartier ein. Die Liquidationen der fran-
zösischen Requisitionen etc. wurden angefertigt.
d 8ten Morgens ging die Infanterie weg, Cavallerio durch ein
Bataillon Infanterie erhielt Quartier, mehrere Train Wagen
machten halt und die Einquartirung wurde starker.
d l>ten gingen die Train Wagen und die Infantrie weg es
kam andere Infanterio und Cavallerie, viele gingen durch,
noch mehrere aber erhielten Quartier gegen Mittag wurde
die Einquartirung stärker.
Der Prinz Wilhelm von Hessen kam mit einem
Gefolge an, und logirte bey Friedrich Weiss.
d lOten ging der Prinz Wilhelm weiter.
Ein Regiemont Infantrie ging des Morgens um 2 Uhr
mit klingenden Spiel durch es folgte Cavalerie und einige
30 Mammeluken.
d Ilten viole Ein und Durchmärsche auch Pulverwagen, die
Einquartirung war stark.
d 12ten noch stärk Durchzüge und schwer Geschütz.
d 13ten 14ten 15ten wie die Tage vorher und 800 Mann
Infanterie zum Quartir.
d 16ten gingen die 800 Mann ab, 500 Mann Holländische Truppen
kamen und blieben. Der General Denzel fuhr ab, nach
Gumbinnen. In den übrigen 14 Tagen dieses Monaths war,
da die Militär Straße über Labiau von Königsberg nach
Tilsit angelegt wurde so ziemliche Ruhe, da die Durch-
märsche und transporte aufhörten.
d lten Aug. kamen 300 Mann Cavallerie aus umliegender
Gegend hier an, und blieben 5 bis 6 Tage.
d 8ten Ging das Communications Commando vom Litth. Dra-
goner Regiment ab, ein Officir und 5 Mann vom Leib-
husarren Regiement kamen hier an.
Es kam die Nachricht, daÖ ein Corps feindlicher russi-
schen Truppen ins Herzogthum Warschau eingerükt wären.
Voii vim Baren.
355
Vom Platz Commandanten wurden die nöthigen Arrange-
ments getroffen. 600 Gewehre von der Armee gekommen
wurden nach Königsberg gebracht.
d (Jten Ging die am lten August angekommene Cavallerio nach
Königsberg und nicht zur Armee auch kam die Nachricht,
daß das russische Corps sich zurückgezogen hätte,
d lOten wurden circa 300 blessirte und andere französische kranke
Truppen ins Lazareth gebracht, es mußten 200 Bettstelle
geliefert werden.
d 13ten meldeten Privat Kachrichten den Andrang der Russen.
Die seit d 16ten July in Garnison gestandenen 500 Mann
holländische Truppen gingen nach Drengfurth.
d 14ten gingen die seit d 22ten Juny hier gewesene 113 Mann
Preuß. Mousquetier ab, gegen Abend wurden 150 russische
Gefangene eingebracht und
d löten weiter transportirt. Von da ab immer Ruhe.
d 30ten Aug. rükto die Cavallerie, welche am 9ten Aug. abge-
gangen, wider ein und blieb in Cantonement.
d Ilten Septbr. gingen von den Cavalleristen gegen 200 Mann
zurük nach Königsberg
d 12ten wurden ungefähr 100 Mann von den im Lazareth ge-
wesenen Infanteristen nach Königsberg transportirt.
d 17ten Ging der Prinz v. Würtemberg zurük.
Vom Septbr. bis December war nichts bemerkens-
werthes, am 13ten December wurden über 800 Mann ge-
fangene Russen eingebracht, unter welchen sehr viele
Kranke waren, die als sie am löten weiter transportirt
werden sollten, nicht im Stande waren zu gehen. Sie Ingen
auf dem Markte und wurden da sie kaum so viel Kraft
hatten aufzustehen, gemißhandelt um mitzugehen. Ein Ein-
wohner stellte dem französischen Officir diese Unmensch-
lichkeit mit dem Beifügen vor, daß er diese kranke doch
vor dem Thore würde hülflos liegen lassen müßen, in der
Stadt aber doch für sie gesorgt werden würde, worauf er
antwortete was soll ich mit ihnen machen/ wer nimmt sie
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356
lusterburger Kirchen-Nachrichten.
mir ab? ich war die Gegenrede. — Schaffen Sie mir eine
Quittung der Behörde, daß ich sie krankheitshalber habe
zurüklassen müssen, sagte der Franzose. Diese wurde
ihm vom Magistrat ertheilt und es blieben 54 Mann zurük,
die bey den Bürgern untergebracht und von ihren bald
darauf nachfolgenden Brüdern wider aufgenommen wurden,
worüber der Kaiser Alexander der hiesigen Bürgerschaft
eine Belobung ertheilt hat.
d 14ten Decbr. fing die Retirade der Franzosen an, und dauerte
bis zum 22ten fort.
d 20ten rükte die Garde ein, das Cavallerie Depot ging den
21ten ab und die Garde den 24ten in diesen Tagen wurde
die Stadt von allen Franzosen außer den kranken leer und
es war in der Stadt ruhig.
Seit dem Juny 1812 bis Ende des Jahres sind 4087
französische und Alliirte Truppen um Insterburg begraben
worden.
d 25ten Decbr. des Morgens um 8 Uhr zeigten sich einzelne
Kosacken in der Stadt, gleich darauf erschienen 150 Mann
Bussen unter Coramando des Major Ivanowic Kuszirou,
welche bis 12 Uhr Mittags blieben und nach "Wehlau gingen.
Zur Beruhigung der Einwohner ward von den russischen
Truppen eine Proclamation des Kaisers Alexander vertheilt,
welche mit den "Worten anhebt:
Gute Nachbaren und Freunde.
Zugleich ward strenge gebothen: daß niemand fran-
zösische Militair Personen und Sachen verbergen dürfe.
Dies gäbe zu manchen tragischen mit unter auch
lächerlichen Vorgängen Anlaß.
Eine alte beinahe 70jährige Frau brachte 2 große
französische Chausseur am Rokschosse geführt den Kosa-
ken zu.
Die Magazin Vorräthe wurden von den Russen in
Beschlag genommen, das Lazareth abgefordert und 150
Kranke als Gefangene weggeführt.
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Von van Baren.
357
Eine Deputation der Stadt unter Begleitung der Ko-
saken und eines Dollmetschers fuhr dem commandirenden
General Lieutenant Jeloweisky entgegen konnte ihn aber
nicht antreffen.
Den 26ten und 27ten waren kleine Durchmärsche der
Russen.
d 28ten ging die Proklamation des russischen Generals von Witt-
genstein daß Preußen und Küssen Freunde wären ein.
d 29ten meldete ein Preuß. schwarzer Husar, welcher von TUse
aus Patrouille gemacht hatte und durch Kosacken ver-
sprengt worden, daß das Macdonalt'sche Corps in der
Gegend um Tilse sey. Das lte Leibhusaren Regiment sey
über Tilse nach Gumbinnen gegangen, und große Ab-
theilungen des ganzen Corps seyen zu erwarten. Auf diese
Nachricht ging der Cosacken Ofncir Szumkow welcher mit
11 Mann seit einigen Tagen hier gewesen gleich ab,
kam aber
d 30ten mit der Nachricht wider daß das Macdonalt'sche Corps
sich über Labiau nach Königsberg gezogen hätte und
mehrere 1000 Russen zu erwarten seyn.
d 31ten Abends gingen die Kosacken eilend nach Norkitten,
weil man schießen gehört haben wollte kamen aber ohne
besondere Nachricht zurük.
Unter den flüchtigen Franzosen die im Dbr. hier
durchgingen, waren der König von Neapel Joachim Murat,
der Vice König von Italien Eugen, Davoust-Eckmühl.
Ney in einem pollnischen Schlitten mit 2 Pferden, er gab
selbst den Pferden aus seinem Schnupftuch Hafer zu fressen,
das ganze Fuhrwerk mit Pferden war nicht 5 rtl wertb.
Die Retirade der Franzosen war so eilig, daß manche
50 bis 60 rtl für einen Schlitten bis nach Königsberg gaben,
und der Zustand der Franzosen so jämmerlich, daß den
mehresten Nasen, Ohren, Backen, Hände und Füße erfroren
waren und sie in den possirlichsten Kleidungen vermummt,
bey dein großen Elende, doch beinahe Lachen erregten.
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358 Iiisterlmrgfr Kirchen-Nachrichten.
am lten Januar 1813
Ging des Abends die Nachricht ein, daß die preußischen
Truppen 2 Monathe Neutral bleiben würden, eine Conven-
tion zwischen Preußen und Russen geschlossen und beide
zusammen in Tilsit eingerükt wären
Macdonald mit den Franzosen aber nach Königsberg
gegangen sey.
d 2ten Ging ein russischer Ofneier nach Gumbinnen, um den
Hettmann der Kosacken aufzusuchen.
d 3ton rükte Nachmittags um 27a Uhr ein Cosackenpulk von
800 Mann unter Kommando des Obersten Bajabanzikow ein
und erhielt Quartier.
d 4ten waren starke Ein Märsche. Mehrere Pulks Cosacken,
gingen durch, Infanterie wurde einquartirt, und die Ar-
tillerie war angekommen.
G eneral Graf Ururk, General der Jäger Woronzow der
Hettmann der Kosacken Platow und andre mehr waren
anwesend, es waren überhaupt starke Heerzüge.
d 5ten ging sämtliches Militair und auch die Generale ab, nur
Szumkow blieb zurük; bedeutende Durchmärsche und
400 Kosacken in Quartier.
d 6ten Kamen 3 russische Schlitten mit Licht Arack etc. an,
Durchzuge sowie d 7ten 8ten und 9ten.
d lOten General Lieutenant Martinow und Gen M. Grekow wur-
den einquartiert 200 Cürassier unter Commando des Major
Chrinow erhielten Quartier
d Ilten gingen die Cuerassiere ab, Durchmärsche
d 12ten die am lOten angekommen und den Ilten abgegangene
Officire kamen zurück, ihrentwegen wurde eine Tanz Ge-
sellschaften arrangirt.
d 13ten Durchmärsche und 150 Bagage-Wagen.
d 14ten löten IGteu 17ten 18ten Durchmärsche und Einquar-
tirungen nicht stark.
d litten wurden einige 100 französische und alliirte Truppen als
Gefangene eingebracht und d 19ten weiter transportirt.
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Von van Baren.
350
<1 20ten starke Durchmärsche von Infantrie Cavallerie und Ar-
tillerie viele blieben.
d 21ten mehrere Regiementer Infanterie und Cavallerie gingen
durch.
d 22ten sämtliches Militair ab,
d 23ten 1500 Kosacken durch
d 26 Febr. 1813. ertranken bey der Überfahrt, indem die Pregel-
brücke durch Eisgang wegegangen war 10 Rekruten. Im
Jahr 1813 hat die Stadt einige 00 freiwillige Jäger und
zwar lauter Cavalleristen gestellt und ausgerüstet die Eltern
gaben ihre Kinder gerne und nur sehr wenige Ausnahmen
fanden statt. Nach hergestellten Frieden kehrten diese
jungen Vaterlands- Vertheidiger unter allgemeinen Jubel
zurück.
Die Anzahl derer welche in den beiden Kriegs Jahren
1813 und 1815 unter den Waffen gestorben sind, übersteigt
kaum die gewöhnliche Mortalität.
Im Jahr 1815 wurde eine neue Straße am Militair
Lazareth und von dem Polizey Director Czarnowsky neben
dem Garten des Gastwirth Riedel ein neuer Garten ange-
legt, und der "Weg mit Weidenpappeln bepflanzt.
Den löten May 1816 wurde das Intendantur Amt nach
der Stadt verlegt.
Im Jahr 1816 wurde die im vorigen Jahr angefangene
neue Belegung des Kirchenthurms mit Blech vollendet,
d Gten Januar 1817 brannten auf der Vorstadt, ohne daß
man weiß, wie das Feuer ausgekommen 2 Ställe ab.
d 6ten Dezember 1817 verloren aber mals zwey Elgen-
thümer auf der Vorstadt ihre Ställe.
Die Casornen am Schlosgarten wurden im Jahr 1817
von dem Justizrath Lindenau Kriminalrath Hassenstein
Postcommissarius Hering und Gutsbesitzer Wager in Did-
lacken für 1100 rtl zum Behuf eines zu erbauenden Com-
medien Hauses gekauft.
Durch den Orcan am 17ten Januar 1818 wurden 12
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360
Inaterbnrger Kirchen-Nachrichten.
Scheunen ganz umgestürtzt und jedes Gebäude mehr oder
weniger beschädigt.
Am 14ten März 1818 entstand auf der Vorstadt in der
Morgenstunde wider ein Feuer wodurch 4 Wirthe ihre
Scheune und Stallungen verloren.
Auch sind im innern der Stadt 2 Ställe abgebrannt,
jedoch seit dem großen Brande im Jahr 1690 in der Stadt
kein einziges Haus in die Asche gelegt.
Das auf der Stelle der ehemaligen Kaserne am Schloß-
garten neu erbaute Commedien Haus wurde im Jahr 1818
soweit fertig, daß am 1 Januar 1819 das erste Schauspiel
gegeben werden konnte. Baumeister waren der Maurer
Mstr. Schiel und der Zimmer Mstr Girkor. Der Regie-
rungs Rath Kohlhoff leitete den Bau.
Im Jahr 1819 ist die Volkszahl 5094 Seelen gewesen.
Die Plätze auf welchen die Ziegelscheune vor dem Ziegel-
thore unweit der Windmühle früher gestanden sind im
Jahr 1819 am 12ten Februar in einzelnen Parzelen öffent-
lich verkauft worden.
Kaufmann Döhring und Heyne haben ihre Parzelen
noch in diesem Jahr bebaut
Im Jahre 1798 um Johanni
- « 1801 im Juny
* « 1818 d 8ten July
ist der König von Preußen im Jahre 1807 der russische
Kaiser Alexander
d 2ten Januar 1819 die verwittiwe mßische Kaiserin
d loten Juny 1814
d 29ten November 1815
d 29ten Februar 1819
die regierende russische Kaiserin hier gewesen.
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Kritiken und Referate.
Alterthunisgesellschaft Prussia in Königsberg 1886.
Sitzung vom 22. Januar. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit
Worten der Erinnerung an das zu Anfang des Jahres verstorbene Ehren-
mitglied Friederici, Realschuldirektor a. D. Hierauf hielt Major Beck-
herrn einen Vortrag über das propugnaculum in introitu terrae Natangiae
des Dusburg (III, 133). Nach dem Berichte Dusburg's kam im Jahre 127*2
der Markgraf Dietrich von Meißen mit einem Kreuzfahrerheere nach Preußen,
vereinigte sich dort mit den Ordenstruppen und unternahm dann einen Ver-
heerungszug in die Landschaft Natangen. Am Eingange in diese Landschaft
stieß er unvermuthet auf eine Schanze, besetzt mit vielen Bewaffneten,
welche sein weiteres Vordringen verhinderten. Er erstürmte diese Schanze,
tödtete deren Besatzung und nahm,' was davon noch am Leben geblieben
war, gefangen und drang dann bis zu dem Marktplatze Görken vor, woselbst
er drei Tage und Nächte hindurch verblieb, während dieser Zeit die ganze
Landschaft durch Brand und Raub verwüstend. Diese Verwüstung war so
gründlich und wirksam, daß die Einwohner sich bald dem Orden wieder
unterwarfen. Darauf kehrte der Markgraf, welcher bei der Erstürmung der
Schanze 150 und bei der Verwüstung des Landes 50 seiuer eigenen Reisigen
eingebüßt hatte, wieder in die Heimath zurück. Dieser Bericht giebt keine
direkte Auskunft über die Lage der erstürmteu Schanze, euthält aber doch
genügende Anhaltspunkte, um dieselbe ermitteln zu können. Dieses wird
von dem Vortragenden versucht, indem er, von dem in dem Berichte an-
gegebenen engeren Operationsobjekt, dem Marktplatze Görken, ausgehend,
nachweist, daß der Markgraf als Operationsbasis das Ordenshaus Balga ge-
wählt habe. Hierdurch ist die Marschlinie des Heeres des Markgrafen fest-
gestellt, auf welcher oder in deren Nähe die Schanze zu suchen ist. In
geringer Entfernimg westlich von Görkon, in der Nähe der Marschlinio
liegen bei den Orten Pilzen, Gruudfeld und Schlauthienen drei Schloßberge.
Die bei dem erstgenannten Orte befindliche dieser altpreußischen Befestigungs-
anlagen bezeichnet der Vortragende als das von Dusburg erwähnte propugna-
culum, indem or die Uebereiustimmung derselben in Bezug auf Zweck,
Lage und Beschaffenheit mit deu Andeutungen in Dusburg's Bericht darlegt.
Zum Schlüsse widerlegt er dann noch dio von einigen Forschern aufge-
stellten Behauptungen, wonach das fragliche propugnaculum auf den Lateiner-
Altpr. MoniiUsclirHt Bd. XXIII. Hft, 8 u. 4.
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362
Kritiken und Referate.
berg bei Heiligenbeil zu verlegen sei. Zur Orientirung über die Lage und
Beschaffenheit der erwähnten Schloßbergo dienton ausser der Generalstabs-
karte (Sektion Pr. Eylau) auch drei von Herrn Rittergutsbesitzer Huhn auf
Jerlauken der Prussia gütigst eingesandte Croquis.
Darauf folgte der Vortrag des Herrn Hauptmann Epbraim: Die
französiscbe Kolonie in Königsberg. Zunächst giebt der Vortragende eine
Uebcrsicht über die Verbältnisse der Reformirten in Frankreicli vor und
nach der Aufhebung des Edikts von Nantes, schildert deren Verfolgungen
und Leiden und ihre Gefahren auf der Flucht und geht dann auf ihre Auf-
nahme und Ansiedelung in Preußen, insbesondere in Königsberg, ein. Hier
kamen die ersten Refugies im Jahre 1686 an und wurden meistens auf der
.Schloßfreiheit, namentlich auf dem Damme des Schloßteiches, der jetzigen
Französischen Straße, angesiedelt. Es waren meistens Kaufleute und Hand-
werker, unter diesen Letzteren am zahlreichsten vertreten die Perrücken-
macher, dann Uhrmacher, Steinschneider, Seidenmanufakturisten , Strumpf-
wirker, Schneider und Hutmacher. Außerdem kamen noch einige adlige
Offiziere, einige Juristen und ein Chirurg. Nachdem im November 1686 der
erste, vom Kurfürsten ernannte, französische Prediger Abraham Boullay
du Plessis hier eingetroffen, auch zwei Vorsteher gewählt worden waren,
wurde am ernten Adventssonntage nach Uebereinkommen mit der deutsch-
roformirten Gemeinde in deren Beetsaale in der Schule am Schiefen Berge
der erste französische Gottesdienst gehalten. Hier blieb der Versammlungs-
ort der Gemeinde bis 173G. Da bis zum Jahre 1608 die Kolonie auf 240
Personen angewachsen war, so wurde nun noch ein zweiter Prediger, Jean
Tannay, angestellt und 170G die Oberraarscballei am Schiefen Berge für
4000 Thlr. angekauft, und zum Gottesdienste eingerichtet. Im Jahre 1733
wurde der Grundstein zu der jetzigen Kirche gelegt, deren Einweihung 1736
erfolgte, und zwar in Gegenwart des Königs, weicher zu dem Bau 12,000 Thlr.
beigesteuert hatte. Ln siebenjährigen Kriege wurde sie von den Russen,
1807 von den Franzosen und 1813 abermals von den Russen als Lazareth
benutzt. 1739 wurden die beiden Predigerhäuser neben der Kirche erbaut
und 1736 das Wittwenhaus in der Laudhofmeisterstraße erworben und 1756
das in der Jägerhofstrasse. Der an der Kirche gelegene Begräbnißplatz
wurde 1812 vor das Königsthor verlegt. Mit der Einführung des deutschen
Gottesdienstes wurde bereits im Jahre lbl7 begonnen.
Zum Schluß erfolgte die Vorlage der Acccssionen für das Prussia-
Museum durch den Vorsitzenden Dr. Bujack. Zur vergleichenden Abthei-
lung der prähistorischen Sammlung kamen 6 thönerne Beigefäße, theils ge-
henkelte, theils ungehenkelte, eine ebenfalls thönerno gehenkelte Lampe,
eine Glasröhre mit einem Thierkopf aus römischen Gräbern in der Rhein-
provinz, ein auf der Drehscheibe gearbeitetes kugelförmiges Gefäß aus der
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Alterthumsgcsellschaft Prussia 188C. 3ß3
•
Zeit nach der Völkerwanderung aus derselben Gegend, sämmtlich angekauft.
Für die Abtheilung der Gegenstände ans dem Mittelalter wurde eine thönerne
Kanne aus dem 13. Jahrhundert , eine kleine Thonfigur einer Heiligen mit
dem Modell einen Gebäudes in der Hand aus der Rheinproviuz und ein aus
einem Stück getriebener eiserner Helm in Kugelform mit Spitze und mit
Gesichts- und Nackenschirm, in Altpreußen gefunden, erworben. Die Sektion
der Gegenstände der Renaissance - Zeit wurde vermehrt durch eine silberne
Spottmänze aus dem Reformationszeitalter, ein glasirtes Thongefäß aus dem
17. Jahrhundert und durch eine grosse Geldkassette aus Holz mit künst-
lerisch gearbeiteten Eisenbeschlägen, ein Geschenk des Hofapotheker Hagen.
Zu den Gegenständen des 18. und 19. Jahrhunderts kamen ein Kronleuchter
aus Glas, geschenkt von Maler Schenk zur Vervollständigung eines schon
im Prussia - Museum vorhandenen . ein Majolika - Seidel mit Zinndeckel , in
welchem eine Münze auf Ludwig XV. eingelassen ist, eine messingene
Büchse zu holländischem Tabak mit einem Bilde auf die Schlacht bei Torgau
1760, Stockkrücken aus Berliner Porzellan, Glas und Bronze als Pendant zu
einer in Gypa abgegossenen Stockkrücke des Fürsten Hardenberg, eine kleine
Theekanne aus Fayence, letztere geschenkt vom Hauptlehrer Matthias,
zwei Helme unseres Ostpreußischen Kürassier-Regiments um 18*20 und 1850.
geschenkt vom Rittmeister v. Gröben. Für die Bibliothok schenkte Oberst
v. Lessei die Geschichte des 5. Ostprenßischen Infanterie-Regiments No. 41,
Pfarrer emerit. Hoff mann Frankenberg's Europäischen Herold von 1705,
Hübner's reales Staats-Zeitungs-Conversations-Lexikon von 1717 und ausser
der Reinhardschen Ausgabe des neuen Testaments von 1728 zwei Luther-
bilder aus dem 18. Jahrhundert, ferner ein Geber, der nicht genannt Bein
will, die Berliner Zeitung vom Jahre 1812; für die Urkunden - Sammlung
schenkte Gymnasiast Petrenz eine Verleihung von 14 Hufen zu Aulu-
wöhnen und von 14 Hufen zu Allischken (beide Kr. Insterburg) an Albrecht
König durch den Hochmeister Winrich von Kniprode anno 1376, und die
verwittwete Frau Willert eine Verschrerbung zu l'/j Hufen in dem Dorfe
Rosignaiten bei Wargen noch »/t Hufe vorfindliches Uebermaß an Ambrosius
Siege durch den Herzog Albrecht anno 1563 und eine Yerschreibung von
Gut und Hof Brasuicken im Kammeraint Wargen zu Cöllmischen Rechten
an den Fiscal und Hofgerichtsrath Bernhardt Thege durch den Kurfürsten
Georg Wilhelm anno 1640.
(Ostpr. Ztg. v. 19. Febr. 1886. No. 42. (Beil.)]
24*
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Mittheilungen and Anhang.
Mitteilung über einige von Sohirrmacher jüngst veröffentlichte
ttrleffe von und an Herzog Albrecht von Preossen
und über einen Brief des Hofpredigers Funok an Johann Albreoht I.
von Mecklenburg.
Von P. Tgc Ii ackert.
In der wichtigen Urkundonsammlung, welche F. W. Schirrmacher
in dem zweiten Teile seines Werkes über „Johann Alhrecht I., Herzog
von Mecklenburg" (Wismar 1885) veröffentlicht hat, befinden sich auch
mehrere Briefe aus der Korrespondenz des Herzogs Albrecht an diesen
seinen Schwiegersohn. Da Sohirrmacher seiner sehr dankenswerten Publikation
kein Register beigegeben hat, stehen dieso auf Preußen bezüglichen Doku-
mente, wie manches andre des wichtigen Inhaltes, in Gefahr, übersehen zu
werde». Ans diesem Grunde soll an dieser Stelle auf sie besonders auf-
merksam gemacht werden. Es sind folgende:
1. (Sehirrmacher No. 23.) 1550. 27. (24?) September, dat. Neu-
haus. Herzog Albrecht von Preußen an Johann Albrecht von
Mecklenburg.
Dieser Brief bezieht sich auf die Fürstenverschwörung zur Aufrecht-
erhaltung der Augsburgischen Konfession und zur Befreiung der gefangenen
Fürsten. Der Herzog bezieht sich im Eingänge auf zwei Schreiben Johann
Albrechts an ihn. „Ich hab . . . aus dem ersten ersehen, daß E. L. mit
uns einig, der Handel nicht offensive angefangen besonders, da es
jhe nicht änderst sein kondt, für ratsamer ansehen, der Defension erwartet
werde." .... Der Herzog zweifelt nicht, „daß es Gottes Werck ist, und
seine Ehre betriflt; er wird dazu rechte Moaß, Zeit und Gelegenheit geben . . .
und alles segnen". (Schirrmacher, II, S. 74.)
2. (Schirrmacher No. 28.) 1550. Nov. 28. Neustadt. Herzog
Johann Albrecht an Herzog Albrecht von Preußen.
Johann Albrecht fürchtet, daß der Kaiser rüste, um im Frühjahr 1551
„die Christen und ihre Mitgenossen zu verfolgen." (II, S. 90.)
3. (Schirrmacher No. 29.) 15 50. Dec. 1. Güstrow. Herzog
Johann Albrecht von Mecklenburg an Herzog Albrecht von
Preußen.
Johann bespricht alle ihn betreffenden Angelegenheiten mit dem
Adressaten in traulicher Offenheit (II, 91—93.)
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Mitteilung über einige von Schirrmachor jüngst etc.
3Ü5
4. (Schirrmacher No. 38.) 1551. Januar 25. Güstrow. Herzog
Johann Albrecht von Mecklenburg an Herzog Albrecht von
Preussen.
Johann Albrecht bittet den Adressaten um Äußerung in Betreff des
ausländischen Bündnisses (mit Frankreich und England). (II, 120—121.)
5. (Schirrmacher No. 55.) 1551. Dec. 25. Königsberg. Herzog
Albrecht v. Preußen an Herzog Johann Albrecbt v. Mecklenburg.
Der Brief bezieht sich auf persönliche Verhältnisse und alle
wichtigen politischen Vorgänge der damaligen Zeit. „Der Antwort von
dem Könige von Frankreich wollen wir auf E. L. Erbieten erwarten."
(H, 148.) Die Innigkeit des Verkehrs zwischen dem Herzog Albrecht und
seinem Schwiegersöhne zeigt sich z. B. in seiner Nachschrift zu diesem
Briefe: „Nachdem denn", schreibt Herzog Albrecht, „in jetzigen Fährlich-
keiten wohl von nöten, daß man betet, so haben wir eine kurze Forma
stellen lassen, wie wir in unsorm Fürstentum zu beten befohlen; schicken
E. L. solches, damit dieselbe zusehe, ob diesfalls etwas zu viel oder zu
wenig geschehe.
In Gleichnis übersenden wir auch E. L. etliche Disputation es,
welche unser Theologus Andreas Osiander disputiert und ein
Büchlein, das er jetzo ausgehen lasset; bitten, E. L. wolle solches
lesen und durch Ihre Theologen übersehen lassen. Auch ob diesfalls etwas
zu viel oder zu wenig geschehen, uns ihr Bedenken mitzuteilen." (II. 150.)
6. (Schirrmacher No. 58.) 15 5 2. Jan. 19. Schwerin. Herzog Johann
Albrecht von Mecklenburg an Herzog Albrecht von Preußen.
Nachdem durch Moritz von Sachsen das Unternehmen gegen Karl V.
aus einem defensiven zu einem offensiven umgestaltet worden war, bei dem
sich auch Johann Albrecht vo : Mecklenburg beteiligte, weil er keinen andern
Weg zur Aufrechterhalt ung der Augsburgischen Konfession und der Freiheit
Deutschlands sah, wendet er sich an seinen Schwiegervater und bittot auch
ihn um Beteiligung, obgloich dieser schon einem mecklenburgischen Gesandten
erklärt hatte, „sich in das Offensiv werk nicht einzulassen." (II, S. 157.)
Johann Albrecht schreibt ihm, „die Bequemlichkeit mit dem Franzosen und
sonsten allenthalben (sei) vor der Thür, die nicht leicht also wiederkommen
wird" (S. 158) und „daß das Kriegsvolk, so vor Magdeburg gelegen und
jetzo in Duringen leith (Thüringen liegt) länger nicht kann aufgehalten
werden. Herzog Albrecht „wolle die 600 Pferde zuordnen." (S. 159.)
7. (Schirrmacher No. 59.) 1552. Febr. 8. Königsberg. Herzog
Albrecht von Preußen an Johann Albrecht von Mecklenburg.
Bezieht sich auf den Streit des Markgrafen Johann von Brandenburg-
Ktistrin und des Churfürsten Moritz von Sachseu. Herzog Albrecht will
sich nicht von dem Küstriner Markgrafen trennen ; sie beide wünschen kein
36(5 Mittheilungen und Anhang.
Offensiv-, sondern nur ein Defensiv-Bündnis. Johann Albrecht möge für
die Beilegung des erwähnten Streites Sorge tragen. (II, 159—161.)
8. (Schirrmncher No. 118.) 1556. Januar 81. Königsberg.
Johannes Funck an Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg.
Funck erbietet sich zur Zurückziehung seiner Irrtümer. (II, S. 300—303.)
Anmerkung: Der Brief No. 88 bei Schirrmacher ist wohl nicht an
Herzog Albrecht von Johann Albrecht geschrieben; denn es fehlt der pietäts-
volle und persönlich - freundliche Ton , welcher sonst zwischen beiden
Männern waltet.
Magister Johannes Malkaw
aus Strafiburg a. d. Drcwenz in WestprcuJJen,
ein reformfreundlicher katholischer Priester sur Zeit des grossen
abendländischen Sohismas.
Mitteilung nach Haupt von P. Tschackert.
In der „Zeitschrift für Kirchengeschichte", herausgegeben
von Brieger, Band 6, Seite 323—381) und 580—585, macht Dr. Hermann
Haupt auf einen westpreußischen katholischen Geistlichen des Mittelalters
aufmerksam, welcher bisher fast unbekannt war: er heißt JohannesMalkaw,
stammte aus Straßburg an der Drewenz*) und hat, unter Beibehaltung des
katholischen Dogmas, für die Reformation der Sitten in der herunter-
gekommenen Kircho während des großen abendländischen Schismas gewirkt.
Er verdient also neben und vor dem reformfreundlichen Borringer eine
besondere Beachtung in der Vorgeschichte der Reformation auch des Preußen-
landes, obgleich seine Wirksamkeit meist außerhalb Preußens lag.
Die Hauptquelle für Malkaw's Leben und Wirken ist eine Verteidigungs-
schrift, welche er im Gefängnis der straßburgischen Inquisition, die ihn hatte
festnehmen lassen, im Jahre 1391 abgefaßt hat und welche sich in der
Kartbibliothek zu Kolmar im Elsaß (Hs. No. 29, foL 86a.-ll7b.) befindet.
Dr. Hermann Haupt hat sie entdeckt und Bruchstücke aus ihr bei Brieger
a. a. 0. S. 365 — 889 mitgeteilt. Eine streng asketische Persönlichkeit,
wollte Malkaw in den Karthäuser-Orden treten, verließ deshalb die Kulmer
Diöcese (unter dem Bischöfe Wicbold 1363—1389) und tauchte seit 1388 am
Rhein, in Köln, Koblenz, Mainz, Straßburg, Basel, auf. aber nicht als Mitglied
des Karthäuser-Ordens, dessen Strenge sein schwacher Körper nicht aus-
gehalten zu haben scheint, sondern als Magister und Priester, hauptsächlich
damit beschäftigt, die Anhänger des französischen Gegenpapstes Clemens VII.
*) Er nennt sich: „Magister Johannes de Prussia presbyter" und „Johannes
de Prussia, clericus Culmensis diocesis, sacerdotum indignissimus, filius Nicolai
Malkaw de eivitate Strasberg in Prussia" bei Brieger a. a. O., Seite 365.
I
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Magister Johannes Malkaw etc. 307
und die Lasterhaftigkeit der katholischen Geistlichen zu bekämpfen. Besondei-s
gegen die Unzucht der Mönche richtete sich sein gewissenhafter Eifer um
Hebung der Sittlichkeit. Wie zn erwarten war, fand der heftige Mann viel
Gegner, zumal er durch seine Redegewandtheit bei dem niederen Volke viel
Anklang fand. Seine Gegner setzten daher durch, daß der ihnen gefährliche
Mann von der Straßburger Inquisition 1391 gefänglich eingezogen wurde;
in dem bischöflichen Schlosse zu Benfeld zwischen Kolmar und Schlettstadt
legte man ihn in Ketten. Da er in der Lehre orthodox katholisch war,
ließ man ihn frei. Wahrscheinlich ist Malkaw darauf in seiner Heimat dem
deutschen Orden als Priesterbruder beigetreten, aber (nach dem Konzil von
Pisa, wo der Orden auf die Seite Alexanders V. trat) wieder ausgeschieden
und Mitglied des Benedictiner-Ordens geworden. Im Jahre 1414 finden wir
ihn wieder in Streit mit der Inquisition verwickelt, diesmal aber in Köln;
diese Sache kam sogar vor den Legaten des Papstes Gregor XII., Kardinal
Johann Dominici von Ragusa, nach Konstanz, welchem Malkaw eine Ver-
teidigungsschrift übersandt hatte. Auf Grund derselben entschied der Kardinal
günstig für Malkaw. Von 1416 an verschwindet der kühne orthodoxe Sitten-
prediger aus der Geschichte.
Universitäts-Chronik 1886.
(Fortsetzung^)
31. März. Phil. I.-D. v. Max Reichel aus Drongfurt : Beiträge zur Geschichte
der Politik Katharinas von Medici. Kgbsbg. in Pr. Hartungsche
Buchdr. (64 S. 8.)
5. Apr. Med. I.-D. v. Hermann Wölpe (a. Wirballen in Russld.), prakt. Arzt:
Untersuchungen über die Oxvbnttersäuro des diabetischen Harns.
Leipzig. Dr. v. J. B. Hirschfeld. (3 Bl., 23 S. 8.)
17. Apr. Med. I.-D. v. Gregor Natanson a. Swenciany (Gouvern. Wilna):
Über das Verhalten des Blutdruckes in den Canillaren nach Massen-
umsohnürungeu. Kgsbg. i. Pr. Gedr. bei E. Erlatis. (2 Bl., 41 S. 8.)
12. Mai. Mod. I.-D. v. Friedrich Hutu (a. Treptow a. R.), prakt. Arzt:
Beitrag zur Kenntniss der sympathischen Nervenlasern. Kgsbg.
Hartungsche Buchdr. (31 S. 1 Tat". 8.)
15. Mai. Lectiones cursor. qua« ven. et cons. ord. philos. . . . Joannes Bahts
Phil. Dr. Ueber dio Fortschritte der Astronomie im XIX. Jahrhundert.
Ad doc. facult. rite impetr. . . . habebit indic.it Carolus Pape Phil. Dr.
P. P. O. Ord. Phil. h. t. Dec. Regim. Pr. Typ. Lenpoldianis.
Nro. 114. 9lmtl. 3$<rjci<bnifi b. $crfona(3 u. b. Stubircnbcn . . . f. b. 6omm.«
Sem. 1886. ftömoflbrrft. ftartungfetje Siudjbr. (36 S. 8.) [88 (7 tfjcol.,
6 jur., 28 mcb., 47 plnl.) Toc, 4 Scctorot, 4 Sprad)« u. ©rcrcitienmftr.;
871 Stilb. (244 Sbcol., 112 Sur., 267 3Rcb., 248 u. 10 j. fcbr. b.
Sorlcf. bercd>t.]
11. Juni. (a. d. III. Id. Jun.) Theol. I.-D. v. Carolas Franklinas Arnold,
Philos. Dr., Gvmn. Guil. Magister: Quaestionum de compositione et
fontibus Barnabae Epistolae capita nonnulla. Regimonti. Ex offic.
Härtung. (34 S. 8.)
24. Juni. PhU. I.-D. v. Gustar Myska (aus Kamionkon i i Ostpr.) De
antiqiiiorum historicorum Graecorum vocabulis ad rem militarem per-
tinentibus. Regim. ex oliie. Harluiigiana. (2 Bl., 71 S. 8.)
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368 Mittheilungen und Anhang.
„Acad. Alb. Regim. 1886 II." Retractntiones criticne H. Jordani Diw. edit«
ad celebr. diel». XXVI m. Junii III m. Julii piam memoriam viror.
III. v. d. Groeben, v. Kospoth. Oelmann, v. Rhod, v. Tettau et clariss.
feminae Geelhaar e gente Wulff. Regim. prostat in aedibus Har-
tungianis. (8 S. 4.)
29. Juni. Phil. I.-D. v. Johannes Schobert (aus Dreischweinsköpfen, Kr.
Danzig): Ueber die Integration der Differentialgleichung
-i- ~- k2U = 0 für Flächenstücke, die von confocalen Ellipsen
und Hvperbeln begrenzt werden. Danzig. A. \V. Kafemann. (57 S. 8.
m. 1 Taf. in Fol.)
Altpreussische Bibliographie 1885.
(Nachtrag und Fortsetzung.)
Arnoldt, Dr. C. Franklin, die neu entdeckte ..Lehre d. zwölf Apostel" [Ztschr.
f. Kirchenrecht. XX. S. 407- 38. J Die Didache u. die apostol. Väter.
[Ebd. S. 489—54.1
(Banitz] Arendt, Prof. Dr. Rud., Antwort auf d. off. Brief des Hrn. Dr. Carl
Bänitz . . . Nebst eingeflocht. krit. Bemerkgn. als Beitrag z. Gesch.
d. Schulbücherfabrikat. Hamb. n. Lpz. Leop. Voss. (57 S. gr.8.) — 50.
Vcdherrn, SRajor, ber Scttfo&bcrg bei 9?cu«;\ud>a (m. Sfiw) (St^äbcr. b. «Itt^gef.
$ruffia 1888/84. S. 8—9.1 Crbcnöftaud »äöfod (m. 3 autogr. £af.)
l<Sbb. S. 75-85. f. Slltpr. <Won. XXI. 637-649.1
Wtntdc. $rof. Dr. Scrt^olb, bie Xci*mirthid)aft. ?rofti|d)e Anleitung j. Hnlage o.
JciAen unb beren 9hu}g. b. ftifcf)* u. Ärcböjudjt. 9Rit 80 in b. £ert gebr.
Slbbitb. 8crl. ?arcn. (VIII, 120 S. fl. 8.) 1.75.
^ujarf, Dr., baS ©räberfelb ju ftotbebube, Är. ©oftap (m. ^eidinung). [SfcgSber.
b. SUtthögcf- ^ruffio 1883/84. S. 20-29.J Xer prcu&. Sanbtag in ttgSbg.
im 3. 1594. Jßbb. ®. 36-48. (f. eud) Altpr. Mon. XXII, 472 - 85.)]
Ucb. b. Crbenöitabt Siedenburg u. üb. b. «crf. b. ©efd). berfelb. %>ul ©rego«
rooiuö. [<Jbb. S. 53—70]. einige Sonbroebren im Är. SlUcnftcin, Crtcteburg
u. fleibenburg (m. 3cidmung). [(£bb. ®. 85—92.]
(Chodowleckl) Aus Daniel Chodowiecki's Künstlermappe. 98 Handzeichngn.
u. Aquarelle in Facsimiledruek nach d. Original, im Besitz des Hrn.
J. C. D. Hebich in Hamburg. Mit kurz, biogr. Ahriss. Berl. Amsler
u. Ruthardt. Angez. von M. L. in: Repertor. d. Kunsttci&sensch. IX. Bd.
S. 243—44.
Dewitz, üb. d. Vereinigung der Spermatozoon mit dem Ei. f Archiv f. d.
gesmte Physiol. Bd. XXXVII. Hft. 5 6.]
Diercks, Gust., Spanisches. [Magaz. f. d. Litt. d. In- u. Ausl. 1885. No. 48.]
2>tmid), $rof. Dr. ftrj., ©aöparo Gontarini. 1483-1542. gine Monographie.
flraunäberg. »Jktcrä $d)b. (G. Äutfdjforo.) (XVII, 880 S. gr. 8.) 16.—
Hec. [fciftor. ^afjrb. b. ©örrcS^cfeUf*. VI. SBb. ©. 124-146. 289-300.
614-623. öiftor. ^tfar. <R. ft. 17. 93. 514—515.]
^oerapfe, ©., ©iencr Cpcmobcnbe. |Die ©egenroart. 28. SBb. 91r. 43.1
Xorabrotoefi, ©nmn.-Scbr. Dr.. Stubicn j. ©etdj. b. Sonbaufteilung bei b. flolonifa«
tion b. ©rmlanbö im XIII. 3at)rb. f©tmm.'93er.) 2Jtaun§bcrg (26 o. 4).
3>orfjettung. lanbroirtbjdjaftl., f. b. öftl. ^rooinjen b. pr. Staats. $?rög.: ®. Jtrcifo.
22. ^abrg. Rönigöb. SBencr in Gomm. Hiertelj. baar n. n. 1.—
Dorn, Prof. Dr. Ernst, Experimentelle Bestätigung des Satzes, dass beide
Electricitäten in gleicher Menge entwickelt werden, für Pyroelectrici-
taet. [ Poggendorffs Annalen d. Phvs. u. Chein. N. F. 'Bd. XXVI.
S. 328 - 33t.] Einige Vorlesungsversuche [Ebd. 331-334.] Kachtrag
LEbd. S. 644.J
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Altpreussiscke Bibliographie 1885.
369
Dorr, Oberl. Dr. Roh., Beiträge zur Einbardsf rage [Neu. Archiv d. Gesellsch.
f. ält. dtsche Geschichtskunde. X. S. 211—305. Mit Nachwort von
H. v. SvbeL S. 1)05- 307] Römisch. Glasgefäss vom Neustädter Feld
bei Elbing. [Vhdlgn. d. Berlin. Ges. f. Anthrop. etc. Sitzg. v. IG. Mai
1885. S. 180—82.] «Koch e. Wort üb. b. mutbrnnfel. Vage ber Siefarbömüblc.
JStltpr. 3tg. o. 1. Jcbr. 1885. 9ir. 27. J
$ulf, ?llb.( b. ^rrgang b. Scbend Jeftt. 3n gefcbicbtl. Sluffaffung bargcftellt. 2. 21)1.
55er SReffiaägang unb bic ©rbebung ans Strcu.v 3JIU c. SJorroort oon Wob.
3d>n>ciebcl. Stuttgart. Xicfc. iXUI. 302 3.) 4.-
I* bei, Pfarrer, fur^e öefeb. b. ctjang. ©emeinbc (ftraubenj... ©rauben*, Stötbe. —.50
£bcl, $fr. $>einr. 9tb,olb. ©Inlf., Petition um 3ulaffung ber Grroaebjcncntaufc . . .
ÄömgSb., Schubert u. Sctbcl. (16 3. 8.) —.50.
Ehlert, L., From the tone world: a serits of essays translated from the
German bv Helen D. Tretbar. New- York, C. F. Tretbar. 1 sh.
Rol>ert Schumann and his school : an essav. transl. bv Helen D. Tretbar.
Ebd. --.25 c.
(*f)m<fe, 2anbri(f)tcr , bie ouögcftorb. u. ouofterbenb. Jljicrc Cftprcufocnö. Vortrag.
^nfterburg. Süilhclmt. (19 3. 4.)
fftdjcnborff, 3of. *rbr. -I"* b. Seben e. SaugeniAtd. SNoocUc. 9Jlit 38 $>clio«
graoürcn nad) Originalen o. ®rot Johann u. <*bm. ftanolbt. 2cipv 1886
(85) 3lmelang (87' 3. gr. 4.) geb. m. ©olbfebn. 25.—, feine Sludg. 35.—
Eichhorst, Prof. Dir. Dr. Herrn., Handb. d. speciell. Pathologie u. Therapie . . .
2. nmgearb. u. verm. Aufl. "Wien. Urban u. Schwarzenberg. 1. Bd.
(VIII, 561 S. gr. S.) 2. Bd. (VIII, 626 S.) 3. Bd. (VIII, 608 S.)
4. Bd. (VI, 684 S. ä 10.-)
— — Manuale di esame fisico delle malatti interne: tradnz. del dott. A. Bianchi.
Facs. 11-13 (Parte I. p. 481-512, parte II. p. 1-112.)
Trattato di Patologia e Terapia speciale. Milano— Napoli. Leon. Val-
lardi. 2 vol. 40.—
— — lieber die Wärmestrahlung d. menschl. Haut unt. gesund, u. krank-
haft. Verhältnissen. [Wiener medicin. Wochenschrift No. 41] Ree.
|Dtsch. Littztg. No. 1. 3. 25. 32. 38.)
| Eitting] die Bauten von Elbing. [Centralbl. d. Bauverwaltg. Nr. 41.]
Alfter, Vubro., bic ^abrcdofmlg. b. Hercind f. Socialpolitif im Ctt. 1884. |Sd>mol»
lerd ^oljrb. f. ©efe&gcb. IX. ^abrg. 3. 285—291.] Der Entwurf e. Post-
sparkassengesetzes vor d. Reichstage |.Tahrbb. f. Nationalökon. u. Sta-
tistik N. F. X. Bd. S. 39:i— 411. | Die Fabrikinspectionsbcriehte u. d.
Arbeiterschutzgesetzgebung i. Dtschld. [Ebd. 11. Bd. S. 393 -451.]
Erdmann, Oskar, Lamprechts Alexander und die Hilde-Kudrun-dichtung
[Ztscbr. f. dtsche Piniol. XVII. Bd. S. 226-27.] Zur Kudrun [Ebd.
8. 226-27.] Ree. [Ebd. S. 127-28. 212-44.]
tfriA, ^rcm.-Sicut, ©efeb,. b. 7. Oftpr- 3nf.«9tegmM 8t. 44 o. 1860-1885. Tic
fämmtl. Anlagen bcorb. ». 3cf.>2ieut. Xoeppen. «Kit Sitbilb, 4 Sfijj. u.
3 $län. »crlin, Mittler u. Sobn. (VII, 339 u. 220 3. gr. 8.) 10.-
(frtnlonb. eine ^rebigt »on Dobian »irfotoofi [^aftoralblott f. b. Xiöcefe 6rnv
lanb. 9?r. 4.| Xüincmarf u. ßrmlanb. [iSbb. 6.J 3um 4tcn Gentcnarium b.
crmlänb. VifoVfr 3ol)d. »on fcofen, genannt SantUicu« [6bb. 11.) Epigram- '
mata de civitatil)us Warmiae omni mense. [(Sbb. 7.[ Webet« M. C?r*
baunng«biid)cr in (Srmlb. roäbrb. b. 18. ^obrb. [Isbb. 9.| Ginc SRaricnprcbigt
bed Garbinald $ofiu«. [6bb. 8.) JWiecrllcn j. ermlonb. ©ef*. [ebb. 3.)
Tic Statuten b. ^ricftcrbrubcrfcbaft \, Slllcnftcin o. 3. 1517 Hat.) flSbb. 4.]
Tic Statuten unb SKatrifcl ber i<rieftcrbruöer)Aait in SBormbitt. |ttbb. 10.]
SDlcifter ^bomod S»crncr, Xomcuftod o. Crmlanb u. $rof. b. Iftcol. in i'cipj.
u. feine Stiftungen. £ao Jcftamcnt bcffelbcn o. 2. Tecbr. 1498. |libb. 5.]
Falkcnhcim, Ueber Ersatzmittel der Digitalis. [Dtsch. Archiv f. klin. Me-
dicin. XXXVI. 1. 2.]
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370
Mittheilungen und Anhang.
Falkson, Dr. R., Znr Lehre vom Ganglion (Ueherbein), nebst e. kurz. An-
hange üb. d. fungöse Sehnenscheidenentzündung. (Archiv f. klin. Chi-
rurgie. 32. Bd. S. 58 -86.]
JWdjfr, <pfr. in Cucbnnu, bic Hcalqunlität ber ftrd)l. Scmlnft in Cftpr. [&>. ©c
meinbebl. fix. 17.]
[Flach, Johannes) Die akademische Oarriere der Gegenwatt. 2. verh. Aufl.
Leipz. Friedrich (63 S. 8.) 1.—
— — Der deutsche Professor der Gegenwart. 2. Aufl. Lpzg. Unflad (VIII,
259 S. 8. m. Portr. d. Verf.) 4.50.
— — Peisistratos u. seine literarische Thätigkeit. Tübingen. Fues. (42 S.
gr. 8.) 1.20.
flgape. «lltgriednfäe floocHen. 2p*. ftriebrid). (249 S. 8.) 3.—
Flanss, R. v., Auszüge n. d. Kirchenbüch, d. benachbart. Kirchspiele Witt-
gendorf, Heuckewalde im Zeitzer Kreise. Gr. Aga im Fürstenthum
Keuss j. L., Pölzig und Dobitschen im Herzogth. Sachsen -Altenburg.
[Vierteljahrsschrift f. Herald., Sphragist. u. Gcneal. XIII. Jahrgang.
S. 296-310.] ©cfd). roeftpr. Hilter, f^tfdjr. b. l)iftor. SereinS f. b. Äcg.«
58c,v Woricinncrber. 19. fcft. S. 21-60.) t\ut ©efd). b. Stobt £t|d).(St)lcu.
[©bb. 61-77.]
ffrorftcr. ©corge, Stnfidjten oom SRUberrbcin. 3Xit Ginlcitung von Alberner Äaben.
127 S. gr. 16. [58ibliotf)cf f. Äunft u. SBifffnfa- 9Jr. 14. «pj. Wrutfncr.] .30.
Springet, Mob., ©eorg gorftcr unb S. Hh Sömmcrtttg [Springer , Stob., $ffao3
j. Ärttif u. $f)t!of. u. jur ©octbe-Sitt. SRinben i. 20., »rund $crl. gr. 8.
S. 182—198.]
tfragr, bic polnifdjc, in SBcjug auf ^reufeen u. b. btfdic Neid). Tborn, Samberf.
(68 S. gr. 8.)
Fragstein, Reg.-Baumstr. v. (Pillau), der Elbing-oberländ. Canal, m. Zeichngn.
auf Bl. 28 —30 im Atlas. [Ztschrift für Bauwesen. Jahrg. XXXV.
Sp. 63— «I.)
Fran*, Dr. J., Cometen -Beobachtungen auf d. Sternwarte in Kgsbg. f Astron.
Nachrichten No. 2616. J Beobachtung von W. Struve's 256 weiten
Doppelsternen mit d. königsberger Heliometer. [Ebd. No. 2649—50.]
Srtaucnhcfin. 2öod)cnfd)rift für 5raucn,3'ücrcfien. ^c^- DOn tfrau 5>odjb,cim»
Sdjroaftn. 52 9lrn. a 1 % gr. 4. 2öbou 2Beftpr. Sfrjcqcr. Shcrteljabrl.
baar 1.—
Frlcke, Lehr. Dr.. die elektrische "Wasserzerlegung im Beisein v. Schwefel-
säure — eine Täuschung. (Progr. d. Realprogvmn.) Direchau. Hopp.
(S. 3-9. 4.)
Friedeberg, Alex., Beiträge z. Statistik der Fractnren. I.-D. Würzburg.
(54 S. 8. m. 1 Taf.)
tfrieberirt, SJir., !luö ber oftpr. ftranjofenjett. [Sfegäbcr. b. «Ittbögcf. $ruffia f.
1883/84. S. 3-8.]
Friedrich, Cand. Paul, die hebräisch. Conditionalsätze. I.-D. Königsb. 1884
(Lpzg. Fock 1885.) (VIII. 109 S. gr. 8.) 1.50.
ffrifdjbier, 5Jcrbrc<hcr*9l5tl>|cl. ISluö b. 3t|d)r.: ,,«m Urbäbrunncn". 4. Sabrg.
JBb. IL §ft. 9.] (4 S. gr. 8.) Hinterpommersche Idiotismen, (s. VIII.
75.) | Korrespondenzblatt d. Vereins f. niederd. Sprachforsch. Hft. IX.
No.4.J Zum niederdeutschen Liederbuch (s. IX, 77) (Ebd. Hl't.X. No. 2.]
ftroelid), ©efd)id)te b. ©rauben jer Rretfcb ... 2. »ufl. $ft>. I. Eanjig, Äofeinonn.
188-1 (IV, 372 3. gr. 8.) - . . . 93<mb n. 2>U $cit> u. Äulturgcfdudjtc . . .
Gbb. 1885. (2 »t., 322 S. gr. 8.) 9.- -
Gaedeke, Dr. Arnold, Wallensteins Verhandlungen mit d. Schweden und
Sachsen 1631 — 1634 . . . Frankfurt a. M. Rütten u. Loening. (XII,
347 S. gr. 8.) 7.-
Garbe. The Srauta Sütra of Apastamba belonging to the Black Yagur Veda,
with the Oommentarv of Rudradatta edit. by Dr. Rieh. Garbe, Prof.
Facs. X-XU. Vol. II. p. 385-699. Calcutta.
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Altprcussische Bibliographie 1885. 371
(.arbc. Ree. [Dtsche Lit. Z. No. 16. 29.J
Gatz, Josef, pract. Arzt, Zur Casuistik der Ovariotomie. I.-D. Oreifswald.
(31 S. §.)
ftebauer. Superint. Dr., T>. Äaiferbenfmal bei Liebenau. (Sine Erinnerung ctuö b.
©amlcnbe. [Svgäber. b. SUttbägcf. fyruffta. 3. 70-75.J
»etncinbeblatt. coang §r3g. d. öerm. öilöbergcr. 40. 3abrg. 52 9?rn. a '/3 58g. 4.
Weorgfne ... 53. ^abrgang. (©umbinnen. Stcrjct.)
©cr|, 2R., Äalenbarj ftro(crofto'<ßruffi croangiclitfi na rof 188G. Äönigöbg. Wartung.
(160 3. 8.) -.75.
— — ®ojelo Setfo. . . Sityen. oon Miefen. 4.
«efrfjicfjtc be$ 2. Dftpr. ©rcnab.«9icgimentä 9lr. 3. 2 Zt)lt. ... . tn. »iel. flunftbcil.
Berlin. Mittler u. Sobn. 1. oon ^rcm.-2ieut. 3. ScdVr (XII, 424®. gr. 8.)
2. oon fcouptm. o. X>. «. JJautU (XV, 693 3.)
»ctoerbeblmt f. b. $roo. Oft« u. SQeftpr rcb. d. 31. So*. 3abrg. 1885. I2$fte
Ä i'/s 8* 4- Ägäbg. Äod) & Weimer. 4.—
Giese, Dr. Paul. Krit. Bemerkgn. zu Martial. (Beil. z. Progr. d. Rcalg. z.
St. Johann.) Danzig. Wedel. (12 S. 4.)
«Jagatt. £cr Äulurfftmpfer. 3t?cbr. f. öffentl. Slngelobtn. §räg. o. Ctto ©lagau.
6. Sabril. 24 £?tc gr. 8. «crlin. Gjrpebitbn. SBicrtelj. 3.—
Glosrau, Gustav, Ree. [Dtsche L. Z. 26. 28. 38.]
©oerth. £ir. bic 2ebrfunft. drin ftübrer f. Scbrer u. Sebrcrinncn. . . . Seipjig.
ftltndborbt. (IX. H55 3. gr. 8.) 4.50.
«olbfdjmibt, Mcbr. f. b. gefeinte $>blorcd)t. $rög. x>. ©eb. ^uft.«». tyrof. Dr.
«. «olbfrfiwibt ... 31. 8b. 91. ^. 16. SBb. 4 £fte. Stuttg. ßnfe. 12.-
©ol$, ftr., Aber bie mobemc ^b^nologie. fXtfdjc Äunbfdjau. 1 1. ^afjrfl. 2. u. 3. $ft.]
ttolfc $rof. Dr. 2b- ftrb. o. b., tfaubnrirtbfcbaft. I. ibeil. [fcbbcb. b. polit. Ccfono«
mie. £r«g. d. 3<l)önbcrg. 2. SufC. »b. II. 3. 1—148.1
Nachrichten üb. d. Familie der Grafen und Freiherren T. d. Goltz.
In 2 Abthoilgn. . . zsgestellt v. Frdr. Frhr. v. d. Goltz. . . Strassbg.
R. Schultz & Comp. (526 u. 193 S. Lex. 8.)
(Gottsched] Crelzenach, Prof. Wilh., ein ungedruckter Brief Gottsched'» an
Grimm über seine Unterredungen mit Friedrich d. Gr. [Berichte üb.
d. Vhdlg. d. kgl. aächs. Ges. d. Wiss. zu Lpzg. Philol.-hist. Ol. III.
S. 308-318.]
Ellinjrer, Georg, der Einfluss d. Tartuffe auf d. Pietisterey der Frau
Gottsched u. deren Vorbild. [Archiv f. Lit erat urgeseb. 13.' Bd. 4. Hft.
$ricbricb ber ©rofcc unb Wottfdieb. [2>ie «renjboten. 9lr. 50. 35b. IV.
®. 517-529.]
Wrabotoefn, ftru), bo3 ^Stornieren bei ben Dlob Ugabjuä (X>ajafcn) u. Dt XonomS
in ©üboft'Sorneo. [Xai SluSlcmb. 58. Scujrg. 6 154—157.]
»rau. $rof. Er., bie lulhcrife^c Jfirchc in Hmerifa. »ortrag. [öoongcl. Äirdjcn^tg.
Sir. 41. 42.]
•tebt, bie Äicfer auf b. ^öb^nfanbboben ber 2ud)(cr §aibe, nach Stanbort, SJeftanb
unb ftorm. [3tfcbr. f. gorft» u. ^agbroefen. 17. 3<U)rg. 7. $ft.]
«regorotttua, fterb., bic ^nfcl (Sapri. 3bn0c oom SRittelmecr. 2. ?luft. 2pjg. iBrotf»
bau«. (VI. R3 3. 12.) 1.80.
— — il libro dei doenmenti della cittä di Orvieto. [Archivio Btorico per le
Marche e per TUmbria Fase. VI.] 3ioei ontife SBronjen. [91orb u. ۟b.
XXXIV. 9Jb. 3. 9—13.] Die Münzen Alberichs, des Fürsten u. Sena-
tors der Römer. [Stzgsbor. d. philos. -philol.-hist. Cl. d. Akad. d. W.
z. München. Hft. I. S. 27—45.] Das Urfunbenbud) ber Stobt Drrieto.
[^tfebr. f. oügem. ©cf<bv Gultur«, *it.« u. Äunftgefcbicbtc. 9tr. 6. 3.435—441]
ftrtfft, (Snmn.'Xir., ^rof. Xr. Cmil, Hu$roabl ouä I). SRartin 2utberd Stbriftcn in
unoeränb. Sprocbfornt m. SJcmerfgn. üb. biefclbe. 2. Mufl. ©crlin. ffieibmann.
(VIII, 212 3. gr. 8.) 2.40.
Grossmann , Adolf (Neumark in Westpr.) Schillers .»Klage der Ceres" als
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372 Mitteilungen und Anhang.
Schullectüm (eine Erwiderung.) [Neue Jahrbb. f. Pädagogik. 132. Bd.
S. 194-197.1
Grttnhagen, Prof. Dr. A.. Lehrbuch d. Physiol. f. akad. Vorlesgn. u. z. Selbst-
studium. Bogrund. v. Rud. Wagner, fortgof. v. Otto Funke, neu hrsg.
7. neu bearb. Aufl. Lief. 4—7. Hamb., Lpzg. Leop. Voss. 1. Bd.
VII u. S. 481—683 u. 2. Bd. S. 1-4 52.) a 3. -
Notiz. [Arohiv f. d. gesammte Physiologie d. Menschen u. d. Thiere.
86. Bd. 10-12. Hft.)
Grysanowski, Dr. Ernst, e. Wort. z. Verständigung üb. d. Viviscctionsfrago.
Hannover. Schmorl u. v. Seefeld. (III, 66 S. 8.) —.50.
Gnttstadt, Dr. Alb., Krankenhaus-Lexicon f. d. Königr. Preussen. Die An-
stalten f. Kranke . . . Hrsg. v. k. stat. Bureau. In 2 Thcilen. Berlin.
Verl. d. k. stat. Bnr. 1885-86. (VI, 888 u. VI, 277 S. gr. 8.)
- Ree (Dtsche L.-Z. 10. 19. 34. 41.]
Hacker, Heinr., fgl. 99au«3ufpcct. in SRaricnrocrbcr. Webet roeftpr. 5öof|nI)äufcr in
norbifdjcm jnpuö. (9lbbr. a. b. $\tiü)v. b. btft. SJercind in OTaricnroerber.)
SWittljcUunftcn b. 2Scftprcu»ifd)cti Slvdjitcctcu« u. Ingenieur «Screino. fceft 4.
©. 83-49 gr. 8]
Hagen, Geh. Ob.-Bauratli L., die Seehäfen in den Provinzon PreiiRsen und
Pommern. II. Der Hafen zu Memel. [Ans: „Ztschr. f. Bauwesen."]
Berlin. Ernst u. Korn. 25 S. Imp. 4.) 5. —
Hafens, Dr., (Danzig) zur Gastrotomie. [Berl. klin. Wochenschr. 20. Jahrg.
No. 7.J
Hahn, Prof. Dr. F. G., d. Städte d. norddeutsch. Tiefebene in ihr. Bex.iehg.
z. Bodongestaltnng. [Forschungen z. dtschn. Landes- u. Volkskunde . . .
hrsg. v. Prof. Rieh. Lehmann. 1. Bd. Stuttgart. Engelhorn. S. 93—168.
gr. 8.] 2.-
Hahnrloder, Gymn.-Oberl. Prof. Ernst. Bestimmung d. richtig. Verhältnisses
von Beitrag u. Aussteuer bei Sterbekassen. (Gymn.-Progr.) Meseritz.
Matthias. (S. 3—10. 4.)
HnlUnir, C., (Memel) Adolf Friedrich Graf v. Schack. [Herrigs Archiv f. d.
Studium d. neuer. Sprachen u. Litt. 74. Bd. S. 1— 32.|
Uamagid (Zcitschr. in hebr Sprache.) Red.: D. Gordon. 30. Jahrg. 52 Nrn.
a c. 2 Bg. Fol.) Lyck (Wiehe.) haar n. 12.—
^fltjtantt'd >b- @ec, Scbcn u. Jöcrfc in acorbn., flemeinfafet. Slusjugc bureb $obß.
eioaffcn. 2Kit fcamaim'ö ($>oltfcbn.')5Mlbmis. 3 Sbcilc in 1 $b. ©ütcrölo^.
»ertelömann. (172, 256 u. 320 S. 8.) 4.-
Hufifprüdjc üb. Unterricht u. (Srjtebunfj. [Nheiniicbc SBlätt. f. erjicbunfl u. Un»
ierrid^t. 59. 3af)rfl. 6. §ft.]
5i3Jalj, ^ob. ®corg Hamann ber SKaguö auä Horben. [flird)!. SDlonatöfdjr.
4. ^abrg. 6. $ft.]
Hantel, «eorfl, „flafjlberßcr Strünbaut", ein Sicbcrfranj oon baltifdjen ©eftaben.
eibinfl bei Stetnb. Äüf)n.
fc<nt*ralcnbcr, ermlänbifcbcr f. 1886. 30. 3<»brg. &r% t>. Julius Vöhl, SBraunä«
berg. §une. (109 ®. 8.) -.50.
für b. ^rootnjcn Cftpr., Söcftpr., Bommern, ftofen «• ©djlefien f. b. 3- 1886.
I8.$abrfl. Jborn. üombetf. (180 ©. 12.) —.50.
Hecht, Dr. Max, orthograph.-dialekt. Forschungen auf Grund attischer In-
schriften. [10. Jahresber. d. k. Wilh.-Gymn.] Königsberg. (Lpzg.
Fock.) 87 S. 4.) 1. — [Jahresbericht d. Wilh.-Ovmn.]
^eibenbflin. Mub., tote SBiotfcction. Öctpjiß. Srcitfopf u. Nortel. 1884. (VI, 98 3.
gr. 8.) 2.—
Heidler, H., Choralgesänge f. Pianoforte oder Harmonium bearb. Hft 1. II.
fol. Königsberg. Jacnbowski. i\ 2. —
Hein icke, Oberl. Dr., De graecis adverbiis loci. (Hohcustoiner Gymn.-Progr.)
Osterode. (S. 1-5. 4.)
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Altpreussische Bibliographie 1885. 373
Hendewerk, Karl Ldw., zur christlichen Ethik u. Dogmatik. Gesammelte
Schriften, hrsg v. Julius Freund. (Fortsetzung.) (h. Jahrbuch XIV,
S. 276 f.) [Jahrb. d. Vereins f. wissensch. Pädagogik. XVII. Jahrg.
S. 251-808.]
Mennig, Arthur, Beiträge z. Casuistik der perforireuden Augenverletzungen.
1. -D. Greifswald. (28 S. 8.)
Herbnrt's, Joh. Frdr., sämmtl. Werke in chronol. Reihenfolge hrsg. v. Karl
Kehrbach. 2. Bd. Lpz. Veit & Co. (XXIX, 612 S. gr. 8.) 12.-
— — sämmtl. Werke hrsg. v. G. Hartenstein. 2. Abdr. 4. Bd. Schriften zur
Metaph. 2. Tbl. Hamburg. Voss. (XII, 514 S. gr. 8.) Subscr.-Pr. 4.50.
Einzelpr. 6.—
Flügel, 0., einige Missverstdnisse des Dr. Dittes betr. d. Metaph. n. Psvchol.
Herbarts. [Ztschr. f. d. exakte Pbilos. Bd. XIV. S. 48-67.1
Jftcc, fccinr., bic Sei)« fcerbartö d. b. mfdrt. Seele, m. £>.'ö eigen. SBort. j^eft.
»ernbg. SBocmeifter (VIII, 74 5. gr 8.) 1.20.
»olbfdimiM, Cv, §erbart«3tller u. unf. SKcligionö'Sdmle. föübifA. Sitbl. 2!).]
Sallwllrk, Dr. E. v.. Handel u. Wandel d. pädug. Schule H.'s; e. hist.-krit.
Studie. Langensalza Beyer & Söhne. (IV, 64 S. gr. 8.) —80.
Thilo, üb. H.'s Verhalt, bei d. Gotting. Katastrophe i. J. 1837 (als Anh. z.
e. Besprechg. v. Ernst Laas. Idealisni. u. Positivism. Thl. II, S. 71.)
[Ztschr. f. exakte Philo.-*. XIII. 404—412.] Die verraeintl. Vnichtg. d.
Ethik H.'s durch Hrn. Dr. Fr. Dittes. [Ebd. XIV, 1 —48. |
Ufer, Chr., Vorschule der Pädagogik H.'s. 3. A. Dresden. Blevl & Kämmerer.
(XI, 96 S. gr. 8.) 1.50.
Wesendonck, H., die Schule Herbart-Ziller u. ihre Jünger vor d. Forum der
Kritik. Wien. A. Pichler's Wwe. & Sohn. (178 S. gr. 8.) 2.50.
SJiefmcr, 6b., §.*3 ^äbagocut bargeft. in itjr. ©ntroictlg. u. Slmuenbg. Wernburg.
»aemeifter. 1886(85) (iV, 195 3. gr. 8.) 2.40.
Wolfemann, d. Pädagogik dos J. J. Rousseau n. J. B. Basedow, vom Herbart-
Ziller'sch. Standpkte. vglich. u. beurth. Hannov. C. Meyer. 1.60.
gerbet'* f&mmtl. 'Werfe bräg. ». Scrub. Supban. 25. 2Jb. »erlitt. Selbmann.
(XX, 690 3. gr. 8.) 23. »b. (XIV, 587 6.) a 4.-
— — ausgerollte ffierfe l)räg. o. »ernb- 3up^an. 2. »b. SluügeroSljlte X>ichtgn.
2. »b. »olföliebcr bjög. o. «arl Wcblid). 6bb. (388 3.) 4.—
Söerfr. 2. 2l)cil. Gib ic. b,rög. t. Wambel. Stuttg. Spcmann. V. 8. 2.50.
Gin »rief fccrbciö (an ©raf 3of. öuftad) ©örfc d. d. SBcimar b. 25. San. 1781.)
mitgetb. u. Subro. ©eiger. [$ie ©cgctiroart. 44.]
— — Zu den „Briefen H.'s an C. A. Böttiger hrsg. v. Rob. Boxberger."
[Archiv, f. Diteraturgesch. 13. Bd. 4. Heft.]
Garne«, SMorilj, $>crber (m. Skj. auf 91. §aum'ö Berber. [£>ie ©egenroart 48.]
Jpa»m, !H., Sperber nad) fm. 2cb. u. fn. SÜcrf. bargeft. 2. (3d)Iu&«)»b. »erlin.
©ärtner. (XV, 864 3. gr. 8.) 20.— (cplt. 35.—)
fcüffcr, ihrof. Dr. fcerm., (Srinnergn. an Stbiller m. biöb. ungebr. {Briefen o. Berber,
SdjiUer u. ©oetbc. [$cutfd)c Shtme. X. ^abrg. 9H«i Sunt. ©• 203—221.
285—320.] aud) fepor. »rcölau. Jrcroenbt. (54 3. gr. 8.)
Rickhoff, Th. v., Herder u. die Darstellg. d.Littgesch. (Progr. d. Landesgvmn.)
Fellin. 1884. (31 S. 4.)
cdjaefet'«, 3ob. Söilb-, ©efdj. b. btfd). Sit. b. 18. ^abrfj. in überfttbtl. Ilmriff. u.
biogr. 3d)ilbcrgn. 2. um. ?lufl. b^t}- »• Dr. <£rj« SRundcr. % Sluög. in
10 §ftn. 2pj. Sßcigel. a -50. $>ft. 8. 3oft. «Aottfr. J&ftbet. 3.509-597. 8.
Schüller, H. (Plauen) Herder u. Geliert. (Neue Jahrb. f. Phüol. u. Päd.
Bd. 132. S. 328-332.]
Hermann, Prof. Dr. L., e. Wirkg. galvan Ströme auf Organismen. (Pflüger's
Archiv f. d. ges. Physiol. 37. Bd. Hft. 9/10.] Ergebnisse einiger in
Dissert. veröfftl. Untersuchungen. [Ebd.] 9Bilb. o. 3§ittid). ©ebäd)tniörebe.
[Jtbg. fcartg. 3- (1. »eil.) 45. (1. »eil.)]
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374 Mittheilungen und Anhang.
Herweg, Otto, Kleinigkeiten aus d. mathem. Untricht. Beil. z. Progr. d.
Gvmn. zu Culm i. Wpr. Leipz. Teubner. (52 S. 4.)
Hesse, Otto, üb. d. linear, homogen. Substitutionen, durch w. die Summe
der Quadrate von vier Variabein transfonnirt wird in die Summe der
Quadrate der vier snbstituirteu Variabeln. Aua den hintlass. Papier.
mitgeth. v. F. Casparv. [Journal f. d. r. u. angew. Math. 99. Bd.
S. 110-127.]
Heynacher, Gymn.-Oberl. Dr. Max, Lehrplan d. latein. Stilistik f. d. Klaas.
Sexta Ins Secunda. Paderborn. Scböningh. (28 S. 8.) —30.
Ree. [Philol. Rundschau 8. 11. 34. 10. 47. J
Hilbert, Dr. Rieh., Partiello Hypertrichosis neben angeborn. Ichthyosis
circumscripta, (in.' Tafel X. Fig. 3—4.) [Virchow's Archiv f. pathol.
Anat. n. Pliysiol. 99. Bd. S. 569— 71. j Zur Kenntnis* der Xanthopio
[Archiv f. Äugenheilkde. 15. Bd. 3. u. 4. Hft.] Zur Physiol. der
Retina [Prlügler's Archiv f. d. ges. Physiol. 37. Bd. S./4. Hft.) Bei-
träge z. Kenntuiss der postembryonal. Entwickig. der Augen der
Säugethiere. [Memorabihen hrsg. v. Fr. Bete. N. F. 5. Jahrg. Hft. 4.]
Das Verhalten der Farbenbliuden gegenüb. d. anormal. Dispersion.
[Kl. Monatshlätt. f. Augheilkdo. 23. Jahrg. Mai.]
Hildebrandt, Ed.. Aquarelle. N. F. 4. Serie. (5 Chromolith. g . Fol.) Berl.
Mitscher. In Mappe baar 50.— einz. Bl. ä 12.—
Hlpler. Septilium B. Dorotheao Montoviensis anetore Joanne Marienwerder
nunc primum edit. opera et studio Dr. Franc. Hipler Tractatus
IV-VII. Cap. 1-6. [Analecta Bollandiana Tom. IV. Fase. 2. 3.
S. 207 - 251. Cap. 7-28 cf. 3citfar. f. b. ©ef$. u. «Ittböf. Grmlanbö
1877. S. 148— 18;J.]
Hippel, %\). ©I. o., Uc6. b. ß&c 3Rit ©tnleitg. u. Mnm. bfäg- u. Soft. Wölben*
hcu«r. mt Jpippcl'ä (^oljf^n.Oöitbniä. (296 S. gr. 16.) [Äeclom'ä Uni»
ocrfal-3«Wiotbc!. 9lr. 1959-60] oeb. -80.
Hirsch, Prof. Dr. Aug. Biogr. Lexikon d. hervorragend. Aerzte . . . hrsg.
Lfg. 15-26. J2. Bd. III, S. 273-712; 3. Bd. S. 1-432.) Wien.
Urban & Schwarzenberg a 1.50.
— — Jahresber. üb. d. Leistgn. u. Fortschr. in d. ges. Medic. 19. Jahrg. . .
Ber. f. d. J. 1884. 2 Bde. a 8 Abth. Berlin. Hirschwald. 37.—
— — Jahresber. üb. d. Leist, u. Fortschr. in d. Anat. u. Physiol
Ber. f. d. J. 1884. Ebd. (III, 205 S. hoch 4.) 9.50.
Deutsche Vierteljahrsschrift f. öffeutl. Gesdhtspfl. ... 17. Bd. Braun-
schweig. Vieweg & Sohn.
— — Acute Infectious-Kraukhtn. [Jahresber. üb. d. Leist, u. F. in d. ges.
Med. 19. Jahrg. Bd. II. Abth. 1.]
Hirsch, Prof. Dr. Ferd., d. erst. Anknüpfgn. zw. Brundeubg. u. Russland
mit. d. Grossen Kurf. (Beil. z. Progr. d. Königstädt. Realg.) Berlin.
Gaertner. (32 S. 4.) 1.—
— — Mittheilgn. aus d. hist. Litt. . . . red. v. Ferd. Hirsch. 13. Jahrg.
(4 Hfto.) Berl. Gaertner 6.—
— — Die Armee des Gross. Kurf. u. ihre Unterhaltg. währd. d. J. 1660—66.
[$>i|tor. i]t\d)T. 91. g. 17. SBb. ®. 229 -75.] Bvzant. Gesch. im Mitttelalt.
[Jahresberichte d. Geschichtswissensch. IV. Jahrg. S. 201- 207. J Ree
[Mitthlgn. a. d. hist. Litt. u. s. w.]
Hirsch, Dr. Frz., Gesch. d deutsch. Litt. . . . Lfg. 17—24. (Schi.) Leipz.
Friedrich. (3. Bd. S. 129-778. gr. 8.) a 1.—
Das Magaz. f. d. Litt. d. In- u. Auslds. 54. Jahrg. 62 Nrn. gr. 4.
Viertelj. 4.-
Scborcr'ö 5cmilicnbtott. Cinc iUuftrirte 3tför. 6. 33b. (52 9lm. a 21/,
biö 3 ». gr. 4.) Skrlin. Sdjorcr. SBtertelj. 2.—
Stoffelbe. ©domHuäg. 1. 3abtg. 3uli 1885 - Juni 1886. 12 fcftt. ebb.
(I. Vit- 152 @. gr. 8.) a -75.
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Altpreussische Bibliographie 1885.
375
$irfdj, 7sva\\], Cpfer oon Äomcrun. [Sd)orcr3 ftamitienblatt. 6. 5Bb. 9lr. 5.] Der $err
im Damcucoupee. [6bb. 47.] (sine 3d)önr>ctt auS b. ©roftmutterjcit. [(£bb. 52.]
Hirsch, Dr. Rieh , üb sehriitl. Uebgn. beim UntrHit in d. fremd. Sprachen.
(Beil. z. Progr. d. Doi-otheenstädt. Realg.) Berl. Gärtner. (28 S. 4.)
Sirfdjfclb, (Hüft., <Scbüd)tnit$rcbc ouf flarl ^üpprity, fleb- ain 10. 8pr. 1885 uor b.
©eoar. ©cfeüfd). ju Äoniaöb. Äflöbg. fcübncr & SJtatj in Gomm. (20 ®.
ar. 8.) -80.
— — Paphlagonisehe Felsengräber, e. Beitrag z. Kunstgesch. Kleinas. Mit
7 Tat", u. 9 Abbild, i. Text. [Ans: „Abhdlgn. d. k. pr. Akad. d. Wiss.
zu Berlin.4*] Berl. Dümmler. (52 S. gr. 4.) cart. 6.— Der Standpunkt
uns. heut. Kenntnis d. Geogr. d. alt. Kulturländer, inshes. der Balkan-
Halbinsel, Gricchenlds. u. von Kleinas. [Geogr. Jahrb. X. Bd. S. 401
bis 444.] Das Gebiet von Aperlai, e. Beitr. z. bist. Topogr. Lykiens.
(Arrhäol. epigraph. Mitthlgn. aus Oesterr.-Ungarn. Jahrg. IX. S. 11)2
bis 201.] Untnebm. b. Ocfterretchcr in Kleina)". [Dtfcb,. Kunbfd)«u XI, ftabrg.
fcft. 8. S. 817-318.] Ree. [Dt. L. Z. 3ö.]
Hirschfeld, Otto. Abhanden, d. archäol. epigr. Seminars d. Universit. Wien,
hrsg. v. O. Benndorf u. 0. Hirsch fei d. V. (80 S. gr. 8.) 5 .—
— — Arrhäol. -epigr! Mitthlgn. aus Oesterr. hrsg. v. O. Benndorf, 0. Hirsch*
feld, E. Bonnann. 9. Jahrg. Wien. Gerold's Sohn. 9.—
— — la diffusum du droit latin dans l'Empire Romain, traduit par H. Thtdenat.
[Bulletin epigraphujue 5. annee. p. 57—65.]-
— — u. Schneider. Bericht üb. e. Reise in Dalmatien. Mit 3 Taf. u.
21 Abbild, i. Text. [ArchäoL-epigr. Mitthlgn. aus Oesterr.-Ungarn.
IX. Jahrg. S. 1— 84. | auch separ. Wion, Gerold's Sohn (84 S. gr. 8.) 2. —
2bcob. SRommfcn'S Köntifdjc Äaifcraefd)id)tc. [Die «Ration. 2. 3ab,rg. 9tr. 24.]
Antrittsrede in d. öffentl. Sitzung v. 2. Juli 1885. [Sitznngsber. d.
Kg), pr. Akad. d. W. z. Berl. XXXIII. S. 623-626.] JZuui Monumeu-
tum Ancvranum. [Wiener Studien. Ztschr. f. class. Philol. 7. Jahrg.
S. 170- 174 J Ree. [Dt. L. Z. 49. - Berl. philol. Wochenschrift 26.]
i>obred)t, 9Hcr, 3n>ifeb,en pubica unb ^Jalmorum. 9Jier 9iopeUen. 3tatl)enoro, §aafe.
(212 5. 8.) 3. - geb. 4. -
Vobredjt, Mrtb-, Sri* Äannad)cr. fciftorifdjer Koman. 2 S3bc. SBcrlin. $crfc.
(XII, 385 u. 490 S. 8.) 9. -
Dötting, ®., ?ir. in ^oblaufcn, ber ©enerabSefcbeib b. Äirdjen«»iiittttion b. ^nfter«
butfliid). 9(mtsi u. 3- 1638. Vortrag. Stifterbg. 3Siüjelmi. (13 S. 4.)
Huffinann, E. T. A , Meister Martin der Küfner. Lond. Bell & Sons.
Cuntes fantastiques; trad. par X. Marmicr, et prec^des d'une notice
par le tradueteur. Nouvelle edit., augincntee d'une etude sur les
Contes fantastüjues d'Hoffmann, par Theoph. Gautier. Pai-is, Char-
pentier et Cie. (X, 456 p. 18.) 3 fr. 50 c.
Holder- Kgger, O., Reise nach Nordtrankr. u. Belgien 1883. [Neu. Archiv
d. Ges. f. ält. dt. Geschk. X. Bd. S. 213- -28. J Aus Hdschrftn. (Beü.
z. französ. Reiseber.) [Ebd. S. 369-74.]
Holtz, Roh. (aus Vandsburg i. Wpr.) Drei Fälle von genuiner Atrophia
nervorum opticorum aimplex progressiva bei Geschwistern. L-D.
Greifsw. (3(5 S. 8.)
%otn, Supermt., Kiffiondprcbigt beim ^abreäfeft b. ßntbaltfrtd.-^ercini üb. Sid)ter
7, 20. 21. [Sluö „i<oftoralbibliotl)."J ©otba edjloe&mann. (8 3. gr. 8.) - 30.
Hnrwltz, Adolf, üb. Relationon zw. Classenzahlen binär, nuadrat. Formen
von negativ. Dotertninante. [Mathem. Annalen. 25. Bd. S. 157—196.
vgl. Berichte üb. d. Verhdlgn. d. K. sächs. Ges. d. W. z. Leipz.
Maihem.-phys. Ol. 1884. I II. S. 193-97.] Einige allgem. Sätz. üb.
Rauincurven. [Ebd. S. 287— 92.1 Zusatz zu der Note p. 287. [Ebd.
27. Bd. S. 161.] Ueb. einigo besond. homogene lineare Differential gleich gn.
[Ebd. Bd. 26. S. 117-26.] Ueb. d. Klassenzahlrelationen u. Modular-
376 Mittheilungen und Anhang.
correspondenzen primzahliger Stufe. [Berichte üb. d. Yhdlgn. d.
K. sächs. Ges. d. W. z. Leipz. Math.-phys. Cl. 1885. I. II. S. 222-40.]
Ueb. d. Anzahl der Classen quadrat. Formen v. negativ. Determinante.
Auszug aus e. von Ad. llurwitz an Kronecker gericht. Briefe. [Journal
f. d. r. n. angew. Mathem. Bd. 99. S. 105—08/)
Hutecker, Wilh., üb. d. falsch. Smerdis. Kbg. Härtung. (73 S. 8.)
Huth, Cand. med. Fr., Beitrag z. Kenntniss d. sympath. Nerven. Aus d.
anatotn. Institut in Kgbg. Vorgelegt v. F. Merkel. [Nachricht, v. d.
K. Ges. d. W. . . . z. Gotting. No. 4. S. 183.)
3ilC0bi, Vir- 5- (Sborn) Srijleiermaayr'« Stetig, ju. b. ^ubcn. [Etfä.-coangel.
mttcr. X. Safcrg. S. 793-805.]
Jacobson, J., Beziehgn. d. Verändergn. u. Krkhtn. d. Sehorgans zu Allgemein-
leideu u. Organerkrankungen. Leipz. Engelmann. (IX, 138 S. gr. 8.) 3. —
— — Albrecht v. Graefe's Verdienste um d. neuere Ophthalmologie. Aus
s. Werken dargeat. Berl. Peters. (2 Bl., 374 S. gr. 8.) 6. —
Berichtigung. [Graefe's Arch. f. Ophthalmol. 37. Jahrg. Abth. 1.
5. 301 -304 J
Jacob), C, [Dzg.J Zu Catullus. [Philologus Bd. 44. S. 178-182.1 Ree.
[Philolog. Kundschau Nr. 23. Worhensohr. f. klass. Piniol. 22.
Jacob»). 9<cc. [3citf<^r. f. %tyilo). u. p^ilof. Äritif « fr 87. SBb. S. 113-15.
120- 24. S. 332-34.]
r\(ißiel*fi, $0lt.)ri<9t. 3-, Die Ucberljaubnabme b. SBcttclei u. tyre 33cfämpfuna,.
3. Hufl. üeip». Xuncfer & öumblot. (IV, 72 S. gr. 8.) 1. 20.
JaflUfr, ©uft., Xic ^uben ^olenä u. SitljauenS. [«uö »Heu SBclttym. 16. ^rg. Jan.
6. 101- 104. J
^ttp. 2. X. R[r. Xioflctian u. f. Stetig, in b. ©efä. [3eit|d)r. f. öligem, ©efeb.,
Ruiturs 2itt.» u. Äunftgefd). 2. §ft. 6. 112-123.]
Jentesch, Dr. Alfr. (Kgsbc.) Beitrüge z. Ausbau d. Glacialhypothese in ihr
Anwendg. auf Norddeutschld. [Jahrb. d. k. pr. geolog. Landeeanstnlt
u. Bergakad. z. Berl. f. d. J. 1884 S. 438-524. Taf. XXVII. XXVIIIa
u. XXVIII b.]
Jpgchonnek, Frdr., de nominibus quae Graeci perudibu« domesticis indiderunt.
Diss. inaug. Kgsbg. 1885. (Koch & Reimer (65 S. gr. 8.) baar n. 1.50.
Jefter, ß-, btc tlcinc ^agb. . . . 5. Sl. noUfto. umgearb. o. Cb.'Jyörft. D. o. Kiefen»
tbal. 2fg. 11. 12. 2pj. »rodbauS. (X, 3. G8J) -822 gr. 8.) a 1.-
^oljtt, $rof. Dr. in ©Otting. 3ur SJcftimmg. b. Urfunbcnbcgriffcä. [8eitfd)r. f. b.
gcf. 6trofrcd)töu)iffcn|(b. VI. SBb. S. 1-87.)
Jordan, H., quaestiones Theognideae. Kgsbg. Härtung. (16 S. gr. 4.) 1.50.
svmbolae ud historiam religionum italicarum alterae. ebd. (Schubert <& Seidel).
'(16 S. gr. 4.) - 30. (1. u. 2. : 2. 30.)
Topographie d. Stadt Rom im Alterthum. 1. Bd. 2. Abth. Mit 5 Taf.
Abbild, n. 1 Plan. Berl. Weidmann. (V, 487 S. gr. 8.) 8. - (1. 1. u. 2. : 14.) —
Ree. [Dt. L. Z. 5. 19. 40.]
3orban. mit)., Scftfpiel j. lOOjfibr. frier b. «rüber 3af. u. ©ity. ©rimm. granffurt
a. 3R. Jorban'S Selbftuerl. (21 S. 8.) — 50.
Xie Sebalbö. Slomon a. b. ©egenroart. 2 3*bc. Stuttgart. Xtfd)c Scrlagdanft.
(303 u. 316 S. 8.) 10. - geb. 12. -
oinacfoljn, Dr. phil. (Siegfricb, geb. 1845 14. 3uni ju SXarienburg, 5Hca[gtim.»2eb,r.
in Berlin, t 1882 27. »oo.J, ©cfdud)tc b. $rcufc. ScamtcntbumS vom «nfg-
b. 15. ^flbrljfi. biö auf b. ©egcniu. I. «b. Berlin 1874. ^uttfammer & SHüblbrcaU
(X, 292 S. gr. 8.) II. »o. 1878. (XIV, 384 S.) III. »t>. 1884. (XII, 412 S.)
Jung, SUer. Xic §arfc uon Xtöcatbcriuc. Skfcnntmfic c. Xid)ter^t)ilo|"opbcu. 2 Sbbe.
Seipx. Merl. Silfj. griebridj. (IX, 28-1 S.; 2 »[., 235 S. gr. 8.) 10. -
Karl Gutzkows Briefe au Alex. Jung. Autoris. Publikation. [Magazin
f. d. Litt. d. In- u. Auslandes Nr. 1. 2. 3. 34. 35. 39.]
Druck vou B. LeupolU in Königsberg in Pr.
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Miinzfunde aus Ost- und Westpreussen
A. Aus der Umgegend von Danzig.
No. 1. 1 Abbasiden-Münze, unter dem Chalifen al-
Saffah in Kufa im Jahre 133 (= 760/1 n. Chr.) geprägt. Mit
den gewöhnlichen Legenden.
No. 2. 1 Abbasiden-Münze unter Harun al-Kaschid
oder dessen Vorgänger al-Hadi.
Av.: wie auf No. 10. Umschr.: „Im Namen Gottes"
u. s. w. „in al-Abbasia im Jahre 170" (= 786/7 n. Chr.)
Rev.: im Felde über dem Glaubenssyrabol steht „gut" (d. h. an
Gehalt und Gewicht) ; unten, ganz verwischt, ist zu lesen , jezid"
(= der Statthalter). — Die Schrift ist, wie auf den Münzen
ilieses Prägeortes, klein und undeutlich.
No. 3. 1 Abbasiden-Münze, „geprägt in al -Muham-
media (d. i. al-Rai) im Jahre 188" (= 804 n. Chr.) Unten im
Rev., unter dem Symbol, der verwischte Name Obeid.
No. 4. 1 desgleichen, ein kleiner Dirhem aus der „Stadt
des Heils (— Bagdad) vom Jahre 190" (= 805/6 n. Chr.), also
unter Harun al -Raschid. — Auf dem Rev. steht nur der
zweite Theil des Symbolums.
No. 5. 1 Abbasiden-Münze, unter demselben Harun
gescldagen in al-Muhammedia im Jahre 192 807/8 n. Chr.)
AUpr. MonfttHHchrilt Bd. XXI1L llft, r, u. «. 2">
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378
Münztunde aus Ost- und Westpreuflen.
No. 6. 1 Abbasiden-Münze, von Harun al-Raschid.
„geprägt in der Stadt Nissabür im Jahre 193 (= 808 n. Chr.).
Der Revers hat nach dem Symbolum: „von dem, was befahl
(zu prägen) der Diener Gottes, Harun, Fürst der Gläubigen."
Darunter der Eigenname Hammuja. Selten.
No. 7. 1 Abbasiden-Münze vom Chalifen al-Amin,
= von 193—198 der Hedschra Regent (--= 808—813 n. Chr.).
Die Schrift ist schönes, altes Kufisch.
Av.: im Felde, wie bei No. 10. Umschr.: „Im Namen
Gottes wurde dieser Dirhem geprägt in der Stadt des Heils
(= in Bagdad) im Jahre 196" (d. h. = 811/2 n. Chr.).
Rev.: „Mein Herr ist Gott.
Muhammed ist der Gesandte Gottes;
(Diese Münze ist) eine von denen, die zu schlagen befahl
der Diener Gottes al-Amin
Muhammed, Fürst der Gläubigen.
al-Abbas."
Randschrift wie auf No. 10. — Abbas hatte die Aufsicht
über die Münzhöfe unter Amin ; das „mein Herr ist Allah" war
Amin's Wahlspruch.
No. 8. 1 kleine Aghlabiden-Münze, von Ibrahim II.
(von 261—289 = 874—901 n. Chr.) in Nordafrika.
Av. : erster Theil des Glaubenssymbolums ; Umschrift die
Koranstelle: „Muhammed (ist) der Gesandte Gottes; er sandte
ihn mit der rechten Leitung und wahren Religion, um sie über
alle Religionen zu erheben." Rev.: „Aghlab"; dann: „Muham-
med (ist) der Gesandte Gottes1'; darunter „Ibrahim". Von der
Umschrift ist nur der Anfang: „im Namen Gottes ward geprägt
dieser Dirhem" vorhanden ; die Fortsetzung mit dem Namen des
Prägeortes und der Jahrzahl von dem zu kleinen Schröding
nicht gefaßt. Nach einem ähnlichen Stück war al-Abbasia
wahrscheinlich der Prägeort und eins der letzten siebenziger
oder ersten der achtziger Jahre des dritten Jahrhunderts der
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Von Dr. Wolnboro.
379
Hedschra das Zeitdatum (= ist anzunehmen als runde Zahl:
280 = 893 n. Chr.).
No. 9. 1 Abbasiden-Münze vom Chalifen Muktafi
billah.
Av.: wie auf No. 10, außer daß die Umschrift besagt: „Im
Namen Gottes ward dieser Dirhem geprägt in Nessibin im Jahre
293" (= 905/6 n. Chr.). Der Stadtname Nessibin ist schwer
zu lesen, weil die Buchstaben zusammengeflossen sind.
Rev.: wie auf No. 7, außer daß unter dem Glaubens-
symbol nur der Name des Chalifen al Muktafi billah steht.
No. 10. 1 Samaniden - Münze von Ahmed, Sohn
Ismail' s.
Avers im Felde:
„Kein Gott, außer
Allah allein;
er hat keinen Genossen."
Umschrift, (innerer Kreis): „Im Namen Gottes ward dieser
Dirhem geprägt in al-Schaseh im Jahre 299" (d. i. der Hed-
schra; — 911/12 nach Christus.) Das Einheitszahlwort kann
auch als „sieben" gelesen werden.
Äußere Umschrift, in sehr rohen Zügen, die Stelle aus
Korän 30, 3. 4: „Gottes war die Herrschaft vordem u wird ihm
nachmals sein; alsdann werden die Gläubigen der göttlichen
Hilfe sich erfreuen."
Revers im Felde:
„Gotte." (sei Lob!)
„Muhammed
ist der Gesandte Allah's;
al-Muktadir billah; (= Name des Chalifen,)
Ahmed, Sohn Ismails." (= Name des Samanidenfürsten.)
Umschrift, (sehr defekt): „Muhammed ist der Gesandte
Gottes, er sandte ihn mit der rechten Leitung und wahren
Religion, um sie über alle Religionen zu erheben, wenn auch
die Vielgötterer widerstreben.''
25*
380
Münzfunde aus Ost- und WestpreuBen.
Der Münzhof al-Schasch ist das heutige Taschkend.
No. 11. 1 Samaniden-Münze, in al-Schasch im Jahre
317 (= 929 n. Chr.) geprägt. Im Rev. der Name des Chalifen
al-Muktadir billah und des Samanidenfürsten Nassr, Sohn
Ahmed's.
No. 12. 1 seltene Samaniden-Münze aus Muham-
me dia vom Jahre 330 (— 941/2 n. Chr.). Der obere Theil des
Av. ist verwischt; unter dem Symbol, in ganz kleiner Schrift,
steht: „und der Sieg (ist) nahe." Auf dem Rev., nach dem
zweiten Theile des Symbolums, ist zu lesen der Chalifenname
„al-Mutakki lillahi", darunter der Name des Samaniden-
fürsten „Nassr, Sohn Ahmed's."
No. 13. 1 Saman iden-Münze, wie No. 10; von „Nuch" (I.),
„Sohn Nassr's" II. (~ unten im Rev.; darüber „al-Mus-
takfi billah", = der Chalifenname,) „geprägt in Samarkand
im Jahre 340" (= 951/2 n. Chr.).
No. 14. 1 ältere Osmanen-Mtinze, vom Sultan Murad II.
Av. : in demTughra: „Murad, Sohn Muhammed's 825" (— 1421/2
n. Chr.). Rev.: „Lange daure seine Herrschaft!
Münze von Brusah."
No. 15. 1 neuere Osmanen-Münze, vom Sultan Mah-
mud II.
Av.: „Der Sultan
Mahmud, Sohn Abd-ul-Hamid's, Chan.
Lange daure seine Regierung! Geprägt in
Konstantinia. 1223." (= Jahr des Regierungsantrittes.)
Rev.: „Sultan über die beiden Festländer", (= Asien u. Europa,)
„Beherrscher der beiden Meere" (= des Schwarzen und des
Mittelmeeres,)
„Der Sultan, Sohn (des)
Sultans."
Über dem letzten Worte „Sohn" (im Rev., dritte Zeile)
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Von Dr. Wolsborn.
381
steht die Zahl 17; diese bezeichnet das Prägejahr nach dem
Beginn der Regierung = 1240, also — 1824/6 n. Chr.
Bemerkungen zu diesen 15 arab. Münzen:
Sämmtliche vorbeschriebene Münzen sind von gutem Silber,
denn sonst hätten sie nicht so lange in der Erde sich erhalten
können.
No. 10 und 15: von der Größe eines alten 8 Gutegroschen-
stücks von Friedrich II., nur nicht so stark.
No. 1 und 9: von Größe und Stärke eines jetzigen Mark-
stücks. No. 2, 3, 7, 12: groß wie ein Markstück, aber dünner.
No. 4: groß und stark wie ein jetziges 50 Pfennigstück.
No. 13: kann auf die Fläche eines preußischen Thalerstücks mit
dem Bilde des Königs Wilhelm I. (aus den 60ger Jahren)
deckend gelegt werden ; der Hand des Thalerstücks ragt dann
hervor. Der Dirhem ist aber weit dünner. No. 11: etwas
größer, No. 5 und 6: etwas kleiner, als ein Markstück.
No. 8: von der Größe eines Nickelfunfpfennigstücks, aber
dünner. No. 14: so groß und stark wie ein jetziges Silber-
zwanzigpfennigstück. No. 15: mit hervorragendem Rande, wie
bei jeder andern deutschen Silbermünze. Alle übrigen Münzen
sind ohne Rand; es sind eigentlich nur stärkere oder dünnere
Silberblechstücke, auf welche man einen Münzstempel ziemlich
unvollkommen abgedrückt hat; fein und genau gerundet sind
sie nicht.*)
Obige arabische ganze Münzen (No. 1 — 15) (Dirhem's)
sind in den Jahren 1850 bis 1880 in der Umgegend von Oliva,
Conradshammer, Zoppot, und in der Nähe des dortigen See-
*) Da die Millimeterskala von Mionnet, die von Münzkennern von
Fach allgemein benutzt wird, in weiteren Kreisen doch nicht bo bekannt
sein dürfte, als zu erwarten wäre, so habe ich, um den jetzt lebenden
Lesern verständlich zu sein, bei Bestimmung der Grolle der Münzen solche
Münzsorten, die jetzt noch im Gebrauch sind oder bis vor Kurzem es noch
waren, zur Vergleichung herangezogen.
382
Münzfuwle aus Ost- und Westprenßeu.
Strandes, ferner bei Set. Albrecht (im Walde oder an der alten
Radaune) gefunden nnd von Herrn J. N. Pawlowski, Haupt-
lehrer in Set. Albrecht, gesammelt worden und noch in seinem
Besitze. Die genannten Ortschaften liegen, um einen bedeu-
tenderen Mittelpunkt und allgemein bekannten Ort zu nennen,
im Umkreise vonDanzig. Die durchschnitten vorgefundenen
Stücke (halbe Dirhem's) wurden eingeschmolzen.
Herr Geheimer Hofrath Professor D. Stickel in Jena,
Direktor des dasigen großherzoglichen orientalischen Münz-
kabinets, dem ich die ganzen Dirhem's zusandte, hat, da ich im
Lesen jener kufischen Schrift nicht bewandert bin und nicht
genug Arabisch verstehe, die Freundlichkeit gehabt, jene für
unsere Provinz äußerst wichtigen Münzfundstücke zu entziffern.
Er schreibt in Bezug auf dieselben: „die Münzen sind zum
Theil selten, und verhältnißmäßig gut erhalten, wenn auch bei
einigen, wegen der winzig kleinen und zusammengeflossenen
Schrift, die Entzifferung ziemlich schwierig war. Ohne lang-
jährige Erfahrung und Übung würde man nicht zum Ziele
kommen. Wünschenswerth wäre, daß die Stücke nicht zerstreut,
sondern in einer Sammlung sicher aufbewahrt würden. Die
Abbasiden-Münze aus Nissabur (No. 6) kenne ich nur noch in
dem einen Exemplare, das ich in meinem „Handb. z. morgönl.
Mzkde." (I. S. 101) erwähnt habe und das Lindberg, Lettre
sur quelques medailles cufiques (Kophag. 1830) auch abgebildet
hat. Das hiesige Kabinet besitzt 1 Exemplar davon."
Daß sie ächt sind, geht wohl aus den Bemerkungen des
Herrn Geh. Hofraths Stickel mehr als zur Genüge hervor.
Zu diesen Münzfunden in der Nähe von Danzig ist noch
Folgendes von Wichtigkeit zu erwähnen: im Jahre 1722 wur-
den bei dem Dorfe Stegen auf der Danziger Nehrung (zwischen
Danzig und dem Seebade-Orte Kahlberg gelegen,) am Seestrande,
also nicht weit von dem Fundorte der obigen kufischen Münzen,
17 Stück ganze, unversehrte arabische Dirhem's aus der Zeit
vor und nach dem Jahre 800 n. Chr., mit kufischer Schrift,
gefunden, die Kehr (ein Schleusinger) beschrieben und abge-
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Von Dr. Wolsborn.
38 *
bildet hat in seinem Buche „Monarchiae asiatico-saracenicae
statns" etc. (Lpz., 1724. 4°). Diejenigen, welche er ungenügend
oder irrthümlich entziffert hat, sind über ein Jahrhundert später
von Prof. Nesselmann in Königsberg nun unzweifelhaft erklärt
worden.
Um zu beweisen, wie häufig arabische (kufische) Dirhem's,
ganze imd zerschnittene, aus der Zeit Harun al Raschid's in
den Küsten- und Binnenländern unseres Ostseebeckens gefunden
werden, will ich. dor Funde im russischen Reiche zu geschweigen,
nur auf folgende Funde, die nicht allgemein bekannt sein dürften,
aufmerksam machen. Für die Kultur- und Handelsgeschichte
der Ostseeländer, wie für die Bestimmung der alten Handels-
straßen und für die Zusammenstellung einer Fundkarte der
betr. Länder (die ich für Ost- und "Westpreußen demnächst her-
auszugeben beabsichtige,) sind die folgenden Notizen von nicht
zu verachtender Bedeutung.
Melanges de Numismatique, publies par F. de Saulcy
Anatole de Barthelemy et Eugene Hucher. (Le Maus, 1875.)
T. I. page300: ,,Lors des fouilles entreprises depuis 1871, dans
Tile de Biorkö, sur le lac Melare, a l'endroit que l'on considere
comme l'ancienne ville de Birka, M. Stolpe a decouvert, dans
des especes de Kjoekkenmoeddings, un grand nombre d'ob-
jets appartenant au dernier äge de fer, et parmi ces objots, 89
monuaies coufiques entieres et 360 brisees, Ia plupart
de l'an 893 ä l'an 967 de Jesus-Christ et une monnaie
byzantine de Constantin X. et Romain II. (948—959).
Une nouvelle trouvaille faite en 1873, a donne encore 107
monnaies coufiques de la meine epoque.
Le resultat de ces decouvertes a ete publie dans differentes
brochures parues a Stockholm depuis trois ans. La description
des monnaies coufiques a ete faite par M. le professeur C. J. Torn-
berg. (Öfversigt af Kongl Vet-Akad. Törh., 1872 et 1873.)
Wenn wir No. 14 und 15 (als aus neuerer Zeit), unberück-
sichtigt lassen, so sind obige Münzen aus den Jahren nach
Christus: *) 750, 2) 786, 8) 804, 4) 805, r') 807, •) 808, ^ 811,
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384 Münzfunde aus Ost- und West prou Ben.
8) 893, ») 906, ,0) 911, ») 929, l2) 941, ") 951, umfassen also
einen Zeitraum von genau 200 Jahren.
Hermann Dannenberg, Die deutschen Münzen der
sächsischen und fränkischen Kaiserzeit, (mit 1 Karte und 61 Tff.
Abb. Berlin, "Weidmann, 1876), erwähnt unter den 50 Funden
aus Norwegen, Schweden, Dänemark, Rußland, Holstein, Meck-
lenburg, Pommern, "Westpreußen etc. nicht wenige, die unter
anderen Münzen namentlich auch Samaniden- imd Abbasiden
enthielten aus der Zeit 970 bis 1070 n. Chr. (S. 26 Agg.) Vergl.
auch Hildebrand in seiner „Anglosaksiska mynt", wo allein
64 in unserer Zeit gemachte Funde beschrieben werden.
No. 16. 1 kleine JErzmünze aus der Stadt Phlius
(0kiol'£) in Achaja (aus der Zeit circa 200 v. Chr., nach dem
Urtheil Sachverständiger). Größe: noch etwas kleiner, aber
dicker, als ein schwedisches öörstück. Av.: die hintere Hälfte
eines Stierleibes, ohne den Kopf, (von den Vorderfüßen an).
Rev. : ein großes griech. O. (= Oltov$). Vergl.: Poole: Cata-
logue of Greek coins in the British Museum. Central Greece.
(London, 1884.) Tf. 3, No. 11. 12. 13. 15. u. p. 17-19. -
Tf. 10, No. 1-4. 7. u. S. 61 Agg. - Tf. 24, No. 20: es sind
da griechische Münzen abgebildet und beschrieben, aus der Zeit
480 — 371 v. Chr., auf denen man einen Ochsenkopf, auch „fore-
part of boar" (Vordertheil eines Ebers), größere und kleinere
Münzen von Tanagra (aus der Zeit 456 —374 v. Chr.) mit dem
Vordertheile eines springenden Bosses, oder dem Hintertheile
eines Bosses, sieht; auf mittelitalischen Münzen erblickt man
den Kopf eines Bosses (Catalogue of the Br. Mus. Italy. S. 52:
und S. 148: „forepart of boar" auf Münzen von Venusia; und
von Paestum (S. 276. 279.). — Die Sammlung des verstorb.
Crignon de Montigny, Catalog No. 183, hat eine Silbermünze
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385
von Phlius (Achaja), Av.: 0ytEL4, retrograde; taureau cornupete
k gauche; Rev. : 2£fii.\, autour d'une roue ä quatre rayons
inscrite dans un carre creux. (Siehe: Melanges de Numis-
matique, publies par F. de Saulcy et Anatole de Barthelemy.
Tome III. Paris, Rollin. 1882.) S. 453. Phlius, Hauptstadt
der kleinen Landschaft Phleiasia. (kaum 3 □-Meilen) auf dem
Berg Kolossos, mit gutem Wein und einem Tempel des Gany-
med und der Hebe.
No. 17. 1 Ptolemäer-Münze. Größe: eines Zweimark-
stücks, und noch einmal so dick, als ein solches; Metall: Kupfer.
Av.: Jupiter Ammon; Rev.: 2 Adler stehen auf einem Blitz.
Vergleiche: Eckhel, Doetrina nummorum. (Wien, 1792. 4°.
8 Bände.) IV. 1 — 2(5; aus diesen Zeilen ist ersichtlich, daß
Ptolemäus I. bis Ptol. IX. auf dem Rev. ihrer Münzen nur
1 Adler auf dem geflügelten Blitze haben (aquila insistens ful-
mini); die Münzen der jKleopatra -}• Ptolemäus VIII. j, und der
[Kleopatra j Ptolemäus IX. j (Cleopatra = mater Ptolemaeorum
VIH. u. IX.) haben 2 Adler, insistentes fulmini; eine andere
Reihe der Münzen dieser Kieopatra hat 1 Adler. — L. Beger,
Thesaurus Brandenburgicus. (Coloniae Marchicae, 1G9G. fol.,
3 Bde.) I, 2G1 ff. : Zeichen und Abkürzungen auf den Ptole-
mäermünzen; aquila, auf den Ptolemäermünzen, — infantiae
nutrix, imperii auspicium, (nach Suidas); Andere geben darüber
andere Erklärungen über diesen aquila K(Q(trvo([('>Qo^, u. II, 33.
34. Über die Adler auf den Ptolemäermünzen vergl.: Vaillant,
Historia Ptolemaeorum ad üdein numismatum. (Amstrd., 1701.
fol.) p. 24. 25.
No. 18. Desgl. 1 Ptolemäer-Münze; wie die vorige;
Rev.: in der Umschrift, rechts und links von den Adlern.
Spuren einiger griechischen Buchstaben wie bei der vorigen
Münze; links scheint gestanden zu haben: // T 'V/ E 31^4 I OY,
rechts: K^tEOII /Tl^'/S] beide Münzen in Ägypten geprägt.
Vergl.: L. Müller, Monnaies de l'ancien Afrique. (Suppl.
Copenhague, 1874. 8°.) I. S. 137 flg., wo Ptolemäermünzen
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Münziunde ans Ost- und WestpreuBen.
(ähnliche) beschrieben werden; und Reginald Stuart Poole,
Catalogue of Greek coins. The Ptolemies, kings of Egypt.
(London, 1883; mit 32 sehr genauen und deutlich gedruckten
Tafeln Abb.) Nur wenige Münzen dieser Sammlung sind mit
2 Adlern auf der Bückseite abgebildet, so Tff. 5, 7. 10. 2. 6.
26, 7. 8. i). 28, «. 7. — Unsere beiden vorliegenden Ptolemäer-
mtinzen passen genau in der Größe zu Tf. 20, g ------ jPtole-
maeus X. Soter IT. -f Cleopatra III.,' 117—111 v. Chr.
(S. 104 — 109.) „Head of Zeus Ammon, diademed (und ohne
Umschr., wie unsere); Rev.: links: T1TOAEMAIOY; two eagles
1. on thunderbolt; in front: cornucopiae single; rechts: KAKO
HAT PAS.il Nach den Abb. in Vaillant ist keine einzige •
Münze der Ptolemäer mit 2 Adlern im Revers. — C. Stüve,
Münzen der Ptolemäer. (Programm Gymn. Osnabr. 1862) giebt
in diesem Programm ,, Bemerkungen zu den Münzen der Ptol."
d. h. zu einer Sammlung von nahezu 5000 ägypt. Münzen.
S. 12 : ,.Was die Erzmünzen angeht, so sind die bildlichen Dar-
stellungen auf ihnen eben nicht viel mannichfaltiger, als auf
den Gold- und Silbermünzen. Auf der Rückseite schon wir
stets den Adler auf dem Blitz; und nur zuweilen, um eine
Doppelherrschaft anzuzeigen, 2 Adler neben einander. Es ist
der Adler des Jupiter, und schon von Alexander dem Großen, ,
in Folge eines ihm gewordenen Auguriums bei der Gründung
Alexandrien^, auf seine Münzen aufgenommon." S.
münzen wurden von den Ptolemäern in sehr großer Zahl geprägt,
weshalb dieselben auch in allen Cabineten häufig genug sich
vorfinden. Dies, sowie die auffallende Größe und Schwere ein-
zelner Stücke, erklärt sich einestheils aus dem Reichthum Cy-
pern's an Kupfer, anderntheils aus dem hohen Werth desselben
unter den Ptolemäern. Denn während das Verhältniß des Silbers
zum Kupfer z. B. bei den römisch-campanischen Münzen 1 : 180,
in Latium und Sicilien 1 : 250, in der spätem Kaiserzeit 1 : 125
war, verhielt es sich in Ägypten wie 1 : 60. S. Mommsen,
Gesch. des röm. Münzwesens. S. 215. 197. 80. 835. 42.
Ferner vergl.: C. W. Huber, Les monnaies des Ptolemees
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Von Dr. Wolsborn.
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des cabinets de Munich, Gotha et Berlin. Derselbe: Numis-
matique egyptienne. Derselbe: Numismatique antique de
TEgypte. (II. 1870.) — Die städtische Münzsammlung in Mes-
sina (im Museum, Schublade No. 41,) enthält Bronzemünzen der
Ptolemäer. (Siehe: Melanges de Numismatique. Tome III., S. 319.)
— Auf Münzen aus Calabria, mit griechischer Inschrift, erblickt
man, wie auf den Ptolemaennünzen, im Av.: Zeus; im Rev.:
2 Adler, (nach rechts schauend,) stehend auf einem Blitz. Siehe:
A Catalogue of the Greek coins in the Brit. Museum. Italy.
(London, 1873. S. 221, No. 1—6.) — „Fulmen alatum" im Rev.
deutet auf Cultus des Jupiter — sagt Beger (Thesaurus Pala-
tinus. Hoidelbergae, 1685. fol.; S. 223.)
No. 19. 1 jAugustus und AgrippaJ , geprägt in Ne-
mausus (in Gallia Narbonensis), heute = Nimes. Av.: die Kopf-
bilder des Augustus und des Agrippa; einer nach rechts, der
andere nach links schauend; über diesen: BIP; unter dem Kinn
eines jeden der beiden Köpfe: P P ---- perraissu proconsulis, *) oder
andere: = pater patriae, also hier patres patriae; unterhalb der
Kopfbilder steht: DIVI-F. Rev.: ein Crocodil, mit geöffnetem
Rachen vor einer Palme; oben, zu beiden Seiten der Palme,
je ein kranzartiger Kreis, in welchem ein kleinerer Kreis mit
einem Punkt; unter diesen Kränzen, zu beiden Seiten der Palme:
COL und NEM. ,,In postica parte crocodilus palmae alligatur
ob Aegyptum captara; litterae COL. NEM. indicant, Nemausi
hunc nummum percussum;" cf. Laur. Beger, Regum et Impe-
ratorum Rom. numismata, (Col. 1700. fol.) tab. 16, No 3 und 4,
wo die Abbildung einer ganz ähnlichen nemausinischen Münze
derselben Imperatoren. „Le classement historique des as de la
colonie de Nemausus, aux deux tetes d'Octave- Auguste et
d'Agrippa et au revers du crocodile devant le palmier" et cetera,
sagt Lenormant, II, p. 217, und p. 218, daÜ sie stammen
aus dem Jahre 739 a. u. = 15 v. Chr. Metall: M\ Größe:
*) So erklärt Lenormant, La inonnaie dans l'antiquitö. (Paris, 1878.)
II, page 218.
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Münzfiiudo aus Ost- und Westpreußen.
etwas größer, als ein Nickelzehnpfennigstück; Dicke: so dick,
wie zwei über einander gelegte Nickelzehnpfennigstücke.
No. 20. 1 dasselbe; Av.: undeutlicher, als bei No. 19,
Rev.: ganz undeutlich.
Zu No. 19 und 20 vergl.: W. Fröhner, Le crocodile de
Nimes. (Paris, 1872. 8°.) Der Reconsent dieser Schrift (in
Melanges numismatique s, par F. de Saulcy, Anatole de
Barthelemy, Eugene Hucher. (Le Mans, Tome I.. 1874 — 75)
sagt S. 140: „le crocodile est le type des monnaies coloniales
en bronze de Nimes. Les bronzes coloniaux de Nimes sont tres-
communs." Vergl.: Eckhel, Doctrina nummorum. (Wien,
1792. 4°.) I, p. 69. 70.
No. 21. 1 Erzmünze der ital. Colonie Paestum. Größe:
die eines Sechspfennigstücks von Friedr. Wilh. IV. (von 1858);
noch einmal so dick, wie dieses. Vergl.: A Catalogue of the
Greek coins in the British Museum. Italy. (London, 1873.)
S. 280. [30] No. 57. 58. Av.: ein wilder Eber; unter ihm ein
S; unter dem Strich am untern Rand scheint PAE (= Paestum)
zu stehen. Rev.: . ARTV ) Andere Exemplare haben: LARTV
C COMIN [ C COMI TT VIR, auch IUI VIR; die
TT- VIR J Inschrift dieser Münze ist im
Index VII. (S. 428 f.), als unter ,,remarkable inscriptions and
legends" gehörig, angeführt: und wieder im Index V. unter
Roman Magistrates' namesu angegeben. Was sie Wort für
Wort bedeutet, ist nicht gesagt.
Unsere Münze ist nach dem Urtheil Sachverständiger
circa aus der Zeit des Augustus, (30 v. Chr. — 14 n. Chr.) —
Paestum war im Alterthum, nach Virgil, Ovid7 Ausonius und
Martialis, berühmt wegen seiner Rosen und Rosengärten, („rosae
Paestanae; rosaria Paesti.")
No. 22. 1 athenische Münze; ziemlich abgegriffen.
Av. : Gorgonenkopf ; Rev.: Pallas AGE (nicht ABH)\ aus ziemlich
später Zeit, aber wohl noch vor Chr.; vergl.: Beger, Thesaurus
Von Dr. Wolsborn.
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Brandenburgicus. (Col. Marchicae 1696, fol.) I, p. 470, wo
mehrere Münzen abgebildet sind, auf denen auf der Rückseite
yf&E steht.
Größe: die eines 10 pfennigstücks, aber dicker; Metall: JE.
Vergl.: Cavedoni, Osservazioni sopra la antiche monete
di Atene. (Modena, 1836. S. 27: „testa di Medusa co' suoi
serpenti.")
L. Beger, Thesaurus Palatinus. (Heidelbergae, 1685. fol.;
(ein sehr seltenes Buch.) S. 258; und Poole, Catalogue of the
Greek coins in the British Museum. Central Greece. (London,
1884) wo Münzen mit dem Gorgonenhaupt abgebildet, sind, so
Tf. 7, « io auf Münzen von Koroneia (aus den Jahren 550 bis
480 v. Chr.) und auf größeren Münzen von Eretria (Tf. 22, 1-3
u. s. w., aus der Zeit 700 — 480 v. Chr.), S. 119. Das Gor-
gonenhaupt findet sich auch auf etrurischen Münzen; vergl.:
A Catalogue of the Greek coins in the British Museum. Italy.
(London, 1873) z. B. S. 2. 6.
No. 23. 1 sehr verwitterte athenische Münze, wie es
scheint, aus der Kaiserzeit; etwas Weiteres läßt sich nicht be-
stimmen. Größe: ein wenig größer, als ein 10 pfennigstück,
auch dicker; Metall: JE.
No. 24. 1 Kaiser Aurelian, (regiert von: 270—275 n. Chr.)
in Alexandrien (Aegypt.) geprägt. Metall: JE-, Größe: etwas
kleiner, als ein lOpfennigstück ; aber ziemlich so dick, als wenn
man 3 solche Stücke über einanderlegt.
Av. : „Aureliani caput diademate cinctum; Umschrift:
AVRELIANVS. Rev.: ein schreitender Adler; weiter ist Nichts
zu erkennen. Vergl.: Laur. Beger, Regum et Imperatorura R.
numismata. (Col. March. 1700. fol.) tab. 63, No. 5. und L. Beger,
Thesaurus Brandenburgicus. (Col. March I. II. III. 1696. fol.)
II, 752. 758. 759. 760, wo viele Münzen dieses Kaisers abge-
bildet sind. Ferner: Beger, Thesaurus Palatinus. S. 347. 351.
No. 25. 1 barbarisirter Tetricus = ein Gegenkaiser
des Aurelian. — Metall: JE. Größe und Stärke: die eines
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1
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I
I
390 Münzl'unde au» Ost- und WestpreuJen.
Sechspfennigstücks von Friedr. "Wilh. IV. (aus 1858). Av.: da
Haupt des Kaisers, nach rechts schauend, mit einer sehr spitzer
Nase; mit gezackter Krone. Von der Umschr. sind nur einige
Buchstaben schwer zu erkennen. Rev.: ist nur deutlich zu er-
kennen eine Figur, wie das Stück einer Säule anzusehen.
Die Münze ist als barbarisirtes Stück gut erhalten, bei
der Prägung sind am Rande, an zwei Stellen, Metallstücke ab-
gesprungen.
Vergl.: Beger, Th. Br. Tl. 753 und Beger, Regum etc.
tab. G2, No. 9. 16. und Beger, Thes. Palatinus. 348.
t^ie häufig die Münzen von Aurelien und Tetricus (Vater
und Sohn), auch die von Gallienus gefunden werden, ergiebt
sich unter anderen aus dem Funde, der am 30. August 1873
i
bei La Blanehardiere, Gemeinde Beaufay (Sarthe) gemacht
worden ist; man fand da in 2 Thongefäßen, 50 Centimeter
von der Oberfläche des Bodens, römische Münzen, im Ganzen
8578 Stück: darunter 47 Aurelian, 3G28 Tetricus (Vater), 1813
Tetricus (Sohn); vergl. Melanges numismatiques, par
F. de Saulcy, Anatole de Barthelemy et Eugene Hucher. (Tome
I, Le Mans, 1875.) S. 194. 215. 201. 426 Agg. Daß man in
Frankreich so viele Stücke gefunden hat, wird erklärlich, wenn
man bedenkt, von welchen Provinzen er Kaiser war. Tetricus
war Statthalter von Aquitanien, nahm die Kaiserwürde an, be-
herrschte einige Jahre lang Gallien, Spanien und Britannien;
ist hernach von Aurelian im Triumphe in Rom aufgeführt
worden.
No. 26. 1 Kaiser Constantin d. Gr. (306—337 n. Chr.)
oder unter seinen Söhnen geprägt (337—361 n. Chr.). Metall:
M; Größe: die eines 20pfennigstückes, etwas stärker.
Av.: Der Kaiser im Helm; Umschrift: verwischt. Rev.:
urbs Roma d. h. die säugende Wölfin; darüber 2 Sterne; cf.
Beger, Regum etc. tab. 65, No. 1, wo eine ähnliche Münze
abgebildet und beschrieben ist; und Eck hei, Doctr. numm. 8,97
„lupa gemellos lactans, superne duo astra." E. schreibt
diese Münze dem Kaiser Constantin zu.
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No. 27. 1 Kaiser Valens. Metall: Kupfer; Größe und
Stärke, wie ein Nickelfünfpfennigstück. Av.: „Valens imperator
cum diademate baccato et gemmata fibulä; D.N.VALEN —
S.P.F.AVG." Rev.: „Imperator captivum trahens, sinistra la-
barum." Umschr. : „GLORIA RO — MANORVM." Unter der
Figur: TRP =*= tribunitiä potestate; cf. Laur. Beger, Regum et
Imperatorum R. numismata. (Col. 1700. fol.) tab. 67, No. 24.
20. und derselbe: Thesaurus Brandenburgicus, (Col. 1696. fol.
1—4.) II, p. 827, No. 3 und 4, wo Münzen, in den meisten
Theilen dieser ähnlich, abgebildet und beschrieben sind; und B.,
Thesaurus Palatinus, p. 383; desgl.: Eckhel, Doctr. numm. 8,
153. 154. Valens: 364—378 n. Chr.
No. 28. 1 Kaiser Justinus I. (Constantinopel ; 518 — 527
n. Chr.) Av. : Kopfbild des Kaisers, mit Diadem; Umschrift:
von der ursprünglichen Umschrift: D N IVSTINVS P P AVG
sind nur die letzten 8 Buchstaben zur Prägung gekommen.
Rev. : an einer Säule ein Stern ; neben der Säule eine knieende
Figur, (undeutlich geprägt;) über Säule und Figur ein Strich,
über welchem zu lesen ist: N 0. Größe: um eine Kleinigkeit
kleiner, als ein preußischer Thaler, auch ebenso stark; Metall:
Kupfer.
„Justinus Thrax, utroque parente ignobilis, sed militiä et
verä pietate clarus, quippe qui haereticos ejecisse, orthodoxos
revocasse, eoncilium Chalcedonense defendisse memoratur; Justi-
nianum imperii consortem sumsit;" cf. Beger, Thesaurus
Brandenburgicus, (Col. 1696, fol.) II, p. 850, No. 9 und 10, wo
Gesicht des Kaisers und die Umschrift genau, wie auf vor-
liegender Münze; die Rückseite ist bei Beger anders, hat aber
auch 2 Sterne.
Vergl. : Sabat ier. Description generale des monnaies
byzantines. (Paris, 1862.) t. I, S. 162, 20—22 und Tf. 10, 4.
Vergl. noch Eckhel, Doctr. numm. 8, 206—7; p. 207 be-
schreibt er Münzen dieses Kaisers, mit anno primo und duo
astra, und sagt: , jam nunc anni imperii monetae aeneae inscribi
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Münzfunde aus Ost- und Westpreuflen.
incipiunt, praecipue üli, in cujus medio sunt majoris formae
litterae I, K, M."
No. 29. 1 Kupfermünze von [Justin II. -| Sophia}
- 505 — 578 n. Chr. Größe und Stärke: die eines neuen Zwei-
pfennigstückes. Die Münze ist wohl erhalten; da aber das Ge-
präge ziemlich roh ist, so sind die einzelnen Figuren und Zeichen
nicht deutlich genug erkennbar. Av.: 2 Figuren in ganzer
Leibesgröße stehen neben einander; die zur Linken trägt in der
rechten Hand eine Kugel, auf der ein Kreuz sichtbar ist. Rev.:
wie auf andern Münzen jener Zeiten z. B. ein großes M(=fir),
A A
K X
daneben ^ oder blos N und Ziffern, wie X, II, ^ zu sehen
NT
sind; so hier: Vergl.: L. Beger, Thes. Br. II, 855 und
Eckhel, Doctr. numm. 8, 217.218: „anno addito vario numero
(X, XX)." IM = p' = 40.
Vergl.: Sabatier, Description generale des monnaies by-
zantines. (Paris, 1862.) I, S. 22G.
No. 30. 1 Mauritius Tiberius (582-602 n. Chr.)
Metall: Kupfer; Größe: die eines jetzigen Pfennigs, etwas stärker.
Av.: Brustbild des Kaisers, nach links schauend; mit
Diadem; in seiner Rechten hält er eine Kugel mit Kreuz.
Umschr.: unleserlich, bis auf PPAVG. Sie muß vollständig
heißen (nach andern Exemplaren,): DNfTYWRI und TIBPPAVG
( -- Dominus Noster u. s. w.) Rov. : ein großes K; neben und
unter diesem: R A venn = Ravenna; so:
Die Münze ist untadelliaft erhalten.
Vergl. Beger, Th. Br. II, 853. Eckhel,
D. n. 8, 219. 220.
Sabatier, J., Description generale
des monnaies byzantines. (Paris, Rollin et Feuardent. 1862.)
tome I, S. 45. 83. 211.
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Arkadius (395—408) übernahm die alten Ausdrücke PFAVG
= pius, felix Augustus; Leo I. (457 — 474) zuerst, und in der
Folgezeit die übrigen Kaiser, setzte statt PF: PERPETWS
(PERPET, PERP, PPAVG), obwohl PFAVG nebenbei auch
noch vorkommt. Vergl.: Sabatier, a. a. 0. I, 74. 163. 159. 160.
161. — I, 236—248. 250 und Tff. 24—26. (namentlich Tf. 25, 6.)
No. 31. 1 Kupfermünze von jHeraclius-j Heraclius
Constantinus -{- Martina! = Heraklius I. = Vater; Herakl.
Const. — Sohn; Martina = zweite Gemahlin des Heraklius I.;
610-641 n. Chr.
Größe und Stärke: ein wenig kleiner und dünner als ein
vormaliges 3 pfennigstück.
Av. : 3 Brustbilder, von denen das erste und dritte kleiner
sind, als das mittlere; über den Häuptern haben sie alle 3 je
ein Kreuz. Rev.: im Felde ein großes M = (/iE), darüber ein
Kreuz, darunter ein dicker Strich; unter dem Strich: RA; an
A
dem linken Schenkel des M n Neben dem rechten Schenkel
o
des M eine V; unter dieser V noch eine II; unter dieser II
noch eine I =* VIII.
Vergl. No. 27 und Beger, Th. Br. II, 854—856 und
Eckhel, Doctr. numm. 8, 217. 218. 219: „in imo RAVEN"
und 224.
Die Buchstaben auf derlei Münzen bedeuten, nach Eckhel:
/ = Jesus, K — Konstantinus, M = Maria, oder, was auch
Eckhel schon statuirt, und jetzt die herrschende Meinung ist:
/, K, M = „notant denarium decimum, vicesimum, quadrage-
simum". Siehe: Eckhel, Doctr. numm. 8, 508. — Heraklius I.,
610—613 allein; 614—641 mit seinem Sohne Heraklius Con-
stantinus, den er zum Mitregenten annahm; Heraklius II. Con-
stantinus, geb. 3. Mai 612, = Sohn des Heraklius I. und der
ersten Gemahlin des Heraklius I., der Eudoxia, (die f 612, den
13. August); Heraklius heirathet die Martina zu Anfang des
Jahres 613, welche ihren Stiefsohn Herakl. II. Const. vergiftet
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIIL RTL 5 u. 0. 26
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Münziünde aus Ost- und WestpreuBeu.
(641). Vergl.: Sabatier, a. a. O. I, 4. 259—288 und Tff.
28 — 31: „bustes diademes et de face des trois augustes; Martine
est a la droite d'Heraclius; Rev.: M, surmonte d'une croix;
A
N
ANNO VIII.; ä l'exergue: RA;U so: N
RA
No. 32. 1 Kupfermünze = No. 31, von {Heraklius I.,
~|- Martina, ihrem Stief-Sohn Heraklius Constantinusjj
610-641 n. Chr.
Größe und Stärke: die eines 10 Centimesstücks von Napo-
leon III.
Av. : 3 Figuren, in Leibesgröße ; die erste und dritte sind
gleich groß und kleiner, als die zweite; auf den Häuptern
Diademe; in den Rechten halten sie Kugeln, auf denen oben
ein Kreuz zu sehen ist. Die Umschrift, wie gewöhnlich in jener
Zeit, in schlechten und zum Theil verwilderten Buchstaben,
giebt in 10 Buchstaben Überreste der Namen Martina und Herakl.
Constant.; der erste Name der 3, Herakl. I., ist bei der Prägung
zerdrückt worden. Kev.: im Felde ein großes .1/ (= iir), dar-
über ein Kreuz; unter den 2 kleineren Schenkeln des .1/ ein
großes r (= yduuu) ; unter dem i\J ein dicker Strich. Zu den
Seiten des 31 und unter dem Striche Spuren von Buchstaben
oder Zeichen, die bei der Prägung gleichfalls zerdrückt sind.
Die Münze, wie auch No. 26. 27. 28. 29. 30. 31., ist sehr
gut erhalten.
Vergl., wie bei No. 31. 30., Beger undEckhel a. a. Ott.
No. 33. 1 Kaiser Johann I. Zimisces, (Constantinopel;
969—975 n. Chr.)
Av.: ein Christusbild, (bis zu den Knieen reichend) mit
langem Haupthaar und Heiligenschein ; vor sich die Heilige
Schrift. Rev.: ein Kreuz mit 4 gleichen Balkentheilen über
der ganzen Münznäche ist deutlich zu sehen; in den 4 Winkeln
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des Kreuzes barbarisirte griechische Buchstaben, über dem linken
Kreuzschrägbalken (im Winkel): JC; daneben, rechts (im Winkel):
XC; unter dem linken Kreuzschrägbalken (im Winkel): Nl; da-
neben, rechts: KA = 'lyoovi XQiotos via<£ —
auf Münzen aus klass. Zeit, = ?); obwohl die Buchstaben sehr
entstellt und in einander genossen sind, ist allerwahrscheinlichst
NIKsi zu lesen.
"Vergl.: Beger, Thes. Brand. II, p. 864; der Av. dieses
Münzbildes ist dem unserer vorliegenden Münze gleich; und
Beger, Thes. Palatinus, S. 414. 415.
Beger sagt: „Johannes Zimisces effigiem Christi in ad-
versa numismatis primum signavit". — Das NIKA kommt schon
auf unteritalischen Münzen, wie auf denen von Taren t, (über
dem Zweigespann des Neptun,) vor; vergl.: Melanges de Nu-
mismatique, publies par F. de Saulcy et Anatole de Barthe-
lemy. (Tome HI, Paris, Rollin, 1882. S. 439.); auf Münzen aus
Pandosia steht im Rev. bei einem Pan NIKO (vergl.: A Cata-
logue of the Greek coins in the Brit. Museum. Italy. (London,
1873. S. 371.) — Desgl. auf andern Münzen aus christlicher
Zeit, z. B. auf einer Münze von Tancred, (f 1112) (geprägt
in Antiochia,) unter dem Querbalken eines lateinischen Kreuzes ;
über diesen Querbalken ist ebenfalls, wie auf unserer Münze, zu
lesen: B; siehe G. Schlumberger, Les principautes franques
du Levant. (Paris, Leroux, 1877. 8°., S. 15.) und Sabatier,
Description generale des monnaies byzantines. (Paris, 1862.)
II, Tf. 52, 18. und S. 190, 20. Tf. 58, 14—19; 59, 1. 2. I, 86,
No. 44. und Tf. 1, 44. — Romanus II., 959 — 963; Nicephorus
Phocas, 963 — 969; des Rom. II. Sohn: Job. Zimisces, 969 — 975,
todtete seinen Vorgänger.
' hpQv$ XQtarog viAq. (C =, wie auch
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390
Münzi'umle au« Ost- und Westpreußen.
No. 34. 1 desgleichen. Av. : wie auf No. 33. Rev.:
ein Kreuz, wie auf No. 33 ; in den 2 "Winkeln über den beiden
Kreuaquerbalken die barbarisirten griechischen Buchstaben (aber
deutlicher als auf No. 33.) IC XC; in den beiden Winkeln unter
den beiden Querbalken des Kreuzes: Nl KA - Vi/ffüfy Y^/arot,*
vr/.u. Von No. 33. 34. 35. Metall: Kupfer; Größe: die eines
vormaligen Dreipfennigstücks.
No. 35. 1 desgleichen. Av.: ein Christusbild mit Hei-
ligenschein ; Haupt und Heiligenschein der Christusfigur ist von
größerer Dimension als bei No. 34. und 33., und das ganze Bild
reicht nur bis zur Brust. Rev.: ein Kreuz, von dem der größte
Theil des obcrn senkrechten Balkens bei der Prägung weg-
geschnitten ist, auf 3 Altarstufen stehend ; zwischen der obersten
Altarstufe und den beiden Schrägbalken stehen in 2 Zeilen
4 mal 3 griechische Buchstaben; so:
Zu diesen Nummern vergl.: Beger, Thes. Br. n, p. 864.
863. 850. 867. 855. 857: „imago Christi librum Evangeliorum
praeferens". Eck hei, Doctr. nuram. 8, 250. 272. 273. Zu
No. 34: Beger, Thes. Br. II, 851 steht auf einer Münze des
.Tustinian: NIKO; und Eck hei, Doctr. nuram. 8, 250 hat auf
Münzen des Kaisers Joh. Zimisces: NICA. Zu No. 35: Christus
wird auf Münzen jener Zeit auch genannt „rex regnantium",
vergl. Beger, Thes. Br. II, 864.
No. 36. 1 sog. „Wendenpfennig", aus der Zeit der
Ottonen.
Herrn. Dannenberg, Die deutschen Münzen der
sächsischen und fränkischen Kaiserzeit. (Berlin, Weide-
B AS IL E (YS)
BASILE(LIS)
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Vou Dr. Wolshorn.
397
mann, 1876; mit 1 Karte und 61 Tafeln Abb.) S. 488 — 496
fuhrt 12 Sorten derselben auf.
S. 488 — 490: „Man begreift unter diesem Namen eine
Klasse von Münzen, welche als gemeinschaftliches Kennzeichen
auf beiden Seiten einen hohen Rand zeigen, und deren In-
schriften nur aus wenigen Buchstaben, untermischt mit bloßen
Strichen, bestehen, ganz verschieden von den eigentlichen Nach-
münzen, deren sinnlose Inschriften entweder wirklich nur durch
einander geworfene Buchstaben oder doch solche Zeichen tragen,
welche offenbar nach der Absicht des Stempelschneiders Buch-
staben vorstellen sollten. — Am ausführlichsten hat über sie
Köhne (III, 359, und Mem. St. Pet. III, 467) gehandelt. — Es
ist nicht der mindeste Grund vorhanden zu der Annahme, daß
namentlich Wenden diese ältesten Münzen, und insbesondere
diese mit Otto's Namen, verfertigt hätten. — Es ist ziemlich
ausgemacht, daß sie in den Ländern der Elbe, und zwar wohl
zum Verkehr mit den slawischen Völkern, geschlagen worden
sind. Dafür sprechen sowohl die Funde, als die wenigen In-
schriften, welche man auf solchen Münzen gefunden hat. —
Ihr Alter wird ohngefähr bezeichnet durch die Jahreszahl 970
als Anfang und 1060 — 70 als Ende." Vergl. dazu: Taf. 59,
No. 1325 — Taf. 60. No. 1361. Metall: Silber. • Größe und
Stärke: die eines goldenen Fünffrankstücks, oder die eines
20 pfennigstücks, oder genau, wie bei Dannenberg, (a. a. 0.)
z. B. No. 1343. 1347. Av. und Rev.: im Felde ein mit einem
Kreis eingefaßtes gleicharmiges Kreuz; in den Winkeln des
Kreuzes je ein kleiner Kreis oder Ringel, so: oo: als l'mschrift
dienen abwechselnd Striche und Ringel, so: lolll; bei Dannen-
berg (a. a. O.) Tf. 59, No. 1325 — Tf. 60, No. 1361, wo ähn-
liche, aber keiner sowie der obige. Nach D.'s Urteil, (der die
obige Münze wie die vorige in Augenschein genommen,) ist sie
eine Nachprägung von No. 1374.
No. 37. 1 desgl., wie No. 36.
Größe: genau wie Dannenberg (a. a. 0.) No. 1330, der
diese Münze auch sonst gleicht, nach D.'s Urteil.
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398
Münzfumle aus Ost- und Westpreußen.
No 38. 1 sehr häufig vorkommender Ottonischer
Denar oder eine „Adelheidsmünze" von Kaiser Otto LH.
und seiner Großmutter Adelheid.
Größe: die eines vormaligen Silbergroschens von Friedr.
Wilh. IV., nur ein klein wenig dünner. Metall: Silber.
Vergl. Hermann Dannenberg, Die deutschen Münzen
der sächs. und fränkisch. Kaiserzeit. (Berlin, Weidemann,
1876; mit 1 Karte und 61 Tafeln Abb.) S. 450—456 (mit Tafel
52, No. 1164 — 1170) handeln von den „Adelheidsmünzen". D.
sagt: „Keine Münzsorte ist in den Funden stärker vertreten,
als die mit diesem Namen bezeichnete, oder genauer diejenige
Art, welche auf dem Av. den Namen und Titel eines Königs
Otto, auch Oddo, auch mit Kopfbild, auf dem Rev. ein Kirchen-
gebäude mit hinzugefügtem ATGAHLHT (oder ähnlich,) zeigen.
Dieser Otto = Kaiser Otto HI.; sie sind in Sachsen zu Hause,
wegen des Silbers in den Harzbergwerken; Prägezeit: zwischen
991 und 995 n. Chr., unter Otto HI.; Prägeort: mit ziemlicher
Sicherheit Magdeburg; Adelheid = Athelheidis, Adeleida, Ade-
lais, Adelas u. s. w. = die berühmte Adelheid, Wittwe des
Kaisers Lothar H. und Gemahlin Otto's des Großen."
Av.: ein gleicharmiges Kreuz, im Felde, in einen Kreis
eingefaßt; in 3 Winkeln des Kreuzes ist noch zu lesen: U.O. S.
Rev.: ein Kirchengebäude, in rohen Strichen, (im Felde;) Um-
schrift, soviel von ihr noch leserlich ist: TT *i* E3- In dem
ganzen Buche von D. ist unter den 1383 Abb. keine, welche
der vorliegenden Münze genau entspräche; auch die Umrisse
des Kirchengebäudes finden sich in den Abb. bei D. ganz anders,
als bei dieser Münze. Die Größe der Münze entspricht genau
der in Abb. No. 1390. Nach D.'s Urteil ist obige Münze eine
Nachprägung von No. 1167.
No. 39. 1 Kupfermünze, der Zeit des lateinischen
Kaiserthums, wohl irrig, zugeschrieben. Latein. Kaiserthum:
1204 — 1261. Größe: die eines vormaligen Dreipfennigstücks.
Av. ; Christus, mit Heiligenschein, das Bibelbuch in seiner
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Von Dr. Wolsborn.
399
Linken vor sich haltend. Rev.: ohne Umschrift; im Felde ein
Kreuz mit 2 längeren senkrechten und 2 kürzeren Schrägbalken;
an dem Punkte, wo die 4 Balken sich treffen, ist wieder ein
kleineres Kreuz eingelegt, so: X ; zu den Seiten des großen
Kreuzes größere und kleinere erhabene Punkte (Kugeln) und
arabeskenartige Verzierungen. Vergl.: Gr. Sehl u mberger,
Numismatique de l'Orient Latin. (Paris, Leroux, 1878. 4°.) Zu
Av. und Rev.: Tf. I, No. 13 und 15. Der Größe nach paßt die
Münze genau auf No. 15; ob Rev. mit Umschrift, (wie No. 15),
oder ohne Umschr. (wie No. 13.), ist nicht mehr zu sehen, da
der Rand der Münze und ein Theil des Feldes abgescheuert ist.
Die Form der Punkte (Kugeln) am Kreuz stimmt genau zu
No. 13. — Schi, sagt weiter, pag. 20 — 22: Av.: „Büste du
Christ, avec le nimbre crucigere, tenant les Evangiles de la
main gauche, entre les sigles Cl et EX." Rev.: „Croix latine,
ornee ä chacune de ses extremites de quatre globules, un gros
et deux petits, portant au centre quatre rayons, formant une
seconde petite croix recroisant la premicro. Celle-ci a, en outre,
pour base des ornements en fleurons. Appartenant, selon touto
probabilite, a une epoque posterieure et tres-vraisemblablement
au regne de Baudoin II. du Bourg, 1118—1131, conite d'Edesse,
roi II. de Jerusalem (p. G3 und 64.)" — Sie werden gefunden
namentlich bei Beiruth, Aleppo und selbst bei Bagdad (p. 22).
— S. 22 : „Elles sont tres-souvent surfrappees sur dos • types
primitifs, le plus souvent tout a fait meconnaissables; parfois,
cependant, ce sont d'anciens types imperiaux, appartenant aux
empereurs des dixieme et onzieme siecles. En voici une sur
laquelle apparaissent des traces evidentes de la lögende de
Michel VII. Parapinace qui fut empereur a Byzance de 1071
a 1078 (gravee, pl. I, 15.) Comparez cetfce piece surfrappee
avec la monnaie du meme Michel VII., gravee dans Sabatier
(pl. 51, 8.)"
Vergl.: Sabatier, Description generale des monnaies by-
zantines. (Paris, 1862.) II, S. 235 : .,on ne connait jusqu' ici
aueune monnaie certaine des empereurs latins; mais on peut
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400
Münzfunde aus Ost- und Westprenfcn.
attribuer avec assez de probabilite les cuivres anonymes suivants,
dont presque toujours une face porte l'image du Christ en buste,
debout ou assis, et l'autre cöte une croix plus ou moins ornee
et posee quelquefois sur le croissant."
No. 40. 1 silbern. Brakteat, aus Fulda oder der Elb-
gegend, (vielleicht Magdeburger Land,) aus dem Anfang des
13. Jahrh. Av.: eine Bischofsgestalt, in sehr undeutlichen Um-
rissen. Größe: genau die eines Einmarkstücks. Metall: sehr
dünnes Silberblech.
No. 41. 1 desgl. silberner Brakteat, aus Fulda oder
Hersfeld, aus der ersten Hälfte des 13. Jahrh. Av.: ein Bischof
in sitzender Stellung, mit seinen Insignien. Größe: genau die
eines Einmarkstücks. Metall: sehr dünnes Silberblech.
No. 42. 1 deuts che, silberne, nicht seltene Medaille,
aus der Zeit um 1550 n. Chr. Av.: Brustbild des Heilandes,
nach links schauend, mit bis auf die Schultern langendem Haupt-
und vollem Barthaar; en haut relief; die Medaille ist mit einem
hervorragendem Rande eingefaßt; an der Seite des links schauen-
den Gesichts steht: "CT — ?,tir - Ijeschu', und in gleicher Reihe
recht« am Rand : N — einem verkehrt gestellten lat. Z j z 1 oder N n ;
aber nach der Buchstabenform auf dem Rev. zu schließen, ist es
" |ein hebräisches Ajin;i also die vier getrennten Buchstaben
in einem Worte gelesen, ergiebt: = [je-sehu-a — Jesus.1
Rev.: liest man folgende hebräische Buchstabon, in fünf Zeilen
ungleichmässig vertheilt:
in Wörter abgetheilt:
rnpa |maschiach| = (Messias,)
^ImälSch j - König.j
KS |bä = 'kommt!
> = Oritra | beschalöm | =- f in, mit Frieden, ;
| me-adam \ = | von einem Menschen ,
VTWy = TP^ttg 'asijätho | = |sein Thunj
rrm
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Von Dr. Wolsborn.
401
oder zu lesen (was bessern Sinn giebt): 'v^fe? 1 asujatho ! =
seine Entstehung. | rad.: nbr = facere.
Offenbar verstand der Medaillengraveur nicht hebräisch,
daher sind die Buchstaben: ", *i, und */2, N untereinander leicht
zu verwechseln.
Es ist zu vennuthen, daß diese Medaille bei Taufen dem
Täufling zum Geschenk gemacht wurde. Obgleich ich ziemlich
viele Bücher, die über Münzen und Medaillen handeln, nach-
gesehen habe, so fand ich sie doch nirgends erwähnt oder be-
schrieben. Größe: wie ein Thaler Friedrich's des Großen, von
1786, aber halb so stark.
No. 43. 1 spanische Silbermünzo, aus dem spanischen
Amerika, wahrscheinlich aus der Zeit Philipp III. oder IV. Die
Münze ist durch den Gebrauch sehr abgeschliffen; Av.: un-
leserlich; Rev.: erkennbar ein Krückenkreuz mit Rosen (?) in
den Winkeln. Größe und Stärke: die eines 20 -Pfennigstücks.
Vergl. : A. Heiss, Descripcion general de las monedas
hispano-christianas desde la invasion de los Arabes. (Madrid,
1865 — 69. 4°; mit 204 Tafeln Abb.; ohne Beschreibung) wo
öfters Münzen mit Krückenkreuzen abgebildet sind, aber von
all den abgebildeten Münzen gleicht nicht eine genau der vor-
liegenden. Philipp III. = 151)8-1621 ; Philipp IV. = 1621
bis 1665.
No. 44. 1 südindischer Fanam (Silber). Form und
Größe: oval; fast so groß, wie die kleinste mir bekannte Münze,
ein silbernes schwedisches 5Örstück; man könnte sagen schlecht-
hin: so groß, wie ein Wassertropfen oder wie eine getrocknete
gelbe Erbse; Stärke: noch eine Kleinigkeit stärker, als ein
Markstück am Rande (9 mim.) Av. : eine Figur in Eigestalt
— 2 verschlungene C, so: ^£ = Carl, Charles IL, 1640 bis
1685, König von England. Rev.: man sieht eine Menschen-
gestalt, vom Kopf bis in die Mitte des Leibes; das Haupt be-
deckt ein altmodischer Cylinderhut von der Mode im Anfange
unseres Jahrhunderts, d. h. mit breiten Krämpen und von diesen
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402
Münzfunde aus Ost- und Westpreußen.
ab aufwärts breiter werdend; in beiden Händen hält die Figur
je einen Stab, der nach oben dicker wird, also in Gestalt einer
Keule. Die Menschengestalt =* Gott (Götze) Swami. König
Karl II. von England ließ solche Fan am (so heißen diese
Münzen) für die Präsidentschaft und Stadt Madras, auf der
Ostküste des südl. Vorderindien^ prägen. — Man bedenke: ein
christlicher König läßt Münzen mit heidnischen Götzenbildern,
in Verbindung mit seinem Namen, prägen! In dieser Art der
Abscheulichkeit giebt er Ludwig XIV. von Frankreich, seinem
Zeitgenossen, der auf Münzen und Medaillen ,,rex Christian issi-
musu sich zu nennen beliebt, nichts nach.
Die kleine Münze ist gut erhalten.
Bemerkungen zu den vorbeschriebenen Münzen:
"Wie die Dirhem's (No. 1 — 15), so sind auch diese Num-
mern (16—44 - 29 Stück) in den Jahren 1850—1880 in der
Umgegend von Oliva, Conradshammer, Zoppot, in der Nähe des
dortigen Seestrandes, in und um Set. Albrecht, und auf dein
nahen Capellenberge, an der alten Radaune — um einen größeren
Ort als Mittelpunkt zu merken: in der Umgegend von
Danzig, nach der See zu, — gefunden und von Herrn
J. N. Pawlowski, Hauptlehrer in Set. Albrecht, gesammelt
worden. Ihre Ächtheit werden die Herren: Prof. Dr. v. Sallet,
Direktor des K. Münzkabinets, in Berlin; Dr. Menadier, I. Assi-
stent im genannten Münzkabinet; Gerichtsrath Herrn. Dannen-
berg, Verfasser des werthvollen Buches ,rDie deutschen Münzen
der sächsischen und fränkischen Kaiserzeit;1' (Berlin, 1876.) in
Berlin; Adolf Weyl. Sachverständiger in Münzangelegenheiten.
Münzen- und Medaillenhändler, Herausgeber der „Berliner
Münzblätter", in Berlin, — der Wahrheit gemäß bestätigen
können. Die Überzeugung der Ächtheit und ihres Fundes an
den oben genannten Stellen bei Danzig (Set. Albrecht) wird
jedem Unpartheischen aus der Beschreibung, speciell aus den
Citaten, unschwer einleuchten. Denn daß sie vereinzelt gefun-
V« »ii Dr. Wolsborn.
403
den worden sind, kann nicht als Beweis gegen ihre Ächtheit
(wie dies ein junger Professor hier thun wollte,) nur theoretisch
angeführt werden. Vereinzelte Münzen und Alterthumsfun d-
gegenstände kommen gerade in den beiden Provinzen Preuüen,
speciell in der Nähe Elbing's vor. G. Schlumberger, Les Prin-
cipautes Franques du Levant. (Paris, Leroux, 1877.) sagt
pages 3. 4.: ,,N'est-il pas curieux de decouvrir aux rives
du Jourdin, sous les decombres d'Edesse ou de Jerusalem, dann
les ruines de ces glorieux chäteaux du Karak des Chevaliers ou
de la Pierre du Desert, placees eomme des sentinelles perdues
a l'entree de l'immense Asie, un humble denier, une vulgaire
obole, frappes dans quelque obscure seigneurie des bords de la
Loire ou des vallons de Bretagne, ä Gien, a Guincamp, ou sur
le flanc des Pyrenees, ä Melgueil ou ä Morlaas-de-Bearn? Quelle
histoire emouvante, bizarre, presque toujours tragique, pourraient
raconter ces petites pieces laides et mal frappees qui du beau
et lointain pays de France sont venues terrainer leur destinee
sous les debris de quelque forteresso de terre sainte pour repa-
raitre apres huit siecles d'oubli et etre vendues par le brocan-
teurs indigenes aux touristes de Londres ou de New -York!
Quelle longue et penible odyssee que celle de ces petites pieces
apportees dans rescarcelle du pauvre olerc ou du chevalier de
fortune! De (juel drame final elles temoignent bion souvent
lorsque, retrouv^es en nombre au pied de quelque vieille ruine,
elles viennent raconter un de ces faits d'attaque subite etc.
Tantöt on les retrouve isolees, tantot, et le plus sou-
vent, en nombre considerable.4'
"Was hier von den abendländischen mittelalterlichen Münzen,
die man im Morgenlande fand und noch findet, gesagt wird,
kann, umgekehrt, auch von den griechischen, römischen und
morgenländischen Münzen, die man bei uns, im Abondlande, im
Gebiete der Ostsee, findet, behauptet werden.
Die Bemerkung über die GröÖenangabe bei den ersten
15 Münzen gilt auch hier.
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404
Münzfuwlf uns Ost- nwl WwfprcnBen.
Die Reihenfolge obiger 29 Münzen ist nach den Zeiten,
denen sie angehören, geordnet; demgemäß umfassen sie den
Zeitraum von circa 200 v. Chr. bis c. 1<>80 n. Chr., also im
Ganzen etwa 1880 Jahre.
Als seltene, in Ost- und Westpreußen wohl noch nicht
dagewesene, Funde müssen die Münzen der byzantinischen
Kaiser, die ägyptischen und griechischen Münzen hervor-
gehoben werden.
Berlin, im Februar 1886.
Dr. E. Wolsborn,
Pfarrer emer.
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Zu „Peter v. Dusburg und das Chronicon Olivense."
Zur Entgegnung.
Von
W. Fuchs.
Im Jahrgange 1884 dieser Zeitschrift p. 621 — 636 hat der
Bibliothekar zu Halle Dr. M. Perlbach meine in Heft 2 und 3
desselben Jahrganges erschienene Arbeit über „Peter von Dus-
burg und das Chronicon Olivense" einer anscheinend recht ein-
gehenden Kritik gewürdigt. Meine in dieser Arbeit ausge-
sprochene Ansicht, daß der erste Teil von Peter v. Dusburgs
Cronica Terre Prussie fast ausschließlich auf die von einem un-
bekannten Verfasser herrührende Ordensgeschichte, welche in
die ältere Chronik von Oliva eingeschoben ist, und in zweiter
Linie auf den sogen. Bericht des Hm. Hermann v. Salza zurück-
gehe, hat Herrn Perlbachs Beifall nicht gefunden, der 1871 in
seiner Göttinger Dissertation „Die ältere Chronik von Oliva",
die der meinigen Auffassung entsprechende, 1861 zum ersten
Male von Hirsch bei der ersten Ausgabe der Chronik geäußerte
Ansicht bekämpft und jene kurze Ordensgeschichte für ein aus
Jeroschin und Dusburg compiliertes Werk des 14. Saec, her-
rührend von demselben Verfasser wie die ganze Olivaer Kloster-
chronik, erklärt hatte. Wenn ich nun auch ohne Bedenken
406 Zu .,Poter v. Dusburg und das Chronicon Oliveuse."
zugebe, daß ein Teil der von P. meiner Abhandlung — einer
Erstlingsarbeit — gemachten Vorwurfe zutreffend ist, so muß
ich doch von vorneherein konstatieren, daß Herr P. zahlreiche
und gerade die gewichtigsten meiner Gründe und Beweise mit
vornehmer Ruhe einfach ignoriert hat; Herr P. handelt nach
berühmten Mustern ; vornehme Gelehrte schweigen das, was nicht
in ihren Kram paßt und was noch dazu von einem unbekannten
Autor kommt, einfach tot.
Dies allein hätte mich noch nicht zu einer Erwiderung
veranlaßt, da diejenigen Kenner der preußischen Geschichte,
welche nicht nur Recensionen sondern auch die denselben zu
Grunde liegenden Arbeiten zu lesen und zu prüfen gewohnt sind,
auch ohne mein Zuthun erkannt haben würden, daß es Perlbach
eben nur gelungen ist, eine Reihe von Fehlern in meiner Arbeit
aufzudecken, keineswegs jedoch, das Resultat derselben als durch-
aus falsch zu erweisen, und noch viel weniger, seine gänzlich
unhaltbare Ansicht, daß die Ordensgeschichte im Chron. Oliv,
wesentlich auf Jeroschin beruhe und Mitte Saec. XIV abgefaßt
sei, aufs neue zu erhärten.
Der offenbar gehässige und spöttische Ton des Artikels
jedoch — ich verweise nur auf den Schluß des Aufsatzes und
den gänzlich unmotivierten Ausfall gegen meinen Lehrer — zwingt
mich zu einer kurzen Entgegnung, die ich leider aus Gründen
persönlicher Natur erst jetzt erscheinen lassen konnte. —
Die beiden Beweise, welche ich dafür angeführt, daß die
auf Schritt und Tritt zu beobachtende Uebereinstimmung zwischen
der Ordensgeschichte des Chron. Oliv, und Jeroschin in umge-
kehrter "Weise, wie Perlbach es will, nämlich durch Benutzung
der Ordensgeschichte seitens Jeroschins zu erklären sei, hat P.
nicht anerkennen können. Triumphierend bemerkt er (Altpr.
Monatschrift p. 631) zu meiner (und Webers) allerdings unrichti-
gen Bemerkung p. 208/9 „Jäger konnten doch wohl nicht Ordens-
ritter werden" „sie wissen das besser als der Ordenspriester
Nicolaus von Jeroschin, scheinen aber von Halbbrüdern oder
Von W. Fuchs.
407
dienenden Brüdern nie etwas gehört zu haben. Es ist also
garnicht nötig anzunehmen, daß hier ein Mißverständnis Jero-
schins aus den Worten der Chronik ,fratribus~^in Balga existen-
tibus' vorliegt." Perlbachs Folgerung ist jedoch falsch, es bleibt
immer die Notwendigkeit, die betr. Stelle im Chron. Oliv, so
zu übersetzen, wie Weber und ich es wollen und damit auch
die, ein Mißverstehen dieser Stelle durch Jer. anzunehmen. Es
wird sogar jetzt das Mißverständnis, welches Jeroschin passierte,
viel erklärlicher: konnten Jäger, wie ich irrthümlich angenom-
men, nicht Mitglieder des Ordens werden, so war es viel unbe-
greiflicher — als im entgegengesetzten Falle — daß Jeroschin
die Worte der Chronik ,dimissis duobus venatoribus fratribus in
Balga existentibus valedicens omnibus cum suis ad propria reme-
avit* in so eigentümlicher Weise übersetzte, daß eine thatsäch-
liche Unwahrheit herauskam. Das fällt nun fort und es bleibt
nur sein Mißverstehen dieser Stelle, welche ja allerdings durch
die Häufung von drei Participien leicht Veranlassung zu seiner
falschen Uebersetzung geben konnte; denn daß in der Chronik
die Stelle falsch übersetzt wird, wenn man die Worte ,fratribus
in Balga existentibus* zu dem vorangehenden venatoribus und
nicht zu valedicens zieht, das wird ohnehin jedem Unbefangenen
einleuchten ; es wird aber noch gesichert durch die Parallelstelle
Chron. Oliv. 685, wo es von König Ottokar heißt „valedicens
fratribus cum suis ad propria remeauit." Daß nun andererseits
niemand glauben wird, der Verfasser der Olivaer Chronik hätte,
als er — nach Perlbach — Jeroschin kompilierte, dessen Angabe :
„di beide brüdre wurdin
sint in dem dütschin ordin"
in der Weise übersetzen können, daß gerade ein so zweifelhafter
Sinn herauskommt, scheint mir auch sicher, und habe ich
in meiner Dissertation p. 206 gerade darauf als einen Haupt-
grund meiner Annahme bereits hingewiesen.
Zu der zweiten Stelle Jer. 6359-64, Chron. 681, welche
ich zum Beweise für die Abhängigkeit der Chronik von Jer.
herangezogen, da Jeroschin hier statt der Angabe Dusburgs, es
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408
Zu „Peter v. Dusburg und das Cbronicon Oliveuae."
seien in Sartowitz 150 Frauen „cum parvulis" gefangen, die
abweichende hat^ daß dieselben „sundir ire barin" gefangen
seien, was ich aus dem Mißverstehen der Worte in der Chronik
exceptis parvulis erklärte (p. 209), bemerkt nun Perlbach, er
sehe nicht ein, warum Jer. aus der Chronik diese Aenderung
entnommen haben müsse. Nun finden wir doch aber einen von
Perlbach selbst nachgewiesenen, auf Schritt und Tritt zu beob-
achtenden Zusammenhang der beiden Quellen mit häufigen wört-
lichen Anklängen: Ist da eine solche Annahme nicht geradezu
geboten? Kann dagegen Perlbachs Vermutung, Jer. hätte diese
abweichende Notiz in dem verlorenen Gedicht des Hochmeisters
Luther v. Braunschweig über d. hl. Barbara gefunden, zur Gel-
tung kommen?
Jedenfalls ist es Perlbach keineswegs gelungen, diese beiden
Gründe für die Annahme direkter Benutzung der Ordensgeschichte
seitens Jeroschins zu entkräften ; eine große Keihe anderer Gründe
für diese Annahme der Superiorität der Olivaer Ordensgeschichte
ergiebt sich bei genauer Vergleichung des Textes derselben mit
dem von Jer. und Dusburg; ehe ich jedoch daran gehe, eine
kurze und übersichtliche Zusammenstellung der charakteristischen
Originalnotizen und Abweichungen Olivas zu veranstalten, aus
welchen sich jene weiteren Gründe ergeben, will ich vorweg
kurz auf die von P. so nachdrücklich hervorgehobenen „selt-
samen und mit unserer sonstigen Kenntnis im Widerspruch
stehenden Dinge" (p. 624) eingehen, welche ein Zeitgenosse, für
den ich ja den Verfasser der Olivaer Ordensgeschichte halte, un-
möglich hätte berichten können.
1. Wenn P. auf p. 624 unter diesen seltsamen Dingen auch
den Umstand anführt, daß Ohron. Oliv. (p. 676) berichtet, Hono-
rius III hätte dem Hm. Herman v. Salza die Freiheit gegeben,
Ringe an seinen Fingern zu tragen — was durch Mißverstehen
der betr. Stelle bei Dusburg zu erklären sei — so hat P. nur
vergessen anzumerken, daß das Wort, auf welches es hiebei an-
kommt, ,amiu!is' nicht in allen Codices, sondern nur in A. u. L.
so überliefert ist, während die Codd. Saec. XVII die — meiner
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Von W. Puchs.
401)
Meinung nach richtige — Lesart annalo haben.1) Diese letztere
läßt einen durchaus richtigen Sinn zu, und wir werden nach
Annahme derselben in der ganzen Stelle des Chron. Oliv, eben-
falls nur eine Bestätigung der urkundlichen Nachricht finden,
daß der H. M. vom Papste als Symbol seiner fürstlichen Würde
den Bing erhielt (Dusb. I, 6 „in signum hujus principatus domi-
nus papa annulum ei optulit.")
2. Perlbach bemerkt ferner p. 624 „Den 1245 verstorbenen
Bischof Christian von Preußen bezeichnet unser Chronist p. 676
als ersten Bischof von Culm in prophetischer Voraussicht, daß
ihn ebenso der älteste Catalog der Culmer Bischöfe 50 Jahre
später nennen wird." Dieser Umstand allein also, daß 50 Jahre
später im Culmer Bischofskatalog Christian ebenso genannt wird,
genügt Herrn Perlbach, der sich rühmt, daß er sein Urteil nie
praejudiciere, während ich immer gleich voraussetze, was erst
1) Daß es wohl zulässig ist, hie und da die durch Codd. Saec. XVII
überlieferten Lesarten denen der älteren Codd. vorzuziehen, beweist der in
meiner Dissertation bei Erörterung des Handschriftenmaterials hervorge-
hobene Umstand, daß diese jüngeren Handschriften, so nachlässig sie auch
angefertigt und so wenig bessere Lesarten sie daher auch bieten, doch keines-
wegs als — wenn auch nur indirekte — Ableitungen eines der vorhandenen
älteren Codd. anzusehen sind. Findet sich doch auf p. G81 ein Beispiel
davon, daß uns die jüngeren Codd. eine zwar verderbte, aber noch an das
Original erinnernde Lesart bieten, während die älteren eine Aenderung vor-
genommen haben: Codd. B. 6. schreiben ,per Lithwinos missus4 welches
letztere Wort an der Stelle ganz unverständlich, offenbar durch das originale
, occisus4 zu ersetzen ist, aus welchem es durch flüchtiges Lesen des viel-
leicht undeutlich geschriebenen Wortes corrumpiert wurde; die Codd. Saec. XV
haben statt dessen das dem Sinne nach allerdings richtige Wort ,interfectus4
das natürlich aber niemals Veranlassung zu der Corruptel ,missus4 geben,
also nicht original sein konnte. Dies eine Beispiel beweist zur Genüge, daß
die jüngeren Codd. nicht abhängig von den älteren sind, sondern — wahr-
scheinlich noch durch Vermittlung von Zwischengliedern — auf das allen
gemeinsame Original zurückgehen. Uebrigens zeigt die an der oben er-
örterten Stelle offenbar falsche Lesart von Cod. A. „qui (st. quod) in digi-
tis suis anulis posset uti" deutlich, daß auch hier eine Corruptel vorliegt;
zudem ist es auch ganz erklärlich, daß durch Schuld eines Abschreibers aus
dem ursprünglichen annnlo infolge des Gleichklangs der vorhergehenden
Worte digitis suis die Form anulis entstehen konnte, während das umge-
kehrte viel weniger erklärlich wäre.
Altpr. Monatwchrift Bd. XXIII. Hit. 6 u. 6. 27
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410 Zu „Peter v. Dusburg und das Chronicon Olivenae."
zu beweisen sei, zum Beweise dafür, daß jene Bezeichnung vom
Culmer Bischofskatalog abhängig und nicht vor 1260 gebraucht
und geschrieben sein kann; die Anm. 68 meiner Arbeit, in
welcher ich ganz ausführlich eine andere Erklärung dafür ge-
geben, hält natürlich P. der Beachtung nicht für wert.
3. Weiter rechnet P. zu den ganz seltsamen Dingen, welche
der alte Chronist berichtet, auch den Umstand, dass er die
Burg Nessau 1226 für den D. Orden erbaut werden läßt, welcher
von da aus 5 Jahre lang die Preußen bekämpft, während die
Schenkungsurkunde der Burg erst von 1230 datiert (Pr. Urk.
nr. 76). „Wahrscheinlich haben die Ritter dort vier Jahre zur
Miete gewohnt" bemerkt P. höhnisch. P. hätte statt dessen
lieber auf eine Erörterung resp. Widerlegung meiner Erklärung
p. 243/44 eingehen sollen; ich habe daselbst darauf hingewiesen,
daß, da dem alten Chronisten wohl nur das Jahr 1226 als das
der ersten Verleihung von Land etc. an den Orden (Urkunde
Kaiser Friedrichs II. v. J. 1226) und zugleich als das der ersten
Sendung von Ordensrittern nach Preußen, sowie ferner das
Jahr 1231 als das des Weichselübergangs und der Gründung
von Thorn sicher bekannt waren — ich halte dies bei einem
erst ca. 30 Jahre nach diesen Ereignissen schreibenden Chro-
nisten des 13ten Säe. für durchaus nicht wunderbar — es auch
ganz natürlich erscheinen muß, wenn er das erst vier Jahre
später erfolgte Eintreffen Hermann Balks und die Occupiertmg
von Nessau durch die Ordensritter ebenfalls auf das erste dieser
beiden Jahre, 1226, zurtickverlegte und demgemäß die Ritter
noch 5 Jahre lang, bis 1231, mit den Heiden kämpfen ließ.
4. Als durchaus nicht schwerwiegend, und bei einem Ver-
fasser von der Art unseres alten Chronisten, der eben kurz vor
1260 wohl größtenteils nach mündlicher Tradition oder aus
persönlicher Kenntnis herausschrieb, ganz erklärlich, erscheint
mir endlich die von Perlbach p. 625 so hervorgehobene — von
mir übrigens weder jetzt noch früher geleugnete — Verwirrung
in der Chronologie, die ich leider nicht ebenso wie Herr P. zu
den Dingen rechnen kann, die einem zeitgenössischen Chronisten
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Von W. Fuchs.
411
„unmöglich passieren" können; noch weniger Gewicht lege ich
auf einen solchen Irrtum, wie die Verwechselung des Legaten
Opizo von Mezanum mit dem Legaten Wilhelm von Modena;
den großen Irrtum hingegen in Betreff der beiden Bogleiter
Ottokars von Böhmen gebe ich jetzt auf zu erklären und zu
rechtfertigen; auch diese Stelle — welche von einem Markgraf
von Mähren und Oesterreich spricht, während Ottokar selbst Herr
der beiden Länder war — in dem ganz offenbar durch späteren
Zusatz veränderten Passus über Ottokar, ist jedenfalls inter-
poliert; in meiner Dissertation p. 219 habe ich ausführlich
darauf hingewiesen, daß an dieser Stelle die spätere Interpolation
dadurch zur Evidenz verraten ist, dass eine Randbemerkung,
welche die ursprünglichen, durchaus unverdächtigen kurzen An-
gaben der alten Chronik über Ottokars Zug, durch viel zu große
unhistorische und wahrscheinlich aus Dusburg entnommene An-
gaben (,supra LX millia' Begleiter Ottokars) erweiterte, von
einem Abschreiber des Originals an eine falsche Stelle, näm-
lich hinter die den Satz — wie gewöhnlich in der Ordens-
geschichte — schließende Jahreszahl gesetzt wurde; Perlbach
nimmt in seiner Becension hie von in seiner von mir schon oben
charakterisierten Manier nicht die geringste Notiz, unterläßt es
aber natürlich nicht, gerade die Stelle über den Zug Ottokars
ganz besonders zum Beweise dafür heranzuziehen, daß der Ver-
fasser der Chronik kein Zeitgenosse sein könne. Freilich hatte
ich nun in meiner Dissertation p. 477, trotzdem daß, wie schon
bemerkt, gerade an dieser Stelle die spätere Ueberarbeitung der
Chronik so klar zu Tage liegt, dennoch in dem Bestreben, von
dem vorliegenden Texte soviel als möglich zu retten, versucht,
für die schon von Töppen u. A. als auffallend hervorgehobene
Stelle, welche unter den Begleitern Ottokars einen besonderen
Markgraf von Mähren und Oesterreich aufführt, eine Erklärung
zu geben, die, wie ich jetzt gern zugebe, nicht stichhaltig ist;
es bleibt eben nichts übrig als auch die Worte (Chron. Oliv. 685)
„et ducem Austrie et marchionem Morauie" auf Rechnung des
Interpolators zu setzen.
27»
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412 Zu „Peter v. Dusburg und das Chronicon Olivense."
Damit wäre erledigt, was P. unter Rubrik 4 seiner Recension
über den Stand der „Kenntnis der erzählten Thatsachen in
unserer Chronik" gegen meine Ansicht vorzubringen hat; seine
Ausführungen unter No. 1 „Zeit der Abfassung" (p. 622) bieten
nichts Wesentliches; aus denen über No. 2 „Ort der Abfassung"
möchte ich nur hervorheben, daß P. meint: „Am meisten scheint
er [der Verf. der Oliv. Ordensgeschichte] in Culm zu Hause zu
sein;" ich habe gegen diese Annahme nichts einzuwenden, wenn
ich auch nicht glaube, daß die von P. (p. 623) dafür vorge-
brachten Belege zum Beweise ausreichend sind. Unter No. 3
„Person des Verfassers" erklärt2) P., daß der Verfasser der
Ordensgeschichte im Chron. Oliv, vielleicht der Probst eines
(1267 in Culm urkundlich erwähnten) Cisterzienserinnenconvente
sei, „da er in Culm Bescheid weiss und polnisch verstanden zu
haben scheint;" gerade eben so gut könnte er aber auch einem
der anderen vor 1260 schon in Preußen existierenden Orden
z. B. dem der von Perlbach erwähnten Predigerbrüder in Culm
angehört haben; daß diese in der Olivaer Ordensgeschichte nicht
gemannt werden, ist doch kein Beweis dagegen, denn diese
kurze, die Ereignisse dürr heruntererzählende Chronik erwähnt
überhaupt nur p. 676 den Cisterzienserorden als denjenigen,
welchem der Bischof von Preussen Christian angehörte. Perl-
bachs Schlussatz: „Ein positives Resultat scheint mir hier nicht
möglich" ist durchaus zutreffend ; in dieser richtigen Erkenntnis
habe ich daher in meiner Dissertation es unterlassen auf diese
Frage weitläufig einzugehen oder gar wie P. es thut, aus
gänzlich unzureichenden Gründen die Autorschaft jenes Probstes
zu conjicieren; daß man sich hier mit einem non liguet be-
gnügen muß, lag eben klar zu Tage. — Unter No. 5 „Quellen
der alten Ordensgeschichte" tritt P. meiner Annahme entgegen,
der Anfang der Ordensgeschichte „über die Gründung des
Ordens, beruhe nicht auf der „Xarratio de primordiis etc." son-
2) Diese Erklärung ist jedoch nur fingiert; P. kommt später zu seiner
alten Ansicht zurück, dal der Verf. der Ordensgeschichte der der ganzen
Chronik von Oliva sei.
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Von W. Fuchs. 413
■
dem einer Ableitung derselben, was ich aus den abweichenden
Formen Accaron und Pathoviensis folgerte. Mag es nun auch
dahingestellt bleiben, ob diese Formen so „leichte, rein ortho-
graphische" Aenderungen sind — namentlich bei Accaron statt
Accon scheint mir dies nicht zutreffend — , die auch der Ver-
fasser unserer Chronik hätte vornehmen können; vergleicht man
die Narratio selbst mit dem Bericht unserer Chronik, so findet
man in letzterem ja ebenso wie in allen den übrigen die Ordens-
gründung erzählenden Chroniken (cf. meine Dissertation p. 231)
die Verwechselung der in der Narratio richtig auseinanderge-
haltenen Fakta der Hospitalsstiflung um 1190 und der Ordens-
gründung um 1198, im Uebrigen eine wesentlich verkürzte
Wiedergabe desselben Berichtes; derselbe ist derartig zusammen-
gedrängt, daß, wenn sonst nichts dagegen spräche, eine Ab-
hängigkeit desselben von dem Dusburgschen, zwar ausführliche-
ren, aber ebenso falschen, wohl angenommen werden könnte,
was ich hiemit gerne zugeben will; doch ist der ganze Passus
für sich betrachtet weder für Perlbachs noch für meine Ansicht
zum Beweise heranzuziehen.
Unter No. 6 von dem „Zwecke unserer Ordensgeschichte"
behandelt nun P. den Schlußsatz der Chronik „ . . . . tota Pru-
sia fidem suscepit" und den vorausgehenden Abschnitt, wonach
der Comthur von Königsberg 1256 ,,omnes reliquos Pratenos
fidei subjugavit" und kommt, da es doch feststehe, daß die drei
östlichen Landschaften erst infolge und nach dem großen Preußen-
aufstande, nämlich 1274 — 83, unterworfen wurden, zu dem Re-
sultat, daß gerade diese Stellen den überzeugendsten Beweis
gegen meine Annahme böten, daß die Ordensgeschichte vor
1260 geschrieben sei. Ich muß gestehen, daß mir dieser Schluß
unverständlich ist; man könnte zunächst manches zur Erklärung
dieser — wörtlich genommen — unrichtigen Bemerkung des
alten Chronisten anführen, so, daß die Bewohner dieser drei öst-
lichen Landschaften Nadrauen, Schalauen, Sudauen wohl größere
Zugehörigkeit zu den Litthauern als zu den Preußen hatten,
daher vielleicht von dem Verfasser der Ordensgeschichte garnicht
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414 Zu „Peter v. Dusburg und das Chroniron Olivense."
zu letzteren gerechnet wurden; doch sieht man hievon ab, so
ist es mir immer noch völlig unerfindlich, woher man einen
solchen „Unsinn" eher einem Chronisten des 14. Saec, welcher
die Unrichtigkeit einer solchen Bemerkung, wenn nicht aus
eigner Kenntnis so doch aus den deutlichen Angaben seiner —
nach Perlbach — ja so genau benutzten Originale Dusburg und
Jeroschin ersehen mußte, zutrauen soll, als einem zeitgenössischen
Chronisten, welcher etwa 1258 aus irgend einem Grunde sein
Werk abbrach. Er sah die Macht des Ordens und die Christia-
nisierung des Landes nach scheinbar endgiltiger Besiegung der
westlichen Stämme in stetem Wachsen, sah die ersten siegreichen
Angriffe auf die östlichen Grenzgaue und glaubte sein Werk
über die Eroberung des Landes Preußen dadurch zu krönen,
daß er dieselbe als vollständig abgeschlossen hinstellte. Welche
Veranlassung aber, fragen wir vergebens, konnte der Verfasser
der Chronik von Oliva um 1350 haben, eine solche — durch
die blutigen Aufstände grausam widerlegte — Behauptung gegen
die Angabe seiner beiden Vorlagen, Dusburg und Jeroschin, auf-
zustellen? Nun, Herr Perlbach denkt anders darüber, nach ihm
(p. 629) ist „auch dem eingefleischtesten Anhänger der Theorie
von dem Alter der Ordensgeschichte in der Chronik von Oliva
durch diese Stelle klar geworden, daß wir in ihr nur ein dürfti-
ges Excerpt aus der Mitte des 14. Jahrhunderts haben." Hiefür
sprechen nun nach Perlbach namentlich auch die Bezeichnung
Christians als Bischof von Culm, und ferner die Benennung der
Gebietiger des Ordens als magister provincialis, magister gene-
ralis. Daß die erstere Bezeichnung auch ganz anders erklärt
werden kann, wie ich es in meiner Dissertation gethan, daß dies
jedoch von Perlbach einfach ignoriert ist, darauf ist schon oben
hingewiesen worden; und was jene auf das 14. Saec. passende
Benennung der Gebietiger anbetrifft, so habe ich ebenfalls bereits
in meiner Dissertation p. 227 Anm. 48 — wenn auch in anderem
Zusammenhange — geltend gemacht, daß stilistische Eigentüm-
lichkeiten innerhalb der alten Ordensgeschichte sehr wohl durch
die Annahme zu erklären seien, daß der um 1350 schreibende
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Von W. Fuchs. 415
Olivaer Chronist jenes in Oliva aufbewahrte Manuskript nicht
im Original in sein Werk einfügte, sondern es zu dem Zwecke
abschrieb und dabei einige stilistische Aenderungen vornahm. —
P. fährt p. 629 in seiner Polemik gegen mich fort, indem er
nochmals auf die verwirrte Chronologie hinweist; hinsichtlich
dreier von mir p. 211 — 216 für Interpolationen erklärten Stellen
macht es sich Herr Perlbach recht leicht und dekretirt einfach:
„Es liegt auch nicht der mindeste Grund vor, die drei von
F. 211—216 ausgemerzten Stellen für spätere Interpolationen zu
halten." Herr P. halt.es eben für ganz überflüssig, meine für
jene Ausmerzung angeführten Gründe irgenwie zu prüfen. Ich
habe p. 213—14 recht ausführlich zunächst darauf hingewiesen,
daß in dem Abschnitt der Chronik p. 684 ,Tunc deus — suo-
rum in Olyua' der Verfasser desselben in ganz anderm Stile
und viel weitschweifiger spricht als der der übrigen Teile der
Ordensgeschichte; im Gegensatz zu der streng objektiven Dar-
stellung der Ordensgeschichte spricht er hier von sich selbst in
erster Person, beruft sich auf alte Klosterbrüder von Oliva als
Zeitgenossen und Kenner des Lebens Swantopolks; ferner springt
es in die Augen, daß dieser Abschnitt die übrige Erzählung
störend unterbricht, und gerade hier finden sich eine Reihe
ziemlich auffallender stilistischer Uebereinstimmungen mit der
Klosterchronik; endlich ist es wohl sehr bemerkenswert (cf. m.
Dissert. Anm. 32) daß der sonst stets als ,dux' bezeichnete Swan-
topolk hier zwei Mal als ,princeps' figuriert. Ich überlasse es
unbefangener Beurteilung, ob diese Gründe wirklich in ihrer
Gesamtheit hinfällig und der Erwähnung nicht wert sind.
In diesen eben besprochenen Abschnitt fallen die beiden,
für einen vor 1260 schreibenden Zeitgenossen allerdings nicht
möglichen Stellen über Jacob von Lüttich und über den Ausgang
Swantopolks; bezüglich der ebenfalls interpolirten Stelle über
Wilhelm von Modena ist auf meine Dissertation pag. 215 zu
verweisen, wo ich als Grund für meine aus anderen Gründen
gebotene Annahme der Interpolation die fast wörtlich gleiche
Fassung der Nachricht von der angeblichen Papstwürde Wilhelms
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4ir>
Zu ..Pet*r v. Dusburg und das Chronieon Olivense."
von Modena mit der in jenen eben erörterten Abschnitt fallen-
den üher Jacob von Lüttich angegeben habe.
Hiebei sei beiläufig bemerkt, daß ich nicht einsehen kann,
warum der Königsberger Ordenspriester Dusburg nicht jenes in
Oliva aufbewahrte interpolirte Exemplar der alten Chronik be-
nutzt haben sollte, gleichgütig ob im Original oder in einer
Abschrift davon (cf. Perlbach p. 630). —
Bezüglich des zweiten Teiles meiner Dissertation, d. h. einer
genauen Vergleichung der einzelnen Abschnitte der Ordens-
geschichte mit denen Dusburgs giebt nun zwar Herr P., wenn
auch sehr reserviert, zu, daß die bei derselben von mir erwiesene
Berührung der Chronik mit Dusburg enger sei, als er 1871 an-
genommen, tadelt dann jedoch auf das Schärfste, daß ich in
meinen bei jener Vergleichung angewandten Schlüssen fort-
während das „berüchtigte argumentum ex silentio" angewandt,
welches „der leitende Gesichtspunkt der ganzen Untersuchung
geworden sei. Ob diese Behauptung Perlbach's, so wie die auf
der folgenden Seite p. 633, daß bis auf zwei Stellen der Ordens-
geschichte — von diesen giebt auch P. zu, daß sie „materiell
Neues" bieten — alle andern Abweichungen des Chron. Oliv,
von seinen Quellen Peter v. Dusburg und Jeroschin „aus der
Natur des Excerptes stammen", richtig ist, wird sich aus der
jetzt folgenden kurzen Zusammenstellung der charakteristischen
Abweichungen und Originalnotizen der Olivaer Ordensgeschichte
ergeben. Ich bemerke, daß P. mir bei der Gelegenheit vor-
geworfen, daß das „Verhältnis ausführlicher Darstellung zu einem
Excerpt mir ein Rätsel bleibt" und mir daher zur Lösung des-
selben die Vergleichung des „neunbändigen Voigt mit dem
kleinen Heinel" anempfiehlt. Ich hoffe durch die folgende Zu-
sammenstellung darlegen zu können, daß ich mich bei jener
Untersuchung im zweiten Teile meiner Dissertation doch auch
anderer Beweise als derer, „ex silentio" bedient habe und daß
das so abfallige Urteil Perlbach's nur dadurch ermöglicht ist
daß er die triftigsten meiner Gründe, die zum Teil schon von
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Von W. Fuchs.
417
Toeppen, Hirsch und L. "Weber vorgebracht sind, mit vornehmer
Nichtachtung zu behandeln geruht hat. —
Die wichtigsten Abweichungen der Ordensgeschichte von
Dusburg (und Jeroschin) sind folgende:
1) p. 241 8) Der Verf. der Olivaer Ordensgesch. berichtet
ausdrücklich, daß die Berufung des Deutschen Ordens
durch Herzog Konrad v. Masovien auf den Rat des Bischofs
Christian (der hier auch primus episcopus Culmensis genannt
wird, cf. oben und Anm. 68 meiner Dissertation) erfolgt sei,
während Dusburg denselben nur unter den Zeugen der Schen-
kungsurkunde, also in einem späteren Abschnitte nennt und im
Uebrigen den Herzog seine Entschließung ganz allein fassen
und den Würdenträgern seines Reiches nur ankündigen läßt.
Daß nun der Verf. der Oliv. Klosterchronik, welcher um 1350
nach Dusburg und Jeroschin — wie Perlbach will — eine kurze
Geschichte der Eroberung Preußens durch den Orden schrieb,
da die Geschichte seines Herzogs Swantopolk ihn nötigte, des
Ordens zu gedenken, seine bestimmte Angabe von der Mit-
wirkung des Bischofs Christian nur auf Grund jener Erwähnung
desselben unter den Zeugen hätte machen können, erscheint mir
schwer glaublich; sehr erklärlich dagegen, warum Dusburg trotz
seines Sammeleifers diese Notiz, wenn er sie in der alten von
ihm benutzten Ordensgeschichte fand, fortließ; zu seiner Zeit,
in welcher der Orden in beständigem Streit mit Polen hin-
sichtlich der Schenkungen Herzog Konrads lebte, mußte es dem
den Ordensinteressen blind ergebenen Priester daran liegen, den
Herzog seine Berufung des Ordens und nachfolgende Schenkung
an denselben ganz aus freier Entschließung, ohne Mitwirkung
der Kirche unü nur gedrängt durch die von den Preußen dro-
hende Gefahr ausführen zu lassen.
2) p. 242. Bei Oliva fehlt in der Schenkungsurkunde die
Anwartschaft auf Preußen, welche Dusburg dem Orden ge-
3) Anm. Ich citiere bei jeder Nummer die Seitenzahl der Altpr.
Monateschrift von 1884, in welcher meine Dissertation erschien.
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418
Zu „Peter v. Dusburg und das Chronicon Olivense."
währt werden läßt. Daß min der um 1350 schreibende Olivaer
Klosterchronist diese so wichtige Bestimmung von der Schen-
kung der zu erobernden Länder aus seinen „Originalen'' Dusb.
und Jer. nicht übernahm, ist nach Herrn P. zu erklären —
durch flüchtiges Excerpieren!
3) p. 250. Jer.: Doch bleib di burc vil manchin tac ligin
da, als si e lac.
Dusb.: manente castro; dagegen
Chron. Oliv.: Castrum cum oppido transtulerunt. 4)
4) p. 260. Die Angabe des Chron. Oliv, „principis
Mazouie Cuiauie Cracouie et Wratislaviae" stimmt mit der ur-
kundlichen Uberlieferung; Dusburg dagegen macht aus dem
princeps Cracouie et Wratislaviae einen „dux Cracovie et de
Wratislavia dux Henricus", also zwei Personen; bei Jeroschin
ist derselbe Fehler zu finden, nur stehen hier sogar die beiden
Namen nicht ein Mal neben einander. Meine Ausführungen in
der Dissert. p. 260 sind wohl dahin zu berichtigen, daß es nicht
nur wahrscheinlich, sondern ganz sicher ist, daß in der ange-
führten Stelle die beiden letzten Worte auf eine Person zu be-
ziehen sind, das Wörtchen „et" zwischen Cracouie und Wra-
tislaviae beweist dies zur Genüge. Es ist nun bei dieser Stelle
auch recht erklärlich, wie ein gedankenloser Chronist von der
Art Dusburgs, wenn er in seinem Originale die Worte „Mazouie
Cuiauie Cracouie et Wratislaviae" las und das „et" vielleicht
noch übersah aus den drei Personen seines Originales vier
machen konnte, worin ihm Dusburg folgte. Die umgekehrte
Annahme, daß Dusburgs oder gar Jeroschins falscher Bericht
an dieser Stelle Veranlassung zu dem richtigen des angeblichen
Compilators jener beiden gegeben haben sollte, ist nicht recht
einleuchtend.
4) A um. Hier, wie auch weiter unten bei einigen Nummern beschränke
ich mich auf Gegenüberstellung der betr. Angaben unserer drei Quellen und
auf Anfuhrung der Seitenzahl meiner Dissertation, in welcher die fraglichen
Abschnitte ausführlich genug behandelt sind.
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Von W. Fuchs.
410
6) p. 430. Anm. 98. Originalnotiz der alten Chronik, daß
beim Zuge gegen Balga auch „artifices und currificesa gewesen
seien. Daß der Oliraer Klosterchronist, als er — nach Perl-
bach — um 1350 aus Dusb. und Jer. sich eine kurze Ordens-
geschichte kompilierte, da die Geschichte seines Herzogs öwan-
topolk ihn nötigte, des Ordens zu gedenken, um eine solche
Angabe machen zu können, noch andere Quellen herangezogen
habe, erscheint wieder kaum glaublich.
6) p. 433. Oliva (680) erzählt den unrühmlichen Ent-
schluß der Bitter, Balga vor den Angriffen der Feinde zu
räumen; Dusburg schweigt hiervon gänzlich, obgleich gerade in
diesem Abschnitt (Dusb. III., 23) der Zusammenhang beider
Quellen bei gleichem Fortgange der Handlung und wörtlichen
Anklängen unverkennbar ist; Jeroschin erwähntes erst 50 Verse
später in der Dusburgs Cap. 25 und 26 entsprechenden Erzäh-
lung vom Kreuzzuge Ottos v. Braunschweig. Wollte man nun
dennoch annehmen, der Olivaer Klosterchronist hätte diese An-
gabe nach Jeroschin gemacht, so wäre es mir wenigstens uner-
klärlich, wie derselbe Autor, der nach solchen kleinen Zügen in
einer seiner beiden Quellen herumsuchte, deren ausführliche, ein
ganzes Capitel füllende Erzählung von dem Bau der Schnicken-
burg auslassen konnte, welcher gerade zwischen der ersten Er-
wähnung der Bedrängnis der Ordensritter in Balga und der
zweiten von ihrem Entschluß, Balga zu verlassen, berichtet wird.
Daß dieser Bau der ,.Schnickenburga zweifellos gänzlich un-
historisch und nur durch die lächerliche Oompilationsmethode
Dusburgs entstanden ist, wie wir weiter unten sehen werden,
ändert nichts an meiner obigen Behauptung, wirft aber wieder
ein klares Licht auf das Verhältnis von Dusburg zur Olivaer
Ordensgeschichte; wie merkwürdig ist doch der Umstand, daß
der Perlbachsche Ausschreiber Dusburgs bei den Kürzungen
seines Originales häufig so geschickt verfahrt, daß er aus der
falschen Angabe desselben eine richtige macht! — Außer Herrn
Perlbach wird mir übrigens hier wohl auch Jeder zugeben, daß aus
dem Fehlen jener Notiz von dem feigen Entschluß der Ritter
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420
Zu ..Petor v. Dilsburg und das Chronicon OHvcnse.'4
bei Dusburg zu folgern ist, letzterer hätte hier wieder aus
Tendenz etwas dem Orden Ungünstiges verschwiegen. —
7) p. 433. Oliva 680: „et aliud propugnaculum edificauit
Scharndo."
Dusb. III, 23 (Jer. folgt ihm wörtlich) „et aliud propug-
naculum in monte Scrandonis' edificauerunt.
Daß hier bei Vergleichung der zum Teil wörtlich überein-
stimmenden Erzählung von der Gründung der beiden feindlichen
Burgen in unsern drei Chroniken sich die Posteriorität Dusburgs
und Jeroschins zur Evidenz ergiebt, das ist zur Genüge 1884
von mir (Altpr. Monatsschr. 433) auseinandergesetzt worden:
Grund genug für Herrn Perlbach, diese meine Ausführungen
wieder einfach in seiner Recension zu ignorieren.
8) p. 435. Bei Oliva fehlt vollständig der Bau der fabel-
haften Schnickenburg, der ein ganzes Capitel Dasburgs und
Jeroschins fällt; schon Toppen. Hirsch und Weber haben darauf
hingewiesen, daß diese Geschichte nur eine andere — auf dem
sogen. Berichte des Hochmeisters Hermann v. Salza beruhende
(cf. Weber p. 32) — Tradition der Geschichte vom Bau der
Mühle bei Balga ist, welchen Dusburg bereits entsprechend
Oliva in seinem Cap. 21 erzählt hatte; seiner einfältigen Com-
pilationsmethode gemäß ging er, wenn er eine Zeit lang seiner
einen Quelle gefolgt war, immer wieder auf die andere zurück,
alles nachholend, was er aus derselben noch nicht ausgeschrieben,
so daß es ihm eben leicht passieren konnte, daß er eine und
dieselbe Geschichte in etwas anderer Färbung zwei Mal erzählte.
So bekommt er es denn auch fertig, nachdem er die Bedrängnis
der Ritter in Balga am Schlüsse von Cap. 23 mit den Worten
geschildert hatte: „sie quod extra Castrum non audebat aliquis
de cetero comparere" diese selben belagerten Ritter fröhlich und
vergnügt eine neue Burg in unmittelbarer Nähe Baigas erbauen
zu lassen; wenn er dann sein Cap. 25 mit den Worten beginnt
„Hoc tempore sicut aqua frigida sicienti venit .... in subsi-
dium fratribus in gravi necessitatio articulo constitutis", so ver-
rät er dadurch nur zu deutlich, daß die beiden auf Oliva be-
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Von W. Fuchs. 4*21
ruhenden Cap. 23 und 25 störend von Cap. 24 unterbrochen
werden. 5) Da wir die Art der Achtung, welche Herr Perlbach
den Gründen seiner Gegner zu zollen pflegt, bereits genügend
kennen, darf es kaum noch erwähnt werden, daß er auch in
diesem Falle, wo es sich mit seltener Klarheit zeigt, nicht nur,
daß Dusburg kompilierte, sondern auch wie er es that, meine
diesbezüglichen Ausfuhrungen (p. 436 cf. Anm. 104 — 107) mit
vornehmem Stillschweigen übergeht. (Auch 1871 Aeltere Chronik
p. 30—31 schweigt P. von Jeroschins V. 5260 ff.)
9) p. 441. Chron. Oliv. p. 681 hat die Notiz, daß Volkwin
und seine Ritter durch die Littauer gefallen seien, und zwar
60 an der Zahl, während Dusburg nur „plures" und Jeroschin
„wol vh-zic" sagt; Dusb. ist an dieser Stelle auffallend kurz,
weniger Jeroschin, der jedoch die Littauer der Chronik „heidin"
nennt. "Wenn nun Perlbach diese Abweichung durch Benutzung
Jeroschins seitens der Chronik erklären will, indem im Saec.
XIV. die generelle Bezeichnung „heidin" für Littauer durchaus
Üblich war und somit der Verfasser der Olivaer Klosterchronik
wissen konnte, daß mit den „heidin" die Littauer gemeint wären,
5) Anm. Der einzige Versuch, welchen Dusburg, dem doch wohl eine
Ahnung davon aufging, daß seine Darstellung nach seinen zwei Quellen
hier unverständlich bleiben müßte machte, die Angaben dieser beiden Quellen
zn vereinigen, besteht darin, daß er von der Mühle sagt, sie sei, extra
paludem (welcher Balga umgab) von der Schnickenburg dagegen, sie sei
ante pontem (seil, pahidis) angelegt, was Ewald (cf. m. Dissert. p. 435
Anm. 106—107) bewogen hat, die Anlage der Schnickenburg als historisch
anzunehmen. Abgesehen davon aber, daß die Anlage einer Burg inner-
halb des Balga umgebenden Sumpfes, also in größter Nähe der Hauptburg
herzlich schwer erklärlich ist, hätte Dusburg, um diese Angabe glaublich zu
machen, doch mindestens nicht — nach der Oliv. Ordensgeschichte — be-
richten müssen, daß die in Balga eingeschlossenen .Ritter die Burg garnicht
verlassen konnten; ein auch noch so primitiver Burgbau erfordert Zeit und
im Angesicht des belagernden Feindes Zersplitterung der — in diesem
Falle eben schon sehr geschwächten — Streitkräfte. Zum Ueberflusse aber
wird auch diese Schnickenburg weiter garnicht erwähnt und durch den An-
fang seines Cap. 25 zeigt ja Dusburg mehr wie deutlich, was von der Er-
zählung zu halten ist ; daher hat auch von sämmtlichen neueren Forschern
nur der auf Dusburg nnbedingt schwörende Ewald sie als historisch ge-
nommen.
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422 Zu „Peter v. Dasburg and da« Chronicon Olivenue."
so erscheint mir die umgekehrte Erklärung schon an sich min-
destens ebenso natürlich und noch umsomehr geboten, als sich
bei Oliva die — mit den Angaben in den päpstlichen Bullen
tibereinstimmende — originale Zahl 50 findet.
Wenn nun doch im Chron. Oliv, neben dieser originalen
Angabe sich die specielte Bezeichnung „Litwinos" findet, er-
scheint es viel natürlicher, auch anzunehmen, diese Notiz sei zu
einer Zeit geschrieben, wo die Littauer eben noch nicht die
Heiden waren, also im 13ten Saec, wo man noch andere Heiden,
nämlich die preußischen Stämme zu bekämpfen hatte, und Je-
roschin sei es gewesen, welcher diese spezielle Bezeichnung
„Litwinos" in die generelle „heidin" umwandelte, weil letztere
eben zu seiner Zeit durchaus üblich war; eine solche Umände-
rung ist bei einem Chronisten, welcher eine kurze und dürftige
Quelle in sein viel größeres "Werk verarbeitet ganz erklärlich;
weniger würde eine solche es sein in dem umgekehrten Falle,
den Perlbach annimmt, daß ein Chronist sich aus einem größeren
"Werke einen dürftigen Auszug macht; welchen Grund hatte der
ebenfalls im Saec. XIV. schreibende Olivaer Klosterchronist die
zu seiner Zeit ganz übliche Bezeichnung „heidin' 4 umzuändern,
wenn er sie in seinem „Originale" Jeroschin fand?
10) pag. 444. Chron. Oliv. 681 fehlt die unrichtige An-
gabe Dusburgs und Jeroschins, daß Papst Innocenz IV. im
Jahre 1243 auf die Klage des (bereits 1239 verstorbenen) Hoch-
meisters Herman v. Salza den Legaten Wilhelm von Modena
nach Preußen geschickt habe ; wiederum findet sich hier also die
merkwürdige Erscheinung, daß in der angeblichen Compilation
aus Dusburg und Jeroschin durch Auslassen und Kürzen beim
Excerpieren gerade das Unrichtige in der Erzählung Dusburgs
und Jeroschins fortgefallen ist!
Daß der Olivaer Klosterchronist über die Person des Hoch-
meisters H. v. Salza bessere Nachrichten gehabt haben sollte,
als seine kurz vor ihm schreibenden „Originale", die Ordens-
priester Dusburg und Jeroschin, erscheint mir wieder ganz
unglaublich, obschon dies wieder das böse argumentum ex silentio
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Von W. Fuchs.
423
ist; also müssen wir es allein dem schon mehrfach bewunderten
Glücke dieses Compilators zuschreiben, daß er durch Kürzen
beim Excerpieren wieder einen groben chronologischen Fehler
seiner beiden Vorlagen beseitigte.
11) p. 445. Die Erzählung im Chron. Oliv. 681 halt sich
von der tendenziös falschen (ct. Lohmeyer Gesch. v. O.- u.
W. Pr. I2 79) Darstellung Dusburgs und Jeroschins frei, wonach
Swantopolk die Preußen zum Aufstande aufgereizt und sich zu
ihrem „capitaneus et dux" gemacht hätte ; Chron. Oliv, berichtet
dagegen nur — ohne Zweifel der historischen "Wahrheit gemäß
— daß die Preußen die günstige Gelegenheit der Beschäftigung
des Ordens durch Swantopolk benutzt hätten, um auch ihrerseits
loszubrechen.*) Herr P. wird natürlich nicht anstehen, auch
diese Abweichung „aus der Natur des Exeerptes" zu erklären
und wir können dann nur wieder anerkennen, wie trefflich der
Klosterchronist beim Excerpieren die Fehler seiner Vorlagen zu
beseitigen verstand.
Ferner fehlen nun hier die beiden (aus Hohenlohe Cap. 5
stammenden) Angaben Dusburgs und Jeroschins vom Tode Con-
rads von Dortmund und der 4000 Christen; daß sich solche
positive und hoch bedeutende Angaben [wenn sie auch vielleicht
in Wirklichkeit etwas übertrieben sein mögen], zu denen die
meisten von Dusb., Jer. und Chron. Oliv, gemeinsam erzählten
kleinen Einzelheiten in gar keinem Verhältnis stehen, ein späte-
rer Compilator entgehen Hess, erscheint mir einfach unglaub-
lich, — obschon dies wieder das berüchtigte „argumen-
tum ex silentio" ist.
12) p. 448. Im Chron. Oliv. p. 682 findet sich eine total
abweichende Darstellung der Belagerung von Sartowitz durch
Swantopolk. (Die viel ausführlicheren, mit zahlreichen, charak-
6) Anm. (cf. m. Dissert. p. 461.) Auch Chron. Oliv. 682 gesteht der
alte Chronist zwar offen den Treubruch Swantopolk« ein (.forte mutatis con-
dicionibus') hat jedoch nicht die tendenziöse und falsche Nachricht Dusburgs
und Jeroschins, daß Swantopolk die Preußen aufgereizt, gesammelt und an-
geführt hätte.
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424 Zu ..Peter v. Dusburg und das Chronicon Olivense."
teristischen Einzelnheiten ausgeschmückten Angaben Dilsburgs
und Jeroschins an dieser Stelle stammen aus Hohenlohe Cap. 7.)
Dusburg und Jer. erzählen eine Reihe von so positiven und
wichtigen Begebenheiten, daß es unfaßbar ist, wie der Olivaer
Klosterchronist, der doch oft auch tibereinstimmend mit Dusburg
ganz unwesentliche Dinge in seiner Ordensgeschichte berichtete,
diese verhältnismäßig so wichtigen Begebenheiten hätte weg-
lassen können: allerdings wieder ein „ argumentum ex silentio."
13) p. 465. Chr. Oliv. 683 fehlt die falsche Angabe Das-
burgs (und Jer.) HI, 69 ,de Castro antiquo.' Auch hier also
wieder hat der Klosterchronist von Oliva das Glück gehabt,
durch sein flüchtiges und kürzendes Excerpieren die falsche
Notiz seiner Vorlage zu einer richtigen zu machen!
14) p. 467. Oliv. 683 hat die richtige Jahreszahl der
"Wiedererbauung Christburgs, welche bei Dusb. III, 63 und Jer.
fehlt. P. giebt hiefür die Erklärung, daß „Christburg in Pome-
sanien liegt, in welcher Landschaft die Ordensgeschichte auf-
fallend Bescheid weiß.41 Ich muß gestehen, daß mir diese „auf-
fallende" Kenntnis der Landschaft Pomesanien, welche Herr P.
bei dem Olivaer Klosterchronisten — denn den hält er ja für
den Verfasser der alten Ordensgeschichte — entdeckt haben will,
keineswegs aufgefallen ist, und da Herr P. Beweise dafür nicht
vorbringt, hingegen sehr bald die weitgehendsten Folgerungen
darauf aufbaut, so muß man wohl annehmen, daß diese Behaup-
tung aufgestellt sei, um gewisse sonst nicht ganz gut erklärliche
Dinge dadurch plausibel zu machen; aber Herr P. präjudiciert
ja nie irgend etwas erst zu Erweisendes; das thun nur solche
„historische Studien treibende Geschichtsfreunde, die mitunter
durch geniale Combinationen, z. B. über Völkerverwandtschaften,
die Mitwelt überraschen und auch der preußischen Geschichte
von Uphagen an nicht gefehlt haben" (cf. Perlbach, Altpr.
Monatschr. 1884 p. 636.) Perlbach fahrt wenige Reihen nach
obiger Behauptung von der Kenntnis Pomesaniens seitens des
Klosterchronisten fort: „Pipins Sohn hatte 1260 von Bischof
Albert von Pomesanien die Güter erhalten, seine Nach-
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Von W. Fuchs.
425
kommen waren unserm Chronisten wohl bekannt, daher
stammte seine Kenntnis vom Gründungsjahr Christ-
burgs, daher auch " und dann weiter: „Von
Mattos Nachkommen hat er natürlich auch die grausame Todes-
art Pipins erfahren.' ' Das Staunen darüber, wie Herr Perlbach
dazu kommt, ohne eine Spur von Beweis — aufler jener obigen
Behauptung — alles dies mit kategorischer Sicherheit zu be-
haupten, wird noch größer, wenn man erwägt, daß wir von dem
Verfasser der Klosterchronik von Oliva nichts anderes sicher
wissen, als daß er ein hoher Würdenträger des Klosters Oliva
gewesen! Aber Herr P. mußte hier schon in dieser Weise argu-
mentieren, da er sich sonst doch wohl auf eine Widerlegung
dessen hätte einlassen müssen, was ich p. 468—70 bei Be-
sprechung der Niederlage des Ordens bei Crücken und
der sich daran schließenden Ereignisse gegen Perlbachs Ansicht
von der Posteriorität unserer Ordensgeschichte vorgebracht hatte.
Daß in diesem Abschnitte zwischen Chron. Oliv. 683 und Dus-
burg III, 66 ein auffallender Zusammenhang stattfindet, ist bei
den wörtlichen Uebereinstimmungen garnicht zu bezweifeln;
jedoch fehlt bei Oliva jede Spur von den Angaben Dusburgs
und Jeroschins über den Marschall Botel, über den von der Er-
gebung abratenden Comthur Johann von Balga und endlich über
die gräßliche Marter, welche Dusburg an einem der Ritter voll-
zogen werden läßt, während dieselbe Marter nach Oliva (677
also an einer viel früheren Stelle) der Preuße Pipin durch die
Ritter zu erleiden hat. In meiner Dissertation p. 469 nun habe
ich bereits darauf hingewiesen, wie bei Annahme der Superiori-
tät Dusburgs es ganz unerklärlich wäre, „daß sein Compilator"
(ein hoher geistlicher Würdenträger) alle die Züge der Erzählung
wegläßt, welche die Christen entschuldigen oder ihr Martyrium
hervortreten lassen konnten, dagegen ihnen den Vorwurf macht,
daü sie an der Hilfe Gottes verzweifelnd sich ohne Verteidigung
ergaben. Dieser letzte herbe Tadel, von dem sich in den „Ori-
ginalen" Dusburg und Jeroschin nicht nur keine Spur, sondern
anstatt desselben Entschuldigungen finden, dürfte wohl in der
Altpr. MonatMchrift Bd. XXIII. Hit 5 u. ü. 28
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426 Zu „Peter v. Dusburg und dsw Chronicon Olivense."
That bei dem Olivaer Klosterchronisten als ebenso unerklärlich er-
scheinen, wie das Fehlen der Geschichte von der entsetzlichen
Marterung eines Ritters, und das Vorkommen derselben Marter-
geschichte an anderer Stelle, wo aber nicht ein Ritter, sondern
der Preuße Pipin sie erleidet. Bei der umgekehrten Annahme
nun, daß die Olivaer Ordensgeschichte Original, Dusburg der
Ausschreiber derselben ist, läßt sich alles auf das Bequemste
lösen und erklären. Der Ordenspriester Dusburg konnte natür-
lich nicht den Tadel der Ritter, welchen er in seinem Originale
ausgesprochen fand, wiedergeben, er mußte das wenig rühmliche
Verhalten der Ritter zu entschuldigen suchen und brachte daher
die Erzählung hinein, daß wenigstens einer der Ritter, Johann
von Balga, von der Ergebung abgeraten, daß die Niedermetzelung
der Christen eigentlich nur eine Folge des Treubruchs der
Preußen gewesen sei etc. Endlich konnte Dusburg lüebei auch
die Gelegenheit geboten erscheinen, um die entsetzliche Marter-
geschichte anzubringen, welche er sich aus der Lektüre der
alten Ordensgeschichte wohl gemerkt aber natürlich sich ge-
hütet hatte, an derselben Stelle und in derselben Fassung an-
zubringen, da er doch als Ordenspriester unmöglich von den
Rittern eine solche Schandthat erzählen konnte. Daß nun die
Martergeschichte an diese Stelle nicht hingehört, verräth Dus-
burg wieder selbst durch seine ungeschickte Compilations-
methode: Nachdem bereits die Niedermetzelung „Aller" erzählt
ist, fährt er fort: ,Inter istos quidem frater sie martirium fuit
passus!' "Weshalb gerade hier an einem beliebigen Ritter jene
gräßliche Marter vollzogen wird, erzählt uns Dusburg nicht; bei
Oliva muß sie der Preuße Pipin erdulden, der einer der gefähr-
lichsten Feinde des Ordens gewesen war. Doch, daß Dusburgs
Darstellung unhistorisch ist, giebt Herr P. wohl zu, da er ja zu
erzählen weiß, daß dem Verfasser der Klosterchronik die Todes-
art Pipins von dessen Nachkommen in Pomesanien erzählt wor-
den ist; auch weist er darauf hin, daß der Stoff — einer solchen
Martergeschichte — gewissermaßen in der Luft lag, da Wigand
v. Marburg sie um 1345 von einem Rigischen Kaufmann erzählt.
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Von W. Fuchs. 427
Ich muß nun bei meiner schon 1884 geäußerten Ansicht bleiben,
daß die Annahme, ein hoher geistlicher Würdenträger, wie der
Verf. der Olivaer Klosterchronik, hätte um 1350 gegen die An-
gabe seiner „Vorlagen" Dusburg und Jeroschin eine solche grau-
sige Schandthat der Ritter, verübt an einem Preußen, erzählen,
dagegen dieselbe Schandthat, verübt von den Preußen an einem
christlichen Ritter, also ein unerhörtes Martyrium des letzteren,
weglassen können, durchaus verwerflich ist; vielmehr sind die
beiden abweichenden Darstellungen der Olivaer Ordensgeschichte
richtig und bei der ersten geht schon aus ihrem Charakter her-
vor, daß sie zu einer Zeit entstanden sein muß, als bei der noch
herrschenden gegenseitigen Wuth und Erbitterung der beiden
kämpfenden Parteien den Chronisten kein beschämendes Gefühl
bei Schilderung einer so nichtswürdigen, von christlichen Rittern
begangenen That überkam. Es braucht kaum noch bemerkt zu
werden, daß auf diese Argumentation Herr P. wieder kein Wort
der Entgegnung hat. — Beiläufig möchte ich hier auf das ein-
gehen, was Herr P. (633) hinsichtlich meiner Ausführungen über
die frühen Heiraten im Mittelalter, — wodurch ich es wenigstens
als möglich hinstellen wollte, daß dem Verfasser der alten Ordens-
geschichte noch die Ururenkel jenes Pipin bekannt gewesen sein
könnten — bemerkt. Webers und meiner Behauptung,, daß in
rohen, kriegerischen Zeiten die Leute frühzeitig heiraten, daß
demgemäß die Ururenkel jenes Pipin schon' vor 1260 existiert
haben und dem Verfasser der Ordensgeschichte bekannt gewesen
sein könnten — wobei ich mich übrigens sehr reserviert ausge-
sprochen hatte — tritt Perlbach mit dem Hinweis auf die ur-
kundlich beglaubigten Genealogien einiger fürstlichen Familien
entgegen, wonach 56—58 Jahre zwischen dem Tode des Ahn-
herrn und der Geburt seines Ururenkels liegen! Ich glaube nun,
daß man bei Schlüssen auf die Culturzustände der alten Preußen
statt der die Genealogien der fürstlichen und christlichen Fami-
lien jener Zeit überliefernden Quellen bosser die Zustände zum
Vergleiche heranzieht, welche sich uns heute bei den in ähnlich
einfachen Verhältnissen wie die Preußen vor 600 Jahren leben-
28*
428
Zu ,,Peter v. Dasburg und das Chronicon Olivense."
den Landleuten zeigen; und wer deren Sitten und Gewohnheiten
kennt, wird zugeben, daß bei diesen von der Cultur wenig be-
rührten Leuten der Fall, daß Männer im Alter von 20 Jahren
heiraten, durchaus keine Seltenheit ist, daß daher, was schon
Weber behauptet (cf. meine Dissertation p. 216 und 254/55) der
um 1231 getötete Häuptling Pipin sehr wohl bereits erwachsene
Enkel gehabt haben kann, die ihrerseits nach ca. 25 Jahren
Enkelkinder haben konnten.
16) p. 470. Chron. Oliv. 683 erzählt, daß die Bitter von
Christburg es gewesen seien, welche die Niederlage bei Cruecken
erlitten, während Dusb. und Jer. sagen: „Der Meister sendete
Ritter aus, welche sich mit denen von Elbing und Balga ver-
einigten. Diese Originalnotiz und Abweichung Olivas von Das-
burg und Jeroschin erklärt sich dann sehr leicht, wenn wir in
der alten Ordensgeschichte bei Oliva das Original erblicken; da
die Christburger Ritter, wenn sie gegen Natangen zogen, wohl
den "Weg über Elbing und Balga nehmen mußten, konnte sich
Dusburg leicht auch die Mitwirkung der Ritter von Elbing und
Balga eonstruieren; bei dem umgekehrten Falle aber ist es wieder
nicht recht erfindlich, wie der Compilator Dusburgs dazu kam,
dessen Ritter von Elbing und Balga fortzulassen, dagegen aus
dessen „multos fratres et armigeros" die Ritter von Christburg
zu machen — wenn man nicht wieder zur Erklärung dafür jene
ominöse Bekanntschaft des Klosterchronisten mit der Landschaft
Pomesanien gelten lassen will.
17) p. 471. Dusb. III, 67 (und entspr. Jer.) erklären, die
Preußen hätten sich ,,wiederum den Brüdern unterworfen";
Oliv. 683/84 „veraciter ac irrefragabiliter" und kurz vorher nach
dem Friedensschlüsse mit Swantopolk, die Unterwerfung habe
„usque in presentem diem" gedauert, während Dusb. nur sagt
„et terra Prussie in pace quievit" Jer. „und Pruzinland began,
darnach in vride stan." Beide letztere Chronisten erzählen gleich
darauf aber wieder von neuen Kämpfen und dann sehr bald den
furchtbaren Aufstand vom J. 1260 an etc., während die „Olivaer
Ordensgeschichte mit der Versicherung abbricht: . . . tota Prus-
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Von W. Fuchs.
429
sia fidem suscepit in qua manet constanter et laudabile de die in
diem suscipit incrementum." Diese beiden Stellen bilden für
alle Anhänger der „Theorie vom Alter der Ordensgeschichte" die
beste Stütze. Die Beantwortung der Frage nun, wie der Kloster-
chronist von Oliva, der sich einen kurzen Auszug aus Dusb. und
Jer. anfertigte, um die Geschichte des Herzogs Swantopolk durch
die Erzählung der Kämpfe mit dem Orden zu vervollständigen,
dazu kommen konnte, gegen die ihm notwendig bekannte histo-
rische Wahrheit und gegen die Angaben seiner sonst ja so ge-
treu benutzten „Originale" Dusb. und Jer. jene Sätze hinzu-
schreiben, hat sich Herr P. sehr leicht gemacht dadurch, daß
er beide Sätze zusammen behandelt, dann aber gerade den wich-
tigsten Passus des einen ders3lben gänzlich zu erörtern vergißt.
Perlbach sagt p. 634, man müsse den letzten Passus nur richtig
erklären, ihn nicht „von der räumlichen Ausbreitung des Evan-
geliums in Preußen, sondern von der Vertiefung des christlichen
Glaubens unter den Bekehrten" verstehen — hierüber mit Herrn
P. zu streiten wäre nutzlos — ; ein flüchtiger Leser nun würde
sich vielleicht mit dieser Erklärung ganz zufrieden geben, indem
er dabei übersähe, daß P. den Satz der Chronik (684): „Postea
terre predictorum Prutenorum subjectae fratribus permanserunt
usque in presentem diem" einfach garnicht erklärt hat;
er hält ohne Zweifel seine 1871 gegebene (auf Rethwisch be-
ruhende) Erklärung für ausreichend, daß der Klosterchronist
eben zu einer Zeit schrieb, wo man den furchtbaren um 1260
ausbrechenden allgemeinen Aufstand der Preußen, sowie die
weiteren, erst 1295 endgiltig niedergeschlagenen Aufstände der-
selben für eine „unbedeutende Episode", deren Erwähnung nicht
notwendig, halten konnte. Diese Aufstände, besonders aber der
erste um 1283 beendete, brachte aber den Orden an den Rand
des Abgrundes, vernichtete fast alle Früchte der vorangegange-
nen 30jährigen Kämpfe und Mühen und daher bleibe ich auch
heute noch bei der treffenden Erklärung Webers „Niemand
aber" — hier wollen wir zusetzen „der eines unbefangenen Ur-
teils fähig ist" — wird sich einreden lassen, daß jene Worte
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430 Zu ..Peter v. Dusliurg und das Chroniron Oliven.se."
(. . . . „usque in presontem diem") zu einer anderen Zeit ah vor
dem großen Aufstande von 1260 geschrieben sein können. Herr
P. eifert so sehr gegen das argumentum ex silentio. Hier nun
liegt ein Beweis gegen seine Aulfassung vor, dessen positive
Geltung nichts zu wünschen übrig läßt: klar und deutlich steht
im Chron. Oliv., das die Bekämpfung der Preußen bis zum Jahre
1256 etwa erzählt, zu lesen ,,Postea terre predietorum Pruteno-
rum subjectae fratribus permanserunt usque in presentem diem";
um 1260 brach der furchtbare, allgemeine Aufstand der Preußen
aus, welcher eine Zeit lang den Orden auf einige wenige Städte
und Burgen beschränkte und erst 1283 niedergeschlagen war:
Also, sollte man meinen, muß jene Stelle vor 1260 geschrieben
sein. Aber Herr P. dekretiert mit Rethwisch einfach, dieser
blutige Aufstand und die folgenden bis zum Jahre 1295 seien
eine unbedeutende Episode gewesen, die man ums Jahr 1348
schon vergessen haben konnte, und der Erwähnung nicht mehr
für wert hielt, — und ist von der Stichhaltigkeit dieses Grundes
so überzeugt, daß er es in seiner Recension meiner Arbeit gar-
nicht mehr für nötig hält, darauf zurückzukommen. Uebrigens
bleibt es bei dieser Erklärung von Perlbach (nach Rethwisch)
— abgesehen davon, daß sie auf der ohne Frage falschen Vor-
aussetzung beruht , der große Preußenaufstand hätte Mitte
Saec. XIV schon für eine unbedeutende Episode gehalten werden
können — auch noch immer unerfindlich, was bei dem um 1348,
zu einer Zeit also, wo Niemand mehr an die Möglichkeit einer
neuen Erhebung der Preußen dachte, schreibenden Kloster-
chronisten von Oliva diese Versicherung sollte, daß die Preußen
unterworfen geblieben seien bis auf den heutigen Tag und
,veraciter ac irrefragabiliter' sich dem Glauben ergeben hätten?
Ist dagegen die Olivaer Ordensgeschichte, wie ich annehme, vor
1260 abgefaßt, so steht sie — kurz nach der Erzählung des
Friedensschlusses — ganz am richtigen Platze; der Orden hielt
die vor ca. zehn Jahren erfolgte Unterwerfung der westlichen
Stämme der Preußen und ihre Annahme des Christenthums für
gesichert und wurde durch den Aufstand um 1260 furchtbar
Von W. Fuchs.
431
bitter enttäuscht und überrascht, wie die furchtbaren Schläge
beweisen, die er gerade zu Anfang des Aufstandes zu erlei-
den hatte.
18) p. 477. Anra. 157. Chron. Oliv. 685 fehlt bei sonst
fortlaufender Uebereinstimmung mit Dusburg und Jeroschin deren
Notiz, daß Königsberg auf dem Platze erbaut sei, der jetzt Alt-
stadt heiße. Oliva sagt nur ,,ubi situm est Castrum Kungisberc".
Freilich konnte vor 1260 von einer „Altstadt" in Königsberg
noch nicht die Rede sein. Das Fehlen dieser Notiz ist um so
charakteristischer, als die Olivaer Ordensgeschichte an dieser
Stelle gerade mit sonst nicht häufiger Breite ganz geringfügige
und selbstverständliche Dingo (collecto exercitu, preparatis Om-
nibus necesarijs) erzählt. Daß nun der Dilsburg und Jeroschin
excerpierende Klosterchronist auch gerade wieder diese Orts-
angaben seiner „Originale'1 (auch die Bezeichnung des Berges
„Tuwangste" fehlt), bei seiner Kürzung derselben fortlassen
mußte ! Die Notiz von der Erbauung Königsbergs auf dem jetzt
Altstadt genannten Platze hätte ja keinen Zweifel lassen können,
daß wir „es mit einer Arbeit des 14. Saee." zu thun haben.
Man wird mir bei unbefangener Beurteilung des Erörterten
zugeben, daß in dem zweiten Teile meiner Dissertation sich denn
doch noch einige Notizen mehr, als Herr P. zugesteht, finden,
welche gegen Dusburg und Jeroschin „materiell Neues" bieten;
es kommt eben nur darauf an, was man hierunter versteht ; man
wird ferner zugestehen, daß Perlbach auch einige recht triftige
positive von mir vorgebrachte Gründe einfach ignoriert hat, nicht
nur die so perhorrescierten „argumenta ex silentio"; was nun
diese betrifft, von denen ich ja einige wieder ohne Scheu vor-
gebracht habe, so verlange ich ja durchaus nicht, daß das eine
oder andere derselben für sich allein schon als irgendwie con-
cludent angesehen werden soll; ich glaube nur, daß, wenn man
bei der Olivaer Ordensgeschichte immer wieder und wieder die-
selbe Argumentation anbringen kann; „Es ist doch kaum glaublich,
daß der Chronist gerade wesentliche und positive Angabeu Dus-
burgs und Jeroschins sollte weggelassen haben, während er kleine,
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432
Zu „Peter v. Dusburg und das Chronicon Olivens«."
unwesentliche Züge derselben wiedergiebt oder „Es ist doch
merkwürdig, daß so häufig bei dem Olivaer Chronisten durch
Kürzung seiner Originale gerade etwas Richtiges aus der falschen
Notiz jener beiden wird"; so glaube ich eben, daß aus der Summe
dieser . argumenta ex silentio" denn doch wenigstens ein sehr
schwerwiegender Wabrscheinlichkeitsbeweis herauskommt. Das
Gewicht desselben wird nun noch durch ganz andere — bisher
nur teilweise berührte — von Perlbach aber natürlich wieder
einfach totgeschwiegene Gründe erhöht; ich meine die in meiner
Dissertation dafür vorgebrachten Beweise, daß Dusburg in ganz
kopfloser Weise den ersten Teil seines Werkes aus zwei von
einander unabhängigen Quellen mit abwechselnder Benutzung
derselben kompiliert habe. Es sind dies folgende:
a) cf. m. Dissert. v. 1884 p. 253 Anm. 79. Hier habe ich
darauf hingewiesen, daß obgleich die Ueberschrifl von Dus-
burg III, 7 lautet: „De destructione duorum castrorum (entspr.
Jeroschin), dennoch sowohl bei Dusburg als bei Jeroschin nur
von der Zerstörung einer Burg gesprochen wird, während die
Zerstörung der Burg des Pipin nicht erwähnt wird, mithin die
Ueberschrift von Dusburgs (und Jer.) Cap. 7 falsch ist, was
sogar Ewald aufgefallen ist, so daß hier wohl Dusburg deswegen
die Zerstörung der Burg des Pipin fortließ, weil er für dessen
Ende einer von dem Berichte der Olivaer Ordensgeschichte ganz
abweichenden Tradition folgte, während er die Inhaltsangabe
nach dem für den ersten Teil des Abschnitts benutzten Olivaer
Berichte anfertigte. — Ein ganz ähnliches Beispiel ist der schon
oben erwähnte
b) Bau der Schnickenburg cf. p. 435/36 und Anm. 106
außer meinen obigen Ausführungen.
o) cf. m. Dissert. p. 454/55. Der sogen. Bericht des Hm.
Hermann v. Salza erzählt, daß sechs Brüder aus Meißen und
Oesterreich „mit XXX pferden" gekommen seien; Oliva be-
richtet, daß der Herzog von Oesterreich als Hilfe gesendet
„XXX sagittarios expeditos; Dusberg vereinigt die beiden An-
öigitizedtoy Goegte
Von W. Fuchs.
433
gaben und sagt XXX sagittarios equites!" — Sehr treffend ist
auch folgendes Beispiel:
d) cf. p. 466. Während nach dem mit Dusb. Cap. 59 und
Jer. Übereinstimmend erzählten Kreuzzug des Markgrafen
„Allant" und der Verlegung Cnlms die Olivaer Chronik in der
Schilderung der Kämpfe gegen die Preußen fortfahrt, berichtet
Dusburg von Priedensunterhandlungen mit Swantopolk, obgleich
er Ende des Cap. 56 nach Oliva doch bereits den Friedens-
schluß erzählt hat. L. Weber p. 39 (Preußen vor 500 J.) hat
hiefür eine treffende Erklärung gegeben, die ich acceptierte:
„Ebenso deutlich ist die Fuge der Einschiebung bei Dusburgs
Cap. 60 zu erkennen. Er ist in Cap. 55 mit Hohenlohe bis zu
dessen Cap. 19 gekommen, geht dann in den 4 folgenden Ca-
piteln auf Oliva über und ist nun ebenso gezwungen, um nichts
von seinem Stoff zu verlieren, Hohenlohes Cap. 20 wiederzugeben.
Freilich wird der Zusammenhang dabei völlig unverständlich,
denn er muß nun hier von Friedensverhandlungen erzählen,
während nach Cap. 56 bereits Frieden gewesen wäre, und sucht
die Gegensätze nur durch die Ueberschrift einigermaßen zu ver-
söhnen". (De diversis tractatibus et parlamentis Swantopolci.)
Man sollte meinen, daß doch auch diese für meine Ansicht
sprechenden Gründe der Beachtung resp. Widerlegung wert ge-
wesen wären; Herr P. ist nicht dieser Meinung; hatte er doch
schon 1878 in der Jenaer Litteraturzeitung No. 231 bei seiner
Anzeige von Webers Werk „Preußen vor 500 Jahren" ohne
sich auf eine Kritik der Gründe Webers einzulassen, von seinem
hohen Piedestale herab das abfallige Urteil geäußert: „Dieser
ganze Abschnitt über die ältesten Quellen hätte ohne Schaden
fortbleiben können!4' Zum Beweise übrigens dafür, wie treffend
bereits Weber das Verhältnis Dusburgs zu Oliva und dem sogen.
Bericht des Hm. Hermann v. Salza gekennzeichnet hatte, ver-
weise ich nur auf die in meiner Dissertation Anm. 144 wieder-
gegebene, von P. aber natürlich auch nicht beachtete Erklärung
Webers p. 38 und 39. —
Zum Schlüsse möchte ich nur noch kurz der in meiner
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434 Zu „Peter v. Dnsburg und das C'hronicon Olivense."
Dissertation zum Beweise gegen Perlbachs Annahme von der
Einheit der ganzen Chronik von Oliva vorgebrachten Gründe und
zwar nur der beiden wichtigsten, Erwähnung thun (cf. p. 228
bis 29), namentlich erstens der Thatsache (welche bereits Hirsch
hervorgehoben hatte), daß in der Olivaer Ordensgeschichte sich
von denen der Chronik ganz abweichende Angaben über Swan-
topolks Sohn Mestwin finden, und zweitens der, daß die Chronik
in keiner Weise Bezug nimmt auf die in ihr enthaltene Ordens-
geschichte. Daß Herr P. auch hierauf mit — Schweigen ant-
wortet, ist selbstverständlich; dieselbe Achtung schenkt Herr
P. meinen Ausführungen p. 460, wonach bei seiner Annahme,
der Verfasser der Chronik von Oliva hätte ,,als ihn die Geschichte
seines Herzogs Swantopolk nötigte, des Ordens zu gedenken",
sich eine kurze Geschichte desselben aus Jer. und Dusb. kom-
piliert, es doch mindestens nötig wäre , daß die Abschnitte über
die Kämpfe des Ordens mit Swantopolk in dieser Ordens-
geschichte besonders hervorträten; nun ist aber gerade das
Gegenteil der Fall; wie wir oben sahen, fehlen gerade in Betreff
Swantopolks eine Reihe wichtiger und charakteristischer Be-
gebenheiten, welche Dusburg und Jer. ausführlich schildern;
auch bricht die Ordensgeschichte ja nicht mit dem Ende der
Kämpfe gegen Swantopolk ab, sondern führt die Erzählung
bis 1256. —
Diese kurze Entgegnung, welche fast nichts bietet, was
nicht bereits in meiner Dissertation 1884 vorgebracht war, hatte
nur den Zweck, zu zeigen, welcher Methode sich Herr Perlbach
bei Bekämpfung seiner Gegner bedient; ich hoffe, daß dieser
Zweck erreicht ist.
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Nachträge zu Albcrts und Dachs Gedichten
von
Johannes Holte
in Berlin.
Für die Geschichte der Königsberger Dichterschule, deren
Erzeugnisse inmitten so vieler unerfreulicher unbedeutender oder
verfehlter Leistungen der lyrischen Dichtung des 17. Jahrhun-
derts auf unsre Beachtung und Anerkennung vollen Anspruch
machen dürfen, sind innerhalb der letzten zehn Jahre zwei
wichtige Publikationen erschienen: die umsichtige und fleißige
Auswahl aus Simon Dachs Gedichten, welche H. Oesterley
1877 für den Stuttgarter literarischen Verein besorgt und mit
einem schätzbaren Verzeichnis aller auffindbaren in Einzel-
drucken verstreuten Dichtungen sowie mit einer Biographie
vermehrt hat, sodann der von L. H. Fischer mit großer Sorg-
falt und Sachkenntnis für Braunes Sammlung deutscher Literatur-
werke des 10. und 17. Jahrhunderts (Halle 1884) veranstaltete
Neudruck von Heinrich Alberts Arien und Musikalischer
Ktirbshütte. Da in diesen Blättern noch nicht auf die letztere
Arbeit hingewiesen worden ist, will ich dieselbe wenigstens mit
ein paar Worten den Lesern vorstellen.
Fischer hat von den acht Heften der Arien tiberall die
ersten Drucke zu Grunde gelegt und die Abweichungen der
späteren Ausgaben in Fußnoten verzeichnet. Die in seiner um-
fangreichen Einleitung niedergelegten Untersuchungen über das
Verhältnis der verschiedenen Drucke zu einander lassen alle bis-
herigen Angaben hierüber als ungenügend erscheinen. Das erste
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436 Nachträge zu Alberta und Dachs Gedichten.
Heft, mit welchem im Jahre 1638 die zwei Jahre zuvor von
Dach, Albert und Roberthin zur Pflege der Dichtkunst gestiftete
Vereinigung zum ersten Male vor ein größeres Publikum trat,
enthält 25 Lieder; die kleinere Hälfto derselben (12) rührt von
Dach, 5 von Roberthin, 4 vom Herausgeber her, der auch die
Melodien zu sämtlichen lieferte. Ähnlich bleibt das Zahlen-
verhältnis in den folgenden bis 1650 erschienenen Heften ; unter
der Gesamtzahl von 191 Gedichten fällt Dach der Hauptanteil
von 120 Nummern zu, neben Albert und Roberthin erscheinen
dann auch jüngere Talente, welche sich jener Vereinigung an-
geschlossen hatten : Adersbach mit 8 Gedichten, Kaldenbach mit
3, Christoph "Wilkau, Michael Behra und Georg Mylius mit je
2, seit 1645 auch Titz mit 5, Johann Sand, J. D. Koschwitz
und Johann Gamper mit je einem Gedicht. Es haben also
nicht alle, welche uns als Mitglieder der Königsberger Dichter-
vereinigung genannt werden, Beiträge zu dieser Publikation
geliefert; es fehlen z. B. Valentin Thilo, Christian Rose, Bal-
thasar Voidius, Albert Linemann, von andern weniger bedeu-
tenden Namen ganz zu schweigen. Die Dichter unterzeichnen
sich entweder mit ihrem vollen Namen oder mit ihren Initialen
oder mit einem selbstgewählten Pseudonym, meist einem Ana-
gramm, so Chasmindo für Simon Dach, Barchedas für Adersbach,
Berrintho für Roberthin. Wenn zwei Nummern (IV 24 und
V 20, vgl. Einleitung S. XX, Anm.) die Unterschrift ,Celadon*
tragen, so ist wohl nicht mit W. v. Dettingen, Über Georg
Greninger (Straßburg 1882 S. 1 1) an Georg Greflinger zu denken,
der allerdings ebenfalls diesen Beinamen gebrauchte, denn Gref-
linger hielt sich zwar mehrero Jahre in Dan zig und, wie ich
nächstens im Anzeiger für deutsches Altertum nachweisen werde,
vorübergehend auch in Thorn auf, aber von einer Anwesenheit
in Königsberg und von einer Verbindung mit den dortigen
Poeten ist nichts bekannt. Ungedeutet bleiben die Unterschriften
P. S. unter einem und C. V. M. unter drei Gedichten; sollte
mit der letzteren etwa der bei Fischer, Einleitung S. XXXII
genannte Christoph Martini gemeint sein?
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Von Johannes Bolte.
437
Auch über die Lebensschicksale und die schriftstellerischen
Leistungen der Mitglieder des ganzen Dichterkreises erhalten
wir Aufschluß in der Einleitung, welche dabei die bisher be-
kannten biographischen Nachrichten durch Mitteilungen aus den
Königsberger Sammlungen von Leichenreden des 17. Jahrhun-
derts ergänzt. Zu den wertvollen Nachweisen ihrer "Werke,
auch der lateinischen und deutschen Gelegenheitsgedichte, wird
spüreifrige Specialforschung wohl noch einiges Neue entdecken
und nachtragen können.
Der Stoff kreis der Albertschen Arien ist kein eng begrenzter.
Den Anfang der einzelnen Hefte machen geistliche Dichtungen,
dann folgen Gesellschaftslieder meist von frischer und lebendiger
Natürlichkeit, es wird die Schönheit der Natur, des Frühlings
gepriesen, das Lob der Freundschaft gesungen, die Geliebte und
der Wein gefeiert. Erst in den späteren Heften nimmt die
eigentliche Gelegenheitspoesie, die seit dem Beginne des Jahr-
hunderts in so bedrohlichem Maße wuchernden Hochzeits- und
Leichencarmina, einen größeren Raum ein. Von den ernsteren
Dichtungen der Königsberger gilt überhaupt, was Scherer von
Dach sagt: ,Seine geistlichen Gesänge neigen sich der Betrach-
tung des Todes zu, aber er malt ihn nicht in grellen Farben,
sondern nur in leichtem Umriß; und nicht die Furcht ist seine
Muse, sondern eine sanfte Schwermut, die nicht ungern in das
Jenseits blickt.' Die Munterkeit der weltlichen Lieder bleibt
immer in den festgezogenen Grenzen der bürgerlichen Ehr-
barkeit, die beiden heitren Trinklieder I 25 und VIII 22 bleiben
ohne Namen und sind vielleicht aus andern Dichtern entlehnt,
und Opitz' berühmter Preis des Weines ,Ich empfinde fast ein
Grauen4 wird durch eine nachfolgende etwas philiströse Parodie
gleich in eine andre Beleuchtung gerückt. Von Opitz sind
übrigens noch zwei andre Gedichte mit Melodien Alberts ver-
sehen aufgenommen, aus dem Holländischen übersetzt Aders-
bach drei Gedichte (II 7. IV 12. V 11), darunter zwei von
Kamphuyzen, französischen Vorbildern sind, abgesehen von
Opitz' Weinlied, 11 Nummern (I 6. IH 15. 25. V 12. VII 20 bis
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438
Nachträge zu Albert« und Dachs Gefliehten.
25. VIII 21) entnommen, welche Adersbach, Boberthin und
Dach übersetzten.
Da Alberts Melodien dem Textabdrucke nicht beigegeben
werden konnten, hat der Verleger eine ,Musikbeilage' erscheinen
lassen, enthaltend eine von Robert Eitner, dem Herausgeber
der Monatshefte für Musikgeschichte, besorgte und mit Klavier-
begleitung versehene Auswahl von 15 Melodien. Vielen Freun-
den der älteren Literatur wird es erwünscht sein, hier von
Dachs ,Anke van Tharow', von seinem Freundschaftsliede (,Der
Mensch hat nichts so eigen') u. a. die Weisen, in denen sie des
Dichters Zeitgenossen liebgeworden sind, kennen zu lernen.
Einige Nachträge zu seiner Einleitung hat Fischer selbst
schon seither veröffentlicht. In dieser Monatsschrift Bd. XXII
S. 606 — 617 handelte er über die in den Arien enthaltenen
Dichtungen Roberthins, in den Monatsheften für Musikgeschichte
teilte er weitere Nachrichten über Johannes Stobaeus mit, von
den deutschen Gedichten des J. P. Titz bereitet er eine binnen
kurzem erscheinende vollständige Ausgabe vor. Es wäre zu
wünschen, daß auch andre an diesen Forschungen regen Anteil
nehmen. Was mir gelegentlich in letzter Zeit aufgestoßen ist,
will ich im Folgenden kurz zusammenfassen, wobei ich ein paar
in der Deutschen Literaturzeitung 1885 (8) 268 f. gemachte
Bemerkungen nicht wiederhole.
Zum Verzeichnis der Ausgaben füge ich einen Nachdruck
hinzu, welcher im Leipziger Meßkataloge (bei Gottfried Grossens
Erben) der Ostermesse 1648 erwähnt wird: ,POetisch-Musica-
lisches Lustwäldlein, das ist, Arien oder Melodeyen Geist- und
Weltlicher Lieder zum singen und spielen gesetzt, von Heinrich
Alberten. Christiana in Norwegen, bey Christian Castuben, in
fol.' Eine spätere, 1665 zu Leipzig in zwei Teilen 8° erschie-
nene Auflage der von Ambrosius Prof e veranstalteten Sammlung
(= Alberts Arien 1—6. vgl. Fischer, Einl. S. XXXIV) citiert
G. H. von Meusebach im Serapeum 1870, 161. Ferner müssen
viele Stücke aus den Arien Alberts aufgenommen sein in eine
mir zur Zeit nicht erreichbare ähnlich betitelte Sammlung:
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Von Johannes Bolte.
439
»Poetisches Lust-Gärtle in , Darinnen schöne anmuthige Ge-
dichten, lustige Lieder, zur Anleitung guter Tugend vnd hoff-
lichen Sitten. Aus etlichen der vornehmsten Deutschen Poeten-
Bücher vnd Schrifften mit fleiß, gleich als in einem Reuch-
Büschlein zusammen gebunden. Vnd gedruckt im Jahr 1646.
317 S. 12° und Register*. *) Es ist noch nicht hinreichend be-
achtet, wie viele Dichtungen bekannter Autoren des 17. Jahr-
hunderts, wie Opitz, Rist, Greflinger, Finckelthaus, Mühlpforth,
Voigtländer, Goring, David Schirmer, Schoch, in die Lieder-
sammlungen dieser Zeit und daraus wieder teilweise als namen-
lose Volks- und Gesellschaftslieder in neuere Anthologien, ich
nenne nur Des Knaben Wunderhorn und Hoffmanns von Fallers-
leben Gesellschaftslieder, übergegangen sind. Es wäre verwun-
derlich, wenn bei einem so beliebten und verbreiteten Buche wie
Alberts Arien nicht derselbe Fall eingetreten sein sollte.
Aus Alberts Arien entnahm Benjamin Neukirch die Ge-
dichte Dachs, welche er seinem Werke ,Herrn von Hoffmanns-
waldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher unge-
druckter 1—7 1725* einzuverleiben für wert befand. Es sind
folgende :
4, 330 Mein urtheil widerräth es mir = Albert, Arien II
16. Oesterley, Dach S. 434.
4, 332 Wer fragt darnach = Albert I 25, aber hier anonym,
vgl. Oesterley S. 19. Herder, Arnim und Brentano, Wilh. Müller
teilen dies Trinklied ebenfalls Dach zu.
5, 25 Leßbia, mein Leben = Albert II 17. Oesterley S. 436.
5, 27 0 Du vormals grünes feld = Albert IH 18. Oester-
ley S. 414.
5, 30 Auff, ihr meine göldne Seiten! — Albert IH 14.
Oesterley S. 444.
5, 32 Soll denn mein junges leben = Albert I 15. Oester-
ley S. 427.
*) Vgl. v. Meusebach in Serapeum 1870, 14« und 161. H. Hayn,
Bibliotheca Germanorum erotica3 S. 178 (1885). Arnim und Brentano, De«
Knaben Wunderhorn hrsg. von Birlinger und Crecelius 2, 889 (1876).
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440
Nachträge zu Alberts und Dachs Gedichten.
5, 218 Wohl dem, der sich nur läßt begnügen = Albert
II 9. Oesterley S. 433.
Dagegen ist ein 3, 165 f. abgedrucktes Hochzeitsgedicht
für Franz Heinrich Bröyer, das die gleiche Unterschrift S. D.
trägt, keinesfalls von Simon Dach verfaßt, sondern, wie eine
Anspielung auf eine Leipziger Brunnenfigur des Herkules zeigt,
von einem Leipziger Poeten.
Unter den Königsberger Studenten mußte das Vorbild des
Professors Dach und seiner poetischen Genossen anregend wirken.
Deutlich verrät seinen Einfluß ein 1645 zu Königsberg erschie-
nener Gedichtband des Tangermünders J. C. Finx*) der al*
Erzieher der jungen Adligen von Taubenheim-Rechenberg auf
Sipthinen dort verweilte und nebenbei allerlei adlige Gönner
ansang. Diese glattfließenden, aber inhaltsleeren Gelegenheits-
machwerke, denen ein paar ebenso dürftige Schäfergedichte an-
gereiht sind, zeigen einen unselbständigen Nachahmer Dachs,
der bei allen möglichen Gelegenheiten als ,unser Sternen-Dach'
(vgl. Alberts Arien I 22) angerufen und gepriesen wird. Seinen
Ton ,Edler Pregel, dessen Fluß' benutzt Finx häufig (Bl. A iij a.
B iij b. G inj a. G vij b), einmal beginnt er ganz wie Dach:
,Wolauff, ihr meine güldne Seiten, WolaufF, du Laute, meine
Lust' (Bl. C viij a, vgl. Alberts Arien III 14). In der Widmung
redet er nach Konrad von Burgstorif, dem bekannten Minister
Georg Wilhelms und des großen Kurfürsten, auch Andreas
Adersbach an.
Zwanzig Jahre später veröffentlichte ein früherer Königs-
berger Student zu Nürnberg seine poetischen Produkte unter
dem Pseudonym Constans Holdlieb**); sein wahrer Name ist
•) ^ | Joa,.himb.Chn8toph.Fi»»n. | Pr^cher | EHREN- , Prei».
(Buchdrnckerzeichen mit der Inschrift : QVIS CONTRA NOS.) | Königsberg. |
Gedruckt bey Pasche Mensen. | In Verlegung Martin Hallerfords. | Im Jahr
Christi 1645. | 77/8 Bogen 8°.
**) Gesechste | Tugend- | und | Laster-Rose, i oder | Jungfräulicher |
Zeitvertreiber, [ Worinnen | Allerhand schöne neue j Poetische Lieder in be-
kandte | Melodeyen versetzet, | So | In folgende Sechs Zehen or- | deutlich
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Von Johannes Bolte.
in der Unterschrift der Widmung ,P. C. B. Han. Stud.' ver-
borgen und dürfte sich mit Hülfe der Königsberger Universitäts-
matrikel ermitteln lassen. Wichtig ist folgende Stelle der Wid-
mung: ,diese schlechte und unwürdige Teutsche Gedichte . . . ,
welche ich bey sonst vorfallender Gelegenheit, vor etzlichen
Jahren, meistenteils aber auf der Hohen-Schul zu Königsberg
in Preußen, auch anderer Orten in Pohlen, als dazumahlen ein
junger Studiosus zu Pappier gebracht*. Auch bei Holdlieb finden
sich zahlreiche Anklänge an Alberts Arien, so in einer Nach-
ahmung von HE 18 ,0 du Göttin dieser Erden' auf S. 44; die-
selbe Melodie ist noch acht andern Gesängen (S. 59. 63. 65. 89.
112. 126. 136. 176) zu Grunde gelegt; dreimal (S. 16. 103. 166)
verwendet er Alberts Weise: ,Liebe, die du mich besessen*
(== Arien III 30), ja er entblödet sich nicht, Alberts Parodia
auf Opitz' Weinlob ,Ich empfinde gar ein Grauen, Bachus, daß
ich für und für bin gesessen neben dir{ (Arien I 20) vollständig
und wörtlich unter seine eigenen Machwerke aufzunehmen, ohne
die Entlehnung anzudeuten.
Freilich hatte gerade dies Lied schon andre zur Bewun-
derung, zur Nachahmung und zum Plagiate gereizt. 1643 läßt
in Moscheroschs Soldatenleben *) der Doktor auf die Aufforderung
Philanders, einen selbstverfertigten Gesang anzustimmen, fünf
Strophen hören, welche nichts anderes als das Opitzische Original
zu der eben erwähnten Arie Alberts sind. ,Aber', fügt der Er-
zähler hinzu, ,ich war dem Doktor auch hier vber sein Schul-
Sack kommen vnnd in die Karten gesehen vnd wüste, daß auch
nicht er, sondern Herr Opitz selbsten diesen Gesang gemacht
hatte*. Opitz selbst war bekanntlich durch eine Ode Ronsards
verabfasset und mit schö- | nen Kupffern gezieret sind | von Constans Hold-
lieb. | zu finden bey Jobann Hoffmann. Kunst- | bändlern in Nürnberg, 1665. |
1 Bogen -f- 204 S. 12°. — S. 184 steht eine Bearbeitung vou Voigtländers
.Neulich ich hörte, wie sich beschwerte'. Serapenm 1870, 163. vgl. H. Hayn,
Bibl. Germ, erotica2 S. 821. — Fach Goedeke, Grundriss * 2, 519 wäre Seb.
Seelmann der Verfasser.
*) Gesichte Philanders von Sittewal t, ander Teil, 6. Gesicht; in der
Ausgabe von Bobertag, Stuttgart [1883] S. 297 f.
Altpr. Monatwobrift Bd. XXIIL Hft 5 n. 6. 29
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442 Nachträge zu Alberts und Dachs Gedichten.
1 son laquais (II 18 = Oeuvres completes de P. de Ronsard,
ed. par P. Blanchemain 1857 — 1866 2, 162) augeregt, die er
1624 im Buch von der Deutschen Poeterey als Anhang des
5. Kapitels (S. 26 im Hallenser Neudruck von 1876) auf freie
Weise verdeutschte. Zur Veranschaulichung des Verhältnisses
mag hier die erste Strophe des französischen Textes nebst den
entsprechenden Versen von Opitz folgen:
/. Tay l'esprit tout ettnuye 1. Ich empfinde fast ein grawen
Z>* avoir trop estudie Das ich, Plato, für vnd für
Ein gesessen vber dir;
Es ist zeit hienauß zue schawen.
Vnd sich bev den frischen queUen
Les Phenomenes d'Arate:
II est tetnps que je m'esbate
Et que faille «u.r champs jouer.
Bons dieux! qui voudroit lauer In dem grünen zue ergehn,
Ccux qui, collez mr un livre. Wo die schönen Blumen stehn,
ÜT ont jamais soucy de vi vre? Vnd die Fischer uetze stellen.
2. Worzne dienet das studieren,
Als zue lauter vngemach?
Vnter dessen laufft die Bach
Vnsers lebens das wir fuhren. . . .
Kaum von einem andern Gedichte dieser Zeit lassen sich
so viele Nachahmungen nachweisen wie von dieser Ode von
Opitz. 1640, also zwei Jahre nach Alberts Umdichtung erscheint
bei der Hochzeit des Königsberger Pastors Georg Mylius unter
den Gratulanten neben Dach, Kaldenbach und andren auch ein
nur mit J. V. Ii. D. B. unterzeichneter Freund mit einer ,Nach-
öhmung H. Opitzeu Bachus-Liedleins4 *) :
Ihr empfindet gar ein grawen, Vnd nach frischen Liebes quellen
MYLI, daß ihr für vnd für Ewre Füße zu ergehn,
Seid gesessen ohne Zier, Da die schönen Nymphen stehn,
Ewre zeit ist vmbzuschawen ; j Welchen man pflegt nach zustellen.. ..
Der Schlesier Heinrich Held, welcher in Königsberg und
Frankfurt a. 0. den Universitätsstudien obgelegen hatte, benutzte
1643 in Deutscher Gedichte Vortrab, Frankfurt a. 0. S. 121
dasselbe Gedicht zur Darstellung eines der Liebeständeleien
Üeberdrüs8igen:
*) In einem Sammelbande ,Königsberger Hochzeitsgedichte 1631 bis
16414 auf der Königlichen Bibliothek zu Berlin (Yf 6823 nr. 8 a).
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Von Johannes Bolte.
443
Ich empfinde nun ein grawen,
Das ich, Liebste, für und für
Bin gesessen neben dir,
Es ist Zeit ins Buch zuschawen . . .
In gleichem Sinne ist eine wahrscheinlich in Danzig ent-
standene Parodie des lebensfrohen Liedersängers Georg Gref-
linger (Seladons beständige Liebe. Frankfurt a. M. 1644 S. 3)
gehalten, nur daß er gleich mit der zweiten Strophe anhebt:
Worzu dient das freye Leben
Als zu lauter Vngemach . . .
Auch der Leipziger Gotfried Finckelthaus geht in einem
,Er entsaget der Liebe* tiberschriebenen Stücke seiner Lustigen
Lieder (Lübeck 1648 Nr. 59) von derselben Stimmung aus:
Ich empfinde fast ein Grawen,
Daß ich, Liebe, für vnd für
Bin gewesen eigen dir.
Es ist Zeit einmal zu schawen,
Was doch meine Bücher machen,
Die ich lange nicht gesehen:
Alles sol beyseite gehen
Von den süßeu Liebessachen.
Endlich variiert der Gubener Johann Franck, ein Freund
Heids und Dachs Schüler, das Opitzische Thema: Aufforderung
zum heiteren Lebensgenüsse, 1648 in einem siebenstrophigen,
vom Cantor Johann Weichmann komponierten Liede *), gleich
Greflinger die Eingangs verse weglassend:
1. Worzu dient Melancoliren,
Freunde last das trauern nach,
Wolt ihr den durch Vngemach
Ewrer Jahren lentz verlieren,
Könt ihr den durch euer grämen
Dis bekommen was euch fehlt,
Kan dis das ihr euch so quehlt,
Auch ein gutes Ende nehmen?
Nur eine abgekürzte Fassung von Francks Lied ist die
*) Joh. Weichmann, Sorgen-Lägerin Das ist Etliche Theile Geistlicher
vnd Weltlicher zur Andacht vnd Ehren-lust dienende LIEDER. Erster
Theü. Königsberg, In Verlegung Sei. Peter Händeis Witwen. Im Jahr 1648.
Nr. 14. — vgl. H. Jentsch im Neuen Lausitzischeu Magazin 53, 12 (1877).
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44-1
Nachträge zu Albert« und Dachs Gedichten.
von F. W. v. Ditfurth in seinen Deutschen Volks- und Gesell-
schaftslied ern des 17. und 18. Jahrhunderts 1872 S. 280 aus
einer alten Handschrift mitgeteilte dreistrophige Dichtung.
Ich komme noch einmal zurück auf die beiden andern von
Holdlieb benutzten Arien Alberts. Dieselben finden sich in
ähnlicher Fassung schon in einem rasch beliebt gewordenen Schäfer-
roman vom Jahre 1632: Jüngst- erbawete | Schäfferey, | Oder,
Keusche ] Liebes - Beschreibung, | Von der | Verliebten Nimfen i
AMOENA, | Vnd dem | Lobwürdigen Schäffer | AMANDUS,
Besagten beyden Amanten, | so wol zu bezeigung höchstthulicher
Dienstfertigkeit, als zu Versicherung ge- [ neigter Gunstgewogen-
heit ! vbersetzet, | Durch | A. S. D. D. ;| Leipzig, | In Verlegung
Eliae Rehefelds, Buchhändl. | Im Jahr 1632. | 12 Bogen 8°. Der
Verfasser, welcher die Vorrede ,Datum In der schönen Amoena
Behausung zu N. Im Jahre 1632. G. C. V. G. [ A. S. D. D.
sonst Schindschersitzky geheißen' unterzeichnet, giebt sich als
ein Cavalier und ein eifriger Anhänger von Opitz zu erkennen,
wie schon Bobertag, Geschichte des Romans 2, 1, 104 f. gesehen
hat. Seine Erzählung, welche nicht mit der glücklichen Ver-
einigung des Amandus und der Amoena, sondern mit einem
schmerzlichen Abschiede von der kaltsinnigen Nymphe endet,
hat er mit einigen Liedern des Helden durchflochten, welche
jedenfalls zur Beliebtheit des "Werkes viel beitrugen. 1641 urteilt
J. G. Schottelius ,Teutsche Sprachkunst' im Verzeichnis der
häufig angeführten Bücher über dasselbe höchst anerkennend:
,parvus libellus, sed elaborati stylt poetici'f nachdem schon 163S
Logau in einem Epigramm De Amoena Pastorali innominati
sed amicissimi Autoris (I 5 — I 1, 3 Edit. 1654) Musa, Venus
und Charis aufgefordert hatte, einen frischen Lorberkranz für das
rühm würdige Werk seines Freundes zu flechten. Eine ganze Reihe
von Ausgaben folgte der ersten: Leipzig, Elias Rehefeld 1635;
Leipzig, Tobias Rehefeld und Martin Richter 1641; Erstlich ge-
druckt zu Leipzig, 1642; Leyden, Franz Heger 1642; ebenda
1645, 205 S. 16°; Amsteldam, Bey Ludwig Elzevieren 1652,
214 S. 16ü; ebenda 1659, 214 S. 16°; als »Schauplatz der Ver-
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Von Johanne« Boke.
445
liebten' Hamburg, Johann Naumann 1661 und ebenda 1669.
1 Bl. + 283 (nicht 273) S. 12° (hier auf S. 2-237). Alle diese
Ausgaben, welche größtentheils auf der Berliner Bibliothek vor-
handen sind, wiederholen das Original von 1632 getreu; mehr-
fach verändert ist dagegen der Text in einem Königsberger
Abdrucke, welcher auch Melodien zu den meisten Liedern bringt:
Musicalische | Neu-erbauete Schäfferey, | Oder Keusche liebes- [
beschreibung | von | Der verliebten Nymfen | AMAENA 1 Vnd |
Von jhrem lob-würdigem Schäffer | AMANDVS. | Auffs neue
tibersehen, etwas in der ge- | bundenen Rede corrigiret, mit
unterschiedlichen | Sententien' und Sprüchwörtern vermehret, vn|
die darin befindende Oden mit neuen Melodien, | nach anbegehren
etlicher Musicalischen j Freunde, beseelet. | von | Einem sonder-
lichen Liebhaber der | Teutschen Poesie, und der edlen | Mu-
sike, [ Nebenst angehenckter kurtzen An- | leitung, wie man an-
muthige Teutsche | Brieffe, nach heutigem Gebrauch, recht
zier- | lieh, und kurtz stellen könne. || Königsberg, bey Peter
Händeln, | Gedruckt durch Pasche Mensen. | 3 Bl. 4- 307 S. 8°. *)
Das Druckjahr ist nicht aus der unter der Vorrede stehen-
den Jahreszahl 1641, welche aus dem zu Grunde gelegten
Leipziger Drucke von 1641 einfach mit herübergenommen ist,
zu ersehen, sondern aus dem Verzeichnis der Leipziger Oster-
messe 1645 Bl. D3b, wo die Königsberger Ausgabe angeführt
wird. Über den Urheber dieser Bearbeitung verstatten die über
den eingestreuten Melodien stehenden Initialen G. N. eine Ver-
mutung. Ich glaube nicht sehr fehlzugehen, wenn ich dieselben
auf den Dichter Georg Neumark beziehe, der, ein geborener
Thüringer, um diese Zeit in Königsberg studierte **). Ein Mit-
glied des eigentlichen Königsberger Kreises war der Verfasser
jedenfalls nicht; sonst hätte er wohl die von Albert schon 1640
bearbeiteten Lieder in der von diesem beliebten Gestalt und
Melodie wiederholt, statt neue Änderungen zu treffen.
*) Der verheiBene Briefsteller fehlt im Berlmer und auch in mehreren
andern Exemplaren.
**) R. Wegner, Aufsätze zur Literatur. Berlin 1882.
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446
Nachträge zu Albert« und Darb» Gedichten.
Albert hat nämlich in das dritte Buch seiner Arien zwei
lyrische Stücke aus dem Schäferroman von Amoena und Amandus
aufgenommen, das eine nur mit leichten Veränderungen des
Ausdrucks und deshalb ohne Namensunterschrift; das andre trägt
dagegen seine Initialen, und mit Recht. Denn statt einer ziem-
lich äußerlichen und leeren Lobpreisung der weiblichen Reize
hat der Umdichter (sit venia verbo!) den im lateinischen Motto
angedeuteten Gegensatz zwischen leiblicher Schönheit und schöner
Seele hineinzubringen und damit die Dichtung in eine höhere
Sphäre zu rücken verstanden. Und mag uns Modernen auch das
allgemeine Lob der /Tugend' an der Geliebten etwas schematisch
oder altmodisch vorkommen, so entschädigt Albert uns doch
gleich darauf, indem er ein lebendigeres Bild derselben entrollt:
still, züchtig und demütig, so schildert er vor allem die Gefeierte.
"Wer aufmerksam die unten neben einander abgedruckten Gedichte
vergleicht, wird darüber, wer der grössere Dichter zu nennen
sei, mit mir wohl einer Meinung sein. Ich füge in den An-
merkungen noch die Varianten der Neumarkschen Ausgabe von
1645 bei. Beiläufig bemerkt sind dieselben Lieder aus dem
Romane auch in ein Liederbuch aus der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts tibergegangen, wie schon v. Meusebach im
Serapeum 1870, 161 und 164 bemerkt hat; dasselbe ist betitelt:
,Tugendhaffler Jungfrauen und Jungengesellen Zeit-Vertreiber. . . .
Durch Hilarium Lustig von Freuden-Thal. Gedruckt im gegen-
wärtigen Jahr', und die in Betracht kommenden Nummern
daraus sind 13 und 170.
Schäfferey von Amoena und Amandus
1632 Bl. Mvjb.
1. Liebe, die Du mich besessen,
Die Du mir das Hertz entwandt,
Die Du mich zwangst, zu vergessen
Meine1) Sinnen vnd Verstand,
Jetzt gehabe Dich nu wol,
Ich bin Frewd vnd Freyheit voll.
1) Meiner.
Heinrich Albort, Arien HI, 30 (1640).
Erulet ä casto pcctore ranm Amor!
1. Liebe, die Du mich besessen,
Die Du mir das Hertz entwandt,
Die Du micli zwangst zu vergessen
Alle Klugheit vnd Verstand,
Gute Nacht gehab dich wol!
Ich bin Frewd' vnd Frevheit voll.
Von Johannes Bolte.
447
2. Ich bin deinem Joch entnommen,
Der so strengen Dienstbarkeit,'
Mein Gemüthe ist 3) entkommen,
Deiner Bittersüssigkeit.
Liebe, nu8) gehab dich wol,
Ich bin Frewd vnd Freyheit*) voll.
8. Du Cupido, magst nu schawen,
Wo du einen finden kanst,
Der dir wil sein Hertze trawen,
Biß du deinen Bogen spannst.
Liebe, nu gehab dich ') wol,
Ich bin Frewd vnd Freyheit volL
4. Vnd die0) Göttin meiner Sinnen,
Schönste, die ich mir erkiest,
Die ich muste lieb gewinnen,
Die du ich gewesen7) bist.
NU gehab dich mehr als8) wol,
Ich bin Frewd vnd Freyheit voll.
b. Du wirst mich nicht mehr ergetzen
Mit eim'9) süssen Liebeskuß,
Weilen ich mich 10) mit dir letzen,
Vnd dich nu entmeiden n) muß,
Schönste Dam, gehab dich 12) wol,
Ich bin Frewd vnd Freyheit voll.
6. 0 du Haar, als Gold, gewunden,
Daß du meinen schwachen Sinn
Hast ans Liebes-Joch gebunden,
Weil ich nu entknüpftet bin,
Als gehab dich mehr als13) wol,
Ich bin Frewd vnd Freyheit voll.
7. Ich kan dich nu1*) nicht mehr küssen,
O du Wollen- weiche16) Hand,
Weil ich werde meiden müssen
Mein geliebtes Vaterland.
Nu gehab dich mehr als wol,
Ich bin Frewd vnd Freyheit voll.
2. Ich bin deinem Joch entnommen.
Der so schweren Dienstbarkeit,
Mein Gemüht ist schon entkommen
Deiner Bitter-Süssigkeit :
Liebe, nun gehab dich wol!
Ich bin Frewd und Freyheit vol.
3. Du, Cupido, magst nun schawen
Wo du einen finden kanst,
Der dir wil sein Hertz vertrawen,
Da du deinen Bogen spannst,
Liebe, nun gehab dich wol!
Ich bin Frewd vnd Freyheit vol.
4. Vnd du, Göttin meiner Sinnen,
Schönste, die ich mir erkiest,
Die ich muste lieb gewinnen,
Die mein all gewesen ist,
Nun gehab dich mehr als wol!
Ich bin Frewd vnd Freyheit vol.
5. Mich sol nun nicht mehr ergetzen
Deiner falschen Liebe Kuss
Weil ich mich jetzt mit dir letzen
Vnd von dannen scheiden muß,
Falsches Lieb, gehab dich wol!
Ich bin Frewd vnd Freyheit vol.
2) Gemüh' ist gantz. 3) Süsses Lieb. 4) Wollust. 5) leb indessen.
6) du. 7) verwesen. 8) gehabe dich nur. 9) dem. 10) Weil ich mich nun.
11) Vnd hinfüro meyden. 12) Allerschönste, lel>e. 13) gehabe dich nur.
14) nun. 15) Alabaster.
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448
Nachtrage zu Alberts und Dach» Gedichten.
8. Vnd jhr hellen Augen-Sonnen,
Die jhr meine finster macht,
Ich bin ewrem Plitz entronnen,
Zum Beschluß vnd guter Nacht
Wündschc ich18): Gehabt euch wol.
Ich bin Frewd vnd Freyheit voll.
i
9. Nu bin ich von Noth entbunden,
Freyheit ist mein Eigenthum.
Meine tieffe Liebes-Wunden
Hat geheilt der Keuschheit Ruhm. ,
Liebe nu, wer wil vnd sol,
Ich bin Frewd und Freyheit voll.
10. So lafl dir nu diß gefallen")
Liebste, daß ich dir nu18) bin
Beygethan 10) mit Hertz vnd Sinn.
Vnd wirff deineGnaden-Strahlen90)
Auff den jenen21), der jhm sunst-)
Nichts mehr wündscht, als deine
Gunst.
11. Welchen dieser Schönheit gaben,
Diese Augen2"), dieser Mund,
Nicht zu Lieb1 bewegen34) kunt,
Muß ein steinern Hertze35) haben,
Ja muß*5) von lauter Stein
Vnd gantz Deamantin27) seyn .
6. Vnd jhr hellen Augen-Sonnen,
Die jhr meine finster macht,
Ich bin ewrem Plitz entronnen,
Zum Beschluß vnd guter Nacht
Wünsch' ich nun: Gehabt euch wol!
Ich bin Frewd' vnd Freyheit voll.
7. Jetzt bin ich von Noht entbanden,
Freyheit ist mein Eigenthumb,
Meine tieffe Liebes-Wunden
Hat geheilt der Keuschheit Ruhm.
Liebe nun wer wil vnd sol,
Ich bin Frewd und Freyheit vol.
Schäfferev von Amoena und Amandus
1032 Bl. Fja.
1. 0 du Göttin dieser Erden!
O du Ymus meiner Zeit!
Deiner grossen Treffligkeit
Mag ja nichts vorglichen werden,
Deiner Himniels-Schönheit Pracht
Dich zu einer Göttin macht.
Heinrich Albert, Arien III, 18 (1640\
Gratior est venicns t jndcro corpore
Virtus.
1. 0 Du Göttin dieser Erden,
O du Venus vnsrer Zeit,
Deiner grossen Treffiicheit
Mag ja nichts verglichen werden.
Vnd dein Himmels werther Pracht
Dich mit Recht zur Göttin macht.
16) Wünsch' ich euch. 17) nun, meine Wonne. 18) Wolgefallen daß
ich. 19) Dir verpflicht. 20) deiner Gnaden Sonne. 21) Zu dem jengen.
22) sonst. 23) Strahlen. 24) erweichen. 25) Hertz von Demand. 2G) Ja
muß seyn. 27) Gantz vnd gar verstocket.
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Von Johannes Bolte.
44<>
2. Deiner Schönheit müssen weichen
Alle Damen in der Welt,
Keine dir die Wage !) helt,
Dir ist weit nicht zu vergleichen
Helena, der Damen Zier.
Venus selbst erschrickt vor dir.
3. Deine vnerschöpffte a) Tugend,
Vnd dein goldgemengtes Haar,
Welches erst mein Fallstrick war,
Deine Löbligkeit der Jugend,
Deine8) Alabaster-Hand
Hat mein Hertz dir zugewandt.
4. Deine helle Augen-Sonnen4),
Deine grosse Freundligkeit,
Sarapt der zarten Höffligkeit,
Haben mir das8) Hertz genommen").
Es hat deine Himmels-Zier 7)
Mich zu Lieb*) verpflichtet dir.
5. Drumb, O Göttin meiner Seelen9),
Ich kan nn nicht ferner Dir,
0 du Bildnis aller Zier,
Meino keusche Lieb' verholen w).
Ich muß nur11) bekennen frey,
DaiJ ich dein Gefangner sey.
6. Weil ich dir nu bin verbunden,
Schönste, weil du obgesiegt,
Vnd mir also zugefügt,
Diese tieffe Liebes-Wunden.
Als wil ich dir jederzeit
Auffzudienen seyn bereit.
7. Daß ich weder 12) trink' noch esse,
Daß ich durch die gantze Zeit
Bin in steter Trawrigkeit,
Daß ich mein fast selbst vergesse,
Üiß hat deiner Schönheit Macht
Einzig mir zu wege bracht,
2. Ihrer hellen Augen Strahlen
Gläntzen gleich der Sternen Liecht,
Phebus, halt' ich, könne nicht
Seinen Himmel schöner mahlen
Als vns jhr Gesichte weiset
Daß der Schönheit Reichthumb preiset.
3. Was die Mutter aller Sachen
Jemals hat ans Licht gebracht,
Dran sie jhrer Weißheit Macht
Vns hat wollen wissend machen,
I«t, was dieso Nymphe führt
Die so herrlich ist geziert.
4. Milch und Blut sind jhre Wangen,
Purpur ist der rothe Mund,
Ihre Zähne machen kunt
Edler Perlen Pracht vnd Prangen,
Vnd kein Schnee, kein Elfenbein
Kan den Händen gleicher seyn.
5. Doch vor allen andern Gaben
Muß voraus der Tugend Liecht,
Daß so Göttlich auß jhr bricht,
Seinen Ruhm vnd Vorzug haben,
Die hier auß bedachtem Raht
Diren Sitz genommen hat.
1) Gleichheit. 2) Götter-gleiche. 3) Die weiss'. 4) Deiner Augen
klare S. 5) meiu. (i) gewonnen. 7) Götter Zier. 8) zur Gunst. 9) ö Labsal
meinem Hertzen. 10)GantzverheleumeineSchmertzen. 11) nun. 12) fast nichts.
450
Nachträge zu Alberts und Dachs Gedichten.
8. Achmöcht' ich die Gnaderlangen, | 6. Ihre Stillheit, Zucht vnd Sitten
Schönste Dam l8), daß ich aus hold
Auch I4) nur einmal küssen solt'
Deine w) Rosen-rothe Wangen,
Nichtes könt mir w) lieber seyn,
Als ein süsser Kuß allein.
9. "Weil das Wild lebt in den He3'den,
Weil in ungepflegter Lufft
Echo dem NarcUms rufft,
Weil die Schäffer werden weyden,
Sol mein Hertz bestendig dir,
Schönste, bleiben für und für.
Vnd der Demut hohe Zier
Gläntzcn allem Zierrath für:
Was die Keuschheit hat erstritten
Ist der Preiß so jhr gebührt,
Vnd die Krone, die sie führt.
7. Wer ein solches Lob verlangen
Vnd vor Schön geacht sein wil,
Muß zu förderst fromm vnd still,
Weit von Hoffart, Stoltz vnd Prangen,
Nur auff Tugend seyn bedacht
Vnd sie vben Tag und Nacht.
H. A.
Zum Schluß will ich noch auf einige nicht in Alberts
Arien stehende und auch von Oesterley nicht verzeichnete Ge-
legenheitsgedichte Dachs eingehen. Von den Dachianis der
Berliner Bibliothek hat Oesterley die drei großen Sammelbände
Yi 851 benutzt, wenn er auch nur bei den Stücken, welche in
Breslau nicht vorhanden waren, einen Verweis auf dieselben
für nötig hielt. Verstreut an andern Orten finden sich noch
ein paar Nummern. So in der schon angeführten Sammlung
von Königsberger Hochzeitsgedichten von 1631 — 41 (Yf 6823
in 4°), die auch Gedichte von Adersbach, Caldenbach, Calow,
Heinr. Held, Linemann, Chr. Rose, Val. Thilo, Titz, Weichmann,
"Wilkau u. a. enthalt. Ich führe die Nummern von Oesterley's
Verzeichnis auf: 129 ,Der Herbst gibt', 311 ,Gehabt euch wol;,
677 ,Machet euch herzu', 681 ,Ob ich meine Glut', 919 ,Wie?
daß bey Euch', 1032 ,Cupido dulcis, expedi', 1068 Fattimur? an
laeta', 1077 ,Gens ad auream', 1086 ,Hanc tibi, quam ducis', 1193
,Quisqui8 es, Ausonias', 1211 ,Seu coelo, Kepplere1, 1224 est:
ruenti', 1244 TiW« tftov noxl düi^a.
Ein andrer Band (Vol. panegyricum HL in Fridericum
Guilelmum Electorem — St 5892) bewahrt die Nummern 546 rKind
nur neulich erst', 855 ,Was will der helle' und 1133 ,ATon auro*.
13) Edles Bild. 14) Euch. 15) Vnd die. 16) Nicht* mir könte.
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Von Johannes Bolte.
451
Unbekannt, waren dagegen bisher zwei an den kurftirst-
liehen Rat Martin Friedrich Seidel*) in Berlin (1621—1693)
gerichtete Gedichte. Derselbe hatte schon 1644 auf der Univer-
sität Frankfurt a. 0. mit Johann Frank und Heinrich Held
einen Bund zur Pflege der Poesie geschlossen, wovon noch ver-
schiedene Gedichte Franks Zeugnis ablegen. Später mußte
diese Liebhaberei einer andern weichen. Er begann eifrig für
die Geschichte seiner Heimat zu sammeln: Aktenstücke poli-
tischen Inhalts, juristische Entscheidungen, Porträts und Briefe
berühmter Männer, Flugschriften und Kuriositäten, ein Material,
das er selber nur zu einer größeren Publikation, den Icones et
elogia virorum aliquot praestantium 1670 (1751 von Küster er-
neuert), ausnutzte, und das später in viele Hände verstreut
wurde. Auch über sein eigenes Leben legte er eine Sammlung
von Aktenstücken an, welche nach seinem Tode an den durch
seine Arbeiten zur Gelehrtengeschichte bekannten Professor
Henning "Witte in Riga geschickt werden sollte; doch scheint
dies unterblieben zu sein. In diesem jetzt der Berliner Biblio-
thek gehörigen Bande (Mscr. Boruss. Fol. 200) sind nun die
beiden erwähnten Gedichte Dachs eingeklebt. Wie man aus
den Anfangsworten beider ersieht, hatte der Sohn des branden-
burgischen Ministers den Königsberger Professor, dessen Be-
kanntschaft er jedenfalls schon 1639 bei einem längeren Auf-
enthalte in Königsberg gemacht hatte, ausdrücklich darum ge-
beten, ihm zu seiner Hochzeit zu gratulieren und ihm bei dem
Tode seiner ersten Frau ein poetisches Trostwort zuzurufen;
das mag nach unsren Anschauungen wunderlich erscheinen, ver-
stieß aber nicht gegen die Sitte seiner Zeit, welche auf die Ge-
legenheitscarraina hohen Wert legte.
Auff Liebreiche | Heyraht | Herrn Martin Friedrich Seidels |
*) Am genausten giebt G. G. Küster, Geschichte des Alt-Adelichen
Geschlochts derer von Seidel 1751 S. 29—40 Nachricht über den merk-
würdigen Mann, dem ich gelegentlich eine eingehendere Darstellung zu
widmen denke.
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452
Nachträge zu Alberte und Dachs Gedichten.
beyder Rechten Licentiaten, Churfl. Bran- | denburg. Hoff-
Cammer Gerichts und Con- | sistorial Raths, etc. | Vnd | Jungfer
Martha Sophien Kohlin, etc. | Von Königsberg aus Preußen ,
übersendet | Simon Dach. J 1649. | 24. "Winter- Monat. II
druckt zu Berlin, bey Christoff Runge. | 2 bl. 4°.
1. Freund, anietzt hcmüht mich
nicht,
Irgends ümb ein Lust-Gedicht,
Nun die Glocken trawrig klingen:
Vnaer Churfürst grämet sich
Vnd sein hohes Hanf, und ich
Solte Frewden -Lieder singen?
2. Zwar mir sagt Latonen Sohn,
Daß Parnass und Helicon
Hefffcig sey bestürtzet worden,
Vnd daß stracks auf lange Zeit
Allgemeine Trawrigkeit
Sey beliebt vom Götter-Orden.
3. Amor habe sich zuletzt
Di* sem trotzig widersetzt,
Vnd sich sehr beschwert befunden:
Vrsach: er hatt' andern Sinn,
Liebe wäre nio vorhin
An Gesetze noch gebunden.
4. Aber durch Mercur sey bald
Allenthalben angestalt,
Daß er Music, Tantz und Frewden,
Als zur Straff, und zum Verdruß
Auff so schnell gemachten Schluß
Bey der Liebe solte meyden.
5. Wehrtor Bräutgam, halt zu gut,
Gott vermehr in eurh die Glut,
Vnd mach ewer viel auff Erden!
Seyd von Gnüg und Segen reich,
Ewer Same müsse gleich
Dem Gestirn am Himmel werden:
I
\
6. Ich wil alle Kunst und Zier
, Deinem Vater und auch dir,
Weil icn lebe, schuldig bleiben:
Aber dieser trübe Stand
Macht, daß meine schwache Hand
Nichte als Klage weiß zu achreiben.
I
7. Welcher wil, als wie er soll,
Ihm und seinen Sachen wol,
Vnd kan jrgend Frewde fassen?
Mir kära es zu sawer an,
Nein, ich wüst auff einmal dann
Mich zu lieben und zu hassen.
Fletus Amicorum, | In luctuosissiraum | Obitum | Foeminae •
singulis sui sexus Virtutibus ac Dotibus | Celeberrimae | Marthae
So- | phiae, Andreae Kohlii, \ Icti & Vice Cancellarii Marchici
Filiae, | Martini Fridrici Seide- | Iii, Consiliarii Brandenburgici
Uxoris singulariter | dilectae & eheu! primo Matrimonii anno
unico filiolo re- | licto defunetae. | (December 16*60).
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Von Jobannes Bolte.
453
1. Vnd du hast das Vertrawen,
Herr Seidel, auch zu mir,
Ich könn ein Denckmal bawen
Der Liebsten deiner Zier?
Hab ich zu meinen Sachen
Die Hoffnung selbst doch nicht,
Ohn daB mir, was zu machen,
Es auch an Zeit gebricht.
2. Doch bistu hoch zu preisen,
Daß du kein besser Pfand
Der Trew Ihr wilst erweisen,
Als eine weise Hand:
Denn was kau sonst bestehen
Ohn unsre Kunst allein?
Die Last der Mausoleen
Geht mit den Jahren ein.
I 3. So bald der Weiflheit Güte
Dein Leyden zwingen kan,
Nimm wieder dein Gemüthe
Und greiff dich selber an,
Mein Werck ist unvonnöthen,
Such keinen fremden Reim,
Die Künste der Poeten
Sind stets bey dir daheim.
4. Sing wie bey Ihr die Tugend
Der zucht und Frömmigheit
Mit angenehmer Jugend
Geführt so schönen Streit,
Ihr Unschuld, Art und Leben,
Und was auff gleichen Schlag
Der Himmel Ihr gegeben,
Kein Tod entreissen mag.
B. Dass, wenn nun mit den Jahren
Der Sohn, dein Auffenthalt,
Begierd hat zu erfahren
Dir Anmuth und Gestalt:
Dein Lied Sie an-zu-schawen
Ihm darstell also wol,
Als kein Antherm1) Sie hawen,
Kein Zeuxis mahlen soll.
Simon Dach.
Ein drittes ebenfalls bis jetzt noch nicht erwähntes "Werk
Dachs vermag ich durch die Freundlichkeit des Herrn Dr.
L. H. Fischer nach einer Abschrift von Herrn Dr. R. Reicke
mitzuteilen. Das Original befindet sich auf der "Wallenrodtschen
Bibliothek in Königsberg R. R. 15. fol. (24).
Abschieds-Liedchen | Bey | dem Seeligen aber den Hinter-
lassenen sehr schmertzlichen Hintritt | aus dieser Welt | der
weiland viel Ehr- und Tugendsamen | Fr. Elisabeth, gebohrnen
Pärsinn, | Seel. | Herrn Thomas, Jennicken etc. | hinterlassenen
"Witwen | geschrieben | von | Simon Dachen | Vnd in fünff Stim-
1) Nach der alten Lesart beiPlinius, Hist. nat. 36, 11 für Archermos
von Chios.
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454
Nachträge zu Alberte und Dachs Gedichten.
raen zu singen gesetzet | von | Johann Weichmann Cantore der
Alttenstadt. | Königsberg | gedruckt durch Johann Reusnern \
1652. 17. Mey. (2 Bl. fol. Mit Noten. Partitura a 5).
1. Meines Lebens Ziel ist hier,
GOTT der HERR wird kommen,
Meine Seele soll von mir
Werden weggenommen,
Wie ein Faden leicht zerreiBt,
Wenn man pflegt zu weben,
Vnd ein altes Kleid zerschleiBt,
Endet sich mein Leben.
4. Da Du mich der Leibes- Last
8elig wirst entbinden,
Vnd die wahre Himmels-Rast
Lassen dort empfinden,
Wo VerdruB Gefahr und List
Auch nicht sind zu nennen,
Vnd Du GOTT, giebst was Du bist
Gründlich zu erkennen.
2. Meine Monden sind an Zahl
Klein und groß an Leiden,
GOTT, Du weiBt dich meiner Qual
Gründlich zu bescheiden,
Pflag mein Auge nicht in Pein
Stets zu Dir zu thränen,
Vnd nach Deiner Hülff allein
Aengstig sich zu selinen?
t
3. Ist ein Wächter, welcher steht
Auff der Thürne Zinnen,
Froh, wenn er der Morgenröht
Endlich noch wird innen,
Frewt ein Tagelöhner sich,
Wenn der Tag sich neiget,
Ich nicht minder frewe mich,
Nun mein Tod sich zeiget
5. Jetzt kommt mir nicht schrecklich
vor
Meiner Sünden wegen
LaB sich vor dem Todten-Thor
Alles grawen legen,
Führ mich durch das finstre Thal
Zu der rechten Sonnen,
Zeig mir in dem Himmels- ShI
Alle deine Wonnen.
6. Kinder, Freunde, lebet wol!
Habet meiner Schmertzen,
Aber, wie ein Christ thun sol,
Mit bescheidnem Hertzen:
Sehnt euch nach des Himmels Zier,
Werdet gram der Erden,
Also werdet ihr zu mir
Auch gesamlet werden.
Aus dem Nachlasse des 1698 als Professor in Tübingen
verstorbenen Christoph Kaldenbach besitzt die Tübinger Uni-
versitätsbibliothek verschiedene Originaldrucke von poetischen
Erzeugnissen des Königsberger Dichterkreises. Unter den
Dachianis finden sich mehrere noch unbekannte, deren Titel ich
nach den mir freundlichst zur Verfugung gestellten Aufzeich-
nungen von Herrn Dr. L. H. Fischer mitteile. Ich gebe sie in
der von Oesterley's Register verwandten alphabetischen Reihen-
folge:
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Von Johannes Bolte.
455
1. Ach wie verkehrt es sich so sehr, 9 Strophen zu 10 Zeilen.
Sign. Dk XI 312 a. 8». ,Hertzliches Beht-Liedt | Mit welchem | Zu Gott
dem 1 Allmächtigen bey diesem wei- | chen vnd verkehrten Winter- | Wetter
nmb Abwendung | allerhand Straffen | Hertzlich vnd iuniglich | schreyen |
Die Armen Knaben der | Thum -Schulen Königs- | berg in Preußen. | In der
Melodey: | An Wasserflüssen Babylon, etc. | 1648. 18. Hornung. | Gedruckt
bey Pasche Mensen.' — Am Schlüsse : ,Dem Kneiphöfischen Pauper- 1 Hause
zu gut geschrieben | Von j Simon Dachen'. — Bey Oesterley S. 342 f. nach
einer Abschrift ohne Quellenangabe abgedruckt.
2. Ihr Preussen auff Vnd kommt zu hauff. .Preussiches | Büß
vnd Beht Lied | Welches | Meinem hertzlieben Vaterlande | bey gegenwertigem
Beht Tage | des 1647. Jahrs 1 . . . in die gewöhnliche Weise: | Ach Gott mein
Herr, wie groß vnd || schwer, sind mein begangne Sünden etc. | Zu singen, |
Geschrieben ] Ich | Simon Dach. — Oesterley verzeichnet im Register Nr. 501
nur einen Abdruck im Frankfurter Gesangbuch 1693.
3. Selig Ewigheit, Lohn der Himmels - Erben , 17 Str. zu
6 Zeilen. Zum Begräbnis der Frau Sophie Schimmelpfenning, geb. Schwartzin,
1656, 10. bis 17. Hornung. ,Auff der seligen Frawen selbst eigenes Begehren
bereit 1649, 1. Herbstmonat geschrieben'. Königsberg, J. Reusner. 2 Bl. 4°.
Unten abgedruckt.
4. So hastu vnsre Zähren, 12 Str. zu 8 Zeilen. ,Hertzliches | Dank-
Liedt, | Welches | Gott dem Allerhöhesten | für dieses angenehme vnnd von j
dem gantzen Lande gewünschte l Winter- Wetter, in der Me- | lodey: | Selig
ist der Gepreiset, der Gott | vor Augen hält, etc. | Auß Inniglicher Andacht |
singen | Die Armen Schüler der | Kneiphöfischen Schiden zu | Königsberg, |
Im 1648. Jahr [ 1 Mertz. | Gedruckt bey Paschen Mense.'
5. Wer nun doch seine Faust so schnell und fertig hätte.
Dk XI 9 a. Hochverdientes Ehrengedächtniß für Johann Arnd von Goldstein
und seinen Sohn Gustaf? Friedrich, "f 1653, 30. Mai und 4 Brachmonat.
Königsberg, J. Reusner. 7 S. folio. — Das in Oesterleys Register Nr. 982
verzeichnete Sterbeliod auf dieselben Personen in 7 Str. zu 6 Versen: ,Wo
wil es hin mit meinem Hertzen' befindet sich gleichfalls in Tübingen.
6. Wolt iemand in mich dringen, 11 Str. zu 8 Versen. Zur
Hochzeit von Chr. Tinctorius und Regina Scharff geb. Schimelfeng. 1653
IX Cai Sept. in Dk. H 26 fol.
7. Cum versus facili dares Camaena. Zur Dichterkrönung von
Balthasar Voidius 1654. Ebenda.
8. Excipe gratanti placitura Borussia vultu, 77 Hexameter.
An Gabriel de la Gardie, Gouverneur von Livland, 1650 VlI. Id. Mart.
Ebenda.
9. Hercultu» solem lassat Uo, Sirius almo$, 158 Hexameter.
Wie No. 6.
10. Magne, Poetarum sublimi pectinc maior, 6 Distichen. Wie
Nr. 8.
45ß
Nachträge zu Alberte und Dachs Gedichten.
Es folgt nun der Text des unter Nr. 3 angeführten Geist-
lichen Liedes, in welchem Dach nicht ohne Glück einen höheren
Flug als gewöhnlich zu nehmen versucht:
1. Selig' Ewigheit,
Lohn der Himniels-Erben,
Derer Hertzeleid
Die in Sünden sterben.
Bild doch dich allein
Immer mir recht ein.
2. Laß mir nichts dein Wort
Aus dem Hertzen lcncken.
Sondern fort und fort
Mich an dich gedencken:
Sey mein Tritt, mein Gang
Vnd mein Lebens-Zwang.
3. Hast du dich gesellt
Wol zu meinen Sinnen,
Nichts in dieser Welt
Wird mein Hertz gewinnen:
Denn was gleicht allhier
Deiner hohen Zier?
4. Deinen rechten Stand
Würdig auszusprechen,
Wird uns Witz und Hand
Zung und Mund gebrechen:
Hior hat Wissenschafft
Weder Art noch K rafft.
5. GOtt von Angesicht,
Wie Er ist, erkennen.
Durch das grosse Licht
Seiner Liebe brennen:
Sprechen: Meine Ruh,
GOtt, bist einig Du.
6. Vber alle maß
Gnügsain sein gemessen,
Ihn ohn unterlaß
hi die Arme schliessen:
Vnd sich spiegeln gantz
Nur in seinem Glantz.
7. Aller Wünsche Macht,
Aller Weißheit Gaben,
Aller Hoheit Pracht
Allen Reichtimm haben:
Nirgends sehn Verdruß
In dem Vberfluß.
8. Aller Väter Schar
Vnd die lieben Seinen
Sprechen immerdar:
Nirgends über weinen.
Ohn Gefahr und Pein
Vnd ohn Kranckheit seyn.
9. Seine Stimm empor
Mit den Engeln schwingen
Vnd in vollem Chor
Vnserm Schöpffer singen:
Heilig bist du, GOtt,
O HERR Zebaoth.
10. Vnd diß aUes zwar
Nicht nur lange Zeiten,
Hundert tausend Jahr,
Die zu letzt verschreiten,
Nein ohn1 End und Zeit
Vnd in Ewigheit.
11. Dieses und was mehr,
i
< Vber Menschen Zungen,
Vns in kein Gehör
In kein Hertz gedrungen,
Wohnt, du Himmels-Zier
Ewigheit, in dir.
12. Solt' icli nicht allhie
Gern umb dich ertragen
Armut, Blosse, Müh,
Hohn und Kranckheit Plagen?
Ja die höchste Noht
Biß in meinen Tod?
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Von Johannes Bolte.
457
13. GOtt. der du bereit
Warst für uns zu sterben,
Bloß der Ewigheit
Heil uns zu erwerben :
Dieses theure Gut
Kostet dir dein Blut.
14. La« hie meinen Leib
Wol gezüchtigt werden,
Schlag, haw, brenn, zerreib
Ihn zum Klößlein Erden,
Nur die Seel' entgeh
Ewig ihrem Weh.
15. Keiner Wollust Schuld
Steige mir zu Hertzen,
Daß ich deine Huld
Wolf hierumb verschertzen,
Ewig auch dazu
Meiner Seelen Ruh.
16. Täglich tödt in mir
Meiner Lust beginnen,
Keiner Welt begier
Komme mir zu Sinnen,
Hire falsche Lust
Sey mir Gram und Wust.
17. Laß mich nirgends hin
Ans der Vnschuld wandten
Vnd mir in dem Sinn
Wercken und Gedancken
Schallen jederzeit
Selig' Ewigheit!
Als Ergänzung zu dem oben S. 445 über Georg Neu mark
Bemerkten mag endlich auf den in zwei Liedern seines Fort-
gepflanzten musikalisch - poetischen Lustwaldes (Jena, G-eorg
Sengenwald 1657) erkennbaren Einfluß von Alberts Arien hin-
gewiesen werden, auf den mich noch Herr Dr. Fischer auf-
merksam macht. Im Lustwald 1, 55 steht ein schon 1652 in
Neumarks Poetisch - musikalischem Lustwäldchen (Hamburg,
J. Naumann S. 74) veröffentlichtes Schäferlied: ,Es fieng ein
Schäfer an zu klagen4, das stark an Alberts schon 1642 gedruckte
Arie V 17 erinnert. Ebenso hat Neumark im Fortgepflanzten
Lustwald 1, 1 Alberts bekannten Choral ,Gott des Himmels und
der Erden' (Arien V 4) paraphrasiert. Man vergleiche nur
folgende Strophen mit einander:
Albort 1642.
2. Gott, ich dancke Dir von Hertzen,
Daß Du mich in dieser Nacht
Für Gefahr, Angst, Noht vnd
Schmertzen
Hast behütet vnd bewacht,
Daß des Lösen Feindes List
Mein nicht mächtig worden ist
Neumark 1667.
1. Ich danke dir, mein Gott, von
Hertzen,
Dass du mich die vergangne Nacht
Für allem Unfall. Noht und Schmertzen
Durch deinen Engel hast bewacht,
Und mich mit deiner Hand bedekket,
Daß mich kein Uugehewr erschrekket.
Altpr. MonaUschrift Bd. XXIII. Hit. 6 u. G.
30
Nachlese zu Heinrich Alberts Gedichten.
Von
H. Fischer
in Berlin.
In der Einleitung zu meiner Ausgabe der Gedichte des
Königsberger Dichterkreises *) versprach ich, diejenigen Gedichte
Heinrich Alberts, welche nicht in dessen Arien enthalten sind,
zu veröffentlichen. Dieses Versprechen erfülle ich im Folgenden.
Leider bleibt die Nachlese unvollständig: das von mir Einleitung
S. IX verzeichnete Gedicht Alberts „Ihr, hochberühmter Schütz,
habt zwar durch eure Lieder", das sich im Besitz "W. von Maitzahns
befand, ist vom British Museum erworben und mir daher vor-
läufig unzugänglich. Daß bei weiterem sorgfaltigen Nachforschen
sich vielleicht noch einige Gedichte Alberts auffinden lassen, ist
nicht unmöglich : für derartige Sammlungen ist eben immer nur
eine bedingte Vollständigkeit zu erreichen. "Was in Danzig,
Königsberg und Breslau, den Hauptfundstätten für die Dich-
tungen des Königsberger Dichterkreises, an Albertschen Ge-
dichten vorhanden ist, habe ich wohl ermittelt. Dank sei der
gütigen Unterstützung der Bibliotheksverwaltungen!
i) Vgl. Hft. 5/6 S. 435 ff. desselben Bandes dieser Monateschrift.
*) Epithalamia in honor. nupt. Christophori Mehlichs, Chymiae et
Phannaceuticae studiosi cum Catharina Hakin, Johannis Göbeis, Pharmaco-
1.*)
Einsmals war betrübet sehr,
Da der Wind die grünen Wälder
Von den Blättern weggenommen,
Da der Mäder abgemeyt
Alle Blumen von der Heyd'
Vnd der kalte Herbst war kommen.
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Nachlese zu Heinrich Alberts Gedichten. Von L. II. Fischer 459
2. Drumb sie sich mit jhrer Horde
Hoch auff einen Hügel stellt,
Sah' ob jrgends in dem Feld
Wo ein Fewer blicken werde
Bey den Schäfern vnd Schäfrinnen,
Da sie mit der Herde bleib',
Vnd da auch jhr kalter Leib
Möcht' erwärmet werden können.
3. Dies Cupido ward erfrewet,
Dachte bey sich selbst: wolan!
Schäfrin dießmahl solstu dran
Die Du mich allzeit geschewet,
Welche nimmer kunte bringen
Zu der süssen Liebes Brunst
Meines Bogens beste Kunst,
Sol jetzt meine List bezwingen.
4. Zu Mirtillus er sich faude,
Zu dem Schäfer voller Schmertz,
Dessen hochbetrübtes Hertz
Stets in Liebes Fewer brandte
Von der Dclia entzündet,
Die mit jhrer Augen glantz
Auch der Sonnen stralen gantz
An der Schönheit vberwindet.
B. Rieff jhm zu mit grossen Frewden :
Schäfer habe guten Muth,
Es sol alles werden gut,
Vnd dein Schmertz dein' Angst vnd
Leiden
Sol sich jetzt auff einmahl enden,
Folge mir; vnd siehe da,
Deine schöne Delia
Wird sich gäntzlich zu dir wenden.
6. Stellt' jhn vnter einen Häuften
Dürres Strauchs, vnd drauff
behend
Delia so gantz verblendt,
Daß sie stracks hub an zu lauffen
Nach dem Fewer, so jhr eben
Daucht' ein rechtes Fewer sein,
Da sie bey verhofft' allein'
Hirer kälte rath zu geben.
7. Der*) Mirtillus heimlich lachte:
Hielt die beyden Armen auff,
Drein sie selbst mit schnellem lauff
Seine Schäferin, sich machte,
Meinte noch sie sey beim Fewer,
Wüste nicht, daß sie im Arm'
Eines Schäfers ward so warm,
Wüste nichts vom Abenthewer.
8. Biß Cupido nun verstünde,
Daß es jetzt wer außgericht,
Worauff er mit fleiß gedieht,
Daß das kalte Hertz begunto
Dieser Schäfrin zu erhitzen
Von Mirtillus heisser Flamm,
Vnd er beyde nun zusamm
Sah' in gleicher Liebe schwitzen;
9. Scheid er weg. Bald kunte sehen
Delia bey wem sie war,
Wer sie so erwärmet gar.
Vnd weil jhr so wol geschehen,
Wil sie stets beym Schäfer bleiben,
Daß er hab zu eigen sie,
Ihre Schäflein und jhr Vieh'
Auch zu seiner Heerde treiben.
10. Findet euch drumb bey einander
Heut' 0 Hirten Companey!
Ewre PfeifFen bringt herbey,
Last euch hören eins vmbs ander
Diesem Liebes paar zu Ehren.
Wünschet, daß auch jhre Heerdf
polae Löbenicensis relicta vidna lG'iO, 19 Nov. styl. nov. Mit Gedichten
anderer (Georg Loth, Daniel Becker, Peter Schilling, Simon Dach). Breslauer
Stadtbibl. Ink. 11, 2. (Oesterley, Dach Register No. 942).
*) Im Original fälschlich: Des.
80*
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4G0
Nachlese zu Heinrich Alherts Gedichten.
Jmmer jmmer grösser werd'
Vnd sich jährlich mag vennehren!
Heinrich Albert.
2*)
DER den Himmel hat gebawet
Vnd die gantze weite Welt,
Der, was vnser Aug anschawct
Alles führet und erhelt,
Hat durch seine grosse Macht
Auch die Lieb herfür gebracht.
12.]
Von Gott kombt die Kirnst zu lieben.
Wer sie schreibt der Venus zu,
Wird sich selber nur betrüben,
Oder wer der Flammen Ruh
Sucht ins Hymenei Saal
Wird betrogen überall.
[3.]
Gott hat sich ja selbst gekehret
Anfangs aller Liebe voll
Zu vn8 Menschen, die er lehret
Wie vnd was man lieben sol,
Einem jedem Er mit Fleiß
Seinen Theil zu finden weiß.
Laß die Anschlag vnd das Dichten
Aller Menschen fahren hin:
Gott, der kan alleine richten
Vnser Hertz vnd vnsern Sinn,
Wie Er es hat außersehn,
Also muß es doch geschehn.
[5.]
Liebe darumb ohn verziohen
Der nur jmmer lieben kan:
Wer wü Gottes Ordnung fliehen,
Wird gar übel lauifen an,
Seine Freude wird zu letzt
Nur in Spot vnd ^Schmach versetzt.
[6.]
Einer, der sein gantzes Leben
In Vnkeuschheit zugebracht
Vnd den Lüsten hat ergeben,
Ist zu lieben nie bedacht,
Was er meynt das Liebe sey,
Ist nur lauter Teuffoley.
[7-1
Aber wer die Tugend üben
Vnd das Beste finden wü,
Der wird eine Seele lieben
Vnd sich halten fromm vnd still,
Solch ein Leben halt ich gleich
Auch dem halben Himmelreich.
Heinrich Albert.
3.**)
Der grosse Baw-Herr wil den Himmel nicht allein
So herrlich vnd so schön Geschmücket lassen seyn,
Daß da in hoher Pracht viel tausend Lichter stehen,
Die umb den Erden-Creiß fort fort herumb her gehen;
Er schafft on vnterlaß auch Lichter dieser Welt,
*) Jacobo Schiein ducenti Gatharinam, Reinholdi Vogt filiam 1634.
Mit Gedichten anderer (Albert Liuemanu, Val. Thilo, Simon Dach). Breslauer
Stadtbibliothek Ink. 11, 2. (Oesterley, Dach S. 94).
1) Im Original ist „vnd" fälschlich doppelt gesetzt.
**) Auf die Hochzeit Albert Linemanns und Anna Gericke 1635,
29. Octob. unter den Gedichten der Freunde (C. Wilkau, Simon Dach,
Johannes Gericke). Breslauer Stadtbibliothek Jnk. 11, 2. (Oesterley, Dach
Register No. 446).
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Von L. H. Fischer.
461
Die er zu seinem Lob erwecket vnd auffstellt. .
Difl ist das Hobe Volck, daß Volck der Pierinnen,
Die nicht anff Eytelkeit gewendet jhre Sinnen,
Die sich in Wissenschafft geübet Tag vnd Nacht,
Vnd mit Studiren nur die Jahre zu gebracht,
Die müssen Lichter seyn, vnd so für allzumalen
Mit jhrer edlen Kunst ein gantzes Land bestrahlen.
Schawt vnsern Breutigam! Der vor derzeit so gar
Sich vns entt zogen hat', vnd endlich kommen war
Biß an den Himmel selbst, daß er da bey den Sternen
Deß grossen Meisters werck nur möchte recht erlernen
Wie er von jlinen ist erleucht vnd angezündt,
Daß seine Künste nun so klar, als Sterne sind!
So, daß ein Jedermann, so wol bey vns in Preussen
Als sonst in aller Welt jhn wird vnsterblicb heissen.
Jtzt werden innerlich auch Flammen Dim' erweckt
Vom keuschen liebes Fewr, durch GOtt selbst angesteckt,
Die Flammen, welche sonst gar fern von Frowd' vnd Lachen,
Wo Gegen-Flammen nicht sie immer scheinend machen;
Die hier sind albereit: Seht an die Jungfraw Brawt!
Wie gläntzet jhr Gesicht! Wie schimmert jhre Haut!
Das machet, daß jhr Hertz in gegen Liebe brennet;
Vnd daß man kaum an Ihr noch Irdisches erkennet
Daß thut der Tugend-schein, der seine klarheit woist,
Vnd hier soin helles Licht auß jhren Augen proißt.
0 aller liebster Stern! den GOtt euch zu geführet
Geehrter Breutigam, der Euch allein gebühret
Zu scheinen Tag vnd Nacht, der immer vmb Euch steht
Vnd Euch nach hertzenswunsch bald auff- bald vnter- geht.
Glück zu dem liebes-Paar! GOtt wol' Euch solcher massen
Durch seinor Gnaden Glantz auch ferner Leuchten lassen
Daß ewer Nähme so die Welt bescheinen mag
Durch Kind vnd Kindes-Kiud biß an den Jüngsten Tag!
Heinrich Albert.
4.*)
Der 128. Psalm Davids
zu singen vnterlegt der Weyse: Du plus douz &c.
Antonij Boesset a 5.
■) Auf Christoff Starcken und Anna Dorotheen, Christian Walter
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462
Nachlese zu Heinrich Alberte Gedichten.
1.
Wer auff Gottes Wegen
Vnsträflich einher geht,
Demselben Glück vnd Segen
Zu seinem Willen steht:
Die Arbeit deiner Hand
Sol dich gar reichlich nähren,
Vnd dir vollauff bescheren;
GOtt wird in deinem Stand'
Ohn Ende dich vermehren.
2.
Gleich dem guten Reben
Wird dir dein Ehgcmahl
Gewünschte Früchte geben:
Daß Kinder vberal
Vmb deinen Tisch herumb
Wie die Oel Zweiglein stehen,
So muß es dem ergehen,
An welchem vmb vnd vmb
Nur Gottes Furcht zu sehen!
seinem goliebten S
8.
Vnd des HErren Segen
Aufl Zion wird auff Dich
Gleich wie ein güldner Regen
Abtrieften mildiglich:
Daß du solt allezeit
Jerusalems Glück schawen,
Auch Kindes Kinder bawen.
! Vnd GOtt in Sicherheit
i
Vnd Friede Dich vortrawen.
Angehongter Wunsch.
Daß nun solche Gaben
Auch Braut vnd Bräutigam
Von GOtt stets mögen haben,
Dabey an Gutt vnd Stamm
Sich mögen für vnd für
In seiner Furcht außbreiten;
Wünscht man von allen seiten,
Biß GOtt Sie selbst von hier
i Zur Ewigkeit wird leiten.
iegerVater zu Ehren von
Heinrich Alberten.
6.*)
Vber dem betrübten, doch seligen
Absterben
des Woll Ehren vesten Groß Achtbaren
vnd Hochgelahrten
Hn. Michael Adersbachon,
Ihrer Churfl. Durchl. zu Brandenburg in Preussen
wolverdienten Rahts vnd Secretarii, wie auch Ihrer Königl.
Majest&tt in Pohlen vnd Schweden der Waldwahren
getrewen Factorcn,
Welcher den 25. Decembr. dieses zu End lauf-
Tochter, Hochzeit 1640, 16. Januar hinter Dachs „Amor macht sich dieser
Tage". Kgl. u. Uuivers. Bibl. zu Königsberg Pb 112. Qu. No. 100 [Oesterley.
Dach Register No. 33).
*) Kgl. u. Univers. Bibl. zu Königsberg S. 151 H fol. No. 187.
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Von L. H. Fischer.
463
fanden 1640. Jahres in hertzlicher Andacht vnd Anrnf-
fung seines Erlösers, selig von hinnen geschieden, vnd den
81. dessen in sein Erbbegräbniß allhier im
Kneiphoff bograben,
Bezeuget sein schuldiges Mitleiden
mit diesem
SONNET:
DEin Leid, 0 Königsberg, vnd deinen Schmertz zu singen,
Muß ich mein armes Spiel in solchem Trawer-Thon
Als vormals nio geschehn (es ist der Sünden Lohn,
Den GOtt vns zugeschickt) mit Wehmath lassen klingen:
Wird dir der grimme Todt die Häupter wiederbringen,
Die Du verlohren hast? sie sind einmal davon
Die Weisen dieser Stadt. 0 weh! des Landes Krohn'
Ist auch dahin gerafft! mein Spiel muß gantz zerspringen,
Weil vnser Churfürst vns, der thewr' vnd wehrte Heidt
Von GOtt genommen ist. Ich weiß die gantze Welt
Tragt Leid vmb Hin wie wir, in trawrigen Geberden.
Des Fürsten trewer Raht, Herr Michel Adersbach,
Legt jetzt, sich auch zur Rhue, folgt seinem Fürsten nach;
Fährt GOtt noch weiter fort, wie wird es mit vns werden?
Heinrich Albert.
6.*)
Klag- vnd Trost -Lied
Bey Hoch-Adelicher vnd Ansehnlicher Leich-Bestattung
des HochEdlen, Gestrengen, Vesten vnd Mannhafften Herren
ANDRES VON KREYZEN,
des Herzogthumbs Preussen Wolverdienten
Land -Hoffmeisters vnd Regiments-
Raths, auf Weßlienen, Wolffs vnd
Wesselshoffen &c. Erbsassen,
Welcher Im Jahr Cliristi 1G41 den 4. Jauuarij
Abends gegen 4 Uhr sanfft vnd seelig entschlaffen, vnd
den 11. Aprilis selbigen Jahres in die Kirche
in Löbenicht Christlich zur Erden
beygesetztet wordon.
EDles Hattpt, du Trost im Lande,
Du, des Fürsten Schmuck vnd Zier!
Billich, billich weinen wir,
Daß des rauhen Todes Bande
Dich in jhre Macht bestricket,
Vnd von hinnen weg gerücket.
*) Kgl. u. Univere. Bibl. zu Königsberg S 151 II fol. No. 187.
464
Nachlese zu Heinrich Alberta Gedichten.
2.
Vnsre Wunden stehn noch offen;
Als der thewr vnd werthe Heidt
Vnser Churfürst ward gefallt,
Welcher Fall vns hart getroffen;
HülfF vnd Heyl möcht' vns entsagen
Würden wir noch mehr geschlagen.
3.
Weh, dem Apffel-Biß der Schlangen !
Der des strengen Todes Macht
Hat in diese Welt gebracht.
Weyl die Sünd vns hält gefangen,
Müssen wir anch nun dor Erden
Vnserm Vrsprung, älinlich werden.
4.
Wie der Rauch nicht kan bestehen
Wann ein Windchen jhn anficht!
Wie ein Gl aß, das bald zerbricht:
So mufi auch der Mensch vergehen.
Wie die BW vnd Blumen fallen:
Also geht es mit vns allen.
5.
Doch batt GOtt ein ander Leben
Vns aus Gnaden zugesagt;
Da vns keine Noth mehr plagt,
Da wir stets in Frewden schweben.
Dahin sollen alle Frommen
Stracks nach Dircm Tode kommen.
6.
Lasst vns nur gedultig harren!
Vnsern Schmertzen, vnsrer Pein
Wird noch wol zu rathen seyn.
Vnd dieß Haupt, so wir verscharren,
Wird nach diesen Jammer-Tagen
Dort die Ehren -Krohne tragen.
Heinrich Albert.
7.*)
0
Du Zier und Licht der Preussen,
Muß denn dich des Todes Macht
Auch aus unserm Mittel reissen?
Kunte deiner Lieder-Pracht
Dieses grimmen Würgers wüten
Nicht in etwas noch begüten?
Nein : Kein Lied, kein schönes singen,
Das zwar Menschon hier ergetzt,
Kan den bittern Tod bezwingen;
Allen er sich widersetzt:
Lässt sich weder Stimm noch Seiten,
Und, was künstlich ist, bestreiten.
*) Aus: Poetice germanica Seu de ratione scribendi carminis Teu-
tonia Libri Duo, Cum Dispositionum Carminumque varii argumenta farra-
gine, pro exercendo Stylo Poetico: Autore et Collectoro Christophoro Calden-
bachio, EL Poes, ac Historiarum in Acad. Tubingensi P. P. Norimbergae,
Sumptibus Michaelis & Joh. Friedr. Endterorum, Anno Salutis MDCLXXIV.
S. 90: Epicedion Musici nempe Johannis Stobaei Capellae electoralis Bran-
denburg. Magistri.
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Von L. H. Fischer.
465
Billich Bind die Mosen-Kinder,
Vater, itzt umb dich betrübt,
Und Apollo selbst nicht minder,
Der so hefftig dich geliebt ;
Klagen, seufftzen, winseln, weinen,
Dafl du sie verlässt, die deinen.
Deine Grabstätt zu verehren
Bringt man Palmenzweige dar;
Lässt viel Klage-Lieder hören
Hier bei deiner Todten-Bahr:
Und was dir die Musen reichen,
Ist ein Crantz von Lorbeer-Sträuchen.
Fama kömbt mit vollem schreyen,
Wirfflt uns deine Lieder zu,
Hier dein Leben zu verneuen;
Ob der Leib gleich geht zu Ruh.
Deine Kunst und gute Lieder
Geben dich uns ewig wieder.
Scripsit Regiomonti, 14. Sept. 1646. Hcinricus Alberti.
8. *)
Christliches Lob- vnd Danck-Lied,
Auff
den Hochzeitlichen Ehrentag
des Ehrnvesten, Achtbahrn vnd Wolweisen
Herrn Lorentz Gilgenen
Churfürstlicher Stadt Löbenicht Wolverordneten Rahts-
Verwandten,
Mit
der Ehr- vnd Viel Tugendsahmen Jungfrawen
ELISABETH,
Des weyland
Ehrenvesten, Kunstreichen vnd Vornehrageachten
Herrn Heinrich Römermans, Churfl. Durchl. zu Brandenb.
in Proussen bestalten Chirurgi, Eholeiblichen Tochter,
Aus dem Psalmbuch des Königs vnd Propheten Davids vom Herrn Breutigain
selbst erwehlet, vnd verfertiget
von
Heinrich Alberten.
Königsberg, gedruckt durch Johann Reusnern. Den 25. April 1650.
*) Kgl. u. Univers. BibL zu Königsberg Pa 128 I No. 29.
Nachlese zu Heinrich Alberte Gedichten.
466
1. Ihr Knechte Gottes, seid bereit
Den HErren hoch zn preisen,
Von nun an biß in Ewigkeit
Solt jhr Ihm Danck erweisen:
Singt seines Nahmens Lob-Gesang
Biß jhr den Lauff gewonnen
Vom Auffgang biß zum Niedergang
Des grossen Lichts dor Sonnen!
2. Der HErr ist hoch, vnd seine
Macht
Ist über alle Heyden,
Sein' Ehre geht durch Hirn eis Pracht
Die auch die Wolcken kleiden.
Wer ist, der vnserm Gotte kan
Gleich hoch gesetzet werden?
Vnd der nur sieht das Niedrig' an
Im Himmel vnd auff Erden.
8. Der ans dorn Staub' vnd Koht' erhebt
Den Armen vnd Geringen,
Daß Er bey Fürsten sitzt vnd lebt,
Vnd Völckern Raht kan bringen.
Der fruchtbar macht, auff die man hie
Wil als vnfruchtbar weisen,
Daß Frewden-voll im Hause Sie
Mufl Kinder-Mutter heißen.
H. A.
Zum Schluß möge es mir gestattet sein, auch zu meinem
Verzeichnis der Albertschen Tonsätze (S. IX meiner Ausgabe)
eine Notiz hinzuzufügen. Nach No. 3 ist einzuschalten: 3^
Klag- und Trostlied bey Leich-Bestattung des Herren Andres
von Kreyzen: „Edles Haupt, du Trost im Lande" Königsberg
1641 fol. in 2 Stimmen. (Kgl. u. Univers.-Bibl. zu Königsberg
S 151 fol. H No. 187.) Vgl. das oben mitgeteilte Gedicht.
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Das Projekt des Königs Friedrich Wilhelms in.,
neben der Universität Königsberg eine katholisch-
theologische Facultät zu errichten.
Aktenmäßige Darstellung
von
Prof. Dr. Tsehaekert in Königsberg.*)
Zu den wenig bekannten Seiten in der Geschichte der
Königsberger Hochschule dürfte ihr Verhältnis zum römischen
Katholicismus gehören. Da mir nun bei dem Durchsuchen von
Königsberger Universitäts- Akten eine Urkunde in die Hand
gekommen ist, in welcher auch der damals 76 jährige Senior
der philosophischen Facultät „I. Kant" als Mitglied des Univer-
sitäts-Senats neben seinen Kollegen das Gutachten unterzeichnet,
welches die vom Könige Friedrich Wilhelm IH. gestellte Frage,
ob bei dieser Universität eine katholisch-theologische Facultät
errichtet werden solle, beantwortet: so dürfte die Mitteilung
dieser Urkunden nicht unnötig erscheinen.
Um sich aber von vornherein über den Inhalt derselben
ein richtiges Urteil zu bilden, wolle man nicht blos erwägen,
daß das durch die Teilung Polens an Preußen gekommene
„Süd- und Neu-Ostpreußen" wesentlich katholisch war und in
Königsberg die nächste Universität hatte, sondern auch, daß
der Katholicismus, welchen man „neben" der Universität dulden
*) Aus einem Aktenstück im Schranke der theol. Facultät in Königs-
berg, betitelt „Wegen Errichtung eines Bildungs-Instituts für katholische
Theologen neben der lutherischen Facultät zu Königsberg. 1800." Lit. A. 1. 1.
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408
Das Projekt des Königs Friedrich Wilhelms HL etc.
wollte, der nicht-jesuitische war. Denn diese ganze Angelegen-
heit spielt im Jahre 1800; zwischen 1773 und 1814 gab es aber
keinen Jesuitenorden in der katholischen Kirche. —
Unter dem 3. Febr. 1800 hatte der König Friedrich Wil-
helm III. von dem akademischen SenatT zu dem I. Kant ge-
hörte, ein Gutachten über die Frage gefordert, ob und wie
„neben" der Universität Königsberg eine katholisch-theologische
Facultät errichtet werden könne. Diese Kabinetsordre lautete
folgendermaßen.
[Copia.] Von Gottes Gnaden etc. Unsern etc. Die Acqui-
situm von Süd- und Neu-Ostpreußen macht es nothwendig, daß
für die Bildung der jungen katholischen Theologen aus jenen
Provinzen auf eine, nicht nur am mindesten kostspielige, son-
dern zugleich auch zweckmäßigste Art gesorgt werde. Es ist
daher in Vorschlag gebracht, bei der dortigen Universität zwei
katholische Lehrer, nämlich einen Professor der Theologie und
einen Professor des katholischen Kirchenrechts anzustellen und
denselben das Recht beizulegen, die sogenannten akademischen
Würden in der Theologie zu ertheilen.
Es versteht sich übrigens von selbst, daß diese katholische
Professores Theol. nicht eigentlich Mitglieder des akademischen
Corporis sein können, sondern ein ganz neues, neben der
eigentlichen Universität existirendes Bildungsinstitut für katho-
lische Theologen, welche letztere nun zugleich den Unterricht
der eigentlichen Universitäts-Professoren von der philosophischen
Facultät mit genießen können, ausmachen würden, und daß diese
katholische Professores Theol. zugleich die Doctorwürde der katho-
lischen Theologie zu ertheilen, werden bemächtigt werden können.
Ob nun gleich bereits eine ähnliche Einrichtung bei der
Universität Halle in Ansehung der reformirten Professoren Statt
findet, und die Ausführung dieser Idee also keinen Schwierig-
keiten unterworfen zu sein scheinet: so wollen wir doch zuvor
Euren gutachtlichen Bericht darüber gewärtigen. Sind etc.
Berlin den 3. Februar 1800.
Auf Sr. Kgl. M. Allergn. Specialbefehl. Massow.
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Von Prof. Dr. Tschackert.
469
Am 11. März 1800 hatten sich Rector etc. und Senat
schlüssig gemacht und übersandten mit einem Anschreiben vom
13. März ihre Antwort. Das Anschreiben, welches mit der
eigenhändigen Unterschrift Kant's und der andern Senatsmit-
glieder etc. versehen ist, trägt die Adresse
„Au Roi
zum Departement Sr. Excellenz des wirklichen ge-
heimen Staats- und Kriegsminister, auch Oberburg-
grafen Freiherrn von Ostau."
und lautet, wie folgt:
Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König,
Allergnädigster König und Herr!
Wir überreichen in der Beilage Ew. Königl. Majestät
Allerunterthänigst das Rescript d. d. Berlin den 3. Februar c. —
betreffend die Einrichtung eines Bildungs-Instituts für katho-
lische Theologen neben dieser lutherischen Universität — nebst
unserer untertänigsten Antwort d. d. Königsberg den 11. März.
In tiefster Unterthänigkeit sind wir
Ew. Königl. Majestät
Königsberg den 13. März. aUerunterthänigste
Rector, Cancellarius, Director und Senat der Universität,
Eisner, Holtzhauer, J. E. Schulz, Graef, Schmalz D, Metzger,
h. t. Rector,
I. Kant, Reusch, Kraus.
Die Hauptsache für uns ist nun eben die als „Beilage"
hinzugefügte Antwort vom 11. März 1800. Sie lautet:
Allerdurchlauchtigster etc.
Zur allergehorsamsten Befolgung Ew. K. Maj. allergnädig-
sten Befehls, wegen eines hier zu errichtenden Lehrinstituts für
katholische Theologen neben der hiesigen lutherischen Univer-
sität unsern gutachtlichen Bericht abzustatten, verfehlen wir
nicht, unsre unvorgreif liehe Meinung dahin zu äußern, daß,
wenngleich ein solches Institut von dem in Halle befindlichen,
für die reformirte Kirchenpartei bestimmten, sehr verschieden
ist, doch im ganzen wider die Sache selbst, nach den in
470
Das Projekt des Königs Friedrich Wilhelms III. etc.
Ew. K. Maj. Allergnädigstem Rescript angezeigten Mo-
dalitäten und Einschränkungen, nichts erhebliches
einzuwenden sein dürfte. "Wir wagen es daher, blos einige
nähere Bemerkungen über einen und den andern besondern
Umstand Ew. Kgl. Maj. höchstem Ermeßen und Verfügung an-
heimzustellen.
Der akademische Senat hofft und setzt es vertrauensvoll
voraus, daß bei Besetzung der Lehrerstellen des neuen Instituts
auf geschickte, duldsame und verträgliche Männer werde
Rücksicht genommen werden.
Da die katholischen Studiosi Theologiae die Vorlesungen
der Lehrer der philosophischen Facultät besuchen sollen, so
würden sie eben so, wie alle andere Studiosi bei der Universität
immatriculirt werden, auch in allen Civilsachen unter dem foro
derselben stehen und nach den Universitätsgesetzen für Studi-
rende behandelt werden, welches auch, indem sie dadurch gleiche
Rechte mit den andern Studiosis erhalten, fast nothwendig wäre,
um etwanige, im Gegenfall sich leicht ereignende Kollisionen
zu verhüten.
Was den Gerichtsstand anbetrifft, an den die katholischen
Professoren der Theologie zu weisen wären, so überläßt der
akademische Senat es lediglich Ew. Majestät höchstem Ermeßen
und weitern Anordnung.
Wenn Ew. Königl. Majestät in Höchstdero Rescript es
schon zu bestimmen geruht haben, „daß die katholischen
Professoren nie Mitglieder des Senats werden können",
so erkennt der Senat hierin Ew. K. Maj. weise Fürsorge für
die statutarische Erhaltung der Universität mit der dankbar-
lichsten Verehrung, findet sich jedoch auch hierbei veranlaßt-,
allerunterthänigst zu bemerken und darauf anzutragen, daß sie
nach den Statuten dieser Universität auch nie Mitglieder
einer Facultät, auch nicht der philosophischen Facultät
werden können; daß sie, außer den ihnen angewiesenen
Lehrstunden für die katholische Theologie und für das katho-
lische Kirchenrecht, keine andre Vorlesungen der eigent-
_Digitize€Ü>y-4»»ögft:
Von Prof. Dr. Tschackert.
471
liehen Universitätsprofessoren in der Philosophie,
Mathematik, Physik, Geschichte, der deutschen, latei-
nischen, griechischen und orientalischen Sprachen
nebenbei halten, noch auch academische Lehrerwürden
in irgend einer Facultät erhalten können.
Da wahrscheinlich bei den theologischen Disputir-
übungen und den Promotionen zur theologischen Doctor-
würde manche, hier ungewohnte und deshalb auffallende Ritual ia
statt finden dürften, so dürfte es den katholischen Professoren
selbst angenehmer sein, daß ihnen dazu besondere Oerter
oder Sääle angewiesen würden.
Auch wäre in unserm pflichtmäßigen Vorstellen unter-
tänigst zu bemerken, daß der stiftungsmäßigen Regel nach, für
katholische Studiosos weder Stellen im Convictorio noch sonst
andre Stipendia bei der Academie bestimmt sind.
Der academische Senat getröstet sich der allergnädigsten
Erlaubnis, bei etwa besondern Umständen, die sich bei Errich-
tung des Lehrinstituts ergeben sollten, Ew. Kgl. Maj. seine
etwanige Bedenklichkeiten allerunterthänigst darlegen zu dürfen.
Mit der tiefen Submission etc.
Königsberg, den 11. März. 1800. —
Aus welchen Gründen der König von der Ausführung
seines Projekts Abstand genommen hat, ist unbekannt.
Aura. Die gesperrt gedruckten Stellen sind von mir hervorgehoben
worden. Tsch.
Kritiken und Referate.
Gegen einen Aufsatz Yeckenstedts.
In No. 31 des II. Jahrganges der "Wochenschrift „Von Nah und Fern"
hat deren Herausgeber, der Dr. phil. Edmund Veckenstedt, einen Aufsatz
(„Auf den Lettenburgen") veröffentlicht, welcher meine Landsleute und mich
persönlich in ganz gröblicher Weise angreift. Ist es mir auch vollständig
einerlei, wie dieser Herr über mich urteilt, so ist es mir doch nie und am
wenigsten in der gegenwärtigen Zeit und vor einem deutschen Publikum
gleichgiltig, wenn jemand meine Heimath schmäht, der hier in Curland
Gastfreundschaft und Existenz gefunden hat. Ich säume demgemäß nicht,
jenem Angriff den folgenden Protest entgegenzustellen, in welchem ich
auch die gegen mich gerichteten Sätze des ersteren kritisiert habe, um den
Wert Veckenstedts möglichst deutlich erkennen zu lassen.
1. Wie wenig der Herr Dr. zu beobachten versteht, erhellt daraus,
daß er trotz einem mehrjährigen Aufenthalt in Curland nicht gemerkt hat,
daß das kleine Häuflein der baltischen Deutschen heutzutage nicht um
sociale Privilegien für sich kämpft, sondern mit den evangelischen Letten
und Ehsten und für sie um den Fortbestand der Cultur, welche das eine
Zehntel der hiesigen Einwohner, die Deutschen, den übrigen neun Zehnteln,
Letten resp. Ehsten, in 600 Jahren aufgeprägt hat.
2. Der Herr Dr. phantasiert, wenn er von 3 Mill. Letten, Liven,
Finnen und Ehsten im baltischen Lande spricht, und wenn er letzteres statt
bis Narva — bis Petersburg rechnet! Vor ein paar Jahrzehnten gab es
eine Mill. Letten mit Einschluß derer in den Gotivernotnents Witebsk und
Kowno (ca. 200 000), jetzt ist die Zahl in Liv- und Kurland auf ca. 1 Mill.
gestiegen. Nicht ganz ebensoviele Ehsten und Liven giebt es, „Finnen"
gar keine in irgend einer nennenswerthen Zahl!! Also durch die Ver-
größerungsbrille ein rundes Drittheil, blos eine Million, zuviel gesehen!
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Gegen einen Aufsatz Vockenstedts.
473
3. Wozu die wegwerferde Bemerkung: „Die 150000 (baltischen)
Deutschen haben nur dreizehn Gymnasien und eine Universität."
Die Zahl der dreizehn Gymnasien (zu denen fünf deutsche höhere Real-
schulen, welche ihre Schüler zum deutschen Polytechnikum in Riga ent-
lassen, nicht mitgerechnet worden sind) scheint bei unsern Volksbildungs-
verhältnissen, bei der relativ kleinen Zahl der schon gebildeten Familien
gegenüber der Gesammteinwohnerzahl, keineswegs so klein zu sein, wenn
doch in dem hochgebildeten Deutschland auf ca. 41 Mill. Einwohner
383 Gymnasien kommen. Um ein gleiches Verhältnis herzustellen, fehlen
uns nominell nur drei Gymnasien, re vera nicht soviel, da mehrere unserer
Gymnasien fast von unten bis oben wegen Ueberfüllung mit Schülern
Parallelklassen haben. Unsere eine Universität für ca. 2 Mill. Landes-
Einwohner entspricht genau den 21 deutscheu Universitäten für ca. 41 Mill.
Einwohner, zeigt aber eine viel größere Frequenz, wenn sie bereits ca. 1700*)
Studenten zählt gegenüber der Durchschnittsfrequenz von ca. 800 Studenten
in Deutschland. Mögen nun auch von diesen 1700 Studenten einige Hunderte
aus dem Innern des Reiches gebürtig sein, so bleibt der Zuwachs der
Universität Dorpat aus den baltischen Provinzen immer noch ein viel
größerer als die Universitäten Deutschlands aus ihrem Gebiete haben. Gilt
dann aber noch ein wegwerfendes Urteil über unsere 13 Gymnasien und
eine Universität für die 150000 Deutschen und die sonst angeblich
geknechtete und verwahrloste baltische nationale Landbevölkerung?!
4. Es ist Poesie oder Unkenntnis, wenn der Herr Dr. behauptet, in
Dorpat sei eine „Germania" aufgestellt worden. Zufällig war es kein Femi-
ninum, sondern ein Masculinum, keine Germania, sondern ein Flujgott, die
Arbeit eines baltischen Bildhauers.
5. Ich tibergehe billig, wie energisch der Herr Dr. für Ausbreitung
und Herrschaft der russischen Sprache und der griechisch-katholischen
Kirche und für die angeblich vorhandene, wenn nicht Ueberlegenheit, so
Gleichheit der inner-russischen Bildung und Cultur mit der baltischen
plaidirt.
6. Ich schweige von der Verdrehung, als ob baltische Barone oder
Pastoren jemals sich zum Ruhme angerechnet hätten, sie seien nicht
Nihilisten und von der perfiden Verdächtigung, als ob wir doch welche
sein könnten, sofern er, der Herr Dr., als Nihilisten einen Bekannten, einen
mythischen Baron Hackelberg nennt, einen „deutschen Baron russischer
Nationalität" (?!). Einen solchen Namen giebt es bei uns nicht. Vielleicht
*) Genau 1693 im Januar 1886.
Altpr. Monataacbrift Bd. XXIII. Hft 5 u. 6. 31
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474
Kritiken nnd Referate.
hat ein Schwindler aich zur Autorität des Herrn Dr. gemacht! Sage mir,
mit wem Du umgehst ....
7. Nun kommen wir auf das schöne Geschichtchen, welches der Herr
Dr. unverfroren seinen, vielleicht glaubigen, Lesern auftischt über die an-
geblich noch bestehenden Frohnverhältnisse in Kurland. Der „Lette" sei
„verpflichtet drei Tage in der Woche dem Deutschen zu arbeiten und dürfe
nur drei Tage für sich arbeiten." Daß dieses nicht wahr ist, hätte der
Herr Dr. von seinen zahlreichen Schülern lettischer Nationalitat im Libauschen
Gymnasium wissen müssen. Wozu die Autorität des mythischen Hackelberg
dafür anführen, was ihn der Augenschein bei seinen Touren durch Kurland
lehren konnte.
Seit einer Generation giebt es überhaupt keine Frohne mehr
in den baltischen Provinzen und ca. 80 bis 85 Procent alles Banerlandes
auf den Privatgütern ist in Liv- und Kurland bereits gokauftes Eigentum
der Bauern. Der kleine Rest ist Pachtbesitz. Dieser Banerlandverkauf ist
in gar keiner Weise von der Krone erzwungen, sondern durch die Initiative
der Gutsherrn in Livland seit den 40er Jahren, in Kurland seit den 50er
und 60 er Jahren ins Werk gesetzt., während NB die Krone selbst, die den
dritten Theil von Kurland als Domaine besitzt, noch nicht einen ein-
zigen Bauerhof verkauft hat.
8. Nach anderthalb Spalten voll politischer Verleumdungen gegen die
Kurländer geht der Herr Dr. zu einigen ethnographischen Notizchen über
(eine halbe Spalte), die natürlich ein vollständiges und anschauliches Bild
des hiesigen Völkergewirres geben!! Namentlich werden Ethnologen und
Chemiker dem Herrn Dr. sehr dankbar sein für den Aufschluß, daJ die
blonde Haarfarbe der Finnen und Liven von dem „salzigen Hauch" der
„kühlen" Seewinde komme. Auffallend erscheint dabei dem Laien, dal der
bedeutend stärkere Salzgehalt z. B. des Mittelländischen Meeres die schwarz-
haarigen Umwohner noch nicht blond „gehaucht" hat, wie die weniger
salzige Ostsee das schon fertig gebracht.
9. Endlich beehrt der Herr Dr. mich mit dreiviertel Spalten seines
Ergusses. Alles Persönliche bleibe bei Seite. Die Hauptsache ist hier meine
Jahrzehnte lang im baltischen Lande betriebene Erforschung der Heiden-
burg-Stellen. Der Herr Dr. will sich und seine Leser von mir da „ein-
führen" lassen. Aber gegen die aufgetischten Unrichtigkeiten protestiere
ich; die hat er nicht von mir. Z. B. daß pils-kalns „Burg1' heilen soll,
— jenes lettische Wort heißt nur Burgberg, niemalsBurg! — , oder dal
die „Lettenbnrgen" (sie!) „aufgefüllte Hügel und Berge" seien. Gewöhnlich
pflegt man die Begriffe Burg und Berg zu unterscheiden. Dafür, daß der
Herr Dr. die von mir gehörten „Wortangaben" auf obigen deutschsprach-
lichen, logischen und historischen Unsinn bezieht, fehlt einem gebildeten
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Gegen einen Aufsatz Veckenstedts.
475
Menschen der passende Ausdruck. Der Herr Dr. scheint niemals in seinem
Leben etwas von den „Bauerbergen" gehört zu haben, die zahlreich in
Preußen gefunden und auch dort schon oft abgebildet und beschrieben sind.
Diese altlettischen Befestigungen in Preußen und in Alt-Livland (letzteres
ist ja das alte deutsche Coloniegebiet zu beiden Seiten der Düna) sind nicht
mit den Ägyptischen pyramidalen Wunderwerken zu vergleichen, wie der
Herr Dr. ironisch bemerkt, sind nicht aufgeschüttete Berge (solches meint
allerdings der Volksglaube und die Volk ssage, aber nicht die Wissen-
schaft und ist von mir niemals behauptet worden), sondern es sind ganz
natürliche Hügel, die oft durch künstliche Absteilungen der Abhänge, durch
Anlegung von Gräben und Wällen (letztere finden sich oft ohne Graben am
Bande des Burgplateaus aufgeschüttet) zur Erschwerung des Zugangs, wo
dieser eben leichter geschehen konnte, und durch Pallisaden in Verteidigungs-
zustand gesetzt waren. Die Letten-„Burgen" selbst existieren nirgends mehr,
denn es waren Baulichkeiten von Holz, die seit Jahrhunderten verbrannt
oder vermodert sind, und so ist denn auch Herr Dr. Veckenstedt trotz der
Ueberschrift seines Artikels auf keiner einzigen Letten-Burg ge-
wesen. Mauerwerk war den heidnischen Urbewohnern des Landes unbe-
kannt. Der Herr Dr. zweifelt an der Bedeutung dieser Berge als Burg-
berge, weil er bei einem, wo er NB „nach seiner Anweisung" hat graben
lassen, keine Kohle gefunden hat, er weiß aber nichts von den zahlreichen
Funden von Kohle u. s. w., ja von verkohltem Getreide auf solchen Burg-
bergen, von den zahlreichen Funden der regelmäßigsten schönsten Pallisaden-
reihen an den Bnrgplateau - Rändern. Wo das Holzwerk aber eben nicht
verbrannt, sondern von selbst verfallen und vermodert ist, da ist hievon
eben nichts zu finden! Beiläufig bemerke ich, daß in Kurland und Süd-
Livland bis jetzt ca. 120 und ca. 70, zusammen fast 200 solcher Burgberge
constatiert, zum Teil auch vermessen und gezeichnet sind. Der Herr Dr.
hält diese Funde, die die Anerkennung aller baltischen Historiker und die
so trefflicher Gelehrten als des verstorbenen Dr. W. Mannhardt -Dan zig oder
des Prof. Dr. A. Bezzenberger- Königsberg in Pr. gefunden haben, mit
„steifem Nacken" für „Phantasterei". Sollte hier der „steife Nacken" nicht
der Eigensinn des Nichtwissens sein oder der Hochmut des Allein-wissen-
wollens ?
10. Der Herr Dr. muthet mir zu, ich habe seitdem gegen ihn einen
„Groll" gefaßt. Ich habe es niemals als einen Grund des Grolles angesehen,
wenn sich Jemand einer Erkenntnis verschloß. Aber der Herr Dr. hat es
nach seinem Charakter sehr unangenehm empfunden, als ich die ersten
Lieferungen seiner „Mythen, Sagen und Legenden der 2amaiten" (Heidel-
berg 1883) in der lettisch- literarischen Gesellschaft und in der Rigischen
Zeitung (December 1882) höchst milde recensierend andeutete, der wissen-
81*
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47G
Kritiken und Referate.
schaftliche Wert dieser Sammlung sei für die Mythenforschung zweifelhaft
durch die Abhängigkeit des Heransgebers von seinen Sammelgehilfen (meist
Schüler des Libauschen Gymnasiums), die selbst der litauischen Sprache oft
nicht genügend mächtig und in der Sache zu unerfahren, vielfach gewiß
nicht mala fide, unzuverlässiges Material herbeigeschafft. Allerdings wurde
damals auch erzählt, daß einzelne Schüler ihrem Lehrer die „Volkstraditionen"
in der Klasse während der Unterrichts-Stunden fabriciert hätten. That-
sächlich bestimmte Dr. V. die Zahl der von einzelnen Schülern aus den
Ferien mitzubringenden Märchen, Sagen u. s. w. (5 — 10 — 15 . . . .) Hatte
der Junge nicht so viele aufgabeln können, so wurden eigene Dichtungen
geliefert. Das ist zuverlässiges Material für die Wissenschaft. Uebrigens:
diese Thatsache hörte ich erst nach meiner zahmen*) Recension vom
December 1882. Wer in seinem Leben so viele Volkstraditionen, wie ich.
selbst aufgezeichnet hat und durch andere sich hat aufzeichnen lassen, der
weiß, wie groß die Gefahr der Täuschung in Folge von Unkenntnis auf der
einen und Gefälligkeit auf der anderen Seite, und welch große Nüchternheit
der Kritik da notwendig ist. Letztere erscheint aber ziemlich unmöglich
bei mangelhafter Kenntnis der Volkssprache, woran auch Dr. V. zu labo-
rieren gehabt hat. Er ist eben in den Händen seiner Sammelgehilfen ge-
wesen. Der oben besprochene Artikel „Auf den Lettenburgen" scheint eine
Bezahlung für meine Recension vom December 1882 zu sein. Hinc illae
lacrimae! Dr. A. Bielenstein, Pastor.
Alterthumsgesellschaft Prussia 1886.
In der Sitzung am 19. Februar wurde zuerst ein Aufsatz des Herrn
Pfarrer Skierlo aus Angerburg verlesen. Derselbe enthielt das statistische
Material von der Stadt- und Landgemeinde Angerburg in Bezug auf die
Sterblichkeit im Pestjahre 1710. Da die Einwohnerzahl der Stadt Aager-
burg und der 19 Ortschaften, welche die Landgemeinde Angerburg bildeten
trotz Schmidt's vortrefflicher Geschichte das Kreises Angerburg nicht sicher
nachweisbar ist, so wurde die Einwohnerzahl der genannten Plätze aus dem
Jahre 1880 zur Vergleichung mit der Bemerkung zu Grunde gelegt, daß
die Kopfzahl schon wegen des damals fern von Preußen geführten spanischen
Erbfolgekrieges viel geringer gewesen sein mußte. Im Jahre 1880 hatte
*) Man vergleiche die ungleich schärferen Kritiken in dieser Zeit-
schrift Bnd. XXH S. 158 (anonym) und S. 346—352 (von Bezzenberger) und
die sehr skeptische im Archiv für slavische Philologie Bnd. IX S. 12—82
(von A. Brückner).
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Alterthumsgesellschaft Prussia 1886.
477
die Stadt Angerbarg 4827 Einwohner and im Jahre 1710 starben von einer
wahrscheinlich geringeren Bevölkerung 1111 Personen, die 19 Ortschaften
der Landgemeinde Angerburg, wie sie 1710 bestand, hatten 1880 in Summa
7198 Einwohner, es starben im Jahre 1710 von einer geringeren Bevölkerung
2118 Personen. Um diese Uebersicht noch zu rectificiren, war für die Jahre
1700 — 1720, für drei Jahre aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts
und für die Jahre 1800, 1806 und 1807 eine Speciiikation der gestorbenen,
der getrauten Paare und der Geborenen gegeben Das Jahr der größten
Sterblichkeit nach dem Jahre 1710 war das Jahr 1807. Für dasselbe sind
in der Kolumne der Verstorbenen 592 Personen, in der der getrauten
Paare 48, in der der Geborenen 258 verzeichnet.
Der auf die Tagesordnung gesetzte zweite Vortrag, welchen Herr
Professor Zander freundlichst übernommen hatte, mußte wegen Krankheit
desselben verschoben werden und hielt der Vorsitzende Dr. Bujack einen
Vortrag über die Wappen des deutschen Ordens. Die Ordensstatuten nennen
drei Kleidungsstücke des Ordensritters und die Leichendecke der Ordeiw-
kapelle, welche mit dem Ordenswappen bezeichnet sein mussten. Trotz
dieser so zu kennzeichnenden geringen Zahl von Gegenständen und trotz
der den Ordensrittern gebotenen Einfachheit gab es noch verschiedene andere
Objekte, die das Ordenswappen trugen. Schon im Prussia - Museum giebt
es folgende Gegenstände mit dem genannten Abzeichen, einen Altar aas
dem vierzehnten Jahrhundert, die Wange eines Kirchenstuhls des Hoch-
meisters Friedrich von Sachsen, aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, aus
Neuhausen; einen in Wiskiauten, Kreis Fischhausen, gefundenen silbernen
Fingerring, aus dem Ende des 12. oder aus dem Anfang des 13. Jahr-
hunderts; ein vor Kurzem erworbenes Richtschwert aus dem 15. Jahrhundert.
Welche Waffen das Ordenswappen trugen und welche nicht, führte zu einer
zusammenfassenden Betrachtung der Ordenswaffen and za einer Unter-
scheidung des einfachen Ordenswappens und des Hochmeisterwappens.
Während das Hochmeisterwappen in der Vertheidungswaffe, dem Schilde,
und in der Kleidung sich je nach dem Träger und in den Münzen je nach
der Regierungszeit veränderte, trat eine Veränderung des Wappens für das
Petschaft, das Sekret, seltener und für die Fahne, das Banner gar nicht ein.
Unter denselben wird das Hochmeister- und das Ordensbanner, welches
letztere der Marschall als das eigentliche Ordensbanner führte, von dem
Sanct - Georgs - Banner und von dem Banner mit dem Bilde der Jungfrau
Maria unterschieden. Unter Letzteren wurden die fremdea Ritter zur
Heeresfolge auf den Kriegsreisen gegen die Littauer eingereiht. Hieran
schließen sich historische Daten über die Reihenfolge der Banner wie über
die Ehre, der Träger des Sanct-Georgs-Banners zu sein. Eine Besprechung
der Halbbrüder des deutschen Ordens, wie der bildlichen and figürlichen
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478
Kritiken und Referate.
Darstellung von Ordensrittern bleibt einem anderen Mitgliede in einer
spateren Sitzung vorbehalten.
Zum Schlüsse erfolgte die Vorlage von 31 Silberbarrenstücken, welche
der Herr Besitzer Broczni in Pöppeln, Kreis Labiau, auf seinem Grund tmd
Boden gefunden hatte. Dieser Fund war von der Oesellschaft erworben and
darf, obwohl ihn Herr Regierungspräsident Studt für den Staat dem Ver-
eine abgekauft hat, als zum Inventarium der Sammlung vaterländischer
Alterthümer gehörig, im Prussia-Museum weiter aufbewahrt werden. Hierfür
wird Herrn Regierungspräsidenten Studt der Dank der Gesellschaft von
dem Vorsitzenden ausgesprochen. — Herr Holphotograph Gott heil hat den
Fund in natürlicher Grösse aufgenommen und die wohlgelungene Photo-
graphie der Gesellschaft zum Geschenk gemacht.
Ferner waren als Geschenke eingegangen: ein Tabatiere-Gewehr vom
Gymnasiasten Moszeik, und eine Generalkarte von allen preussischen
Staaten, herausgegeben im Jahre 1790, gestochen von Jack in Berlin, vom
Gymnasiasten Moldehnke. — Gekauft wurde für das Prussia-Museum ein
Richtschwert aus der Zeit des deutschen Ordens, welches an Länge die
Richtschwerter des 17. und 18. Jahrhunderts weit überragt, ein messingener
Leuchter von durchbrochener Arbeit vom Jahre 1652, welche Zahl auf dem-
selben in kunstvoller Weise angebracht ist, und eine grosse Wanduhr aus
dem 17. Jahrhundert mit bemaltem Zifferblatt, auf welchem Joseph in der
Grube dargestellt ist. [Ostpr. Ztg. v. 19, März 1886 No. 66.]
In der Sitzung am 19. Mär/ er. hielt Herr Rittergutsbesitzer Hellbar dt
auf Tengutten einen Vortrag über eine Reise auf dem La Plata und über
Sitten und Gebräuche in Paraguay. Der erste Theil umfaßte die Fahrt auf
dem genannten Strom von Buenos Ayres über Corrientes und Assuncion
nach Rosario. Der Vortragende, welcher das Jahr 1884 besonders in
Argentinien, Paraguay und Süd-Brasilien zugebracht hatte, um sich dort
eventuell anzukaufen, gab eine sehr anziehende Schilderung der Flußfahrt
und der anliegenden Ufer und Städte in mehrfacher Beziehung. In dem
zweiten Theile charakterisirte er nicht nur den Gaucho und den wohl-
habenderen Heerden- und Gutsbesitzer, sondern auch das sociale und politische
Leben in den Städten, die Regiorungs- und Militärmacht mit den ihnen
anhaftenden Schwächen, dazu Photographien und Gegenstände vorlegend,
welche der Vortragende dem Prussia-Museum schon früher als Vergleichungs-
stücke zu den praehistorischen Sammlungen geschenkt hatte, und die durch-
reisten Gegenden der Pampas, des Gran Chaco, der Vervalei von Rosario,
des südlichen Brasilien, Rio Grande do Stil u. a. in Morgenstern 's topographischer
Karte der Republik Paraguay anzeigend. Dieser genannte Kartograph,
welcher seine Arbeit trotz der Fortnahme seines gesammelten Materials
durch die Regierung aus dem Gedächtnis herzustellen wußte, erfuhr eine
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Alterthumsgesellschait Prussia 188ß.
479
günstigere Kritik als zahlreiche Publicisten, welche in ihren Berichten nur
ein persönliches Interesse verfolgen. — Außerdem waren in der Sitzung die
neuen Accessionen des Prussia-Museums vorgelegt: ein Zündnadelgewehr
aus der Schlacht von Trautenau 1866, ein Chassepotgewehr von Metz aus 1870,
ein Bajonett eines solchen, ein anderes der Garde mobile, ein österreichischer
Unterofficier-Säbel vom Schlachtfelde von Königgrätz 1866, eine österreichische
Feldflasche aus Holz für Wein und Wasser von demselben Schlachtfelde,
eine blecherne französische Feldflasche von Metz, sämmtliche Gegenstände
vom Major v. Sanden, ebenso eine geschliffene Glasflasche mit bleiernem
Stöpsel, welcher die Jahreszahl 1784 trägt, eine geschliffene und vergoldete
Glasflasche zur Aufhebung von Rosenöl, geschenkt von einem Geber, der
nicht genannt sein will. Femer wurden gekauft: zwei als Petschafte in
Tombak gefasste Karneole, wie sie noch vor 40 Jahren an dem unteren
Bande der Weste getragen wurden, ein Feuerstahl, dessen Griff einen laufen-
den Hund darstellt, aus dem Anfang dieses Jahrhunderts, eine messingene
Büchse zu holländischem Tabak mit eingravirten Bildern auf den Sündenfall
und einer holländischen Inschrift, eine zweizinkige Gabel und eine große
Nadelbüchse aus Berliner Porzellan mit messingenem Beschlag, sämmtlich
aus dem vorigen Jahrhundert, eine große eiserne Kiste mit einem Kunst-
8chloas, aber ohne Schlüssel, geschenkt von dem Magistrat zu Rastenburg.
Zur Münz-Sammlung schenkte Dr. Levy einen Denar des Kaisers Trajanus
mit wohlerhaltenem Revers, und Konsul Dr. Jerosch folgende Münzen:
ein Dreigroschenstück des pohlischen Königs Sigismund August vom Jahre 1562
für Littauen, eine holländische silberne Denkmünze auf das Jahr 1702, ein
24-Mariengroschenstück vom Jahre 1706, ein holländisches 2-Schillingstück
vom Jahre 1768, ein eben solches von West-Friedland vom Jahre 1787,
eine silberne Denkmünze auf Aachen ohne Jahreszahl mit Inschrift in zwei
concentrischen Kreisen und Bild auf dem Revers in Betreff der Heilquelle
einen halben Franc Napoleon I aus dem Jahre 13 der Revolution, Huldigungs-
münze auf den souveränen Fürsten Wilhelm von Oranien- Nassau vom
Jahre 1814 und eine kupferne Marockanische Münze der neuen Zeit.
[Ostpr. Ztg. v. 17. April 1886 No. 91.]
Den Vortrag in der Sitzung des 16. April hielt Herr Professor Zander
und gab ein Lebensbild des Kanzlers von Wegnern. Nicht nur persönliche
Bekannntschaft, sondern auch die von dem einzigen Sohne des Kanzlers,
der als Rath 1. Klasse jetzt in Berlin lebt, dem Vortragenden gemachten
Mittheilungen verliehen der Zeichnung des edlen Charakterbildes ein an-
ziehendes Detail. Heben wir von den äußeren Verhältnissen nur dieses
hervor: Die von Wegnern, welche Vorfahren des Kanzlers sind, erhielten
im Beginn des 80jährigen Krieges ihren Adel, die mütterliche Abstammung
weist aber unter den Ahnen die Tochter Luthers auf, welche Georg von
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Kritiken und Referate.
Kunheim in Preußen heirathete. Wenn auch der Vater und der Stiefvater
des Kanzlers preußische Generale waren, so hatte doch Carl Ludwig August
von Wegnern, geb. 1777, keine ganz sorgenfreie Jugend, was ihn aber weder
in seiner religiösen, kirchlichen Richtung noch in seinen geistigen Bestre-
bungen beirrte. Vierzehnjährig bezog er die Königsberger Universität und
ward als Student erst eingesegnet, nach 8 Jahren wurde er Auskultator, in
seinem 19. Lebensjahre bestand er das Assessor-Examen und 21 Jahre alt
erhielt er seine Anstellung als Rath an dem Oberlandesgericht zu Inster-
burg, wo er nach 2 Jaliren, also 1802 sich mit Emilie Gräfin zu Eulenburg
vermählte. Die Katastrophe zu Jena und Auerstädt legte auch dem mittler-
weile nach Neu-Süd-Preußen, nach Plock im Herzogthum Warschau ver-
setzten Rath von Wegnern, der daselbst auch Kassen-Kurator war, schwere
Prüfungen auf. Zuerst hatte er seine Frau und Kinder zu flüchten, dann
nach dem Einrücken der Franzosen als preußischer Beamter suspendirt,
mußte er, da er als Gefangener nach Frankreich transportirt werden sollte,
weil er die preußische Kasse geborgen hatte, selbst flüchtig werden und
kam 1807 vor Königsberg in so traurigem Anzüge an, daß seine Gattin,
davon benachrichtigt, ihm erst Kleider und Stiefel herausschicken mußte.
Stellenlos und doch in der Nothwendigkeit, für seine Frau und seine drei
Kinder den Unterhalt zu erwerben, trug er sich mit mannigfachen Plänen,
eine neue Thätigkeit zu finden. Pachtung eines Gutes in Ostpreußen, Aus-
wanderung nach Amerika oder eine Anstellung in Ost-Friesland in Hannover-
schen Diensten war in Aussicht genommen, als bald nach dem Frieden zu
Tilsit ihm die Stelle eines Kreisgerichtsraths in Pr. Eylau angeboten wurde.
Hiemit schließen wir die Notizen aus dem weniger glücklichen Theil seines
Lebens und theilen von seinen ferneren Schicksalen noch mit, daß er noch
fünf Jahre nach seinem 50jährigen Amtsjubilänm als Chefpräsident des
Oberlandesgerichts in Königsberg bis 1849 thätig war, und heben ein Hand-
schreiben von Ihren Majestäten des Königs Friedrich Wilhelms III. und des
Königs Friedrich Wilhelms IV. hervor, mit welchem letzteren Schreiben bei
Gelegenheit seines Ausscheidens aus dem Dienst die Verleihung des Schwarzen
Adlerordens verbunden war. Am 7. November 1854 war sein Todestag, an
welchem er, wie sein Leben hindurch, seine christliche Gesinnung bethätigte.
— Zum Schluß der Sitzung erfolgte die Vorlage der eingegangenen Ge-
schenke und Erwerbungen und zwar für die Sammlung der Steingerät he :
ein undurchlochtes Beil aus Diorit, gefunden an dem Teich zu Tilsit, ge-
schenkt, ein durchlochtes Beil aus Diorit-Gestein mit eigentümlich abge-
schnürtem Bahnende und ein Bohrzapfen, gefunden auf der Kurischen Neh-
rung, gekauft; für die Abtheilung von Ordenswaffen: ein eiserner Schild,
der in einer Kapelle aufgehängt war, gekauft; für die Bibliothek und für
die Mappen: Kirchenordnung, wie es im Herzogthumb Preußen — gehalten
©igitiz6€ib^4^--
Alterthumsgesellschaft Prussia 1886.
481
wird. 1568/25. Novembris in 2 Theilen in gr. Quart, gekauft; eine große
Stecknadel ans Metall, mit welcher eine Piece an ein Aktenstück v. J. 1739
befestigt war, geschenkt; eine Photographie des Danziger Rathhauses und
ein Autograph König Friedrich Wilhelms III., geschenkt von Herrn Rektor
Frischbier. [Ostpr. Ztg. v. 22. Mai 1886. No. 118 (Beil.)]
In der Sitzung am 21. Mai wurde zuerst ein Aufsatz eines Ehren-
mitgliedes der Gesellschaft, des Herrn Blell, vormals auf Tilngen, jetzt in
Gr. Lichterfelde bei Berlin, verlesen, woselbst seine Waffenhalle in Kurzem
ihre Aufstellung finden wird. Der Verfasser behandelt in seiner Arbeit:
„Ueber die Wappen des deutschen Ordens" eingehend das Ordenskreuz der
Halbbrüder und wendet sich dann den bildlichen Darstellungen des Ordens-
wappens zu, um aus ihnen einen Schluß zu ziehen, welche Wandlungen
und Abänderungen daßelbe im Laufe der Jahrhunderte erfahren hat. Von
den Darstellungen, abgesehen von den Hinweisungen auf Voßbergs
Preußische Siegel und Münzen kamen besonders in Betracht das farbig
bemalte Epitaphium des Hochmeisters Conrad von Thüringen in der Kirche
der heiligen Elisabeth in Marburg, das bemalte Grabmal des Hochmeisters
Luderus von Braunschweig im Dome zu Königsberg, die 1888 vom
Bayerischen Maler Herrn Weinmaier in der Schloßkirche zu Marienburg
von Kalktünche befreiten, in Tempera-Farbe ausgeführten Wandmalereien
von 7 Rittern, das merkwürdige farbige Bild eines Hochmeisters in Kriegs-
tracht (zwischen 1407—22) im Innern einer Marienstatue auf dem Haupt-
altare der Marienkirche in Elbing, die im 15. Jahrhundert im Dome zu
Marienwerder angefertigten Wandgemälde dreier Hochmeister des 14. Jahr-
hunderts, die derselben Zeit angehörigen Tafelbilder der 6 Hochmeister von
1450—97 im Dome zu Königsberg und endlich die im Kapitel 5aal des
Schlosses zu Marienburg bloßgelegten und sichergestellten Ueberreste von
Hochmeisterbildern älterer Zeit, deren Erhaltung dem Königlichen Bau-
meister Herrn Steinbrecht zu verdanken Ist, einem Manne, der die ihm
zugefallene, ebenso schwere als dankbare Aufgabe der Wiederherstellung
des Ordensschlosses zu Marienburg mit vollster Hingebung zu lösen bemüht
ist. Das Resultat, zu dem der Verfasser kommt, ist dieses, daß das eigent-
liche Ordenswappen im Laufe der Jahrhunderte fast dasselbe bleibt, d. h. ein
schwarzes Kreuz, dessen Fußende länger ist als die anderen Theile (Lateini-
sches Kreuz) und mit seinen Enden an die Schildwand reicht (Heroldsbild)
auf weißem Schilde und ferner, daß das Hochmeisterwap pen, unbeschadet
des Staatswesens, von ihren Trägern nach Geschmack und Gefallen abge-
ändert werden konnte und abgeändert ist, und zwar am meisten von den
beiden letzten Hochmeistern. — Hierauf sprach der Vorsitzende Dr. Bujack
über alte Stadtpläne Königsbergs und legte 11 derselben sammt und nach
dem Behring'schen Plan vom Jahre 1618 vor. Die ältesten Pläne sind
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Kritiken und Referate.
daran erkennbar, daß ihnen die Wälle aus der Zeit Gustav Adolfs (1696
vollendet) und die Sackheimer Lutherische Kirche (1G46 erbaut) fehlet.
Der bekannteste Stadtplan des 18. Jahrhunderts ist der LilienthaTsche,
welchen W. Philipp Kilian 1725 stach. Derselbe wurde nach dem 11. No-
vember 1764 neu aufgelegt, aber die Stellen, an denen sich im alten Plan
der Löbenicht, die Königlichen Speicher nebst 4 Gebäuden, der Sackheim,
der Anger, der Münchhof, das Löbenicht'sche Rathhaus, die Löbenicht'sche
Kirche, das große Königliche Hospital, die Katholische Kircue, die Sack
heimische Kirche befanden, sind, weil dieselben in genannter Zeit ab-
brannten, schwarz schattirt. Diesem Brande, dem Eingehen der Kirchhöfe
in unmittelbarer Nähe der Kirchen und der Abtragung der alten Altstädti-
schen Kirche ist u. A. auch die Armuth Königsbergs an Hausmarken zu-
zuschreiben. Ueber Letztere hatte Sprachlehrer Herr Gordack einen
Bericht zum Vortrage übergeben. In demselben waren diejenigen von den
Speichern der Lastadie, von dem ehemaligen Bienenkorb an der Ecke der
Altstädtischen Lang- und Schuhgasse und von 7 Altstädtischen Holzstellen
gesammelt und ihnen die auffallendsten Namen von Speichern angefügt,
welche u. A. dem Pflanzen- und Thierreiche, der Geographie und einer
Fülle von verschiedenartigen Eigennamen entlehnt sind. Einen größeren
Vorrath von landläufigen Anschauungen, aus denen die Speichernamen für
Danzig bis zum Jahre 1799 gewählt waren, wies der Berichterstatter in
Leubes Handbuch für die Danziger Kaufmannschaft nach, in welchem
850 Speicherbezeichnungen zusammengestellt sind. Im Anschluß an die
Speicher-Insel Danzigs und das Speicher-Revier Königsbergs giebt Sprach-
lehrer Herr Gordack noch eine übersichtliche Schilderung derjenigen Ab-
theilung des Germanischen Museums in Nürnberg, welche das Handels-
Museum heißt, bei den andern Abtheilungen nur flüchtiger verweilend, um
als Pfleger des Germanischen Museums in Königsberg, die Einheimischen,
die durch Nürnberg reisen, auf die stete Erneuerung des Besuchs des dortigen
Museums hinzuweisen, aber, wenn er vortheilhaft sein soll, nach vorange-
gangener Durchsicht des vorherzubestellenden, jährlich neuerscheinenden
Katalogs. — Hierauf erfolgte die Vorlage der neuen Accessionen des
Prussia-Museums durch den Vorsitzenden. Gekauft waren 3 Autographen
von provinzieller Bedeutung und zwar von York, Scharnhorst und Gneisenan
unter je einem Glückwunschschreiben aus dem Monat Dezember 1808 an
den zum Generalmajor beförderten und in den Adelstand erhobenen Obrist
Herrmann, der im Jahre 1807 in Stellung eines Kommandeurs, als die
Franzosen vor die Stadt Pillau rückten, als 75 jähriger Greis die Besatzung
in einen Kreis treten und mit den Worten einen Sarg in ihre Mitte stellen
liess: „Kameraden, lebendig übergebe ich die Festung nicht. Hier ist mein
Sarg. Wer mich überlebt, wird hoffentlich meine Ueberreste hineinlegen.
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Alterthumsgesellschaft Prussia 1886.
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"Wer ein braver Soldat ist, wiederhole mit mir den Schwur: Preufcn oder
der Tod!M Alle hatten den Schwur geleistet und die Festung sich bis zum
Frieden gehalten. — Sonst waren noch folgende zahlreiche Geschenke ein-
gegangen: von Lieutenant Herr Baron v. Grothus: Portrait des Staats-
ministers v. Schön, von Teichel gestochen; von Fräulein v. Holleben: ein
in Seide gestickter Geldbeutel aus dem Jahre 1780, ein Schuh aus geripptem
Seidenzeuge 4 Louis quinze und ein auf Atlas gedrucktes Geburtstagsginlicht
aus derselben Zeit; von Fräulein v. Bolschwing: eine mit Füttern ge-
stickte Atlas weste, um das Jahr 1780 getragen und eine Elle mit dem ein-
geschnitzten Namen der Besitzerin und der Angaben Klein Baum 1777;
von Herrn Stadtrath Warken tin: zwei Reisebestecke in gepreßten Leder-
Etuis, ein kleineres, einfacheres mit Hornbelag-Griffen vom Jahre 1787 und
ein gröBeres mit schweren silbernen Griffen, welche die richtige Haltung
des Messer- und Gabel-Stils in der Hand darstellen, vom Jahre 1751, säm ent-
liehe oben genannte Gegenstände werthvolle Familienstücke, über welche
die Notizen im Prussia- Katalog verzeichnet sind; von Herrn Oberförster
Barkowski: 3 eiserne Sporen aus dem 16. und 17. Jahrhundert, gefunden
in der Görlitz, Kreis Rasten bürg; — zur Bibliothek vom Gymnasiasten
Dultz: eine Sammlung rarer und merkwürdiger Gold- und Silbermünzen
Leipzig 1751 und ein Gebetbuch „Allen Häuft- Vätern und Hauß-Müttern der
löblichen Alt-Städtischen Christi. Gemeine zu Königsberg in Preußen
d. 1. Decbr. 1670. Halle in Sachsen (in sehr grossen Lettern gedruckt).11
Nachdem sich darauf die Gesellschaft zur Generalversammlung kon-
stituirt hatte, legte der zeitige Kassenwart Herr Bildhauer Eckart die von
Herrn Stadtrath Warkentin und Herrn Hauptmann Ephraim revidirten
Rechnungen des Kalenderjahres 1885 vor und ertheilte die Generalversamm-
lung auf Antrag der Herren Revisoren dem Vorstand Decharge für die
genannten Rechnungen.
[Ostpr. Ztg. vom 17. Juni 1886, No. 138.]
Sitzung vom 18. Jini 1886. In der letzten Sitzung vor den Ferien
legte auf Veranlassung des Vorstandes Herr Freiherr v. <L Trenck einen
1882 in den Besitz des Majoratsherrn Grafen v. d. Trenck auf Gräfl.
Schakaulack gekommenen Zinnbecher vor, auf den wie auf mindestens sieben
andere, sein Ahnherr Freiherr Friedrich Wilhelm v. d. Trenck (geb.
1740 zu Königsberg und gestorben 1792 zu Paris) während seiner beinahe
zehnjährigen Gefangenschaft Zeichnungen und Dichtungen seiner eigenen Kom-
position eingekratzt hatte. Diese Arbeit, welche der Gefangene bei 68 Pfund
schweren Ketten und in einem Ungeheuern Halseisen mit einem aus einem
Brett gezogenen Nagel herstellte, wäre ihm in so häufiger Wiederholung
und in immer größerer Vollendung nicht möglich gewesen, wenn er seine
Schellen nicht durchsägt und die GefängniÄwächter durch Zwischenkleben
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Kritiken und Referate.
von Brodkrame zwischen die Stücke der Handringe nicht getauscht hätte.
Bisher ist ein solcher in dem Jahre 1763 gravirter Becher in den Preußischen
Pro vinzial blättern Band X v. J. 1856 p. 81 aus dem Besitz des Majorats-
herrn Grafen v. d. Trenck und ein anderer Becher in einer besondem
Schrift des Sächsischen Archivrath Dr. Petzold aus dem Besitz des König*
von Sachsen den Inschriften nach veröffentlicht. Das Heft der Alterthums-
gesellschaft Prnssia für das laufende Jahr wird mit freundlich ertheilter
Erlaubnis des Besitzers nicht nur die Inschriften und die Bezeichnung der
bildlichen Darstellungen, sondern auch eine Gesammtansicht dieses vor-
gelegten Bechers und die virtuos ausgeführten Bilder und Inschriften in
genauer bildlicher Wiedergabe enthalten, wofür Herr Hofphotograph Gott-
heil und der Direktor der Hartungschen Druckerei, Herr Buske, die vor-
bereitenden Schritte in sehr dankenswerther Weise gethan haben. — Der
ferner auf der Tagesordnung stehende Vortrag, „Das Gräberfeld zu Fürstenau,
Kreis Rastenburg, konnte nicht gehalten werden, weil derjenige, welcher
ihn übernommen, Herr Dr. Bujack, durch die Betheiligung an dem Be-
gräbnis des Herrn Professor Retzlaff daran behindert war. Herr Pro-
fessor Heydeck, der den Vorsitz übernahm, verlas einschreiben des Herrn
Altrichter ans Wusterhusen an der Dosse, einen Beitrag zum Wappen
der Ordensstadt Neidenburg, der des Hypothetischen zu viel und des Sichern
zu wenig enthielt. Hieran! spricht Herr Professor Hey deck hinweisend
auf zwei Figuren von Berliner Porzellan, welche laut letzter Verfügung des
nun verstorbenen Justizbeamten Lehrmann dem Prnssia-Museum über-
wiesen wurden, über die Berliner Manufaktur des vorigen Jahrhunderte,
besonders Über dieselbe unter Friedrich dem Groden und über die
künstlich geschaffenen Absatzqnellen. Die geschenkten Figuren stellen
Abailard und Häloise dar, sie geben ein charakteristisches Beispiel da-
maliger künstlerischer Auffassung. In Stellung und Ausdruck zierlich, mehr
sinnlich als fromm, sieht namentlich die weibliche Figur in ihrer Nonnen-
tracht recht interessant aus. Hierauf wurde als Accession für die Schädel-
Sammlung ein Frankenschädel aus Gondorf im Regierungsbezirk Koblenz
als Geschenk des Herrn Professor Schneider, saxnmt dem genauen Bericht
des Finders, Herrn Dr. Dombrowski, vorgelegt. Ein Römischer Kirchhof
mit Urnenbeisetzung und mit Steinsärgen war in der spätem Zeit noch von
den Franken benutzt, indem sie die Sarkophage zum Theü ihres Inhaltes
entledigten und in denselben Frankenleichen niederlegten, bisweilen je so-
gar zwei, so thaten sie es auch mit der untersten Schicht der Steinsarge,
die 12 bis 14 FuJ tief standen. In diesen wurde auch der eingesandte
Frankenschädel gefunden. Ferner legt Herr Professor Hey deck noch eine
Urne, gefunden bei Taulensee, Kreis Osterode, als Geschenk des Herrn
Hauptmann Wiebe vor, die in Rücksicht auf ihr Profil und ihre schwarze
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Alterthumsgesellschaft Prussia 1886.
485
Färbung der Periode der Gesichtsurnen, also vorchristlichen Zeit, anzugehören
scheint, und Urnenfünde aus dem Galgenberg bei Kirpehnen, Kreis Fisch-
hausen, als Geschenk des Herrn Rittmeister von Montowt auf Kirpehnen.
Sie stammen sowohl aus Frauen- als Männer-Gräbern, auf jene weisen
thönerne Spinnwirtel hin, auf diese eiserne Reitzeuge, ein eiserner Hobel
und ein Schleifstein von bronzenen Armbrust- und bronzenen Sprossen-
fibulen, bronzenen Spiralnngerringen, verschmolzenen gläsernen Perlen und
bronzenen Spiralen und einer abgeriebenen römischen Bronzemünze begleitet
und gehören sämmtliche der sogenannten Römischen Periode von 150 bis
800 n. Chr. an.
[Ostpr. Ztg. v. 12. Sept. 1886. No. 218 (BeÜ.)]
Mittheilnngen and Anhang.
Eiii angedrucktes Schreiben der philosophischen Facaltät zu
Königsberg an Immanuel Kant, d. d. 30. Juli 1801. *)
[Die philosophische Facultät entbindet Kant von der Führung des Decanats,
sichert ihm aber den weiteren Bezug der Facultäts-Einkünfte zu].
Mitgeteilt von Prof. Dr. Tschackert.
Wir haben aus Achtung gegen Ew. Wohlgebohren vieljährige Ver-
dienste um unsre Academie und aus collegialischer Freundschaft reeolviret,
Ewr Wohlgebohreu mit dem Decanate, Ihrem Wunsche geniäfl, gänzlich zu
verschonen, jedoch daJ Ew. Wohlgeborn Ihren bisherigen Antheil an den
Facultäts-Einkünften, sowohl an Interessen als Initiations-Gebühren ferner-
hin erhalten, dagegen aber die Decanats-Emolumente demjenigen unter uns
zufallen, welchen die Reihe trift, das Decanat zu führen. Wir hoffen, daß
Ew. Wohlgeboren dieses Ihren Gesinnungen ganz gemäß finden, und der
Kürze wegen dieses Schreiben mit Ihrem Consentio bezeichnet, dem zeitigen
Decano ad Acta zurückstellen werden.
Königsberg, den 90. July 1801.
Decanus und Professors
der philosophischen Facultät.
Wald,
h. t. Decan.
[Darunter schrieb Kant eigenhändig:]
Consentio I. Kant.
[Am Rande folgen unten die Bemerkungen:]
Legi Wald, Reusch, J. Schultz, Kraus, Hasse.
[Die Adresse, welche sich auf dem vorletzten Blatte des unten bezeichneten
Acten -Volumens befindet, lautet:]
An
des Herrn Professor Kant
Wohlgebohm.
*) Aus einem Volumen betitelt: „Acta der philosophischen Facultät,
das Decanat in der Facultät betreffend, seit 1801", das sich im Jahre 1886
im Aktenschrank der theologischen Facultät zu Königsberg vorfand und
jetzt an die philosophische Facultät daselbst abgeliefert ist.
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Ein ungedruckter Brief des Faustus Socinus etc.
487
Ein ungedruckter Brief des Faustus Socinus
an Hieronymus Moscorovius
d. d. Racau, 5. Juni 1603.
Mitgeteilt von Prof. Dr. Tschackert.
Fock hat in seinem Werke „Der Socinianismus" I (1847), S. 179 über
die letzten Lebensjahre des Faustus Socinus keine detaillierten Mittei-
lungen gebracht. Zur Ausfüllung dieser Lücke dient der Originalbrief
des Faustus Socinus, welcher sich in der hiesigen Wallenrodt'schen
Bibliothek, Cod. Mscr. 16. fol., befindet. Er ist adressirt an Hieronymus
Moskorzowski (= Moscorovius), einen edlen, frommen, gelehrten, roichen
und der Sache des Socinianismus eifrig ergebenen pomischen Ritter, der im
Jahre 1609 den Catechismus von Kakau in lateinischer Sprache heraus-
gab und 1626 starb. (Vgl. Fock a. a. 0. I, 184 und 193.)
Inhalt des Briefes: Socinus schickt dem Moscorovius ein Scriptum
des Barnaudus, kann sich eine von diesem angebotene Medizin nicht ver-
schaffen, leidet an heftigem dreitägigem Wechselfieber, ermahnt den Mosco-
rovius „er möge Gott bitten, daß er dem Schreiber Geduld und Seelenstärke
verleihe", wie er umgekehrt für das Wohlergehen des Freundes unausgesetzt
brünstig betet. — Wer so schreibt, darf nicht ohne weiteres als religiös
„oberflächlich" charakterisiert werden ; man wird also zwischen Socinus und
den „Socinianern" unterscheiden müssen.
Der Brief lautet wie folgt:
[Faustus Socinus an Hieronymus Moscorovius. J
Salutein a Deo et Christo, etc.
Barnaudus noster misit ad me hoc suum scriptum, iubens, ut, ante-
quam Uli reddendum eurem, cui est inscriptum, tecum illud communicem.
Poteris, si uelis, illud retinere donec perlegeris, (quod abs te istfc commode
posse fieri non arbitror) et deinde ad me primo quoqne oblato fideli nuncio,
remittere unä cum tuo de illo, iudicio. Idem Barnaudus mihi significat.
Deum ipsi donasse medicinam (utor ipsius uerbis) aptam natam ad conser-
uandum praesentem uitam breuem et aeramnosam in longitudine dierum et
sanitate durabili. ac monet, si uel ego, uel tu miserimus ad ipsum eam
[sc. medicinam] petitum per fidelem aliquem nuncium, se illam ad nos
mi.ssurum. Ego huiusmodi impensam sine snmmo meo incommodo facere
non possum. Ipse quid hic facere aut uelis aut possis, cogitabis. Plura ad
te scriberem, sed reliquiae tertianae febris cuius heri secundum accessum
habui, eumque satis grauem et molestum, me impediunt. Post tuum hinc
discessum, altero post die, inuasit me idem febris genus, sed post duos leues
acceasus me liberum reliquit. quod nunc non est quod sperem. Et bene
mecum agetur, si ualde diu me non detinuerit, ut annum ab hinc tertium
488
Mittheilungen und Anhang.
fecit. Deum ora, ut mihi patientiam et animi fortitudinem eoncedere ae
samministrare uolit. Tu autem cura ut bene ualeas ; id quod a me uehemen-
tissime expetitur et a Deo precibus asaidue contenditur. Dat. Racouiae die
5. Junij anno 1G03.
Tibi ex anirao addictissimns
in Christo frater et semua
Faustus Socinus.
[Auf der Rückseite die Adresse:]
Claris8imo viro Domino
Hieronymo Mofcorouio etc.*)
Privileg über Borkow und Roschütz.
Mitgetheilt von A. T reich el.
Die nachfolgende Urkunde, im Besitze von Dr. phil. A. Wolff in
Neustadt, ist ein Transsumpt aus brandenburgischer Zeit (1655) eines
Privilegs des deutschen Ordens über die Güter Borkow und Roszic, heute
Roschütz, im Ostpommerschen Kreise Lauenburg gelegen.
Um Aufsuchung und Abschrift jener Landveste hatten ersucht die
vier Brüder Borkowski, Matthias, David, Albrecht und Reinhold.
Diese Urkunde ist im Pommerellischen Urk. B. nicht vorhanden, ebenso
wenig wie der Name Rossicz laut Register nicht darin vorkommt. Dagegen
ist der Name Borkow, wenn er auch vorkommt, auf ein anderes Gut gleichen
Namens, das im Kreise Schlawe, nordwestlich von Pollnow, liegt, zu beziehen,
welches um jene Zeit auch vorhanden ist, da es schon 1267 genannt wird.
Auch würde es sich fragen, wie dies Borkow, das 1302 durch Schenkung
*) Von anderer Hand ist darauf polnisch bemerkt:
Wrok potem to iest 1604
umarl tyn mai Boiy Faustus
Socinus Senensis. to püfc}
Jakub Rymowai [?] Trybecki.
mpp.
d. h. Ein Jahr darauf, d. i. 1604, starb dieser Gottesmann Faustus
Socinus aus Siena. Dieses schreibe ich Jakob Rymowai Trybecki, mit
eigener Bland,
[und über der Adresse:]
1603.
NB. Wlasna reka y character Fausti Socini Sen. wrok potym umarL
1604 [= Eigene Hand und Character des Faustus Socinus aus Siena, ein Jahr
darauf starb er, 1604].
[Jacob Rymowai scheint der Besitzer des Briefes gewesen zu sein.]
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Privileg über Borkow und Roschütz.
489
(1304 bestätigt) an das Kloster Bukow kommt, schon 1348 in den Besitz
des deutschen Ordens gelangt sein sollte.
Auch das im P. U. B. 76. um 1241 erwähnte Borechowo kann es nicht
sein, weil dies damals der Castellanei Gorrenczin zugetheilte Dorf bei Carthaus
gelegen hat und jetzt untergegangen ist.
Darnach verleiht Girhard von Stegen, Comraendator in Danzig, auf
Befehl von Hochmeister Hinrich Tusemer 1348 an Barthus de Rossicz die
Güter Rossicz und Borkow, groß 40 Hufen weniger 1 Morgen, gegen 3Vs Mark
am St. Martinstage zu zahlen, nach 2 Jahren aber gegen 4 Mark und den
Ertrag eines Pfluges.
Von Gottes gnaden Wir Friderich Wilhelm, Marggraff X
zu Brandenburg, des Heiligen Römifchen Reichs ErtzCämmerer
vnd Churfürft, zu Magdeburg, in Preuffen, zu Gülich, Cleve, Bergen,
Stetin, Pommern, der Caszuben vndt X Wenden, auch in Schlefien,
zu Croffen vndt Jägerndorff Herzog, Burggraff zu Nürnberg,
Fttrft zu X Halberftadt vndt Minden, Graff zu der Marek vndt
Ravensberg, Herr zu Ravenftein. Thun hiemit iedermänniglichen
kundt, infonderheit denen X daran gelegen, vndt solches zu wiffen
von nöthen, wie dafs bey Vns Matthias, David, Albrecht vndt
Heinholdt Borkowski in schuldiger gebühr X demütige ansuchung
gethan, Wir geruhen wolten zu verwilligen, damit in Vnser
Preussischen Regiftratur eine alte Landtfeft vber das Gutt X Borkaw
möchte auffgesuchet, vndt zu ihrem behuff glaubhafft extradiret
werden. Wann Wir dann solchem ihrem billigm affigen X Suppli-
ciren in Gnaden deferiret: Als hat sich auch demnach beregte
gefuchte Verschreibung, zu latein beschrieben, nachrichtlich gefunden;
Welche X Wir ihnen also von wort zu worte gleichlautig hierunter
gefetzt, auszgeben lassen.
Univerf is et singulis Chrifti fidelibus ad quorum praefentiam
literae praesentes pervenerint, Noa frater X Girhardus de Stegen
Commendator in Dantzk conftare volumus publice protestantes
quod Nos de jtissu et de plenariä voluntate X Viri Reverendi
Magiftri Generalis Fratris Hinrici Tusemer et praeeeptorum Noftro-
ruin cont uliin us Barthus de Rofficz et fuis veris haeredi- X bus
et succefforibus bona dicta Rossicz et Borkow, quae quidem men-
furata sunt pro XL.** mansis minus unco, Jure Magdeburgensi X
cum omnibus ejusdem juribus ntilitatibus, cum judicio majori et
minori, exceptis stratis publicis vulgariter Landstraffe dictis quas X
ad noftrum dominium servamus judicandas cum pratis, silvis et
piscinis, nemoribus et lacubus, metis vel graniciebus, velut ab
antiquo vifa funt, h're (haereditarie) in perpetuum et quiete
Altpr. Monatwchrift Bd. XXIIL Hft 5 a. & 32
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490
Mitteilungen und Anhang.
poff i-X denda, duntaxat quod praedictns Barthus, ac sui veri haeredes
et sui successorea nobis ac nostris fratribus X tres marcas et dimi-
diam de praedictis bonis duobns annis proxime venturia festig
Sancti Kartini aolvere sint aftricti quolibet anno nomine X
census, Hiis vero exspiratis annis duobus Barthus et sui haeredes
et sueceffores IUI marcas pruthen. denar. singulis feftis Scti
Martini X nobis et nostris fratribus solvere de dictis bonis tene-
buntur, et annonam aratri sicut coeteri idem jus habentes dant.
ipfe dabit. X Volumus etiam ut hanc literam habeat et servet pro
quadam muneratione et fui juris defensione, tarn diu donec Magister
Generalis Vir X Venerandus generalia vel specialia Privilegia
terrae Pomeraniae largiatur, ut quodque in hijs affertum vel
insertum fuerit, jure utilitatis quod X praefatus Bartusch cum
fuis haeredibus juftis hijs omnibns libere perfruatur. In cujus rei
testimonium nostrum Sigillum praefentibus X appenfum. Datum
Dantzk sub anno Dni MCCCXLVHI in Caftro Epy.«°
Vhrkündtlich mit Vnserm zur Preuffifchen Regierung verord-
netem Insiegel bekr&fftiget. Datum Königsberg den 3. Febru&rii
des 1665 ten Jahres.
Gottfrid Freyherr zu Eylenburgk.
Chriftoff Troschk. (?)
Albrecht v. Kainein.
Chriftoff Freyherr zu Kitlitz.
Rückseite: Privilegium super Roszic et Borkow a Crucigeris
A.o 1348.
Num. 2800.
Charte: Pergament; 38,5 cm lang; 36 cm hoch; zu */• um-
geschlagen, mit Pergamentstreifen, Siegel fehlt
_ _ ., Deutsch 28,5 cmi , , , , , _N
Text: 24 Zeilen: . ^' 1 lang; 20 cm hoch (ohne ü.)
Latein 29,8 cm | 6
Privileg über die Kirche zu Reinfeld,
Mitgetheilt von A. Trelchel.
Die folgende Urkunde, im Besitze von Herrn Dr. A. Wolff in Neustadt,
ist ein 1546 zur Zeit des pommerschen Herzogs Philipp zu Stettin gefertigtes
Transsumpt, welches sich Ernst Krockow hat abschreiben und beglaubigen
lassen über die Errichtung der Kirche St. Johannis des (Taeufers) Evange-
listen in Reinfeld, nahe bei Dan zig, jetzt im Kreise Carthaus gelegen.
Das Original' soll in Schlol Bütow gelassen worden sein. Die damals
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Privileg über die Kirche zu Reinfeld.
491
errichtete Kirche soll immer beim Kloster 8uckau bleiben und werden ihr
dazu noch die Guter Nestenpow und Richtow mit 400 Hufen Landes gegeben.
Fnndator soll Ratibor, Herzog zu Danzig, sein, mit Bewilligung der Brüder
Suantopolk, Wartislaw und Sambor. Ausstellungsdatum ist vom Johanni-
tage 1210.
Die Urkunde selbst kommt im P. U. B. nicht vor und werden auch
die darin vorkommenden Dörfer Reinfeld, Nestempol, Richtowo, Lappin,
alle vier im Kreise Carthaus gelegen, gar nicht erwähnt, auch nicht das
zum Landkreise Danzig gehörige Zapelken. Das erwähnte Prüssow, welches
übrigens nicht das im Kreise Neustadt bei Zarnowitz gelegene Prüssau
(P. U. B. S. 258) ist, dürfte leicht wahrscheinlich das als untergegangen
gemeldete Dorf Prusicino bei Danzig sein, das im P. U. B. S. 265 und 266
allein, dann aber auf S. 320, 823, 429, 431, 472, 477, 480 in Verbindung mit
dem ebenfalls im Landkreise Danzig gelegenen Sulmin (urkundlich Slomno
oder Slompno) aufgeführt wird. Kommt Prusicino allerdings erst (Urk. 309)
1279 vor, so auch Sulmin (Urk. 353) erst 1283. Beide werden sie damals mit
anderen als im Besitze des Klosters Oliva angeführt. Doch herrschte zwischen
Oliva und Sückau über ilire Ausdehnung ja immer Streit, wie selbst die
Urkunden ergeben. Doch läßt sich auch aus der Reihenfolge der Güternamen
nichts Gewisses über die Identität von Prusicino mit dem hier erwähnten
Prüssow entnehmen und nur die nahe Lage des Prusicino mit Sulmyn läßt
mich diesen Schluß machen. Sulmin aber, das nach Cramer's Gesch. von
Btitow wörtlich identisch mit Richt-(spruch-)platz, also Richtowo, sein soll,
kommt im P. U. B. sehr oft vor; wann zuerst und daß meist in Verbindung
mit Prusicino, hatte ich schon angeführt. Reinfeld, wenn 1210 schon bestanden
nnd in Suckau's Besitze gewesen, hätte im P. U. B. angeführt werden müssen.
Die tranasumirte Urkunde Ratibor's scheint mir aber falsch oder
mindestens verdächtig zu sein.
Herzog Ratibor lebte zwar um 1209 als einer der vier Söhne Mestwin's L,
ist aber niemals Herzog von Danzig oder wird so genannt, sondern sein
Gebiet war das Land Belgard an der Leba. Nachdem er Deutsch-Ordens-
ritter geworden (se et sua deo et ipsi domui sancte Marie dedicaverat
P. U. B. S. 292), stirbt er 1261 und als seinen Todestag verzeichnet Schwengel
den 6. April nach einem jetzt verlorenen Zuckauer Menologium.
Das Kloster Sückau ist schon 1210 durch Mestwin I. in Schweti,
später auch in Danzig, gestiftet, also gerade in demselben Jahre, in welchem
die Kirche zu Reinfeld fundirt und dem genannten Kloster zugesprochen
sein soll.
Es ist auffallend, daß in Mitten jener »lavischen Namen ein von einem
pommerellischen Fürsten errichtetes Dorf mit dem rein deutschen Namen
Reinfeld (heute sogar Rheinfeld geschrieben) belegt worden sein soll.
32*
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Mitteilungen und Anhang.
Dürfen wir auch annehmen, daß die eigentliche Urkunde uns nur in
einer 1546 gefertigten deutschen Uebersetzung vorliegt, ohne daß dies aber
in gewohnter Weise gesagt ist, so mahnt uns sowohl das gebrauchte Deutsch
an eine noch spätere Zeit (also vielleicht auch Transsumpt verdächtig I),
wie auch die darin erwähnten Beziehungen diesen Verdacht rege werden
lassen. Wie zu lesen, wird nämlich besonders hervorgehoben die wahre
katholische Religion in gemeldeter Kirche und der Grottesdienst uralter
katholischer Lehre, der nicht untergehen soll, also Begriffe, deren Betonung
einer späteren Zeit zukämen, die uns daher so neu aumuthen, als ob irgend
eine Besorgnis in der Luft schwebte, wenn schon zugestanden werden muß,
duß die pommerellischen Fürsten in Klosterschenkungen Vieles geleistet
haben; doch thaten sie dies überall etwa zur Rettung der eigenen Seele oder
der ihrer Eltern, die getaufte Heiden waren.
Es kommen also in den gleichzeitigen Urkunden die Worte vor:
pro remedio anime oder pro intuitu retribucionis divine oder duetus spiritn
pietatis oder divina favente clemencia.
Es ist zu bedauern, daß in der Copie keine Notiz über die Verfassung
der transsumirten Urkunde selbst gegeben ist, wie es sonst oft genug heißt,
das Privileg u. s. w. sei wahr, ganz, unversehrt, unverletzt gewesen.
Schließlich dürfte auffallen, dafl diese Urkunde vom Fürsten Ratibor
allein ausgestellt ist, sowie daß sie ohne die sonst stets aufgeführten Zeugen
schließt. Ratibor kommt im P. U. B. zwar vielfach in den vom Vater oder
von Brüdern ausgestellten Urkunden als Zeuge vor, selten allein, öfters
zusammen mit seinem Bruder Sambor, stellt jedoch selbst nnr zwei Male
allein eine Urkunde aus (Urk. 67 und Urk. 180); im ersten Falle verleiht
er dem Kloster Zuckau 1238 (obschon nach einer Vorurkunde in diesem
Jahre sein Besitz, in welchen er 1248 wieder eingesetzt wurde, in Händen
seines ihm zuweilen feindlichen Bruders Swantopolk war) das Dorf Zemblewo
(Kr. Neustadt), frei von allen Lasten und Abgaben ; im anderen Falle urkundet
er nur (zwischen 1260 und 1260), daß Oxhöft wieder an das Kloster Zuckau
gegeben sei. Freilich schließen auch diese beiden Urkunden ganz ohne
Zeugen, so daß hierin doch eine gewisse Üebereinstimmung vorhanden ist.
Von Gottes genaden wier Philip Hertzog zu Stettin, Pommern,
der Cassuben X vnndt Wenden, Fürft zu Rügen, Graff zu Gützkow,
Bischoff zu Camyn vnndt Herr der Lande Lawenburg vnndt
Bütow: Auff Anhalten X des WolEdlen, Vnsers Lieben getrewen
Ernst Krockow, haben wier dasz Fundationali fche Vber die Kirche
St. Johannis des Evangelisten in Reinfeldt nahe X bey Dantxigk
dem Suckawifchen Kloster zugehöriges Privilegium ausz dem
Prothoculo der Geistlichen (?) Landtgütter, so zur Zeit unserer
fürst 1. Vorfahren von X der Cron Pohlen im Schlosz Bütow gelassen
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Privileg über die Kirche zu Reinfeld.
493
worden, von Wordt zu Wort abfchreiben laffen, deffen Inhalt
lautet wie folget. X
Wier Ratibor von Gottes gnaden Herlzog zu Dantzig,
Pommern etc. Ausz bewilligung Vnserer fürstl. Eltern wie auch
angebohrner Brüder Schwantopolck, X Wartziszlaw, Sambor, haben
wier zwey Meyl Weges von Dantzigk ein Stück Landes gekaufft,
auf welchem Grunde wier eine Kirche zu Ehren St. Johanni dem X
Apoftel vndt Euangeliften auffgebawet bey welcher Kirche wier
etliche Wohnungen für die Vnterthanen aufgerichtet vnd selbig
angefangenes Dorff zu ewiger ge-Xdechtnusz Reinfeld haben
nennen lassen. Ein halbe Meyl Weges danon nicht weit vom Flusz
Radnn an von diefen unferen gekauften grnndt haben Wier X
noch zwey Dörffer ausgerichtet, deren eines Neftenpow, dasz andere
Richtow, welche Dörffer mit gewiffen Warzeichen begrentzet sein
anfänglich X an den freyen Gut Snlmyn, Lapyn ein Spitalgut,
wie auch an den freyen Göttern Zapelken und Prüffow bisz an
die grentze des Kloster» Suckow. Er-X-nandte drey Dörffer
Reinfeld, Neftenpow, Richtow mit vier hundert Huben Landes mit
newangefangenen Feldern, mit Waeldem, Wiesen, Teichen, Seen,
Flüssen X gr°fz unudt klein unndt allen Nutzbarkeiten welche in
diesen von Vnsz gekauften Gründen sein oder noch werden mögen,
Vermachen Vndt Verfchreiben Wier anf e-Xwige Jahr zu dieser
von Vnsz gefuudirten Kirchen in Reinfeld, mit welcher Kirchen
vnd allen darzu gehörigen unudt hierinnen verschriebenen Güttern
die Pröb-Xste des Klosters Suckaw unndt beyliegenden Kirch
St. Johannis des Teuffers verwalten sollen, welche dan also vorzu-
stehen werdeu schuldig sein, damit die X Andacht der wahren
Catholischen Religion in gemelter Kirche stets in Schwang gehe.
Hergegen Versicheren Wier sie mit diesem fundationalischen Privi-
legio, X dasz oftermelte Reinfeldifche Kirche sampt ihren Güttern
von denen Suckawischen Probaten vnd von der Kirche St. Johannis
des Teuffers in Suckaw auf ei-Xnen Berg liegond nimmermehr
soll können gescheyden oder abgewendet werden. Ausz diesen
güttern wirdt ein iedweder Suckawischer Probat die Nutzen X «ndt
Einkünffte zu empfangen haben zu Vnterhaltung der Kirche vud
seiner Priesterlichen Person, zu Vermehrung des Kirchen Ziers,
vndt aufferbawung X des Gottes Diensts darinuen. Derowegen
werden fir (!) hieranff bedacht sein dasz sie den Gottes Dienft
Vralter Catholischer Lehr nach, nimmermehr an dieser X Kirche
nicht Vntergehen lassen, sondern denselben allen Vermögen nach
unter den Vuterthanen fortpflantzen sollen. Solches zu Ewigen
4<»4
Mittheilungen und Anhang.
Ehren Gott dem AJlmech— X^igen vnd feinen Vielgeliebten Junger
vnd Euangelisten Johanni, damit er vor der Göttlichen Maiestät
VnBer Fürfprecher sein wolle. Zu ewiger Verfiche-Xrung haben
Wier dies gegonwertige Privilegium mit Bewilligung Vnserer Fürstl.
Eltern vnd Gebrüderen mit Eygener Hand Vnterfchrieben vnd
Vnfer X fürstl. Siegel anhängen laffen. Gefchehen in der Kirch
zu Reinfeld am Tage St. Johannis des Apoftels vnd Euangeliften,
im Jahr Ein Tausend Zwey hun-Xdert vnd sehen.
Ratiborias Dux Gedanens. et Pommeraniae mpp.
(L. S.)
Vmh Warhafftige Verficherung, dasz gegenwertige Copey
gründtlich nach dem Originalifchen Privilegio der Fundation
obgemelter Kirch in Reinfeld ausz X dem Prothoculo der Geistl.
Landgütter von Wort zu Wort abgeschrieben ist betzeugen Wiera
mit unser fürstl. Eygenen Handt undt untergehangtem Siegel X
neben ft Vnterschreiben Vnserer Geheimen Räthen. Actum Stetini
die quarta Junii (?) Anno Mill'smo quingentesimo quadragesimo sexto.
Philipus Dux Pommerania Joannes Benin Secretarius.
Laurentius Putkamer Secr.
et Scriba iuratus mpp.
Ernestus Ramel Secret. mpia.
Charte: 56 cm lang, 59 cm hoch; Pergament; zu Vs umgebogen.
Text: Zeilen: Introductio 5, Transsumpt 20 [ohne Unterschrift],
Corroboratio 8 [o. U.]; 45,5 cm. lang, 81,5 cm hoch (bis
incl. Philipus).
Siegel: anhängend durch zwei Pergament-Streifen, sich kreuzend
im Siegel; Ingesiegel in Holzbulle, wovon Schüefltheil
wahrscheinlich verloren.
Wappen: schildförmig, neunfelderig, mit Greifen, aufler im unteren
Mittelfelde, wo die Zwischenräume eines liegenden Kreuzes
mit je 8 Punkten ausgefüllt sind.
Dorsal-Aufschrift: Privilegium super Reinfeld, Neftenpohl
Richtau ä Ratiboro Praeposito Zucovienfi tum Ecclae
ibidem S. Joan. Evangeliftae donatis et inscriptis. A.° 1210.
Num. 19NO. (?2)
Privilegium Reinfeld.
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Universitäts-Chronik 1886.
Universitäts - Chronik 1886.
„Acad. Alb. Regim. 1886. ü.u (sie statt III) Index lection. . . . per hiem. a.
MDCCCLXXXVI/VII a d. XV. m. Octobris habendarum. Regimontii.
Ex offic Hartungiana. (25 8. 4.) Insunt H. Jordan! analecta epigra-
phica latina (S. 3—9.)
Verzeichniss der ... im Winter-Halbjahre vom 15. October 1886 an zu
haltenden Vorlesungen u. der önentl. Anstalten. Kgsbg. Hartungsche
Bchdr. (10 S. 4.)
14. Juli. ... ex decreto ord. philos. . . . Ernesto Alberto Kahle Regimon-
tano summos in philos. nonores ante hos quinquaginta annos die XIV.
mens. Julii in eum conlatos gratulans quod litterarum amorem per
hoc semisaeculare spatium praestiterit insignem renovavit Carol. Pape
Dr. phil. P. P. O. h. t. Decanus. Regim. Pr. ex offic. Leupoldiana.
20. Juli. Lection es Cursor, quas venia et consensu ordin. philos. . . . David
Hilbert phil. Dr. Die Fortechritte in der Theorie der binären Formen.
Ad docendi facult. rite impetrand. . . . habebit indicit Carolus Pape
phil. Dr. P. P. 0. ord. philos. h. t. Dec. Regim. Boruss. typis Leu-
poldianis.
28. Juli. Phil. I.-D. von Franz Thunert (aus Danzig): Der grosse Krieg
zwischen Polen und dem Deutschen Orden. 1410 bis 1. Februar 1411.
Beilage: Die Quellen zur Schlacht bei Tannenberg. Danzig. Druck
von A. W. Kafemann. (2 BL, 73 S. 8.)
80. Juli. Medic. I.-D. von Salomon Schneierson (aus Polotzk, Russland):
Untersuchungen üb. eine neue Methode der quantitativen Kreatinin-
bestimmung. Kgsb. Gedr. bei E. Erlatis. (27 S. 8.)
31. Juli. Phil. I.-D. v. Maxim 11. Glueck (Tilsensis): De Tvro ab Alexandro
Magno oppugnata et capta. Quaestiones de fontibus ad Alexandri
Magni histunam pertinentibus . . . Regim. Ex officina Liedtkiana
(2 Bl., 55 S. 8.)
7. Aug. Med. I.-D. v. Felix Rosenhain (prakt. Arzt in Wormditt geb. zu
Szittkehmen): Beiträge zur Kenntniss der Kynurensäurebildung im
Thierkörper. Kbg. Hartungsche Bchdr. (29 8. 8.)
11. Aug. Med. I.-D. v. Friedrich Lullles (prakt. Arzt ans Kbg.): Ueb. die
Zeit des Eintritts der Menstruation nach Angaben von 3000 Schwan-
geren in der Königl. gvnaekologischen Klinik zu Königsberg i. Pr.
Kgsbg. i. Pr. Gedr. b. A. Kiewning. (79 S. 8.)
16. Aue. Pnil. I.-D. v. Paul Dobrlner (aus Schmalleningken) : Bestimmung
der Siedepunkte, der Dichte und der Ausdehnung einer Anzahl von
homologen und metameren Aethern normaler Fettalkohole. Kbg. i. Pr.
Ostpr. Zeitungs- u. Verl.-Druckerei. (2 Bl., 43 S. 8.)
16. Aug. Phil. I.-D. v. Jacob Pinette (aus Dorbian) : Ueber das spezifische
Volumen von Phenolen und Phenoläthern bei ihren Siedepunkten.
Ebd. (2 BL, 37 S. 8.)
18. Aug. Medic. I.-D. v. Emil Korn (prakt. Arzt aus Kgsbg.): Experimen-
telle Untersuchungen über Kohlenstaubinhalationen bei lungenkranken
Thieren. Leipzig, Druck von J. B. Hirschfeld. (20 S. 8.)
25. Aug. Phil. I.-D. v. H. Baumert Oldesloeensis: Apionis quae adHomerum
pertinent fragmenta. Regimonti Borussorum. Tvpis Leupoldianis.
(2 BL, 55 S. 8.)
25. Aug. Phil. I.-D. v. Paalus Rosenstock Regimontanus: De Donato,
Terentii, et Servio, Vergilii explicatore, syntaxeos latinae interpretibus.
Marggrabovae. Ex officina Czyganiana. (2 BL, 87 S. 8.)
496 Mittheilungen und Anhang.
Lyceum Hosianum in Braunsberg 1886.
Index lectionum . . . pe hiemem a die XV. Oct. a. MDCCCLXXXVI usque
ad diem XV. Martii a. MDCCCLXXXVII instituendarum (h. t. Rector:
Dr. Willi. Killing. P. P. 0.) Brnnsbergae. Tvpis Heyneanis (R. Silt-
raann). (21 S. 4.) Praecedunt Prof. Dr. Wühelmi Websbrodt quae-
stiones grammaticae. (S. 8—17.)
Altpreussiscbe Bibliographie 1885.
(Nachtrag und Fortsetranfr.)
Blokuzewskl, Hans (aus Kgsb. i. Pr.) Beitrag zur Lehre der freien Gelenk-
körper des Kniegelenks. I.-D. Berlin. (32 S. 8.)
Burdach; Privatdoc. Dr.. üb. d. Sprache des jungen Goethe. [Yhdlgn. d.
37. Vsmlg. dtsch. Fhilol. u. Schulmann. Leipz. S. 166—180. 4.J
Frentzel-Beyuie, Roh. (aus Grünhaide, Kr. Memel): Die Kapselexstirpatiou
am Kniegelenk. I.-D. Berl. (32 S. 8.)
Frledlaeuder, Paul Alfr. (aus Marien werd er) : Ueb. die Convallaria majalis.
Medic. I.-D. Berlin (32 8. 8.)
Gordack, Walt. (Kbg.) Nicht preisgekrönte Beantw. der v. d. Redact. d.
dtsch. Schriftstellerztg. (Spemann, Stuttg.) gestellt. Frage I. „Wie ist
dem überhandnehmd. Dilettant ism. in d. Litt, am besten zu steuern?"
[Das Magaz. f. d. Litt. d. In- u. Ausl. 48.].
HaUing, Dir. C. (Memel). Der Kaiserbote (Adolf Friedrich Graf v. Schack)
Vortr. Progr. d. höh. Töchtersch. Memel. (S. 3-27. 4.)
|$etfart.| Jtanbataf, DbcrI. Joft. ®fr., üb. b. SJtytn. o. fcerbartö u. 58enefe3 Sc^rc
oom Sittlichen u. o. b. fittC. greifjeit. (St^ulproar.) jjreibcra. (15 S. 4.)
Iii I>ler9 Dr., Frz., die deutsch. Predigten u. Katechesen der Er inländisch.
Bischöfe Hosius u. Kromer. (Festschrift d. ..Görree-Gesellscb." zur
Inthronisation d. Erzbisch, v. Köln, Dr. Phil. Krementz.) Köln.
Bachen in Comm. (VIII, 180 S. Lex. 8.) 4. —
Hirschberg, Heinr. (aus Hohenstein, Ostpr.): Operative Behdlg. der Caries
der Fusswurzelknochen m. besond. Berücksichtigung des Talus u.
Calcaneus. I.-D. Berlin. (40 S. 8.)
Hoffnung, Jul. (aus Freistadt Wpr.): üb. Haemoptoe bei Kindern. I.-D.
Berl. (32 S. 8.)
Jablonowski, Geo. (aus Kgsb. i. Pr.) üb. d. Einwirkg. d. Quecksilb. auf d.
thierisch. Organism. I.-D. Berlin (36 S. 8.)
Äähler, SDlort., 95erföf)ng. bd). (^riftutn in ibr. »ebeutg. f. b. cbriftl. ©lauben u.
geben. . . . ©Hangen. (42 ©. gr. 8.) —50.
Ääljler. ©uperintenb. in §cil9berg, Xie firdjl. 3uf*^c c»ang. Qemeinben in
ßrmlanb. [ßoangcl. @emeinbeblatt 14.]
ftadfe'Sanstft. «Pfarrer D. »ledyDonjig f. [6bb. 39. (»eil.)]
Äolcfftein. Sanfte»)'*, %, ©efdudtfc 9lapolcon'ä I. 3tuä b. ftranj. ». C. o. ©lümer.
... »eenbet beb. Dr. «. ö. ftaldfrcin. 2. rooblf. »uäg. in 7 5Bbn. 3. Sb.
(399 ©.) 5. »b. (396 S.) 6. 93b. (441 S.) je 2§Slftcn a 1.50. SRinben. »runö.
— — Die Vereinigten Staaten u. Brittisch-Nordamerika. [Jahresber. d. Ge-
schichtswissensch. IV. Jahrg. 1881. Berl. 1885. III. S. 181-212] Ree.
[Mitthlgn. a. d. histor. Litt. red. v. Ferd. Hirsch. XIU. Jahrg 1. HftJ
ffalenber, neu. u. alt. oft« u. roeftpr., auf b. 3. 1886. Jtgdbfl. Wartung. (XXVIH,
84 6. 12°.) —45; burdrfd). —50.
neu. preu&ifd)., a. b. & 1886. ebb. (83 6. 16<>.) -25- burdjfd). -30.
Kalischer, Siegfr. (aus Thorn): z. Frage üb. d. Einflufl d. erblich. Belastg.
auf Entwickig., Verlauf u. Prognose d. Geistesstörungen. I.-D. Berlin
(92 S. 8.)
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Altpreussische Bibliographie 1885.
45)7
Kalkschmidt, Carl (a. Brannsb.), Caanistische Beiträge zu perforirenden
Angenverletznngen. I.-D. Greifswald. (31 S. 8°.)
Kammer, Ed., Ree. [Herl, philog. Wochenschr. 18.]
flattern b. in b. mittl. ftlaff. l)öf). Schranft. ju erlcrncnb. ©rfdEtid^tä^ahlcn. Sfmgcft. v. b.
Sehern b. ©ef(b. am Stöbt, ©omn. j. SJanjig. 3>jg. 6. Saunier. (16 8. gr. 8.)
Kant, Imm.*)
[Kassnben] r. Wienkowski, Die poinmerschen Kassuben. [Mitthlgn. d.
geogr. Gesellsch. in Wien Nr. 12.]
KaufTmann, Dr. Hugo, Ueb. Hartmanns lyrik. Wissensch. Beil. z. d. Progr.
d. städt. Gvmn. in Danzig f. d. J. 1885. (96 S. 8.)
KetrzjrnskI, Dr. Wojciech, De persecutione Jadaeomm Vratislaviensium a.
1453. [Monumenta Polomae historica Pomniki Dziejowe Polski Tom.
IV. Lwow 1884. p. 1—5.] Annales monasterii Trebnicensis. [ibd. p.
6 — 7] Excerpta Joannis Dtugossi e fontibus incertis. [p. 7 — 15]
Catalogi episcoporum Vladislaviensium. [p. 16 — 30] Chronica terrae
Prussiae. [p. 37 — 40J Annales Golubiensis. [p. 40— 43] De magna strage
a. 1410. [p. 44 — 48] Series episcoporum Culmenaium. [p. 48 — 52] Ma-
gistri generales ordinis Teuthonicorum fratrnm. [p. 53 — 561 Liber
mortuorum monasterii Pelplinensis ordinis Cistercienais. [p. 56—124]
Calendarium vetus sive tabula defunetoram patrum et fratrum Car-
tusiae Dantiscanae. fp. 125—136] Fragmentum Monologii Olivensis.
[p. 136—139.] De saneto Adalberto episcopo. [p. 206— 221J Miracula
saneti Adalberti. [p. 221—238) Vita Sancti Stanislai episcopi Craco-
viensis. (Vita minor.) fp. 238 — 285] Miracula sancti Stanislai. [p.
285—378] Vita sancti Stanislai Cracoviensis episcopi. (Vita major.)
Auct. fratre Vincentio de ordine fratrum praedicatorum [p. 379—438]
Miracula venerabilis patris Pmndothae episcopi Cracoviensis. [p.
439—500.] Vita et Miracula sanetae Kyngae ducissae Cracoviensis.
[p. 662—744.] De pincerna ducis Poloniae a morte liberato. [p.
745—747] Mors et Miracula beati Verneri episcopi Plocensis. Auct.
Johanne decano Plocensi. [748—754] Translatio sancti Floriani I— III.
]755— 762] Miracula sanetae Hedwigis reginae Poloniae. [763—769] Vita
sanetae Salomeae reginae Haliciensis. Auct. Stanislao Franciscano.
[770—796.1 Dopetnienia. przez Dra Wojciecha KotrzvÄskiego i Dra
Ludwika Cwikhnskiego. [ibd. p. 904-910]
Kk'iiast, Herrn., üb. d. Entwirkelg. u. Oelbehälter in d. Blätt. v. Hypericum
u.Ruta. I.-D. Elbing. (Kgsbg., Nürmberger.) (49S.gr. 8. m. 5Taf.) 1.-
Killinir, Wilh.. Die Nicht-Euklidischen Raumformen in analyt. Behandlung.
Mit 1 lithogr. Tat". Leipz. Teubner. (XI, 264 8. gr. 8.) 6.80.
— — Die Mechanik in d. Nicht-Euklidischen Raumformen. [Journal f. d.
reine u. angew. Mathem. 98. Bd. 1. Hft. S. 1—48.]
Klrchhoff, G., Zur Theorie d. Gleichgewichtsvertheilg. d. Elektricitat auf
zwei leitenden Kugeln. [Sitzungsber. d. k. preuß. Akad. d. Wiss. zu
Berlin 43. 44. 45. S. 1007- 1013. J
KirwcliHtein, H., Oberl. am kgl. Gvmn. zu Marienburg. Phedre, tragödio
par Racine. Erkl. Berlin, Weidmann. (94 8. 8.)
Klcbg, Prof. Dr., Die Trinkwasserversorgung d. Stadt Zürich u. ihrer Aus-
gemeinden. Vortr. Aussersihl. (Zürich, Rudolphi & Klemm). (40 S.
gr. 8.) baar n. —60.
— — üb. Cholera asiatica. Nach Beobachtgn. in Genua. (Aus: „Corresp.-
Bl. f. Schweizer Aerzte.''] Basel, Schwabe. (18 S. gr. 8.) —80.
oon b. Juberfulofe. ^atljoloa.. <Sfmc. [9Som $et3 jum Wecr. §ft. 7. «pril.]
Klebs, Privatdoc Dr. Elimar (Berlin), Ree. [Dt. L. Z. No. 3. 15. 24. 28. 31. 87.]
Kleba, G., üb. Bewegung n. Schleimbildung d. Desmidiaceen. [Biolog. Cen-
tralblatt V. Bd. No. 12.] Krit. Bemerkgn. zu d. Abhdlg. v. Hansgirg,
*) Die Kant betreff. Litt, folgt später in e. besond. Zusammenstellung.
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498
Mittheilungen und Anhang.
Ueb. d. Polymorphismus d. Algen. [No. 21.1 Beiträge z. Morphologie
u. Biologie d. Keimung. (Mit 24 Holzscnn.) [Untersuchgn. a. d.
botan. Institut zu Tübingen hrsg. v. Prof. Dr. W. Pfeffer. I. Bd.
Hft. IV. S. 536-635.]
Kleba, Rieh.. Die Handelssorten d. Bernsteins. [Aus: „Jahrb. d. k. preuss,
geol. Landesanstalt."] Berl. 1883. (Kgsbg.. Hübner & Matz 1885.)
(32 S. Lex. 8.) baar n. 2. —
— — Das Tertiär v. Heilsberg in Ostpr. [Jahrb. d. kgl. Preuss. geolog.
Landesanstalt f. d. J. 1884. S. 334-380.]
Älöpper, D. Ulbert, $cr ungcroalfte Kliffen u. ba«J alte Äleib. Xer neue ©ein u.
bie alten Sdilaudie. [jtjeoloß. Stubicn u. ffritifen. Jja^rft. 1885. 3. §ft. S.
505 — 534.] Eine apologet. Bede Jesu f. seine d. Sabbatbruches be-
schuldigten Jünger. Matth. 12, 1—8; Marc. 2. 23—28; Luc. 6, 1—5.
[Zeitschr. f. wissensch. Thool. 28. Jahrg. 2. Hft. S. 129— 145/1 Die
Erörterg. d. Verhältn. v. Glauben u. Werken im Jacobusbriefe (Cap. 2,
14—26.) [ebd. 3. Hft, S. 280-319.1
Knapp, Friedr., ^cEm patrtot. 2iebcr. SilfH SJerl. con SBtlb. Sobaufe. (15 S. 8.)
&0(ft, 3obn- 8ölfi»(t. weil. ©nmn.»$rof. Dr. 3-, 2cbrbud» b. citgtifdb. ©prathc-
1. a. u. b. <X.: @(cmcntarburf) b. engl. Spraye. 22. 9(uft. neu bcarb. c.
Äealaomn.'i'cbr. Dr. Jobn Äodi. Berlin, ©nölin. (IX, 279 S. gr. 8.) 1.80.
Der Valentinstag. [Anglia VIII. Bd. S. 242-2451 Ree. [ebd. 2. Hft.]
Köhler, L., Op. 80. Kinder-Clnvierschule in faßl. u. fördernd, theoret.-prakt.
Anleite, m. 100 Originalstücken u. Uebungen. 15. Aufl. Leipz.
C. F. W. Siegel's Musikhdlg. 4°. 3.-
[ Königsberg.] Schlüters Entwurf f. d. Schloß zu Königsberg. (VVochenbL
f. Baukunde. Nr. 88.] Hlldebrandt-Strehlen, die Nibelungen in Kgbg.
[Das Magaz. f. d. Litt. d. In- u. Ausl. 47.]
ftönigebtrger. . . . b. gemütbüebe; c. tfalcnbcr a. b. 3. 1886. o. 6. 2. Äautenberg.
SRobrungen, Jlautcnberg. (72 u. 35 S. 12°.) baar —30.
Kopp, A. (Kgsbg.). Apios Homerlexicon. [Hermes 20. Bd. 2. Hft. S. 167— 180.]
Zur Quellenkunde d. Etvinologicum Magnum. [Rhein. Mus. f. Philol.
N. F. 40. Bd. 3. Hft. S.* 371—376.]
Kossinna, Dr., Gust.. /"«io/tounpos [Zeitschr. f. dtschs. Alterth. u. dtsehe.
Litter. N. F. XVII. Bd.' 2. Hft. S. 268.] Ree. [Dtsehe. Lit. Ztg. Nr. 3. 42.]
Kownat/.ki, F. A., Etüde snr Alexandre Ilardv. Progr.-Abhdlg. d. KgL
Gymn. zu Tilsit. (21 S. 4.)
Kraffert Ree. [Philol. Rundschau 1. 12. 24. 31.]
Krah, E., Ree. [Berl. philol. Wochenschr. 5. Jahrg. No. 33. 50. — Philolog.
Rundschau 14. 40. 45.1
Ärahmcr. Ärit. SKücfblide auf b. Wuff.«2ürf. «rieg 1877/7a flatb, «ufffifcen o.
fturopatfa . . . bearb. v. Jftrafjmer, 9»aj. $>ft. 1— 4. Berlin Wittler <fc Sobn.
(391 S. gr. 8.) 8.50.
— — $er ruff. flriegäfcbauplaty in f. ßtnfluffe auf b. bort operirbn. Ärmcen im
gelbjuge 1812 u. b. poln. Snfurrectionöfriegc 1830/31 ; e. ©tubte. [öetbeft
g. SRiUtär.2Üo<bcnblatt 4. £ft. 6. 125—155.]
Krebs, Hugo (Verf. d. Preisstückes: „Der Bürgermeister v. Breslau", v.
„Funken u. Flammen", „Distelblüthen" etc.) Nirwana. Neue Dichtgn.
vermischt. Inhalts. Tilsit Lohauss'sche Bchhdlg. (69 S. 8.) cart. 2.—
Krebs. Heerdboch, est preuss. Hrsg. im Auftr. d. Heerdbuch-Gesellsch. . . .
dch. deren Geschättsl'ühr. Gen.-Secr. G. Kreiss. 2. u. 3. Bd. Berlin
1884 u. 85. Parey. (XI, 229 u. 147 S.) ä 2.- (1-3. : 10.-)
Kreysern, Geo. (a. Gumbinnen): üb. Schnittwunden d. Kehlkopfes. I.-D.
Berlin. (32 S. 8.)
[Kreyssig] Wlttlch, Dir. Dr., Zum Gedächtn. d. Direkt. Prof. Friedr. KreysMir.
(Progr. d. Realgvmn. in Cassel S. 26—28. 4°.)
Krieg, Prof. Heinr., Correspondenzblatt d. kgl. stenogr. Instituts zu Dres-
den. ... 32. Jahrg. Dresden. Dietze. Huhle in Comm. baar n. 4. —
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Altpreussische Bibliographie 1885. 499
Dazu als Beibl.: Echo . . . Ebd. 1.50. u. Lesebibliothek, Stenograph.
Ebd. 1.50.
Krieg, Prof. Heinr., Lehrbuch d. Btenogr. Correspondenzschrift ... 14. Aufl.
Ebd. (Vin, 80 S.) 1.50.
Aroftö. Dr. ^r., fcilföbu* f. b. Unterricht in b. ©cfcb. an bbb. £öd)terfd)ulcn. 2. £bL
3). Mittelalter. 5. »Infi. 9Wit 2 bift. (lith.) Wart. (IV, 6-1 S.) -80. 3. Sic
neuere 3eit. «Kit e. fcift. (d)romolitb.) «arte. (173 3.) 1.20.
Ärüger, weil. Sup. ^Jfr. $erm., ©ebiebte. 9lacb fm. lobe gefamtn. u. fjräg. o. feinen
flinbern. ßlbing. Saunier in Gomm. (VII, 104 6. ßr. 8.) 1.50.
Arügcr. 9left. Garl Satcrlanb. ®efd)id)tc. Scbcnäbilbcr . . . Eanjig Hrf (IV,
114 S. ßr. 8.) cart. -50.
fiteberftraufj o. jroei» u. breiftimm. ©efängen f. Schulen. 9Juäg. A.: 2RU
93 Stehern. 8. oerm. u. ob. Slufl. ebb. (52 S.) n. —25.
— — Seitfabcn b. ©cograpbie u. ©efebiebte f. Stalfsfcbulcn ... 8. ob. Slufl. $anjig.
Bertling. (32 S. 8.; —25.
Kruger. Paul (ans Skaisgirren) : ein Beitrag z. Kenntniss der Abkömmlinge
des Hydroxylamins. I.-D. Berlin. (54 S. 8.)
— , Prof. Dr. Paul (Kgsbg.), Ree. [Dtsche. LZ. 8.]
Kühne, Ernst (a. Classenthal Reg.-Bez. Gumbinnen): üb. unsere heutige
Kenntn. u. Behandig. d. Lupus. l.-D. Greifswald. (28 S. 8.)
Kusel, Dir. Dr. Ed., drei Schulreden (Gymn.-Progr. ) Memel. (S. 3-14. 4.)
Kuhnert, Ernst, Ree. [Berlin. Philol. Wochenschr. 44.]
Vanbmaitn, Sieftor 2t)., 35ie brei 3icid>c ber 9iatur. Scitfab. f. b. naturbefchr.
Untere an ^öh. 3Hät>chcn« u. Wittclfcbulcn. Ägflbg. ©räfe 1884. (VII, 192 6.
gr. 8.) 1.60.
Lange, Bericht üb. d. Ereignisse der Jahre vom 1. 11. 1877 bis 31. 10. 1882
auf d. geburtshilfl. Abteilung d. gynäkolog. Klinik zu Kgsbg. i. Pr.
[Berl. klin. Wochenschrift No. 26. 29.]
Langendorff, Prof. O., üb. elektriscbe Reizung d. Herzens. [Archiv f. Ana-
tomie u. Physiol. Physiol. Abt. Hit. III, IV S. 284-287.]
Vehmonu. ^aftoralbibliotbcf. Samml. oon Äafualrcbcu . . . bräg. o. $fr. Dr.
tfcljtnann. @otba. Scblocfunann. 7. iBb. (375 S. ßr. 8.) geb. 6.—
— — unbeweglich in (S^rifto ! ^rebigt, 3ur ßrinncrung an b. £ieberbid)tcr 3oad>im
Keanbcr geb. [2luö: „<paftoralbibliothcf".] (Sbb. (14 S. gr. 8.) —40.
— — 3ur Erinnerung an b. gciftl. Sänger ^ob. §ccrmann. [6o. ©emeinbcbl. 9io. 39.J
Leidig, Dr. jur. E., die Beziehungen Gustav Adolfs zu Danzig. I. Theil.
[Ztschr. d. Wostpr. Geschichtsvereins Hft. XIV Danzig S. 1—44.]
Lemke, Elisabeth, üb. prähist. Funde in Rombitten, Ostpr. [Vorhandlpn. d.
Berlin. Geaellsch. f. Anthropol. etc. Stzg. v. 21. Febr. S. 86—897]
Lentz, F. L., (Kgsbg.) Zu Plutarchos [N. Jahrbb. f. Philol. u. Päd. 131. Bd.
S. 39-40. u. S. 192.]
tfcfcalb. Janno, im Slbcnbrotb- flalciboötopifchc Grjäblung in 16 «riefen. Dreöben,
2Kinbcn. (VII, 181 S. 8.) 3.-
Lewy, Julius, (Memel). Die Kieferklemmen u. ihre Behandig. 1.-D. Berlin
(32 S. 8. m. 1. Taf.)
Lcyde, Ludw. (Culm). DeApollonii Sophistae lexico Homerico. Diss. inaug.
Lipsiae (35 S. 8«.)
Leyden, Ztschr. f. klin. Medicin. Bd. IX. u. X. ä 6 Hfte. Berlin. Hirsch-
wald, ä 16.—
Ueb. nervöse Dyspesie [Berlin, klin. Wochenschr. No. 30.]
Liebisch, Th., üb. e. Ganiometervorrichtung welche z. Messung zersetzbarer
Krystalle dient [N. Jahrb. f. Mineral., Geol. u. Palaeontol. 1. Bd.
Stuttg. S. 76 -77. J üb. d. Totalreflexion an optisch einaxigen Krj'stallen
|Ebd. S. 245-253 j.
Liebreich, Ose., u. Alex. Langgaard, D.D., medic. Rocept-Taschenbuch. Lf.
2-20 u. Nachtrag. Berlin Fischer. (S. 49-992. 8.) (compl. 10.80).
Liebreich, Dr. Rieh., Atlas der Ophthalmoscopie. Darstellg. d. Augeugrun-
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500 Mittheilungen nnd Anhang.
des im gesund, u. krankh. Znstande, enth. 12 Taf. in Farbendr. Nach
d. Nat. gemalt u. erlftnt. 3. Aufl. Fol. (VIII, 31 S. Berlin. Hirsch-
wald.) part. 32.
LI*k, Gust., Wiederholungsbuch zum Geschichtsunterrichte in Seminaren u.
Präparanden-Anstalten. V. Aufl. Löban. Skrzeezeek (92 S. 8.) —75.
Lipschitz, D&iuction arithm&tmie d'une relation due k Jacobi ]Acta mathe-
matica VII. 1.] sur les so mm es des diviseurs des nombres [Comptes
rendus hebdomad. des seances de 1'Aead. des sc. T. 100 p. 845—849.]
Ussauer, Dr., Untsuclm. üb. d. sagittale Krümmg. d. Schädels b. d. Anthro-
poiden u. d. verschied. Menschenrassen [Archiv f. Anthropol. XV. Bd.
Supplement. S. 9—120. 4to.]
Satffltt, (gbuarb, (ftrauenburg), Dir SBeibe b. beil. Dele, b'ft- u. Hturgifd) beteuebt
u. erflärt. [Der ftatboli! 65. ^obrg. 91. ft. 27. Jabrg. 3uni»-£>ecbr.«£ft.]
Loevy, Sallv fSchwetz) Beiträge z. Casuistik der Lungen -Echinococcen.
I.-D. Greifsw. (25 S. 8.)
«oetotntfjal, %ül, Ärout u. »üben. . . Äg9bg. S(bmtbt. (100 3. gr. 16.) baar 1.—
Lohmeyer, Prof. Dr. Karl, Grundriß der lateinischen Palaeographie v. d.
Urkundenlohre von Cesare Paoll, Staatsarchivar u. Prof. zu Florenz.
Aus d. Italien, übersetzt. Innsbruck. Wagnersche Universit.-Bchh.
(VUI, 79 S. gr. 8.) 2.--
unb CbcrI. «. Uiomae, fcilfdbud) f. b. Untricbt in b. btf*. @cfcf>. 6. j. roeftfö!.
^rieben. fcaHe a. 3.. »Ab. b. Söatfenl). 1886 (85). (IV, 98 S. gr. 8.) 1 —
— — u. — — ftilfdbud) f. b. Untricbt in b. branbenb.«preuf}. ©efd>. f. bob. 2ebr»
onftolt. u. Kittclfcbul. <Sbb. (V, 108 3. gr. 8. m. 1 geneal. taf.) 1 —
©itorob. ©roMürft o. Sttaucn (f 143o) SJortr. [HRittcilflrt. b. litou. litt. (*ri.
10. fcft.] (II, 4. 3. 203-230.) Wcc. [Sit. Gtralbl. 16. 28. 29.]
(Nachtrag.)
Historischer Atlas von Droysen. Blatt: „Die Gebiete des deutschen
Ordens" revid.
ftolgenbe %ttiUl in: magern. fceutfoV 8iograpbte" Sctprig 1875 ff. 1. SKbmbt
o. Sranbenburg. 2. Wlbrccbt ftriebrid), §crjögc o. ^reufjen I, 293—310.
310-314. 3. Wtenburg, Dtetri* v., öodjm. 361—63. 4. «nfclm, 8ifa>f
o. (Srmlanb. 477—78. 5. 8alto, §erm., Sonbmciftcr. H. 20—21. 6. Saufen,
Sodann o., 189- 90. 7. JBlume, 8ürgermeift. o. SRarienburg. 745. 8. Blu-
menau, preufi. ©efdHdbtöfdjrciber 747—48. 9. 8raunf<brocig, Sutbcr c, §od}m.
III, 275-76. 10. 8run (SJomfacmS), Grjbifcbof. 433-34. 11. Gbriftwn,
8if<bof o. 8reuft. IV, 175—176. 12. Eamb, 9uca3, preufe. ©cidncbtfcbmber.
785—86. 13. Drumann, ^rofeffor. V, 486— 39. 14. 2>u3burg, $eter von,
Gbronift. 492. 15. ©lifabetb, ÄurfürfHn v. »ranbenburg. VI, 14—15. 16.
Grli(b$baufen, $odjm. 223—26. 17. fcartfnoä), (Sbriftopb, © e f cb i cti tf t^reiber
X, 665-67. 18. fcennenberger, ©eograpb k. XI, 769—71. 19. Jerofcbin,
GDromft. XIII, 779. 20. Jungingen, Jpodim. XIV, 718-21. 21. Äniprobe,
$>o<f>m. XVI, 295-297. 22. Äimig. i'ubolf, $o<bm. 519—20. 23. Äüa>
meifter, §ocbm. XVII, 288—290. 24. yubroig ber SBaicr von 8ranbenburg
XIX, 529-38. 25. 2ubwig ber ÄÖmcr o. «ranbenburg. 538-40. 26. Har-
burg, SBiganb o., Gbjonift. XX, 293—94. 27. «RoSqua, grbr. 2BUT>. CJugenb«
bunb) XXn, 403-404.
in „(Srftb,. u. ©rober'S 9Wgem. encnflopfibie b. ©iffenfd&aftcn Äünfte"
folgenbe Mrrtfel: flarl ftriebrid) §erjog o. $»ol|'tctn«®ottorp. 2tc ©cetion. 8p.
33. ©. 276-83. «arl fcerjog ». Äurlanb. 3. 283-87. Rafimir I-IV,
«öntge v. «olen. 8b. 34. 204-226. «effelsborf, ©chbubt bei, SBb. 35,
290—95. Äniazeroica, flarol. 8b. 37, 294—96. Änipftro, Job.ann 309—11.
Rollontai, fcugo, 8b. 38, 123—24.
in „(Sncoflopäbic ber neueren ©ef<6id>tc b^räg. v. Sßilb- ^erbft." (®otba) ©tele
größere unb Heinere Slrtifcl.
8öref, t^opelfen) örgfinjungSfunb f. b. »räbcrfelb 3mtcn, Är. SBcblou, [Sifcgsfret. b.
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502 Mittheilungen und Anhang.
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SHittlKÜunflen bcö 28cftpr. Hrdjitcften» u. ^ngcnicucScreinS. Danjtg. Sauer. §ft.
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SRüftr«, Oberl. Dr. Jtarl, gricbrid) b. ©rofcc u. b. flarbinal Sinjenborf, ftürftbifcM
o. »refllau (IJrogr. b. ftabt. Aealgnmnaf.) Ägäbg. 3. 1—49. 4°.)
VtocQet, itnton, Xanjiger ftraucntrad)tcnbu# ouö b. 1601, in getreu, ftafftmüe«
Äcprobuftionen, neu bröfl . . o. ?l. ^Bertling. 1>an$ig 1886 ("85.) SR. Skrtling.
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Der 3älam im SRorgcn« unb SIbenblonb. (1. 33b. VII. 646 8. 2er. 8°. tn.
eingebr. ^oljfe&n. 11 laf. u. 1 $ac).) [Mgcm. ®efätd)te in ©injelbarfteHungcn
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Müller I , ord. Lehr. Th., Grundzüge d. organ. Chemie (Progr. d. Löbenicht-
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Mülverstedt, Geh. Archivr. G. A. v., Das Siegel des Pfarrers Heinrich
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MUttrlch, Prof. Dr. A., Beobachtungs-Ergebnisse der v. d. forstl. Versuchs-
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2 «ort. Sbg. öräfe & Unjer. (VII, 340 6. gr. 8. m. 19 ©eil.) baar 6.-
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Natfo, Dr. R., Reg.- u. Med.-R., Ueb. d. Hebammenweaen im Reg.-Bez. Kgsbg.
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Nauii) n, B., Fr. Th. v. Frenchs. [Archiv, f. experim. Pathol. u. Pharmakol.
Bd. 19. Hft. 3.] Berichtigung (geg. Simanowskv) [Ztschr. f. Biologie
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1884. (26 S.) 1885. (29 S.)
Neumann, C. -{-, Physikalische Geogr. v. Griechenld. m. besond. Rücks. auf
d. Alterth. bearb. von Dr. C. Neumann, weil. o. ö. Prof. u. Dr. J. Partsch,
0. ö. Prof. Breslau Köbner. (XII, 476 S. gr. 8.) 9.—
9?rumann, ftclij, ^obaitn ftriebrid) o. $ombarbt. [oUqsberidjte b. 9Uttf)tj5gcf. ^Jruffia
1883/84. S. 90-36.]
Neumann, Prof. Dr. Franz etc., Vorlesungen üb. theor. Optik . . . hrsg. v.
Prof. Dr. E. Dorn. Leipz. Teubner (VIII, 310 S. m. Portr. Franz Neu-
mann im 86. Lebensi. Nach e. Oelgemälde v. Louise Neumann.) 9.60.
— — Vorlesgn. üb. die Theorie der Electricität d. festen Körper u. des
Lichtäthers . . . hrsg. v. Prof. Dr. Osk. Emil Meyer. Ebd. (XIII,
374 S. gr. 8.) 11.60.
Stcumattn, $rof. Dr. $r. bic »griffe ®ut, ©ertb, ^reiä, «ermögen, SBirtbJcbaft,
ertrag, (Sinnobme u. ©mfommen. [öanbbud) b. poltt. Oefon. b*äg. d. Dr. ©uft.
©cbönberg. 2. «ufl. 93b. I. S. 129-190.] 3Me «cftaltung beS greife« [£bb.
©. 263-934.]
Neumann. Josef (aus Wormditt): üb. Plasmazellen. Eine v. <L medizin.
Fakult. z. Rostok gekrönte Preisschrift. Rostock (25 S. 8.)
Hicolobiue. ^eftalojjt na3 ©• §• Wcolootuä. [ftorbroeft; fcrlg. o. 9L Sommer«
8. 3<n)rg. «r. 46.]
Nietzki, R. u. Th. Benckiser, üb. Orthonitranilinsulfosäure u. üb. e. neue
Darstellungsmethode des Orthonitranilins [Berichte d. dtsch. ehem.
Ges. 18. Jahrg. No. 3.| u. 0. Göll, üb. Azonaphtalin [Ebd. No.
8.] — — u. Th. Benckiser, üb. Hexaoxybenzolderivate u. ihre Beziehgn.
zur Krokonsäure u. Rhodizonsäure. [Ebd. Nr. 4.1
9Htf$m«Wt, fceinr., §ogia. SlUpreufjtfcbeJJ 6po§ in 6 (Befangen. SR» 2 ^Huftr.
no* Ortg.«3«d)n. 0. $V Soaöner. Eanjig. Sfcrüing. (73 S. 12.) 1.20. geb. baar 1. 80.
NötUng, Privatdoc. Dr. Fritz (Kgsbg. i. Pr.) die Fauna d. samländ. Tertiärs.
1. ThL (Lfg. 1. 2. 6.] Nebst (2 Bl.) Tafel erklärgn. u. 2 Texttaf. Hrsg.
v. d. k. pr. geol. Landesanstalt. Hierzu Atlas m. 27 Taf. (VIII, 216 §.
gr. 4.) [Abhdlgn. z. geol. Specialkarte v. Preuss. ... 6. Bd. 3. Hft.
erlin.] n. n. 20.—
— — Die Fauna der baltischen Cenoman-Geschiebe. Mit 8 Taf. Berlin.
G. Reimer (52 S. 4.) 9.— (Paläontolog. Abhdlgn. 2. Bd. 4. Hft.)
— — Ueb. Crustaceen aus dem Tertiär Aegyptens. (Taf. IV.) [Sitzgsber. d.
k. pr. Ak. d. W. z. Berlin. S. 487-500.] Vorläuf. Bericht üb. <L
geogr. Beschaff ht. d. Ost- Jordanlandes. [Ebd. S. 807—808.]
Nachrichten.
Deutscher ElnheltSAchal verein. Soeben ergeht, von einer
großen Zahl namhafter Universitätslehrer und Schulmänner unterzeichnet,
ein allgemeiner Aufruf an alle Universitäten und Schulen Deutschlands,
einen „Deutschen Einheitsschulverein" zu begründen. Dieser Verein
darf allgemeines Interesse beanspruchen, denn er verfolgt den Zweck, durch
eine maßvolle, besonnene Reform des Gymnasiums die so oft be-
504
Mittheilungen und Anhang.
klagte Zweiteilung unseres höheren Schulunterrichts wieder zu beseitigen
und an Stelle des jetzigen Gymnasiums und Realgymnasiums wieder eine
höhere Lehranstalt, die Einheitsschule, zu setzen, welche sich den
Kern der alten humanistisch-gymnasialen Bildung bewahrt, die-
selbe aber durch Rücksichtnahme auf die berechtigten Forde-
rungen der Gegenwart neu kräftigt und verjüngt. Alle Diejenigen«
welche dem Vereine beitreten, bezw. die konstituirende Versammlung des-
selben am 5. Oktober 1. J. in Hannover besuchen wollen, werden gebeten,
dieses dem mitunterzeichneten Gymnasiallehrer F. Hornemann in
Hannover, Marschnerstraße 51, schriftlich mitzuteilen. Derselbe er-
teilt auch jede Auskunft in Sachen des Vereins.
Berichtigung.
In Heft I — II des XXIH. Baudes der Altpreuß. Monatsschrift be-
schäftigt sich Herr A. Horn gelegentlich eines „Nachtrags zur Schlacht bei
Tannenberg" auch mit mir ein weuig. Er imputirt mir, „daß ich mit Vor-
liebe den slavischon Standpunkt vertrete". Von Polen uud Rußlaud her bin
ich gewöhnt zu hören, daß „ich mit Vorliebe den deutschen Standpunkt
vertrete". Billig Denkende werden sich daraus wohl zusammensetzen,
welchen Standpunkt ich einnehme.
Ohne aber auf die Studie des Herrn Horn näher einzugehen, möchte
ich nur die 40 Zeilen, die der Verfasser gleichsam unter meiner Flagge
schwimmen läßt, etwas berichtigen: Es ist nicht richtig, daß Johann v. Posilge
„der bedeutendste Geschichtsschreiber des Ostens im XV. Jahrhundert" war.
Denn von allem Andern abgesehen, hat er kaum Vao des XV. Jalirhunderts
erlebt. — Es ist nicht richtig, dass Dlugosz Domherr des „Erzbischofs" war.
Die Domherrn gehören der Kirche resp. dem Capitel an. — Es ist nicht
richtig, daß Krakau jemals einen Erzbischof hatte. — Es ist nicht richtig,
daß Dlugosz „Jurist" war. — Es ist nicht richtig, daß Dlugosz die Lebeus-
rettung des Jagiello durch Zbigniew Olesnicki „erdichtet", denn sie ist ur-
kundlich beglaubigt. — Es ist nicht richtig, daß Zbigniew Olesuicki allge-
mein verhaßt war. Im Gegentheil. — Es ist nicht richtig, daß Zbigniew
„erster Minister" Jagiello» gewesen ist. Es gab damals in Polen noch keine
Minister. — Es ist nicht richtig, dass von 1410 bis zum Tode Jagiellos
„etwa 20 Jahre" verliefen. Es waren (ohne weitere Circumscription <
genau 24. — Es ist nicht richtig, daß Jagiellos Sohn Wladyalaw IL war.
Es war Wladyslaw HI. — Es ist nicht richtig, daß Wladyalaw einen Kreuz-
zug gegen den türkischen Kaiser unternahm. Er führte nur Krieg gegen
die Türken. — Es ist nicht richtig, daß Zbigniew „um Gnesen" mit irgend
Jemanden einen Streit hatte. — Es ist nicht richtig, daß er „entlassen" wurde.
Prof. J. Caro in Breslau.
Druck von R. Leupold in Königsberg in Pr.
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Der bairische Geograph.*)
Aus den nachgelassenen Papieren
de» Herrn
Victor Ton Ke lisch.
Einleitung*.
Als ich im Jahr 1834 in Bonn zufällig in de Buat's Histoire
des Peuples auf die Defcription des cites et regions, situees au
cote feptentrional du Danube stieß, ging es mir ähnlioh wie
Karamsin, ich wußte mit diesen wunderbaren Namen so gut wie
nichts anzufangen. Im Lauf der Jahre begegnete ich noch
mehrmals dem bairischen Geographen, — bei Hormayr, Räumer,
Ledebur, Zeuß, am Eingehendsten behandelt bei Schaffarik, aber
die gezwungenen Erklärungen all Dieser konnten mich nicht
befriedigen. Seine Ausleger vindicirten alle ihnen unbekannten
Namen den Slaven und geriethen auf den Abweg, ganz neue
Völker entdecken zu wollen. Es dürfte deßhalb nicht überflüssig
sein, an dies wichtige ethnographische Dokument nochmals mit
etwas schärferer Kritik heranzutreten. Es handelt sich ja doch
nicht um längst untergegangene Volksstämme, vielmehr um die
Herkunft von Völkern, die mitten unter uns leben und noch
einer größeren Zukunft entgegen gehen. So um die Serben und
ihre verschiednen Zweige; um die Bulgaren; um das wichtige
Zeugniß dieses Geographen, daß Magyaren und Ungarn zwei
ganz verschiedene Völker sind, ein historisches Faktum, das ja
längst fest stehen müßte, wenn man das gleichlautende Zeugniß
Nestors nicht absichtlich ignorirt hätte.
*) Vorliegende Abhandlung des den Lesern dieser Monatsschrift von
einem früheren Beitrag her bekannten, leider unserer Provinz durch den
Tod entrissenen gelehrten Verfassers ist uns als opus posthumum von Frau
Bianca von Keltsch auf Stein zum Abdruck übergeben worden. Wir freuen
uns um so mehr, diesen Wunsch hiemit zu erfüllen, als derselbe mit der
Bezeichnung der Arbeit von Seiten der Professoren der vergleichenden
Sprachwissenschaft und der Geographie an hiesiger Universität, Herren Dr.
Bezzen berger und Dr. Hahn als einer anregenden und zu weiterer Forschung
auff ordernden übereinstimmt.
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIIL Hft. 7 u. & 33
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500
Der bairische Geograph.
Der bairische GeogTaph.
Der Codex latinus M. 560 in f. auf der Königlichen Bibliothek
in München enthält auf Blatt 149 und 150 eine kurze, nur zwei
Seiten betragende Handschrift aus dem Ilten oder 12ten Jahr-
hundert, während der wirkliche Verfasser mehrere Jahrhundert
älter ist. Für die Keuntniß des frühen Mittelalters ist sie von
großer "Wichtigkeit. Sie stellt eine vollständige Völker-Tafel
vom Ausfluß der Elbe bis zur Mündung der Wolga dar. Ich
habe mir von dieser Handschrift, die unter dem Namen des
bairischen Geographen bekannt ist, durch Herrn T. M. Auracher
eine neue Abschrift nehmen lassen. Es sind dadurch auch noch
die unbedeutenden Fehler der Schmeller'schen Abschrift bei
Schafiarik *) verbessert, so daß der unten folgende Text auf voll-
ständige Korrektheit Anspruch machen kann. Die in der Hand-
schrift vorkommenden Abkürzungen sind natürlich beim Druck
nicht beibehalten worden.
Descriptio ciuitatum et regionum ad septentrionalem pla-
gam danubii. Isti sunt qui propinquiores resident finibus
danaorum quos uocant nortabtrezi ubi regio in qua sunt ciuitates
Uli. per duces suos partitae. Vuilci in qua ciuitates XCV. et
regiones IHI. Linaa est populus qui habet ciuitates VH. prope
illis resident quos uocant bethenici. et smeldingon. et morizani.
qui habent ciuitates XI. Juxta illos sunt qui uocantur hehfeldi.
qui habent ciuitates VIII. Juxta illos est regio quae uocatur
surbi. in qua regione plures sunt quae habent ciuitates L. Juxta
illos sunt quos uocantur talaminzi. qui habent ciuitates XTTTI.
Betheimaro in qua sunt ciuitates XV. Marharii habent ciui-
tates XI. Vulgarii regio est inmensa et populus multus habens
ciuitates V. eo quod multitudo magna ex eis sit et non sit eis
opus ciuitates habere. Est populus quem uocant merehanos.
ipsi habent ciuitates XXX. Iste sunt regiones quae terminant
in finibus nostris. Isti sunt qui iuxta istorum fines resident.
1) Schaffarik Slav. Alterth. II S. 073. Die Abdrücke beiHormayr, Arch. f.
Oestr. Gesch. 1827 und bei Räumer Rogestun 18.*{(j, sind sehr fehlerhalt. Ein
Face, bei Schieinann, Rußland, Pol. u. Livland in Onckens allg. Gesch.
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Von Victor von Keltsch.
507
08terabtrezi. in qua ciuitates plus quam C sunt. Miloxi. in qua
ciuitates LXVII. Phesnuzi. habent ciuitates LXX. Thadesi
plus quam CC. urbes habent. Glopeani. in qua ciuitates CCCC.
aut eo amplius. Zuireani habent ciuitates CCC. XXV. Busani.
habent ciuitates CC. XXX. I. Sittici. regio inmensa populis
et urbibus munitissimis. Stadici. in qua ciuitates D. XVI. po-
pulusque infinitus. Sebbirozi. habent ciuitates XC. Unlizi.
populus multus. ciuitates CCCXVIEL Neriuani. habent ciui-
tates LXXVIII. Attorozi habent CXL. VIII. populus ferocissimus
Eptaradici. habent ciuitates CCLXIII. Uuillerozi habent ciui-
tates CLXXX. Zabrozi. habent ciuitates CCXII. Znetalici
habent ciuitates LXX. IÜI. Aturezani. habent ciuitates C. im.
Chozirozi. habent ciuitates. CC. L. Lendici habent ciuitates
XC. VIII. Thafnezi. habent ciuitates. CC. LVII. Zeriuani.
quod tantum est regnum ut ex eo cunctae gentes sclauorum
exortae sint et originem sicut afnrmant ducant. Prissani, ciui-
tates LXX. Uelunzani ciuitates LXX. Bruzi. plus est undique
quam de enisa ad rhenum. Uuizunbeire. Caziri ciuitates. C.
Ruzzi. Forsderen. liudi. Fresiti. Serauiei. Lucolane. Ungare.
Uuislane. Sleenzane. ciuitates XC. Limsiri. oiuitates XXX.
Dadosesani. ciuitates XX. Milzane. oiuitates XXX. Besunzane.
ciuitates II. Uerizane. ciuitates X. Fraganeo. ciuitates XL.
Lupiglaa. ciuitates XXX. Opolini. ciuitates XX. Golensizi
ciuitates V.
Sueui non sunt nati sed seminati.
Beire non dicuntur bauarii sed boiarii a boia fluvio.
Wenn man dieses Völker- Verzeichniß anatomisch zerlegt,
so ergiebt sich, daß es aus sechs Theilen besteht. Drei derselben
hat der Verfasser selbst in besondern Sätzen angedeutet, die
Andern ergeben sich aus der Reihenfolge der Volker und gewissen
Nebenumstanden.
Im ersten Abschnitt werden lauter Volksnamen, vom
Obotritenlande im Nordfcn bis zur untern Donau erwähnt, die
damals bereits dem deutschen Reich zinspflichtig waren. Die
Reihe schließt mit den Bulgaren und den Worten iste fimt
33*
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508
Der bairische Geograph.
regiones, que terminant in finibus nostris. Darin liegt aber
auch der Schlüssel, daß der Verfasser zwischen 866 — 870 sein
"Werk niedergeschrieben hat. Denn nur von 866—870 hatte
Bulgarien die Oberhoheit des deutschen Reiches anerkannt.
Der zweite Abschnitt beginnt mit den Worten: isti funt,
qui juxta istorum fines resident. Der Geograph zählt nunmehr
noch einige Völker an der untern Donau auf, die dort zwar
Grenznachbaren der Ebengenannten, aber dem deutschen Reich
nicht mehr zugehörig sind.
Im dritten Abschnitt geht er den alten Handelsweg, der
aus der Ostsee über die Düna nach Smolensk und von da den
Dniepr hinunter bis ins schwarze Meer führte, hinauf, geht dann
östlich an die Wolga hinüber und auf dem zweiten alten Wasser-
wege über Wolga und Don an den Pontus zurück.
Im vierten Abschnitt nennt er die Völker am Dniester,
geht über Bug und Niemen ins Preußenland. Der Geograph
schließt diesen Abschnitt mit den Worten: plus est undique,
quam de Enisa ad Rhenum. Das ist ein sicheres Zeichen, daß
dies geographische Aktenstück in Baiern niedergeschrieben ist,
und sich nicht blos zufallig nach dem Kloster St. Emeran
verirrt hat.
Im fünften Abschnitt zählt der Geograph eine Anzahl
Völkernamen auf, die notorisch erst seit 862 in die Geschichte
eingetreten sind, namentlich auch die Russen, die erst durch
ihren Zug von Kiew nach Constantinopel, 866, allgemein bekannt
geworden sind. Ueber ihre Größe und Zahl kann er keine
Auskunft geben. Daraus schließe ich, daß der Geograph seinen
früheren Aufenthalt im Osten zu dieser Zeit schon beendet hatte.
■
Im sechsten Abschnitt kehrt er ins Abendland zurück und
holt noch die slavischen Stämme an der Oder nach, die zu der
Zeit noch unabhängig vom deutschen Reich waren.
Diese Momente muß man berücksichtigen, um den wahr-
scheinlichen Verfasser dieses wichtigen Dokuments zu ermitteln.
Alle Indicien scheinen auf eine hochberühmte Persönlichkeit
jener Zeit hinzuweisen.
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Von Victor von Keltsch.
509
Der heilige Methodius war in Theasalonich in Macedonien,
einer halb slavischen Stadt geboren2), war früh mit seinem
älteren Bruder Constantin, dem nachmaligen heiligen Cyrillus,
in den geistlichen Stand getreten. Beide Brüder hatten dann
den Slaven im finnischen Bulgaren-Reich an der Donau das
Evangelium gepredigt. Im Jahr 860 waren sie auf Einladung
der Chasaren nach Cherson8) gegangen, dort aber, durch bisher
unaufgeklärte Hindernisse zwei Jahr lang aufgehalten worden,
ohne die "Wolga erreichen zu können 4). Im Jahr 863 hatten
Methodius und sein Bruder sich nach dem obern Mähren begeben
und dort mit solchem Erfolg für die Ausbreitung des christlichen
Glaubens gewirkt, daß sie sich den Namen der Slaven-Apostel
erwarben. Im Jahr 869 wurde Methodius zum Erzbischof von
Pannonien und Mähren von Papst Hadrian H. ernannt. Er
mußte aber schon 870 seine Diöcese verlassen und Schutz gegen
seine Widersacher bei König Ludwig in Rogensburg suchen.
Es würde also die Anwesenheit des Methodius in Regensburg
mit der Abfassung des Berichts zusammenfallen. Soll man da
nicht annehmen, daß derselbe auf Veranlassung des Königs Ludwig
verfaßt wurde? Und wer anders als Methodius konnte so genau
orientirt sein, nicht blos über die Grade seiner eignen Diöcese,
über die Länder der untern Donau, und über die weit im Osten
gelegenen, in Deutschland damals kaum dem Namennach bekannten
Völker slavischen, finnischen und kaukasischen Blutes. Die
Kenntniß derselben hatte ja Methodius durch seinen langen
Aufenthalt in der Handelsstadt Cherson erworben. Er nennt
diese Völker nicht vage durcheinander, sondern giebt sie in
2) Dudik G. v. Mähren I S. 155 und Ginzel Gesch. der Slaven-Apostel.
3) A*oer nicht das heutige Cherson an der Mündung des Dniepr, sondern
das alte Cherson in der Krimm.
4) Man geht wohl nicht fehl, wenn man diese Hindernisse in Intriguen
vennuthot, welche von den jüdischen Ministern und Rathgebern des Chasaren
Chagan ihrer Weiterreise in den Weg gelegt wurden. Ja die Chasaren
lieferten jetzt freiwillig alle christlichen Sklaven ohne ' Lösegeld an die
Byzantiner aus, um allen weitern christlichen Einfluß oder Bekehrungs-
Vereuche von der Wolga fern zu halten.
■
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510
Der bairiwhe Geograph.
bestimmter Reihenfolge und nach ihrer Volkszahl. Die großen
Zahlen sind keine Uebertreihung. Man muß hier nur seine
Civitates mit Ulyssen oder Tausendschaften übersetzen.
Der Geograph hatte die TJeihe der neu erschienenen Völker
mit Erwähnung der Ungare geschlossen. Diese waren 862 zum
ersten Mal, wahrscheinlich über Galizien, in Deutschland ein-
gebrochen. Es ist daher ganz folgerichtig, wenn er in seiner
Beschreibung ebenfalls auf demselben "Wege, über Vislane, das
"Weichselland, an die Oder zurückkehrt, um nun noch die
slavischen Stämme herzuzählen, die 870 noch nicht zum deutschen
Reich gehören. Denn erst nach 871 dehnte Svatopluk seine
grossen Eroberungen auch über diese Länder aus. So stimmt
auch darin der Bericht des Geographen mit der Geschichte
überein.
Da diese heidnischen Slavenstämme im "Westen an die
Diöcese des Methodius grenzten, so zeigt sich der Geograph
hier wieder aufs Genaueste über Namen der Gaue, Größe und
Anzahl ihrer Burgbezirke unterrichtet. Die gute Kenntniß der
Verhältnisse konnte er erst gesammelt haben, seit Methodius in
Pannonien und Mähren das Lehramt verwaltete. Es sind
Andeutungen ,v) vorhanden, daß er auch die Bekehrung der Heiden
zum Christenthum in diesen dunkeln Ländern schon in Angriff
genommen hat.
Fassen wir alle diese Einzelheiten zusammen, so gewinnt
die Hypothese, daß Methodius der Verfa sser dieses ethnographischen
Berichts, König Ludwig der Empfänger desselben gewesen, an
äußerer und innerer Glaubwürdigkeit.
Ehe ich mich nunmehr an die Erklärung der einzelnen
Volksnamen wage, muß ich bemerken, daß die Handschrift sehr
viele Schreibfehler enthält, wodurch manche Namen bis zur
5) Es giebt in diesen Ländern Ortsnamen Zirke, Zirkwitz, Zerekwitz.
die ihren Namen von Cerkiew, die griechische Kirche, haben, während die
katholische stet« Kosciol heißt. Erstere sind wahrscheinlich von Methodina
und griechischen Priestern gestiftet.
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Von Victor von Keltsch.
511
Unkenntlichkeit verdunkelt5) sind. Entweder hat der Abschreiber
einzelne Worte des Originals falsch gelesen, oder es passirt ihm
auch gradezu der lapsus calami, daß er Buchstaben oder ganze
Silben versetzt z. B. wenn er Glopeani statt Polgeani schreibt.
Bei einiger Aufmerksamkeit wird es mir hoffentlich gelingen,
die entstellten Namen wiederherzustellen.
„Beschreibung der Bezirke und Landschaften im nördlichen
Erdstrich der Donau. Zuerst diejenigen, welche der dänischen Grenze
benachbart sind, die man nennt:"
„Nortabtrezi. ein Land, in dem 53 Burgwarde unter besondre
Fürsten vertheilt". Die Obotriten, von derTrave bis zur Warnow
mit den Hauptstädten Miklinburg und Zwarina. Seit Karl dem
Großen bereits dem deutschen Reich tributär, sogar dessen
Bundesgenossen gegen die überelbischen Sachsen.
„Vuilci mit 95 Burgwarden und vier Landschaften". Die
Wilzcn oder Lutizior von der Warnow bis an die Odermündungen
und südlicher bis an die alte Landesgrenze der Ukrani. Der
Geograph ist genau unterrichtet; denn das große Volk der Wilzen
bestand aus vier Stämmen : den Kizzinen und Cirzipanen nördlich
von der Peene, den Tolesanten und Rhedarier südlich von der
Peene. Ihr Haupttempel stand in Rhetra an der Tollense.
Sie waren das wildeste und kriegerischste Slavenvolk, dessen
Unterjochung den Deutschen erst nach Jahrhunderte langen
Kämpfen gelang.
„Linaa, ein Volk, das 7 Burgwarde hat". Die Lingones
des Eginhard, auf dem rechten Elbufer, von dor Elbe bis zur
Stepenitz. Ihre Hauptstadt war Lunkini, Lenzen. Zu ihrer
Bezwingung legte Karl der Große auf dem Höhbuck, gegenüber
von Lentzen, die Feste Hohbuoki an.
Ich halte sie für Nachkommen der Lingai oder Lingonen des
6) Gibbon hist. of ducline Rom. Emp. VII S. 251, acceptirt zwar 4600
villages fcattered of Russia and Poland. aber ohne sich an die Erklärung
dieser barbarischen Namen zu wagen.
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512
Der bairisehe Geograph.
Ptolemäus, die aus der Nieder-Lausitz nun bis an die Elbe
westwärts gedrängt sind.
„Neben ihnen wohnen Diejenigen, welche man Bethenici,
Smeldingon et Morizani nennt, mit 11 Burgwsrden". An die
Lingonen stoßen nördlich die Smeldinger, ihre Hauptstadt war
Connoburg, das heutige Connow bei Eldena. Die Orte Groß-
und Klein-Schmölen bewahren noch den alten Volksnamen.
Die Bethenici aber müssen wir als südliche Nachbaren der
Lingonen suchen. Sie kommen demnach in die alten Gaue
Nieletici *) und Ligzitzi zu stehen, ersterer nördlich von Havelberg
am Ufergelände der rechten Elbseite, letzterer zwischen Elbe
und Havel gelegen. Der Namen Bethenici oder wie Schaffarik
will Wjetniker stammt vielleicht her von den Wethinnern, den
Ruderknechten der Wethinnen, jenen großen flachen schwer-
fälligen Flußschiffen, wie sie noch heut auf dem Niemen im
Gebrauch sind, früher wohl auf allen slavischen Flüssen gang
und gäbe waren. Man denke nur an die Vethenici Thietmars
in Meißen.
Die Orte Böhne und Bützen an der Havel sind wohl noch
Anklänge an den Volksnamen.
Der Gau Morizani oder Moraziani lag Magdeburg gegenüber,
von der Stremme 8) bis zur Nuthe, östlich bis zur Temnitz. Er
ist vielleicht nur ein Ueberrest des ehemaligen Landes Maurungania
zu beiden Seiten der Elbe. Nach der fränkischen Wandersago
sollen die Franken hier zuerst in Germanien Station gemacht
7) Nieletici kommt vom poln. nieludny öde, unbewohnt. Es gab drei
Gaue dieses Namens, bei Havelberg, bei Würzen, bei Giebichenstein. Erstere
beide sind noch heut voller Wald, die Ortschaften nur dünn vorhanden.
Ligzitzi von ligawiczny morastig, Boden, auf dem man nicht stehen kann.
8) Raumer schiebt noch den Gau Zemzici bis Parey an der Elbe
hier dazwischen. Aber Moriziani soll bis an die Stremme reichen. Ich setze
daher Zamzici auf das rechte Havelufer, von der untern Havel bis Semlin
am Ferchesar-See. Die in der Urkunde von 946 (Leutsch, Markgraf Gero S. 189)
genannten Namen würde ich in folgenden Orten finden: Drogawici Stro-
dehne, Mallingabuni Molkenberg, silva und insula Porci, Poregy, Parey
a. d. Elbe, dessen insulare Lage vollständig paßt.
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Von Victor von Keltech.
513
haben. Auch die Longobarden rasten, nach ihrer Herüberkunft
aus Scandinavien, zuerst in Maurunganien, ehe sie weiter gen
Golandia nach Osten ziehen. Nach Prosper von Aquitanien
erfolgte diese jüngere Longobarden-Wanderung erst 379 n. Chr.
Von ihnen sind also die älteren Longobarden zu unterscheiden.
Letztere saßen nördlicher, im Bardengau.
Der Aufenthalt der Longobarden an der Elbe hat jedenfalls
länger gedauert, als man nach Paulus Diakonus annehmen muß.
Denn viele Ortsnamen in dieser Gegend erinnern an die nordische
Heimath: Skoringen und Möre, z. B. Schorstädt, Schorau, Möh-
ringen, Marzahn °).
„Neben ihnen sind diejenigen, welche Hehfeldi genannt
worden, die 8 Burgwarde haben". Sie sind die Heveller an der
Havel, auch Stodoraner genannt. Dasselbe Volk, welches Alfred
der Große Hefeldan nennt und noch zu den "Wilzen rechnet.
„Neben ihnen ist das Land, welches Surbi genannt wird.
Ein Land, worin sehr Viele sind, mit 50 Burgen".
Das Sorbenland auf beiden Seiten der Elbe. Oestlich reichte
das Gebiet der Sorben bis an die Spree, denn Jaxo von Köpenik
heißt noch 1157 Fürst der Sorben. Es bestand aus den Gauen
Cierwisti, Ploni mit Jüterbogk, Spriawani ex utraque fluminis
parte, (also Teltow und Nieder-Barnim) Nicinti (Beeskow-Storkow)
und Bernowe (Ober-Barnim). — Die Sorbische Mark auf dem
linken Elbufer, schon um 806 gegründet, wurde nördlich und
östlich von der Elbe, westlich von der Saale begrenzt10). Auf
der Südgrenze lagen Nierechowa a. d. Mulde und der "Wald von
Zwenkau. Als besondre Zweige des Volks werden genannt die
Sorabi Siusli n), die Sysseln K. Alfreds, und die Sorabi Colodici.
In Letzteren steckt vielleicht noch der alte Name der Calncoren.
Die Gaue der sorbischen Mark waren : Serimuet, Colodidi, Siusli,
Scitici, Quesici, Chutici (um Schkeuditz) und Neletici, doppelt,
bei Würzen und bei Giebichenstein.
9) Riedel, Mark Branden!). S. 117 und S. 154.
10) Eginhard: Sala fluvius Thuringos et Sorabos dividit.
•11) Raumer Regesten Brandenb. I 80 ff.
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514
Der bairische Geograph.
Ursprünglich scheint das Bisthum Merseburg das ganze
Sorbenland bis zur Elbe erhalten zu haben, eben so wie Branden-
burg später alle rechtselbischen Sorben erhielt. Thietmar von
Merseburg beklagt sich, daß so viele seiner Diözesanen ihm
entfremdet und andern Bisthümern zugewiesen seien.
„Neben diesen sitzen die, welche man Talaminzi nennt,
mit 14 Burgwarden4'. Nach Thietmar werden sie von den
Deutschen Daleminzier, von den Slaven Glomaci genannt. Sie
erstrecken sich von der Elbe westlich bis zur Chemnitz 12) süd-
lich bis ans Erzgebirge. Ihre Hauptstadt war Lommatzsch.
„Betheimare, worin 15 Burgwarde". Abkunft und Ein-
wandrung der böhmischen Czechen sind noch ein ungelöstes
Räthsel. Die Orte Stragona (stracha), Striegau und Bro-
dentia (brod), beide bei Ptolemäus, sind schon czechische Worte.
Und doch waren damals zuerst keltische Bojen, dann suevische
Markomannen Herren des Landes. Hält man dazu die geringe
Kopfzahl, mit der alle ostgermanischen Stämme bei ihrer Aus-
wandrung im Süden erscheinen, so muß man fast annehmen,
daß sie nur als erobernder Adel in diesen Ländern gesessen,
das eigentliche Volk aber überall schon Slaven gewesen sind.
„Marharii haben 11 Burgwarde". — Die Mährer.
„Vulgarii, ein sehr großes Land und zahlreiches Volk, mit
nur 6 Städten, da die Volksmenge dort so groß ist, daß sie keine
befestigten Städte brauchen".
Die Donau-Bulgaren sind ursprünglich ein finnisches Volk
und erst später im Verkehr mit den ihnen unterworfenen Slaven
selbst zu Slaven geworden. Ihre finnische Nationalität ist ver-
bürgt durch alle byzantinischon Geschichtschreiber. Theophanes
und Nicephorus erklären sie für Stamm- Verwandte der Hunnen
und Kutriguren 18). Ihr ursprünglicher Name lautete "Wurugunden,
Ourugunden, Wurzaren — daraus machte die griechische Zunge
12) Baumer Regesten 109 ad ann. 906.
13) Schaffarik II S. 166.
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Von Victor von Keltsch.
515
Burgaren, Bulgaren. Aber mit den Bulgaren an der "Wolga
haben sie nur den Namen gemein. Schon seit 487 fingen sie
an die Nordgrenzen des Oströmischen Reichs zu verheeren, und
setzten diese Raubzüge fast ein Jahrhundert lang fort. Ihre
eigentliche Heimath ist aus Ptolemäus und Paulus Diakonus
nachzuweisen. Sie sind die Phrugundionen des Ersteren; im
"Wurgundaib 14) des Letzteren. Da Ptolemäus die Phrugundionen
zwischen Avarenen und Bulanen nennt, so kommen sie an die
"Wkra, zwischen das Bulanen-Land Polexien und das Avarenen-
Land Kujavien, zu stehen. Von hier rücken sie südlich an die
Grenzen der Avaren in Pannonien und des Griechischen Reichs.
Im Jahr 678 überschreiten sie die Donau, und nehmen feste
Wohnsitze im alten Mösien. Die hier vorgefundenen Slaven
verpflanzen sie größten Theils nach "Westen, als Grenzwächter
gegen die Avaren. Dies neue Bulgaren-Reich war nördlich von
der Donau, östlich vom Pontus, südlich vom Balkan begrenzt.
Nach dem Sturz des Avaren-Reichs wurde ihm sogar ein großer
Theil von Pannonien unterthänig.
Im Jahr 861 lö) hatte Methodius den Bulgaren -Fürsten
Boris und seine Großen zum Christenthum bekehrt. Deshalb
weiß der Geograph so genau über Bulgarien und seine Volks-
zahl Bescheid!
„Es giebt ein Volk, welches man Meheranos nennt, diese
haben 30 Burgen". Es sind die Bewohner des untern Mährens,
dem Landstrich zwischen der serbischen Morawa und dem Timok.
Sie waren Unterthanen der Bulgaren. Mit diesen zugleich hatten
sie die Oberhoheit des deutschen Reichs anerkannt.
Hier schließt der Geograph den ersten Abschnitt, und fahrt
fort: Isti sunt, qui juxta istorum fines resident: also die südlichen
Grenz-Völker des damaligen deutschen Reichs. Sie bilden den
zweiten Abschnitt des Geographen, und zwar zunächst:
„Osterabtrezi, worin mehr als 100 Burgen sind". Das sind
14) Gau der Wumgunden, Ugerland, Wkranien an der Wkra, einein
Nebenfluß der Weichsel.
15) Schaffarik II S. 181.
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51G
Der bairiache Geograph.
die östlichen Obotriten oder Bodrizer. Sie waren zu jener Zeit
noch ein mächtiger slavischer Stamm, weder den Bulgaren, noch
dem deutschen Reich zinsbar. Ihre Wohnsitze lagen theils im
heutigen Bacz-Boroder 16) Comitat, theils im Banat, östlich von
der Theiß, nördlich von der Donau.
„Miloxi, in welchem (Lande) 67 Burgen." Schaffarik ist mit
der Erklärung dieses Namens nicht glücklich gewesen. Zeuß 17)
erinnert an den serbischen Orts- und Personen-Namen Milosch.
Miloxi oder Miltschani ist aber sicher ein uralter Volksname der
serbischen Slaven, da er sieben Mal, immer auf serbischem
Grund und Boden, nachzuweisen ist. Zuerst bei Strabo, die
Mugillonen oder Mygillonen. Da Strabo sie in Gemeinschaft
von Zumen 18), Bulanen, Sibinen nennt, so kommen sie an den
Dniepr zu stehen, von Migilinsk (Smolensk) bis Mohilew. Wahr-
scheinlich empfingen die Mugillonen ihren Namen von den vielen
Mogillen um Mohilew, — den scythischen Königsgräbern am
Bory8thenes. Hierher setzt Schaffarik, mit guten Gründen, die
Urheimath des serbischen Volks. Zum zweiten Mal wird ihr
Name genannt von Ptolemäus: Igyllonen, wohl nur Schreibfehler
statt Migyllonen. Ptolemäus setzt sie zwischen Sudowiten
(Jaczwingen) und Alaunen. Mithin schon südlicher als Strabo,
ins heutige Wolhynien. Da die getischen Kistoboken das Land
Boiki hinter den Karpathen erst um 380 räumen, so kann die
fernere Süd- Wanderung der Serben nach Ost-Galizien auch erst
um diese Zeit erfolgt sein. Von hier, aus dem alten Lande
Boiki, verpflanzt Kaiser Heraklius 640 Serben nach Macedonien.
Da ihnen diese Wohnsitze nicht gefallen, wenden sie sich nord-
wärts und lassen sich südlich von den Avaren nieder. Konstantin
Porphyrogeneta beschreibt ihre Wohnsitze, die sich von der
Sawe bis zum See von Skodra (Skutari) erstrecken an der Bosna.
Drina und Raschko. Man muß also die Miloxi ins heutige
Bosnien und Montenegro setzen. Es kommt aber auch im
16) Worin noch der Name Bodrizer steckt.
17) Zeufl S. 616.
18) Suomi sind die Finnen des Tacitus und Ptolemäus.
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Von Victor von Keltsch.
517
Peloponnes ein slavisches Volk Milenzi vor, vielleicht ein andrer
Zweig der nach Macedonien verpflanzten Serben. Eben so ist
in der ursprünglichen Heimath im Norden der Name noch nicht
erloschen. Constantin Porphyrogeneta nennt Smolensk : Migilinska.
Sechstens heißen die Ober-Lausitzer Sorben: Milzinner im Lande
Milska. Und schließlich hat auch bei den Sorben an der Spree
der Müggel-See und die Müggel-Berge noch ein Zeugniß des
alten Volksnamens hinterlassen.
Dies alles zusammengenommen, rechtfertigt meine Ver-
muthung eines gemeinsamen Volksnamens: Mygillonen, Milzer,
Miltschaner oder Miloxi.
Der Balkan war damals die Nordgrenze des griechischen
Kaiserthums. Deshalb nennt der Geograph keinen der dort
sitzenden Slavenstämme. Das haben Zeuß und Lelewel bei ihrer
Erklärung des Geographen übersehen.
„Phesnuzi haben 70 Tausendschaften". Bei den Slaven
Peczenjczi, bei den deutschen Chronisten Pecenaci, Pecinei,
Petinei, Petschenegen, bei den Ungarn Bisseni, Bessi genannt.
Man hat bisher die doppelte Einwanderung der Petschenegen
nach Europa nicht beachtet. Nach dem bairischen Geographen
sitzen bereits zu seiner Zeit Petschenegen diesseit des Dniepr,
also 19 Jahr früher, ehe das von Constantin Porphyrogeneta
erzählte Ereigniß, Verpflanzung der östlichen Petschenegen von
der Wolga nach Lebedia am Psigol, stattgefunden. Das stimmt
auch mit dem Briefe des Chasaren-Chagan Josef überein. Dieser
sagt: Als sein Volk, die Chasaren, an der Wolga sich nieder-
gelassen, habe es von dort die Feinde bis an die Donau ver-
trieben, wo sie noch heut Constantinopel benachbart, wohnen.
Mithin waren diese Donau -Petschenegen die Vorgänger der
Chasaren an der Wolga. Nach Constantin sitzen auch nur vier
Stämme der Petschenegen an der Donau, die Uebrigen östlich
vom Dniepr. Der alte Wohnsitz der Petschenegen an der untern
Donau heißt bis auf den heutigen Tag nach ihnen Beß- Arabien lö).
19) arab = Land der Biessi, Petschenegen.
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518
Der bairiache Geograph.
Erst nach Vertreibung der schwarzen Ungarn aus Atelkusu er-
weiterten die Petschenegen ihre Wohnsitze von der Mündung
der Sulina20) bis Distra (Silistria).
Die östlich von Dniepr sitzenden Petschenegen wurden
erst 889 durch die Chasaren von der Ostseite der "Wolga nach
Lebedia verpflanzt21). Erst viel später dehnte sie sich westlich
bis an die Wasserfälle des Dniepr aus.
Ueber die Nationalität der Petschenegen waltet kein Zweifel
ob. Daß sie Türken sind, bezeugt Nestor. Nach den Worten
der Anna Comnena sind Patzinaken und Komanen Sprachver-
wandte. Und die Letzteren sind Türken.
Unser Geograph springt nun an den Dniepr hinüber und
erwähnt lauter Volksnamen mit großen Zahlen. Er nennt zuerst
die Völker längs dem Dniepr bis zur Düna, wendet sich dann
östlich zur Wolga und geht auf dem zweiten alten Wasser-
wege, über Wolga und Don wieder bis ans schwarze Meer.
Alle diese Völker standen sicher mit Cherson in Handelsver-
bindung. Von der obern Wolga kamen Schiffe, sowohl den
Dniepr, als die Wolga und den Don herab. Es waren Pelz- und
Sklavenhändler, die bis hoch hinauf in diese Länder eindrangen,
um namentlich Kriegsgefangene einzukaufen und über Cherson
an die Muhamedaner zu verhandeln 22). Von diesen ungebildeten
Berichterstattern scheint der Geograph seine Nachrichten ein-
gezogen zu haben. Daher die falsche Schreibart und die ober-
flächliche Bezeichnung der Völker, meist nach Städten und
Flüssen benannt, statt der eigentlichen Volksnamen.
„Thadesi haben mehr als 200 Ulyssen". Das ist sicher
das nämliche Volk, das schon 300 Jahre früher von Jornandes
Tadzans (Tartaren) genannt wird. Es sind aber keine Mongolen,
sondern Türken. Erst nach dem Einbruch der Mongolen ging
20) Karamsin I 120, 197. Sie plünderten die vorüberziehenden Schiffe
der Russen.
21) Lehrberg Untersuchungen.
22) Dieser Menschenhandel wurde meist von Jaden betrieben, daher
der Halt des Mittelalters gegen die Juden. Leo Gesch. v. Italien I.
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Von Victor von Keltsch. 519
•
der bisher für türkische Völker gebräuchliche Namen M) Tartaren
aus Mißverstand auf die Mongolen über.
Man nimmt gewöhnlich an, daß die Hunnen die ganze
frühere Welt umgestaltet, alle Völker durcheinander geworfen
haben. Das trifft aber nicht durchweg zu. Die Wuth der
Hunnen richtete sich hauptsächlich gegen die gothischen Völker.
Ganz anders war ihr Verhalten gegen finnische oder türkische
Stämme. Nach Jornandes unterstützen sie sogar die Anten gegen
die Gothen. Nur so ist es zu erklären, daß wir beim bairischen
Geographen auf eine Menge alter Bekannter treffen, die wir
schon bei Ptolemäus und Jornandes erwähnt finden. Betrachten
wir die arctoas gentes, die der Ostgothenkönig Hermanrich sich
unterworfen, so nennt Jornandes bei dieser Gelegenheit folgende
Völker: Golthes, die Galitanoi in Let-Gola (Litthauer), Etta
oder Cytha = Thiudos 24) entweder Lettenvölker oder Scythen i. e.
Tschudenvölker, Inauxingis die Jaczwingen; Vasina die "Wessen;
Beovenas die Beormas, Biarmier; Merens die Meeren; Mordens
die Mordwinnen; Reniinis die Tscheremissen ; Caris die Karelen;
Rogans die Roxolanen; Tadzans Tataren, Torken; Athaul nach
dem türkischen Atil- Wolga benannt, also die türkischen Petsche-
negen, Vorgänger der Chasaren und Wolga-Bulgaren; Nauego,
das scheint bereits der Name Nauegord, das slavische Nowgorod
zu sein; Bubegenas verschrieben für Bulegenas die Poljänen;
Coldas die Koaliten 20), Chwalisen am Chwalisischen Meer.
Die meisten dieser Völker werden wir gleich beim bairischen
Geographen wiederfinden. Und was das Wunderbarste, so weit
sie nicht inzwischen unter den Russen untergegangen sind, so
sitzen sie noch heut in denselben Sitzen, wie vor 1500 Jahren.
Die Thadesi sind also die Tadzans des Jornandes, die Torken
der russischen Annalen. Sie saßen noch 1080 östlich von Pore-
jeslavl 28). Also da, wohin auch die Thadesi zu stehen kommen.
23) Neumann Völker des südl. Rußland S. 9.
24) Thiud heifit gothisch Volk.
25) Karamsin I S. 379.
2G) Karamsin I 357.
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520
Der bairische Geograph.
Der Patriarch Nikon sagt in seinem Nestor: Die Petschenegen,
Torkmenen 27), Torken und Polowzer (Kumanen) stammen von
Ismael ab. In der russischen Geschichte werden die Torki zum
ersten Mal erwähnt 984, als Wladimir mit ihnen, als Bundes-
genossen, gegen die Bulgaren an der Kama zieht 28). Die
russischen Geschichtschreiber glauben, sie seien erst um diese
Zeit in Rußland eingewandert. Schon aus Ptolemäus ist das
Gegentheil zu beweisen. Dieser nennt bereits Jorkeadi im süd-
lichen Rußland. Im Jahr 1121 vertrieb Wladimir Monomach die
Torken, Berendäer und Petschenegen aus Rußland. Sie zer-
streuten sich und gingen unter.
Der bairische Geograph giebt den Thadesi 200 Städte, ge-
braucht auch hier ausnahmsweise urbes, während er sonst civi-
tates schreibt. Bei diesen Türken muß man jedoch an ein No-
maden-Volk denken. Sie streiften auch wirklich vom Don bis
zum Dniepr.29) Wahrscheinlich hörte der Geograph von seinem
Bericht-Erstatter hier zum ersten Mal den Ansdruck: Ulyssen
und glaubte dieß am Richtigsten mit urbes übersetzen zu müssen.
„Glopeani, worin 400 Tausendschaften oder eher mehr/'
Das ist offenbar nur eine durch Nachlässigkeit des Abschreibers
entstandene Versetzung von drei Buchstaben, und muß richtig
heißen: Polgeani, die Poljänen um Kiew, die wirklich ein großes
Volk mit eher mehr als vierhundert Tausendschaflen waren.
Schaffarik erfindet sofort ein slavisches Volk Kolpianer, das vor
und nach ihm Niemand gekannt hat. Dem steht schon die
große Zahl entgegen.
Auch diese Polgeani sind alte Bekannte. Es sind die
Bulagenae des Jornandes, die Alauni Scythae des Ptolemäus,
die Anten der Byzantiner. — Um dieß zu erhärten, muß ich auf
die betreffenden Quellen zurückgreifen.
Ptolemäus setzt das Alaunische Gebirge unter 62° 30' L.
27) Die Torkmenen hatten 1074 Syrien, 1082 Jerusalem erobert, also
zu Nestors Zeit.
28) Karamsin I S. 1GG.
29) Karamsin II 124.
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Von Victor von Keltsch. 521
und 55° Br., also nur einen Grad vor die Riphäen, an. Es ist
demnach der Nordrussische Landrücken. Das war ohne Zweifel
die erste Station der Alaunen, nachdem sie den Ural über-
schritten. Dort, weit im scythischen Norden, nennt sie zuerst
Herodot unter dem mißverstandnen Namen Melanchlänen
(Schwarzröcke) statt Melau- Alanen; Timäus aber als Melanei-
monen. schwarze Viehhirten. Also ein schwarzhaariges Nomaden-
Volk mitten unter den gelbblonden Finnen- Völkern. Zur Zeit
des Ptolemäus finden wir die Alaunen bereits in zwei Aesten
nach Südwesten gewandert. Die Einen mehr westlich an den
Bug, wo sie als Bulanen (Bug- Alanen) in einem neuen Anten-
Gau 30) sitzen, die Anderen südlicher an den Dniepr, wo sie
unter dem ähnlichen Namen Bulegenen, oder Poljänen ein großes
Anten-Reich gründen.
Sie haben den asiatischen Namen der Yant-sai, Anten
für Alanen, mit nach Europa herübergebracht.
Ptolemäus nennt drei Mal den Namen der Alaunen. Ueber
ihre Wohnsitze kann demnach kein Zweifel sein. "Wenn man die
Völker-Reihen, in denen er vorkommt, genau verfolgt, so trifft
man immer in die Gegend von Kiew als Sitz der Alaunen. Ptole-
mäus nennt ihren Namen mit dem Zusatz Alauni Scythae. Er
will also ihre Nationalität von der der eigentlichen Alanen, der
Rha Kalanen81). Noxolanen und Jazygen 82) unterschieden wissen.
Die wirklichen Alanen waren ein iranisches Volk mit blauen
Augen und blonden Haaren33). Die Alauni Scythae waren ein
türkisches Volk mit schwarzen Haaren und dunkeln Augen. Der
polnische Adel und die Klein-Russen um Kiew unterscheiden
sich dadurch noch heut vom blonden lechischen Volksstamm.
Seit dem Anfang des 6. Jahrhunderts werden sie den
30) Antliaib des Paulus Diakonus, Gau der Anten.
81) d. h. Alanen am Rha, der Wolga.
32) Jazygen oder Jassii, die Alanen an der Küste des Pontus. Durch
das ganze Mittelalter heißt die Gegend an der Nordküste des schwarzen
Meeres, vom Dniepr bis zum Don Alan in.
33) Neumann, Völker Rußlands S. 38.
Altpr. MonaUsohrift Bd. XXJIL Hit. 7U.H 34
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522 Der bairiaebe Geograph.
Griechen durch fortwährende Einfälle in das oströmische Reich
furchtbar. Es vergeht selten ein Jahr, ohne daß sie in Gemein-
schaft der theils von ihnen unterworfenen, theils ihnen benach-
barten Slaven plündernd über die Donau kommen. Durch diese
enge Berührung mit den Slaven werden dio Anten so rasch
slavisirt, daß Jornandes sie für den dritten Stamm der Slaven
hält.
Die Macht der Poljänen war indeß von kurzer Dauer. Sie
selbst wurden sehr bald den Chasaren zinspfiichtig. Als dann
die Waräger-Russen Kiew erobern, wurden auch die Poljänen
unterworfen, und bald darauf ging sogar ihr Name in dem der
herrschenden Russen auf.
„Znireani haben 325 Tausendschaften". Das sind die Sje-
weraner Nestors, nordöstliche Nachbarn der Poljänen, um
Tschernigow und an der Desna, am Sem und an der Sula. Erst
zwanzig Jahre später, als die Russen sich in Kiew festgesetzt,
verloren sie unter Oleg ihre Unabhängigkeit.
„Busani haben 231 Tausendschaften". Die Butschaner
westlich vom Dniepr, in Wolhynien. 34)
„Sittici, ein Land unzählbar an Völkern und befestigten
Burgen." Hier spukt noch einmal des Jornandes Scythia. Ge-
meint sind offenbar die Tschudischen Völker.85) Da der Geo-
graph sie unmittelbar hinter den vorangegangenen Dniepr- Völkern
nennt, so zählt er auch die Kriwitschen von Smolensk zu den
Tschuden. Nestor erwähnt die Kriwitschen ebenfalls nicht unter
den slavischen Völkern. Der Hauptstock des Volkes saß nörd-
lich bei Isborsk. Der nach Süden gewanderte Theil hat ohne
Zweifel erst die Serben von Migilinsk vertrieben und sich wie
ein Keil zwischen die Dniepr-Slaven und die Slaven Nowgorods
dazwischen geschoben.
Die Tschuden erstreckten sich von Esthland und vom
340 Zeuß denkt an Bosnier!
35) Bayer S. 373 Quid autem Czud est aliud, quam ipsum Scythicum
nomen.
Digiti? e<tky_Qaflgfc
Von Victor von Keltsch.
523
Peipus-See, der noch Czudskoje ozero heißt, bis hinter den
Ladoga-See; Ischoren, Karelen, Biarmier sind Stämme dieses
Volkes. Die Zawoloskaja Czud saßen in Sawolotschin, das Land
zwischen dem Bjalo Osero uud der Petschora. Aber ihre Spuren
reichen in den Tschuden-Gräbern bis weit nach Sibirien. 8ß)
„Stadici, in welchem (Land) 516 Tausendschaften und ein
unzählbares Volk." Das ist wieder ein Schreibfehler; statt
Stadici ist zu lesen Slavici, die Shiven Nestors um Nowgorod
am Umensee. Dafür spricht schon die Bedeutimg und große
Zahl, die der Geograph diesem Volk zuweist. Von den südlichen
Kriwitschen sind sie durch den alten Wald von Okow (Wol-
konski-Wald). das Quell-Gebiet von Dniepr, Düna und Wolga
geschieden. Wenn meine oben ausgesprochene Vermuthung,
daß in dem Nauego des Hermanrich schon der Name Nauegord,
Nowgorod, enthalten sei, richtig ist, so reicht die Macht dieses
nördlichsten Slaven- Volkes bis in ganz dunkle Zeiten hinauf.
Sie sind das eigentliche Mutter- Volk des russischen Reichs. In
ihnen sind successive Waräger, Finnen, Poljänen, Chasaren,
Komanen und Tataren aufgegangen.
Schaflarik hat auch hier wieder ein unbekanntes Volk
Staditzer zur Hand. Schon die große Zahl 516 hätte ihn be-
denklich machen sollen. Er will auch Staditz in Böhmen damit
iu Verbindung setzen. Das war aber, wie der Name zeigt, eine
alte Stuterei, wahrscheinlich die Heimath von Libussa's be-
rühmtem Schimmel.
„Sabbirozzi haben 90 Tausendschaften." Ich suche sie am
Sebesch-See und an der Düna, um Sebesch und Siboczyn. Sie
sind identisch mit den Sibinen Strabo's, die äußerste gens Sito-
num, bis wohin Marbods siegreiche Waffen gedrungen. Hic
Sveviae finis! sagt Tacitus.37) Die Sebirozi des bairischen Geo-
graphen sind sicher ein finnisch-tschudisches Volk ; rozi bedeutet
stets Finnen. Aber er allein erwähnt ihren Namen.
36) Ritter, Asien II, S. 320.
37) Tacitus Germania. Sitonen = Cziuden.
33*
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524
Der bairische Geograph.
Als die nordischen Wikinger in den nächsten Jahrhunderten
die Düna bis Seiburg und Opala hinaufgehen, finden sie kein
Sibinen Volk mehr an der Düna. Dieselben müssen also nach
Süden gerückt sein.
Der Name Sibinen ist aber nicht ausgestorben. Er lebt
noch heute fort in dem Cibin-Fluß, der Sibinenstadt (Herman-
stadt) und dein Landes-Namen Siebenbürgen.38)
Als die Magyaren Ungarn erobert hatten, erschien dort ein
stammverwandtes Volk, das angelockt von dem Ruhm und den
Thaten der Magyaren, um "Wohnsitze und Aufnahme in den
Volks- Verband bat. Beides wurde ihnen gewährt, und dieß un-
genannte* Volk als Grenz -Wächter in Siebenbürgen angesiedelt.
Hier erhalten sie den Namen Szekler.30)
Die einheimischen ungarischen Geschichtschreiber erklären
die Szekler für Nachkommen der Hunnen. Der Hunnische Ur-
sprung der Szekler gilt für ein Dogma, das keiner geschicht-
lichen Rechtfertigung bedarf.40) Wäre dieß richtig, so müßte
noch mongolischer Gesichts-Typus und mongolische Augen-
Stellung unter den Szeklern vorwiegend sein. Davon ist nichts
zu finden. Im Gegentheil kommen häufig sogar blondes Haar
und blaue Augen vor.41) Das ist ein sichres Anzeichen, daß die
Szekler kein hunnisches, sondern eher ein finnisches Volk waren.
Schon der Sprache wegen muß es ein den Magyaren nahe
verwandtes Volk gewesen sein.
Ich nehme an, daß die Sebirozi des bairischen Geographen
mit diesem ungenannten den Magyaren stammverwandten Volk
identisch sind, und daß erst ihre Ansiedlung am Cibin-Fluß,
diesem Fluß, so wie dem Lande Siebenbürgen den Namen ge-
geben hat.
Vielleicht führt auch die Gespannschaft Zips im Norden an
38) Hunfalvy, die Ungarn. S. 74, 106.
39) Engel, Gesch. v. Ungarn I S. f>6, 72. Hunfalvy erklärt Szekelyi
durch Bewohner der Mark (Grenzland).
40) Hunfalvy S. 135.
41) Derselbe S. 252.
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Von Victor von Keltsch.
525
den Karpathen ihren Namen von Sibinischen Szeklern. Daß
auch im Westen Szekler angesiedelt waren, beweist Hunfalvy.42)
„Unlizi, ein zahlreiches Volk mit 318 Tausendschaften."
Unter den slavischen Stammen erwähnt Nestor keine Unlici
oder Uglitschen. Sie scheinen daher finnischer, oder sogar
hunnischer Abkunft zu sein. Vielleicht die nördlich ver-
schlagenen Xüivoi des Ptolemäus. 43) Ueber ihre Wohnsitze
herrschen Zweifel. Einige setzen sie an den Ugol, jetzt Orol.
Andre glauben, daß Uglitsch an der obern Wolga von ihnen
den Namen habe. Nach der Stelle, an welcher sie vom bairischen
Geographen erwähnt sind, möchte ich beipflichten, daß sie an
der obern Wolga zu suchen sind. Nach einer von Karamsin44)
angezweifelten Stelle des Nestor sollen sie 914 vor dem Woi-
woden Swjeneld an den Dniester geflohen sein. Und dieß dürfte
durch Constantin Bestätigung finden, da Letzterer Ultiner am
Dniester nennt.
„Nerivani haben 78 Tausendschaften. " Es liegt allerdings
nahe, hierbei zunächst an die Neroma Nestors, und an das
Nerewski korec, das lettische Viertel in Nowgorod, zu denken.
Aber unser Geograph ist offenbar dabei, die ihm bekannt ge-
wordenen Wolga-Völker in möglichster Reihenfolge herzuzählen.
Da wäre es doch ein großer Sprung nach Nordwesten zurück,
wenn er plötzlich auf die lettischen Neroma an der Narwa zu-
rückgegriffen hätte. Ich halte deühalb dieß Nerivani verschrieben,
statt Merivani, die finnischen Meria, Meeren um Kostow und
Nerechta. Möglicher Weise hat der Berichterstatter des Geo-
graphen sie nach dieser Stadt benannt.
„Attorozi haben 148, ein sehr wildes Volk." Es sind die
Ersanen um Ardatow und Arsamas, des arabischen Geographen
lbn Haukal Artana, deren König in Arta wohne.45) Aber Nie-
42) Hunfalvy, Die Ungarn S. 137.
43) Ptolemäus Europ. Sarmatiun Lib. III. § 25.
44) Karamsin I. S. 335.
•15) Karamsin I, S. 333.
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526
Der Zairische Geograph.
mand reise bis Arta, denn die Bewohner tödten jeden Fremden.
Die Ersanen sind ein Theil der Mordwinen.
„Eptaradici haben 263 Tausendschaften." Diese sieben
Stämme sind ohne Zweifel die Etumager des ungenannten No-
tars Bela's. Nach dessen Aussage kamen sie aus Dentu Moger
im Orient. Von Hunfalvy46) ist Dentu Moger als Urheimath
der Magyaren im Wogulenland des südlichen Jngrien, am Tan-
gut (Irtisch) nachgewiesen worden. Nach Ueberschreitung der
Wolga machten sie auf russischem Boden zuerst in Susdal
Station. Da die Eptaradici vom Geographen zwischen Uglitschen,
Meeren, Ersanen genannt werden, da der Geograph auf sie
Wessen, Tschuwaschen, Woljaken und Tscherawissen folgen
läßt, so kommen die Eptaradici, umgeben von lauter Volks-
stämmen der obern Wolga in die Gegend von Susdal zu stehen,
also genau dahin, wo die Magyaren um 870 noch gesucht wer-
den müssen. Erst 898 47), also 28 Jahr später, als der Geograph
seine Volks-Namen niedergeschrieben, ziehen die Magyaren unter
Arpad südwestlich, an Kiew vorüber48), überschreiten die nörd-
lichen Karpathen, erobern Pannonien, das sie sofort unter ihre
sieben Stammfürsten vertheilen.
Der Anonymus Belae protestirt drei Mal gegen den Namen
Hungari, der den Ettumoger nur von Fromden gegeben sei.
Daß dieser Name schon lange vor der Einwanderung der Ma-
gyaren bekannt war, geht aus Jornandes, aus dem Vidsih-Lied.
und Hinkmar von Rheims hervor. Er muß also früher ein
anderes Volk als die Magyaren bezeichnet haben.
Die ungarischen Geschichtschreiber 40) suchten früher die
Heimath der Magyaren an der Kuma, verlockt durch die Namens-
Aehnlichkeit der Ruinen der Stadt Madschar. Klaproth 50) hat
mit überzeugender Gründlichkeit nachgewiesen, daß Madschar
46) Die Ungarn oder Magyaren von Paul Hunfalvy.
47) Nestor II 30.
48) Desgl.
49) Selbst noch Mailath, trotz dem Gegenzeugniß von Klaproth.
50) Klaproth Reisen I 402.
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Von Victor von Keltsch.
f>27
alt-tartarisch steinernes Gebäude" heiße, daß diese Stadt von
den Kiptschackschen Tartaren erbaut sei, daß die Inschriften
auf den Leichensteinen in arabischer Schrift von Mohamodanischen
Tartaren herstammen, und zwar aus den Jahren 1347 — 1376.
In den asiatischen Geschichtschreibern geschieht der Stadt Groß-
und Klein- Madsch ar öfters Erwähnung. Es ward bald nach
1400 zerstört. Der Anonymus weiß nichts von einer Wanderung
seines Volks an die Kuma, ebensowenig an den Don. Der
grade Weg von Irtisch führt über Susdal und Kiew an die
nördlichen Karpathen.
Die Anzahl der Magyaren bei ihrer Einwanderung in Un-
garn giebt der Anonymus Belae auf 216 000 an, in 7 Stämme
und 108 Geschlechter eingetheilt. Danach würden also auf jedes
Geschlecht genau 2 Tausendschaften kommen. Diese Zahl
stimmt nicht ganz mit dem bairischen Geographen, der 263
Tausendschaften hat. Beide Zahlen lassen sich in Einklang
bringen, wenn man annimmt, daß nicht alle Magyaren von Sus-
dal fortgezogen seien. Wir finden oben in der Nähe von Sus-
dal, an der untern Oka noch zwei finnische Volksstämme, deren
Name an Magyaren und Eptaradici (Heptaren) erinnert, die
Meschteren und Teptiären.51) Sie flohen erst viel später vor
Iwan Wassili zu den Baschkiren. Erstere zählen heut 16 000,
letztere 100000 Köpfe.
,.Vuillerozi mit 180 Tausendschaften." Vom See Bielo
Osero bis zur Wolga saßen die finnischen Wessen. Seit 862
herrscht Sineus, Ruriks Bruder, über diesen äußersten Vorposten
des Waräger Reichs in Rußland. Seine Herrschaft, bat sich
sicher südlich bis an die Wolga erstreckt, da die Russen auf
derselben bis in's Chasaren-Reich schifften.
„Zabrozi haben 212 Tausendschaften." Schaffarik erklärt
sie für Zaporoger. Er übersieht nur das Eine, daß dieß räuberische
Kosacken waren, die sich erst viele Jahrhundert später an den
Porogen des Dniepr festsetzten, um von den Schiffen, die die
51) AI. Castren altaisehe Völker S. U2.
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528
Der baltische Geograph.
Wasserfälle passiren, Tribut zu erheben, resp. sie zu plün-
dern.
Ich halte die Zabrozi schon wegen ihrer Anzahl für ein
größeres Volk, und zwar für die einst so gefürchteten Sahiren.
Sie müssen doch unter einem neuen Namen irgend wo zu finden
sein. Sie geriethen später, durch mannichfaltige Niederlagen
geschwächt, unter das Joch der Bulgaren. Diesen sind sie
überdieß stammverwandt, da sie aus dem Kaukasus hervorge-
kommen sind. Also kein finnisches Volk. Ich halte daher Sa-
hiren, Zabrozi und Tschuwaschen 52) für ein und dasselbe Volk
Den letzten Namen erhielten sie erst von den Tartaren, als sie
ihre Zelte an den Ufern der Wolga aufschlugen, da Ascha tar-
tarisch Wasser, reshen Zelt heißt.
Da der Geograph sie Zabrozi nennt, so hält er sie für ein
finnisches Volk; rozi bedeutet bei ihm stets Finnen. Diese An-
sicht wird noch heut von den meisten russischen Ethnographen
getheilt. Aber die äußere Erscheinung der Tschuwaschen steht
dem entgegen. Sie haben dunkles, meist krauses Haar, dünnen
Bart, dunkelgraue geschlitzte Augen, bleiche Gesichtsfarbe.
Ihre Sprache ist jetzt drei Viertel türkisch, gemischt mit finni-
schen und tartarischen Elementen.58) Sollten sich nicht auch
noch kaukasische Wurzelworte darin vorfinden?
Daß die Sahiren Chwalisen sind, bezeugt der Brief des
Chasaren Chagan.
„Znetalici mit 74 Tausendschaften." Das ist der böseste
Schreibfehler der ganzen Handschrift. Ich weiß in der That
nicht, was ich mit diesem Namen anfangen soll. Nach dem
Platz, wo der Name steht, müßte man an Tscheremissen denken.
Vielleicht hieß es auch wirklich im Original: Zceramici. Die
Zahl der Silben und die Vokale würden stimmen. Die Tschere-
missen sind ein blondes finnisches Volk. Ihre Wohnsitze liegen
52) Im Polnischen heißt Scssuwacz Hundejunge, Jägerjunge, wohl von
kriegsgefangenen Sklaven dieses Volkes entlehnt. Cl'r. Bandtke poln. Lexikon.
53) Müller, Der ugrisrhe Volksstamm II S. 485.
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Von Victor von Keltseh.
B29
auf dem linken Ufer der Wolga, den Tschuwaschen (Zabrozi)
gegenüber. Nördlich und nordöstlich davon sitzen die Wotjaken
(Atmurzani) an der Wjätka. Es würde also die Lesart Zcera-
mici sowohl mit der Reihenfolge des Geographen, als auch mit
der "Wirklichkeit übereinstimmen.
„Aturezani haben 104 Tausendschaften." Auch hier ver-
inuthe ich einen Schreibfehler und zwar Atmurzani; das würde
die finnischen "Wotjaken bedeuten, die sich selbst Ady-murt
nennen64), nördliche Nachbaren der Tscheremissen.
„Chozirozi haben 250 Tausendschaften." Es sind die Kut-
ziagiri des Jornandes am Don. Nach der Angabe desselben 6B)
streiften die Kutzagiren im Sommer in den Steppen östlich von
Cherson und kamen im Winter mit ihren Heerden an die Küste
des Pontus. Sie sind identisch mit den Akaziren, denn Kuats
und Aka heißt Beides weiß. Die Akaziren saßen zur Zeit des
Ostgothenkönig Hermanrich weit im Norden, an der Kutra, und
waren das südliehe Grenzvolk der Aisten. Von diesem Neben-
fluß des Niemen führen sie noch einen dritten Namen: Kutra-
giren. Im fünften Jahrhundert erscheinen die Akaziren am
Pontus, neue Wohnsitze zu suchen. Nachdem Attila sie besiegt,
giebt er ihnen seinen Sohn Ellak zum König. Nach Vernich-
tung des Hunnischen Reiches scheinen Reste der Hunnen zu
den Kutzagiren geflohen zu sein, und sich mit ihnen ver-
schmolzen zu haben. Dieß ist wohl der Grund, daß Jornandes
die Kutzagiren für Nachkommen der Hunnen erklärt. Die
Kutzagiren sind das gefürchtetste Reitervolk in den Steppen
des Pontus. Sie müssen ihre Sitze, am Don herab bis in die
Nähe von Cherson, auch noch zur Zeit des bairischen Geographen
inne gehabt haben, da derselbe mit ihrem Namen die Reihe der
östlichen Finnen- Völker schließt.
Wie kommt es aber, daß der Geograph plötzlich von der
Wolga bis zur Mündung des Don heruntergestiegen ist, ohne
54) Müller, ugr. Volksstamm II S. 388.
f>5) Jornandes G. 5, de Srj'thiae situ.
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530
Der bairische Geograph.
hier die zwischen Zabrozi, Zceramici und Chozirozi wohnenden
Völker der Bulgaren und Chasaren am "Wolga -Ufer ru nennen,
während er doch beide Völker nachher im fünften Abschnitt
erwähnt. Zufall oder Vergeßlichkeit kann das nicht sein. Sie
sind augenscheinlich von dem ersten Bericht -Erstatter nicht
genannt. Ich kann daher nur muthmaßen, daß beide Völker aus
irgend einem Grunde dem Schiff des Berichterstatters, der die
"Wolga herab und über den Wolok in den Don ging, verwehrt
haben, in ihrem Gebiet zu landen oder Handels- Verkehr anzu-
knüpfen. Führte er verbotne "Waaren mit sich? Oder fürchteten
sie feindliche Kundschafter der "Waräger in diesem Schiff? "War
es überhaupt Politik der Chasaren, keinen Fremden ihr Land
betreten zu lassen? Mußten doch auch Kyrill und Methodius
in Cherson zurückbleiben, ohne das Chasaren-Land erreichen zu
können.
Die nun folgenden Namen bilden einen neuen Abschnitt,
da der Geograph sie ohne Zweifel von einem zweiten Bericht-
erstatter erhalten hat. Derselbe ging den Dniestr hinauf, und
am Bug und Niemen hinab, bis er ins Preussen-Land gelangt.
Das erste Volk dieser Route, die ,,Lendici mit 98 Tausend-
schaften" sind die sttvLavi\vot des Constantin Porphyrogeneta,
die im "Winter Schiffe bauen und sie im Frühjahr die Flüsse
hinabgleiten lassen. Sie wohnten am südlichen Bogh. Die
Städte Lentischew und Lytyn erinnern noch an dieß Volk.
Schaffarik verwechselt sie mit den Luzane um "Weliki Luck.
„Thafnezi haben 257 Tausendschaften". Die Tagroi des
Ptolomäus, Tiworzer Nestors. Sie saßen am Dniester; von da
herab bis ans Meer.
„Zerivani, welches ein so großes Reich ist, daß von dort
alle Slaven Völker ausgezogen und ihren Ursprung genommen
haben". Dies sind die heutigen Ruthenen in Ost-Galizien, dem
serbischen Slavenstamm angehörend , früher nach der Stadt
Tscherwenogrod 6e) an der Gutschawa, einem Seitenfluß des Bug,
6*1) Karamsin III S. 330 und Schaffarik II 105. Das heutige Czerao.
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Von Victor von Keltech.
531
Tscherwenen genannt. Deshalb werden sie auch falschlich Roth-
Russen genannt. Tscherwenen ist aber nur eine Verstümmlung
aus Serbenen. Nach Bandtke nennen sich die südlichen Serben
Serwiani, fast derselbe Name, mit dem hier vom Geographen
das Stammvolk im alten Boikenlande genannt wird. Daß von
hier der südliche Serben-Ast, erst nach Macedonien, dann an
die Bosna und Drina wanderte, habe ich bereits nachgewiesen.
Da Methodius selbst in Thessalonich geboren war, von Jugend
auf mitten mnter Slaven gelebt und gewirkt hat, so mußte er
über die ursprüngliche Heimath des serbischen Volks genau
unterrichtet sein. Er sagt aber „alle Slaven", mithin scheint er
auch noch davon Kunde zu haben, daß die Serbenstämme an
der Elbe ebenfalls von hier ausgezogen sind.
„Prissani 70 Tausendschaften". Ein nach Prisk 67) am
Bug (Brzesk Litewsk) genanntes Volk. Da vom Bug bis zum
Pripet die Jadzwingen saßen, so sind diese darunter zu verstehen.
Die Jadzwingen, auch Sudäer genannt, sind der südlichste Ast
der preußisch-litthauischen Völker. Ihre wichtigsten Städte waren
Prisk und Drosiczyn am Bug, Pinsk am Pripet, Slonim an der
Usla 68). Von Polen und Russen wiederholt bekriegt, werden
sie 1264 von Boleslaus V. fast völlig ausgerottet.
„Velunzani 70 Tausendschaften". Nach dem Castrum Velun
benannt. Also die Litthauer. Wehm an der Wilia spielt auch
später in den Kriegen des deutschen Ordens gegen die Litthauer
eine bedeutende Rolle 69).
„Bruzi". Das sind natürlich die Preußen, Pruteni im Lande
Prutzia, mit den oben genannten Prissani und Velunzani stamm-
verwandt.
Die vier getisch-litthauischen Völker waren: Jadzwingen,
Litthauer, Preußen und Letten. Letztere in Samogitien und
Kurland 60). Erst hundert Jahre später wurden die heidnischen
57) Script, rer. Prussicarum II S. 593.
58) ZeuB S. 677 ff.
59) Script, rerum Pruss.
KO) Cfr. Meinen Aufsatz: Nationalität der Aisten und PreuBen.
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532
Der bairische Geograph.
Preußen durch den Tod des heiligen Adalbert allgemein bekannt
in der ganzen Christenheit. Um so merkwürdiger sind die
Worte, mit denen der Geograph diese Völkerreihe schließt: „Es
ist weiter von dort, als von der Enns bis an den Rhein". Er
will damit sagen, es sei weiter vom Preußenland bis an die
bairische Grenze (Enns), als von Letzterer bis an den Rhein.
Und diese Maaßbestimmung ist genau zutreffend. Hatte Methodius
bereits aus seiner Diöcese einen Sendboten bis zu diesem fernen
Heiden volk geschickt, daß er so genau unterrichtet ist?
Im fünften Abschnitt geht der Geograph zunächst wieder
an die Wolga zurück, um die Bulgaren und Chasaren nach-
zuholen. Beide scheinen demnach erst durch Cyrillus und
Methodius in den Gesichtskreis des Abendlandes gerückt zu sein.
Die darauf folgenden Volksnamen aber gehören Völkern an, die
damals erst neu in die Geschichte eingetreten sind. Von
diesen mag der Geograph erst durch mündliche oder schriftliche
Relation, nach seiner Rückkehr an die Donau, und nach Mähren,
Kenntniß erlangt haben.
„Vuizunbeire". Die Bulgaren an der Wolga; weiße Biren
zum Unterschied von den Sahiren , den schwarzen 61) Biren,
genannt. Mit den Donau-Bulgaren haben sie zwar den Namen,
sonst aber nichts gemein. Diese heißen zwar auch schwarze
Bulgaren, sind aber, wie ich schon oben nachgewiesen, finnische
Wurugunden.
Die Bulgaren an der Wolga, entweder nach der Stadt
Bolgar, oder nach der Wolga benannt, sind bisher irrthümlich
der finnischen Race zugezählt worden. Nach dem sogleich zu
besprechenden Briefe des Chasaren-Königs müssen sie aber ein
kaukasisches Volk gewesen sein.
Ich halte sie für die Saraguren des Priskus •*), weiße Ogoren.
Die heutigen Bulgaren sind Tartaren, oder richtiger ein
•
61) Weiß und schwarz bedeutet nicht die Farbe, sondern groß und
klein, oder freies und untergebenes Volk.
62) Zeuß S. 714. Sara finnisch weiß. Kein Volk giebt sich selbst den
Namen, sondern erbält ihn von seinen Nacbbaren.
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Von Victor von Keltsch.
533
Miachvolk von Bulgaren und Tartaren, ausgezeichnet durch
Schönheit des Körpers und hohe geistige Begabung M), ein Volk,
dem noch eine bedeutende Zukunft bevorsteht.
„Caziri mit hundert Tausendschaften". Das mächtige
Chasarenvolk an der Wolga.
Der sonst so scharfsinnige und kritisirende Schlözer hat
leider drei ganz verschiedene Völker, Chasaren, Akaziren und
weiße Ungarn für identisch gehalten. Alle seine Nachbeter
haben deshalb Chasaren für Finnen erklärt64). Dem steht aber
das ausdrückliche Zeugniß des Chasaren Chagan Josef entgegen.
In dem zuerst von Johann Buxtorf bekannt gemachten,
neuerdings von Selig Cassel °5) in deutscher üebersetzung heraus-
gegebenen Brief des Chasarenkönig Josef an den Rabbi Chisdai,
den Leibarzt des Kalifen Abderrahman von Cordova (f 961),
zählt der Chagan zehn Völker auf, die mit den Chasaren stamm-
verwandt sind. Alle diese Völker sind Unterthanen des Chagan.
Mithin ist sein Urtheil über die Nationalität derselben vollgültig
und unanfechtbar.
Die zehn Völker heißen: 1. Ogor, 2. Dursu, 3. Awar,
4. Aguan, 5. Bassil, 6. Tarian, 7. Cosar, 8. Sagidai, 9. Bulgari,
10. Sabiri.
Da ich die meisten als ch walisische 66) Stämme des Kaukasus
63) Müller, ugr. Volksstamm I S. 446.
64) Nur Kuuik, schwedische Rodsen II 225, bezweifelt dies und hiilt
sie für Türken.
65) Selig Cassel, magyar. Alterthümer. S. 183.
66) Kaukasische Völker, kaukasische Race hat heut eine andre Be-
deutung. Ich greife deshalb auf den alten Namen Chwalisen bei Nestor —
aus dem biblischen Hawila herstammend — zurück, womit in der Genesis
die Iberer des Kaukasus genannt sind. Die Sprachen der kaukasischen
Bergvölker haben nach Schleicher nichts mit den andern Sprachen Europas
gemein. Folgen wir also dem Urtheil der Bibel, in dem auch wir sie für
Hamiten erklären. Ich kann aber der Auslegung Knobels (Erklärung der
Genesis) nicht überall beipflichten. Ich halte nämlich folgende Völker für
die fünf Söhne von Kusch: 1. Seba (Esba), die Iberer Spaniens, 2. Hawila,
die Iberer im Kolchischen Mohrenland (Genesis 10, 7. Uerodot II 103).
Schönheit des Körpers, dunkle Hautfarbe, schwarzes krauses Haar haben
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534
Der bairische Geograph.
nachweisen kann, so müssen auch die übrigen, bisher den Finnen
zugezählten Völker der gleichen Nationalität angehören. Schon
die Zahl zehn spricht dagegen Chasaren und verwandte Völker
für Finnen zu erklären. Die finnische Race theilt sich immer
in je sieben Stämme ein, eine bei ihnen heilige Zahl.
Als erstes der zehn, mit den Chasaren stammverwandten
Völker nennt der Brief des Chagan:
1. Ogor, schon bei Agathias und Priskus Ä7) Ogoren,
Onoguren, Utiguren genannt. Von Justinian werden die Ogor
oder Utiguren im Osten der Mäotis bekriegt. Jornandes nennt
sie Hunuguren oder Hunugaren. Auch der Geograph von
Ravenna hat noch ein Onogoria an der Mäotis. Nach dem
Zeugniß des Chasaren-Königs können die Ogoren also weder
Hunnen, noch Türken sein.
Man muß drei ähnlich lautende Namen wohl unterscheiden :
Ogoren, Ugern und Uiguren Ä8).
a) Ogoren. Die Ogoren an der Kuma waren, wie wir eben
gesehen, Chwalisen. Wenn Nestor diese Ogoren mit den weißen
Ungarn09) verwechselt, so ist das weniger zu verwundern, als wenn
die meisten ungarischen Geschichtsschreiber die Urheimath ihres
Volks noch immer — trotz Klaproth — an die Kuma verlegen
wollen. Die Reste der Ogoren scheinen an die Mündung der
"Wolga gezogen zu sein, woselbst Ibn Feßlan 70) schwarze Chasaren
erwähnt, von gelber Farbe, ins Schwarze spielend, wie die Inder.
beide Iberer gemein. 8. Sabtha, die Aetbiopier in Saba und Meroe. 4. Ratna.
die Ramnä des Ptolemäus, die indische Kriegerkaate, deren Personifikation
der große Held Kama, Erobror von Ceylon ist. Dazu noch die zwei Tochter-
Völker: Scbeba (Sabücr in Karamanien) und Dedan (Dachinabades) im heutigen
Deckau. 5. Sabthepa, des Plinius multae Sabaeorum insulae, die Malaien
auf den Inseln Hinter-Indiens.
67) Zeuß S. 715.
68) Klaproth Mem. rel.Asiel, 125. Er versteht aber unter Ogaren : Awaren.
69) Nestor I 114. „Diese Ugern hatten sich schon unter dem Kaiser
Heraklius gezeigt und waren mit ihm gegen den persischen Zar Kosru
gezogen". Aus den Byzantinern entlehnt.
70) Klaproth und Zeuß 8. 723. Memoires relatifs a l'Asie I. p. 152.
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Vou Victor von Keltsch.
535
Die weißen Chasaren aber sind nach ihm weiß und durch Schön-
heit ausgezeichnet.
b) Ugern. Die Ugern gehören zum Finnischen Volksstamm,
der Name Uger aus dem hohen Norden, war schon im Alterthum
bekannt. Ptolemäus nennt Pagüriten, i. e. Ugern vor Kälte 71)
starrend. Ferner Sabinus: Prope glacialis oceani oras habitant
silvestres homines Ugari sive Ugri 72). Bei Nestor sind auch
Ugra genannt, i. e. die finnischen Bewohner von Jugrien jenseit
des Ural.
c) Uiguren. Endlich die Uiguren 78) sind Türken in Turfan
und am Altai. Das nächst dem vom Chagan als stammverwandte
Volk sind
2. Dursu. In der georgischen Chronik des Vaktang 74) werden
Dursu-Kothi [?] genannt, also wohl Misdephische [?] Kisten. Denn
auch bei Istachri 75) werden Tirseran, nördlich von Ab el Awab 7Ä)
dem heutigen Derbend, erwähnt. Unter die Dursu muß man also
Kisten oder Tschetschenzen in Daghestan verstehen. Jetzt führt
zwar ein Stamm der Osseten am obern Terek den Namen Turßo.
Er kann diesen Namen aber nur durch Erbschaft überkommen
haben. Denn die Osseten sind iranischen Blutes, folglich mit
den Chasaren nicht verwandt. Sie flohen auch erst vor Dschin-
gischan ins kaukasische Hochgebirge. Sie wurden früher bald
Alanen, bald Jassii, erst in neuerer Zeit Osseten genannt. Ihre
frühere Heimath am Don habe ich oben erwähnt.
3. Awar. Die Awaren im Kaukasus. Sie sind aber nicht
zu verwechseln mit den türkischen Awaren in Pannonien, den
Gegnern Karls des Großen. Die kaukasischen Awaren gehören
71) nayos.
72) Sabin us comment. in Virgil, p. 50.
73) Klaproth Reisen II 490.
74) Klaproth Keiften II 62.
75) Ed. Mordtraann p. 87.
76) Pfbrdte der Pfordten , von wo sich die große Mauer quer durchs
Gebirge zieht.
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53(5
Der bairische Geograph.
zum le8ghischen Stamm 77). Ihr Name ist vielleicht nur sprach-
liche Umformung aus Iber 78). In den Kriegen der Eussen und
Georgier mit den Bergvölkern spielte der Chan der Awaren eine
große Rolle. Seine Residenz war Chunsak an der Atala.
4. Aguan. Die alte Landschaft Albanien, armenisch Agho van,
an den Ostabhängen des Kaukasus bis zum Kaspischen Meer
herab. Jetzt gehört dieselbe ebenfalls zu Lesghien. Der Name
Aguan ist noch erhalten in dem lesghischen Stamme der Akuschen.
6. Bassil. Es sind die Apsilier der Byzantiner, die heutigen
Abazen und Abchasen. Der Chagan nennt ihr Land „das Land
Basan 79) auf den Bergen bis zum Meer von Constantinopel"
(das schwarze Meer).
6. Tarian. Muß man in dem vom Chagan erwähnten Lande
Tagat i. e. Daghestan suchen, wo noch heut der Schamchal von
Torki einer der mächtigsten Fürsten ist. Die Ebenen am Meer
haben jetzt Tartarische Völker inne. Aber die Tarakämei in
den unzugänglichen Schluchten über Derbent sind Lesghier, und
scheinen die letzten Reste der Tarian zu sein.
7. Cosar. Der Chagan sagt: „Wir sind von den Söhnen
Cosar des Siebenten und in seinen Tagen wird berichtet, war
die Zahl unsrer Väter gering und der Heilige, gesegnet sei sein
Name, gab ihnen Kraft und Stärke, und sie führten Krieg mit
vielen Völkern, die mächtiger waren als sie, und mit Gottes Hilfe
vertrieben sie sie, eroberten ihr Land, ließen sie vor sich fliehen
und verfolgten sie, bis sie kamen an den großen Strom Donau j
wo sie bis auf den heutigen Tag Constantinopel benachbart
wohnen; die Cosaren aber nahmen ihr Land ein."
Darauf bespricht er ausführlich den Uebertritt des König
Bulan und seiner Großen zum Judenthum; Einrichtungen und
77) K. F. Neumann. Völker des südl. Raßlanda. S. 94, 95.
78) Wie die Ibererstadt Ußdnit in Aegypten, von den Arabern
Awar genannt.
79) Klaproth I 505. Die heutigen Basiani sind Tartaren, die früher
in Ckirk Madshar in der Kuma-Steppe gewohnt und vor 600 Jahren im
hohen Gebirge Zuflucht gefunden haben.
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Von Victor von Keltsch.
537
Lebensweise im Chasaren- Reich; Ausdehnung und Grenzen
dieses Reichs.
Aus dem Gesagten entnehmen wir Folgendes:
Der Name der Chasaren scheint von einem Helden Kosar
hergeleitet, der zuerst sein Volk an die Wolga geführt und die
Petschenegen von dort verjagt habe. Woher die Chasaren ge-
kommen, verschweigt der Brief des Chagan. Die Byzantiner
sagen zwar aus dem Lande Berzelia. Aber wo lag das? Sind
es die Bergthäler am Berbela im Kaukasus? Alle Stammgenossen
der Chasaren sind ch walisische Völker des Kaukasus, daher muß
man dies von den Chasaren erst recht folgern. Da ferner die
Kabaren bei Constantin Porphyrogeneta ausdrücklich ein cha-
sarisches Volk genannt werden, so liegt es nur zu nahe, die
grosse und kleine Kabarda am Kuban für die ursprüngliche
Heimath der Chasaren zu halten. Der Uebertritt der Chasaren
zum Judenthum spricht ebenfalls dafür, sie eher für ein hami-
tisehes und kein japhetitisches Volk zu halten. Hamiten mochten
dem Semitismus einen empfänglicheren Boden entgegenbringen.
Von der Grösse des Chasarenreichs giebt der Brief des
Chagan folgende Beschreibung:
„Was Du endlich mich fragtest, welches die Ausdehnung
unsres Landes in Breite und Länge sei, so wisse, es dehnt sich
längs eines Stromes nahe am Meere von Georgien80) aus, gegen
Osten zu, vier Monat 81) weit ; am Strome wohnen neun zahl-
reiche Nationen in Dörfern, Städten und Burgen, und alle geben
mir Tribut; von da wendet sich die Grenze nach Georgien hin,
und alle Bewohner der Meeresküste, einen Monat weit, geben
mir Tribut. Nach Süden hin 15 zahlreiche und mächtige
Nationen bis Bab el abuab82), und sie wohnen auf Bergen und
im Lande Basa und Tagat s8) bis zu dem Meer von Constan-
tinopol zwei Monat weit, und alle geben mir Tribut, und an
80) Die Wolga und das Knspische Meer.
8L) Vier Monat = 120 Tage -Reisen.
82) Derbent am Kaspischen Meer.
83) Der Kaukasus, Abasien und Daghestan bis ans schwarze Meer.
Altpr. MouuUHchrift Bd. XXIII. Hit. 7 u. & 35
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Der bairische Geograph.
der Abendseite dreizehn Nationen stark und mächtig, die an
der Küste des Meeres von Constantinopel wohnen; von da
wendet sich die Grenze nach Norden, bis an den grossen Strom
Jaik und die Leute wohnen da in Dörfern ohne Mauern,
ziehen in der ganzen Steppe umher bis an die Grenzen der
Jugrier, zahllos wie Sand am Meere, alle geben mir Tribut und
die Ausdehnung ihres Landes ist vier Monate. Ich aber wohne
an der Mündung des Stromes und ich dulde nicht84), daß die
Russen, welche auf Schiffen kommen, übersetzen zu Jenen, und
ebenso dulde ich nicht, daß ihre Feinde, die zu Lande kommen,
in ihr Land ziehen, und ich führe schwere Kriege mit ihnen,
denn wenn ich's duldete, so würden sie das ganze Land Ismael w)
bis Bagdad verwüsten."
Und ein Jahrhundert später ist dieß mächtige, wohl organi-
sirte Chasarenreich, dem Petschenegen, Poljänen, Alanen und
eine Menge finnischer Stämme unterworfen gewesen, vor dem
Perser und Armenier gezittert, plötzlich, ohne Sang und Klang,
von der Erde weggefegt. Keine geschichtliche Quelle berichtet,
welchem Feinde es erlegen. Wir können nur muthmaaßen, daß
das Chasaren-Beich vor dem Ansturm der Kumauen zusammen-
gebrochen ist. Der zersetzende Einfluß des Judenthums hatte
seinen früheren kriegerischen Geist depravirt.
Nur in der Krim hat sich ein Schattenreich Gasaria etwas
länger erhalten.
Damals scheint auch die Masse der Juden, die aus Klein-
Asien und dem Byzantinischen Kaiserreich bei den Chasaren
zusammengeströmt war, Über den Dniepr geflüchtet und in
Schaaren Podolien, Galizien, Polen und Litthauen überfluthet
zu haben. Woher sonst sollte die dichte jüdische Bevölkerung
herstammen, welche seit Jahrhunderten obige Länder erfüllt?
84) Aus Ihn Fozlan erfahren wir das Gegentheil. Danach gab der
Chasarenkönig nicht blos die Erlaubnis, sondern machte noch ein gutes
Handelsgeschäft, indem er sich dio Hälfte der Beute abgeben lißss. (Karaxnsin.)
85) Die Muhamedaner und Araber.
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Von Victor von Keltaoh.
539
8. Sagidai wird das acht© Volk genannt. Schon Prokop
hat -ayi'dai und Zvypi in der Nähe des Kaukasus. Beides sind
Tscherkessische Stämme. Noch heut heißen die Tscherkessen
am schwarzen Meer Dschiki 88) (Ziehen), die Sagidai aber sind
doch wohl die heutigen Schapsugen am Kuban. In den russi-
schen Jahrbüchern wird das ganze Volk der Tscherkessen: Ka-
sagen, Kasachen genannt. Sie selbst nennen sich Adige, dem
obiges Sagidai zum Grunde liegt.
9. Bulgaren. Von Frähn, Schlözer, Klaproth etc. für Finnen
erklärt. Da der Chasaren-Chagan aber sie seine Stammgenossen
nennt, können sie keine Finnen sein. Damit stimmen die
Arabischen Quellen überein: Ibn Fozlan sagt: Die Sprache der
Chasaren unterscheidet sich von der der Türken und Perser,
und die Sprache keines andern Volks stimmt mit ihr überein.
Desgleichen Ibn Haukal: die Sprache der Bulgaren ist dieselbe
mit der der Chasaren. Dazu tritt noch das Zeugniß des Patri-
archen Nikon in der Nikon'schen Chronik des Nestor: Chwa-
lisen und Bulgaren stammen von Loths beiden Töchtern ab;
die Türken aber sind Ismaelitischer Abkunft. — Nikon weiß
doch sicherlich Finnen von Türken und Chwalisen zu unter-
scheiden.
10. Sabiri. Das zehnte und letzte Bruder -Volk der Cha-
saren. Ich habe schon oben bei Zabrozi erwähnt, daß ich in
den Sahiren Tschuwaschen vermuthe. Sabiri, d. h. schwarze
Biren im Gegensatz zu den Bielobiri, den Weiß-Biren.
Als Klaproth 1807 seine Reise nach dem Kaukasus antrat,
erhielt er den Auftrag den Ursprung Polowzischer Namen zu
ermitteln, die sich in Russischen Chroniken vorfinden. Klap-
roth 87) stellte fest, daß diese Namen der Tscherkessischen
Sprache angehören. Er kam zu dem Schluß, es müsse eine
Zeit gegeben haben, wo die Tscherkessen über die Kumanen
(Polowzer) geherrscht haben. Ich vermuthe, daß bei der Auf-
86) Klaproth Reisen I 205.
87) Klaproth Reisen I S. 68 u. 278.
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Der bairisehe Geograph.
lösung des Chasaren-Reichs der muselmännische Theil der Cha-
saren sich freiwillig den Kumanen unterworfen und in diesem
Volk aufgegangen ist; daß mithin auf diesem "Wege bei der nahen
Verwandtschaft der tscherkessischen und chasarischen Sprache,
jene Namen auf die Kumanen übergegangen sind.
Nach dieser fast zu langen Auseinandersetzung über die
Nationalität der Chasaren, kehre ich zum bairischen Geographen
zurück.
Erst 862 waren die Waräger übers "Waräger Meer (die
Ostsee) herübergekommen und hatten die Herrschaft über die
Slaven Nowgorods, über die Kriwitschen, Tschuden und "Wessen
angetreten.
„Ruzzi." 864 erobern die Waräger Russen Askold und Dir
Kiew und unterwerfen sich die Poljänen. 866 ziehen diese kühnen
Abenteurer mit einer großen Flotte den Dniepr hinab vor
Konstantinopel. Dort scheint ihnen zuerst der Name Russen bei-
gelegt worden zu sein. Nach dem Patriarchen Photius herrschten
die Russen damals schon über eigne Länder. 88) Er gab den
orientalischen Bischöfen Kunde von diesen Ereignissen. 89)
Photius kann also möglicher Weise die Quelle sein, aus der
unser Geograph brieflich oder mündlich seine neueren Nach-
richten in einem Hirtenbrief über Russen und die ihnen unter-
gebenen Völker erhalten hat.
„Forsderen". Fors heißt scandinavisch Wasserfall. Hier
sind die Anwohner an den Dniepr -Fällen geraeint. Auf dieser
Straße waren schon seit 839 90) Waräger aus Skandinavien nach
Konstantinopel gezogen. Erst die Düna hinauf bis Witepsk
— dann zu Lande hinüber nach Miliniska (Smolensk) und nun
den Dniepr hinab. Die Namen der einzelnen Fälle des Dniepr
hat Lehrberg91) aus der alt-gothischen Sprache erklärt. Sie
88) Karamsin I S. 305.
89) Karamsin I S. 96.
90) Karamsin I S. 382.
91) Lehrberg Untersuchungen S. 352.
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>
Von Victor von Keltach.
541
wurden ihnen entweder von den Warägern gegeben, oder sie
stammen sogar noch her von den Austrogothen (Budinen), die
von den Zeiten des Herodot bis auf Ptolemäus in diesem Lande
— östlich von den "Wasserfallen bis zum Wolok des Don (so
weit erstreckt sich der südrussische Landrücken, das Budiner
Gebirge der Alten — ), angesessen waren, und unter Hermanrich
ihre höchste Macht erreichten.
Der Name Deren in Forsderen kann daher möglicher Weise
ererbt sein von westgothischen Therwingen. Noch wahrschein-
licher aber ist es Zusammenziehung aus Drawiern, einem
Slaven-Stamm in Wolhynien. Später besetzten die Petschenegen
die Wasserfälle, und erschlugen 972 hier Swätoslaw bei seinem
Eückzug aus Bulgarien an der Donau. Auch unter Wladimir
reichte die Grenze des russischen Waräger Reichs nur bis an
die Wasserfälle. Als dieser das hölzerne Bild des Perun in den
Dniepr werfen ließ, befahl er seiner Leibwache, bis an die
Wasserfalle zu ziehen, um zu verhindern, daß seine heidnischen
Unterthanen das Götzenbild wieder herauszögen.92)
„Liudi". Das sind Finnen; denn Liudin konec heißt das
finnische Stadt- Viertel in Nowgorod (Liudiu kelsi [?] finnische
Sprache). 98)
Da der Geograph diese Liudi mit Russen und Kriwitschen
erwähnt, so scheint der Name derselben auch erst nach 862 bis
nach Constantinopel gekommen zu sein. Also wohl gleichzeitig
mit der Nachricht von der Berufung der Waräger zur Herr-
schaft über die nördlichen Slaven und Finnen-Stämme. Weiter
oben hatte der Geograph — sicher aus andrer Quelle — für
diese Ostsee - Finnen den Namen: Sittici = Tschuden-
Scythen.
„Fresiti." Mir noch unklar. Auch Kunik 94) nennt Fräsi,
ein fremdes Volk. Sind es die Waräger in Nowgorod, russisch
92) Karamsin I S. 375.
98) Schaffarik II S. 64 und 137.
94) Kunik, schwedische Reisen I S. 78.
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542
•
Der bairische Geograph.
"Warjazi, skandinavisch Vaeringr, = Heergenossen? Oder die
lettischen Noroma Nestors? Friesische oder fränkische Kauf-
leute in den nordischen Städten Nowgorod, Isborsk, Aldeigaborg,
Opala und Paltask? Unten im Süden nun mißverständlich für
ein besonderes Nord -Volk gehalten? Oder steht der Name des
Freiß-Richters 96) damit in Zusammenhang?
„Seranici" halte ich wieder verschrieben für Screawici, die
Kriwitschen, KQißarrjvoi des Constantin PorphyTOgeneta. Da
die Kriwitschen um Smolensk und am Peipus-See schon früher
unter dem Collektivnamen Sittici vom Geographen genannt sind,
so versteht er jetzt unter dem Namen Screawici wohl nur die
Kriwitschen von Isborsk und die Kunde von Berufung der
Waräger kann erst nach seiner Heimkehr nach Süden gelangt sein.
Von Letzteren war 862 Truwor, Ruriks Bruder, zum Fürsten
erwählt worden.
„Lucolane". Nach der Stadt "Weliki Luki genannt. Es
ist dasselbe Volk, das bald Lutschaner, bald Polotschaner ge-
nannt wird, den Kriwitschen nahe verwandt. Schon 864 wer-
den sie von Rurik unterworfen.
Auch davon scheint die Kunde nach dem Süden und bis
zu Methodius gekommen zu sein.
Später waren die Polotschaner ein mächtiger Slaven-Stamm.
Dlugosz p. 20 sagt: Brzeznia fluvius terram Luciensem distin-
guens a Litwanis, also reichten sie noch über den Dniepr bis
an die Beresina.
„Ungare". Das ist die schwierigste aber auch wichtigste
Stelle des Geographen. Es gehört viel Muth dazu, ganz neue
Ansichten zu begründen, alten Forschungen, die bereits gewisses
Bürgerrecht erlangt haben, entgegentreten zu wollen, nach gründ-
licher Prüfung aller Quellen.
Ich halte es für unzweifelhaft, daß Magyaren und Ungarn
zwei verschiedene Völker sind, und daß eine doppelte Invasion
95) Karamsin II S. 51.
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Von Victor von Keltach.
543
Ungarns, von Norden und Süden stattgefunden hat. Die süd-
liche fand 894, die nördliche 898 statt.
Eben so wie der bairische Geograph Heptaradici und Ungare
als zwei besondre Völker nennt, unterscheidet auch Nestor weiße
und schwarze Ungarn. Der Unterschied zwischen beiden Völkern
tritt aber noch deutlicher hervor, wenn man die von dem un-
genannten Notar Königs Bela gesammelten Nachrichten über die
Einwanderung seines Volks, mit den Aufzeichnungen Constantin
Porphyrogenetas über die Ungarn in Einklang bringen will.
Hören wir zuerst nochmals den Anonymus Belae notarius,
der aus alten Volkssagen geschöpft hat.
Er läßt die Heta Moger aus dem fernen Osten, aus dem
Lande Den tu Moger 96) kommen, wo viele Zobel, Gold und Silber,
und Edelsteine in den Flüssen seien. Ueber den Etil (Wolga)
setzen sie auf Schläuchen und lassen sich erst in Susdal nieder.
Von hier ziehen sie unter Führung Arpads, an Kiew vorbei,
über den Dniepr nach Galizien und fallen durch den Wald Hovos,
über Ungvar und Munkacs, in Ungarn ein. Im Fluge erobern sie
ganz Ungarn, unterjochen die Slaven, vertreiben die Walachen97)
und theilen das Land unter ihre sieben Anführer. Nur der
Chasar Marot in Bihar leistet ihnen Widerstand 98).
Damit stimmt der russische Annalist Nestor im Wesentlichen
üborein. Er sagt "), indem er zuerst über die Herkunft der
Slaven und ihre Drangsale durch fremde Völker spricht: Hierauf
kamen die weißen Ugern und erbten das slavonische Land,
nachdem sie die Walachen verjagt hatten, die dies Land vorhin
eingenommen hatten. — Und dann weiter unten noch ausführ-
9f!) Nach Hunfalvy (Herkunft der Ungarn. Pesth 1864) nennen die
Ostjaken den Irtisc.h uorh heut: Tangat. Dent ist also das Magyarenland
am Tobol und Irtisch.
97) Die Nachkommen der alten römischen Colonisten in Dacien.
98) Feßler Gesch. v. Ungarn I S. 50 wirft die Nachrichten des Anony-
mus und Constantin Porphyrog. willkürlich durcheinander, um Geschichte zu
machen.
99) Nestor bei Schlözer I S. 114
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544
Der bairisrbe Geograph.
licher 10°): Im Jahr 808 zogen die Ugern an Kiew vorüber,
über einen Berg, der mm der Ugrisohe genannt wird. Sie kamen
an den Dniepr, und standen hier in Wesehen (Zelten), denn sie
marschirten wie die Polowzer. Sie waren vom Orient her-
gekommen und stürzten durch hohe Berge, die die Ugrischen
(Karpathen) genannt werden. Und sie fingen an die dort wohnen-
den Wlaehen und Slaven zu bekriegen. Denn da saßen vorhin
Slaven und Wlaehen, und nahmen das Slavonische Land ein.
Nachher aber verjagten Ugern die Wlaehen und erbten 101) dieses
Land und saßen mit den Slaven zusammen, die sie unterjocht
hatten. Von der Zeit an ward das Land Ungarn genannt.
Nestor und der Anonymus Belao stimmen also darin überein,
daß die Magyaren oder Weißen Ungarn aus dem Orient ge-
kommen; daß sie mit großer Heeresmacht an Kiew vorüber-
gezogen und über Gaiizien und die nördlichen Karpathen in
Ungarn eingebrochen sind, daß sie sofort das ganze Land er-
obern, die Slaven unterjochen, die Walachen verjagen.
Daß Magyaren und Weiße Ungarn identisch sind, wird
durch eine dritte Quelle bestätigt. Der Mönch Adamar Cha-
bonensis 102) aus dem 11. Jahrhundert erzählt, daß Bischof Bruno
von Augsburg den König Geisa von Alba Ungria getauft habe;
es gebe aber auch noch ein schwarzes Ungarn.
Wo lag nun dieß schwarze Ungarn und woher kamen seine
Bewohner? Derselbe Nestor sagt II pag. 118: „Und wiederum
gingen die Schwarzen Ugern vor Kiew vorbei, wie nachher
unter Oleg."
Dieß „wiederum" bedingt, daß die schwarzen Ugern schon
früher vorübergezogen, jetzt zum zweiten Mal erscheinen, und
nachher unter Oleg zum dritten Mal vorüberziehen.
100) Nestor bei Schlözer II S. 106.
101) Schon zu Nestors Zeiten war die von den Magyaren geflissentlich
verbreiteto Meinung, sie besäßen Ungarn in Folge des Erbrechts, als Nach-
kommen von Attila überall gang und gäbe geworden.
102) Gebhardi, Gesch. v. Hungaru uud Pertz Mon. bist. Germ. VI, 129.
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Von Victor von Keltsch.
545
Die schwarzen Ugern müssen also damals östlich von Kiew
gesessen haben. Alle drei Züge sind geschichtlich nachzuweisen.
836 erscheinen die Ugren zum ersten Mal an der Donau,
um den Bulgaren Hilfe zu leisten. Leo Grammatikus nennt
sie abwechselnd Ugroi, Türken und Hunnen. 108) Zum zweiten
Mal wird ihr Name als eines vorher noch nie gehörten Feindes
genannt, von Hinkmar v. Rheims 104), als sie 862 das Reich
Ludwig des Deutschen verheeren. Da die Byzantiner von diesem
Zuge nichts wissen, wird der Zug durch Galizien, nördlich von
den Karpathen gegangen sein. Der dritte Zug trifft nach Re-
gino von Prüm 105) auf das Jahr 889, also in die Regierungszeit
Olegs.
Regino läßt das Volk der Ungaren, von denen man seit
Jahrhunderten nichts mehr gehört, noch sie genannt, aus den
Scythischen Reichen und Sümpfen, welche der Tanais in seinem
weiten Lauf durchströmt, hervorwandern. Diese Worte Regino's
finden bei Constantin Porphyrogeneta noch nähere Ergänzung
und Bestätigung.
Die "Wahrheitsliebe Constantins ist unbezweifelt. Er hält
aber nicht immer die richtige chronologische Ordnung ein. Ueber
manches Ereigniß mag er selbst ungenügend berichtet worden
sein; anderes lag außerhalb des Griechischen Gesichtskreises.
Ich muß vorausschicken, daß er diese Ungarn beständig
Türken nennt. Man war ja mit der Bezeichnung Türken
damals ebenso freigebig, wie früher mit dem Namen Hunnen,
oder im Alterthum mit dem Namen Scythen.
Constantin Porphyrogeneta sagt: l06) Das Volk der Türken
wohnte früher nahe bei Chasarien an dem Orte Lebedia, der
nach dem Namen des ersten Woywoden Lebedias genannt war;
Er wurde nach seiner Würde, sowie auch die Nachfolger nach
103) Leo p. 459.
104) Pertz, M. Germ. I 458.
105) Pertz, M. Germ. I 599.
106) Constantin Porphyrogeneta de adm. imp. c. 88, p. 168.
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Der bairiache Geograph.
ihm Woywoden genannt. In dem erwähnten Orte Lebedia ist
ein Fluß Chidraas, welcher auch Chizzylus genannt wird.
Damals wurden sie nicht Türken, sondern Sabartoiasphaloi aus
irgend einem Grunde genannt. Die Türken bestehen aus
sieben Stämmen; einen Herren haben sie nie gehabt, weder
aus eigenem Geschlecht, noch einen Fremden; sondern es gab
Woywoden unter ihnen, deren erster besagter Lebedias gewesen.
Unter 107) den Chazaren wohnten sie drei Jahre l08) und waren
mit den Chazaren in allen ihren Kriegen verbündet.
Der Chagan, der Fürst Chasariens, hatte wegen ihrer
Tapferkeit und Hilfsleistung dem ersten "Woywoden der Türken
Lebedias zur Ehe eine wohlgeborne Chazarin gegeben, des
Rufes seiner Tapferkeit und des Glanzes seines Geschlechts
halber, damit er von ihr Kinder zeuge; es zeugte aber zufällig
dieser Lebedias mit dieser Chazarin keine Kinder.
Die Patzinaciten , die früher Kagzar gehiessen, (denn
dieser Name bedeutet bei ihnen Adel und Tapferkeit), waren
als sie gegen die Chazaren Krieg erhoben hatten, besiegt worden;
sie mußten ihr Land aufgeben und sich in jenem der Türken
niederlassen.
Als dadurch nun ein Krieg zwischen den Türken und
Patzinaciten , die damals Kagzar genannt wurden, entstand,
wurde das Heer der Türken geschlagen und in zwei Theile
zersprengt, und zwar ließ sich der eine Theil gegen Osten in
der Gegend von Persien nieder (wo sie noch bis zum heutigen
Tage nach dem alten Namen der Türken Sabartoi asphali
heißen); der andere Theil nahm Wohnsitz gegen Westen, zu-
gleich mit ihrem Woywoden und Anführer Lebedias an den
Orten, welche Atelkazu genannt werden — an den Flüssen
Baruch, Cubus, Trullus, Brutus und Seretus — wo jetzt das
Volk der Patzinaciten wohnt.
107) Selig-Casael Mag. Alterth. S. 122 übersetzt : Neben Chasarien,
aber jura mit dem Genitiv heiBt unter zwischen, cfr. Schneider Lex.
108) .T. Kemper, de Ungarorum ex Lebedia et Atelcuza demigratione
S. 7 irrt, wenn er diese drei Jahre auf den Aufenthalt in Lobedia bezieht.
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Von Victor von Kelt«ch.
547
Die sogenannten Kabaren 109) leiten ihr Geschlecht von den
Chazaren her. no) Da sie einen Aufstand gegen ihre Ober-
herrschaft versucht hatten, entstand ein bürgerlicher Krieg, und
die Oberherrschaft überwand sie. Da wurden die Einen von
ihnen getödtet, die Andern entflohen zu den Türken und
lagerten sich im Lande der Patzinaciten, befreundeten sich mit
einander und wurden Kabari genannt; daher sie auch die
Sprache der Chazaren die Türken lehrten, und sie haben bis
auf den heutigen Tag diesen Dialekt. Sie brauchen aber auch
die andere Sprache der Türken, weil sie aber durch kriegerische
Tapferkeit und Mannszucht unter den acht Stämmen hervor-
leuchteten und im Kampf vorangingen, so erhielten die Kabaren
den ersten Platz unter den Stämmen, den sie auch bis heute
noch behaupten. Das Volk der Türken bestand aber nunmehr
wie gesagt aus folgenden acht Stämmen: 1U) 1. Kabaren, 2. Noki,
3. Megern, 4. Kurtugermati , 5. Tarian, 6. Genach, 7. Kari,
8. Kasi.
Diese Türken des Constantin Porphyrogeneta, die Ungari
des bairischen Geographen, waren also aus acht verschiedenen
Volksstämmen zusammengesetzt. Die Nationalität jedes Einzelnen
läßt sich ziemlich sicher ermitteln. 1. Wie oben erwähnt, leiten
die Kabaren ihr Geschlecht von den Chasaren her. Nach ihrem
Namen zu schließen, stammen sie aus der großen und kleinen
Kabardah im Kaukasus her. Dieß würde mithin auch die Ur-
heimath der Chasaren gewesen sein, ehe die Letzteren an die
"Wolga gezogen. 2. Neki: Ich halte die Neki für einen Tschor-
kessischen Stamm, die heutigen Besle-Negi. Kein anderer Volks-
name hat Aehnlichkeit. 3. Megern sind stets mit Magyaren richtig
109) Der Nubische Geograph Edrisi erwähnt eine Chasarische Leib-
wache, bestehend aus 12,000 Mann. Vielleicht waren das jene Kabaren,
die sich eine Janitscharen oder Strelitzen-Stellung angemaßt haben mochten,
und deßhalb von den Chasaren aus dein Lande vertrieben wurden.
110) Constant. Porphyr de imperio S. 39.
111) Constantin de imp. c. 40.
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548
Der bairische Geograph.
gedeutet worden; es kann aber nicht das ganze Volk sein,
sondern nur eine in chasarische Kriegsdienste gegangene Ab-
theilung der damals noch bei Susdal sitzenden Eptaradici. —
4. Auch die Kurtugermati sind als finnische Kutriguren richtig
erkannt. nt) B. Tarian, stammen von den Tarian aus dem Lande
Tagat (Daghestan) ab, wie das schon oben in dem Briefe des
Chagan ausgeführt worden ist. Es sind mithin kaukasische
Lesghier. 6. Genach. Halte ich für Georgier (Grusier) von den
Bergen um Signach, der alten Hauptfeste von Tschina Kartli,
im nördlichen Georgien. 7. Kari. Das würden finnische Karelen
aus Karialand am Ladoga-See sein. Nach Nestor führte schon
früh ein lebhafter Handelsweg von Ladoga den Wolchow hinauf,
die Wolga herab bis ins Kaspische Meer. 8. Kasi. Halte ich
wieder für lesghische Kaukasier, die heutigen Kasi-Kumücken
(Tartaren) vom obern Koißu. 11S)
Die Gesellschaft der schwarzen Ungarn hätte somit aus
drei finnisch-ugrischen und fünf kaukasischen Völkern bestan-
den. Auf diese Weise erklärt sich auch die Doppelsprache, die
sie — nach Constantin Porphyrogeneta — reden: türkisch i. e.,
magyarisch und chasarisch.
Versucht man auch noch das von Constantin Porphyro-
geneta nicht verstandene Wort Sabartoiasphali zu erklären, so
scheint dieß ein Compositum der persischen und kaukasischen
Sprache zu sein. Asphali m) heißt persisch (?) Reiter, sao
tscherkessisch Krieg, barto hat vielleicht analoge Bedeutung
mit dem iranischen appat verbunden, zusammen. Danach
würde Sabartoiasphali = Kriegsverbundene Reiter bedeuten.
Mithin der richtige Name für das von den Chazaren ange-
worbene Söldnerheer. 11B)
112) Gebhardi Gesch. v. Hungarn.
113) Güldenstädt: Reise in den Kaukasus, S. 107 und Eichwald:
Theil II. nebst Karte.
114) Parrot: Versuch der Erkl. vergeh. Sprachen I. 81. Uphali Herr
sao Krieg.
115) Kaiser Leo Gram, nennt sie eine colluvies gentium.
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Von Victor von K eltseh.
549
Die "Wildheit dieser Schaaren muß aber so unerträglich
gewesen sein, daß die Chasaren sie nur drei Jahre im eigenen
Lande ertragen konnten. Dann versetzten sie dieselben, als
Militär-Colonie, nach Lebedia am Xigulus. Das kann unmöglich
der Jugul, westlich vom Dniepr sein. Es ist vielmehr der
Psigol, 116) ein östlicher Nebenfluß des Dniepr, in dessen Nahe
Lebedia liegt. In allen Kriegen der Chasaren konnten die
Ungarn auch von hier Heerfolge leisten. Den Aufenthalt der-
selben in Lebedia kann man für die Jahre 836 bis 889 genau
nachweisen. Wahrscheinlich begann er aber schon viel früher.
Denn noch heut führt die Ukraine von den schwarzen Ungarn
den Namen [?]. Es ist somit außer Frage, daß zur Zeit des
bairischen Geographen die Dngari noch jenseit des Dniepr saßen.
Nachdem aber 862 die Ungarn in einem selbstständigen
Kriegs- und Raubzug zum zweiten Male den Dniepr über-
schritten hatten, scheint ihre Unbotmäßigkeit gegen die Chasaren,
ihre Raubsucht gegen die benachbarten, den Chasaren zins-
pflichtigen Völker so groß geworden zu sein, daß die Chasaren
sich gezwungen sahen, ihnen die Petschenegen auf den Hals
zu hetzen. Sie hatten gerade damals, mit Hilfe der Uzen, die
östlich von der Wolga noch zurückgebliebenen vier Stämme
der Petschenegen besiegt und sie von ihrer Ostseite auf die
Westseite verpflanzt, ja dieselben geradezu im Lande der Ungarn
angesiedelt. Es entstand sofort Krieg zwischen den Petschenegen
und Ungarn. Letztere wurden besiegt und aus Lebedia ver-
trieben. Sie nehmen neue Wohnsitze in Atelkusu.
Die La?e dieses Landstrichs hat ganz unnöthiger Weise
zu vielen gelehrten Streitigkeiten llT) geführt. Sie ist ja durch
die fünf Flüsse genau gekennzeichnet. Es ist fast unbegreiflich,
116) Vielleicht hat auch Constantin Porphyrogeneta den Namen nicht
mit X, sondern mit y» geschrieben.
117) Die aschgraue Möglichkeit unglaublicher Hypothesen leistet auch
hier wieder Selig Kassel, indem er Atelkusu an die Wolga verlegt! weU
auch diese Atü heifie und östlich davon das Volk der Uzen wohne.
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550
Der bairische Geograph.
wie da ein Mißverstehen möglich geworden. Brutos ist der
Pruth, Serethus der Sereth, Trullus der Trolnsch, Kubu der
Buseo, Baruch die Prachowa. Das Land Atelkusu — von
türkisch atil Fluß und Kosu Insel, Land zwischen zwei Flüßen —
lag also am nördlichen Ufer der Donau, vom Pruth bis gegen-
über von Distra (Silistria). Bis hierher dehnten auch später
die Donau-Petschenegen ihre Wohnsitze aus.
Constantin Porphyrogeneta giebt aber noch eine eigen-
tümliche Erzählung, deren Motive und Folgerichtigkeit, sowie
er sie darstellt, schwer zu verstehen sind, die aber in ihrem
wahrscheinlichen Zusammenhang von den allergrößten Folgen
für die Entwicklung der Ereignisse jener Zeit geworden. —
Er sagt: 118)
Nach einer kurzen Zeit schickte jener Ghagan, der Fürst
Chazariens, Gesandte zu den Türken mit der Bitte, daß eine
Cholandia 119) zu ihm den ersten "Woywoden bringen möge. Als
nun Lebedias bei dem Chagan Chazariens angekommen ist,
fragt er, aus welchem Grunde er ihn hätte holen lassen? Damit
Du, weil Du verständig und tapfer bist und der Erste unter
den Türken, von mir zum Fürsten Deines Volkes erhoben
werdest und damit Du unserem "Worte und Befehle gehorchest.
Dieser erwiderte dem Chagan: Ich schätze dein Wohlwollen und
deine Wahl außerordentlich und sage dir den gebührenden Dank
dafür. Da ich aber nicht befähigt bin zu solcher Herrschaft,
kann ich nicht gehorchen. Aber ein andrer Woywode, der
Salmutzes genannt wird und der einen Sohn Arpades besitzt,
paßt besser dazu als ich. Es möge lieber von jenen Einer,
entweder Salmutzes, oder Arpades sein Sohn Herrscher werden,
und deinen Wunsch erfüllen. Da dem Chagan diese Rede ge-
118) Constantin de imperio cap. 38, p. 169.
119) Selig Cassel hält es für unmöglich, daß oin Schiff von der Donau
zu den Chasaren fahren könne. Aber schon zu Ptoleinäus Zeiten sitzen
Ophlonos, Schiffszieher (von wlov Schiffsgeräth) am Wolok des Don, um
von dort die Schiffe in die Wolga zu schleppen.
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Von Victor von Keltech.
551
fiel, so schickte der Chagan Leute mit ihm zu den Türken, um
sich darüber mit den Türken zu besprechen. Und es entschie-
den sich die Türken, daß lieber Arpades zum Fürsten eingesetzt
werden sollte, als Salmutzes sein Vater, weil er würdiger und
tüchtig in Einsicht, Willen und Tapferkeit sei und geschickt
zu solcher Herrschaft. Und sie erwählten diesen nach Chaza-
rischer Sitte zum Fürsten und Zakanus, indem sie ihn auf den
Schild erhoben. Vor dem Arpad haben aber die Türken nie-
mals einen Herrscher gehabt. Seit dieser Zeit aber, bis auf den
heutigen Tag, wird aus diesem Geschlecht der Herr der Türkei
erwählt.
Mit dieser Darstellung steht aber in offenbarem "Wider-
spruch, daß Constantin Porphyrogeneta gleich nachher den
Liuntika, Arpads Sohn an die Spitze der Türken stellt, während
er selbst dem Arpad weiter unten vier Söhne zutheilt, unter
denen kein Liuntika ist. Nach dem Anonymus Notar ist Arpad
bei der Eroberung Ungarns noch jung an Jahren und scheint
erst minderjährige Söhne zu haben. Dieser Vater des Liuntika
muß also ein andrer Arpad gewesen sein, und wohl derselbe,
den Leo Grammaticus zugleich mit Cusa als Feldherren der
Türken nennt 12°), als er die Türken gegen die Bulgaren unter
Simeon aufreizt. Ich frage nun, welcher Grund kann den
Chagan bewogen haben, mit einem räuberischen, unbotmäßigen
Kriegervolk wieder in Verbindung zu treten, das er doch so
eben erst, ziemlich hinterlistig, aus seinen Staaten vertrieben
hatte?
Die Gründe dazu liegen ziemlich klar: Nachdem es dem
Chasaren Chagan geglückt, zuerst die Petschenegen von seiner
Ostgrenze, durch diese die schwarzen Ungarn, und zuletzt noch
die Kabaren los zu werden, mochten ihm die Magyaren an der
Nordgrenze, in Susdal, eben so unerträgliche Nachbarn sein.
Wahrscheinlich ließ jetzt der Chagan Letzteren durch den Le-
bedias den Vorschlag machen, im Verein mit den schwarzen
120) Leo Grammaticus p. 267.
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552
Der bairische Geograph.
Ungarn einen kombinirten Eroberungszug nach Pannonien zu
unternehmen. Lebedias war in der Lage über das Verlockende
eines solchen Vorschlags die beste Auskunft zu geben. Im
Jahr 892 hatte König Arnulf die Ungarn gegen Swatopluk von
Mähren zu Hilfe gerufen. Auf diesem Zuge hatten sie Eeniituiß
erlangt, wie leicht eine Eroberung Pannoniens ins "Werk zu
richten sei. Die Thatsache, daß die Magyaren, die bisher eine
patriarchalische Verfassung von Stamm -Ael testen gehabt, nun
plötzlich — nur auf Vorschlag des Chasaren Chagan — sich
ein erbliches Oberhaupt wählen, ist so auffällig, daß doch ganz
besondere Gründe maßgebend gewesen sein müssen. Und dieß
kann nur die projektirte Eroberung Pannoniens gewesen sein.
Die Weigerung des Lebedias, sich selbst zum Chagan aufstellen
zu lassen, ist sehr erklärlich, da er wohl übersehen konnte, daß
die Magyaren sich nur der Führung eines heimischen Ober-
• feldherren anvertrauen würden. Nur zu dem nördlichen Volk
der Magyaren bedurfte Lebedias ein Geleit. Aus dem Anonymus
geht ferner klar hervor, daß Arpad, der Sohn des Almus (Sal-
mutzes) dem Volk der Etu Moger, also den Magyaren, und nicht
den schwarzen Ungarn angehört. Von diesen an der nördlichen
Wolga sitzenden weißen Ungarn oder Magyaren hat aber Por-
phyrogeneta keine Kenntniß. Auch über die 50 Jahre vor seiner
Zeit stattgefundene Eroberung Ungarns geht er mit wenigen
Worten fort. Der Eroberungszug der Magyaren aus Susdal war
über Kiew und Galizien gegangen, hatte mithin die Grenzen
dos griechischen Reichs nicht berührt und so scheint dieser Zug
damals bereits vollständig in Vergessenheit gerathen zu sein.
Da ferner Constantin sogar den Arpad von den Petschenegen
geschlagen und verfolgt sein 121) läßt, so verwechselt er offenbar
die Niederlage der schwarzen Ungarn und deren Flucht nach
Pannonien mit dem Eroberungszug der Magyaren dahin. Beide
Ereignisse liegen ja auch höchstens drei Jahre auseinander und
stehen gewiß in Zusammenhang! Zwischen den schwarzen Un
121) Constantin Porphyrogeneta de iinper. C. 38 p. 170.
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Von Victor von Keltach.
553
garn und den Etu moger gingen sicherlich Boten hin and
her. m) Den am Schluß des 40. Capitels mitgetheilten Stamm-
baum von Arpads Söhnen und Enkeln hat Constantin natürlich
erst aus einer zeitgenössischen Quelle geschöpft.
Die schwarzen Ungarn saßen nur wenige Jahre in Atel-
kusu. Im Jahre 892 hatten sie, wie schon erwähnt, einen
Raubzug nach Pannonien und Mähren unternommen. 893 waren
sie auf Anstiften des griechischen Kaisers in griechischen
Schiffen über die Donau gesetzt, hatten den Bulgarenfürsten
Simeon geschlagen und sein Land verwüstet. 894 unternahmen
sie, auf die Kunde von Swatopluks Tode, einen neuen Raubzug
nach Pannonien. Dieß hatte Simeon benutzt, sich mit den
Petschenegen verbündet, und die zurückgebliebenen Wachen
der Ungarn überfallen, Weiber und Kinder erschlagen und das
ganze Land verwüstet. Als die Ungarn von ihrem Zuge heim-
kehren, griffen Bulgaren und Petschenegen auch die Zurück-
kehrenden an, und schlugen sie so vollständig aufs Haupt, daß
nach den Annalen von Fulda fast ihr ganzes Heer vernichtet
wurde. Der Ueberrest warf sich in die Siebenbürgischen Kar-
pathen und zog nach Pannonien, wo sie um Bihar sich nieder-
lassen.
Der Anonymus notarius erzählt: Als Arpad ganz Ungarn
eroberte, war der Chasar 128) Marot m) von Bihar der Einzige,
der ihm mit Erfolg Widerstand leistete.
Wer dieser Chasar ist, woher er gekommen, hat bisher
Niemand gefragt. 126)
Er ist ohne Zweifel der Woiwode der chasarischen Ka-
baren. Aus dem Blutbade, das Bulgaren und Petschenegen
122) Einen solchen Verkehr zwischen den Türken an der Donau und
ihren nach Persien geflohenen Stamm -Genossen bezeugt ausdrücklich Con-
stantin C. 38 p. 171.
123) Engel, Geschichte von Ungarn S. 68.
124) Dieser Marot scheint identisch mit dem Marcholt von Sieben-
bürgen in der Altdeutschen Helden-Sage bei W. Grimm.
125) Feßler, Geschichte von Ungarn I S. 55 will die Kabaren in den
Paloizen des nördlichen Ungarns auffinden. Mit welchem Recht?
Altpr. Monatsschrift Bd. XX UL Hft. 7 u. a 36
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564
Der bairiache Geograph.
unter den schwarzen Ungarn angerichtet hatten, muß grade der
Chasarische Klan entkommen sein; sei es, daß diese als chasarische
Elite-Truppen bessere "Waffen oder bessere Mannszucht gehabt.
"Wenn auch anzunehmen ist, daß die Trümmer der sieben übrigen
Stamme sich ihnen angeschlossen, so waren nach der doppelten
Niederlage jedenfalls die schwarzen Ungarn damals zu schwach,
als daß man ihnen die Eroberung von ganz Ungarn zuschreiben
könnte. Die Macht Marots und seiner Ohasaren mochte eben
hinreichend sein, nur das Gebiet von Biliar zu besetzen und
festzuhalten. Daß diese Chasaren um Bihar wirklich die Ka-
baren sind, folgt aus Constantin, der bestimmt sagt : „Sie stehen
noch heut in allen Kriegen der Türken an ihrer Spitze. Es
steht also fest, daß die schwarzen Ungarn schon vor den Ma-
gyaren in Bihar festen Fuß gefaßt haben.
Nach seinem Tode scheint Bihar an das Haus Moglut,
Nachkommen des Hetu Moger Tuhutum, der das westliche
Siebenbürgen erobert hätte, gefallen zu sein. Aus der späteren
Geschichte erhellt, daß das schwarze Ungarn nicht blos Bihar,
sondern auch die Umgegend von Fejervar (Karlsburg) umfaßte.
Das war ein fast selbstständiges Fürstenthum. Erst 1003 wurde
dieß schwarze Ungarn von König Stefan erobert und mit dem
übrigen Ungarn vereinigt. 126)
Die Glaubwürdigkeit des Anonymus ist vielfach ange-
zweifelt worden, weil er sich viel Uebertreibungen, viel ruhm-
redige Ausschmückungen zu Schulden kommen läßt. Der Sieg
über die so viel später erst auftretenden Kumanen, Eroberung
des damals noch nicht erbauten Wladimir, die Namen Bults
und Lehel, ungarische Feldherren aus der Schlacht am Lech,
die er als Unterfeldherren Arpads nennt, ist offenbare Geschichts-
Fälschung. Trotzdem sind seine übrigen Nachrichten: Herkunft
aus dem Orient, Aufenthalt in Susdal, Vorbeimarsch an Kiew,
Einbruch durch die nördlichen Karpathen, die rasche Eroberung
von ganz Ungarn, sicher aus alten zuverlässigen Quellen ge-
126) Gebhardi Geschichte von Ungarn I, S. 431.
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Von Victor von Keltsrh.
555
schöpft Wenn er nichts von Lebedia, Atelkusu, nichts von
der Niederlage und Flucht vor Bulgaren und Petschenegen be-
richtet, so ist das kein wissentliches Verschweigen von That-
sachen. Der Anonymus kannte einfach den Constantin Porphy-
rogeneta nicht. Er schrieb auch nicht die Geschichte der
schwarzen Ungarn, sondern seines eignen Volkes, der Magyaren,
also der weißen Ungarn. Ohne die Kabaren zu nennen, ohne
die Schicksale der ihnen verbündeten Ungarn an der Donau zu
kennen, weiß der Anonymus dennoch, daß nach Vertheilung des
eroberten Landes an die sieben Stammfursten, noch eine un-
bezwungene Landschaft zwischen Köröa und Bega vorhanden
ist, über die ein unabhängiger Fürst von Chasarischem Blut
herrscht. Ja dieser Marot droht den Magyaren sogar mit dem
griechischen Kaiser, als seinem Bundesgenossen. Kaiser Leo
hatte ja kurz vorher die schwarzen Ungarn zum Kriege gegen
Simeon angestiftet. m) Das ist doch zweifellos Ergänzung der
von Constantin überlieferten Ereignisse.
Auch die zwei verschiedenen Eingangsthore, nämlich der
Magyaren durch die nördlichen Karpathen, der schwarzen Un-
garn aber durch Siebenbürgen, wie Constantin sagt, bezeugen,
daß damals zwei verschiedene Völker fast zur selben Zeit oder
höchstens drei bis vier Jahr auseinander, in Ungarn eingewan-
dert sind.
Wir kommen nun zum sechsten Abschnitt. Der Geograph
geht über „Wislane", das Weichselland an die Oder zurück.
Während er bei den zuletzt von ihm genannten Völkern nur
die Namen derselben zu sagen weiß, sind ihm die Gaue in der
Nachbarschaft seiner Diöcese wieder vollständig bekannt. Er
bestimmt die Größe derselben, indem er bei jedem die Anzahl
der Grode anzugeben vermag. Nur über die Reihen-Folge
scheint er nicht ganz im Reinen zu sein.
„Sleenzane 15 Grode". Der Gau Zlesane, bei Thietmar
Silensi, nach dem Berg Zlenz 128), dem heutigen Zobtenberg,
127) Leo Grammaticus p. 267.
128) Stengel, schles. Pr.-Bl. 1832.
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556
Der bairische Geograph.
benannt, reichte von der Oder westlich bis an den Propsthainer
Spitzberg, und vom Riesengebirge und der Neisse nördlich bis
an die Katzbach und bis zum Rennweg m) bei Goldberg.
„Lunsici 30 Grode." Die Wenden in der Nied er -Lausitz.
Sie scheinen schon sehr früh hier eingewandert zu sein, da ich
die Armalausi der Peutinger' sehen Tafel — nördlich von den
Markomannen — hier ansetzen möchte. Die Grenzen der Lun-
sici waren östlich der Bober, südwestlich die schwarze Elster,
nördlich die Sorben-Gaue diesseit der Elbe. Auch schied die
Diöcesan-Grenze zwischen den Bisthtimern Meißen und Branden-
burg Sorben und Wenden.
„Dadosesani 20 Grode". Der Gau Diadesi oder Diedesi
Thietmars. Ptolemäus hat in derselben Gegend ligysche Diduni
bis zum Asciburgischen Gebirge. Auch der Gau Diadesi scheint
ursprünglich, ehe die Untergaue Trebowane und Boborane davon
abgetrennt worden, bis ans Isergebirge gereicht zu haben. Seine
Grenzen waren nördlich die Oder, südöstlich die Katzbach und
der Rennweg über den Spitzberg bis zum Kemnitz-Kamm west-
lich Queis und Bober.
In den Kriegen zwischen Deutschen und Polen wurde
Diadesi fast vollständig entvölkert, so daß nicht mehr fest-
zustellen ist, ob seine früheren Bewohner wendisch oder lechitisch
waren.
„Milzane 30 Grode." Das sind die Milzianer der Ober-
lausitz, ein serbisches Volk. Schon oben ist erwähnt, daß hier
zum fünften Mal ein Name erscheint, der an die Urheimath der
Mygillonen am Dniepr erinnert.
„Besunzani mit 2 Groden." Ledebur setzt dieses Volk in
den Besunt-Wald an der Tolense. Das war aber kein Gau, son-
dern nur ein Grenzwald, der die Lande Havelberg und Möritz,
ebenso Möritz und Veprowe schied. iao) Es ist eher anzunehmen,
daß dorthin bei Kriegszeiten, ein flüchtiger Volkstheil der Be-
129) Rainweg, Grenzweg.
130) Riedel, Mark Brandenburg S. 281.
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Von Victor von Keltach. 557
Bunzani -verschlagen sei. Ich suche den kleinen Gau Besnnzani
an der Ausbeugung der Oder bei Wrietzen, wo etwas später der
nach letzterem Ort benannte Gau Rinziani m) liegt. Da Besunzani
trotz seiner Kleinheit vom Geographen besonders genannt wird,
so kann es kein Untergau eines größern Gaues sein. Vielleicht
waren es slavisirte Biessi, die hier hinter der Oder Schutz gesucht
haben, bei Ptolemäus aber noch an den Karpathen (Beskiden)
genannt werden.
Im Wald Blumenthal bei Biesow sind Mauerreste einer
alten Stadt vorhanden. Ein Biesdorf liegt dicht bei Wrietzen.
Das dürften die zwei Bezirksburgen gewesen sein. Beide erinnern
an den alten Volksnamen.
„Verizane 10 Grode." Der nördlichste Gau, den der Geograph
hier erwähnt. Es ist schon von Ledebur nachgewiesen, daß dies
verschrieben für Ucrizane, die Ukraner im Uckerlande. Da nach
Ptolemäus genau in dieser Gegend ein Volk Awarpi 182) zu stellen
kommt, so halte ich die Ukraner, schon ihrem Namen nach,
für ein awarisches oder türkisches, also uigurisches Volk. Es
ist zu beachten, daß auch die Longobarden bei ihrer Wanderung
aus Maurungania an der Elbe nach Golandia auf ein Hunds-
köpfiges Volk treffen, das Menschenblut trinkt, daß die Ukraner
sich jedes Mal erheben und die Grenzen des deutschen Reichs
verwüsten, wenn die Ungarn einen Einbruch nach Deutschland
unternehmen. Das deutet auf alte Verbrüderung mit Ungarn,
die vielleicht noch aus der Zeit herstammt, als dort die Awaren
herrschten.
„Fraganeo 40 Grode." Auch dies halte ich verschrieben,
für Fraengawo oder Frawengo, der Frauengau, das Mägdeland
König Alfreds. Dieser bestimmt seine Lage zwischen Horiti,
i. e. das Horninland (Oberschlesien) und Sermande, i. e. das
europäische Sarmatien, bis zu den Riphäen (Ural). — Danach
würde der Frauengau in nachfolgenden Grenzen zu stehen kommen.
131) v. Leutech, Markgr. Gero.
132) Alt- und Neu-Warp erinnert an den alten Namen der Awarpi.
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558
Der bairische Geograph.
Südlich die Murow, westlich die Oder bis zum Einfluß der Bartsch,
nördlich der beim Hunds-Paß in die Oder mündende polnisch-
schlesische Landgraben, und von Lissa ab, der alte limes138) bis
Bieganowo bei Peisern, dann östlich die Prosna aufwärts bis zu
deren Quellen und wieder zum Ursprung der Murow. Die
40 civitates, die der bairische Geograph dem Frauengau zutheilt,
lassen sich in 40 alten Städtenamen (Grode) in dem von diesen
Grenzen umschriebenen Gebiet genau und richtig nachweisen. li4)
Auch Paulus Diakonus sagt ganz bestimmt, daß man das
"Weiberland an den äußersten Grenzen Germaniens — also jeden-
falls noch diesseit der "Weichsel — zu suchen habe. Er läßt
seine Longobarden hier sogar einen längeren Aufenthalt nehmen.
Da dies geschieht nach dem Aufbruch aus "Wurgundaib dem
nördlichen "Wurgimdenland an der "Wkra, und vor dem Einmarsch
ins Rugiland an der Donau, so stimmt er mit König Alfred
überein, der das Mägdeland ja ebenfalls an die Grenze Ger-
maniens setzt.
,,Lupiglaa 30 Grode.'' Ich halte ihn für das Land Lubus,
das spätre Bisthum Lebus. Schaffarik hat bereits nachgewiesen,
daß es statt Lupiglaa Lupiglava heißen müsse, also Haupt des
Lübbe. Da Thietmar diesen Namen niemals nennt, sondern nur
vom Lande an der "Warte spricht, so hielt er es für sündhaft,
den götzendienerischen Namen Lupiglava auszusprechen oder
gar niederzuschreiben; der bairische Geograph giebt diesem Gau
30 civitates. Dies bedingt eine viel größre Ausdehnung desselben,
als das nachmalige Land Lebus nach seinen Grenzen von 1336
hat. Es reichte mithin auf dem rechten Oder-Ufer gewiß bis
nahe an Glogau hinauf.
Seine Grenzen habe ich bereits anderweit185) genauer be-
133) Schon bei Ptolemäus, Lage von Groß-Germanien scheint der
Ihnes erwähnt. Unter den Städten des dritten Klima steht Limiosalemn,
das trifft genau auf Saula am limes.
134) Vergleiche meinen Aulsatz: Wo lag das Mägdoland? im 59ten
Bande des Neuen Lausitzischen Magazin — 1883.
133) ct. Mägdeland 8. 16.
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Von Victor von Keltsch.
559
schrieben. Sie reichten westlich bis an die Spree, nördlich über
die Warte, östlich bis an die Obra- Brüche, wodurch es von Polen
geschieden wird.
Da sowohl Lupiglava als auch Fraengo an Polen grenzen,
so ist es wunderbar, daß der Geo;>Taph Pulanaland mit keinem
"Wort erwähnt. Auch König Alfred kennt diesen Namen noch
nicht. Und doch waren zu der Zeit, als Beide ihre geographischen
Nachrichten niederschrieben, im Sarmatenlande wichtige Begeben-
heiten eingetreten, die Beiden unbekannt geblieben sind. Unter
den blonden blauäugigen Lechen hatte ein altaisch-uigurisches
Volk mit schwarzen Haaren und schwarzen Augen (die Bulanen
des Ptolemäus) Wohnsitze genommen. Anfangs wohl nur als
Aldionen 186) geduldet, war dies Volk bald so mächtig geworden,
daß Piast beim Xamensfest seines Sohnes Ziemowit den Landes-
fürsten Popiel selbst zu Gaste bittet. m) Dies spricht schon für
Gleichberechtigung beider Stämme. Bald darauf stürzt derselbe
Ziemowit den Popiel vom Throne, rottet seiu ganzes Geschlecht
aus und sein eignes Volk, die Pulanen, wird herrschender Adel,
die Lechen hörige Leute.
Die zwei letzten noch übrigen Gaue grenzen an das alt-
mährische Bisthum.
„Opolini, 20 Grode." Das ist Oberschlesien, hier nach der
Hauptburg Opol (Oppeln) vom Geographon benannt. Durch das
ganze Mittelalter galt Ober-Schlesien als ein von Schlesien ab-
gesondertes Land, welches das Oberland, Hornie-Land, genannt
wird. Die Bewohner desselben heißen bei K. Alfred Horiti.
Bei Cosmas wird das Land Chrowatia altera, zum Unterschied
von Bielo Chrowatia bei Krakau genannt.
136) Aldionen nach Longobarden-Recht auf fremden Grund und Boden
Angesessene.
137) Die beiden Fremdlinge, die bei diesem Fest erscheinen, sollen
Sendboten des Methodius gewesen sein. Ihre Absendung müßte aber nach
870 stattgefunden haben.
560
Der bairische Geograph.
Die 20 Grode stimmen genau mit den 20 Kastellaneien,
die Stenzel hier nachgewiesen hat.1*8)
Nördlich wurde das Hornieland durch die Murow vom
Frauengau, und durch die Neiße vom Gau Zlesane geschieden.
„Golensizi 5 Grode", i. e. Gallici, Gallische, Wälsche,
"Wallachen, die Nachkommen der keltischen Gotini des Tacitus
am Hercynischen Walde.189) Die Umgegend von Troppau hieß
urkundlich Golazisch, oder Golesisco. Noch heut sitzen um
Walachisch-Meseritz, Keltsch, und im Beczwa-Thal Walachen,
die sich durch weiß-blo-rdes Haar, Gesichtsfarbe und Kleidung
von den dunkeln Slowaken Mährens unterscheiden. Auch von
den Donau- Walaehen sind sie durchaus verschieden.
138) Stenzel und Tschoppe S. 75.
139) Die Gotini sind keine Gothen, sondern Kelten, ursprünglich aus
den Cottischen Alpen hierher gewandert.
Digitized bxlaP* ~~*
Die westliche Grenze der Landschaft Natingen
von
C. Beckherm.
In meiner Abhandlung „Das propugnaculum in introitu
terre Nattangie", Heft 3/4 des Bandes XXIII. dieser Zeitschrift,
führte die Untersuchung über die Lage dieser Befestigung dazu,
einen kleinen Theil der westlichen Grenze Natangens fest-
zustellen. Hierdurch dazu angeregt, möchte ich es versuchen,
auch dem übrigen Theile dieser Grenzstrecke nachzuforschen,
über welche die Meinungen bisher noch auseinandergehen. Das
Ergebniß dieser Nachforschung wird auch zugleich eine weitere
Bestätigung meiner in der gedachten Abhandlung ausgesprochenen
Ansichten sein.
Die oben als auseinandergehend bezeichneten Meinungen
sind bekanntlich die der Herren Dr. Toppen und Dr. Bender.
Der erstere zieht die fragliche Grenze von Hafestrom ab über
Kaigen nach Labehnen, läßt sie dann einen kleinen einwärts
gekehrten Bogen nach der Gegend von Pilzen beschreiben, von
hier aus in ziemlich gerader Linie etwa über "Worienen die Elm
erreichen und mit diesem Flüßchen hinunter zur Alle ziehen. *)
Die von Bender gezogene Grenze fällt bis zum Frisching mit
der von Töppen zusammen, liegt von hier ab aber die ganze
1) Vergl. Atlas zu Töppens hist. comp. Geogr. — Zur leichteren Orien-
tirung empfiehlt sich auch die Generalstabskarte, und zwar die Sectionen
Cumehnen, Pillau, Königsberg, Heiligenbeil, Pr. Eilau, Wonnditt und
Heilsberg.
5(32
Die westliche Grenze der Landschaft Natangen.
Strecke entlang auf der Grenze der jetzigen Kreise Heiligenbeil
und Pr. Eilau. 2) Die Abweichung ist also, wie man sieht, eine
nicht unbeträchtliche. Die Wahrheit dürfte, was den größesten
Theil des streitigen Feldes anbetrifft, nach der alten so oft zu-
treffenden sprichwörtlichen Redensart auch hier in der Mitte
liegen. Um dieses zu zeigen, ist zunächst ein kurzer Rückblick
auf die territoriale Entwickelung der hier in Betrachtung kom-
menden Verwaltungsbezirke des Deutschen Ordens zu werfen. 3)
Im Jahre 1251 erfolgte die Regelung der Verwaltung in
den eroberten Theilen Preußens und damit auch die Begründung
von Komtureien. Zu dieser Zeit entstanden zunächst, abgesehen
vom Culmerlande, die drei Komtureien Christburg in Pomesanien,
Elbing in Pogesanien und Balga (das Haus erbaut 1239) in
Warmien, welchen nach wenigen Jahren die von Samland mit
dem Hauptorte Königsberg (erbaut 1255), Natangen mit Krouz-
burg (erbaut ca. 1253) und Barten, deren Hauptort wahrscheinlich
Gerdauen war, folgten. Es liegt auf der Haud, daß die Gebiete,
welche diese ursprünglichen Komtureien umfaßten, sich mit
denen der altpreußischen Landschaften, in denen sie errichtet
wurden und deren Namen sie zum Theil trugen, deckten. Eine
Verschiebung der ursprünglichen Grenzen fand zuerst nach der
Erbauung des Hauses Brandenburg (12G6) statt durch Zutheilung
des warmischen Gebietes Wuntenowe (Huntenau) und des nördlich
daranstoßenden bis zum Pregel reichenden Stückes von Warmien
*
an die Komturei Natangen, nunmehr Brandenburg genannt,
während Balga den südlichen Theil Natangens, die später als
solche bezeichneten Kammorämter Pr. Eilau und Worienen er-
hielt. Eine weitere Abtretung natangischen Gebietes in der
nordöstlichen Ecke berührt uns hier nicht. Es mußte dem
Orden gleich nach der Eroberung der Landschaften daran liegen,
die Hilfsquellen derselben nutzbar zu machen ; daher beauftragte
er eingeborene Preußen, denen er Vertrauen schenken durfte
2) Zeitschr. f. d. Gesch. Ermlands II, 383 ff.
3) Nach Töppen'a hißt. comp. Geogr.
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Von C. Beckberrn.
563
und welche auch bei ihren Landsleuten in Ansehen standen,
deren persönliche Verhältnisse und Leistungsfähigkeit und die
localen Verhältnisse möglichst genau kannten, mit der Ein«
treibung des Zinses und Ueberwachung der sonstigen Leistungen.
Jedem derselben wurde zu diesem Zwecke in der betreffenden
Komturei ein bestimmter Bezirk zugetheilt. Es ist einleuchtend,
daß diese Bezirke überall die Grenzen der alten Landschaften
eingehalten und dieselben nirgends überschritten haben werden,
weil anders der beabsichtigte Zweck nicht in vollem Maße er-
reicht worden wäre, indem die Kenntnisse der eingeborenen
Aufseher und Zinseintreiber sich nur innerhalb ihrer engeren
Heimat ganz ausnützen ließen. So entstanden die Kammer-
ämter, welche unter dieser Benennung allerdings erst später be-
kannt geworden sind, nämlich in Brandenburg Huntenau,
Kreuzburg, Knauten und Domnau, in Balga Natangen, Zinten,
Pellen, Woria (Worienen), Pr. Eilau und Bartenstein. Gleich-
zeitig mit ihnen, meistens aber noch später, wurden haupt-
sächlich aus militärischen Rücksichten außer dem Haupthause
der Komturei noch einige andere feste Häuser errichtet, deren
dem betreffenden Komtur untergeordnete Kommandanten, die
Pfleger, zugleich auch mit der Verwaltung der ihrem Sitze be-
nachbarten Gebiete und mit der Aufsicht über die darin liegen-
den Kammerämter betraut wurden. In der Komturei Branden-
burg residirte ein Pfleger auf dem schon früher vorhandenen
Hause Kreuzburg, auch dürfte die vor der Gebietsveränderung
der Komtureien schon bestehende, auf der Stelle einer Preußen-
burg entstandene Lemptenburg (Lenzenburg) der Sitz eines
solchen Beamten gewesen sein. Von den Pflegerämtern der
Komturei Balga sind hier Bartenstein (erbaut ca. 1240) und
Pr. Eilau (ca. 1335) namhaft zu machen. Eine Erweiterung
erfuhren dann die Komtureien Brandenburg und Balga im
Jahre 1326, die erstere durch Zutheilung des mittleren, die
andere durch Zutheilung des südlichen Theiles der Komturei
Barten. Die ferneren Vergrößerungen können hier tibergangen
werden. Die neue Eintheilung des Landes nach der Säculari-
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584 Die westliche Grenze der Landschaft Nat&ngen.
sation erfolgte in der "Weise, daß die Komtureien aufgehoben
und deren Gebiete in kleinere Verwaltungsbezirke, die Haupt-
ämter, zerlegt wurden, wobei man darauf bedacht war, diese so
abzugrenzen, daß sie möglichst mit den früheren Unterämtern,
den Pflegerämtern u. s. w. der ehemaligen Komtureien zusam-
menfielen und besonders auch die bisherigen Abgrenzungen der
Kammerämter erhalten blieben, um den gewohnten geregelten
Gang der Verwaltung so wenig als möglich zu stören. In
späterer Zeit, namentlich im 17. Jahrhundert sind jedoch auch
Verschiebungen der ursprunglichen Grenzen der Aemter nach-
weisbar. Für unsere Gegend brachte diese neue Einrichtung
nur geringe Veränderungen, denn das neue Hauptamt Branden-
burg umfaßte den ganzen nordwestlichen Theil der ehemaligen
Komturei zwischen Haff und Alle in ihren alten Grenzen und
der nordwestliche Theil der Komturei Balga wurde auf der
Grenze der Kammerämter Zinteu einerseits 4) und Pr. E'lau und
Worienen andererseits in die Hauptämter Balga und Pr. Eilau
getheilt.
Diese gedrängte Uebersicht über die territoriale Entwicke-
lung der in Bede stehenden Verwaltungsbezirke zeigt, daß es
möglich ist, die Grenzen der alten Landschaften aufzufinden,
wenn man den Grenzen der Hauptämter resp. der Kammerämter
nachgeht. Einen viel unzuverlässigeren "Wegweiser geben die
Kirchspiele ab. Es läßt sich zwar annehmen, daß bei der ersten
Einrichtung der ältesten derselben ebenso wie bei der der Kammer-
ämter die Grenzen der alten Landschaften berücksichtigt worden
sind, es haben aber von je her durch Einschiebung neuer Kirch-
spiele und ganz besonders durch die neue Eintheilung nach Ein-
fuhrung der Reformation so bedeutende Veränderungen in ihren
Abgrenzungen stattgefunden, daß ihre jetzigen für unsere Unter-
suchung im Allgemeinen ziemlich werthlos sein werden, wenn
nicht etwa ihre Beweiskraft durch besondere Umstände verstärkt
wird. Dasselbe ist auch der Fall mit den jetzigen Kreisgrenzen,
4) Pollen war inzwischen mit Zinten vereinigt worden.
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Von C. Berkheim.
565
welche wegen der so sehr veränderten topographischen und
Bevölkerungsverhältnisse nach ganz andern Grundsätzen gezogen
sind als die Grenzen der alten Verwaltungsbezirke, von diesen
also oft sehr erheblich abweichen.
Das vorzüglichste Hilfsmittel zur Untersuchung der alten
Grenzen, die Urkunden, ist, wenn auch nicht in dem gewünschten,
so doch in ziemlich ausreichendem Maße im Cod. dipl. Warm.,
im Cod. dipl. Pruss. und namentlich in dem von A. Rogge ver-
öffentlichten Urkundenverzeichnisse des schwarzen Hausbuches
des Amtes Balga vorhanden, 6) ferner in desselben Verfassers
Schriftchen „Die Kirchen des Amtes Balga". Auch das in dieser
Zeitschrift enthaltene Verzeichniß der älteren Urkunden der
"Wallenrodtschen Bibliothek °) und die preußischen Regesten
von Dr. Perlbach liefern einige einschlägige Urkunden.
Indem ich bei dieser Untersuchung mit dem nördlichsten
Punkte der Westgrenze Natangens beginne, bin ich genöthigt,
einen dunkeln Punkt abermals zu berühren, welchen aufzuklären
allerdings schon wiederholt, und zwar von kompetenter Seite
versucht worden ist. 8) Es handelt sich dabei aber um einen so
interessanten Theil der Chorographie und Geschichte unserer
Provinz, daß der Forschungstrieb immer wieder von neuem an-
geregt wird; daher möge auch der hier unternommene Versuch
entschuldigt werden, welcher nicht eine endgültige Lösung der
Frage bezwecken soll — diese ist nur zu erwarten, wenn die
etwaige Auffindung weiterer Dokumente der Forschung neue
Anhaltspunkte darbieten würde — sondern nur zu zeigen beab-
sichtigt, daß es möglich ist, zwischen den widerstreitenden
Ansichten einen Mittelweg zu finden. Wenn ich bei dieser
Untersuchung auf Grund der Urkunden und der Terrainverhält-
5) Altpr. Monateschr. VI, 467 u. VII, 97.
6) L. c. XI, 263.
7) L. c. XI, 1 u. XII. 1.
8) Vergl. Voigt, Gesch. PrenHens I, Beil. Vm. Töppen,N.Pr.Prov. Bl.X.,
161 f. f., XI, 280. Derselbe Hiat. comp. Geogr. S. 130 f. f. Gebauer, N. Pr.
Prov. Bl. VIII, 356, X, 191.
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566
Diu westliche Grenze der Landschaft Natangen.
nisse zu einem andern Resultate gelange als Herr Dr. Töppen,
so wird mir, wie ich hoffe, das nicht im Hinblicke auf die
unbestrittene Autorität dieses hochverdienten Gelehrten als An-
maßung angerechnet werden, denn die in den betreffenden Urkunden
enthalteneu dunkeln Stellen lassen doch immer eine verschiedene
Auffassung zu.
Töppen und Bender haben, wie schon bemerkt, überein-
stimmend den nördlichen Theil der "Westgrenze Natangens von
Hafestrom her mit Ausschluß von Kaigen Ä) nach der Ein-
mündung des Stradick in den Frisching hin gezogen, gestützt
auf die bekannte, weiter unten genauer zu erörternde Urkunde
von 1246, durch welche einer von den Lübeckern an dem Hafen
der Lipza anzulegenden Stadt 2500 Hufen, in Warmien von der
Lemptenburg aus gegen Lipza und Natangen hin abzumessen,
verliehen werden sollen. Sie nehmen danach mit Recht das
Dreieck Lenzenberg, Hafestrom, Kobbelbude als warmisches
Gebiet in Anspruch. Mißt man nun, so gut es sich auf der
Karte ausführen läßt, dieses Dreieck aus, so ergiebt sich das
Resultat, daß es nur etwa ein Drittel des durch die Urkunde
bestimmten ca. 3Vs Quadratmeilen betragenden Areals enthält.
Daraus folgt die Nothwendigkeit, entweder die angenommene
Grenzlinie nach Norden und Osten oder nach Südosten hin
weiter hinauszurücken, um den Raum für das erforderliche Areal
zu gewinnen, oder denselben anderweitig zu suchen. 10) Im
ersteren Falle würde man dann das in Warmien abzumessende
Areal im Norden durch den natangischen Pregel und dessen
eingegangenen ehemals an Hafestrom vorbeifließenden Arm und
im Osten ungefähr durch eine Linie zu begrenzen haben, welche
von Jerusalem bis an den Frisching etwa zwischen Mahnsfeld
und Tharau zu ziehen wäre. Dem steht aber der Umstand ent-
9) Sclunien bei Dasburg (I. 103), das warmische Slinia der Friedena-
Urkunde von 1249.
10) Das wird noch schwieriger, wenn man mit Töppen (N. Pr. Prov.
Bl. X, 180) das Areal auf 7 Quadratmeilen berechnet.
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Von C. Beckherrn. 567
gegen, daß südlich von Königsberg natangisches Gebiet
lag, in welches nach einer Urkunde von 1327 vom Kneiphof
über den Haberberg ein "Weg (die jetzige Vorstadt) direct hinein-
führte. n) Unter Natangen kann hier nur die alte Landschaft
verstanden werden, denn von der späteren Uebertragung des
Namens derselben auf die Gebietstheile anderer Landschaften
kann zu jener Zeit, mit Ausnahme des bei Balga gelegenen
Kammerarates Natangen, noch keine Bede sein. Wollte man
dagegen versuchen, den erforderlichen Raum in südöstlicher
Richtung zu gewinnen, wodurch zugleich den Umrissen beider
Landschaften eine mehr abgerundete, daher natürlichere Form
gegeben wäre, so würde man auch hier sehr bald auf das
Kammeramt Kreuzburg, das altnatangische Territorium
Solidow stoßen.12) Es bleibt also nur die Richtung nach dem
Haffe hin übrig. Dieser folgend betritt man nun das oben an-
gedeutete vielbestrittene Gebiet, über welches ich, um den Gang
der Untersuchung über die Grenze nicht zu unterbrechen, meine
Ansicht in einem Excurse am Schlüsse dieser Abhandlung ent-
wickeln will, indem ich vorgreifend bemerke, daß dadurch die
eben besprochene Grenzstrecke keine Abänderung erleidet, in
ihrer Lage und allgemeinen Richtung vielmehr indirect be-
stätigt wird.
Südlich vom Frisching lag das warmische Territorium
"Wuntenowe, das nachherige Kammeramt Huntenau (die Huntau),
dessen Grenze gegen Natangen der "Wald Dalwin oder Dalbehn
(Albehne) bildete, von dem noch Ueberreste vorhanden sind,
welche sich nach der Lage der Orte Conradswalde, Amalienwalde,
Hermannswalde, Riemswalde, Albeneck, Albenort und Albenlauk
einigermaßen ergänzen lassen. Auch Sollecken wird in den
Amtsrechnungen des 18. Jahrhunderts noch als in diesem "Walde
gelegen erwähnt. ") Im Osten dieser natürlichen Grenze zieht
11) Perlbach, Altpr. Monatsschr. XVIII, 8, No. 18.
12) Dusburg III, 125.
13) Rogge, Altpr. Monatsschr. Vm, 827.
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568 Die westliche Grenze der Landschaft Natangen.
eich die Grenze zwischen dem Kirchspiele Pörschken. welches
dem Kammeramte Huntenau dem Umfange nach entspricht, und
dem Kirchspiele Kreuzburg hin. Dieselbe Grenze scheidet
jetzt hier auch die Kreise Heiligenbeil und Pr. Eilau
und ist im Allgemeinen als die Grenze der alten Land-
schaften Warmien und Natangen anzusehen, wie schon
Bender bemerkt hat. 14)
Weiter südlich begegnen wir den urkundlich zum Kammer-
amte Zinten (resp. Pellen) gehörigen, mithin auf warmischem
Boden gelegenen Orten Domlitten16), Nemritten 16), Clau-
sitten 17), Bükühnen 18), Maraunen 1B), und dem Walde
Dinge, welcher nach den Amtsrechnungen zum Amte Balga
gehörte. 20) Diesen Orten steht auf natangischer Seite zunächst
Korschellen gegenüber. Dieser jetzt zum Kirchspiele Zinten
gehörige Ort hatte früher bis etwa 1584 dem Kirchspiele Kreuz-
burg angehört. 21) Er ist von Kreuzburg eine Meile, von Zinten
aber nur V* Meile entfernt und würde also wohl von Anbeginn
diesem zugetheilt gewesen sein, wenn man nicht die alte Land-
schaftsgrenze bei der Abgrenzung berücksichtigt hätte. Der
benachbarte Ort Schmerkstein lag auch im Amte Branden-
burg28), also ebenfalls auf natangischem Boden. Etwas weiter
im Innern finden wir die Orte Gr. und Kl. Labehnen, deren
einer von Töppen für das Labegow der Friedensurkunde von 1249
gehalten wird,23) woselbst die Natanger eine Kirche bauen sollten.
14) Zeitsohr. f. d. Gesch. Ermlands II, 385.
15) Urkundenverzeichn. bei Rogge a. a. O. No. 96. — Zinten und
Pellen waren zeitweilig unter dem einen oder dem andern Namen mit
einander combinirt.
16) L. c. No. 107.
17) L. c. No. 93.
18) L. c. No. 248.
19) L. c. No. 42 u. 53.
20) Rogge, Altpr. Monatsschr. V, 136, Anmerk. 52.
21) Rogge, Kirchen des Amtes Balga, S. 21.
22) Urk. Verz. b. Rogge No. 329.
23) Hist. comp. Geogr. S. 19.
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Von C. Beckherrn.
509
Diese Ansicht wird dadurch bestätigt, daß einer dieser Orte in
einer Urkunde des Brandenburger Hausbuches auch Labiau
genannt wird. 24) Rogge findet zwar das alte Labegow bei
Friedland, woselbst eine Urkunde ein Gut Labias erwähnt,26)
man wird aber den Namen Labegow, gesprochen Labegau, viel
leichter in Labiau als in Labias wiederfinden. Von Schmerkstein
am Rande der Dinge weiter östlich fortschreitend treffen wir
auf den Ort Krücken (Krücke), bekannt durch die Niederlage
der Ordenstruppen im Jahre 1249, welcher nach Dusburg der
Landschaft Natangen angehört. 20*) Das weiter östlich gelegene
Pompicken gehörte noch zum Amte Balga, also zu "Warmien. 26 b)
Südlich von diesem Orte finden wir den alten Grenzwall,
welcher sich westlich von dem von Dusburg erwähnten natangi-
schen Orte Görken (Gerkin)27) zwischen Schläuthienen auf
natangischer und dem westlich davon gelegenen Schloß berge
auf warmischer Seite über Jerlauken bis zum Schloßberge
nördlich Pilzen, dieser wieder auf natangischem Gebiete,
hinzog. 28) Hier hat die Grenze beider Landschaften ihren öst-
lichsten Punkt erreicht und wendet sich nun nach Südwesten.
Als erstes urkundliches Grenzmal der folgenden Strecke
auf natangischer Seite begegnet uns hier Lölken,29) dann
24) 1394. Marienburg. Conr. v. Jungingen, HM., verleiht dem Ihlow
30 Hufen in den Feldern Labehnen und Barselauken und 15 Hufen auf dem
Felde Maraunen mit der Mühle zu Labiau. (Perlbach, Altpr. Mschr. XI, 264).
25) Altpr. Mschr. VII, 526.
26 a) Dusburg HI, 65.
26b) Rogge, Kirchen des Amtes Balga S. 12, Anmerk. 23b u. S. 14,
Anmerk. 25, 3. Abschn.
27) Dusburg HI, ia3.
28) Vergl. meine Abhandl.: Das propugnaculum etc. Bd. XXIU, S. 297
dieser Zeitschr. Die dort erwähnten kleinen Wallstücke, welche am süd-
lichen Fuüe des Schloßberges mit der Richtung von Westen nach Osten
liegen, scheinen nicht Ueberreste einer Landwehr gewesen zu sein, sondern
zur Befestigung des Schloßberges gehört zu haben. Sie sollten wahrschein-
lich den Zugang von Süden her sperren.
29) Urk. Verz. b. Rogge No. 208. Daselbst zu lesen Lölken statt
Colken.
Altpr. MoiittUachrift Bd. XXIII. Hf t 7 u. «. 37
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570 Die westliche Grenze der Landschaft Natangen.
Orschen (Arischen),80) Wildenhof, Canditten S1) und Hop-
pe ndorf.92») In dem Räume zwischen der Dinge, Krücken,
Pompicken und dem eben gedachten Grenzwalle liegen nach
der warmischen Seite hin noch nahe bei einander die Orte
Supplitten, Alkehnen, Wackern, Skerwitten und Bor-
n ebnen, über welche keine Urkunden aufgefunden werden
konnten, nach Lage und Richtung des Grenzwalles kann es
aber nicht bezweifelt werden, daß diese Orte warmisches Gebiet
einnahmen. 3ab) Durch Urkunden ist dieses erst bei den etwas
weiter westlich gelegenen Husyehnen, Rositten und Sodehnen
(Sitteinen) bezeugt. 88) Daran schließen sich weiter südwestlich
Gallingen (Galeinen, ehemals Peterkeim) 84), Augam und
Quehnen (Keweinen). 85) Hier läßt sich die Grenze noch ge-
nauer feststellen. Der Zintensche Kirchen-Visitations-Rezeß von
1543 hat den Vermerk, daß ein Einwohner von Quehnen das
wüste Gut Auctogarben an der eylauischen Grenze im Besitz
habe. 8e) Auctogarben heißt Hochberg, Hohenberg. In der
Nähe von Quehnen liegt nur ein durch seine Höhe ausgezeich-
neter Berg, nämlich der 602 Fuß hohe Ramrasche Berg süd-
80) L. c. No. 327.
81) L. c. No. 262.
82a) L. c. No. 187.
32b) Die Grenze zwischen den Aemtern Balga und Pr. Eüau muH in
dieser Gegend im 17. Jahrh. eine Verschiebung nach Westen erfahren haben.
In einer Beschreibung des Amtes Pr. Eilau aus dem Anfange des 18. Jahrb.
(Manusc. auf der Wallenrodt'schen Bibliothek), welche nach Amtsrechnungen
des 17. Jahrhunderts verfaßt ist, werden nämlich die Orte Pompicken, Al-
kehnen, Wackern, Bornehnen und Sodehnen als zum Amte Pr. Eilau ge-
hörig erwähnt. Nun lag aber von diesen Orten nach Urkunden von 1475
und 1558 Pompicken (vergl. Anmerk. 26b) und von 1584 Sodehnen (vergl.
Anmerk. 38) im Amte Balga, folglich wird das ursprünglich auch der Fall
gewesen sein bei den andern, von denen Bornehnen auf, die übrigen westlich
der Linie Pompicken-Sodehnen hegen.
83) L. «. No. 275.
84) L. c. No. 182 und 327.
35) L. c. No. 312.
36) Altpr. Mschr. VII, 608.
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Von C. Beckhern).
571
östlich des genannten Ortes, und bei diesem muß Auctogarben
jedenfalls gelegen haben. An der südöstlichen Seite dieses
Berges zieht in nicht bedeutender Entfernung der Haupt-
höhenzug des Stablack (die westliche wie ein Gebirgskamm
gestaltete Hügelkette) vorüber; dieser dürfte hier also als die
eigentliche Grenzscheide anzusehen sein und das um so mehr,
weil sein östlicher und zum Theil auch der westliche Fuß auf
eine bedeutende Strecke von unpassirbaren Brüchen und Sümpfen
begleitet wird. Noch näher dieser natürlichen Grenzscheide
liegt Garbnicken und weiter zurück Liebnicken (Lipp-
nicken), Sangnitten (Santenitten), Rimlack und Worschienen,
sämmtlich zum Kammeramte Zinten gehörig. 87)
Um den südlichsten Theil der Westgrenze Natangens zu
bestimmen, ist es erforderlich, die nachstehenden Urkunden
einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.
1. Die Beschreibung der Grenze zwischen dem Bisthum
Ermland und dem Gebiete des Ordens vom Jahre 1374. 88)
Von Wilknit ab soll man gehen über das Fließ Warne
geradeaus zu einer gezeichneten Eiche an einem Wege,
dann zu einer andern Eiche, welche die Ortgrenze der
Stadt Mehlsack bezeichnet, so daß das Dorf Peythunen
dem Bisthum und Schönborn dem Orden verbleibt. Von
hier soll man zu der Grenze des Dorfes Guttenfeld und
weiter zu einer gezeichneten Eiche, stehend zwischen
Guttenfeld, Piauten und Seefeld, gehen, so daß Guttenfeld
dem Orden und Piauten dem Bisthum verbleibt. Von
dieser Eiche ist zu gehen zu einem Pfahle, welcher an dem
Flusse Walsch gesetzt ist, so daß das Dorf Wosekaym
[nicht mehr vorhanden] dem Orden und Seefeld dem Bisthum
in ihren alten Grenzen verbleiben. Dann soll man weiter
gehen zu einem gezeichneten „Stucke" auf einem Berge,
37) ürk. Vera. b. Rogge No. 251 u. 262.
38) Cod. dipl Pruas. III. No. 119. Der erste und letzte Theil sind
hier fortgelassen.
37*
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572
Die westliche Grenze der Landschaft Natangen.
derart, daß "Woppen und Paulen dem Bisthum und Jotyne
[nicht mehr vorhanden] und Schwadtken dem Orden ver-
bleiben. Von hier geht man nach dem See Kewtir hin
[östlich Paulen] zu dem Punkte, an welchem das Dorf
Kewtir [nicht mehr vorhanden] mit Stabunken grenzt.
Kewtir soll dem Orden, Stabunken dem Bisthum verbleiben.
Von demselben Fließe [es ist vorher gar nicht erwähnt —
die Drewenz] soll man zu den Grenzen des Dorfes Glandau
gehen, derart, daß dieses Dorf in dem Antheile des Ordens
und Stabunken in dem des Bischofs in ihren alten Grenzen
verbleiben. Ferner geht man zu der Ortgrenze von Glandau,
welche dieses Dorf von Workeim scheidet, dann zur Ort-
grenze von Hanshagen. "Workeim verbleibt dem Bischof,
Hanshagen dem Orden.
Folgt man dieser Beschreibung auf der Generalstabskarte,
so findet man, daß die Grenze des Bisthums Ermland in ihrem
mittleren Theile sich genau mit der nordöstlichen Grenze des
jetzigen Kreises Braunsberg deckt, diese ist daher besonders
geeignet, als Grundlage für die weitere Untersuchung zu dienen.
2. Die Grenzbeschreibung vom Jahre 1251. 89)
Von der Mündung der Rune in das Haff soll man
aufwärts gehen bis zu deren Quelle, von da bis zu dem
Walde, welcher Natangen und Plut scheidet, derart,
daß dieser Wald zur Hälfte an das Bisthum fällt
(ita quod nemus idem per medium Diocesis nostre cedat).
Jenseits des Waldes soll man zur Alle gehen, so daß das
Dorf Katzen eine halbe Meile von der Grenze entfernt bleibt.
Plut ist das warmische Territorium dieses Namens, welches
das um das heutige Kirchdorf Piauten, den dabei gelegenen
Wallberg, die Stätte des ehemaligen bischöflichen Schlosses
Plut, und den Walschsee, ehemals ebenfalls Plut genannt, herum-
gelegene Gebiet einnahm. Aus der obigen Urkunde erfaliren
39) Cod. dipl. Warm. D. No. 26.
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Von C. Beckherrn.
573
wir, daß es an Natangen grenzte und von dieser Landschaft
durch einen "Wald geschieden war. Dieser "Wald wurde durch
die Grenze des Bisthums (die jetzige Kreisgrenze) in zwei Hälften
zerlegt, so daß die eine Hälfte auf den bischöflichen, die andere
auf den Ordensantheil des getheilten Gebietes entfiel, folglich
muß auch von dem Territorium Plut, welches dieser "Wald be-
grenzte, ein Theil dem Orden zugefallen sein, nämlich derjenige,
welcher nördlich der jetzigen Kreisgrenze liegt, d. i. das Kirch-
spiel Guttenfeld. Von dem "Walde waren im Jahre 1325 noch
Ueberreste im bischöflichen Antheile vorhanden, nämlich zwischen
dem "Walschsee (See Plut), welcher sich damals noch bis Piauten
ausdehnte, dem Dorfe "Woppen, der "Walsen und der Grenze mit
dem Ordensgebiete. Das bezeugt die Urkunde No. 3 (s. unten).
Seine Fortsetzung nach Norden, der Ordensantheil, ist also längs
der "Walsch hinauf zu suchen und zwar bis gegen Hoppendorf,
denn dieses lag, wie oben gezeigt worden, in Natangen. "Weiter
nach "Westen kann er sich nicht herumgezogen haben, denn
Guttenfeld wird in einer Urkunde von 1285 als Feld bezeichnet.
(Vergl. No. 4). Ein "Wald, welcher immer eine größere oder
geringere Breite besitzt, bildet keine scharf markirte Grenze,
daher ist hier die "Walsch, welche seinen östlichen Rand be-
gleitete, auf der Strecke von Woppen nördlich hinauf bis ungefähr
zu der Biegung westlich gegen Hoppendorf als die eigentliche
Grenze zwischen "Warmien und Natangen anzusehen. 40) Das
Territorium Plut erstreckte sich nördlich über Guttenfeld hinaus,
denn nach Urkunde No. 4 wurde dem Scumant zusammen mit
Guttenfeld auch Gr. und Kl. Steegen verliehen bis zum "Walde
bei Drogowitegen. Das ist unzweifelhaft der jetzige Steegener
"Wald, welcher sich an den oben zuletzt behandelten Theil des
40) Diejenigen Grenzwälder, in oder an denen sich keine zu bestimmt
markirenden Grenzscheiden geeignete Terraingegenstände vorfinden, seien
es natürliche, wie Flußläufe und langgestreckte schmale Bergrücken oder
künstliche, wie Wälle, Landwehren, müssen als neutrales Gebiet betrachtet
werden.
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574
Die westliche Grenze der Landschaft Natangen.
Kammeramtes Zinten anschließt Kl. und Gr. Steegen gehörten
Überdies zum Kirchspiele Guttenfeld. Auch für diesen nördlichen
Theü des Territoriums Plut kann von Gr. Steegen ab die
Walsen im Allgemeinen als Grenze gegen Natangen ange-
nommen werden, welche ihre Fortsetzung in dem Haupthöhen-
zuge des Stablack fand. Weniger bestimmt kann die Aus-
dehnung des Territoriums Plut nach Süden hin angegeben werden ;
wir ersehen nur aus Urkunde No. 5, daß das Dorf Lichtenau
ursprünglich zur Kirche Piauten gehört habe.
3. 1325. Das Domkapitel verschreibt dem Marquard
ßorwurm 32 Hufen in dem "Walde zwischen Pluth und
dem Felde Wuppen. Begrenzung: Anfang an dem "Wasser
Walsen, wo sie den Weg von Wuppen nach Poykyn [nicht
mehr vorhanden] durchschneidet auf 30 Seil gegen Wuppen
neben dem Wege geradeaus zu einem Grenzmale, von da
zu einer Eiche neben dem See [Walschsee] gegenüber dem
Schlosse [Plut]. Von hier den See hinab zu einem andern
Grenzmale in dem Walde, welcher von den Preußen der
heilige Wald genannt wird. Von dort 33 Seil zu dem
Walde gegen Poykyn hin und dann zum Anfangs-
punkte. 41)
4. 1285. Balga. Der Landmeister Conrad von Thierberg
verschreibt dem Sudauer Scumant das Dorf Steynio [Steegen]
mit seinem Gebiete bis zum Walde bei Drogowitegen, die
Wiese Penkowes und das Feld Labalaucs [d. i. zu deutsch
Gutenfeld]. Unter den Zeugen : Härtung, Komtur zu Balga. *')
5. 1326. Verschreibung des Domkapitels über 70 Hufen
zum Kirchdorfe Lichtenau. Bis zur Erbauung einer eigenen
Kirche sollen die Einwohner bei Piauten eingewidmet
bleiben.
6. Beschreibung der Grenze zwischen dem Bisthum
Ermland und dem Ordensgebiete vom Jahre 1254. ")
41) Cod. dipl. Warm. D. No. 221.
42) Cod. dipl. Pruas. I, No. 168.
43) Cod. dipl. Warm. D. No. 91.
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Von C. Beckherrn.
575
Von der Mündung der Rune in das Haff aufwärts zu
gehen bis zu einem Tannenwalde [Mehlsacker Heide],
welcher zu dem Bisthume gehören soll; von da geradeaus
zu dem "Walde, welcher Plut und Natangen in der
Richtung auf den Grenzpunkt mit Wore scheidet.
Durch die Mitte dieses Waldes weiterzugehen bis zur
Alle. (A quo — von dem Tannenwalde — directe proce-
ditur usque ad nemus, quod dividit Plut et Natangiam
versus confinium Wore, per cuius nemoris medium eundo
usque ad fluvium Alne.)
Wore ist ein altes Territorium, ein Theil des späteren
Kammeramtes Woria oder Worienen der Komturei Balga, dessen
ursprüngliche Zugehörigkeit zu Warmien oder Natangen nicht
sicher festgestellt ist. Das confinium Wore ist der Punkt,
an welchem die Gebiete von Plut, Natangen und Wore
aneinander stießen. Der Wald, welcher in Plut längs der
Grenze mit Natangen sich hinzog, nahm seine Richtung auf
diesen Punkt, dieser hat also an einem der beiden Enden des
Waldes gelegen. Im Norden ist nur warmisches und natangi-
sches Gebiet zu finden, daher ist das confinium am südlichen
Ende zu suchen. Aus Mangel an weiteren Anhaltspunkten
läßt es sich nicht bestimmt ermitteln, wie weit der Grenzwald
sich südlich über die Bisthumsgrenze oder jetzige Kreisgrenze
hinaus erstreckt habe; ich vermuthe sein südliches Ende da, wo
die Walsen aus ihrem nord-südlichen Laufe sich westlich gegen
den Walschsee wendet und wo wir später den Ort Woppen
finden. Hier an dem Knie der Walsch möchte ich auch
das confinium Wore suchen, von dem aus längs der Walsch
nach Norden hinauf die Ostgrenze von Plut und die Westgrenze
von Natangen, in südlicher oder nahezu südlicher Richtung aber
die Ostgrenze von Plut und die Westgrenze von Wore noch
eine Strecke neben einander hinliefen. Von diesem Punkte
ging ferner die Grenze zwischen Wore und Natangen in nord-
östlicher Richtung aus. Sie läßt sich weiterhin nur annähernd
bestimmen, zunächst durch den Ort Worlack, welcher urkund-
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Die westliche Grenze der Landschaft Natalen.
lieh als im Kammeramte Worienen gelegen erwähnt wird. 44)
"Weiter nach Nordosten hin liegen Landsberg, "VVoymanns und
"Worienen, welche Toppen als Ortschaften des Kammeramtes
"Worienen aufzählt. 45) Derselbe läßt in seinem Atlas als Ost-
grenze im Allgemeinen die Elm bis gegen die Alle hin gelten,
ich möchte hier jedoch noch den Ort Worglitten mit in die
Grenze hineinziehen, und zwar weil sein Name die Wurzel
"Wor enthält. Im südwestlichen Theile des gedachten Kammer-
amtes macht Töppen die Orte Petershagen und Glandau nam-
haft. Hier würde ich die Grenze aus demselben Grunde noch
bis über Workeim hinausrücken und diese dann in nordwest-
licher Richtung die Grenze von Plut südlich "Woppen erreichen
lassen. Die Hineinziehung der Orte Worglitten und Workeim
in die Grenzen des Territoriums Wore scheint mir deshalb an-
gezeigt zu sein, weil ihr Name dieselbe Wurzel enthält wie der
des Territoriums und weil sie nicht fern von denjenigen Orten
liegen, welche anerkanntermaßen zu demselben gehören, ins-
besondere von denen mit gleicher Abstammung ihrer Namen.
Dieses Verhältniß dürfte die Zusammengehörigkeit dieser Orte
in irgend einer Beziehung andeuten. Dagegen ist es nicht
statthaft, aus diesem Grunde auch die Orte Worschienen und
Wormen des Kammeramtes Zinten in die Grenzen des Terri-
toriums Wore, wie es zur Zeit der Ankunft des Deutschen
Ordens bestand, hineinzuziehen, denn sie waren von diesem
thateächlich durch dazwischenliegendes natangisches Gebiet ge-
trennt, wie oben nachgewiesen worden ist. Wenn ein Zusammen-
hang zwischen beiden Theilen jemals stattgefunden haben sollte,
so würde derselbe in eine sehr frühe Zeit zurückzuverlcgen
sein, in welcher Preußen von anderen Völkern bewohnt und
seine Eintheilung eine andere gewesen sein mag, als der Orden
bei seiner Ankunft sie vorfand. 4<J) Trotzdem daß ein nicht
44) Altpr. Mschr. XI, 271.
45) Hist. comp. Geogr. S. 201.
46) Der Umfang des Gebietes, in wolchem Ortsnamen mit der Wurzel
Wor vorkommen, läßt sich noch bedeutend erweitern. Es erstreckt sich
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Von C. Berkheim.
577
unbeträchtlicher Theil der eben besprochenen Ortsnamen auch
im alten Warmien zu finden ist und der Namo der Landschaft
selbst an jene Namen und den des Territoriums "Wore anklingt,
möchte ich dieses doch nicht als zu Warmien. sondern zu
Natangen gehörig betrachten, weil erstens es wie ein Keil tief
in natangisches Gebiet eindrang und zweitens weil es später
als Kammeramt mit dem auf natangischem Gebiete errichteten
Kammeramte Pr. Eilau zum Hauptamte dieses Namens ver-
einigt wurde.
Das Resultat bezüglich der Ermittelung der warmisch-
natangischen Grenze wird, wie es sich auf Grund der Urkunden
und aus chronikalischen Nachrichten ergeben hat, noch wesent-
lich bestätigt durch gewisse Terrainverhältnisse, welche längs
im Westen bis in die Genend von Lunau, Kr. Brnunsberg, woselbst ein
Feld Worlauk in einer Urkunde von 1297 erwähnt wird (Cod. dipl. Warm.
No. 101), und bis Mohrungeu, wo die Orte Woritten und Workallon liefen,
im Süden bis nach Osterode, wo Worleinen und nach Allenstein, wo
Woritten zu finden ist. Die Östlichsttin Punkte bezeichnen Worplack bei
Rössel und Wormen bei Schippenbeil, den nördlichsten Worwegen (Wor-
beynen, Worwein) zwischen Zinten und Ludwigsort. Iunerhulb dieses
Bezirks sind außer den den oben bezeichneten engeren Kreis bildenden noch
zu nennen Worruditt, Wormen bei Olommen, südlich Pr. Eilau, und das
nicht mehr existirende 1308 urkundlich erwähnte Worayne, westlich Mehl-
sack. (Cod. dipl. Warm. No. 117). Vereinzelt kommen außerhalb vor
Worienen bei Königsberg und Worgullen bei Johannisburg. Eine andere
Gruppe wird gebildet von Worpillen bei Insterburg, WorupÖhnen bei
Gumbinnen, Worehlen bei Darkehmen und Woreningken bei Kaguit. Auch
in Westpreußen kommen einige vor, nämlich Wordel bei Flatow, Dt. Krone
und Danzig und Worle bei Neustadt. Bemerkenswerth ist noch, daß um
das Jahr 1M7 ein Besitzer von Schwengels und Sperglienen, beide in der
Nähe von Wormen und Worschienen südlich Zinten gelegen, den Namen
Michel Wörnern fuhrt. (Urk. No. 22t! bei Kogge). Es würde violleicht
lohnend sein, wenn ein Sprachforscher auch diese Namengruppen zum
Gegenstände einer Untersuchung machte, wie es mit andern bereits ge-
schehen ist. (Vergl. Nesselmann, Ueber altpr. Ortsnamen. N. Pr. Prov.
131. V, 4, 249, '2öi. Neumann, Ueber Damerau u. s. w. Ebendas. 211
Toppen, ebendas. VIII, 107. Hierüber auch Kolberg in Zeitschr. f. d. Gesch.
Ermlauds. Bezzenberger, Die litauisch-preuß. Grenze. Altpr. Mschr. XIX, G51.
Derselbe, Ueber die Verbreitung einiger Ortsnamen in Ostpr. Altpr.
Mschr. XX, 123.)
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578
Die westliche Grenze der Landschaft Natangen.
der gefundenen Grenzlinie theils gegenwärtig noch bestehen,
theils aus Urkunden hervorgehen. Es ist bekannt, daß die alten
Völker, namentlich die germanischen Stämme es liebten, die
von ihnen bewohnten Gebiete von denen ihrer Nachbarn durch
weite Einöden und besonders durch ausgedehnte Waldungen zu
scheiden. Diese Gewohnheit finden wir auch nach den Be-
richten der Chronisten bei den alten PreuBen, und die hier
untersuchte Grenze liefert ebenfalls ein Beispiel dafür. Ver-
folgen wir dieselbe, so nehmen wir wahr, daß sie auf dem
größesten Theile ihres Zuges von Waldungen begleitet war.
Der Wald von Plut im Süden fand nordwärts seine Fort-
setzung in der Wildniß des Stablack mit ihren unzugäng-
lichen Sümpfen und Brüchen 47) und weiterhin in dem gegen-
wärtig noch existirenden Pr. Eilauer Forste. Nach kurzer
Unterbrechung begegnen wir dann der Dinge, welcher sich
nördlich der Wald Dalbehn anschloß. Ueber die ehemaligen
Terrainverhältnisso längs der Grenzstrecke nördlich des Frisching
sind wir nicht unterrichtet. Die Lücken, welche dieser natür-
liche Grenzgürtel gegenwärtig aufweist, sind wahrscheinlich erst
unter der Axt der deutschen Einzöglinge entstanden, denn die
meisten werden von Ansiedlungen deutschen Namens einge-
nommen. Von den künstlichen Verstärkungsmitteln, von welchen,
wie die Germanen so auch die Preußen außerdem neben dem
47) 1516. Claus von Bach verschreibt dem Groger Bierwolf den
Ritterkrag. Au 8er andern Leistungen hat er dafür, wenn es gefordert wird,
mit vier Pferden und einem Wagen oder Schlitten drei Reisen zu thun auf
die Jagd gegen Pellen oder Augam [in der Nähe des Stablack]. — 1535.
Georg von Polenz verschreibt dem Jost von Uders das Gut Uders [nicht
bekannt]. Er soll auf der Jagd bei Augam helfen. — 1563. Herzog
Albrecht verschreibt dem Nickel von Lipnicken 12 Hufen zu Worschienen
[am Stablack]. Er hat sich des Jagens und Schießens in der WildniÄ
zu enthalten und von seinen Bienen die Hälfte des Honigs abzugeben. —
1619. Johann Sigismund verschreibt dem Wolf Heinr. ErbtruchseU zu Wald-
burg die Güter Augam und Quehnen, dazu freies Brenn- und Bauholz in
der Eilauer Heide und in der Stablackschen Wildnifl. (Rogge No. 173,
202, 251 u. 321.)
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Von C. Beckherrn.
579
natürlichen Grenzschutze noch Gebrauch machten, sind bei
unserer Grenze bis jetzt erst die spärlichen Ueberreste des
Landwehrwalles bei Schlauthienen und Pilzen aufgefunden worden.
Excurs über die Stadt der Lübecker in Samland und ihr
Landgebiet in Warmien.
Die Stellung der in der vorstehenden Abhandlung ge-
nannten Forscher zu dieser Sache ist in den Hauptpunkten die
folgende. Voigt hält alles Land zwischen Pregel und Frisching
in der Nähe des Haffs für natangisches Gebiet; daher sucht er,
gestützt auf den Passus der unten mitgetheilten Urkunde von
1246 (No. 2), welcher über die Abmessung der 2500 Hufen in
"Warmien handelt das für die Stadt der Lübecker bestimmte
Areal in einem als jetzt untergegangen anzusehenden Lande,
welches er den Theil des frischen Haffes zwischen Königsberg,
Lochstedt, Pillau, Balga und Brandenburg fast ganz ausfüllen
läßt. Davon soll der nördliche Theil zu dem alten Witlande,
der südliche zu "Warmien gehört haben. Der dieses Land durch-
strömende Pregel mündet irgend wo zwischen Balga und Pillau
ins Haff. Hier, wo er mehrere Inseln bildet, befindet sich der
Hafen Lipze und an diesem liegt die Stadt der Lübecker, von
der er vermuthet, daß sie noch um das Jahr 1258 bestanden
habe. Diesen Ansichten stimmt Gebauer im Allgemeinen bei.
Töppen dagegen deutet die betreffende Stelle der angezogenen
Urkunde in dem Sinne, daß die 2500 Hufen in dem bekannten
Dreieck nordöstlich Lenzenburg abzumessen seien,48) welches
ihm ausreichenden Raum dazu bietet, während es in Wirklich-
keit nur etwa den dritten Theil davon enthält. Er verwirft
daher gänzlich die Voigtsche Auslegung der Urkunde und somit
48) Beiläufig bemerkt, ist die Lenzenburg in dem Atlas zu Töppen's
hist. comp. Geogr. an einer unrichtigen Stelle gezeichnet,* sie liegt nicht
nördlich des Frisching bei Wangitt, sondern V4 Meile südwestlich Brandenburg.
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580
Die westliche Grenze der Landschaft Natangen.
auch dessen Hypothese über "Witland und die Ausdehnung
Warmiens ins Haff hinein und behauptet, daß der nördliche
Theü des frischen Haffes seit der Ankunft des Deutschen Ordens
keinerlei nennenswerthe Veränderungen erlitten habe. Die für
die Untersuchung wichtige, der Stadt der Lübecker gegenüber
gelegene Insel findet er in der untersten der drei Pregelinseln
bei Königsberg. Eine wichtige Stelle endlich in dem Privi-
legium der Stadt Fischhausen von 1305, aus welcher Gebauer
Schlüsse auf die Lage der Stadt der Lübecker zieht, wird von
Töppen auf Fischhausen bezogen.
Der leichteren Orientirung halber stelle ich nun nach der
Zeitfolge die Urkunden zusammen, welche der Untersuchung zu
Grunde zu legen sind, indem ich ihrem Inhalte nur die den
Gegenstand der Untersuchung betreffenden Stellen entnehme.
1. 1242 d. 31. Dez. Thorn. Der Landmeister H. von
Preußen, welcher erfahren hat, daß die Lübecker in Sam-
land eine zum Hafen für Seeschiffe geeignete freie Stadt
anzulegen beabsichtigen, theilt ihnen mit, daß er ihnen
einen dazu passenden Ort und die Hälfte der zwei Drittel
des Gebietes abtreten wolle, welche bei der Theilung
Samlands zwischen dem Bischof und dem Orden dem
letzteren zufallen würden. 4ft)
2. 1246 d. 10. März. Thorn. Heidenreich, Bischof
von Culm, entscheidet als Schiedsrichter den Streit des
Ordens mit den Bürgern von Lübeck über die Anlegung
einer freien Stadt im Samlande, bei welchem der Orden
behauptet hat, daß der darüber abgeschlossene Vertrag50)
durch Nichteinhaltung desselben seitens der Lübecker hin-
fällig geworden sei. Der Bischof bestimmt: der Orden
baut am Hafen der Lipza") eine Stadt, wobei die
49) Woelky-Philippi, Neues Preuß. Urkundenbuch No. 140.
50) Diese wichtige Urkunde ist bisher nicht aufgefunden worden.
51) Lipza ist der alt« Name des Pregels nach der Urkunde über die
Begrenzung der Bisthümer von 1243: Tertiam quoque limitavimus sicut
claudit recens mare ab occideute ad fluinen, quod dicitur Pregora sive Lipza.
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Von C. Beckherm.
581
Bürger mit Streitrossen und Schiffen Beistand leisten. In
der Stadt errichtet der Orden eine Burg. Die Bürger-
schaft erhält ein Sechstel von Samland und in "Warmien
2500 Hufen. Die Abmessung derselben soll von Lempten-
burg [Lenzenburg] aus erfolgen, auf der einen Seite
[von Lemptenburg] am Ufer hin gegen die Lipza,
auf der andern Seite gegen Natangen hin, bis daß
in Warmien selbst in einem zusammenhängenden
Stücke die Hufenzahl voll wird. (Habebunt etiam
cives in "Warmia mansos duo milia et quingentos
a Lemptenburc contra Lipzam mensurandos in litore in
una parte, et in altera contra Natangiam, donec in ipsa
"Warmia contigue ipsorum mansorum numerus impleatur).
Die Bürger erhalten außerdem die Fischerei bis Witlands-
ort. 52) Die Lemptenburg verbleibt dem Orden, die Bürger
dürfen sie aber ausbauen; bevor der Bau der Stadt beginnt,
ist sie dem Orden wieder einzuräumen. Die inneren Ge-
bäude dürfen die Bürger jedoch in die Stadt übertragen. 63)
Diejenige Stelle, welche von der Abmessung der 2500 Hufen
in dieser Urkunde handelt, macht sie zur wichtigsten für den
Gegenstand unserer Untersuchung. Um sie richtig zu verstehen,
versetze man sich im Geiste auf den allgemein als die alte
Lemptenburg anerkannten Lenzenberg bei Brandenburg, den
Ausgangspunkt der Messung. Nimmt man hier zuerst eine
solche Stellung an, daß man seine linke Seite der Pregel-
mündung zukehrt, so gewahrt man, daß sich der vorgeschriebenen
Messung auf dieser Seite keine Schwierigkeiten entgegenstellen,
denn man hat hier den Pregel und auch das Haffufer, welchem
entlang gemessen werden soll, daß aber auf der andern Seite
ganz "Warmien durchmessen werden kann, ohne jemals Natangen
zu erreichen. Nimmt man nun eine Stellung an, in welcher
man die Grenze Natangens gerade zur rechten Seite hat, so
52) Die Landzunge an der sudwestlichen Ecke des Samlands, wo an
dem damaligen Tief 1270 das Ordenshaus Lochstädt erbaut wurde.
53) Woelky-Philippi, Neu9s Preui. Urkundenb. No. 177.
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58'2 Die westliche Grenze der Landschaft Natangen.
läßt sich zwar wieder die Messung auf dieser Seite ausfuhren,
auf der andern dagegen, der linken, stellt sich hier unmittelbar
neben dem eingenommenen Standpunkte das Haff als unüber-
windliches Hinderniß entgegen und es fehlt hier der Pregel und
das Ufer, längs dem gemessen werden soll. Da die Annahme
ausgeschlossen ist, die beiden streitenden Parteien hätten in
dem Bischof von Culm einen mit den geographischen Verhält-
nissen des Landes ganz unbekannten Mann als Schiedsrichter
in einer so wichtigen Angelegenheit angenommen, welcher so
unsinnige Bestimmungen erlassen konnte, wie anscheinend die
über die Abmessung der 2500 Hufen, so ist man gezwungen,
für die damalige Zeit Terrainverhältnisse anzunehmen, welche
von den gegenwärtigen sehr verschieden sein mußten, damit
den für die Messung gegebenen Anweisungen gefolgt werden
konnte. M) Diese Anweisungen nun setzen an Stelle der jetzigen
Wasserfläche des Haffes die Existenz eines ausgedehnten zu
Warmien gehörigen Striches festen Landes voraus, welcher sich
in nordwestlicher, nördlicher und nordöstlicher Richtung von
der Lenzenburg erstreckte und nach diesen Richtungen hin von
dem Pregel begrenzt wurde, dessen Ausmündung in das Haff
der Anlegung eines Hafens günstig war. Von dieser nordwest-
lich von der Lenzenburg gelegenen PregelmÜndung aus, so wird
weiter vorausgesetzt, hat sich das Haffufer des gedachten Land-
striches zur Lenzenburg hingezogen, und zwar derartig, daß
wenigstens ein bedeutender Theil dieses Ufers die Lenzenburg
mit einer ungefähr senkrechten Richtung auf die weiter süd-
östlich vorüberziehende natangische Grenze getroffen hat. Eine
unbefangene Prüfung der obigen Urkunde muß zu dieser Er-
klärung als der natürlichsten führen, während eine auf die
jetzigen Terrainverhältnisse sich beziehende immer eine ge-
zwungene sein wird. Daher kann ich auch der Deutung des
Herrn Dr. Toppen nicht beistimmen, denn dieser will die
64) In ähnlichem Sinne hat auch Voigt diese Stelle der Urkunde
aufgefaßt.
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Von C. Berkheim.
583
Messung auf der einen (rechten) Seite nach Natangen aus-
fuhren lassen, auf der andern längs des jetzigen Haffufers
gegen den Pregel hin. Das ist aber nicht die andere (linke),
der Richtung nach Natangen also entgegengesetzte
Seite, es ist vielmehr die Richtung nach der Front mit einer
Neigung zur natangischen Seite hin, welche schließlich wieder
zur natangischen Grenze führt. Eine derartige Messung ent-
spricht durchaus nicht der vom Aussteller der Urkunde ge-
gebenen Anweisung. Aus dieser Urkunde läßt sich auch noch
das Folgende ohne allen Zwang herauslesen. Der Orden soll
in der zu gründenden Stadt eine Burg erbauen. Es ist selbstver-
ständlich, daß dieser Bau zuerst vorgenommen werden mußte, um
sogleich einen festen Punkt gegen feindliche Angriffe in dem
noch nicht unterworfenen Lande zu gewinnen. "Wir sehen
ferner, daß den Lübeckern die Lenzenburg bis zum Beginn des
Aufbaues der Stadt eingeräumt werden soll, sie soll also einst-
weilen die Stelle der in der Stadt anzulegenden Burg vertreten.
Dieser Bestimmung konnte sie aber bei der nicht ganz unbe-
deutenden Entfernung nur dann entsprechen, wenn zwischen
dem Bauplatze der Stadt und der Lenzenburg eine sichere
Verbindung herzustellen war, welche im Falle der Noth das
schnelle Heranziehen der auf der Lenzenburg untergebrachten
Reservemannschaft der Lübecker — sie sollten Streitrosse zum
Baue stellen — ermöglichte. Es mußte daher zwischen den
beiden Punkten festes Land vorhanden sein, auf welchem die
berittene Besatzung der Burg schnell und sicher bis zum Pregel
und dort mittels bereitgehaltener Fähren und auf Brücken zum
Bauplatze gelangen konnte. Die Lübecker sollten den Bau der
Stadt zwar auch durch Gestellung von Schiffen unterstützen,
diese konnten aber bei der Lenzenburg nicht immer zur Ein-
schiffung der Mannschaft bereit liegen, und außerdem war der
Transport zu "Wasser zu sehr von "Wind und "Wetter abhängig
und die Ein- und Ausschiffung von Mann und Roß viel zu
zeitraubend. Die Entfernung von der Lenzenburg bis zum
gegenüberliegenden Ufer der Landzunge von Peyse, woselbst,
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584
Die westliche Grenze der Landschaft Natanj^en.
wie weiter unten dargelegt werden soll, die Stadt lag, beträgt
ca. I1/* Meile, die nach der jetzigen Pregelmündung, wo nach
Töppen'8 Auslegung die Stadt zu suchen wäre, über Land mehr
als das Doppelte. Die Heranziehung der Truppen von der
Lenzenburg zur Unterstützung war also von jenem Punkte aus
viel leichter und schneller zu bewirken als von diesem. Dasselbe
gilt von einem nothwendig werdenden Eückzuge der Arbeiter
und Bedeckungsmannschaft zur Lenzenburg. Diese Burg würde
für den Bauplatz an der jetzigen Pregelmündung der bedeuten-
den Entfernung halber überhaupt kaum noch als Stützpunkt
und Zufluchtsort gelten können.
3. 1257 d. 14. Mai. Königsberg. Heinrich, Bischof
von Samland, urkundet über die Theilung des Berges, auf
dem die Burg Königsberg steht. Von den drei Theilen,
dem Platze, auf dem die Bausteine liegen, der Vorburg
und der zuerst erbauten Burg, wählt der Bischof den
letzten. Dann wird vom Pregel aus nordwärts ein Areal
abgemessen, (dessen Grenzen sich jetzt durch folgende
Punkte bestimmen lassen: Ostseite des löbnichtschen
Hospitals, löbnichtsche Kirche, östliches Ufer des Schloß-
teiches, Knie der Chaussee Königsberg-Quednau südöstlich
Maraunen, Sägerhof, Neue Bleiche, Pregel), welches eben-
falls in drei Theile zerlegt wird. Fällt dabei der Mühlen-
teich, von dem der Orden zwei Drittel beansprucht, in das
Drittel des Bischofs, so wird dieser anderweitig ent-
schädigt. y°)
4. 1258 d. 11. März. Elbing. Anselm, Bischof von
Ermland, und H., Bischof von Culm, Schiedsrichter
zwischen dem Bischof H. von Samland und dem Viceland-
meister Gerhard, bestimmen, daß innerhalb dreier "Wochen
die Theilung Samlands erfolgen soll- Verschiedene Be-
schwerdepunkte, darunter auch der über die Belehnung der
56) Perlbach, Preuß. Regest. No. 542.
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Von C. Beckherrn.
685
Lübecker mit einem Drittel von Samland und Über deren
Aufhebung werden fallen gelassen.66)
Durch die Aufhebung der Belehnung der Lübecker mit
dem Gebiete im Samlande mußte natürlich die Entwickelung
der jungen Kolonie sehr beeinträchtigt werden. Es liegt nicht
fern, den Grund zu dieser Maßregel in der inzwischen erfolgten
Erbauung des Ordenshauses Königsberg (1256) zu suchen, neben
welchem sich auch bald die Anfänge einer Stadt zeigen. (Ein
Pfarrer von Königsberg wird schon 1258 erwähnt. Vergl. No. 6).
Beide hatten für die weiteren Pläne des Ordens eine viel
günstigere Lage in strategischer Hinsicht als die Stadt der
Lübecker; das Emporblühen der letzteren zu hemmen zu Gunsten
der schnelleren Entwickelung Königsbergs lag also ganz im
Interesse des Ordens.
5. 1258 d. 12. März. Elbing. Dieselben beurkunden,
daß beide Theile sich verpflichtet haben, innerhalb eines
Monats nach Ostern Samland, soweit es bewohnt wird
(inhabitatur) , zu theilen, ebenso die Insel Nergia [die
frische Nehrung]. Die Theilung der Insel Nestland
wird von späterer Anregung des einen oder des
anderen Theiles abhängig gemacht. Die im Pregel,
welcher die Grenze der Diöcese gegen Süden bildet, ge-
legenen Inseln sollen zu dem Theile gehören, von
welchem sie durch die größere Tiefe des Flusses
geschieden werden, (de fluvio pregore, per quem pre-
dicta dyocesis ad meridiem limitatur, sio ab utraque parte
est acceptatum, quod insule, que sunt in ipso pertineant
ad illam partem, a qua per maiorem profunditatem fluvii
dividuntur), wenn aber Flüsse anderer Namen daselbst
eine Insel bilden, wird der Pregel, sei er grösser oder
geringer, als Grenze angenommen. ö1)
56) Cod. dipl. Pruaa. I, No. 114.
57) Cod. dipl. Pruas. I, No. 115.
Altpr. MonntMchrift Bd. XXIII. Hf t 7 u. 8.
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586
Die westliche Grenze der Landschaft Natangen.
Hieraus erhellt, daß die Insel Nestland keine der Pregel-
inseln war, und daß diese letzteren nicht in sich getheüt,
sondern nur als ganze vertheilt werden sollten.
6. 1258 d. 3. Mai. Elbing. Gerhard von Hirzberg,
Vicelandmeister, ur kündet, daß er Samland zwischen den
äußeren Hagen und die Nehrung in drei Theile getheüt
habe. [Der sehr complicirte Theilungsmodus des sam-
ländischen Continents mit der Landzunge von Witlandsort
und der Nehrung kann hier übergangen werden. "Wichtig
ist aber das Nachstehende.] „Die Insel schräge gegen-
über der Stadt" (insula ex transverso civitatis) ist
ebenfalls getheilt worden, und zwar so, daß 19 Seile
auf dem unteren Ende dem ersten Drittel, 18 Seile auf
dem oberen Ende dem zweiten Drittel und 18 Seile in der
Mitte dem dritten Drittel des getheilten Landes zufallen
sollen. Der Bischof hat diejenigen Theile des aufgeteilten
Landes gewählt, welche das erste Drittel bilden. Unter
den Zeugen wird genannt: Herr Gyrhard, Pfarrer von
Königsberg. M)
Die Gebietstheilung zwischen dem Orden und dem Bischof
vom Jahre 1257 hatte sich auf keine der vorhandenen Inseln
erstreckt (vergl. No. 3), die vom 12. März 1258 betraf nur die
Pregelinseln (No. 5) und war auch bis zum Jahre 1322 noch
nicht zur Ausführung gekommen (No. 11 s. weiter unten), und
in Betreff der oberen, bei Königsberg gelegenen Pregelinseln
ersehen wir aus No. 9 und No. 12 noch besonders, daß sie sich im
Jahre 1286 resp. 1322 noch ganz im Besitze des Ordens befanden.
Die Insel „schräge gegenüber der Stadt" der obigen Urkunde
konnte mithin keine der Pregelinseln überhaupt sein, weil sie
eben in drei Theile zerlegt wurde, während jene nur als un-
getheilte Stücke den verschiedenen Gebietstheilen zugeschlagen
werden sollten (No. 6), und insbesondere keine der bei der Stadt
Königsberg gelegenen, weil diese 1286 noch ungetheilt im Besitze
68) Cod. dipl. Pruss. I, No. 116.
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i
Von C. Beckherrn.
587
des Ordens waren (No. 9). Sie kann daher nur eine im Haff
gelegene Insel gewesen sein and ist jedenfalls identisch mit der
Insel Nestland, welche von den Pregelinseln ausdrücklich unter-
schieden wird und deren Theilung kurz vorher von einer be-
sonderen Uebereinkunft abhängig gemacht worden war (No. 6),
und mit der „kleineren Insel" der Urkunde von 1263 (No. 8),
von welcher der Bischof ein Drittel, nämlich das bei der Theilung
von 1258 (No. 6) ihm zugefallene, an den Orden vertauscht.
Die Stadt, welcher diese Insel schräge gegenüber lag, ist also
unzweifelhaft, da Königsberg es nicht sein kann, wie oben gezeigt
wurde, die Stadt der Lübecker gewesen, denn eine dritte Stadt
gab es im Samlande nicht. M) Daher ist sie auch identisch mit
der „alten Stadt" der Urkunde No. 10. Diese hat, wie aus
No. 10 zu ersehen ist, an irgend einem Punkte der Süd- oder
Südostküste der Landzunge von Peyse gelegen und ihr schräge
gegenüber also die Insel Nestland in einer sich bis zum Lankefließ
(Wasser Medenow) ausdehnenden Bucht des Hafl'es, in welche
der Pregel oder ein Hauptarm desselben mündete, und in welcher
nach No. 9 die Bürger von Königsberg und nach No. 10 die
von Fischhausen berechtigt waren zu fischen. Hier bei der
Stadt der Lübecker und vor der Mündung des Pregels (der Lipza)
befand sich auch der Hafen der Lipza. (Vergl. No. 2.)
59) Toppen ist der Ansicht, mit dieser Stadt sei die Stadt Königsberg
gemeint und die Insel, welche getheilt wird, sei eine der Pregelinseln bei
Königsberg gewesen, und zwar die, welche zwischen den beiden noch im
vorigen Jahrhundert vorhandenen Mündungsarmen gelegen hat. Der Pregel
hat allerdings in früherer Zeit, wie auch aus den Urkunden No. 6 und No. 9
hervorgehen dürfte, unterhalb Königsbergs mehrere Inseln gebildet. Von
diesen erhielten die Bürger Königsbergs im Jahre 1286 (No. 9) die eine,
nämlich die nach der Stadt zu liegende, sie muß sich also damals noch im
Besitze des Ordens befunden haben und kann nicht schon 1258 vertheilt
worden sein. Auf die von dieser durch einen Pregelarm, den jetzigen Beek«
flufl, getrennten noch weiter unterhalb befindlich gewesenen Insel paßt aber
die Bezeichnung „schräge gegenüber der Stadt" ganz und gar nicht, denn
eigentlich kann man diese Bezeichnung schon auf die erstere zwischenliegende
Insel nicht anwenden, da die Stadt Königsberg damals noch jenseits des
Schlosses in der Gegend der polnischen Kirche lag.
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588
Die westliche Grenze der Landschaft NatAngen.
T. 1268. Königsberg. Bischof Heinrich von Samland
nrkundet, daß er 45 Seile den Pregel aufwärts erhalten
habe von dem letzten Seil der vorigen Theilung, vom
Pregel 1/i Meile gegen Samland hin, der Orden dagegen
80 Seile den Pregel abwärts und 1/t Meile nach Samland
hinein. Die Zuflüsse des Pregels sollen auf eine bestimmte
Entfernung gemeinsam sein mit Ausnahme der Gewässer,
welche dem Bischof schon bei der ersten Theilung zu-
gefallen sind. 60)
8. 1263 d. 1. Januar. Elbing. Bischof Heinrich von
Samland vertauscht mit dem Hochmeister Anno gegen
50 Hufen im Culmerlande seine Burg in Königsberg, das
Allodium bei derselben, ein Drittel der Mühle bei Lauth,
30 Hufen bei Absowe [nicht mehr vorhanden], 30 Hufen
am Ende der Güter der Bürger der Stadt Königsberg
[bei Lawsken], die, wenn sie nicht die gehörige Breite
erhalten können, noch weiter den Pregel abwärts verlängert
werden sollen, und ein Drittel der „kleineren Insel".51)
Von der „kleineren Insel" ist schon oben unter No. 6 ge-
handelt worden. Die Deutung des Wortes „kleinere" (minoris
insulae) ist schwierig. Man könnte vielleicht annehmen wollen,
die so bezeichnete Insel sei eine der drei Pregelinseln bei
Königsberg gewesen, und zwar die mittlerer Größe, also die
unterhalb der Stadt gelegene; dieser Annahme würde aber der
Umstand entgegenstehen, daß der Bischof von dieser Insel, wie
überhaupt von einer Pregelinsel keinen Antheil besitzen konnte,
wie unter No. 6 ausgeführt worden ist. Wollte man dagegen
eine etwaige Ungenauigkeit des Ausdrucks gelten lassen und
die kleinste der drei Inseln, nämlich den Kneiphof, als die
„kleinere Insel" ansehen, so würde man noch ausdrücklich durch
die Urkunde No. 12 belehrt werden, daß der Bischof erst 1322
in den Besitz der Hälfte dieser Insel gelangt ist. Es bleibt
60) Perlbach. Regest. 597.
61) Cod. dipl. Prnss. I, No. 143.
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Von C. Berkheim.
589
daher nur übrig, die in der Haffbucht gelegene „Insel schräge
gegenüber der Stadt" (No. 6), auf welcher der Bischof factisch
ein Drittel besaß, als die „kleinere Insel" anzunehmen. Ihre
Bezeichnung als kleinere wurde sie dann dem Umstände ver-
danken können, daß in ihrer Nähe eine größere, vielleicht eine
von der Haffbucht und zwei Mündungsarmen des Pregel s gebildete
Insel vorhanden gewesen wäre.
O. 1286 d. 28. Febr. Königsberg. Conrad von Thier-
berg, Landmeister, verleiht den Bürgern von Königsberg
das Culmer Recht. Sie erhalten das Land von der Stadt
den Pregel abwärts bis zum Felde Lawsken eine halbe
Meile breit, ausgenommen die Pfarrhufen und ein Seil am
Pregel, auf dem größeren "Werder oberhalb im Pregel
von der nördlichen Hälfte d er Länge nach 90 Seile.
Von dem unteren Theile wird das der Insel des Vogts
gegenüberliegende Stück dem Orden und den Bürgern zu
gemeinsamer Benutzung vorbehalten. Die nach der Stadt
zu liegende untere Insel erhält die Stadt, die Vogts-
Insel [Kneiphof] behält der Orden. Die Bürger dürfen
im frischen Haff fischen vom Pregel bis zum Walde
Poews [Peyse]. M)
Hier wird constatirt, daß zwischen der Landzunge von
Peyse und den Pregelmündungen eine Bucht des Haffes vor-
handen war, welche sich nach dem Schlußpassus von No. 10 bis
zum Lankefließ (Wasser Medenow) hinauf ausdehnte. Ueber die
Inseln vergl. No. 6.
10. 1299 d. 7. April. Schönewiek. Bischof Siegfried von
Samland verleiht der Stadt Schönewiek [Fischhausen] ein
Privilegium. 63) Sie erhält ein Gebiet in folgenden Grenzen.
Vom frischen Haff (recenti stagno) aufwärts zu gehen vor
62) Perlbach, Regest. 969.
63) Die bischöfliche Burg Schönewiek wurde ca. 1264 erbaut und in
ihrer Nähe 1268 einige Burglehen ausgegeben.
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590
Die westliche Grenze der Landschaft Natangen.
dem "Walde Rogys bis zu einem Grenzmale am Wege,
welcher vom Dorfe Singoren (Laygayne) [Legehnen] her-
kommt, in demselben Walde von diesem Grenzmale in
schräger Eichtung über den Weg, welcher vom Dorfe
Megothen (Wosian, Woliten) [nicht mehr vorhanden] her-
kommt bis zu gezeichneten Bäumen und von hier hinab
zum vorgenannten Wege nach der Stadt (versus civitatem)
und dann bis zum frischen Haff. Ein kleineres Stück Land
liegt am Bache, welcher über die Mühle fließt, drei Seile
breit zu beiden Seiten des Baches vom zweiten Graben
neben dem Viehhofe ab bis zu dem Graben, welcher in das
bischöfliche Feld an dem Bache hinübergeht, von diesem
Graben geradeaus hinüber zu dem Theile auf der andern
Seite des Baches. An dieses Grundstück schließt sich ein
anderes in der Breite von 3 Seilen bis zur Grenze der
Einwohner von Geydow [Geidau]. Von hier aus zieht sich
die Grenze des Stadtgebietes die Geidausche Grenze entlang
bis zur Grenze des Hermann von Blodow [Bludau] hin,
dann von dem äußersten Ende derselben bis zu einem
Graben, an dem ein Grenzmal steht. Von hier soll man
weiter gehen bis zum Bache Bludau [Forkensches Fließ]
und an diesem auf der inneren [nördlichen] Seite hinunter
nach dem frischen Haff hin bis zu der Landwehr und von
hier bis zu dem Winterwege, auf welchem man zur
Winterzeit durch den Sumpf [Hengstbruch] nach der
„alten Stadt" geht. (Damus in latum tres funes
usque ad graniciam illorum de Geydow et juxta graniciam
illorum de Geydow [procedendo usque ad graniciam Her-
man]ni de Blodow. Ceterum de ultima granicia Hermanni
[de Bludow] usque ad fossatum, ubi granicia est distincta
et ab eadem granicia procedendo usque [ad aquam que
Bl]odow nuncupatur. Item juxta eandem aquam in latere
viciniori descendendo versus recens mare usque ad terre
defensionem et abinde usque ad viam [hiemalem qua itur
per paludem tempore] yemali versus antiquam civita-
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Von C. Beckherrn.
591
tem. M) Von dem zwischen der Landwehr und dem Winter-
wege liegenden Theile behält sich der Bischof ein 5 Seile
breites Stück vor, abzumessen vom Haff her in den Sumpf
hinein. Auch behält er sich vor einen in den Grenzen
des Damo liegenden Theil, welcher sich von der Landwehr
aus neben dem nach Bludau führenden Wege durch den
Wald Wischerod erstreckt und von dem Wege vor diesem
Walde bis zur Grenze von Geidau. Die Bürger dürfen im
Umkreise einer Meile in den bischöflichen Wäldern Holz
fällen, im Walde von Neplok [Neplecken] bis zu dem Wasser
Medenow [Lankefließ] und dem Haff. Sie erhalten freie
Fischerei im Haff bis zum Wasser Medenow. 86 •)
Die Grenzbeschreibung der Stadt Fischhausen beginnt an
einem westlich der Stadt am Haff gelegenen Punkte, führt uns
dann, im Ganzen etwa einen Halbkreis beschreibend, nördlich
um die Stadt herum und endigt im Osten in dem Hengstbruche
an einem durch diesen Bruch fuhrenden Winterwege. Daraus
folgt, daß dieser Weg sich dicht am Ufer des Haffes, welches
die weitere Grenze bildet, hingezogen hat, denn sonst würde in
der Grenzlinie eine Lücke bleiben. Diese Lage des Weges
geht überdies auch aus der Stelle der Urkunde hervor, in
welcher der Bischof sich das 5 Seile breite Stück vom Haff in
den Sumpf hinein vorbehält. Dieser Weg besteht theils als
Fahrweg, theils als Fußweg noch gegenwärtig. Er folgt von
Fischhausen aus genau dem zuerst Östlich laufenden, dann sich
südwärts wendenden Ufer des Haffes und hört bald nachdem
er den Hengstbruch verlassen hat an dem Punkte auf, wo er
von einem von Neplecken zum Haffufer führenden Wege durch-
schnitten wird. In der Grenzbeschreibung wird er als derjenige
bezeichnet, auf welchem man zur Winterzeit nach der „alten
Stadt" geht. Wo ist diese alte Stadt zu suchen? Zur genauen
64) Die eingeklammerten Stellen bezeichnen Lücken, welche aus dem
hier gleichlautenden Privilegium der Stadt von 1905 ergänzt worden sind.
66 a) Cod. dipl. Prnss. II, No. 99.
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592
Die westliche Grenze der Landschaft Natangen.
Bezeichnung eines "Weges ist die Angabe zweier bekannter
Punkte oder Orte, welche er verbindet erforderlich. Befindet
man sich selbst mit Demjenigen, dem man den Weg bezeichnen
will, an einem dieser Orte, so ist die Angabe dieses letzteren
nicht durchaus nothwendig, man unterläßt dieselbe daher auch
meistens in der Praxis. Denn man würde sich, um z. B. den
Weg von Rudau nach Laptau zu bezeichnen, einer Person, mit
der man sich in Rudau befände durchaus verständlich machen,
wenn man sagte: Der Weg nach Laptau. Diesem bequemen
Gebrauche ist auch der Aussteller der obigen Urkunde gefolgt.
Er befand sich mit den Bürgern, denen die Bestimmungen der
Urkunde galten in Fischhausen und bezeichnete durch die
Worte „versus antiquam civitatem" die Lage und Richtung
eines Weges, welcher von Fischhausen fort nach einer alten
Stadt hin führte und nicht, wie Herr Dr. Töppen will, von
einem Punkte in der Grenzlinie des Gebietes der Stadt Fisch-
hausen in diese selbige Stadt hinein. 65 b) In letzterem Falle,
wenn mit der „alten Stadt" Fischhausen gemeint wäre, würde
in der Grenzbeschreibung der zur genauen Bestimmung erforder-
liche andere Endpunkt des Weges fehlen, dieser also gleichsam
in der Luft schweben. Das konnte später um so mehr zu
Irrungen und Streitigkeiten Anlaß geben, als der in Rede
stehende Weg sicherlich nicht der einzige in dem Bruche war,
dessen wirtschaftliche Ausnutzung bei seiner bedeutenden Aus-
65h) Man wolle die nachstehende Stelle der obigen Urkunde beachten:
Item juxta eandem aquam (nämlich Bach Blodow oder Forkensches Fließ)
in latere viciniori descendendo versus recens mare. Sie wird auch erst
verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Aussteller der Urkunde
die Grenze von seinem Standpunkte in der Stadt aus beschreibt. Behält
man diese Sachlage im Auge, so empfängt man beim Lesen der Stelle, welche
über den Winterweg handelt unwillkührlich. noch ehe man der Sache näher
getreten, den Eindruck, daß der Aussteller dabei die Richtung von sich
fort, nicht die auf sich zu im Sinne gehabt hat. Bezöge sich die Bezeich-
nung versus antiquam civitatem auf Fischhausen, so müßte der Aussteller
der Urkunde sich ausnahmsweise im Geiste auf den Punkt versetzt haben,
an welchem der Winterweg die Grenzlinie des Stadtgebietes durchschneidet.
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Von C. Beckherrn.
693
dehnung notwendigerweise verschiedene Wege erforderte. Um
alle Irrungen zu vermeiden ist die Grenzbeschreibung sehr
genau abgefaßt und insbesondere vermißt man in ihr nicht die
genaue Bestimmung der die Grenzlinie berührenden oder durch-
schneidenden Wege. So ist z. B. in dem östlichen Theile der
Grenze der von Fischhausen nach Bludau fuhrende Weg so
bezeichnet: Intra viam que ducit versus Blodow, also ganz in
derselben Weise wie der Weg nach der „alten Stadt". Im west-
lichen Theile des Stadtgebietes ist dagegen die Richtung eines
die Grenze durchschneidenden Weges vom Standpunkte des
Ausstellers der Urkunde in entgegengesetztem Sinne aufgefaßt,
nämlich als von außen her in die Stadt hineinführend. Die be-
treffende Stelle lautet: De eadem granicia [ascendendo] in trans-
verso ultra viam que ducit de villa Megothen [nicht mehr vor-
handen] usque ad arbores signatas et de eisdem signatis arboribus
descendendo ad predictam viam versus civitatem [hier steht
nicht antiquam!] usque ad recens mare. Man ersieht hieraus
deutlich, daß der Aussteller der Urkunde hier, wo er sich den
Weg als von außen in die Stadt hineinführend vorstellte, es
nicht unterlassen hat, beide Endpunkte des Weges, das Dorf
Megothen und die Stadt Fischhausen, bestimmt anzugeben, weil
ihm die einfachere Bezeichnung (Weg von Megothen) nicht
genügte. Die „alte Stadt" kann überdies auch schon deshalb
nicht in Fischhausen gesucht werden, weil dieser Ort ja erst
durch diese Urkunde zur Stadt erhoben wurde, diese auch nach
einem einheitlichen Plane angelegt ist, welcher nirgends das
ehemalige Vorhandensein eines älteren Stadtheiles (einer Alt-
stadt) erkennen läßt. Die wenigen Burglehen, welche der
Bischof im Jahre 1268 in der Umgebung seiner Burg ausgegeben
hatte, können schwerlich auf den Namen einer Stadt überhaupt,
noch den einer alten Stadt Anspruch machen. M) Die „alte
Stadt" in Königsberg zu suchen, ist ebenfalls unstatthaft. Dort
gab es damals (1299) weder eine alte Stadt noch eine Altstadt,
66) Ea waren ihrer nnr fünf. (Vergl Cod. dipl. Prua». I, No. 158.)
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594
Die westliche Grenze der Landschaft Natangen.
denn die um die polnische Kirche herumliegende Ortschaft,
welche man vielleicht eine Stadt nennen könnte, existirte erst
seit ca. 1258, war auch 1264 von den Preußen zerstört worden
und also, vorausgesetzt sie wäre wieder aufgebaut worden, keine
alte Stadt. Die später im Jahre 1286 gegründete Stadt zwischen
Schloß und Pregel konnte erst zur Altstadt werden, nachdem
neben ihr im Jahre 1300 eine Neustadt, der Löbenicht, ent-
standen war. Ferner kann man nicht die Richtung eines unbe-
deutenden Vicinalweges , wie es der Winterweg durch den
Bruch unzweifelhaft war, nach einem über vier Meilen entfernten
Orte bestimmen, das ist nur zulässig bei Hauptstraßen. Endlich
ist noch zu beachten, daß dieser Winterweg durch den Bruch
jedenfalls zu dem Zwecke angelegt war, die „alte Stadt" in
kürzerer Zeit und mit geringerer Anstrengung zu erreichen,
sobald der eingetretene Frost es gestattete, als es auf dem doch
ebenfalls vorhandenen in den andern Jahreszeiten benutzten
Wege möglich war, denn dieser mußte hier den Bruch nördlich
umgehen, beschrieb zu seinem Ziele hin also einen Bogen,
während der Winterweg eine möglichst gerade Linie einhielt,
denn sonst wäre er zwecklos angelegt worden. Dieser letztere
ist daher auch zugleich der Wegweiser zu der gesuchten „alten
Stadt"; er weist aber nicht nach Königsberg hin sondern nach
irgend einem Punkte an der südlichen oder südöstlichen Küste
der Landzunge von Peyse, und hier lag, wie aus No. 2 und No. 6
ersichtlich ist, die Stadt der Lübecker. Der kürzeste Weg nach
Königsberg führte in ziemlich gerader Linie nördlich an dem
Bruch vorüber, ein Winterweg durch den Bruch nach dieser
Stadt hin wäre also ein Umweg und ganz überflüssig gewesen;
ein solcher kann daher niemals existirt haben. Den Ausdruck
„alte" Stadt betreffend, ist noch zu bemerken, daß er zweifach
gedeutet werden kann, einmal als Gegenüberstellung der beiden
Städte Fischhausen, der jüngeren, und Stadt der Lübecker, der
älteren, woraus geschlossen werden müßte, daß letztere damals
(1299) noch existirt habe, was nicht wahrscheinlich ist. Die
andere größere Wahrscheinlichkeit für sich habende Deutung
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Von C. Beokherm.
B95
ist die, daß das Wort „alt" hier in der Bedeutung von ehemalig
gebraucht ist, ein Gebrauch, der nicht selten vorkommt. Hat z. B.
Jemand ein Haus erbaut und wird dieses nach einem Jahre
durch Brand zerstört, so wird der Besitzer, nachdem er an
anderer Stelle sich wieder ein Haus errichtet hat, von jenem
als von dem alten Hause sprechen, obgleich es nicht alt war
und überhaupt nicht mehr existirt, vielmehr nur noch die Stelle be-
kannt ist, auf der es gestanden. In diesem Sinne wird auch die
Bezeichnung der Stadt der Lübecker als alte Stadt aufzufassen
sein, woraus sich dann ergeben würde, daß sie zu jener Zeit,
von den Einwohnern verlassen, bereits in Trümmern gelegen
habe. Daß uns nicht einmal ihr Name überliefert worden ist,
läßt sich wohl aus der kurzen Zeit ihres Bestehens in einem
dem Deutschen Orden noch nicht völlig unterworfenen Lande
erklären, in welchem die viele Jahre hindurch sich immer
wiederholenden Baub- und Verheerungszüge der heidnischen
Preußen die ältesten Pflanzstätten der deutschen Kultur oft
spurlos vernichteten. Auch dürfte sie unter den aus Urkunde
No. 4 sich als wahrscheinlich ergebenden Umständen wohl kaum
zu einiger Bedeutung gelangt sein. fl7)
11. 1322 d. 19. Mai. Königsberg. Der Bischof
Johannes von Samland bringt unter andern Beschwerden
gegen den Orden auch die vor, daß alle vom Pregel
67) Vielleicht hat der Orden die Burg, welche er in der Stadt er-
bauen sollte, nach dem Verfalle der letzteren noch eine Zeit lang im Stande
und besetzt gohalten, denn Dusburg (HI, 1B6) erwähnt ein gewisses Schloß
(castrum quoddam), in Samland an der Haffküste ungefähr Brandenburg
gegenüber gelegen, welches Tj74 von den Warmiern unter Glappo, der dabei
in die Gefangenschaft des Komturs von Königsberg geräth, belagert wird.
Das würde ganz gut auf die Burg in der Stadt der Lübecker passen, um
so mehr, als von einem andern derartig gelegenen Schlosse sich weder eine
Spur, noch irgend eine Nachricht erhalten hat. Daß auch von jener Burg
keine Spur mehr vorhanden, ließe sich daraus erklären, daß die Stelle, auf
der sie gestanden, jetzt vom Haffe bedeckt sein kann, denn das Ufer wird
hier von den Fluten des Haffes nicht unbeträchtlich angegriffen. So ist
z. B. nach Gebauer (N. Pr. Prov. Bl. VHI, 356) die Stelle, auf der da»
adlige Gut Zimmerbude gestanden, bereits um viele Ruthen überschwemmt.
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596 Die westliche Grenze der Landschaft Na tätigen.
eingeschlossenen Inseln (de omnibus insulis que in
fluvio Pregore concluduntur) wie in früherer Zeit, so
auch jetzt noch immer nicht getheilt wären. Er
bittet, daß die Theilung nunmehr ausgeführt werde. 68)
13. 1322 d. 20. Mai. Königsberg. Vergleich des
Landmeisters Friedrich von Wildenberg mit dem Bischof
Johann von Samland. Dem Bischof wird das Allodium
Lauth, die Hälfte der Voigtsinsel [Kneiphof], ein
Roßgarten auf der Insel, welche sich von Königs-
berg nach Arnau hinauf erstreckt, und ein Theil der
Insel bei Arnau abgetreten. ft9)
Das, was aus der Auslegung der mitgotheilten Urkunden
an Thatsächlichem sich ergiebt, ist kurz zusammengefaßt Folgen-
des. Zu der Zeit als der Deutsche Orden die Eroberung Preußens
begann, fand er an Stelle der "Wasserfläche des frischen Haffes,
welche jetzt die Spitze seines nordöstlichen Busens zwischen
der Landzunge von Peyse, dem Lenzenberge bei Brandenburg
und dem Dorfe Hafestrom bildet, dort zum größesten Theile
festes, reichlich von dem in mehrere Arme getheilten und einige
Inseln bildenden Pregel bewässertes Land vor. Das Ufer dieses
Landstriches hielt von Lenzenberg aus eine bedeutende Strecke
die Richtung gegen das jetzige Dorf Zimmerbude ein, wendete
sich dann aber nordwärts und erreichte das jetzige Haffufer in
der Nähe des Lankefließes (bei "Widitten mündend), auf diese
"Weise mit dem gegenüberliegenden ungefähr gleichlaufenden
Ufer der Landzunge von Peyse eine Bucht des Haffes bildend,
in welche der Pregel oder ein Hauptarm desselben einmündete.
An dieser Bucht an der Küste der genannten Landzunge und
nicht fern von der Pregelmündung lag die Stadt der Lübecker.
Ihr schräge gegenüber befand sich in der Haffbucht eine kleine
Insel mit einer Längenausdehnung von 550 Ruthen, welche einen
Theil der Bucht derartig abschloß, daß hier ein natürlicher
68) Cod. dipl. Prosa II, No. 99.
69) Cod. dipl. Pruss, II, No. 100.
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Von C. Berkheim.
597
Hafen gebildet war. Die Zeichnung dieses Landstriches weiter
auszuführen vermeide ich, um nicht auf das Gebiet der Hypo-
thesen zu gerathen; es genügt auch, seine ehemalige Existenz
Überhaupt aus der Unmöglichkeit nachgewiesen zu haben, den
Raum für den größeren Theil des auf warmischem Gebiete abzu-
messenden Areals unter den gegenwärtigen Land- und "Wasser-
verhältnissen zu finden und ferner durch die unbefangene Aus-
legung der obigen Urkunden, welche ohne allen Zwang zum
Theil sich gegenseitig ergänzen. Dagegen möchte ich es nicht
unterlassen, hier unter Zugrundelegung der Beobachtungen und
Untersuchungen unserer heimatlichen Geologen Schumann und
Berendt noch einige Bemerkungen darüber anzuschließen, wie
man ^ sich das Entstehen und Vergehen dieses Landstriches zu
erklären haben wird.
Die Untersuchung des Bodens der Thalsohle des Pregels
von seiner jetzigen Mündung ab bis weit über Königsberg
hinauf durch Dr. Schumann70) hat ergeben, daß in einer weit
zurückgelegenen Periode das Pregelthal auf dieser Strecke einen
Theil des Haffes ausgemacht habe, in welches sich hier, wie
Dr. Berendt nachgewiesen hat, 71) der Memelstrom ergoß, und
daß ferner diese Thalsohle eine Alluvion dieses Stromes ist.
Vergleicht man den gegenwärtigen unbedeutenden Flächenraum,
den dieselbe einnimmt mit dem der weit ausgedehnten Alluvionen
an den Mündungen unserer großen Flüsse, namentlich des
Deltas, welches der Memelstrom bei seiner späteren Ausmündung
in das kurische Haff geschaffen, so wird man zu der Annahme
geführt, daß er auch ein gleiches Produkt seiner bedeutenden
Wassermasse und der in dieser mitgeführten Sinkstoffe an seiner
ehemaligen Mündung ins frische Haff zurückgelassen haben
müsse. Diese Annahme findet in den oben erörterten Urkunden
ihre Bestätigung, und das durch sie nachgewiesene Land war
70) Das Königsberger Infusorienlager. N. Pr. Prov. Bl. a. F. XII. 272.
71) Ein geologischer Ausflug in die russischen Nachbar-Gouvernements.
Schrift, d. physik. ökon. Gesellsch. 1870.
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598
Die westliche Grenze der Landschaft Natangen.
eben dieses bis zu den angedeuteten Grenzen vorgeschrittene
Delta des Memelstromes, durch welches nunmehr seit unbekannter
Zeit in bescheideneren Grenzen der Pregel die Wasser seines
beschränkteren Flußgebietes dem Haffe zuführte. Wir wissen
nun auch aus der Beschaffenheit der andern gleichartigen
Bildungen, daß dieses Land ein sehr tief gelegenes, aus "Wiesen,
Brüchen und Sümpfen bestehendes gewesen ist und finden darin
zugleich eine Erklärung für sein verhältnißmäßig schnelles Ver-
schwinden. 72) Als Ursache desselben eine Katastrophe anzu-
nehmen, ist keineswegs nothwendig, obwohl nicht ausgeschlossen
ist, daß das von Dusburg erwähnte, im August des Jahres 1303
ganz Preußen heimsuchende Erdbeben 78) eine plötzliche allge-
meine Senkung dieses Landstriches herbeigeführt haben könnte ;
es läßt sich vielmehr aus einer zu jener Zeit währenden säcularen
Senkung der Erdrinde genügend erklären, deren wiederholte,
mit ebenso allmählichen Hebungen abwechselnde, wie in vielen
Ländern so auch in unserer Provinz nachgewiesen worden
sind. 74) Diese Senkung mußte sich zuerst bei den dem Haffe
zunächst gelegenen Theilen des Deltas bemerkbar machen,
indem seine Oberfläche hier früher in das Niveau des Haffes
trat als in den etwas höher gelegenen übrigen Theilen. War
die sehr langsam vor sich gehende Senkung einmal so weit
vorgeschritten, so nahm alsbald das Werk der Zerstörung auch
ein lebhafteres Tempo an, denn jeder Sturm aus westlicher oder
südwestlicher Richtung setzte die bezeichneten Theile des Landes
so tief unter Wasser, daß die aufgeregten Wellen die Rasen-
narbe abschälen und dann einen großen Theil des aufgewühlten
Bodens beim Zurücktreten der Flut in die entfernteren Gegen-
den des Haffes befördern und auf dessen Grunde ausbreiten
72) Zn Ende des ersten Drittels des 14. Jahrhunderts hat der nord-
östliche Busen des Haffes wahrscheinlich schon seine jetzige Ausdehnung
ungefähr erreicht gehabt.
73) Script, rer. Pruss. I, 170.
74) Schumann. Hebung und Senkung der sfidl. Küste des haltischen
Meeres. N. Pr. Prov. Bl. 3. F. IX, 315 f. f.
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Von C. Beekhern).
599
konnten. Das konnten schon die häufig auftretenden gewöhn-
lichen Stürme bewirken, welchen Einfluß auf das schnelle Ver-
schwinden des Landes mußten nicht Orkane ausüben, über
welche uns auch aus jener Zeit von den Chronisten berichtet
wird. So z. B. von Simon Grünau 7B> über den Orkan von 1309,
welcher den Grund zur Versandung des Tiefs bei Lochstedt
legte, und von Detmar 7e) über die ganz Preußen verheerenden
von 1323 und 1327. In dieser Weise schritt die Zerstörung
von Westen nach Osten fort. Hier liegt nun die Frage nahe:
Wie konnte denn der kleine noch jetzt bestehende Theil dieses
Landstriches, die Thalsohle unterhalb und oberhalb Königsbergs
und der auf dieser gelegene Stadttheil dem Untergange ent-
gehen? Darauf kann geantwortet werden: Entweder war die
Zerstörung bis zu diesem naturgemäß etwas höher liegenden
Theile noch nicht vorgedrungen als die sinkende Bewegung des
Bodens zum Stillstande kam, um dann nach einer langen Ruhe-
pause in eine entgegengesetzte, emporsteigende überzugehen,
welche letztere etwa seit dem Anfange unsers Jahrhunderts
beobachtet worden ist, ") oder die vom Hochwasser des Pregels
mitgeführten Sinkstoffe waren auf dem verhältnißmäßig schmalen
Baume der Thalsohle hinreichend, dem durch die Senkung be-
wirkten Untertauchen des festen Landes das Gleichgewicht zu
halten. Weiter unterhalb war das nicht mehr möglich, weil
liier mit jedem Schritte der durch die Sinkstoffe auszufallende
Kaum der divergirenden Uferlinien wegen sich bedeutend ver-
größerte und die in ihrer Masse schon verminderten Sinkstofife
außerdem auch noch durch die oben berührte Wirkung der
Wellen und der Fluten des Haffes auf dessen Grunde weiter
vertheilt wurden. Was den von der Stadt bedeckten Theil der
Thalsohle anbetrifft, so ist hier die Senkung durch die in und
bei bewohnten Orten stets stattfindende Auffüllung des Bodens
76) Tract, XI, 2.
76) Script. r«r. Pruaa. III, 65, 66, 67.
77) Schumann, N. Pr. Prov. Bl. 3. F. IX, 318.
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600 Die westliche Grenze der Landschaft Na tan gen.
mehr als ausgeglichen. Die Bohrungen bei Anlegung von
Brunnen haben hier die Schicht der Füllerde in einer Mächtig-
keit von 7 bis 12 Fuß ergeben. Besonders interessante Aufschlüsse
giebt die Bohrung des artesischen Brunnens auf dem Domplatze
im Kneiphof. Dieser liegt 7 Fuß über dem "Wasserspiegel des
Pregels. Es wurde hier zuerst eine Schicht von 12 Fuß Füll-
erde durchbohrt, bis man auf eine Schicht natürlichen Bodens
traf. 78) Diese jetzt 5 Fuß unter dem Spiegel des Pregels
liegende Schicht muß doch wohl mit demselben ungefähr in
gleichem Niveau gestanden haben, als diese Insel ungefähr um
die Mitte des 13. Jahrhunderts anfing überhaupt oder wenigstens
dichter bewohnt zu werden, sie ist also seit jener Zeit um etwa
5 Fuß gesunken, denn eine wesentliche Erhöhung des Spiegels
des Pregels ist hier nicht annehmbar, weil dieser in dem
untersten Laufe des Flusses von dem des Haffes und der See
abhängig ist und deren "Wasserspiegel im Mittel constant bleibt.
78) Schumann, N. Pr. Prov. Bl. a. F. XII, 279.
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1
üeber masurische Sagen.
Von
Johannes Sembrzycki.
Zu den noch nicht genügend durchforschten Gegenden
unserer Provinz gehört vor allem Masuren, meine engere Heimath,
welcher ja eigentlich erst seit Toeppen's dankenswerthen Arbeiten
die öffentliche Aufmerksamkeit in etwas höherem Grade sich
zugewendet hat. Und doch bietet sich gerade dort dem der
polnischen Sprache kundigen Forscher noch so manches dank-
bare Feld. Ein solches, bisher nur wenig bearbeitetes Gebiet
bilden auch die masurischen Sagen. Nur weniges von ihnen
ist bis jetzt gesammelt und aufgezeichnet worden. Toeppen
bietet in seinem "Werke „Aberglauben aus Masuren, mit einem
Anhange, enthaltend masurische Sagen und Märchen", 2. Aufl.,
Danzig 18G7, aus den zehn masurischen Kreisen nur dreißig
Sagen, während z. 13. Otto Knoop in seinen „Volkssagen, Erzäh-
lungen etc. aus dem östlichen Hinterpommern", Posen 1885,
aus zwölf Kreisen 307 Sagen mitzutheilen im Stande ist, ohne
auf Vollständigkeit Anspruch zu erheben, — wobei allerdings
zu berücksichtigen ist, daß Toeppen die Erzählungen von den
Untererdschchen, Kobolden, Mahren u. s. w. unter „Aberglauben"
aufführt, während Knoop sie unter die Sagen einreiht. Es ist
in Masuren noch mancher Schatz zu heben, aber sowohl in
Bezug auf die Sagen, als auch nicht minder auf Lieder, Sprich-
wörter und Gebräuche, ist es die höchste Zeit, zu retten, was
noch zu retten ist, da die Germanisation so schnelle Fortachritte
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIII. Hit. 7 u. VS. yy
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602
L'eber mamiritiche Sagen.
macht, die junge Generation bereita völlig deutsche Bildung
erhält, und die Eigentümlichkeiten der alten polnisch redenden
Generation mit dieser selbst zu Grabe getragen werden. Schon
1866 klagte Toppen in der Vorrede zur ersten Auflage seines
oben citirten Werkes: „Auch in Masuren fangen die volks-
tümlichen Ueberlieferungen, wiewohl sie hier noch lebendiger
sind, als anderwärts, doch auch schon an sich sehr zu ver-
dunkeln; es ist also hohe Zeit, für ihre schriftliche Fixirung
und Erhaltung Sorge zu tragen," und dies Wort von damals
gilt in weit höherem Grade heute nach zwei Decennien, in
deren Verlaufe gewiß schon viel verloren gegangen ist. Solches
aber ist sehr zu bedauern, da die Sagen eines Volkes in mehr-
facher Hinsieht, als Volksdichtungen, als geschichtliche Trümmer,
als mythologische Uoberreste, als Beiträge zur Cultur- und Sitten-
geschichte immer wichtig bleiben (Vergl. Bechstein über den
ethischen Werth deutscher Volkssagen). Man sage nicht, das
masurische Volk sei arm an Sagen. Zwar so zahlreiche und so
schöne Sagen, wie sie Gegenden aufweisen können, die auf eine
mehr als tausendjährige Geschichte und Cultur zurückzublicken
vermögen, wie z. B. das Moselthal mit seiner uralten Augusta
Trevirorum (Vergl. Fr. Menk „des Moselthals Sagen, Legenden
und Geschichten," Coblenz 1840), besitzen die Masuren nicht,
aber dennoch sind, resp. waren sie an denselben wohl kaum
weniger reich, als an Liedern, und dem Forscher bieten ihre
Sagen in mancher Hinsicht Stoff zu Betrachtungen, wie weiter
unten ausgeführt werden soll. Es gilt nur von den Masuren
dasselbe, was O. Knoop von den pommerschen Kassuben erzählt:
es koste Mühe, etwas aus ihnen herauszubekommen; sie scheuten
sich meist zu erzählen, aus Furcht, verlacht zu werden. „Unser
Landmann/' sagt auch Siemienski (Podania i Legendy polskie,
ruskie, litewskie. Posen, 1845), „wie durch das Vorgefühl ge-
warnt, daß die Blüthe seiner Gefühle, in ungeweihte Hände
gerathen, ihren Wohlgeruch und ihre Farbe verliere, befleißigt
sich beständiger Vorsicht und wird nicht leicht vor dem ersten
Besten ein gehe imniß volles Wort fallen lassen oder ein Lied
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Von J. Sembrzycki.
003
singen (pag. X). Da, wo er nach dem ersten "Worte herplappert,
was ihm in den Mund kommt, wo er weltliche und fremde
Nachrichten mit den seinigen vermischt, da — glaube seinem
Geschwätz nicht — denn für immer bereits hat er die geheimniß-
volle Farrenblüthe verloren, die ihm alle geheimnißvollen Schätze
entdeckte" (pag. XII). —
Die masurischen Sagen lassen sich, wie man bei näherer
Betrachtung finden wird, in zwei Gattungen gruppiren, in solche
nämlich, die die Masuren aus ihrer alten Heimath Masovien*)
herübergebracht und dann an hiesige Oertlichkeiten angeknüpft
haben, und in erst hier in der neuen Heimath entstandene.
Zu der ersten Categorie gehören alle Sagen von den in Bergen
versunkenen Schlössern und Schätzen, von den in Seen ruhenden
Glocken, von den Mahren, Untererdschchen, Wehrwölfen, von
dem Farrenkraute in der Johannisnacht u. s. w. ; zu der zweiten
von den bei Toppen mitgetheilten Sagen folgende : Die Krügerin
zu Eichmedien — Geizbauch — Strafe der Unzucht in Kehl —
Teufelsaustreibung zu Claussen — Die Andacht in der Kirche —
Die Schuldigen in Johannisburg — Der Name der Stadt Passen-
heim und die folgenden.
Daß die Sagen der ersten Categorie eigentlich aus Polen,
speciell aus Masovien, der alten Heimath der Masuren, stammen,
ersehen wir daraus, daß sie nicht den Masuren allein eigen-
tümlich, sondern allgemein - slawische sind, daß wir sie, oft in
ganz derselben Form, bei Polen, Kassuben, Wenden, also allen
im Osten Deutschlands wohnenden Slawen, und auch bei den
Litauern wiederfinden. Zu den bei Toppen pag. 126 und 127
erzählten Sagen vom Goldapper Berge und vom Berge Grodzisko
(Schlösser versinken zur Strafe für die Frevelthaten der Be-
wohner) liefern uns Polen, Kassuben und Wenden Seitenstücke.
Siemieiiski erzählt a. a. 0. pag. 58: auf den hohen Bergen in
*) Daß die Masuren im 14., 15. und 16. Jahrh. aus Polen hier einge-
wanderte Colonisten sind, haben Toppen (Geschichte Maaurens pag. 116 — 118)
und Ketrzynski (0 ludnosci polskiej w Prusiech niegdys krzyzackich,
pag. 223 ff.) bis zur Evidenz erwiesen.
39*
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604
Ueber masurisclie Sagen.
Lubasz habe einst ein Schloß gestanden, das aber nebst der
Kirche zur Strafe für ein Verbrechen des Schloßherrn versunken
sei ; man erblicke dort nächtlicher Weile Spukgestalten und ver-
nehme unterirdischen Choralgcsang. In der wendischen Lausitz
am Fußwege von Wittichenau nach Dubrig hat einst, so geht
die Sage, ein Schloß gestanden, das wegen der Bosheit, Unge-
rechtigkeit und Sittenlosigkeit der Besitzer versank. Der nächt-
liche Wanderer vernimmt dort Geheul und Wehklagen und
sieht Gestalten aus der Erde auftauchen und verschwinden
(Neues Lausitzisches Magazin, Görlitz 1837). In Hinterpommern
hat bei Lossin ein Schloß gestanden, das einer Frevelthat seiner
Bewohner wegen in die vorbeifließende Stolpe versunken ist.
Einem dort einst vorbeikommenden Jünglinge bot eine Jungfrau
ein Geldstück, damit er ihr in der Stadt ein Paar Schuhe kaufe,
ohne etwas abzuhandeln; da der Jüngling dies doch that, miß-
glückte die Erlösung (Knoop a. a. 0. pag. 51). —
Verwünschte, in Bergen versunkene Schlösser, an deren
einstiger Stätte Nachts Jungfrauen um Erlösung bitten, die aber
immer mißlingt, weil die damit Betrauten sich hindern lassen,
trotz Verbots sprechen oder sich umsehen, die in scheußliche
Gestalten, Kröten und dergl. sich verwandelnden Jungfrauen
nicht küssen wollen, finden wir wie bei den Masuren (Töppen
pag. 126: S. vom Berge bei Piotraschen; pag. 129: von der
Insel Gilm; pag. 132: von den Goldbergen bei Neidenburg;
pag. 134: vom Schlosse Puppen), so auch bei den Kassuben
sehr häufig (Knoop, pag. 6: Suhloßberg bei Bütow — die Jung-
frau kann nicht erlöst werden, da die Betreffenden trotz Verbots
sich umsehen oder sprechen; pag. 10: das verwünschte Schloß
in den Heischkuhlen — der Erlösende sieht sich um; pag. 30:
der Schloßberg zu Belgard — die Erlösung der drei schwarz
(nach andern weiß) gekleideten Frauen mißglückt, weil der Be-
treffende si«.h scheut, eine Kröte zu küssen; pag. 57: das ver-
wünschte Schloß bei Budow; pag. 75: der Krötengrund bei
Dämmen — die Erlösung mißlingt aus demselben Grunde wie
oben in Lossin; pag. 90: das verwünschte Schloß bei Schlawe;
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Von .T. Sembrzvclci.
605
pag. 133: verwünschtes Schloß bei Polziu — die Jungfrau er-
scheint alle hundert Jahre in Gestalt einer Kuh; pag. 143: der
Burgwall im Veltowseo — in jeder Johannisnacht zeigen sich
drei singende Jungfrauen). Ebensolche Sagen haben die Litauer;
vergl. Mittheilungen der Litauischen Litterarischen Gesellschaft,
9. Heft, pag. 170: die Sage vom Schloßberge zu Schabojeden
(ein alle hundert Jahre sich zeigendes Schloß, eine verzauberte
Prinzessin in Gestalt einer Kröte, die Erlösung verfehlt, da der
Betreffende die Kröte nicht küssen will).
Schätze, die meist vom Teufel bewacht werden, kennen
die Masuren (Toppen pag. 130: Sage von der Burg am Satint-
See; pag. 134: Sage vom Teufel swerder) ebensowohl wie die
Polen (Siemienski pag. 67: ein Schatz in Luboii vom Teufel
bewacht und nur durch unschuldige Hände ohne Beihülfe von
Eisen zu heben; pag. G9: ein Schatz im alten Schlosse zu Komik
vom Teufel in Gestalt eines schwarzen Hahnes und von einer
Jungfrau bewacht — die Hebung mißglückt wegen Vergeßlichkeit
der Hebenden) und die Kassuben (Knoop pag. 15: ein Dienst-
mädchen sieht einen schwarzen Mann — den Teufel — bei
einem riesigen Feuer und bittet um Kohlen, die sich am Morgen
als Gold erweisen; pag. 44: der Schatz in Schönehr — der den
Schatz bewachende Teufel verführt die Leute stets zum Reden,
so daß die Hebung mißlingt; pag. 63: der Schatz zu Grambkow —
der Teufel vereitelt die Hebung des in einem Berge verborgenen
Schatzes; pag. 73: Schätze in der Giesebitz und in der hohlen
Eiche bei Carzin, vom Teufel in Gestalt eines schwarzen Kalbes
und eines greulichen Hundes bewacht). Die von Töppen pag. 133
von den Goldbergen bei Neidenburg erzählte Sage von einem
Hirtenknaben, der seine Mütze in die Vertiefung des Berges
hinabsenkte und sie voll Goldstücke wieder horaufzog, findet
sich ganz ebenso bei Siemienski pag. 70 vom Berge Gniezninek
bei Gnesen, wo die Mütze zuerst mit Gold, dann aber mit
Steinchen und Laub gefüllt wioder heraufkommt, und bei den
Litauern in der Sage vom Tilsiter Schloßberg, wo der Hut des
Hirtenknaben das erste Mal mit Goldstücken, das zweite Mal
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noi;
lieber mMiirißche Sagen.
mit Krebsen gefüllt wird (Mittheil. d. Litauischen Litterar. Ge-
sellsch. 9. Hft. pag. 169 — vergleiche auch die Sagen vom
Skalwis pag. 168). Auch die Wenden haben dergleichen Schatz-
sagen, wie die Masuren z. B. vom Goldberge im Pozezdrzeschen
"Walde (Töppen pag. 128), so von dem Geldkeller auf dem
Löbauer Berge, von dem Limasberge bei Görlitz, dem Karls-
frieden bei Zittau, vom Schalkstein bei Neujonsdorf u. s. w.
Bei Durchmusterung der von Töppen mitgetheilten Sagen
muß es uns auffallen, daß eine verhältnißmäßig so große Anzahl
(14 von 30), die am Schlüsse dieser Blätter noch um eine ver-
mehrt werden soll, von Schlössern und Schätzen, die in Bergen
versunken und verborgen seien, handelt. Es hat diese Erscheinung
ihren Grund darin, daß die Masuren bei ihrer Ankunft in den
ehemaligen heidnisch-preußischen Landschaften Sassen, Galindien
und Sudauen überall, damals, vor drei und vier Jahrhunderten,
noch recht deutlich erkennbare Spuren der Ansiedelungen und
Verschanzungen der Preußen vorfanden, welche fast immer auf
Bergen angelegt waren, und daß damals vielleicht häufiger als
heute Pflug und Hacke beim Roden und Urbarmachen an
solchen Orten auf verborgene Schätze an Römermünzen, Gold-
spangen, Silberbarren u. s. w. stießen. So fanden die aus der
alten Heimath mitgebrachten Sagen hier neuen Boden und um-
rankten mit ihrer Poesie die Stätten, wo einst das unterge-
gangene Preußenvolk gelebt. Darum wird uns denn auch von
fast allen Bergen, an die sich Sagen, wie die oben erwähnten,
knüpfen, berichtet, es seien dort Alterthümer, Kriegswerkzeuge
und anderes Geräth gefunden worden, so vom Berge Grodzisko
(schon das Wort selbst grodzisko, von grod gebildet, bedeutet
eine verfallene Burg, wie z. B. auch zamczysko, von zamek ge-
bildet, ein verfallenes, wüstes Schloß), von der Insel Gilm im
Dobensee, vom Hügel bei Janowen u. s. w. (cf. Töppen, Ge-
schichte Masurens pag. 30—40). Es liegt nahe, den Schluß zu
ziehen, daß auf jedem Berge, in dem nach der Sage ein Schloß
versunken, ein Schatz verborgen ist, einstmals eine, wenn
vielleicht auch zuweilen schon nachpreußische, Verschanzung und
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Von J. Sembrzycki,
607
Ansiedelung bestanden habe, und wir sind zu dieser Annahme
um so mehr berechtigt, wenn uns, wie in fast allen Fällen, die
Sage mittheilt, auf dem Gipfel des Berges sei eine Vertiefung,
ein Brunnenloch vorhanden gewesen, oder wenn wir eine solche
noch jetzt auf dem Berge wahrzunehmen vermögen. Toppen
sagt (Gesch. Masurens, pag. 40), diese brunnenartigen Ver-
tiefungen auf mehreren der alten Schloßberge seien räthselhaft
und möchten bei einigen wohl von der Natur selbst gebildet
sein. Gegen letztere Annahme spricht jedoch, daß diese Ver-
tiefungen sich überall auf Schloßbergen auch bei den Litauern
(so auf dem Skalwis bei Paskalwen, auf dem Schloßberge bei
Tilsit, auf dem Berge Negarbe bei Dimitröw in Zamaiten und
anderwärts), bei den Kassuben (Knoop, pag. 4, 11, 31, 100, 119)
und bei den Wenden (so auf den sogenannten Römerschanzen bei
Costebrau) vorfinden. Ich stelle daher die Behauptung auf, daß
die erwähnten Vertiefungen theils Brunnen waren, die zu unten
im Berge angelegten Wasserreservoirs führten (vom Berge
Grodzisko berichtet Pfarrer v. Drigalski 1726 ausdrücklich, man
habe fichtene kienichte Röhren in der Erde gefunden, die das
Wasser von einem eine Viertelmeile entfernten See bis unter
den Berg leiteten), theils aber die Rauchfänge im Berge ver-
borgener Höhlen darstellten. Daß solche Höhlen oder Keller,
die wohl Zufluchtsorte in Zeiten der Gefahr darstellten, wirklich
vorhanden gewesen, darüber berichtet Friedr. Samuel Bock in
Band II seines „Versuchs einer wirthschaftl. Naturgeseh. von
Ost- und Westpreußen," Dessau 1783, vom Burgberge bei Saal-
feld und vom Berge bei Janowen, südöstlich von Sorquitten
(nach dem Bericht des Pfarrers Riedel um 1726). Das Vor-
handensein solcher Höhlen würde auch das plötzliche Einsinken
und Zusammenstürzen solcher Berge erklären, wovon Bock loco
citato pag. 50—52 erzählt, der es dem Hervorsprudeln von
Quellen zuschreibt, die aber bei Anlage der Höhlung vielleicht
absichtlich dahin geleitet waren, damit den zeitweise gezwungen
sich darin Aufhaltenden das Wasser nicht fehle. Sehr inter-
essant ist es, daß in den oben erwähnten Römerschanzen bei
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008 Ueber masurische Sagen.
Costerau im "Webndischen (Römer sind nie in jene Gegend ge-
kommen) bei Nachgrabungen im Jahre 1819 wirklich im Innern
eines Hügels, des sogenannten Römerkellers, eine solche 200 bis
300 Fuß Flächeninhalt haltende und 6 bis 7 Ellen hohe Flucht-
höhle entdeckt wurde. An zwei Seiten des Gemaches befanden
sich oben zwei kleine Oeffnungen, wo die "Wand etwas durch
Rauch geschwärzt war (vergl. Neues Lausitzisches Magazin,
Görlitz 1837).
Um nun wieder zu don masurischen Sagen zurückzukehren,
so findet sich die Erzählung von der bei Wiersbowen in einem
Bruch versunkenen Glocke ganz ebenso unter den Kassuben,
wo die Glocken der Groß - Tuchener Kirche, als dieselbe ab-
brannte, in den Piochensee geflogen sein sollen; auch im
Glockonberge bei Persanzig soll eine Glocke versunken sein
(Knoop pag. 19 und 139).*) Nicht minder erzählen die Zamaiten,
die Glocke der katholischen Kirche zu Crottingen sei einst vom
Winde fortgeführt in der Erde versunken; es habe sich an
dieser Stelle sodann eine Quelle und um diese herum ein Sumpf
gebildet (Veckenstedt, „Die Mythen, Sagen und Legenden der
Zamaiten", Heidelberg 1883, II, 185). Auch im Lukszta-See in
Zamaiten ist, wie Siemienski a. a. 0. pag. 80 mittheilt, eine
Glocke versunken, deren allabendliches trauriges Geläute wie:
brolau, brolau (litauisch: Bruder, Bruder!) klingt. Sie sehnt sich
nämlich nach der andern mit ihr zugleich gegossenen Glocke.
Daß die Masuren auch die Erzählungen von den Unter-
erdschchen oder Krasne**) ludki (bei den Kasehuben dremni oder
drebni ludki, d. h. kleine Leutchen, genannt und geschildert
mit dicken Köpfen, angethan mit rothen Mützen und weißen
*) Zeitungsnachrichten zufolge hat man Anfangs November d. J. im
Madue-See bei Stargard i. P. wirklich eine alterthümliche Glocke mit Klöppel
gefunden, auf der die Inschrift vollständig erloschen, ein Christusbild aber
noch erkennbar ist. Sie ist an das Alterthums - Museum in Stettin gesandt
worden.
**) Krasne ludki d. i. zierliche Leutchen, vom "Worte krasic, schmücken,
zieren, nicht zu verwechseln mit krasic, okrasid, mit Fett abmachen. —
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Von J. Seinbrzycki.
609
Kleidern; bei den Wenden als ludki, bei den Litauern als
berstnkai, karlukai bekannt), von den Mahren (bei den Polen
zmora; bei den Kaschuben mora, deutsch die Mahrt und
der Mahrt — Knoop pag. 82 und Wiktor Czajewski „Kaszubi"
Warschau 1883 pag. 29), von den Werwölfen (polnisch
wilkolak), vom Farrenkraut in der Johannisnacht u. s. w., mit
ihren slawischen Stammverwandten gemeinsam haben, dies
näher auszuführen darf ich mir wohl versagen, da es theils all-
gemeiner bekannt ist, theils, wie von Toppen geschehen, unter
den Aberglauben von den dämonischen Mächten gerechnet
werden kann.
Zum Schlüsse will ich hier noch einige Sagen mittheilen,
die ich von glaubwürdigen alten masurischen Leuten habe er-
zählen hören.
I. Oie Sage vom Sarker Berge.
Unweit des bei Lyck belegenen Dorfes Sarken befindet
sich am Dorfwege und in nicht großer Entfernung von dem
See ein ziemlich hoher, theilweise mit Bäumen bewachsener
Berg, von dem die folgende Sage geht. Ein Wirth des Dorfes
hatte sich vor langen Jahren einmal in Lyck, wohin er zu einem
Termin gefahren war, verspätet und kehrte erst spät Abends
heim. Als er nun in der Nähe des Berges sich befand, traten
zwei ganz in Schwarz gekleidete Frauen mit schwarzen Federn
auf den Hüten heran und baten ihn, sie bis zum Dorfe mitzu-
nehmen. Der Wirth erlaubte ihnen, hinten aufzusteigen, und
fuhr weiter; da aber hinter ihm alles todtenstill blieb, sah er
sich um — zwei schwarze Mäuse sprangen im selben Augen-
blicke vom Wagen. — Von einer Vertiefung auf dem Berge
erwähnt die Sago nichts und habe ich auch selbst nichts be-
merken können.
2. Die gottlosen Mädchen in Kumilsko.
In Kumilsko lebte einst ein Rector, der mit seinen Töchtern
ein gottloses Leben führte. Einst baten die Töchter sogar den
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rtio
Ueber masurische Sagen.
Vater, er möchte ihnen auf der Orgel zum Tanze aufspielen,
was der schwache Vater auch that, und die Mädchen tanzten
nun vor dem Altare. Da bemerkten sie plötzlich eine Hand,
die mit großen, feurigen Buchstaben die Worte: Wehe euch
Verfluchten ! an die Wand schrieb. Entsetzt flohen alle aus der
Kirche. Nicht lange darauf fiel der Feind ein und schleppte
alle in die Sclaverei.
3. Der diebische Todtengraber.
In der Kirche zu Marggrabowa befand sich früher auf der
dem Rathhause zugekehrten Seite ein jetzt vermauerter Ein-
gang, der zu einem Gewölbe unter der Kirche führte, in dem
man vornehmere Todte beisetzte. Bei der vorhergehenden
früher gebräuchlichen Ausstellung der Leichen in der Kirche
hatte nun vor vielen Jahren der Todtengräber einmal bei einer
Frauenleiche werthvolle Ringe am Finger bemerkt und beschloß,
sich dieselben anzueignen. Zu diesem Zwecke begab er sich
Nachts in das Gewölbe, konnte aber den einen Ring durchaus
nicht vom Finger der Todten bekommen. Kurz entschlossen,
versuchte er den Ring mit den Zähnen abzuziehen und biß
dabei der Leiche in den Finger. Hierdurch erwachte die nur
scheintodte Frau und richtete sich im Sarge auf. Der Todten-
gräber floh entsetzt von dannen ; die Frau aber begab sich nach
Hause und lebte noch mehrere Jahre.
4. Der durch Roden entstandene Teich.
Vom Oletzkoer See nur durch einen wenige Schritte breiten
Streifen Land getrennt liegt an den Stiflsländereien ein kleiner
Teich. An dieser Stelle soll einst Wald gestanden haben. Als
man nach Abholzung desselben die Stubben ausrodete, quoll
aus einem der dadurch entstandenen Löcher das Wasser mit
solcher Gewalt empor, daß es diesen Teich bildete.
5. Das Oletzkoer Schloss.
In dem zu Anfang dieses Jahrhunderts abgebrannten
Oletzkoer Schlosse sollen sich in einem Zimmer an der Wand
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Von J. Sembrzycki.
unvertilgbare Blutspuren befunden haben, die von einem Bruder-
morde herstammten. — Von dem Schlosse aus soll an der Stelle,
wo die Lega aus dem See fließt, ein unterirdischer Gang nach
dem andern Ufer geführt haben; ein ebensolcher Gang soll vom
Schlosse nach der alten Kaplanei und von da bis unter die
Kirche geführt haben. Eine vom Stiftsgarten bis zur Denzer-
schen Scheune neben dem "Wege fortlaufende Einsenkung wird
ebenfalls als ein eingestürzter unterirdischer Gang bezeichnet.
— Von solchen unterirdischen unter dem See fortlaufenden
Gängen giebt es auch beim Lycker Schlosse Sagen.
6. Die Riesenfichte in der Dalinitz.
In der Dallnitz bei Lyck soll sich einst eine Fichte von
riesigem Umfang befunden haben, von der das Volk mehrere
Sagen erzählte. Man konnte mir jedoch weder über diese Sagen,
noch über die Stelle, wo der Baum gostanden, etwas mittheilen.
Ebenso ist mir die Sage
7. Vom Bauern Konopka und dem Teufel
in ihren Einzelheiten nicht mehr erinnerlich. Konopka soll in
einem Dorfe bei Angerburg gewohnt und den Teufel so über-
listet haben, daß dieser die größte Furcht vor ihm hegte. Als
nun später einmal der Teufel im Schlosse zu Königsberg spukte
und auf keine Weise zu vertreiben war, hörte endlich Herzog
Albrecht von Konopka und ließ ihn holen. Kaum wurde nun
der Teufel des Bauern ansichtig, so floh er entsetzt von dannen ;
Herzog Albrecht aber gewährte dem Bauern zum Lohne Steuer-
freiheit für sich und seine Nachkommen.
8. Nächtliches Licht in Kirchen.
Sowohl von der Kirche zu Stradaunen, als auch von der
zu Schareiken wurde mir erzählt, man habe einst in der Char-
freitagsnacht die Kirche hell erleuchtet gesehen und den
Glöckner herbeigerufen, damit dieser nachsehe, was die Ursache
sei; sobald man jedoch aufgeschlossen habe und in die Kirche
getreten sei, habe man alles dunkel gefunden.
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612
Uebcr masnrische Sagen.
9. Der Hirschkopf in der Kirche zu Marggrabowa.
In dieser Kirche hängt vor dem Orgelchor ein hölzerner
Hirschkopf mit schönem Geweih von der Decke herab, der zum
Kronleuchter eingerichtet ist. E9 befindet sich an ihm ein
"Wappen, wohl desjenigen, der diesen Leuchter in die Kirche
stiftete. Hirschköpfe zu Kronleuchtern in Kirchen einzurichten,
scheint in früherer Zeit allgemeiner gewesen zu sein; so lesen
wir in der Altpr. Monatsschr. von 1883, in der St. Georgen-
kirche zu Rastenburg habe „als Wandleuchter ehemals ein
hölzerner, früher mit Kerzenträgern versehener Hirschkopf ge-
dient, welcher das mächtige, natürliche Geweih eines Sechszehn-
enders trägt". An den obenerwähnten Hirschkopf nun knüpft
sich folgende Sage. Herzog Albrecht soll, als er in den damals
in jener Gegend befindlichen großen "Waldungen jagte, einen
mächtigen Hirsch aufgetrieben haben, der verwundet und ver-
folgt in der Hütte eines Einsiedlers Zuflucht suchte, die an der
Stelle sich befand, wo heute die Kirche steht. Zum Andenken
an dieses Ereigniß soll Herzog Albrecht Kirche und Stadt
fundirt und das Geweih des Hirsches, zum Kronleuchter in
obiger Art eingerichtet, in die Kirche gestiftet haben.
Sollten vorstehende Zeilen zu weiterem Forschen und
Sammeln die Anregung bieten, so wäre ihr Zweck erreicht
Das Beste wäre wohl, wenn, nach dem Mustor der Litauischen
Litterarischen Gesellschaft zu Tilsit, eine Masurische Litterarische
Gesellschaft sich bildete, um Masuren zu erforschen und alles
Bemerkenswerthe durch Aufzeichnung und Fixirung vor dem
Vergessenwerden zu retten. Conditio sine qua non wäre natür-
lich der völlige Ausschluß von revolutionär - politischen soge-
nannten Nationalitätsbestrebungen und somit auch der Hoch-
polen, deren immer nur auf das Politische gerichtete Einmischung
sich noch stets als unheilvoll erwiesen hat.
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Eine noch heute zeitgemässe kirchenpolitische
Denkschrift des Ministers t. Schön.
Zehn Jahre sind gerade verflossen, seitdem die konsti-
tnirende Generalsynode durch Annahme und Amendirung des
Synodalstatuts der protestantischen Landeskirche in den alten
Provinzen des preußischen Staate den Grund zu einem Gebäude
unprotestantischer Hierarchie gelegt hat, dessen Krönung auf
der zweiten ordentlichen Goneralsynode ernstlich versucht
worden ist. Durch das Institut der Generalsynode hat das
bis dahin absolut regierende Kirchenregiment in der unirten
evangelischen Kirche eine Beschränkung seiner rechtlichen Be-
fugnisse erfahren, welche an das parlamentarische Regiment im
weltlichen Staat erinnert. Nur sind die Machtbefugnisse im
weltlichen Staat anders vertheilt als in diesem Kirchenstaat, und
ebenso ist die Rolle der Opposition in dem letzteren derjenigen
Richtung zugetheilt, welche im ersteren auf Seiten der Krone
steht. Trotz diesem essentiellen Unterschiede ist das kirchliche
Parlament genau in derselben Weise mit der Vertretung des
Königs als summus episcopus der protestantischen Kirche in
Konflikt gerathen, wie seinerzeit das weltliche Parlament mit
der Regierung auf anderem Gebiete. Schon diese Constellation
ist geeignet, das höchste Interesse zu erregen, und eine genauere
Betrachtung herauszufordern. Es treten neben den entscheiden-
den Unterschieden, welche an sich zwischen dem Gebiet der
Kirche und dem des Staats bestehen, auch Analogieen hervor,
welche bekunden, daß auf beiden Gebieten das richtige Fun-
Digitized by Google
614 Eine noch heute zeitgemäße kirchenpolitiache Denkschrift
dament fehlt, und hieraus ergiebt sich, daß es auf beiden
Gebieten noch anhaltender und heftiger Kämpfe bedürfen wird,
bevor ein befriedigendes Gleichgewicht hergestellt sein wird.
Was auf dem Gebiete des weltlichen Staates daran fehlt,
um zu einer Ausgleichung der Gegensätze zu führen, soll hier
nicht erörtert werden. Es geschieht dies alle Tage an anderen
Stellen. Auf kirchlichem Gebiet aber fällt sofort und zunächst
in die Augen, daß die parlamentarische Vertretung der Kirche
ganz falsch und mit Verleugnung des protestantischen Grund-
princips konstruirt worden ist. Das Kirchenregiment befindet
sich also einer Vertretung gegenüber, welche nichts weniger
darstellt als dasjenige Element, an welches der vermöge der
geschichtlichen Entwickelung absolut regierende summus episco-
pus allein gewisse Rechte abzutreten befugt sein konnte, wenn
nicht der Geist und das Wesen der protestantischen Kirche von
Grund aus verfälscht werden sollte. In der vom römischen
Priesterstaate losgelösten und von der Priesterherrschaft erlösten
protestantischen Kirche bildet die Gemeinde das Grundelement,
aus welchem sich diese Kirche aufbaut, und von welcher jeder
verwaltende Faktor ausgehen und beherrscht werden muß. Jedes
eigentliche Regiment, jedes Moment der Herrschaft von oben
her ist hier grundsätzlich auszuschließen, wenn überhaupt von
einer Freiheit des religiösen Bekenntnisses, dieses innersten
Kerns des protestantischen Bekenntnisses, und von einer Selbst-
verwaltung der evangelischen Kirche die Rede sein soll. Der
landesherrliche Despotismus in der protestantischen Kirche, der
sich geschichtlich entwickelt hat, weil Luther seine Kirche in
den Schutz der Landesherren stellen mußte, und der aus dieser
geschichtlichen Entwickelung den Titel seiner Berechtigung
herleitete, so lange nicht ein Anderes an seine Stelle gesetzt
wurde, oder gesetzt werden konnte, ist bisher erträglich gewesen
und ertragen worden, weil der Landesherr von seiner Gewalt
immer einen gemäßigten Gebrauch zu machen genöthigt gewesen
ist, und selbst in katholischen Ländern aus bewegenden Ursachen
nur einen sehr gemäßigten Gebrauch gemacht hat.
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des Ministers v. Srhön.
filö
Ganz anders stellt sich die Sache, wenn der Landesherr
als summus episcopus der protestantischen Kirche eines Theils
seiner Rechte sich zu Gunsten einer Versammlung entäußert, in
welcher die Gemeinde so gut wie gar nicht vertreten ist, welche
sich aber trotzdem anmaßt, ein Regiment gesetzgebend und ver-
waltend über die Gemeinde auszuüben, deren Vertretung ihr
obliegen sollte. Diese Generalsynode ist, wie gesagt worden ist,
der Mund der Kirche. "Wenn aber die Herren Stöcker und
Hegel der Mund der Generalsynode sein sollen, so springt von
selbst in die Augen, in welchem Maße diese Synodalordnung
eine grundsatzliche Verfälschung des obersten Princips der
protestantischen Kirche bedeutet. Die vor zehn Jahren festge-
stellte Kirchengemeinde- und Synodalordnung enthält vermittelst
des Filtrirsystems, durch welches sie aus Wahlen hervorgeht,
die eigentlich nichts weniger als Gemeindewahlen sind, ein
hierarchisches, despotisches, büreaukratisches Element, welches
im geraden Gegensatz zu dem protestantischen Gemeindeprinzip
von oben her durch alle Instanzen durchsickert, und der Ge-
meinde wohl eine große Vielthätigkeit aufbürdet, aber keine
Selbstbestimmung in kirchlichen und religiösen Dingen übrig
läßt. Daher rührt die viel beklagte, vergebens bekämpfte, an-
scheinend unüberwindliche Gleichgiltigkeit des größten Theils
der gebildeten Volksklassen gegen die Einrichtung der Kirche.
Die künstlich in früheren Jahrzehnten und durch Jahrzehnte
hindurch groß gezüchtete Orthodoxie hat es verstanden, das vom
Minister Falk in zu großem Vertrauen auf den Geist der Zeit
unternommene "Werk der Emancipation der protestantischen Kirche
von dem absoluten Regiment des summus episcopus, der unter-
dessen auf weltlichem Gebiet ein konstitutioneller Monarch gewor-
den ist, von Hause aus derart zu verpfuschen, daß an die Stelle des
landesherrlichen Regiments der Despotismus einer bornirten,
unduldsamen, buchstabengläubigen und gewaltthätigen Orthodoxie
zu treten droht, die schon so weit geht, die vorbehaltenen
Rechte des summus episcopus und gleichwie die katholische
Hierarchie auch die innersten geistigen, idealen Interessen des
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(516 Eine noch heute zeitgemäße kirchen politische Denkschrift
Staates anzutasten und einer vielköpfigen Hierarchie, einer
Summe von Päpstlein zu unterwerfen, vor denen schon Luther
eindringlich zu warnen sich gedrungen fühlte. Es wiederholt
sich somit auf kirchlichem Gebiet derselbe Vorgang, der sich
auf weltlichem Gebiet abzuspielen beginnt. Die Gemeinde hier
und das Volk dort wird mit scheinbaren Rechten ausgestattet,
unter deren Deckmantel sich eine despotische Gewalt zu etabliren
bestrebt ist, welche über den Gemeinden und dem Volke schwebt.
Man mag in der That darüber zweifelhaft sein, auf welchem der
beiden Gebiete des Volkslebens man zu energischerem Wider-
stande sich angeregt und verpflichtet fühlen soll.
Wenn man bedenkt, daß es sich auf dem kirchlichen
Gebiete um die höchsten idealen Güter des menschlichen Ge-
schlechts in seinem Streben nach geistiger und sittlicher Ver-
vollkommnung handelt, so sollte die Wahl eigentlich nicht
zweifelhaft sein. Für die Gleichgiltigkeit, mit welcher die ge-
bildeten Klassen des Volks den Kämpfeu auf dem kirchlichen
Gebiete zusehen, ohne sich an denselben zu betheiligen, kann
man die sichere Ueberzeugung erklärend anführen, daß alle
Gewaltmaßregeln auf diesem Gebiete ausgeschlossen sind.
Aber auch diese Gleichmüthigkeit wird voraussichtlich eine
Grenze finden müssen. Nach dem Ausspruche eines Staats-
mannes, der noch immer nicht gebührend gewürdigt wird, soll
„der heilige Geist zwar über den Gemeinden schweben,
aber nicht als besonderes Wesen im Talar und Barett
sich bemerkbar machen." Da die jetzige Generalsynode
in ihrer Zusammensetzung und Tendenz das gerade Gegenstück
zu dieser Prinzipalforderung darstellt, so ist es angebracht, an
der Hand einer das Wesen der Sache erschöpfenden Darstellung
dieses Staatsmannes, die mehr positives Christenthum ent-
hält, als bisher durch „den Mund der Kirche" kund gethan
worden ist, und kund gethan werden wird, die historische Ent-
wickelung der Institution zu rekapituliren. Der Minister v. Schön
äußerte sich vor 40 Jahren (Dezember 184G), als Friedrich
Wilhelm IV. einen vorbereitenden Versuch mit einer General-
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des Ministers v. Schön.
rtl7
synode der unirten evangelischen Kirche gemacht hatte, in der
nachstehenden Denkschrift folgendermaßen über
Die Berlinische Synode 1846.
„Friedrich "Wilhelm III. sagte mit einem gewissen Stolze
von sich: er sei ein Prosaiker. Ja! noch mehr: jede nur durch-
blickende Idee, jede Regung der Phantasie oder des Gefühls
suchte er bei sich zu unterdrücken. Indem er keine Idee auf-
kommen lassen wollte, wurde es ihm schwer, der Phantasie ihre
Grenzen anzuweisen und sein lebhaftes menschliches Gefühl in
Zucht und Banden zu halten. Daher wollte er blos und allein
Verstandesmensch sein. Alles, worauf er Einfluß hatte, sollte
nur nach einer von ihm anerkannten untergeordneten Ordnung,
so viel als möglich, zur leichteren Uebersicht in Gleichmäßigkeit
vor sich gehen. Der Krieg war ihm ein wildes Getreibe, beim
Exerciren konnte er ausharren. Das Staatsleben war ihm
vollends ein Chaos, welches zu ordnen oder in Ordnung zu
halten er Anderen überließ. Einzelne ihm begreifliche Staats-
operationen betrachtete er ohne besonderes Interesse, aber darauf,
daß kein Geschäftszweig dem andern zu nahe kam, hielt er
strenge. Den besten Vorschlag, den z. B. der Minister des Innern
im Geschäftskreise des Ministers der Finanzen machte, betrachtete
er als Anmaßung. Er wollte eine Ordnung halten, wie sie im
Frieden beobachtet wird; alles, was von Ideen während seiner
Regierung ins Leben trat, betrachtete er kälter und von sich
entfernter, als dies bei seinen Unterthanen dor Fall war. Zu
dem Jubel, welcher im ganzen Lande wegen der Aufhebung der
Erbunterthänigkeit stattfand, machte er, wie Scharnhorst mir
sagte, ein bedenkliches Gesicht. Nicht weil er gegen die Sache
war, sondern nur wegen der Besorgniß, ob dabei auch
Ordnung beobachtet werden würde. Bald nach dem Kriege
war der König auf einer Reiso in Landsberg a. W. über Nacht.
Es war Sonnabend Abends, als er ankam. Er wollte am nächsten
Morgen dem Gottesdienste beiwohnen. Um dabei nichts zu
unterlassen, was etwa von der Gemeine zu beobachten sei,
Altpr. Monat«Bohrift Bd. XXIIL Htt. 7 u. & 40
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018 E'ne n°ch heut« zeit gemäße kirehenpolitische Dcnkwhrit't
schickte er den General von Witzleben, wie dieser mir mittheilte,
zum Geistliehen des Orts, um über die übliche Form des Gottes-
dienstes Erkundigung einzuziehen. Der Geistliche theilte die
Form, welche er am folgenden Tage beim Gottesdienste be-
obachtet haben würde, mit; setzte aber hinzu, daß er auch jede
andere Form, welche Se. Majestät befehlen würde, beim morgenden
Gottesdienste zu beobachten bereit sei. Dies Unbestimmte in
der Antwort des Geistlichen, diese Bereitwilligkeit des Geist-
lichen, in jeder Form, welche gewünscht würde, den Gottes-
dienst zu halten, regte, wie mir der General v. Witzleben sagte,
den König sehr auf. Dem Könige fehlte der Halt, und daß
bei sehr verschiedeneu Formen Erbauung möglich sei,
lag ihm zu entfernt. Dem Geistlichen fehlte nach des
Königs Meinung das Reglement, wie es die Armee hat.
Von diesem Tage an datirt sich das Bemühen des Königs, dem
kleinen Dienste in der Kirche eine feste Basis, ja! noch mehr,
eine bis in das kleinste Einzelne sich ausdehnende Vorschrift
zu geben. Witzleben, eines Theils nicht Kopf und nicht ge-
bildet genug, um den rechten Standpunkt des Königs hier finden
zu können, anderntheils, ich will annehmen, unbewußt die Sache
als Lieblingssache des Königs mit Eifer aufnehmend, um dadurch
seinen Einfluß auf den König zu erweitern, schleppte nun alle
Agenden, deren er nur habhaft werden konnte, herbei, um diese
mit dem König durchzustudiren. Einzelne Geistliche, welche
längst den Maugel an hierarchischem Wesen in der
protestantischen Kirche bedauert hatten, boten bereit-
willig die Haud, und so entstand im Jahre 1817 die Agende
für den Hof und für die Armee. Der für den Hof konnte
man noch einen Sinn unterlegen, theils weil der Hofdienst an
sich Aufgabe der Persönlichkeit bis zu einem gewissen Grade
an die Willkür eines Andern mit sich führt, theils aber auch,
weil der Hofmann wie im Salon auch in der Kirche seinen
Dienst zu verrichten hat, also hier von Erbauung nicht die ßede
sein darf. Aber! für die Armee! Für eine Armee, welche nur
der bewaffnete Arm des Volkes, also integrirender Theil des
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des Ministers v. Schön.
619
Volkes ist, welches in der Kirche Erbauung finden soll, eine
andere Art des Gottesdienstes zu bestimmen, als das Volk hat,
und den Staatsbürger, der zufallig bewaffnet ist, mit physischer
Gewalt zu diesem Gottesdienste zu fuhren, das ist Widerspruch
in sich. Der Appetit kommt beim Essen und so sollte auch die
Hof- und Militairagende bald zum Volke gebracht, das Volk
sollte auch hierin uniformirt werden. Der König studirte
fleißig die Einrichtung der russischen Kirche! und es mußte der
Satz: Der Kaiser ist das Haupt der Kirche! und die feststehende
Tabulatur in dieser Kirche seiner Persönlichkeit zusagen. Das
Letzte bestärkte sein Streben nach Uniformität, und er wurde
auch gern, wie Peter der Große, sich als Haupt der Kirche
gerirt haben, wenn ihm nicht der Zustand der russischen Kirche
unter Alexander, dessen Abhängigkeit von der Geistlichkeit ge-
zeigt und wenn er nicht Aufregung des Volkes gefürchtet hätte.
Die kirchliche Oberhauptschaft sollte nun auf diplomatischem
Wege geltend gemacht werden. Man negociirte mit den einzelnen
Geistlichen, man beförderte die bereitwilligen zur Annahme,
man beordente, beschenkte u. s. w. Der König tibersah nicht
allein alle Einwendungen gegen die Agende, daß sie Christus,
ultra katholisch, zum Obersten der Gottheit mache (Du
der Höchste in der Herrlichkeit Gottes! über welche Stellen
Witzleben selbst erschrak, als ich sie ihm zeigte), daß der
längst verworfene Exorcismus nur überzuckert wieder vorgesueht
sei u. s. w.; sondern betrachtete, wie sein Gespräch mit dem
Consistorial-Director Böckner zeigte, jedes Bedenken bei An-
nahme der Agende als Akt des Eigensinns. Die Sache blieb
in der Schwebe, bis der König starb.
Friedrich Wilhelm IV. faßte, die Oberhauptschaft fest-
haltend, die Sache von der entgegengesetzten Seite an. Fried-
rich Wilhelm HI. wollte, so weit es ging, von oben befehlen,
er fiel mit der Thüre ins Haus. Friedrich Wilhelm IV. sagte:
Die Kirche soll sich aus sich reformiren, und dabei
wurden alle Einleitungen und Anstalten getroffen, daß England
hierbei Vorbild sei. Hierdurch wurde zugleich die ganze
40*
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620 Eine noch heute zeitgemäBo kirchenpoliti.sche Denkschrift
hierarchische Partei gewonnen. Man schickte Geistliche
nach England, man ließ Provinzial-Synoden, Prediger-Conferenzen
ohne Princip ins Blaue hinein halten, der Wirrwarr und die
Staubwolken wurden groß. Von den Prediger-Conferenzen ohne
Beachtung der Grenzen des preußischen Staats abstrahirte man
bald, da man sah, daß die fremden Geistlichen wenig Nahrung
für geistliche Oberhauptschaft und als Mittel dazu veraltete
Rechtgläubigkeit gaben. Es wurde eine königlich preu-
ßische Landes-Synode ausgeschrieben. Statt aber dazu
die Mitglieder im Geiste des Protestantismus von der Gemeine
wählen zu lassen, überließ man die Auswahl Männern ohne
eigene Meinung und ohne Charakter, und so kam eine Gesellschaft
zusammen, welche größtentheils aus gedankenlosen Orthodoxen
und anerkannten Servilen bestand. Nur wenige hatten den
Muth, sich von dem kommandirten Abendmahle auszuschließen.
Statt nun einfach von dem Satze, wie ihn unser AUg. Land-
recht stellt, auszugehen: die im preußischen Staate lebenden
Mitglieder der evangelisch - lutherischen und refor-
mirten Kirche bilden in Beziehung auf den Staat eine
Gesellschaft, der alle Rechte einer solchen gebühren,
statt diesen Satz festzuhalten und alle Eingriffe des Staats in
das Recht der Gesellschaft zurückzuweisen, und das ihr zu-
kommende Recht der Unabhängigkeit zu fördern, blickten bei
den Verhandlungen immer zwei Zielpunkte durch, nämlich:
1. Bildung einer Landeskirche (England),
2. die größere Befestigung und Ausdehnung des
Kirchenregimentes, im Gouvernement also:
Der König das Haupt der Kirche!
So kam man zu einem Mischmasch von Presbyterialein-
richtung im Kleinen, wobei das Gouvernement aber auch immer
einwirken soll, und zugleich zu einer an sich servilen Con-
sistorialeiuriclitung und was die Hauptsache war, zu einem
gewaltigen Kirchenregim ente. Dies Kopfüber und Durch-
einander bahnte zugleich Hierarchie und Kirchendespotie an,
und so glaubte jede der beiden Parteien, ihr Feld gehörig zu
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des Mimstors v. Schön.
621
ebnen. Prinzipienlos mußte die Versammlung zu den lächer-
lichsten Fragen kommen : ob nämlich der geistliche Minister als
kirchlicher Mann zu betrachten sei? Kommt dies Sammel-
Snrium zur Ausführung, dann ist die englische Oberhauptschaft
mit allen ihren Greueln da.
Einfach die Sache betrachtet, so ist eine Gesellschaft im
Staate da. Diese Gesellschaft hat ihre gesetzgebende
Macht in der Versammlung der Abgeordneten der Ge-
meinen. Die Versammlung wählt einen Ausschuß als
ausübende Macht. Der Staat nimmt nicht allein von
Allem Notiz, sondern übt ein unbedingtes Veto, wo er
es für nöthig findet, aus. In dem Augenblick, wo eine Religions-
gesellschaft in einem unconstitutionalen Staate ihre ausübende
Macht (Kirchenregiment) dem Gouvernement überläßt, wird sie
"Werkzeug des Gouvernements, und ihre "Würde ist dahin.
Ebenso ist eine protestantische Kirchengesellschaft als
solche aufgelöst, und der Hierarchie verfallen, wenn
sie außer der Stimme der Gemeinen noch eine Kirche
als darüberstehendes "Wesen annimmt, von welcher Kirche
in Synodal Verhandlungen auch geschwatzt ist. Dieser heilige
Geist soll zwar über den Gemeinen schweben, aber nicht als be-
sonderes Wesen im Talar und Barett sich bemerkbar machen. Nach
den Synodalverhandlungen ist diese Kirche, ächt katholisch, die
Hierarchie oder, ächt russisch, der König.
So sind Hierarchie und Kirchendespotie zwar Hand in
Hand gegangen, aber Jeder von beiden hatte ein besonderes
Ziel. Vox populi (Gott in seiner Offenbarung durch den
menschlichen Geist) wird alle diese Uebertünchungen und
Drehungen zu Schanden machen. Amen!
Luther übergab zwar den Gouvernements das Kirchen-
regiment, aber theils machte Luther überhaupt seine Reformation
von Oben nach Unten und benutzte die Hab- und Herrschsucht
der Fürsten als Mittel zum guten Zweck, theils war damals
noch eine sehr finstere Zeit, Gemeinen im lutherischen Sinne
existirten nicht, das Volk war kirchlich ohne Haltung. Dazu
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622 Eine noch heut© zeitgemäße kirchenpolitiscbe Denkschrift
kam, daß alle Staaten Deutschlands in gewisser Art constitational
waren, neben Reichstag und Kammergericht beschrankt© der
Adel noch die Willkür der Fürsten. Heute haben wir Gemeinen,
und es ist Tag!
Das Innere der protestantischen Kirchengesellschaft in
unserem Staate konnte niemals Gegenstand der Verhandlung der
Kreis-, Provinzial- oder General-Synode, wie die ersten beiden
katholisch- und die letzte beamtenartig zusammengesetzt waren,
sein. Dem Wesen der protestantischen Kirche nach
können -nur gewählte Abgeordnete der Gemeinen eine
Synode bilden, und die ersten beiden Versammlungen bestanden
nur aus kirchlichen Dienern der Gemeinen, nämlich aus Geist-
lichen, und die sogenannte Berliner Synode war, weil die Mit-
glieder vom Kirchenregimente kommandirt waren, (Diener hatten
andere Diener und Gleichgesinnte berufen) nur ein protestantisch-
kirchlicher "Wechselbalg, der seine Anmaßung, wie bei
Leuten in widerrechtlich angemaßter Stellung in der
Regel der Fall zu sein pflegt, soweit trieb, sogar über
innere Angelegenheiten, nämlich über das Glaubens-
bekenntniß der Candidaten zu verhandeln. Alle drei
Versammlungen waren nur Werkzeuge des Kirchenregimentes,
oder besser der Kirchendespotie, die Berliner Versammlung
sogar in unwürdiger Zusammensetzung und Gestalt, und so
nicht Stimme, sondern Gegenstück der Stimme der
Gemeinen.
Die Mitglieder der sogenannten Berliner Synode mußten
in ihrer ersten Sitzung, wenn ihre Einsicht klar und ihr
Gewissen wach war, erklären:
1. sie bildeten keine Synode und
2. soll die Versammlung Rathgeber des Kirchenregiments
sein, so geht der Rath dahin, sie zu entlassen und
eine Synode zu berufen.
Angenommen, es trete aber eine wirkliche Synode im Sinne
der protestantischen Kirche, in Beziehung auf die protestantische
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des Ministers v. Schön.
<!23
Kirchengesellschaft, im Preußischen Staat zusammen, wie kann
sie den Frieden in dieser Kirchengesellschaft wieder herstellen?
In Absicht des Aeußeren giebt dies ein früherer Aufsatz
an. Aber in Absicht des Innern und des Wesens der Gesell-
schaft?
Ohne Statuten keine Gesellschaft, ohne Symbole
keine Kirchengesellschaft. Nur wie Statuten dem
Gange der Cultur der Gesellschaft folgen müssen, so
auch Symbole. Die jetzigen Symbole sind in ihrer
Form nur Beweisstücke des Culturstandes der Zeit, in
welcher sie aufgestellt sind.
Satzungen, welche sich Jahre, ja Jahrhunderte lang halten,
müssen Ideen zu Grunde liegen, welche als solche in ewiger
Geltung sind.
Die jetzt angenommenen Symbole stellen diese Gottes-
kinder in so grell, grob und geschmacklos sinnlicher Form dar,
daß diese morsche, veraltete Form zerbrochen werden muß. Es
kommt also darauf an, die den Symbolen zum Grunde liegenden
Ideen in einer Form darzustellen, welche dem heutigen Cultur-
stande angemessen ist Der Kreis der sinnlichen Verkörperung
von Ideen in Beziehung auf die Kirche hat durch den Protes-
tantismus neun Zehntheile seines Terrains verloren, und die
Symbole müssen daher, weniger in sinnlicher Anschauung als
im "Worte, ihre Form suchen. Die Hauptsätze des Protestan-
tismus werden, insofern sie nicht als Erbstücke des Katholicismus
sich gedankenlos fortgeschleppt haben, als der Fluch jedes
Andersglaubenden, die Augustinische Lehre von der Verrucht-
heit des Menschen u. s. w., welche Erbstücke als Unrath gleich
im Voraus entfernt werden müßten, in einer reinen unserm
Culturzustande angemessenen Form ihre Geltung behalten können.
Und so kommt es darauf an, aus dem Schutthaufen
symbolischer Bücher die Goldkörner herauszulesen,
diese in angemessener Form für die nächstfolgende
Zeit als Lehrsätze hinzustellen und so ein neues Sym-
bolum ohne Bann und Fluch gegen den Andersglauben-
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f,24 Eine noch heute zeitgemäße kirrhenpolitiseho Denkschrift
den der protestantischen Kirchengesellschaft in unserm
Staate zu geben.
Das hier und in einem früheren Aufsatze Entwickelte,
mit der heutigen Richtung und dem Stando dos Volks in kirch-
licher Hinsicht verglichen, so springt die Thatsache in die Augen,
daß das Volk, ohne den heutigen Stand der Sacho klar zu sehen,
und ohne die Richtung des Gouvernements in der gemißbrauchten
Form des Kirchenregiments zu durchschauen, sich wie ein
Mensch benimmt, der in sich die Ueberzeugung trägt, daß man
seine Täuschung beabsichtige, ohne daß er klar sieht, wie man
dies ausführen wolle, und ohne daß er Mittel und Wege angeben
kann, wie diesem begegnet werden mag. Indem die orthodox-
hierarchisch-despotische Partei mit der Consequenz, wie sie bei
an und in sich unlauteren Dingen eino Zeit lang dadurch sich
halten läßt, daß man Alles, was Idee ist, daraus zu entfernen
sucht, und rohe Gewalt durchblicken läßt, vorgeht, benimmt sich
das Volk ungeberdig und balgt sich, statt die Sache im Prinzip
zu fassen, mit einzelnen Sätzen herum. So wissen Tausende
und Tausende nicht, was der Ausschließung von Rupp aus dem
Gustav-Adolf- Vereine eigentlich zum Grunde liegt, nämlich die
Besorgniß, dieser Verein werde eine Unterstützungsanstalt für
alle in unserm Lande verfolgten protestantischen Christen
werden ; und doch erhebt sich die Masse instinktartig für Rupp.
Daß Rupp das personificirte Bild dessen ist, der die hierarchi-
schen Bande sprengen und der Kirchendespotie, wie sie sich
gerade durch Verdunkelung der Ansichten des Volkes geltend
machen will, entgegentreten soll, ist unter Hunderttausenden
nicht Einem klar. Aber daß der Ausschließung Rnpps Unklar-
heit nnd selbstsüchtiges Wesen zum Grunde liegt, steht bewußtlos
als Glaubensartikel bei der Menge instinktartig fest, und so
schaart sie sich in Masse gegen das, in welchem sie Täuschung
vermuthet, und wie jeder Volksbewegung in der Form des
Instinkts Ideen zum Grunde liegen, so geben diese in ihrer
Allmacht der Opposition die Kraft, welche am Ende unaus-
bleiblich jede noch so fein angelegte und ausgesonnene Täuschung
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des Ministers v. Schön.
625
zunichte macht. Der Weg des vorigen Königs, durch Gewalt
und Negoeiation mit den Geistlichen ohne Rücksicht auf das
Volk Kirchendespotie zu erlangen, konnte bei dem heutigen
Culturstande nicht mehr zum Ziele führen. Aber er hatte keine
weitere Folge, als daß das Gouvernement in einer seiner vielen
Blößen dastand, und die Meinung, welche man von ihm hatte,
verkleinert wurde. Der Weg, welcher jetzt gewählt und
verfolgt wird, nämlich das Volk in seinen eigenen
Unklarheiten und Miserabilitäten zum Werkzeuge
kirchlicher Despotie zu machen, ist gefährlich; denn
Unrecht durch Gewalt läßt sich folgenlos gut machen. Aber
entdeckte beabsichtigte Täuschung erbittert, und läßt einen Keim
des Grolles zurück, der nicht zu entfernen ist.
Friedrich Wilhelm III. konnte nach seiner Ordnungsliebe,
ja! nach seiner ganzen Persönlichkeit auch in kirchlichen Sachen
nicht anders handeln, als er handelte. Als man auf Erfüllung
seiner Zusage wegen Repräsentation drang, ist er, wie mir der
Cabinetsrath Albrocht sagte, besonders besorgt gewesen, daß
Unordnung, Anarchie dadurch verursacht werden könnte. Erst
als er dagegen gesichert zu sein glaubte, ließ er die Errichtung
der Provinzial-Landtage zu. So hat er, wie seine nachgelassenen
Papiere zeugen (wie mir unser jetziger König sagte), sich bis
zu seinem Tode mit Generalrepräsentation beschäftigt, aber
theils war ihm der Begriff der constitutionalen Monarchie unklar,
theils hat er sich damit gequält, die Sache in eine gewisse
Ordnung zu bringen, und so unterblieb sie.
Friedrich Wilhelm IV. ist in sich (durch Delbrück und
besonders durch An^illon dazu getrieben) in positiver Form
religiös. Die ewige Seligkeit liegt ihm am Herzen und diese
Gefühlssache (Delbrück hat sogar eine Gemüthswelt geschrieben)
ist, seitdem er König ist, durch seine grell pietistische Umgebung
in hohem Grade gesteigert. Jede Abweichung vom positiven
Christenthum in seiner grellen Gestalt ist seiner Meinung nach
Satans Werk, und diesem entgegenzutreten wäre besonders
Gewissenspflicht eines Königs von Preußen. Die militärische
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C)2P> Eine noch heute zeitgemäBe kirchenpolitische Denkschrift
Erziehung von der einen Seite, und die laut und stark sich
äußernde Volksstimme von der andern Seite sollen nun beide
in Verbindung den Weg des Heils, der zum Besten des Volks
zu wählen ist, anweisen, und so mußte der zu Tage gekommene
Mischmasch von Kirchendespotie, von Aufrechterhaltung einer
Kirche im Gegensätze der Gemeinen, von einem stimmberech-
tigten besonderen Priesterthum (Kreis- und Provinzial-Synoden),
von einer General-Synode von Geistlichen und einzelnen in
pietistischer Richtung anerkannten Männern und von einer
Landeskirche (die Königin von England kann nach Hobbes sacra
verwalten, Peter der Große verwaltete sie wirklich) entstehen.
So läßt sich der Ausspruch: Die Kirche soll sich aus sich
selbst entwickeln, mit der gewählten Art, wie dies geschehen
soll, vereinigen und annehmen, daß beiden eine gute Absicht
zum Grunde liege. Wo keine Idee, kein Prinzip in seiner
Klarheit zum Grunde liegt, wo im Gegentheil einzelne Thatsachen
aus finsterer Zeit die Basis dessen, was zu thun ist, sein sollen,
da müssen aber Widersprüche zu Tage kommen, und dann
können jene Thatsachen nur durch entgegengesetzte Thatsachen
(Lichtfreunde u. s. w.) gehoben werden."
Aus diesen im Vorstehenden mitgetheilten Erwägungen
eines Staatsmannes, der fünfzig Jahre seines Lebens der freiheit-
lichen Entwickelung seines Vaterlandes gewidmet hatte, ergiebt
sich zunächst eine präcise Kritik des Verfahrens, welches von
den beiden Königen, denen er gedient hat, eingeschlagen worden
war, theils um die beiden Hauptrichtungen der protestantischen
Kirche zu einer einigen evangelischen Kirche zu verbinden,
theils die Emancipation dieser Kirche von der staatlichen Be-
vormundung vorzubereiten. Daß diese Bestrebungen auf dem
eingeschlagenen Wege nicht zum Ziel gelangen konnten, zum
Theil deshalb, weil sie theilweise sich widersprachen, ist, wie
wir meinen, unwiderleglich und deutlich dargethan worden.
Das Ziel, welchem die kirchliche Bewegung allmählich zugeleitet
werden muß, ist ebenso deutlich bezeichnet worden. Die pro-
testantische Kirche der Zukunft muß zunächst zu ihrem Grand-
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des Ministers v. Schön.
627
prinzip zurückgeführt werden, dem sie durch die historische
Elitwickelung ihrer Stellung im Staat entfremdet worden ist.
Aber mit Befremden muß man wahrnehmen, daß in den seit
der Abfassung dieser Denkschrift verflossenen vierzig Jahren
nicht nur nichts geschehen ist, um die protestantische Kirche
zu einer Reformation „aus sich selbst heraus" zu veranlassen,
daß vielmehr das in ihr enthaltene unprotestantische Prinzip,
die über den Gemeinden schwebende Kirche im Talar und
Barett den stärksten Anlauf nehmen darf, um vollständig durch-
zudringen, und die freie protestantische Gemeinde zugleich einer
katholischen Hierarchie und einem russischen Cäsaropapismus
zu unterwerfen.
Es genügt nicht, wenn man sich über solche heillose Ideen-
verwirrung damit trösten wollte, daß ein solches Beginnen, wie
es sich in der nächsten Landtagssession vermittelst des Hammer-
stein'schen Antrages auf der politischen Bühne breit machen
wird, nun und nimmermehr zum Ziele führen könne. Auch
wer die Ueberzeugung hat, daß es nicht gelingen könne im
neunzehnten Jahrhundert und an dessen Ausgange die Refor-
mation rückgängig zu machen, und die protestantische Kirche
in den Schoß der allein seligmachenden römischen Kirche zurück-
zuführen, wird sich nicht für berechtigt halten dürfen, einem so
merkwürdig interessanten Schauspiel mit verschränkten Armen
zuzusehen. Dies um so weniger, wenn man zu gleicher Zeit
wahrnehmen muß, daß die herrschende Realpolitik vor dieser
Kirche, die sich rüstig an die Arbeit macht, sich in Compli-
menten erschöpft, die man vor zehn Jahren noch für geradezu
undenkbar gehalten hätte. Vermag Jemand anzugeben, aus
welchen Gründen die reinste von allen Idealen und Gefühlen
grundsätzlich absehende Realpolitik jene Wendung gemacht hat,
welche das Aufgeben des mit Pomp proklamirten Kampfs
zwischen Priesterthum und Königthum bedeutet, obgleich dieser
Kampf älter ist als Kaiser und Papst?
Wenn es in so verworrenen Zeitläufen, in denen alle Be-
griffe auf den Kopf gestellt werden, die noch vor Kurzem für
Digitized by Google
628 Eine noch heute zeitgemäße kirchenpolitische Denkschrift etc.
unantastbar gelten mußten, vor allen Dingen darauf ankommt,
das protestantische Gewissen wach zu rufen und zu schärfen,
so wird man die hier gebotene Gabe aus dem Nachlasse eines
goistigen Helden in seiner engeren Heimath doppelt zu schätzen
und zu würdigen wissen.
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Nachträge zu dem aufsatz über das litauische haus.
Von
A. Bezzenberger.
(Bnd. XXIII s. 34 ff.)
Mit einer lithogr. tafel.
Die besonderheit des von herrn oberlandesgerichtsrat Wiehert
mir mitgeteilten grundrisses (fig. 21) hat mich veranlaßt, der
Verbreitung und der herkunft des hierin dargestellten typus an
ort und stelle nachzugehen. Es ergab sich hierbei, daß genau
dieselbe hausform, welche herr "Wiehert beschrieben hat (s. 60
aum. 38), außerhalb Gilges nicht vorzukommen scheint und in
den haffdörfern Karkeln, Loye, Inse und Nemonien — Tawe
konnte ich in folge ungünstiger Witterung nicht besuchen —
bestimmt nicht vorkommt; es fanden sich dagegen zwei häuser
in Tn.se, welche auf den Ursprung dieser form licht werfen
dürften. Das eine (eigentum des wirts Besmen), welches für
das älteste Inser haus und für über 100 jähr alt gilt, steht seinem
grundrisse nach (fig. I*)) den in fig. 21 und in der hier beige-
fügten fig. II**) (welche ich selbst in Gilge aufgenommen habe)
*) a = flnr; b, b1, ba = stube; c = kammer; d, d1, da = Vorratskammer;
e = kol-en ; f ■= stall ; g = angebaute kammer von bretterwerk ; h = an den
Seiten offene halle, über welche das hausdach fortgeführt ist ; i = kochstatte.
**) a = flur ; b, b1, bs = stube (b3 dient zugleich als klete) ; c = kammer ;
d = vorratskämmerchen; e = stall; f, f1, f? = halle (f1 und f2 halboffen;
zwischen den beiden letzten pfeilern [nach a zu] von f9 und tischen den
beiden inneren pfeilern von f1 befindet sich je eine halbtür); g= kochstätte;
h = ofen.
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630
Nachträge zu dem aufsatz über das litauische hau».
geschilderten häusern so nahe, daß an seinem zusammenhange
mit diesen nicht wohl gezweifelt werden kann. Es unterscheidet
sich aber wesentlich von den letzteren und tritt auf die seite
der gewöhnlichen litauischen bauweis© 1. durch das fehlen einer
halle längs der e und d begrenzenden außen wand, 2. durch die
Stellung seiner hinteren eingangstür, 3. dadurch, daß die den
räumen b1 und c von fig. IL entsprechenden räume d1 und d2
nur von außen zugänglich sind, was die Vermutung nahe legt,
daß dieselben angebaut sind. Erscheint es schon hiernach wahr-
scheinlich, daß der in rede stehende Gilger typus die locale
entwicklung der gewöhnlichen preußisch - litauischen hausform
sei, so wird dies noch wahrscheinlicher durch das zweite der
erwähnten Inser häuser gemacht, von welchem ich jedoch keine
abbildung geben kann. Dasselbe unterscheidet sich auf seiner
rückseite in nichts von z. b. fig. 4 — es hat also eine glatte
rtickwand — und auf seiner Vorderseite nur dadurch von fig. I,
daß die hier in d1 befindliche tür fehlt, daß die linke Seiten wand
dieses raumes (bez. der vereinigten räume d1 und d2) mit der
linken giebelwand des übrigen hauses nicht eine durchgehende
fläche bildet, sondern die längswand des in fig I. mit f be-
zeichneten raumes in einem, wenn auch nur kleinen, rechten
winkel trifft (vgl. den durch b1 und c in fig. II gebildeten
außenwinkel), und daß sich sowohl vor der vorderen haustür
wie vor der tür der vereinigten räume d1 und d2 eine schmale
halle befindet, welche beide unter einem rechten winkel zu-
sammenstoßen und zusammenhängen. Diese tatsachen weisen
darauf hin, daß der anbau, welchen dies haus auf der linken
seite seiner front zeigt, eben ein anbau an ein ganz gewöhnliches,
oblonges litauisches haus ist, und bestätigen zugleich die Ver-
mutung, daß die räume d1 und d2 der fig. I unursprünglich und
angebaut sind.
Ich neige also zu der annähme, daß die eigentümliche
Gilger hausform (fig. 21 und fig. IE) nur eine Spielart des
preußisch - litauischen grundtypus (s. 61) sei, um so mehr, als
ich in Inse eine teilweise recht große freiheit in der behand-
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Von A. Bezzenberger.
031
hing der häuser bemerkte. So fand ich dort ein bauwerk,
welches von weitem ganz ungeheuerlich aussah, sich in der nähe
aber als die Vereinigung von drei oder vier ganz gewöhnlichen
Wohnhäusern ergab.
Anbaue, welche dem dl und d2 der fig. I entsprechen, habe
ich auf einer fahrt durch den Heydekruger kreis recht oft be-
merkt. Sie kommen ab«r auch sonst vor. Vgl. fig. III*), den
grundriß eines hauses in der nähe von Laugallen (unweit des
russischen Grenzortes Gorszdy).
In Wikiszken bei Kleszowen (kr. Darkehmen) und in
Antszirgessern bei Niebudszen (kr. Gumbinnen) sah ich je ein
haus mit einer halle längs jeder giebelseite. In dem letzteren
orte wurde mir gesagt, dieselbe solle die lehmwände des betr.
hauses schützen; sie wurde h^r also als eine erweiterung des
sog. traufbrettes aufgefaßt.
Fig. 18 ist, wie ich mich bei wiederholtem besuche dieses
häuschens überzeugt habe, nicht richtig. Der räum rechts von
der flur zerfiel nämlich früher in 3 räume: eine hinterstubo,
eine von der haustür) und einen stall (rechts von
der kammer); der letztere hat einen besonderen ausgang (in der
front). — Daß ich dies früher nicht bemerkt habe, lag an den
sandmassen, welche dies gebäude ehedem umgaben und einer-
seits die rechte hälfte desselben unbewohnbar machten (in folge
wovon sich hier das vieh ausbreitete), andrerseits am sehen
hinderten. Jetzt ist es etwas freigelegt.
Zu den älteren nachrichten über den litauischen hausbau
tritt noch die folgende: „nostri progenitores laborum et pericu-
lorum maris pertaesi, et captivis tarn viris quam faeminis onusti,
coepere in tabernaculis ad focos, more militari, adhuc in Sama-
gitia durante, vitam degere" Michalonis Lituani de moribus
*) a = flur; b = stube; c = nur von außen zugängliche kammer; d =
küche (genauer: ei . bis auf' den fußboden herunter geführter rauchfang);
e = ofen; f=aus bretterwerk und Strohgeflecht hergestellter an bau, der zu
wirtschaftlichen zwecken dient.
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632
Nachträge zu dem aufsatz über das litauische haus.
Tartaroram, Lituanorum etc. fragmina ed. Grasser, Basileae 1615,
p. 24. — Das citat aus Lasiczki (s. 38 — 39) ist etwas zu er-
weitern; es geht ihm u. a. vorher: „iidem dem aut viceui, plures
uel pauciores, in vno tugurio liuum, lanam, cannabim pectunt,
nent, texunt, vestes conficiunt. . . . Disperse per syluas, campos
degunt. rara oppida, nec pagos nimium inultos, arces autem
munitas nullas habent. quorum fonestrae meridiem versus speo
tant". — Über die lettischen Wohnungsverhältnisse finden sich
folgende beachtenswerte angaben bei Aug. Wilh. Hupel
Topograph, nachrichten von Lief- und Ehstland II, Riga 1777,
s. 149: „Nach verhältniÜ seines Wohlstandes hat der bauer um
sein wohnhaus ein oder mehrere nebengebäude, als stalle,
kleete u. d. g. alle von elenden ansehen. Arme leben mit ihrem
vieh unter einem dach, nur durch eine Zwischenwand abge-
sondert, durchgängig findet man hüner, auch oft bei den Ehsten,
schaafe, ziegen und schweine in ihrer stube. Diese ist zugleich
des winters die küche; des sommers kochen sie unter freien
himmel, oder in einer strauchhtitte ; ordentliche bauern haben
eine besondre sommerküche von pyramidenförmig an einander
gestellten langen stangen, zwischen wolchen zur abhaltung des
regens, baumrinden liegen; an einem in der mitte befestigten
querholz hängt der grapen über dem feuer: solche küchen
brauchen sie mehr wegen des waschens als wegen des speise-
kochens, weil sie des sommers viel milch und kalte speise
essen"; das s. 165: „Auch in der wohnimg findet sich ein unter-
schied. Die Letten wohnen zerstreut: die meisten haben neben
ihrer rauchstube (rioge, wo sie das korn dörren) eine warme,
reinliche kammer mit 2 bis 3, wenigstens mit einem kleinen
glasfenster, in welcher sie sich gewöhnlich aufhalten. Bei ihnen
findet man mehrere hölzerne, auch wohl irdene tischgeräte, be-
sondere Schlafdecken, Obstgärten; in ihren stuben dulden sie
keinerlei tiere, höchstens im winter etliche hühner, himde und
katzen. Von allem ist bei dem Ehsten das gegenteil, er lebt
sehr unreinlich, hat immer einon üblen gcruch bei sich; seine
finstere rauchstube ist ohne fenster, voll tiere, sonderlich
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Von A. Bezzenborger.
633
scliaafe u. d. g., die daran befindliche kammer ist kalt, finster
und ein bloßes magazin". -- Über den russischen hausbau wußte
ich s. 45 anm. nichts zu sagen; nachträglich habe ich in dem
schriftchen De Russorum religione, 1582, folgende dürftige notiz
gefunden: „Domus rutenicae ligneae sunt et quidem male ma-
teriatae. Ita tarnen desipiunt, ut existiment parietem craticium
lateritio praeferendum esse. Caementi apud eos nullus fere
usus est".
Schließlich bemerke ich, daß die samländischen bauern-
häuser durchaus zu dem preussisch - litauischen grundtypus zu
stimmen scheinen, und daß, worauf mich herr professor Henning
aufmerksam macht, ein Zusammenhang zwischen dem litauischen
und dem finnischen hause besteht.
Altpr. Monatwohrilt Bd. XXIII. Hft. 7 u. H.
41
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Kritiken und Referate.
Nochmals die Chronik yon Olim
Dem freundlichen Anerbieten der Redaction dieser Zeitschrift, der Ent-
gegnung des Herrn Dr. Fuchs auf meinen Aufsatz in Bd. 21 „der alte
preußische Chronist in der Chronik von Oliva'4 meinerseits einige Worte
hinzuzufügen, entspreche ich nur ungern, da die Leser der Altpreußischen
Monatsschrift wohl schon genügend mit Peter von Dusburg und der Chronik
von Oliva unterhalten sind und der selbstbewußte Ton, den Herr F. in seiner
Erwiderung anschlägt, zeigt, daß eine weitere Auseinandersetzung mit ihm
nutzlos ist. Ich pflichte ihm vollkommen in seinem Schlußsatze bei. daß
seine Entgegnung fast nichts bietet, was nicht bereits 1884 von ihm vor-
gebracht war, nur „kurz'' möchte ich dieso dreißig Seiten lange Wieder-
holung nicht nennen. Sie schien ihm nothwendig, weil meine Methode darin
bestand, daß ich seine wichtigsten Argumente „einfach ignoriere, seine
Gründe mit vornehmer Nichtachtung behandele, kein Wort der Entgegnung
habe, seine Gründe einfach tot schweige." Diese Anklage wird je zwei Mal
am Anfang und Ende (406, 407, 431, 432) im Allgemeinen, vier Mal (410.
420, 421, 427) bei bestimmten Veranlassungen gegen mich erhoben. Ich
darf den Streitpunkt, das Alter der Ordensgeschichte in der Chronik von
Oliva und ihr Verhältniß zu Dusburg und Jeroschin, wohl als bekannt
voraussetzen und will versuchen so kurz als möglich die Gründe, welche
Herr F. von Neuem vorbringt, zu beleuchten.
Herr F. bleibt S. 406-408 bei der Behauptung, daß die beiden Stellen,
in denen sich sachlich die Chronik von Oliva mit Jeroschin berührt, das
Jagdgefolge Herzog Otto's von Braunschweig und die in Sartowitz er-
beuteten Frauen, von Jeroschin der Chronik entnommen sein müßten —
mein Hinweis, daß an der ersten Stelle der Reimchronist von seinem Auftrag-
geber, dem Enkel Herzog Otto's, inspirirt war, wird ignorirt, daß er an der
zweiten Stelle das Gedicht desselben vor sich hatte (er sagt es selbst), be-
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Nochmals die Chronik von Oliva.
635
zweifelt, ohne meine Einschränkung S. 631 zu erwähnen. Erst wenn man
die Abhängigkeit des Dichters von der Chronik für erwiesen hält, müssen
diese Stellen bei ihm aus der Chronik stammen, wir sehen aber, dafl sie sich
sehr wohl anders erklären lassen.
S. 408—15 sucht nun Herr F. darzuthun, daB ich den Chronisten mit
Unrecht grober Fehler geziehen habe, wie sie bei einem Zeitgenossen nicht
vorkommen können. Da ist zuerst die Ringangelegenheit: et in signum
huius principatus dominus papa annulum ei optulit sagt Dusburg: dodit eciam
hanc libertatem ordinis magistro, quod in digitis suis anulo (so liest Herr F.
mit den jüngeren Handschriften, obwohl der Plural digitis doch auch die
gleiche Form anulis verlangt), posset uti berichtet die Chronik : „diese letztere
(Lesart) läßt einen durchaus richtigen Sinn zu'1, sagt Herr F. S. 409, aber
doch durchaus nicht denselben, wie der Ausdruck Dilsburgs, die Stelle kann
wohl aus der vollständigeren Notiz Dusburgs, aber nicht diese aus jener ent-
standen sein : beide f ür gleich werth ig zu halten, dazu gehört eine starke
Phantasie, der Chronist dachte vielleicht an die Bestimmung der Decretalen
HI 1 c 15, daJJ Dusburg die Investiturbulle von 1243 im Auge hatte, steht
bereits in Toeppens Anmerkung zu der betreffenden Stelle. Die Anmerkung
68 des Herrn F. über den Titel Bischof von Culm, den Bischof Christian
von Preuien in der Chronik von Oliva führt, habe ich in der Tliat nicht
für beachtenswerth gehalten und bin auch heute noch dieser Ansicht. F.
meint, daß ein hoher geistlicher Würdenträger im 14. Jahrhundert die Stel-
lung Christians kernten mußte und daß der alte Chronist sich aus der Sonder-
stellung Christians im Kulmerlaude ein früheres Bisthum Kulm construirt
habe. Mir genügt der Umstand, daß um 1310 die Kühner Kirche officiell
den Bischof Christian für ihren ersten Bischof ansah (wobei ich durchaus
nicht behauptet habe, daß der Chronist von Oliva jenen Bischofskatalog
benutzt hat) allerdings, um die Worte priinus Culmensis episcopus für ein
sicheres Kennzeichen des 14. Jahrhunderts, die Anmerkung des Herrn F.
aber tür nicht derErwähuuug worth zu halten. Und in dieselbe Kategorie gehört
auch die mir 410 zur Beachtung empfohlene Erörterung A. M. XXI 243/44 über
die Berufung des Ordens nach Preußen: mein Spott über die von Herrn F.
angenommene Benutzung der Kaiserurkunde von 1226 oder gar ihrer Vorlage
hätte ihm doch zeigen können, daß ich seine Ausführungen wohl berück-
sichtigt habe. Die Benntzung der Kaiserurkunde folgt nämlich nach Herrn
F. XXI 239/40 aus der Uebereinstimmung folgender ungewöhnlicher Worte
(er läflt sie gesperrt drucken) : promisit (K. U.) — promittens (Chr.), et
fratribus (beide) — concedentes (K. U.) — concessit (Chr.) — et (beide) —
perpetuum (K. U.) — porpetuo (Chr.) Die Benutzung der Kaiserurkunde ist
aber die Voraussetzung sowohl für das 243/4 Ausgeführte, als auch für die
Wiederholung oben 410. Ist da wirklich eine Widerlegung noch erforderlich ?
41*
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636
Kritiken und Referate.
Danach wird man sich auch nicht weiter wandern, daß Herr F. seinem
Zeitgenassen, „der nach mündlicher Tradition oder aus persönlicher Kenntniß
herausschrieb," die Verwirrung in der Chronologie zutraut, ebenso die Ver-
wechselung der Legaten, nur bei dem Kreuzzug Ottokars wird ihm die
Sache zu arg und während er 1884 noch eine andere Erklärung für den
Herzog von Oesterreich und Markgrafen von Mähren suchte, giebt er jetzt
beide als interpolirt preis.
Sehr unbequem ist Herrn F. der Bericht über die Gründung des
deutschen Ordens, auf den er S. 412 übergeht. Da* Accaron »ich von Accon
nur durch einen Haken unterscheidet, scheint ihm neu zu sein, die Hauptsache
aber, um die es Pich handelt, sucht er mit der Wondung zu umgehen : „doch
ist der ganze Passus für sich betrachtet, weder für P.s noch für meine An-
sicht zum Beweise heranzuziehen". Warum nicht? weil wir hier in der
That nur ein zum Theil absichtlich gekürztes, zum Theil flüchtiges Excerpt
(aus welcher Quelle ist für das Resultat ganz gleichgültig) vor uns haben,
wie ich XXI, 627, 628 ausführlich begründet habe. Wie der Chronist hier
nachweislich zu Werke gegangen ist, so wird er eben auch an anderen
Stellen verfahren sein, darum bildet gerade diese Ordensstiftung den Kern-
punkt der ganzen Frage — aber um eine geschmackvolle Wendung des
Herrn F. zu wiederholen : das paßt natürlich nicht in seinen Kram — darum
schweigt er.
Aeusserst gezwungen und gewunden ist die S. 418 und 414 versuchte
Erklärung für die am Schluß der Ordensgeschichte berichtete Unterwerfung
aller Preußen durch den Comthur von Königsberg. Es ist nur gut. daß
Herr F. sich nur hypothetisch auf die Zugehörigkeit der 3 östlichen Preußen-
stümme zu Litauen beruft — denn der Chronist rechnet sie ausdrücklich zu
Preußen — aber auch seine wirkliche Erklärung: (der Chronist) sah die
Macht des Ordens und die Christianisierung des Landes nach scheinbar end-
giltiger Besiegung der westlichen Stämme in stetem Wachsen, sah die ersten
siegreichen Angriffe auf die Östlichen Grenzgaue (NB. auf einen einzigen.
Wohnsdorf) und glaubte sein Werk über die Eroberung des Landes Preußen
dadurch zu krönen, daß er dieselbe als vollständig abgeschlossen hinstellte,"
also mit einer, gelinde gesagt, großartigen Uebertreibung! Und das thut
derselbe Chronist, der sonst immer dem parteiischen Dusburg entgegen ge-
halten wird, der auch die Fehler des Ordens nicht verschweigt! „Welche
Veranlassung aber", fragt Herr F. „vergebens*', „konnte der Verfasser der
Chronik von Oliva um 1350 haben, eine solche durch die blutigen Aufstände
grausam widerlegte Behauptung gegen die Angabe seiner beiden Vorlagen,
Dusburg und Jeroschin, aufzustellen"? Die Antwort darauf hat bereits 1853
Toeppen in seiner Historiographie S. 28 ertheüt: „fast scheint es, als wenn
die reiche Quelle der Dusburgischen Chronik den Verfasser, verführt hat,
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Nochmals die Chronik von Oliva.
637
von der früheren Ordensgeschichte noch mehr in sein Werk aufzunehmen,
als dem ganzen Plane nach in dasselbe gehörte". Jetzt suchte er auf jede
Art davon loszukommen, er brach ab, indem er zu dem Zustand überging,
in welchem sich Preußen zu seiner Zeit, d. h. um 1350 befand. Die von mir
nachgewiesenen technischen Ausdrücke aus dem 14. Jahrhundert erklärt
Herr F. jetzt als stilistische Aenderungen des Olivaer Copisten, der auch alle
Stellen interpolirt hat, in denen sich die Kenntnis späterer Ereignisse ver-
räth. „Herr P. hält es eben für ganz überflüssig meine für jene Ausmerzung
angeführten Gründe irgendwie zu prüfen". In seinem Eifer übersieht er, daß
in der Hauptstelle S. 684 die Worte Et licet — Oliva längst von allen, die
sich mit der Chronik von Oliva beschäftigt haben, auch von mir XXI, 630,
als ein Zusatz des Olivaer Chronisten aus der gereimten Grabschrift Swanto-
polks erkannt sind — der Eingang aber Tunc deus — imminuta unterscheidet
sich im Stil nicht, neben princeps kommt hier auch dux vor. biblische
Citate zähle ich innerhalb der Ordensgeschichte noch vier (vgl. XXI 213).
Herr F. konnte sich also die Berufung auf unbefangene Beurtheilung
hier sparen.
Damit ist der erste Theil der Wiederholungen in der Entgegnung er-
ledigt. Beim zweiten hoffe ich die Geduld der Leser weniger zu ermüden.
Er besteht S. 417-431 aus den 17 (Herr F. zählt bis 18, aber No. 15
ist in der Hitze des Gefechtes abhanden gekommen) wichtigsten Ab-
weichungen der Ordensgeschichte von Dusburg-Jeroschin. 1884 betrug die
Anzahl der erörterten Stellen noch 44, wenigstens ist sie jetzt erheblich
herabgegangen. Von diesen sind 3 Nrn. überhaupt zu streichen, No. 6 der
Kleinmuth der Besatzung von Balga, den, wie F. zugiebt, auch Jeroschin
berichtet, 9. die Schlacht bei Säule, wo ich auf die Zahl 50 gar kein Gewicht
lege und sich aus dem Bericht Hartmanns von Heldrungen ergiebt, daß auch
im 13. Jahrhundert die Litauer als „heiden" schlechtweg bezeichnet wurden,
endlich 12. wo Herr F. es eine total abweichende Darstellung nennt,
wenn die Chronik von Oliva berichtet, Swantopolk habe mit Hülfe der
Preuß en Sartowitz vergeblich belagert, das Culmerland verwüstet und große
eigene Verluste erlitten, dagegen Dusburg erzählt, der Herzog rief die Ab-
gefallenen zusammen, belagerte Sartowitz, die Ritter leisteten ihm aber
Widerstand, er verwüstete mehrfach das Culmerland, verlor aber dabei 900
Mann. Die folgende ausführliche Darstellung Dusburgs hat dann der Chro-
nist weggelassen, es wird ihn wohl das auf seinen Herzog angewandte
ehrenrührige Citat aus Jeaaias dazu veranlaßt haben. Zwei Stellen enthalten
absichtliche Zusätze des Chronisten, 5. die artifices und currifices, die man
im 14. Jahrhundert bei Burgenbauten verwandte, und 11. wo der Olivaer
Mönch absichtlich die Schuld Swantopolks milderte. Drei Steilen erklären
sich durch Mißverständniß oder abweichende Beleuchtung einzelner von
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638
Kritiken und Referat«.
Dusbnrg-Jeroschin erzählter Umstände, sind aber keine j.Originalnotizen*'
1. der Rath Bischof Christians und der anderen Bischöfe und Edlen
Mas o wiens an Herzog Conrad den deutschen Orden nach Preußen zu be-
rufen — von der bei Dusburg befindlichen Zeugenreihe interessirte den
Chronisten vou Oliva nur der erste Culmer Bisohof, 3. die Verlegung von
Thorn, wobei der Chronist übersah, daß Burg und Stadt nicht gleichzeitig
verlegt wurden; 16. fratres de Kirsburg desoendernnt ist nur scheinbar Ab-
weichung von Dusburg. Um Christburg hatten die letzten Kriegsereignisse
gespielt (Dusb. III, c. 02— G5), dort befand sich so zu sagen das Hauptquartier,
jetzt läßt der Meister die Bruder nach Natangen vorrücken, das geschah nach
Ansicht des Olivaer Chronisten eben von Christburg aus, daß sie Elbing und
Balga passirten. ließ er fort, und dadurch gehört diese Stelle zugleich in
die Reihe der folgenden sieben, in denen sich die Originalität der Chronik
darin zeigt, daß sie weniger hat als Dusburg — oder wie F. meint, dessen
Fehler vermeidet, es fehlen nämlich 2. die Anwartschaft auf Preußen, 4. die
Namen dor polnischen Fürsten 1238 (sind ABC und D drei oder vier
Personen?), 7. mons bei Scharndo (Stibject von edificavit ist generacio,
daher der Plural der spfttereH Handschriften), 8. der Schuckenberg 10. der
zu 1243 nicht mehr passende Hochmeister Hermann v. Salza. 13. diu Worte
de castro antiquo bei der Verlegung von Culm, 18. die Erwähnung der
Altstadt Königsberg. Siebenmal von 17 also schließt Herr F. ex silentio.
Es bleibt, nur 14., das Erbauungsjahr von Christburg 1247 übrig, das ich
stets als wirkliches plus angesehen habe und 17. tota Prussia fidem suscepit.
Allerdings halte ich mit Toeppen (1853) und Rethwisch (1868) den großen
Aufstand von 1260 im Sinne des 1348 schreibenden Olivaer Chronisten für
eine damals längst überwundene Episode, worüber mit Herrn F. zu streiten
mir ebenso nutzlos erscheint, wie ihm mit mir über meine Erklärung dor
Ausbreitung des christlichen Glanbens in Preußen — wenn es aber ihm
S. 430 „noch immer unerfindlich'' bleibt, „was bei dem um 1348 zu einer
Zeit also, wo Niemand mehr an dio Möglichkeit einer neuen Erhebung der
Preußen dachte, schreibenden Klosterchronisten von Oliva diese Versicherung
sollte, daß die Preußen unterworfen geblieben seien bis auf den heutigen Tag
und veraciter ac irrefragabiliter sich dem Glauben ergeben hätten4, so will
ich ihn doch an den großen Estonanfstand des Jahres 1343 erinnern, den
unser Chronist nach Nachrichten seiner Ordensbrüder von Padis S. 721—22
erzählt und der ihm wohl noch 1348 in gutem Andenken war.
Was bleibt nun von dem S. 431 hervorgehobenen materiell Neuen und
den positiven Gründen übrig? Statt seine argumenta ex silentio für einen
Wahrscheinlichkeitsbeweis auszugeben, hätte Herr F. lieber erklären sollen,
woher denn Dusburg, wenn seine Hauptquelle von 1226—56 die alte Ordens-
geschichte war, gerade in einzelnen Namen so viel vollständiger ist, als
Nochmals die Chronik von Oliva.
830
diese, ich habe die Liste XXI, 626 zusammengestellt, oder wie es kommt,
daß die Übereinstimmung mit Jeroschin gerade in solchen "Worten beruht,
die dieser des Reimes wegen braucht, — auf diese Punkte geht er wohlweislich
eben so wenig ein, wie auf den Anfang, die Ordensstiftung.
S. 432—33 stellt Herr F. endlich noch vier Stellen zusammen, aus
denen sich die ,.kopflose Compilationsmethode" Dasburgs ergeben soll. In
der ersten Stelle, der Einnahme der drei preußischen Burgen im Culmer-
lande (III, 7), vermag ich keine Fuge, aus dor die Benutzung zweier Quellen
ersichtlich wäre, zu entdecken. Die Ueberscbrift spricht von der Zerstörung
zweier Burgen, der Text nur von der einer, aber in der Chronik von Oliva
wird auch nur eine Burg zerstört, die dritte (Pipins), während Dusburg
die zweite in Flammen aufgehen läßt. Ich sehe hier nur nicht genaue
Uebereinstimmung, jedenfalls konnte D. seine Ueberscbrift de destructione
duorum castrorum nicht aus der Chronik von Oliva nehmen. — Die zweite
Stelle ist c 24, der Schuckenberg, ich habe, um dies nochmals zu erwähnen,
bereits 1874 in dieser Zeitschrift gezeigt, dnß dieses Capitel eine spätere
Reminifcenz Dusburgs ist, wenn es die Chronik von Oliva nicht beachtet,
so folgt noch nicht, daß sie es nicht ebenso vorfand, wie Jeroschin. — Die
dritte Stelle III, 45 : 30 sagittarios equites, wofür Chr. v. Oliva 30 sagittarios
expeditos .«chreibt, während Dusburgs Quelle, der sogenannte Bericht Her-
manns v. Salza (NB. dessen Vorlage) von 30 pferden spricht, erklärt Herr
F. für Compilation aus beiden Angaben — aber die sagittarii des Olivaers
können ebenso gut aus Dusb. (resp. Jeroschin) entnommen sein. Daß c. 60
Dusburgs auf c. 20 des sog. Berichts zurückgeht, gebe ich gern zu, aber
daß hier dem Ordenspriester noch andere Quellen zu Gebote standen, zeigen
die in der Chronik von Oliva nicht vorkommenden Capitel 61 und 65.
Ich fürchte, ich habe die Nachsicht der Leser bereits zu lange in An-
spruch genommen, und will nur noch bemerken, daß ich in den Ton, den
Herr F. anschlägt, nicht einstimme, ebenso wenig kann ich seine Beweisführung,
die darauf hinauskommt alles Unbequeme für Interpolation oder stilistische
Aenderung auszugeben, als wissenschaftliche Methode anerkennen. Wie
unbefangene Leser der beiden Aufsätze in Bd. 21 die Frage beurtheilen,
zeigt der kurze Bericht, welchen die Londoner Academy vom 7. Febr. 1885
(No. 666 S. 97) darüber gegeben hat.
Halle, November 1886. M. Perlbach.
640
Kritiken und Referate.
Die Enfrwickelung des Kriegswesens and der Kriegführung in der Ritterzeit
Ton Mitte des 11. Jahrhunderts bis zu den Hussitenkriegen in
3 Bänden von G. Köhler. Generalmajor z. D. Zweiter Band.
Kriegsgesehichtliches von Mitte de« 13. Jahrhunderts bis zu den
Hussitenkriegen. Breslau. Wilh. Köbner 1886. (XXVII, 800 S.
gr. 8.) 24 M.
Der jetzt erschienene 2. Band dieses umfangreichen Werkes enthält
800 Seiten, von denen 275 der Kriegsgeschichte des Deutschen Ordens in
Preußen gewidmet sind. Der erste Abschnitt dieses Theiles des Bnchos be-
handelt den zweiten großen Aufstand der Preußen gegen den Deutschen
Orden in den Jahren 12GJ bis 1274. In der Einleitung entwirft der Ver-
fasser eine flüchtige Skizze des Kriegsschauplatzes, indem er dessen Boden-
beschaffenheit, die Eintheilung des Landes, die verschiedenen Volksstämme,
deren Leistungen in militärischer Hinsicht, ihre Bewaffnung und Taktik
kurz berührt. Eingehender werden die Kriegsmittel des Ordens behandelt,
die Anzahl der Ordensbrüder, die Dienstpflicht der Lehnsleute und der Städte,
die Bewaffnung, die Burgen und Städte und doren Befestigungsweise. Nach-
dem der Verfasser einen flüchtigen Rückblick auf die vorhergegangenen
Ereignisse geworfen, beschäftigt er sieh mit dem Verhältniß, in welchem
der Orden zu der ihm feindlich gesinnten hohen Geistlichkeit, zu dem da-
mals noch schwachen Polen und zu Litauen stand, indem er in Bezug auf
letzteres bemerkt, daß sich die unverantwortliche Ausdehnung und Zer-
splitterung der Kräfte des Ordens vor dem Aufstande der Preußen nur durch
das gute Einvernehmen, in welchem er mit Mindowe stand, erklären lasse.
In dem durch den Aufstand herbeigeführten 15 jährigen Kriege unterscheidet
er drei Perioden und bezeichnet die erste von 12GO bis 1264 als den Nieder-
gang des Ordens, in der zweiten von 1265 bis 1268 zeigt sich ein Gleich-
gewicht der Kräfte, in der dritten von 1270 bis 1274 marht sich ein
allmähliches Ermatten der Aufständischen zuerst bei den Samländern und
weiterhin auch bei den anderen Stämmen bemerklich, welches schließlich
die Unterwerfung herbeiführt. Es mnss davon Abstand genommen werden,
dem Verfasser in der fortlaufenden Darstellung der Kriegsereignisse hier
wie auch weiterhin zu folgen, dagegen mögen einige Bemerkungen aus der
Sclüußbetrachtung hier noch eine Stelle finden. In dieser wird auf den
Mangel einer gemeinsamen Leitung der Kriegsoperationen auf Seite der
Preußen hingewiesen, deren vereinzelte Unternehmungen nicht auf die Ver-
treibung des Ordens, sondern nur auf Raub und Verwüstung gerichtet
waren. Sie unterließen es daher auch, ihre vereinten Kräfte auf die Er-
oberung Königsbergs und Baigas zu richten, dieser wichtigen Plätze, welche
die Verbindungen des Ordens mit Deutschland zur See vermittelten. Die
Eroberung derselben wäre die einzige Möglichkeit gewesen, die Herrschaft
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Die Ent Wickelung des Kriegswesens und dor Kriegsführuug etc. 641
des Orden« abzuwerfen. Mit der Unterwerfung Samlands uud dessen Um-
grenzung mit Burgen hatte der Orden sich ein Bollwerk geschaffen, das
ihm zur Basis für seine weiteren Operationen diente, und von dem aus er
im Stande war, die übrigen Landschaften zu beherrschen. „Die Strategie,
welche der Orden in dieser Zeit mit seinen unbedeutenden Mittoln ent-
wickelte, macht ihm alle Ehre und ließ ihm in den folgenden Jahren die
reifen Früchte in den Schooß fallen. Man wird nicht umhin können, den
Standpunkt der Kriegführung des 18. Jahrhunderts nicht so geringschätzig
zu behandeln, als es gewohnheitsmäßig geworden ist."
Der nächstfolgende Abschnitt handelt über die Feldzttge des Deutschen
Ordens in den Jahren 1330 bis 1332 gegen Polen. Seit dem Ende des
13. Jahrhunderts war der Orden zwar in mächtig ansteigendem Aufschwünge
begriffen, aber sein Verhältniß zur hohen Geistlichkeit von Livland, zu
Litauen und Polen drängte ihn in eine gewaltthätige Politik hin, welche
den Keim schwerer Bedrängniß für die Zukunft in sich trug. Litauen zu
unterwerfen, reichten seine Kräfte nicht aus. er konnte nur darauf rechnen,
pich ihm gegenüber zu erhalten ; daher machte er auch die unterworfenen
litauischen Stämme der Nadrauer, Schalauer und Sndauer nicht zu Unter-
thanen, sondern rottete sie au» und verwandelte ihr Land in eine Wildniß
mit fortificatorischen Anlagen. Polen gegenüber veraulaßten den Orden
Rücksichten der Selbstorhaltung. sich Pommerellens gewaltsam zu be-
mächtigen, wodurch Polen zum Kriege gereizt wurde, welcher schon im
Jahre 1327 durch gegenseitige Einfälle seinen Anfang nahm. Der Orden
hatte inzwischen große Sorgfalt auf die Kolonisation und Administration
dea Landes, die Erhöhimg seiner Wehrkraft und auf die Gründung neuer
Burgen und Städte verwandt, war also auf den Krieg genügend vorbereitet
und wurde außerdem jetzt auch wieder durch den Zuzug von Kreuzfahrern
unterstützt. Unter den zahlreichen Kriegsereignissen verdient das von
Plowcze im Jahre 1331 hervorgehoben zu werden als Beispiel einer aus
einem zufälligen Rencontre sich entwickelnden Schlacht, ferner als Beispiel
der Belagerung einer mit Mauern versehenen Stadt, die Einnahme von
Brzesc ia32. Am Schlüsse seiner Darstellung sagt der Verfasser: „Die
Fcldzüge von 1330—32 sind im hohen Grade belehrend für die Kriegführung
des Mittelalters und zeigen namentlich den Unterschied der Zwecke, die
man mit der De popul at ion eines Landes, welche den Gegner zum Frieden
zwingen sollte und mit der Invasion, die es auf Besitzergreifung des
feindlichen Landes abgesehen hatte, zu erreichen suchte. Daß die De-
popnlation hier zu weit getrieben worden ist. haben schon Zeitgenossen
erkannt."
Im dritten Abschnitte werden uns neun Kriegsjahre, nämlich 1%2
bis 1370, aus der Zeit des Hochmeisters Winrich von Kniprode vorgeführt.
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G42
Kritiken und Referate.
Verfasser gedenkt zuerst der vom Orden geschaffenen Wildniß und der darin
angelegten Grenzbefestigungen, deren Spuren zum Theil von der „Prussia"
aufgefunden worden sind. Dieses starke Defensivsystem reichte aber nicht
aus, um sich der Litauer zu erwehren, es war dazu vielmehr auch die unaus-
gesetzte Offensive erforderlich, jährlich sich wiederholende Einfälle in des
Feindes Land, um ihn zu schwächen und von den eigenen Grenzen fern zu
halten. Als Stützpunkte für dieselbe entstanden nach und nach die weit in
die Wildniß vorgeschobenen Burgen Ragnit, Tilsit, Angerburg, Insterburg u. a.
Aber alle diese Maßregeln waren noch immer unzureichend, der Hochmeister
war daher bestrebt, die Litauer von derMemel zurückzndrängen und diesen
Strom durch neue auf dem rechten Ufer anzulegende Burgen zu beherrschen,
welche zu Wasser verproviantirt werden konnten, für die Winterreisen
Sicherheit der Verpflegung gewährten und gestatteten, diese viel weiter in
Feindesland hinein auszudehnen. Dem angedeuteten Zwecke galten die vom
Verfasser nun geschilderten Kriegszüge, von denen der vom Jahre 1362 der
interessanteste ist. Er wurde zur Eroberung der litauischen Burg Kauen
unternommen, und die sehr anschauliche Beschreibung der Belagerung der-
selben giebt einen belehrenden Beitrag zur Kenntniß dieses Zweiges der
mittelalterlichen Kriegskunst. Das Pendant dazu, die Schilderung einer
regelrechten Feldschlacht, liefert der letzte der die preußische Kriegsgeschichte
behandelnden Abschnitte des Werkes:
Die Schlacht bei Tannenberg am 15. Juli 1410. Dieser sehr inhalt-
reiche Abschnitt führt uns zuerst ein in die Institutionen des Ordens. In
Bezug auf die Hausmacht desselben werden wir belehrt über die Stellung
und die amtlichen Wirkungskreise der Gebietiger, der eigentlichen Ordens-
brüder, der dienenden Brüder, der Graumäntler und Witinge. ihre Anzahl,
Ausrüstung und Bewaffnung. Sehr ausführlich wird ferner die Wehr-
verfassung des Landes und der Städte behandelt, die verschiedenen
Kategorien der Dienstpflichtigen, ebenfalls unter Berechnung ihrer Anzahl
und mit Angabe ihrer Ausrüstung und Bewaffnung, endlich die Artillerie.
Eine ebenso ausführliohe Schilderung erfährt das polnisch-litauische Heer.
Nach einer Darlegung der politischen Verhältnisse folgt dann die Beschrei-
bung der Schlacht bei Tannenberg, welche uns das Bild der mittelalterlichen
Fechtart vorführt, wie es vollkommener in keiner der vorhergegangenen
Schlachten geboten wird. Dieser Abschnitt schließt mit folgender zugleich
für den unparteiischen Standpunkt des Verfassers Zeugniß ablegenden Be-
trachtung: „Wenn man einen Blick auf das Ganze des Feldzuges zurück-
wirft, so kann man sich nicht erwehren in den Operationen polnischerseits
einen klaren Kopf herauszuerkennen. Es weht Einen etwas von dem Geiste
jener Wissenschaft an, die auf die glänzenden Operationen des preußischen
Heeres in den letzten Feldzügen so befruchtend einwirkte und die wir mit
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Die Entwicklung des Kriegswesens und der Kriegführung etc. 643
dem Namen Strategie bezeichnen. Es frappirt dies um so mehr, als man
sonst in jener Zeit auch nicht die Spur davon findet und der Feldzug auch
sonst ohne unmittelbare Einwirkung auf die Folgezeit nach dieser Richtung
hin geblieben ist. Der große Gedanke der Concentration der Macht des ge-
sammten Ostens auf einen einzigen Punkt, die richtige Wahl dieses Punktes,
die Direction, die dem vereinigten Heere genau auf den Schwerpunkt der
feindlichen Macht, auf Marienburg hin. gegeben wurde, die richtige Be-
rechnung und Energie in der Ausführung, daß mit dem Tage des Ablaufes
des Waffenstillstandes die feindliche Grenze überschritten werden konnte:
in alledem erkennt man eine geistige Potenz in der Leitung des polnisch-
litauischen Heeres heraus, die zunächst hinter dem Schleier des Geheim-
nisses verborgen, sich durch den weiteren Verlauf der Begebenheiten in dem
Großfürsten Witold von Litauen decouvrirt. Er war es auch, der durch
seine persönliche Einwirkung das polnische Heer und deu König in der
Schlacht festhielt, nachdem seine eigonen Litauer aus dem Felde geschlagen
waren, dann aber, nachdem die Macht des Ordens niedergeworfen war, im
eigenen Interesse dafür sorgt, daß die Niederlage nicht bis zum Untergange
des Ordens ausgedehnt wurde, was bei seinen ehrgeizigen Plänen ihm
durchaus nicht genehm gewesen wäre. Unter allerlei nichtigen Yorwänden
trennte er sich später vom Könige und ging in sein Land zurück, hat aber
auch auf den dem Orden günstigen Frieden den größten Einfluß ausgeübt.
Von preußischer Seite ist man sich von vornherein der ganzen Gefahr
vollständig bewußt, zitterte aber nicht davor und das ganze Benehmen des
Hochmeisters, indem er im ritterlichen Uebermuth die gesammte Macht des
Ordens mit Einschluß der Mittel der Landesverteidigung auf einen Wurf
setzt, zeugt davon, daß der Orden immer noch mehr nach vorwärts als nach
rückwärts blickte und sein Heil nicht in die Erhaltung, sondern in die Er-
weiterung seiner Macht setzte. Es zeugt aber auch davon, daß alle die
großen Ereignisse, welche sich außer- und iunerhalb des Ordenslandes seit
20 Jahren vollzogen hatten, spurlos beim Hochmeister und man kann wohl
sagen beim ganzen Orden vorübergegangen waren. In der Lage des Ordens
wäre die größte Vorsicht geboten gewesen. Dennoch würde Niemand über
den Operationsplan einen Vorwurf machen können, wenn der Hochmeister
dem kühnen Plan geistig gewachsen gewesen wäre. Aber die Schärfe des
Urtheils ging ihm sowohl als den hohen Gebietigern, an deren Rath er
gebunden war, in den entscheidenden Momenten verloren. Er unterließ es,
den Komtur von Sch wetz, GrafReuß von Plauen, zur Schlacht heranzuziehen,
dessen Gegenwart dieselbe wahrscheinlich zu Gunsten des Ordens entschieden
hätte. So wichtige Dienste derselbe auch später geleistet hat, sie werden
nicht aufgewogen durch den eventuellen Sieg in der Schlacht. Die Schlacht
selbst ist nun vollends charakteristisch für seine Handlungsweise. Sie bot
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VAA
Kritiken und Referate.
dem Hochmeister zwei Momente, wo er den Sieg hätte davon tragen können :
Die Ueberraschung nämlich, die er durch seine plötzliche Ankunft bereitete,
die das feindliche Heer in einem mehr oder weniger wehrlosen Zustande
traf und die Niederlage des litauischen Heeres, welche die rechte Flanke
des polnischen vollständig bloßlegte zu einer Zeit, wo der Hochmeister noch
über eine völlig intakte Reserve von genügender Stärke zu verfügen hatte,
die er in die Flanke hätte einbrechen lassen können. Selbst später noch,
als er sich wirklich dazu anschickte dies auszuführen, hätte die Maßregel
noch von Erforg sein können, obgleich die Haltung der polnischen Armee
sich schon wieder befestigt hatte. Aber er schrak von Neuem davor zurück,
alles an alles zu setzen, wie die Umstände es in diesem Falle gebieterisch
forderten."
Verfasser stützt sich bei seiner Arbeit auf die bewährtesten Quellen,
welche er sorgfältig und mit Vorsicht benutzt ; die häufig dariu auftretenden
"Widersprüche hat er, wie es scheint in befriedigender Weise, beseitigt. Die
mangelhafte und verworrene Chronologie der alten Chronisten, namentlich
Dusburg's, sucht er richtig zu stellen, ob mit Erfolg vermag Referent nicht
zu beurtheilen. Der den streng militärischen Stil vermeidende, trotzdem
aber knapp und klar gehaltene Vortrag wird nicht wenig dazu beitragen,
auch dem Nichtmilitär die Darstellung der einzelnen Kriegsactionen
verständlich und das Lesen des Buches angenehm zu machen. Nur in Be-
treff zweier Punkte würde eine größere Deutlichkeit erwünscht sein, das
ist erstens die Aufstellung der taktischen Einheit, des „Haufens" (S. 695)
und zweitens die Beschreibung gewisser Schutzwaffen an einigen Stellen,
worin auch einem nicht ganz Uneingeweihten das Verständniß nicht ganz
leicht wird. Dem wäre vielleicht auf sehr einfache Weise abzuhelfen ge-
wesen, im ersten Falle durch einige in den Text aufgenommene einfache
Figuren, im zweiten durch Hinweisung auf die Abbildungen gleicher oder
ähnlicher Stücke in einem die Waffenkunde behandelnden Werke.
Um allen denjenigen, welche sich für das Kriegswesen überhaupt,
insbesondere aber denen, die sich für die Kriegsgeschichte Alt-Preußens
interessiren das sehr lehrreiche Buch auf das wärmste zu empfehlen, wird
diese kurze Anzeige hoffentlich genügen ; denn eine eingehende Besprechung
oder gar eine Kritik zu liefern, wird nicht nur durch die Rücksichtnahme
auf den hier zur Verfügung stehenden Raum verboten, es würde vielmehr
auch ein sehr viel Zeit beanspruchendes Studium dazu erforderlich sein.
B.
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Handbuch der Provinz Ostprenflen für 1886/87. Die Marienbnrg. 645
fcanbbud) Uv ^rabtnj Cftyrevfre» fü* 1886/87. flacbroeiä ber innerhalb berfefoen
ib>cn 6ifc Ijabenben Staotö», 9lcid)ß' unb 3ctbfroerroattungö*!Bet)örben, beren
3JJilflIicbcr unb Qeamten, auf ©ruub amttid)er SRittbeilungen, nad) tf>rer
3uftänbigfeit georbnet unb jufammengei'teHt pon Sari 9t ür in berge r»
@rfter 2beil: ^Jrooinjial « Sebörben. 3roc^er %r)ci(: Jlqucrungäbejirfö',
ÜRilitärocnpaltungö« unb SRcidjöbcböibcn, 9iameneregifter. ftömgdberg 1886.
Selbfroerlag be$ §erauägeberä.
Es genügt, auf den Titel zu verweisen, um dieses — seine Vollständig-
keit und Zuverlässigkeit vorausgesetzt — sehr brauchbare Nachschlage- und
Erkundigungsbuch* allen Behörden und nicht weniger dem Publikum zn
empfehlen, das mit ihnen zu thun hat. Die Anordnung ist so übersichtlich,
dass sich mit Leichtigkeit feststellen lässt, wer für einen gesuchten Ort der
Richter, Staats- und Rechtsanwalt, Geistliche, Amtsvorsteher, Regierungs-,
Eisenbahn-, Postbeamte etc. ist, und umgekehrt wieder, wo eine dem Namen
nach bekannte Persönlichkeit ihren Amtssitz hat. Das Handbuch umfasst
144 enggedruckte Seiten. &
$ie SRarienburg. DeutfdjlanbS erftc Äulturftätte im Cften. SJon ?<berjant»
tBcber. SBerlin 1886. »erlag oon 2Bilf>. Sricbrift 9tad)f.
Wenn das vorliegende Büchelchen den vorgesteckten Zweck erfüllt,
das Deutschthum in dem von Neuem entbrannten Kampf mit dem Polonismus
durch den Hinweis auf ein grosses Beispiel in der Vergangenheit zu er-
mutigen und zu kräftigen, und zugleich zur Unterstützung der schönen Be-
mühungen, das alte Ordenshaus in seinem früheren Glanz wieder herzustellen,
zur Abnahme von Loosen der dafür bewilligten Lotterie anzuregen, so mag
nicht zu genau geprüft werden, ob die gegebenen Mittheilungen über das
alte Pruzzenland, den deutschen Orden in seinen Anfängen, seiner Blüthe
und seinem Verfall, die Hochmeister und ihre Residenz überall auf den
besten Quellen beruhen. Es kam dem Verfasser iücht auf eine wissen-
schaftliche Nachforschung, sondern auf populäre Darstellung und unter-
haltende Schilderung an. Leider ist der Text mit Druckfehlern oft der
schlimmsten Art, weil nur dem Geschichtskundigen erkennbar, übersät, was
die Brauchbarkeit des Buches schwer beeinträchtigt. Offenbar hat der Ver-
fasser selbst die Korrektur gar nicht gelesen. ©
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Mittheilungen und Anhang.
Wie der letzte Teufel umkam.
In Raudischken, Kreises Genlauen, Kirchspiels Nordenburg lag ein
Brnch neben dem Walde. Die Leute hatten wohl ihre guten Gründe, wenn
sie dasselbe „Teufelsbrwh" nannten. Der Jäger W., ein muthiger Mann,
wollte dieselben indessen nicht gelten lassen und ging ums Jahr 1820 eines
Abends hier auf den Anstand. Er durfte nicht gar lange warten, als ein
Fuchs gerade auf ihn los kam, der zum Staunen des Jagers mit jedem
Sprunge größer wurde. Schnell entschlossen, warf W. das Gewehr an den
Kopf, kaum hatte er dasselbe aber auf den Fuchs abgeschossen, als es, wie
von unsichtbaren Händen fortgerissen, weit in den Wald hineinflog. Es
blieb W. nichts übrig, als ohne Waffe heimzukehren und seinem Brodherrn,
Herrn v. S. auf Raudischken den Sachverhalt wahrheitsgetreu mitzutheilen.
Herr v. S. war kein allzugläubiger Mann, als er aber am andern Morgen mit
W. in den Wald ritt, um das Gewehr zu suchen, staunte er nicht minder,
wie sein Jäger am Abend zuvor. Den angeschossenen Fuchs fand man
zwar nicht, die Stelle, an welcher derselbe gefallen, sah aber so aus, als ob
ein Eimor Theer an dorselbeu ausgegossen sei. Das Gewehr fand man nach
langem Suchen unbeschädigt im Walde. Der Fuchs aber, den W. geschossen,
soll der letzte Teufel gewesen sein. Die Geschichte ist wohl verbürgt, denn
der Bruder des W. lebt noch heute in D., hat die merkwürdige Begebenheit
aus dem Munde des Haupthelden derselben erfahren und erzählt sie gerne
jedem, der sie zu hören wünscht. Adolf Rogge.
Käflauich, Kößligß.
Ein beitrag zur geschichte der Königsberger mundart.
Von A. Bezzenberger.
In einem sammelband der hiesigen Universitätsbibliothek (S. 42 fol.),
welcher gelegenheitsgedichte (namentlich eines professor Tb. Wolder und
eines secretär Jacob Klein) enthält, findet sich ein von Reicke aufgestöbertes
hochzeitsgedicht aus dem Jahre 1672 in Königsberger Platt , das ich wegen
seines alters und als vermutlich die einzige probe dieses idioms, welche als
„käslausch" bezeichnet ist, nebst seinem titel hier mitteile.
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Küriaufch, Kößligß.
047
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unb bnro Ücab. Vu$br.
*) Welcher dichter sich unter Coelicibanus versteckt, ist bis jetzt
nicht zu ermitteln gewesen. Der componist dagegen ist der durch seine
composätion der Parnaßblumen von Gertraud Möllerin bekannte Johann
Sebastiani, über welchen Pisanski berichtet : „er war zu Weimar den
30. Sept. 1622 geb., setzte in Italien sich in der musik fest, kam darauf 1650
nach Königsberg, wurde hier 1001 capellmeister bei der Schloßkirche und
starb 1081 " [Reicke].
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i;4s
Mitteilungen und Anhang.
T7 inger / dö jie op der Kest
|\ Ju noch weeten frösch to hohlen
Dö jie op de bunte Schrollen
Ju verstahn opt aller best :
Dö det Hart went Spöl söck1) röhrt
On de Spöhllied söck1) tom danzcn
Oen dem Winckel eerst verschantzen
To den sötsten Freuden fohrt.
Seet / hier geit et oock drop an :
Alle Seyden sön getaagen /
De geschmährde Föddelbagen /
De nich mehr sock hohlen kan /
Springt on strieckt al op on af /
On de grote Baß danewen
Wöl söck möt te doenen gewen:
Alle Finger gaeu öm Draf.
Oock dö BrUdgam möt der Brüht
(Dehn dö Hämmel langet Leewen
Glöck on Seegen wolle geewen!)
Schockt söck röds to gaen veruht:
Herr Johannes knockt Höck ohck /
Om de andern op to föhren:
Seet / wie braaw kann hö söck röhren
Oen der Engen Spanschen Brohck.
Gaet jie Jungfern den herfähr /
Wenn jie eenmahl sön gebähden
Möht jie frindtlich wieder trähden:
Maeckt den Lüden keen Beschwähr.
Kahm jie ön den Brüht Danz möt:
So bequähmt ju för den Lüden
Denckt et ös nu öm de Tiehden
Dat man Jungfer Bruhts Ju heet.
Gaet on danzt denn frösch daheer!
Springt by junen jungen Daegen /
Ehr det Oeller möt den Plagen /
To ju körnt on möt Besch weer :
Seet / et Ös nu alles YhJ,
Awer jie Bön idel Fyer :
Sett denn an / öm öhnen Fryer
Söhckt öm Danzen hier den PrieB.
On Jie andern laet so lang /
Als Jie stahn / on met den Fruen
Brüht on Brüdgam danzen sehnen /
Ju de Tiedt nich tnaecken bang:
Denckt / det Glöck dat geit al öm
'Tos an Enn / an Ju öst morgen:
Woröm heb Jie denn to sorgen?
Geewt er nich öhn Ditcken dröm.
Wenn de Brüht Danz ös geschöhn
Waren söck oock woll gesellen
Bohl an june Siede stellen:
Ja / Jie waren wunder söhn
Wie Sö wareu öm Ju stahn:
Wie Ju waren de Stodenten
Möt ön Hupen Compclmenten
Bodden an en Danz to galin.
Glöft / Stodenten-Volek ös goet
Awer / wenn sö gliek söck bocken /
On söck noch so ahrtich schocken
Möt dem uhtgeleerden Foot;
Oes nich alles daröm wahr /
Wat so hötlich för Ju »eggen:
Doch / Jie weetent ' uht teleggen :
Ohck Ju truhn sö nich en Hahr.
Kinger / ergert Ju nich dran
Dat öck so vertrulich koose /
'Tos hier under diser Roose:
Dö nich Scherz verstahneu kann
Mach ön Suer Eetick sien;
On öck wölt woll laeten bliewen
Ju en ander mahl to schriewen
So / als öck dir mahl erschien.
1) Unter der melodie steht dafür seck.
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Käflaufch, Kößligß.
649
Einer erläuterung bedarf hier nur ein wort, und zwar der ausdruck
käflaufch, welcher in allen mir bekannten Wörterbüchern fehlt. In der
folgenden, von Danzig handelnden stelle des Werkes „Orbis lumen et Atlantis
jugatectaretecta: Das ist: Newe ausführliche entdeck- vnd beschreibung der
gantzen weltu u. s. w. Franckfurt a. M. 1658 s. 1075 bezeichnet er eine be-
sondere art deutsch zu sprechen: „Sie reden all hochteutsch; die ansehn-
lichsten reden lauter und zierlich, aber das gemeine volck etwas gröber, und
auff unterschiedliche weisen, das sie mit einem titel Käßlau fch nennen.
Die polnische sprach ist hie nicht weniger nützlich, als gebräuchlich" u. 8. w.
Nach Hipler Monumenta bist, Warmiensis IV 14 ist käslauisch im Erm-
lande eine benennung des Plattdeutschen; er sagt: „Diese großartige koloni-
sation zunächst des nördlichen Ermlandes unter Heinrich Fleming dehnte
sich unter dessen nachfolgern Eberhard von Neisse und dem früheren dom-
propste Magister Jordan auch auf den mittleren und südlicheren [teil] des
bistums aus, wo nun die städte Wormditt (vor 1308) und Heilsberg (L308), die
bürgen Gutstadt und Wartenburg (1325), seit 1329 und 1364 städte, nebst
zahllosen dörfern gegründet und meist mit kulmischem rechte ausgestattet
wurden. Die neuen ansiedier dieser gegend scheinen meist aus der schlesi-
sehen beimat Arnolds, namentlich aus dem breslauer distrikte, eingewandert
zu sein, woher auch noch jetzt die ermländische mundart dieses landstriches
den namen führt, während der dialekt der mit käsebereitung sich befallen-
den Niederdeutschen von dem schlagfertigen volkswitze im gegensatz zu
dem Breslauischen die bezeichnung des Käslauischen erhielt So
kommt es, daß wir den ganz Deutschland durchziehenden sprachlichen
gegensatz zwischen Hoch- und Plattdeutsch in dem wegen der freigebigkeit
und milde seiner fürsten von den kolonisten allgemein gepriesenen und ge-
suchten Ermlande auf dem kleinsten räume unmittelbar neben einander
haben u — Hiernach kann es keinem zweifei unterliegen, daß der
obige „Bruth - Danz" wegen seiner nicht - hochdeutschen spräche die be-
zeichnung käflaufch erhalten hat. Ob Hiplers erklärung dieses wort es
das richtige trifft, ist mir dagegen zweifelhaft, weil ich in dem worte
kößligß (koeßligfehs) ein altes synonymon von käslauisch gefun-
den zu haben glaube, welches mit käse nichts zu tun hat. Dies wort
erscheint in der beschreibung Königsbergs, welche Georg Bruin (al.
Braun) in dem werke „Contrafactur vnd beschreibung von den vor-
nembsten Stetten der weit" UI (Cöln 1582) s. 43 und in dessen lateini-
scher Übersetzung, den „Civitates orbis terraruin" DU (Cöln 1593) s. 43
gegeben hat. Bruin erzählt dort unter anderem, daß die Königsberger
bürger mit holz „gemeiniglich wagenschott geheißen" (d. i. die nieder-
deutsche form von wagenschoß) handelten, und fährt dann fort: „Sie ge-
brauchen sich der deutschen spraach: darneben .auch einer anderen, ge-
Altpr. Monatsschrift Bd. XXIII. Hft. 7 u. &
42
650
Mittheilungen und Anhang.
meiniglich Kößligß1) genendt. Aber wie die dienstbotten der bilrger
weit, von einander bürtig, also sind sie auch mit der spraach einander un-
gleich. Jedoch hat in der landschafft selbst die prutenisehe spraach über-
hand^'. Daß hier kößligß so viel wie käslauisch sei, schließe ich an»
dem parallelismus dieser stelle und der oben angeführten, welche von den
sprachlichen vorhältnißen Danzigs handelt, sowie aus der lautlichen Ähn-
lichkeit beider Wörter. Was anderes als die plattdeutsche Volkssprache
könnte Bruin denn überhaupt unter kößligß verstanden haben? Sind
dio ausdrücke kößligß und käslauisch aber begrifflich gleich, so
hängen sie sicherlich auch zusammen, so kann man ferner bei Hiplers er-
klärung von käslauisch nicht stehen bleiben. Läßt sich kößligß doch nicht
auf käslauisch zurückführen, enthält es doch auch nicht den leisesten
anklang an breslauisch, und ist doch das letztere wort als bezeichnung
der hochdeutschen spräche in Königsberg kaum jemals vorgekommen.
Ich glaube also nicht, daß der gegensatz brcslauisch — käflauifch
die herkunft des letzteren Wortes klar legt, aber ich verkenne nicht, daß
derselbe mehr als rein zufällig zu sein scheint. Vielleicht ist in käflauifch
eine durch breslauisch nahe gelegte und von dem erm ländischen volkswitz
vorgenommene Umbildung von kößligß zu sehen, welche sich in der folge-
zeit über die grenzen des Ermlandes verbreitete. Durch diese annähme
würde auch der umstand, daß die niederdeutsche Volkssprache Königsbergs
von Bruin als kößligß und von dem Verfasser des Bruth-Danzes als
käf lau fch bezeichnet wurde, seine einfache erklärung finden.
Daß in kößligß nicht ein schreib- oder hörfehler Bruins vorliegt,
schließe ich aus dem familiennamen Kösling, der in Königsberg recht
häufig und offenbar auf kößligß zu beziehen ist.
Die Kant-Bibliographie des Jahres 1885
zusammengestellt von
R. Reick«.
Äonf*, Jmman., affgem. 9Joturflcfd). u. Sbeoric b. §immct<J, nebft jnm Supplcintutcn.
fccrauäg. p. Äarl Äc^rbacb,. (191 6. 8r. IG.) [UniDcrfal.SBibliot&ef. 2eipä.
$E>. Ncclam jun. 91r. 1954. 1955.] geb. -80.
Introduction to Logic and his Essay on the Mistaken Subtilty of the
Four Flures. Translated by Thomas Kingsmill Abbott, B. D.,
Fellow and Tutor of Trinitv College, Dublin. With a few Notes by
S. T. Coleridge. London: Lougmans, Green. (Pp. 104 8.) G sh.
(cf. Mind. No. 41. Jan. 1886. p. 121.)
1) In der lateinischen Übersetzung steht dafür Koeßligfchs.
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Die Kant-Bibliographie des Jahres 1885.
651
Kant, I., De kracht van den wil in het beheerschen van ziekelijke anndoeningen.
Met aanmerkingen van C. W. Hufeland. Uit het Hoogduitsch. Naar
den negenden verbeterdeu druk. 3 e druk. Leeuwarden. Hugo Suringar.
(48 bl. kl. 8.) f 0,30.
— — Traite* de pedagogie. (Traduction Jules Barni.) Avec une preTace, des
sommaires analytiques et un lexique par Raj'naond Thamin. charge
du cours de pedagogie ä la faculto' des lettres de Lyon. Paris, libr.
Alcan (137 p. 18.) 1 fr. 50. [cf. Bulletin critbjue 1886. ler Mars.)
Xcr Streit um Äant. I— III. [9leue ßoangcl. Äirdjenjeitung. 9lr. 14—16.]
Abbat, Francis Ellingwood, Ph. D., Scientific Theism. London: Macmillan;
Boston: Little & Brown. (Pp. XXHI, 219.) rec. Mind. No. 43.
July 1886. p. 409—414.
Adam, C. E.. Essai sur le jugement esthötiqne. These. Paris libr. Hachette
& O- (4 Bl., 255 S. gr. 8.) 5.— rec. v. G. Fonsegrive in: Revue
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Amadol*, Mariano, Exposicion y critica de la doctrina de Kant. [Revista
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^neumfer, Slemend (Slrcdfau) SRec. üb. Rroufc, Sllb., 3mm. flont rotber fluno ftifdjer.
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Beaassire, Emile, Les prineipes de la morale. Paris. Felix Alcan. (307 S. 8.)
rec. v. Henri Marion in: Rente philos. 1886. No. 2. p. 173—180. Rev.
H. Rashdall in: Mind. Xo. XL IL April 1886. p. 273—275.
— — Les prineipes formels et les eonditions subjectivea de la moralite.
[Revue philos. de la France. T. XIX. p. 147-172.]
9?erf, 2. 6., bie Aufgabe ber ©cograpbie [$om ©tanbpunft beS Äantifdjen AriticiSmuS].
(3ab,rcäbm^t beä ffiürttemb. »cretnö \. $anbels"g.eoa.rapbie. 1882-1884. ©tuttfl.
1884. (44 ©.)]
Begl Inger, Johannes, das Weltgesetz oder neue Theorie der allgem. Schwere
von Johannes Beglinger, Verf. der Einheit des Weltalls. Zürich,
Cominissionsverl. v. Meyer & Zeller. (494 S. gr. 8.) 6,50.
$cnfeer, $[clene], lieber bie Jbealität oon Kaum unb 3"*- ®»n Seitrag 3. Kapitel
ber „tronöfcenbentolen Beftyctü." [3tfd)r. f. ^f>Uof. u. pbüof. flrit. 87. 33b.
I. fcft. S. 1-48.J
Bendlxaon, Artur, Kritiska studier tili Kants transcendentale ästetik. Aka-
demisk afhandling. Upsala. R. Almqvist & J. Wiksell's boktryckeri.
(73 S. gr. 8.)
5Br<tfd), Dr. Worifc, 3mm. Äant, ber Reformator ber neuern ^üofopbic. [SJcrfelbe:
Sie ftlafftfer ber ^bUofop^ic. 2fß. 36-38. ©. 1665-1804.]
652 Mitteilungen und Anhang.
©rofd), Dr. SRorife, @cfammclte effonä u. Gljaraftcrföpfe 3ur neueren Woiop&ie u.
Sit. II. ab. 2eir.j. $ut&.
(Sntlj. u. a. : Äantiona : 1. 3um Inmbcrtjäfjrtgcn 3u^5um ber firitif t>.
rein. $ft. (1781—1881); 2. Äant u. bie ftaturforfebung. (Sine pI>ilof. $rei3»
fdnift; 3. §mm. Kant unb bie ©egemoart.
Calderwood, Prof. H., another view of Green's last work. [Mind. No. XXXVII.: .
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Caporali, E.t il pensiero italiano contemporaneo in Italia. Critica del Kan-
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mismo di C. Cantoni. [La Nuova Scienza. Dicembre 1884 — Set-
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Cesca, Dott. Giov., Proefssore di filosofia nel R. Liceo di Acc. reale
Sicilia, la dottrina Kantiana dell' A priori. Studio critico. Padova-
Verona. Drucker & Tedeschi. (XI, 279 S. gr. 8.) 5 L. Selbstanzeige in;
Tiertcljahrsschrift f. wies. Phil. IX. 129—130. rcc. v. Geo. S*mmel
in: Dtsche. L.-Z. 1885. No. 6. Conr. Hcrtnann in: Ztschr. f. Phil. u.
phil. Krit. Bd. 87. S. 117-139.
l'origine del prineipio di causalita. Saggio. Ebd. (VIII, 67 S. gr. 8.)
Selbstanz.: Viert eljahrsschr. f. teiss. Phil. IX, 130. rec. v. Conr. Hermann
in: Ztschr. f. Pliil. u. phil. Krit. Bd. 88. S. 268-270. - Beide Werke
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Danriac, Lionel, M. Ravaisson, philosopho et critique. [La Critique philo-
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Moraliates Anglais contemporains. [Revue philos. T. XIX. p. 64—83.]
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Die Kant-Bibliographie des Jahres 1885.
G53
Dieterich, Prof. Dr. Konrad, Grnndzüge der Metaphysik. Freiburg i. Br. Mohr.
(Vm, 85 S. 8.) 1,50. rec. v. Mor. Brasch in: Blatt f. lit. Unth.
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Philosophie u. Naturwissenschaft, ihr neustes Bündniss und die moni-
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90 S. 8.) 1.-
$öberlein, 3uL, SBorum ^at ber Saum bret SMmenftonen? [3tf<br. f. $bü. unb
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Eckstein, Frdr., das Phänomen der Verdichtung. Eine natur-philos. Studie.
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©efammette «bbblgn. fceibelb. 1886. Söeifj'S SkrI. (III, 184 ©. 8.) 3.20.
Faje, H., aur l'origine du monde, theories coamogoniques des anciens et des
modernes. 2. &lit. Par. Ganthier-Villars. (XI, 309 S.) rec. v. Tannery
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ftfanfe, <Smil (©nmnafiatlcbr.), Untcifuebuitgen über ben Stemm unb fein SerbältniS
ju ben fingen. (®nmn.»$rogr.) £>irf(b>rg. (5. 3—15. 4.)
Stege. ®. (Sena), rec. §. Gobcn, ba$ $rincip ber 3nfinitcfimaI»Uletbobe u. feine
©efätebte. Berlin. Summier. f3tfcbr. f. $f>il. u. pbU. Ärit. 93b. 87.
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Fricker, Prof. Dr. Carl Victor, zu Kants Rechtsphilosophie. [Memoriam
Henr. Theoph. Franckii die XI. mens. Aug. solemni oratione cele-
brar.dam indicit . . . Ups. p. 3 — 21. 4.]
0aUttl|, $aft. $cmä, baS Svangeltum etneä (Smptriften, ©otba. $ertbeä. (V,
108 6. gr. 8.) 2.-
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054
Mittheilungen und Anhang.
Gerhard, Carl, Kant's Lehre v. d. Freiheit. Inaug.-D. Halle. (47 S. 8.)
vervollstd. u. d. T.: Kant's Lehre von d. Freiheit dargest. u. beurtH.
Ein Beitrag zur Lösung d. Problems der Willensfreiheit. [Philos. Monats-
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3. neu durchges. n. verm. Aufl. VIII, 139 S. gr. 8.) l.~
— — Philosophische Fragen der Gegenwart. Leipz. Berlin. Wilh. Friedrich.
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Henrich, Dr. Adolf, Kant's Deduction d. rein. Verstandesbegriffe. (Beil. z.
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Die Kant-Bibliographie des Jahres 1885.
655
in: Vierteljfüirsschr.f.icis*. Philo*. X. Jahrg. S. 125. rec. v. Fr. Jodl in:
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Kerry, B. (Straßbg. i. E.), Ueb. Anschauung u. ihre psychische Verarbeitung.
(Ausführg. e. am 10. Jan. d. J. vor der Strassburger philos. Facult.
gehalt. Habilitationsvortrages. Erster Artikel. [Vierteljahrsschr. f.
wiss. Philos. IX. Jahrg. S. 433—493.]
Kipper, Paul (aus Sagau), Geistesleben u. Descendenzlehre. Ein erkenntniß-
theor. - kritisch. Versuch. I.-D. der Univers. Jena. Naumburg a. S.
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Sonntagäbeil. a- Berlin. Tageblatt. 1. Wärj. 9lr. 9. 6. 70-71.]
Knaoer, Gust., Die Dinge an sich, das „Ausser - uns", das für unsere Er-
kenntniss „Gegebene" u. unsere Erfahrung. (Im Anschluss an Dro-
bisch, Kants Dinge an sich u. sein Erfahrungsbegriff, Hamb. u.
Lpz. 1885.) [Philos. Monatshefte. XXI. Bd. 8. Hft. S. 479-491.]
Koppelmann, Dr., Kant's Lehre vom analytisch. Urtheil. [Ebd. XXI. Bd.
2/3. Hft. S. 65-101.]
Kuttner, Dr. Otto, Die Bedeutung der regulativen Ideen Kants: Die Ato-
mistik. [Altpr. Monatsschrift. Bd. XXII. Hft. 1/2. S. 59 - 75.[
— — Kants Copernicanismus auf die Begriffe Notwendigkeit und Freiheit
angewandt. [Ebd. Hft. 7,8. S. 618-636.]
Lasswitz, K. (Gotha), Zur Rechtfertigung der kinetisch. Atomistik. [Viertel-
jahrsschr. f. wiss. Phil. IX. Jahrg. S. 137—161. S. 147 nimmt Verf.
auf Kaufs nachgelass. Xotizcn „vom Ueberg. v. d. metaph. A. O.
z. Natune." muh „Propädeutik zur Physik" gen., Rücksicht.]
— — rec. Cohen, Herrn., das Princip der Infinitesimalmethode u. seine
Gesch. Berl. 1883. [Ebd. S. 494-503.]
3um Slnbcnfcn an ©corge »erfden, geb. b. 12. 5K5rj 1685. [ffcic Wation.
2. Sa^rg. 7. SRärj. «r. 23. 3. 329-331.]
rec. Ott Vre!, bic <pt)Uofopf)te ber SRnfttf (im Verhältnis* zu Kant), [©bb.
9lr. 34. ©. 508-510.]
• (Lanrie, Prof. S. ofEdinbnrg) Ethica; or the Ethies ofReason. ByScotus
Novanticus, Author of Metaphysica Nova et Vetusta. Lond.
Williams & Norgate. (Pp. 191. 8.) rec. v. Andr. Seth in: Mind. No. 40
p. 594—598.
Leclair, A. v., rec. Straßburger Abhdlgn. z. Philos. Ed. Zeller zu s.
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T
•
666 Mittheilungen nnd Anhang.
70. Geburtstage. Freib. i. Br. u. Tüb. 1884. [Viertel jah rasch r. f.
Philos. EX. Jahrg. S. 123-127. betr. d. 3., 4. u. 5. Abhdlg. v. Laos,
einige Bemerkgn. z. Transscendentalphil., Vaihirtger r. Kant» Widlegg.
d. Idealisnt. u. Windelband fragmmt. Bemerkgn. z. Lehre v. negat.
Urthal.]
Lehmann, Rud., rec. Schubert - Soldern, üb. Transcendenz d. Objects u.
Subjecta. Leipz. 1882. [Phüoa. Monatshefte. XXI. Bd. 2/3. Hft.
8. 178—180.]
Llpslns, Rieh. Adb., Neue Beiträge zur wissenschaftl. Grundlegung der
Dogmatik. [Jahrbücher f. proteat. Theol. Jahrg. 1885. S. 177 —288.
869—453. 550—671.] separat, u. d. T.: Philosophie u. Religion. Neue
Beiträge z. wiss. Grdlegg. d. Dogmatik. Leipz. Barth. (IV, 319 S.
gr. 8.) 5. — rec. v. 0. Pfleiderer in: Dt. L. Z. 1885. 42. — u — in:
Liter. Ctralbl. 1886. 3. J. Gottschick in: Theol. LZ. 1886. Nr. 10. +
Lasson in: Ztschr. f. Phil. u. phil. Krit. 89. Bd. S. 101—122.
Lorm, Hieronym. (Dresd.) Der Pessimismus in der Litteratur. 1. Die Be-
gründung d. modern. Pessimism. durch Kant. 2. Die Fälschg. d.
modern. Pessimism. durch Mode-Philosophen. 3. Die litter. Konsequenzen.
[Das Magaz. f. d. Litt, des In- u. Ausl. No. 14—16.]
Lotsfj, M. C. L., Het Vraagstuk van den zedelijken Vooruitgang. Eerste
Stuk : Begrip van Zedelijkheid. Utrecht : J. L. Beyers. (V, 139, XXXI
S. 8.) cf. Mind No. 44. Oct. 1886. p. 596.
mainitt, Dr. 3. (ftretb. i. SBr.) rec. Änauer, b. Slcflerionäbcgftffc. 2pj. 1881.
[3if<fir. f. tyil u. phil. «rtt. 93b. 87. 6. 105-111.] rec. »cbmfe, $bnfto*
logie w. ÄontianiSmuä. Sifcnacb 1883. [66b. 6. 322—324.]
Marquardt, Dr. Ant., Kant u. Crnsius. Ein Beitrag zum richtigen Ver-
ständnÜ der crusianischen Philosophie. Kiel. Lipsius & Tischler.
(53 S. gr. 8.) 1.60.
Martlnean, James, Types of Ethical Theory. By James Martineau, DD.,
LL. D., Principal of Manchester New College, London. 2 vols.
Oxford: Clarendon Press. (Pp. XXIV, 479; VIDI, 639.) rec. von
H. Sidgicick in: Mind No. 39. July 1885. p. 426—442. \
Merkel, Karl, Ueber die Entstehung u. inhaltl. Veränderung der beiden
philosophischen Ausdrücke a priori und a posteriori., I.-D. Halle a. S.
(56 S. 8.)
Montargls, Frederik, l'esthetique de Schiller. Paris. Alcan (203 S. 8.)
Hontgomery, Dr. Edmund, Space and touch. I— III. [Mind. No. 38-40. ,
Vol. X. p. 227-244. 377-398. 512-531.]
aRünj, Dr. 2BiIb., $te ©runblagen ber Äant'fd)cn ©rrennim&tbcorie. eine Cin« $
fübrung in bie ftritir ber reinen Sernunft. 2. »erb. Hufl. 33re31au. SBilb.
Äocbner. (V, 84 @. gr. 8.) 1.80.
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Die Kant-Bibliographie des Jahres 1885.
657
Naumann, A., Spencer wider Kant. Eine Erörterung der Gegensätze von
Realism. u. Kriticism., m. besond. Rücksicht auf das egoistische Moral-
princip. Hamburg. Verl. v. Griifius u. Möller (36 S. 8.) rec. v. Thilo
in: Ztschr. f. exakte Phil. XIV, 226—27. Dr. Hann Hcussler in: Ztschr.
f. Phil. u. phil. Krit. Bd. 89. S. 328.
Woiti. 2ubn>., 9ogo3. Urfprung unb 3Befen ber Segriffe. Seipjtg. (Sngelmann.
(XVH, 362 ©. gr. 8.) 8.— rec v. Carl Abel in: Die Nation. 3. Jahrg.
No. 5.
Plllon, F., l'idee de la responsabilite par Le" vy-Bruhl, ancien eleve de 1'EcoIe
normale superieure. 1 voL in 8. (Hachette). [La Critique philos.
Nouv. Se>. Ire annee. No. 10. p. 241-257.]
Ree, Dr. Paul, die Illusion dor Willensfreiheit, ihre Ursachen u. ihre Folgen.
Berlin. Carl Duncker. (2 Bl., 54 S. gr. S.) 1.— rec. v. Kr. in: Lit.
Ctralbl. 1886. 2. G. v. Giiycki in Dt. L.-Z. 1886. 7. M. Wagner
in: Theol. Litern turbl. 1S86. 7.
— — Die Entstehung des Gewissens. Ebd. (V, 253 S. gr. 8.) 4. —
Reieke, Rud., Aus Kant's Briefwechsel. Vortrag, geh. an Kant's Geburts-
tag den 22. April 1885 in der Kant-Gesellscb. zu Königsberg. Mit
e. Anhang, enth. Briefe von Jac. Sigism. Beck an Kant u. von Kant
an Beck. [Aus: „Frankf. Ztg.M und „Altpr. Monatsschr."] Königsberg.
Beyer. (73 S. gr. 8.) baar n. 2.—
Die Kant - Bibliographie des Jahres 1884. [Aus „Altpr. Mon."J Ebd.
(7 S. gr. 8.)
Renonvier, Esquisse d'une Classification syste'matiquo des doctrines philo-
sophiques. Vol. I. Paris. 1884. Bureau de la Critique philos.
(490 S. 8.) Vol. II. 1885. (420 S.) a 8.—
Romnndt, Dr. Heinrich, Grundlegung zur Reform der Philosophie. Verein-
fachte u. erweiterte Darstellg. von Imra. Kants Kritik d. rein. Vernunft.
Berlin. Nicolai'sche Verl. - Bchh. (VII, 264 S. gr. 8.) 5.— rec. Grenz-
boten 1885. 18. Th. Weber in: Dt. L.-Z. 1885. 21. Theol. Litblatt
1885. 11. Max Reischic in: Theol. L.-Z. 1885. 22. Mor. Brasch in:
Blätt. f. lit. Vnth. 1885. 30. Lit. Ctralbl. 1886. 6. Theob. Ziegler in:
Dt. L.-Z. 18S6. 6. Luden Arrmt in: Rente philos. T. XVI. p. 89—92.
— — Die Vollendung des Sokrates. Immanuel Kants Grundlegung zur
Reform der Sittenlehre dargestellt. Ebd. (VII, 304 S. gr. 8.) 5.—
rec. v. Konr. Hermann in: Blätt. f. lit. Unth. 1885. 51. F. Jodl in:
Ztschr. f. Phil. u. phil. Krit. S9. Bd. S. 129—134.
— — £ic 2fcbajitapt>ilofopt)t« ber 3nbcr. [^reufeifäe 3af>rbüd>. 55. 93b. ©. 181—190.]
Royce, Josiah (Instructor in Philosophy in Harward College), The religious
aspect of Philosophy. A critique of the basea of conduet and faith.
Boston. (XIX, 484 S. kl. 8.)
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ft58 Mittheilungen und Anhang.
S(chaarschmldt), C, rec. Schwertschlager, Kant u. Helmholtz. Freib.
i. Br. 1883. [Philos. Monatshefte. Bd. XXI. S. 296—297.1 rec. Kant's
Prolegomena and metaphysical foundations of natural science. Trans-
lated by E. B. Bax. Lond. 1883. [Ebd. S. 302-303.]
Schlegtendal, Walthcr, Johann Nikolas Tetens' Erkenntnistheorie. Teil I.
Inaug.-Diss. Halle a. S. (77 S. 8.)
edjlteib, Dr. 2RatI)ia3, bic pf)ilof. 2cft>c »on 3cit unb 9laum. [Der ffatbolif. 3tfd)r.
f. fatf)ot. SöifTcttfä. u. ftrrtf. 8eb. 65. ^ctlirg. 33b. n. ©. 256—78. 362-65.
581-607. 66. »g. 33b. I. S. 11-30. 129-145.]
SchwartzkopfT, Gymn.-L. Dr. Paul, die* Freiheit des Willens als Grundlage
der Sittlichkeit. Leipz. Böhme. (VI. 106 S. gr. 8.) 1. 50. rec. v.
C. S.(chaarschnndt) in: Philos. Montshftc. XXI. Bd. S. 429-30.
G. v. GizycM in Dt. L. Z. 1*85. 42.
Secrelan, Charles, le principe de la raorale. Lausanne 1884. A. Imer. Paris.
Monnerat. (384 8. 8.) 6 fr. rec. v. L. Mariliier in: Revue philos.
T. XX. p. 297—312.
— — Une theorie de la connaissance (m. Bez. auf Biedermann, christl.
Dogmatik. Berlin. I. p. 51—173.) [La Critique philos. Nouv. se>. I.
annee. No. 4. p. 254-272.]
Seth, Scottish Philosophy: a comparison of tlie Scottish and German Answers
to Hume. By Andrew Seth, M. A., Prof. of Logic and Philosophy
in the University College of South "Wales and Monmouthshire. Edin-
burgh and London, Blackwood & Sons. (Pp. 218.) cf. J. Mind No. 4L
p. 120. Xo. 42. p. 267—272. J. A. Stewart in: Academy IHM. Xo. 732.
F. Picavet in: Reime phi.'os. T. XXII, p. 195-200.
SUtnthal, Prof. Dr. H., allgemeine Ethik. Berlin. Reimer (XX, 458 S. gr. 8.)
9. — rec. t\ G. Simmel in Yierteljahrsschr. f. teiss. Phil. X. Jahrg.
S. 487-503. Gloijau in: Ztnchr. f. Pliil u. phil. Krit. Bd. 88. Hft. 1.
Stöhr, Dr. Adf., Replik gegen Witte. Eine Vertheidigg. meiner Schritt :
Analyse der reinen Natnrwissensch. Kant's geg. Prof. J. Witte. Wien.
Toeplitz & Deuticke. (IV, 23 S. gr. 8.) - 80.
ettümpett, f\o\. 2ubn>., Die ©inleitg. in bie ?tyÜof. vom Stanbpuntte ber ©efd).
b. ^üof. Scipj. ®eo. 93öf>me. 1886. (VDI, 484 S. flr. 8.) 6. 75. rec. r.
0. F(liu)cl) in: Ztschr. f. exakte Philos. XIV. Bd. S. 432-434.
Taja, Prof. Donato, l'unita sintetica Kantiana e l'esigenza positivista.
Napoli 1884 tip. della r. Universita. (29 p. 8.)
Tannery, Paul, la theorie de la matiere d'apres Kaut. [Revue philos. T. XIX.
p. 26—46.1
Tarantino, Giuseppe, Saggi filosofici. Napoli. Morano. (353 p. 12.) cf. Bernard
Perez in: Revue philos. T. XX, p. 320. Conr. Hermatm in: Ztschr.
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Die Kant-Bibliographie des Jahres 1885.
659
Tobler, Ludw., rec. Gerber, Gust, die Sprache u. das Erkennen. Berlin.
1884. [Ztsrhr. f. Völkerpsychol. n. Spniehw. XVI. Bd. S. a36-339.]
Valdarnlni, Angelo, Srritti filosofici e pedagogici. Firenze, ooi tipi di M. Cellini
e. C. alla Galileiana. (419 p. 16.) L. 4. 50.
Yold, J. Mourly, Albrecht Krause's Darstellung der Kantischen Raumtlieorie
n. der Kantisch. Lehre von d. Gegenständen beurt heilt. [Aus:
„Christiania Vidensk.-Selsk. Forhandl.] Christ iania. Dybwad in Comin.
(29 S. gr. 8.) — 80. rec. v. Thilo in: Ztschr. f. vraJctc Phil. Bd. XIV.
S. 197. v. Sch(ubert)-S(oldem) in: Lit. Ctralbl. 1886. 13.
Yolkelt, Prof. Johannes, Erfahrung n. Denken. Kritische Grundlegung der
Erkenntnistheorie. Hamburg u. Lpz. 1886. Leop. Voss. (XVI, 556 S.
gr. 8.) 13.— rec. v. Thcod. Lipps in: Gotting, gel. Anz. 1886. No. 9.
S. 372-393. Otto Pflcidcrer in: Protest. KZ. 1886. No. 3.
Webb, Thos. EM The veil of Isis: A Series of Essays on Idealism. Dublin:
Hodges, Figgis & Co. London: Longmans. (XIII, 365 S. 8.) rec. in:
Mind. No. 38. p. 299—300.
Wehr, Prof. Hans, die Subjectivität des Raumes u. das XI. euklid'sche Axiom.
Wien. (Pichler's Wwe & Sohn.) (45 S. gr. 8. m. Figuren.) 1.—
RMbcttittnn, ^Jflul §einr., Grfcnnen u. Sein. Sofung bcfl ^roblemä beä ^beerten unb
Scalen, juglcid) eine ©rörterung bc3 nötigen 9lu3gangäpunfte$ u. ber $rtn»
eipten ber ^btfofopfoie. ftarlärube u. Seipjtg. Skrt. o. ß. JHcutfjcr. (XJJ,
240 6. gr. 8.) 5.- rec. r. Th. Weber in: Dt. L.-Z. 188Ö. 49.
Wille, Dr. Emil, Wilh. Wundt's irrthüml. Auffassung von Hume's u. Kant's
Seeleubegriff. [Phüos. Monatshefte XXI. Bd. S. 276-284.]
Witt, Carl, Kants Gedanken von den Bewohnern der Gestirne. Vortrag.
[Altpr. Monatsschr. Bd. XXII. Heft 1/2. S. 76-90.]
Witte, Prof. Dr. J. H., Kantischer Kriticismus gegenüber unkritischem
Dilettantismus. Bonn. Max Cohen & Sohn. (V, 66 S. gr. 8.) 1. 20.
rec. v. Luden Arreat in: Rctme philos. 1886. No. 2. p. 188—189.
— — rec. St öhr, Dr. Ad., Analyse der reinen Naturwissensch. Kant's.
Wien 1884. (Phüos. Monatshefte. Bd. XXI. S. 284—288.]
— — Ein kurzes Wort zu O. Gierke's Beurtheilung des neuesten Werks
von W. Dilthey. [Ebd. XXII. Bd. Hft. 1/2. (1885) S. 99-104]
Wondt, Wilh., Zur Kritik des Seelenbegriffs gegen WUle, Ucb. Wilh. Wundts
Grundbegriff der Seele in Philosoph. Monatshfte. XX. 1884. S. 586
bis 592. [Philos. Studien hrsg. v. Wilh. Wandt II. Bd. 3. Hft. Leipz.
S. 483-494.J
Kant's kosmolog. Antinomien u. das Problem der Unendlichkeit. [Ebd.
4. Hft. S. 495-538.]
Zimmermann, Bob., Jacob Bernoulli als Logiker. [Aus „Sitzungsber. d. k.
Akad. d. Wiss.u] Wien. Gerolds Sohn in Comm. (60 S. Lex. 8.) 1.—
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«?60
Mittheilungen und Anhang.
Zimmermann, Rob., Kant and Comte in ihrem Verhältniß zur Metaphysik.
[Aus „Sitzungsber. etc.u] Ebd. (40 S. Lex. 8.) —.60.
Zwerger, Dr. Max, die lebendige Kraft u. ihr Mafl. Ein Beitrag zur Ge-
schichte der Physik. München. Lindauersche Bchh. (Schöpping.) (IV,
290 S. gr. 8.) 7.-
ünlversitäts- Chronik 1886.
(Fortsetzung:.)
IB. Oct. Phil. L-D. v. Oscar Mey (aus Borken Kr. Pr. Eylau): Ueber die
Darstellung binärer Formen auf den Normcurven. Greifswald. Druck
von F. W. Kunike. (2 Bl., 40 8. 8.)
21. Oct. Lectiones Cursor, (juibus . . . Carl Franklin Arnold theol. Lic. phil.
Dr. mores et sententias Atheniensium in capife XVII actoruin traaitas
. comperatione eiusdem lere temporis scriptornm illustrabit ad docendi
facult. rite impetrandam . . . indicit Paulus Tschackert theol. et phil.
Dr. P. P. 0. ord. theol. h. t. Deoanus. Regimonti Borussor. Ex offi-
ciana Hnrtungia.
29. Oct. Med. I.-D. v. Max Lares prakt. Arzt (ans Lyck): Ueber das Ver-
halten des Muskelglvrogens nach der Leberexstirpation. Kgsb. i. Pr.
Bchdr. v. R. Leupofd. (32 S. 8.)
4. Nov. Phil. I.-D. v. Arnold Pitt nar Bertaswaldensis : De Meleagri Mane-
donii Leontii re metrica. Regiinontii. Ostpr. Ztgs.- u. Verl.-Dr. (2 Bl.,
32 S. 8.)
8. Nov. Lectiones cursor. quas . . . Carol. Appel phil. Dr. über den Einfluß
der provenzalischen Litteratur auf die italienische ad docendi facultatem
rite impetr. . . . indicit Carol. Pape, phil. Dr. P. P. 0. ord. philos. h.
t. Deoanus. Regim. Bor. Ex offic. Leupoldiana.
11. Nov. Phil. I.-D. v. Max Born aus Tilsit, Beiträge zur Bestimmung der
Liohtbrechnngsverhältnisse doppeltbrechender Krystalle durch Prismen-
beobachtungon. [Aus: N. Jahrb. f. Mineral, etc. Beilageband V.] Stutt-
gart. E. Schweizer bartVhe Verlagshdlg. (54 S. 8.)
25. Nov. Phil. I.-D. v. Conrad Schmidt aus Königsberg: Der natürliche
Arbeitslohn. Jena. Gustav Fischer. (4 Bl., 55 S. gr. 8.)
Nro. 115. SCmtl. Skrjcidmife beö ^erfonalä unb ber 6tubircnben ... für b. fflint.«
6em. 1886/87. ÄaSbg. §artunß'fd)c ©d)br. (35 S. 8.) [93 (11 theol , 6jur.,
27 med., 49 phil.) Doc. 4 Sprach- u. Exercitienmeister; 815 (21 ausl.)
(235 theol., 112 jur., 237 med. u. 231 philos.) immatric. Stud. u. 11
zum Hören d. Vorl. berecht.]
29. Nov. Phil. I.-D. v. Franz Schroeter (aus Gr. Lesewitz bei Marienburg
in Westpr.): Ad Thucydidis librum VII quaestiones philologicae. Regi-
monti Borussorum. Typis Leupoldianis. (32 S. 8.)
Altpreussische Bibliographie 1885.
(Schlass.)
Ol fers, Dr. E. W. M. v., Moses u. die Materialisten. Eine St udie. Königs-
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Alt preußische Bibliographie 1885.
661
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Sanbcn. 3. 3abrg. Sp. 805—828.] »Uber von ber Oftfccfüftc. [Gartenlaube
9tr. 34.]
%*oftoro!blatt f. b. Dtöcefe ©rmlanb f>rSg o. fr fctplcr. 17. Sabrg. 12 «rn. ä Va
bi<3 1 SB. 4. 93raunö6crg.
Pawlowski, J. N., §aupt(ef>rer, populäre ©efd)id^te unb SBefdjretlmna, be3 Ü)anjiger
Sanbfreifeä mit einem Slntjange. . . Eanjig. SBcbct (104 S. gr. 8. SRit 1 Äartc
ar. Sol.)
— — Karte vom Danziger Stadt- und Land-Kreise. Nach zuverlässigen
Hilfsquellen entworfen und gezeichnet. Im Anschluß an des Verf.'s
„populäre Gesch. u. Beschreibg. d. Danziger Landkreises" u. „Popul.
Gesch. Danzigs". Lithogr. color. gr. Fol.
Perlbach, M., Notiz üb. Dr. Walter Fuchs d. Verhältniß d. älter. Chronik
v. Oliva zu d. Chronicum terre Prussie Peters v. Dusburg in d. Altpr.
Mon. S. 193-260, 421-484. [Neues Archiv d. Gesellsch. f. ältere
dtsch. Geschichtskundo X. Bd. S. 436.] Ree. [Gött. gel. Anz. No. 8.
S. 339—351. Centralbl. f. Bibliothekswesen II. Jahrg. S. 26-33. 138
bis 140. Dtsch. Lit.-Ztg. VI. Jahrg. No. 15. 32. 39. 41.1
Petong, Dr. Rieh., die Gründung n. älteste Einrichtung d. Stadt Dirschan.
[Mit 2 autogr. Karten. | Kgbg. Beyer. (44 S. gr. 8.) baar. n. n. 1.—
Pitsch, J., (Gymn.-Lehr.) De proverbiis nounulh's Iatinis, quao cum ger-
manicis quibusdani congruere videntur. (Gymn.-Ber.) Marien werd.
Kanter. (13 S. 4 to.)
Plan^ kleiner, v. Danzig. Chromolith. Danzig. Saunier. (4 to.) — 50.
— — der Speicher- Insel in Danzig nach d. neuesten Aufnahme . . . 1 : 2500.
(Ebd.) 4.~
Plaunmnn, Gymn.-Lehr. Emil, „Markgraf Rüdiger von Bechelaren" v.
F. Dahn u. d. Nibelungenlied (Gymn.-Ber.) Graudenz. Rothe. (S. 3
bis 25 4 to.)
^Pleljtoe. Cberl., JRub., Sortrag üb. fcanS o. fcelb u. b. „Stfiiuarjc SBud)." Referat
u. »emeifgn. [tftfebr. b. b'ft. ©cf. f. b. $roo. ?»ofen. I. Safjrg. S. 571-72.]
Plew, Dr. J., kritische Beiträge zu den Scriptores historiae Augustae.
Straßburg. Trübner i. Comm. (32 S. gr. 4.) 1.50.
^ßolenj, $erm, (Sbnmtf ber . . . Sioifittcnfcbcn @ütcr. 9Jot^ actcnmäjj. u. anb.
auttjent. CucU. jfgefteitt. ^»fterburg. Söilljclmt. (45 ©. 4.)
£>. ®d)lacbt b. ©r. SögcrSborf am 30. ?lug. 1757, [Unter&. 581. Sonntagö»
Seil. }. ^nfterburfl. 3t«- «r. 8.]
Prciss, Dr. H., Wilh. Vatke's Gesammtansicht über d. Bücher Samuelis u.
d. Könige. (Ztschrft. f. Wissenschaft]. Theol. 28. Jahrg. S. 257-280.]
Zrväna akarana. [Ebd. S. 385—392.]
Prellwitz, Dr. Walther, de dialecto thessalica. Gotting. Vandenhoeck u.
Ruprecht. (63 S. gr. 8.) 1.40.
— — die götternamen Apollon u. Poseidon. [Beiträge z. künde d. indogerm.
sprachen. IX. Bd. S. 327-331.] Register z. Bd. IX [Ebd. S. 339-344.]
Preus», Paul (Thorn). Die Beziehungen zwischen d. anatom. Bau u. d.
physiolog. Funktion d. Blattstile u. Gelenkpolster. I.-D. Berlin. (39 S. 8.)
Vrtufcc u. 2>cutfd)e* £>er rcblidie. 6. Ralenber auf b. 1886. «Wobrungen. Jtauten«
berg. 55. 3abra.. «KuSg. 91r. 1-3.
Preussen, Polen, Litauen, etc.
Abel, Dr. Carl, Groß- u. Klein-Russisch, aus Ilchester-Vorlesgn. üb. vergl.
Lexikographie geh. an d. Univ. Oxford. Im Auttrage d. Verf. aus d.
Engl, übers, v. Rud. Dielitz. Leipz. Friedrich. (IV, 139 S. gr. 8.) 6.—
Acta historica res gestas Poloniao lllustrantia ab anno 1507 usque ad
annum 1795. Tom. VIII. Vol. I. Leguin, privilegiorum statutorumque
civitatis Cracoviensis tomi I vol. I. [1507—1686.] Krakau. Friedlein.
(XXXVH, 624 S. Lex. 8.) vol. II. (XXII, S. 625-1204.) a 24.-
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662 Mittheilungen und Anhang.
ttmrltinfl, g.( (8cfö)id|te ber SReoalcr Sdnoarjenbfiupter oon ifjrem Urfprung an bt3
auf bic ©ogcinoart. 9ifld) urfunbenmäfc. Cucllcn bcö McDalcr Sdiroarjenbäupter»
9lrcf)io3 bearft. (3n 3 ?fan.) I. Via..: Die erfte »lüttjejeit oon 1399 bis 1657.
Steual. SBaficrmann. (136 S. gr. 8.) 2.40.
Archiv f. d. Gesch. Liv-, Est- u. Ciirland«. N. F. Bd. XI. a. n. d. T.: Neue
Quellen z. Gesch. d. Untergangs livländ. Selbständigk. Aus d. dän.
Geh. Archive zu Kopenhagen hrsg. von C. Schirren. III. Bd. Reval.
Kluge. (VIII, 381 S. gr. 8.) 7.50.
Archiv f. slavische Philologie. . . . hrsg. von V. Jagic. 8. Bd. Berlin.
Weidmann. (VI, 676 S. gr. 8.) 20.—
Atenenm pismo nankowe i hterackie . . . 1885. (4 Bde. 8.)
Balzer. Henrioi Sbignei de Gora tractatulus contra crueiferos, regni
Poloniae invasores. wvdal Dr. Oswald Balzer. [Monuiuenta Poloniae
historica Pomniki Dziejowe Polski. T. IV. Lwow 1884. S. 143-191.]
— Oratio contra crueiferos (Thorunii coram arbiti-is a. d. 1464 habita) . . .
[Ebd. S. 192-205.]
«Beheinucdjttarjaadj, 3Kar, Die maritime u. foloniale Tbätigfcit griebrid) ffiifbelmS,
b. grofc. Äurfürftcn. \kl\ä>v. f. adß. @efd)., (Euttur«, 2itt.» u. Äunftgefd). 1885.
$ft*. 3. S. 196-216.]
»erinfluter, Dr. Mi*., Buöführl. Skcfd»rcibg. ber frier j. 200 j. ©ebäcbtn. b.
ßbiftcS o. ^otsbum (29. Oct. 1685) begang. ». b. fran^öf. » reform, ©emeinben
in *»ranbcnburg « Greußen . . . Skrlin. Mittler u. ©obn. (2 551., 103 S.
gr. 8.) 1.25.
$ernftcin. $>crjog 9Ubrcd)t o. ^reufe. an bie Stänbe be§ ©tiftö Gamin roeg. an«
gehaltenen SJcrnftcinö. (Datum Konigspergk denn 24. Juli anno 1555.)
pBaltifdie ©tubien. 35. ^abrg. <5. 103 -105.] Erwähnung de« Bernsteins
iu e. Keiliuschrift. Aus e. Briefe v. Jules Oppert an Virchow.
[Verhdlgu. d. Berlin. Ges. f. Anthrop. etc. Stzg. v. 21. Febr. S. 65-66.]
Prof. Schräder die Keilinschrift auf dem Obelisk Asurnasirabal's
(geg. Jul. Oppert.) [Ebd. Sitzg. v. 8. Juli. S. 807 —309.] Jul. Oppert
üb. d. Keilinschrift auf d. Obelisk Asurnäsirabars (widerlegt Schräder)
u. Schradens Erwiderung. [Ebd. Stzg. v. 17. Oct, S. 372-373.]
Skartbenburfl « ^reuften auf ber SBcftfüftc oon Slfrifa 1681—1721. Scrfafet oom
arofe. ©cncralftabe, »btl). f. Ärtegsgcfd). STCit 1 Ueberfidjtöfarte u. 5 S(i}j.
[9luS: „flricgägefcbicbtl. ©injelfd>riftcn".J SBcrl. Mittler & Sob,n. (89S.gr. 8.)
2.- (cf. Grenzboten. 1885. No. 23.)
Brieflade, est- u. livländische. Eine Sammlung v. Urkund. zur Adels-
n. Gütergeschichte Est- u. Livlands. II. Theil. Bd. 1 n. 2: Schwedisch-
poln. u. poln. Zeit v. 1561 — 1700, hrsg. v. Ed. Pabst u. Roh. Baron
v. Toll, mit Regist. v. P. Th. Falck. Riga. Deubner. (VIII, 103 S.
Lex. 8.) n. n. 4.—
Briefwechsel zwischen Dobrowsky u. Kopitar (1808—28). Hrsg. v. V. Jagic.
Mit e. Portr. u. 2 lith. Beil. Petersb. Berlin. Weidmann i. Comm.
(CVII, 751 S. gr. 8.) haar n. n. 9.—
Brown, J. C.. Forests and forestrv in Poland, Lithuania, the Ukraine and
the Baltic prov. of Russia. Edinburg. Oliver & Boyd. 6 sh.
Brückner, A., Lituanica (Recensionen). [Archiv f. slav. Philol. VIII. Bd.
2. Hft, S. 308-312.]
Colonna • Walewskl, Graf, Beiträge z. Gesch. d. poln. Münzstätten 1588
bis 1624. [Ztschr. f. Numismatik XII. S. 205-279 m. Taf. XV-XXXUJ]
auch sep. Berlin. "Weidman. (75 S. gr. 8. m. 19 (photolith. Taf.) 10.—
<£o$tttaä. Doä JJcfanä (Sosmaö 6b,ronif oon Böhmen nacb, ber Sluägabc ber Monu-
menta Germaniae übffct. o. ©co. ©ranbaur. 2cipjtg. §ran$ Diinder. (Die
@efd)i*tfd)rciber b. btfd). SJorjt. in btfd). SBcarb. . . . XII. Sabrb. »b. XTV.]
(VI, 246 ®. 8.) 4.-
Dalton, Herrn., Johannes a Lasco. Bijdrage tot de hervormingsgeschiedenis
van Polen, van Duitschland eu van Engeland. Uit het Hoogduitsch
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Altpreußisehe Bibliographie 1885. 663
vertaald door P. C. van Oosterzee. Utrecht, Kcmink en zoon. (19 u.
G40 S. gr. 8.) f. 6.—
Dannenberg, H., Zwei unweit Leba gemachte Münztunde. [Ztsehr. f.
Numismatik. Bd. XII. S. 2S0-306. 398 -401. m. Tat'. Vin— XII.]
Dlngosz, J., Insignia s. clenodia regis et regni Polon. z kodeksu Körni-
ekiego wvdal Dr. Celichowski Poznan, naklad. bibl. Körnickiej.
(27 S. 4.) 2.-
Donner, O.. üb. d. Einfluß des Litauischen auf die finnischen Sprachen.
[Internationale Ztsehr. f. allgem. Sprachwissensch. 1. Bd. 2. litt.]
Dornelh, J. v.. die Ivetten unter den Deutschen. Berlin. Deubner. (VI,
127 S. gr. 8.) 2.-
Drucke d. Vereins f. niederdeutsche Sprachforschung. I. Mittelniederdtsehe.
Fastnachtsspiele. Mit Einleitg. u. Anm. lirsg. v. N. Seelmann. (XL VII,
86 S. 8.) -- 11. Niederdeutsches Reimbüchlein. Eine Sprnchsammlg.
des 16. Jahrh. hrsg. v. W. Seelmann. (XXVIII, 122 S.) Norden.
Soltau. a 2.—
Ellerholz, P., Handbueh d. Grundbesitzes im Deutseh. Reiche. Mit An-
gabe sammtl. Güter, ihrer Qualität, ihrer Größe [in Culturart], ihres
Grundsteuer - Reinertrages; ihrer Besitzer, Pächter. Administratoren;
der Industriezweige, Poststationen; Züchtungen specieller Viehracen,
Verwerthung d. Viestandes etc. Nach amtl. u. authent. Quellen bearb.
1. Das Königreich Preußen. 4. Lfg. Prov. Westpr. 2. verb. Aufl.
Berlin. Nicolais Verl. (XIV, 261 S. gr. 8.) H.—
(*nbtulat, $crnb-, ©cftpr. Trüffeln für c. «mgstafct. f^tftfjr. b. bift. «cfeßf*.
f. b. ilrou. %\o]<n. 1. 3ob>fl. 8. iL 4. $jt. 3. 506-512. «f. J. $c<f, ebb.
2. ^abrg. 1. <ÖH. 188(5. S. 93-94.]
Estreicher, K., Bibliogrnfia XIX w., tom X zesz. 3 i 4. Krakow, Aka-
demia umiej, druk. Üniw. Jag. w 8 ce, str. VIII, 297- 489, I— XXVII
i CXXXVIll-CCVU.
Vilbel, P. Gonrab, 0. Fr. min., bcr SWinorit iviitrid) o. 2ü|jclburg. SBiidjof o.
Scmgaücn, Curlanb u. Gbicmfcc. ßüftor. ^abrb. b. ÖörrcS'öcfcüftb,. VI. 93b.
3. 92—102.]
Ferra!, L. A., il proccsso di Pier Paolo Vergerio. [Archivio storico
Italiano Tomo XV. p. 201-220. 333-344. T. XVI. p. 25-46. 153-169.]
ftorftcr, 3upcrtut. Cbcrpfarr. D. 2f)-, bie coangcl. 3aljburger u. iljrc Skrtrcibg.
1731—32. (27 3. 8.) [tcr coangcl. @loub« nach, b. ^cugniö ber @cfd). 9ir. 3.
fcatlc 1884. 9iicmci)cr.) —30.
Jfournier, Sluguft, ^ur <#cfd)id)tc bc<J 2ugcnbbunbcä. [$crf. ^iftor. Stubicn u.
3fi$$e"- $rag. icmpoh). öcipj. 3"i)tag. 3. 301—3:50.]
©oni, $mgo, 3tcin, 3d)ön u. bic Gutftcbung bcs Gbiftä com 9. Dftab. 1807.
®knncr. sJKaiiij. (45 3. gr. 8.)
Geltler, Dr. Leop., Beitrüge zur litauisch. Dialektologie. [Sitzgsber. d. Ks.
Akad. d. Wiss. Philos.-hist. Cl. 108. Bd. S. 339—406.]
Geschiclitsblätter, Hansische. Hrsg. v. Verein f. Hansische Geschichte,
(13.) Jahrg. 1884. Leipzig. Duncker & Humblot. (170 u. XXVUI S. gr. 8.)
Girgensohn, Dr. Jos., Bemerkgn. üb. d. Erforschg. d. livländ. Vorge-
schichte. Riga. Kvmmel. (19 S. gr. 8.) —60. rec. v. K. — L(ohmeyer)
in: LH. Vtralbl. issti. An. 4.
öocfcc, %. o., Ulbert Sucrbccr, (Srjbtfdiof d. ^reufoen, Sblanb u. (sftlonb. ®cf<Wl.
Tarftcüung. 3t. Petersburg 1854. (9liga, jtnmmel'ä SJcrl. 1885.) (VI, 224 3.
£cr. 8. m. 4 Äpftaf.) 6.-
*<o\\/, Gen.-Lieut. Frdr. Frhr. von der, Nachrichten üb. die Familie der
Graten u. Freiherren v. d. Goltz. In 2 Abthlgn. m. 19 (Lichtdr.-)
Portr., 4 Wappentaf. in Farbendr. u. 12 Stammbäum, zsgest. Straß-
burg. Schultz & Co. Verl. (VI, 527 u. 193 S. gr. 4.) nn. 30.-
Gritzner, M., n. Ad. M. Hildebrandt, Wapponalbum der gräfl. Familien
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Mitteilungen und Anhang.
Dtschld». u. Oesterreich-Ungarns etc., Lfg. 12—24. Leipz. T. 0. WeigoL
(120 heliotyn. Taf. m. 34 Bl. Text gr. 4.) a 2 —
Habenlcht, H.. Heimatskarten zum Elemcntar-Atlns No. 2. Bl. 20. Danziger
Bucht. 22. Kulinerland u. Pomesanien. 23. Samland. 25. Littauen.
Gotha. (Perthes.) Chromolith. fol. ä —20.
— Daas. Erweiterte Blätter. Blatt 21. Pommerellen. Ebd. —30.
Haupt, Dr. Kenn., Aufzeichnungen des Franziskaners Johannes Schmidt
von E!mendingen bei Pforzheim 1356—1455. No. II: Nota von den
dütschen herren von Prtisen. [Alemania. XIII. Jahrg. 2. litt. S. 149— 150. J
Mtnbtd. Cbcrl. Dr. 3unfd)cn SBeiAfel u. ©Ibf. (@cg. Dr. Sjulc' Sortr.
üb. b. Urcinroobntr *ro. SScidjfcl u. @lbc. SKünd). 1884.) ßtfAr. b. bift. ©c»
fctlfd». f. b. $rot>. $o|cn. 1. 3<»brß. 3. u. 4. fcft. 6. 513—538.]
Jahrbuch d. Vereins f. niederdtsche. Sprachforschung. Jahrg. 1884. X.
Norden. Soltau. (III, 180 S. gr. 8.) 4.-
Kagelmacher, Ernst, Filippo Maria Visconti u. König Sigismund. 1413—1431.
Ein Beitrag zur Gesch. des 15. Jahrh. Berlin. Frz. Siemenroth. (IX,
121 S. gr. 8.) 2.50.
Kanteckl, Dr. dem., Polen im Mittelalter. (Jahresberichte der Geschichta-
wiasensch. IV. Jah-g. 1881. Berl. 1885. II. S. 833—348.]
Stnoop, @t)mn. • Sehr. Otto, 3talfcfagcn, 6rjäblun<?cn, Aberglauben, @cbrau<6e u.
SRärdjcn ouö b. öftl. £>intcrpommern. ^ofen. 5ioIoroicj. (XXX, 240 3. gr. 8.) 5. —
Korrespondenzblatt d. Vereins f. niede.-deutsche Sprachforschung. Red.:
Vv. H. Mielck. 9. Jahrg. 1884. Hamburg. Norden. Soltau. < 107 S. gr. 8.) 2.—
Kraszewski, J. I., Polska w czasie trzech rozbioröw 1772—1796, studya
to h storvi tucha i obvczaju. Tom I. 1772—87. Wvd. II. Poznan,
nakl. J. K. Zupanskiego.' (XIII, 454 S. 8°.) (cplt. in 3 Bd. 33 M.) .
KHidener, A. v., zur Naturgeschich. d. Elchs. [Der zoolog. Garten.
26. Jahrg. No. 11.]
Kurtzraann, L., Gesch. der Raczynski'schen Bibliothek in Posen. [Sep.-
Abdr. aus dem 1. Bde. d. Katalogs der Raczvnskischen Bibliothek zu
Posen.) Posen. Docker * Com. (36 S. 8.)
Lebinski, \V1. Dr.. Matervaly do Slownika hicirisko-polskiego srednio-wiecznej
laciuy i starozyt. polskich. Poznan. (VII, 200 S. 8.)
— 0 wojach i rycerzach polskich. Stud. starozytu. Warsz. (126 S.) [Sep.-
Abdr. aus d. Ateneum.J
Leger, Louis, Le monde slave au XIX siecle, lecon d'ouverture du cours de
langues et litteratures d' origine slave, professe au College de France.
Paris. L. Cerf. (31 S. 8.)
Lenchs, Adressbuch aller Lander der Erde der Kaufleute, Fabrikanten,
Gewerbetreibenden, Gutsbesitzer etc., zugl. Handelsgeogr., Produkten-
u. Fabrik aten-Bezngs- Angabe. 11. Bd. Ost- u. Westpreussen. 7. Aufl.
1885-1888. Nürnberg. Leuchs & Co. (363 S. gr. 8.) cart. 12-
Vippcrt. 3ul., ©ermanen u. Slawen. Tic gcfgicfyl. (Snmricflg. ber <8gfa|e üjr.
SBolfsroefcnö. ^ßrag. Xcutfd). SScrcin. (23 <3. gr. 8.) — 30. [Sammlung ge«
mcinnü|jtgcr Vorträge btsg- »• btfd). Vereine j. SBbrcüg. gemcinnüjng. fiennt»
ntffc in tyrag ftr. 100.J
Mach, A. L. v., Untersuchungen üb. d. Wapp. der kassubisch. Familie
von Mach. | Vierteljahrsschrift f. Heraldik, Sphragistik u. Geneal.
XIII. Jahrg. 2. Hft. S. 182- 198. J
Macii9 Anton v.. Aus den Kirchenbüch, des kathol. Pfarramtes zu Sulleu-
czyn im westpr. Kreise Carthans. [Ebd. 4. Hft. S. 432 -439.]
iWatttcitffcl, ©uft. «aron o., »ibliogvapbifdje 9lotij üb. leitifebe Sdjnftcn, n>.
1604—1871 in b. I)od)lcttifd>. rc|'p. poln.'liolänb. iDfunbart oeröffcntl. mürben.
3Kttau. [3cp.««bbr. bed SKaga*. b. IcttMitter. @cfcll!'a).|
Mettig, Dr. C. (in Riga), Liv-, Est- u. Kurland im Mittelalter. [Jahres-
berichte d. Geschichtswissensch. IV. Jahrg. 1881. Berlin 1885. IL
S. 176-178.] ... in d. neuen Zeit. [Ebd. III. S. 49-54.J
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Altpreußische Bibliographie. 065
Michovr, Dr. Heinr. (Hamburg), das Bekanutwerden Russlands in vor-
Herberetein'scher Zeit, ein Kampf zwisch. Autorität u. Wahrheit.
Vortrag. [Verhandlgn. d. 6. deutsch. Geographentages zu Hamburg am
9., 10. u. 11. Apr. 1885. S. 119-130.]
Monatsschrift, Baltische, hrsg. v. Frdr. Bienemann. 32. Bd. 12 Hfte.
Riga. Deubner. (1. Hft. 88 S. Lex. 8.) 20.—
Nestor. Chronique dite de Nestor. Traduite sur le texte slavon-russe avec
introduction et commentaire critique par Louis Leger. Paris 1884.
(XXVIII, 399 S. 8.) rec. v. V. Jagic in: Archiv f. slav. Philol VHI.
Bd. 4. Hft. S. 578-583.]
Cnrfen, Söilb,., SBeitr&ge jur neueren ©e)d)id)te. I. 3"™ 3*°^*- ft^t. b. ®r.
II. 6in angeblicher »rief beä ftrbr. o. Stein. III. 3ur 391aria»Stuart'$racie.
©ießen. (IV, 9 ) S. 8.) [©iefecner Stubieu auf bem ©ebiete ber ©efd). III.]
Crben. 3ur ©efd). b. DrbenS ber Sdjroertbrüber in 2u>lanb. [SBodjenblatt ber
3obannitcr«Crbcn3'$alien SBranbenbura,. 9lr. 8. 9.]
$oeld)au, Cberl. Dr. 9lrtb., bic liötönbifcbe ©efd)id)tüliteratur im 3- 1884. Siiga.
«nmmclö Serl. (95 3. 12.) 1.—
Przeglad Polski pod redakeya. dra J. Mvcielskiego. 1885. Kraköw.
Pntewodnlk naukowy i literacki, pod redakeya; A. Krechowieckiego. 1885.
Lw6w.
Kcgesta diplomatica nee non epistolnria Bohemiae et Moraviae. Pars rV.
Annorum 1333—1346. Opera Joe. Emier. Vol. I. Prag. (Gregr & Va-
lecka.) (160 S. 4.)
Rcisekarte, Forstliche, von Preussen. Oestliche Hälfte, enth. d. Provinzen
Ost- u. Westpr., Pommern, Posen u. Schlesien, sowie Theile von
Brandenburg und Sachsen. Lith. Leipz. (Rust.) fol. 1.60.
Rozprawj i sprawozdauia, z posiudzen VV vdziahi historyczno-filozoficznego
Akademii umiejetnosci tom XVIII. Krakow. (325, XLV S. gr. 8.)
JHu(nourm, Sdmlinfp. o. 2). Slrd)tuar (Sari, 9iad)rid)ten üb. Stlt^ernau. . . . SDlit
2 Uli). 2a\. SRcoal 1880. (Stiga, jUjmmel'sJ «erlag. 1885.) (VI, 117 S. gr. 8.) 2.50.
Schäfer, ^rof. Dr. 2)ietr., bie £>anfc u. ibre fcanbelspolttif. Sortrag. 3cna. gifdjer.
(32 3. gr. 8.) -75.
£d|irm<mtt, Stabtarduoar Dr. tbeob., Sluftlanb, $olcn u. Stofanb bis inS 17.
%al)t\). Berlin, ©rote. (3. 161-482 gr. 8. m. eingebe. §oljfdm., 6 §olj«
fdmittraf., 2 fiart. u. 2 #acf.) [Mgcm. ©cfd). in (Sinjclbarftügn. brög. ».
mil). Onden. 91. u. 92. «btb. ä 3.-1
— Revals Beziehgn. zu Riga u. Rußland in d. J. 1483 bis 1505. Brief-
regesten u. Briete aus einem Conceptbucho d. Revaler Rathes. Der
Gesellsch. f. Gesch. u. Alterthskde. der Ostsee-Provinzen Rußlands zu
ihrem Jahresfeste dargebracht v. d. estländ. literar. Gesellsch. Reval.
Kluge. (72 S. gr. 8.) 2.-
— Gbaraftcrföpfc u. Sittcnbilbcr au3 ber baltifd). ©efd). b. 16. 3af>rb. 2. ZiUU
auSg. Homburg (1877). SBcbre. 1885. (IV, 151 3. gr. 8.) 2.50.
— Das herzogl. Archiv in Mitau. [Archival. Ztschr. hrsg. v. Frz. v. Löher.
X. Bd. S. 84- 106. J
«djtllbadj, 9Ud)., Ucb. b. branbenburgifd). Kolonien an b. Äüftc d. ©uinea in 9Mt-
airita. ßinc gefd)id)tl. Stubie. (9Rit ^Uuftr.: grbr. ffiilb. b. ©r. Äurf. u.
Otto ftriebr. d. b. ©röben.) [SöeftcrmannS illuftr. btfdje. SKonatd&eftc. ©cpt.
$ft. 348. 5Bb. 58. 3. 828-837.]
edjttJebel, Oäfar, (Sin flurbronbenburgifeber 9lfritafab,rer (nad) bem 93ud)c: „Oricn*
talifdje HeifcSBcfcbreibg. be3 branbenburgifd). Slbclitfien ^ilgcrä Ctto ftricbridj
to. b. «toben :c. SRaricnroerber 1694). (Stfd). Heid)Ö • Hnj. SRr. 41— 43.J
Der Referent läßt Otto Frdr. v. d. Gröben noch in höherem Alter »eine
preuß. Amtshauptmannschaften mit den Jfarzer [sie] Aemtern Osterode
u. Höllenstein vertausch. „ Vermuthlich auf dem Hohenstein [sie]
selbst ixt er endlich als 7lger am 30. Juni 1728 vstorb."
Scriptores rerum Polonicarum Tom. VIH. Epistolae ex archivo domus
Altpr. Monatsschrift Bd. XXI H. Hft. 7 u. 8. 43
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666
Mittheilungen und Anhang.
Radzivilianae depromptae. Krakau. (Friedlein.) (XXIV, 295 8. m. 4
facsm. Portr.) 10.—
eeeberg, %, «uS alten 3«tcn. Sebenabtlber auS Äurlonb. Stutig. Steinfopf.
(231 6. 8.) 2.50.
«i$ung«bertd)te ber gelebrt. eftnifä). «efcHf*. ju Dorpat. 1884. Dorpot. (2etpj.
Äötjler in Comm.) (IV, 339 6. 8. m. 1 Steintafel.) n. n. 1.—
Sitzungsberichte d kurland. Gesellsch. f. Lit. u. Kunst nebet Veröffentlichgn.
des kurld. Prov.-Museums aus d. J. 1884. (Mitau. 3 Bl. 68 u. 10 S. 8.
m. 5 Taf.)
Sitzungsberichte der Gesellsch. f. Gesch. u. Altthskde. der Ostseeprovinzen
Rußlands aus d. J. 1884. Riga. Kymmel. (2 Bl. 167 S. gr. 8.)
erijje«. Cftpreu&ifd)e. 1-6. [»rcnjboten. 44. Slabrg. Hr. 15. 16. 18.20.24.28.]
Slownik geograficzny Krölewstwa polskiego i innvch krajöw slowianskich . . .
Zeszvt 49—60. Warszawa. (t. V. 960 S.)
Sosnowskl, M. E., u. L. Kurt/mann, Katalog der Raczvnski'schen Biblio-
thek in Posen. 4 Bde. Posen. Decker & Co. (58, CDXLI, 485; XV,
953; XI, 667 ; 277 S. gr. 12.) 30.-
Sprawozdanle z czvnnosci zakladu narodowego imienia Ossoliriskich za
rok 1885. Lwow. (91 8. 8.)
Stadeiniann, Dr. Rud., Preußens Könige in ihrer Thätigkeit f. die Landes-
cultur. III. Tbl. Frdr. Wilhelm II. Leipz. Hirzel. (VIII, 236 S. gr. 8.)
6.— [Publicationen aus d. kgl. preuB. Staatsarchiven. 25 Bd.]
Stent, m)r., «bbanblungcn u. «ftenftücfe j. ©cfcb- ber prcufeifdj. Steformjeit 1807
bis 1815. Seipj. Wunder & fcumblot. (IX, 410 S. gr. 8.) 8.—
— Die preufc. {Regierung nad) b. Stuqe b. greibrn. com Stein im 3- 1808.
3üaf)rf)rit u. Xidtfung au§ b. fteber eine« 3fitgenoffen. [$eutfd?c Jleoue X.
gcbr.'öft. S. 157-162.1
Stronczyriskl, Kazimierz, Dawne monety polskie dynastvi Piastow i Ja-
giellonöw, czesc- II : Monety pierwszych czterech wieköw w porzadek
chronologiezv ulozione i opisane. Piotrköw. Warszawa, C. Wilauowski.
1884 (XVI, 221 S. 4. m. 3 u. 22 lith. Taf.) 5 Rub.
2trt)f, 2. o., »eitrige j. ©eftb, b. Rittergut. SiolanbS. 2. ibeil. b. letttfebe
Diftrict. 3)reöben. (»erl. ^utttommer <fc Wüblbred)t.) (609 S. gr. 8.) 20.—
Szczepanskl, F. v., Rossica <fe Baltica, Verzeichnis der in u. üb. Rußland
u. die halt. Provinzen im J. 1884 erschienenen Schrillten in deutsch.,
französ. u. engl. Sprache. I. Jahrg. Reval. Lindfors' Erben. (62 S. 12.)
baar n. —40.
Ulanowski, Bolesl., Najdawniejsze ksiqgi sadowe Krakowskie, Antiquissimi
libri judiciales terrae Cracoviensis pars I. ab 1374—90. editionem
curavit. (Starodawne prawa polskiego pomniki tom VIII.) Cracoviae
sumpt. Acad. litter. 1884. (XXIU, 361, 24 S. 4. m. 6 lith. Taf.)
— Inscriptiones clenodiales, ex libris judicialibus palatinatus Cracoviensis
collegit et edidit. Accedunt inscriptiones ex actis consistorii et capituli
Cracoviensium, nec non ex libris judicialibus Lublinensibus descriptae
(Starodawne prawa polsk. pomniki, tom VII zeszvt 8). Ebd. 1885.
(XV, S. 277-626 4)
— ein Beitrag z. Quellenkde. der Hist. Polonica des Johannes Dhigosz.
[Neues Archiv d. Gesellsch. f. alt. dtsche. Geschichtskde. X. Bd. S. 391-394.]
Urkundenbach, Dortmunder, bearb. v. Dr. Carl Rubel. I. Bd. 2. Hälfte
[NO. 548-873.] 1341-1372. Dortmund. Koppen. (XXVII u. S. 377
bis 737 gr. 8.) 9.-
Urkunden • Buch der Stadt Lübeck hrsg. v. d. Vereine f. Lübeck. Gesch.
u. Altthskde. 7. Thl. 11. u. 12. Lfg. Lübeck. Grautoff. S. 801-934
gr 4.) a 3.-
Urrtinbenbiid), pommerfcf)e3 IL 93b. 2. Bbtl). 1278—1286. 8eotb. u. bräfl- o.
9lrd)iuor Dr. Äobgero $rümet*. Stettin, d. b. 9ioljmer. (XX u. S. 389
biö 619 gr. 4) 6.-
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Alt preußische Bibliographie. 667
I
Wagner, Dr. P. (in Coblenz), Deutscher Orden im Mittelalter. [Jahres-
berichte d. Geschichtswissensch. IV. Jahrg. 1881. Berlin 1885. DI.
S. 172-175.] Provinz Preußen in d. neuen Zeit. [DX S. 45-48. J
Wlslocki, Wladisl., Przewodnik bibliograficzny . . . Kok VIII. Krakow.
Gebethner. (XXIV, 256 S. gr. 8.)
Wolter, Ed. (Petersb.), reo. Litau. u. lett. Drucke des XVI. u. XVJI. Jahrb.,
hrsg. v. A. Bezzenberger. IV. Hft. [Archiv f. slav. Philol. VIDI. Bd.
S. 524—531.1 rec. Jurgevic, Versuch e. Erkläre, litau. Fürsten-Namen
, (russ.) Moskau. 1884. (29 S.) [Ebd. S. 531-536.]
Zychllnskl, Teod., Zlota ksiega szlachty polskiej. Rocznik I— VII. Poznan.
Leitgeber. 1879-85.
Prowc, A., (Thorn) Zum siebzigsten Geburtstag d. Grafen Schack. [D. Ma-
gazin f. d. Litt. d. In- u. Ausl. No. 23. 8. 441.]
^nt$, fcanS, StoatengefAid)te b. SlbcnblanbeS im Mittelalter (S. 1—320 gr. 8. mit
fcoljfd). u. $ttf.) [«ügem. @efd). in (Binjelbarfteuungcn . . . $r3g. p. Mit).
Dndcn. SBerlin. ®rotc.|
Äec. [©tötter f. Itter. Untbltg. 9lr. 2. 11. 14. 17. 25. 35. 39.]
PUtter, OberlanbcSgertdjtöratb, A., HRaricnmerber im 3- 1336-1393. [3tfd)r. b.
hiftor. herein« f. b. Äeg.'93ej. 2Rarienioerber. 19. §ft. S. 1—20.1
Büttner, ©life, Wärmen vom Jborner $feffcrfud)en. 2R»t «• xitel « 3Uuftr.
2. Vufl. $anj. Bertling. (59 S. 8.) cart. 1.25.
Radau, sur la d&ermination des orbites. [Bulletin astronomique. Janv.] au
sujet de la condensation des nebuleuses [ebd. Juillet] Tables de 1' inte-
grale (Z.) [Annales de l'observatoire de Paris. Partie theorique, t. XVDTI.]
[Bulletin des sciences mathematiques. II. serie. Tome IX. Fevr.] sur
la loi des densites ä l'interieur de la Terre. [Comptes rendus hebdoma-
daires des seances de l'Acad. des sc. Par. T. C. No. 15.J Elements
de la comete Brooks [Ebd. T. C I No. 12.1
Kadde, Gust., Talysch, d. Nordwestende des Albura u. sein Tiefland. Eine
physisch-geograph. Skizze. [Petermann's Mitthlgn. aus Just. Perthes'
geogr. Anstalt. 81. Bd. S. 254—267.] Zweiter Nachtrag zur Ornia
caucasica [Ztschr. f. Ornithologie. 4te Folge 13. Bd. S. 74—81.]
Raiita, Joh., Elemente u. Ephemeride des periodischen Tu ttle' sehen Cometen
(1790 II) für seine Erscheinung i. J. 1885 [Astron. Nachrichten Bd.
112. 2674.] Verbesserte Ephemeride des Tuttle'schen Cometen. [Ebd.
No. 2680. 81.]
JHeforotblättet. 91u3 bem Streife b. oftbeutfdjen freien religiöf. Ocmeinben. $rdg.:
Grengel. 6. 3ab,rg. 12 92rn. (95.) ßgäbg. 93raun u. SBeber in Comnt. tjalbj.
boor 1.50.
Rehdans, Dr., gtora b. nädjften Umgegenb 6tro3burgä ... 2. Z$eü. fflin'enfd).
Beil. j. ©nmn.«$roar. <Stra3b. &ubricf>. (42 6. 8.)
Relcke, Rud., s. Kant-Bibliographie.
Reiter-Predigten, neue. Vergleichende Rückblicke auf einige Vorschriften
d. alten Reit-Instruction u. d. Grundsätze e. wissenschaftl. begründ.
Reitkunst. Kgsbg. Härtung. (VIDI, 289 S. gr. 8.) 4.—
SRiefc, 2ubn>., ©runbprobleme b. römifd). ©cfdj. in il)r. oerfdjicb. 'Jluffaffung bei
9tcmfe u. SRommfen. [^reufe. 3aljrbb. 56. »b. S. 543—588.]
Rockel, Karl Johs., de allocutionis usu, qualis sit apnd Thucydidem, Xeno-
phontem, aratores atticos, Dionem, Aristidem. Diss. inaug. Kgsb.
(1884.) Koch u. Reimer. (56 S. gr. 8.) baar n. 1.—
iKodner, fceinr., Die erfte freie religiöl'e Oemeinbe u. ü)r Stifter. SBortrog . . .
[»eformblätt. %ai)ta. VI. 3. 18—27.]
Roedlgcr, J., Eine Bibüotheksordnung der ehemaligen Schlossbibliothek z.
Kgsbg. i. Pr. aus d. XVI. Jahrh. [Centralbl. f. Bibliothekswesen
2. Jahrg. S. 421-423.]
JKogg«, $fr. »bolf, XaS ©ebetbud) ber Äurfürftin Knna o. SBranbenburg. [Sifegäber.
b. «IttbSgef. flruffia 1883/84. ftgsbg. 1886. €. 9-20.] cf. Altpr. Mon.
48*
668 Mittheilungen und Anhang.
R[oquette], Afdalb.], 3um Jubiläum ber fronjöftfdjen Jtolonie in ÄöniflSbcrfl.
[<5oang. ©cmcinbcbl. 9lr. 43.]
Rosenbaum, Georg, Beiträge zur Casuistik, Aetiologie u. therapeut. Ver-
wendung des Erysipelas. Greifswalder l.-D. Perleberg. (33 S. a)
Rosenkranz, P. H., der Indicator u. seine Anwendung. Für d. prakt. Ge-
brauch bearb. 4. umgearb. u. sehr verm. Aufl. Mit 7 Tafeln u. 135
Holzschnitten. Berl. Gaertner. (VIII, 160 S. gr. 8.) geb. 7.—
Wotetiitß, (ScinbriAtcr j. 2ncf) Sanbfa&rcr u. Sanbftreicber. [ärdbto f. Strofrtdit. 34.
93b. 3. 323-333.J
Rudenlk, Georg, (aus Seeburg i. Ostpr.) Lateinisches ego im Altfranzösischen.
I. -D. Halle. (45 S. 8.)
Rfühl] F., 9iec. [*tt. Gcntralbl. 9lr. 1. 4. 16. 27. 29. 30. 37.J
Mupp, Dr. 3uL, ber ©laubc an bic Sclbftbcftimmung u. boä eoangeüum. [Sieform'
blättcr. Sabrq. VI. 5?r. 1. S. 1-14.]
«<»<!, 6b., Sdjlaglicmcr jur SolfSbübung. fön 10 $ftn.) 1. §ft. Dürnberg. SBorlein
u. Go. (80 3. 8.) —60.
Salkowski, Prof. E., Zur Kenntniß d. Giftes der Miesmuschel. [Virchows
Archiv f. pathol. Anat. u. Phvsiol. 102. Bd. S. 578-592.] Physiolo-
gische Chemie. [Jnhresber. üb. d. Leistungen u. Fortschritte i. d.
gesammt. Medicin. XIX. Jahrg. 1. Bd. 1. Abth. S. 109—64.) üeber
d. Vorkommen d. Phenacet ursaure im Harn n. die Entstehg. d. aromat.
Substanzen heim Herbivoren. [Ztschr. f. phvsiol. Chemie. IX. Bd. S.
229-237.) Zur Kenntniß d. Pferdeharns. [Ebd. S. 241—245.]
— — , e A. I.eube Trattato dell'urina. Milano-Napoli, Leon. Vallardi edit.
Sara 1 vol. in-8. di ca 500 p. con 36 fig. — L. 10.
Salkowski, H., üb. d. Schmelzpunkt u. d. Trennung von Gemischen von
Phenvlessjgsänre u. Hvdrozimmtsaure. (Ber. d. dtsch. ehem. Gesellsch.
18 Jahrg. S. 321- 326. J
Sammlang Shnkospearescher Stücke. Für Schulen hrsg. v. Dir. E. Schmidt.
II. A midsumtner night's dream. 2. verb. Aufl. (61 S. gr. 8.) Danzig.
Saunier. —60.
Samuel, Prof. Dr. S. in Kgsbg., die histogenetisehe Energie n. Symmetrie
des Gewebswachsthums. fVirchow's Archiv f. path. Anat. 101. Bd.
S. 389-429.] Ucber dio Cholera-Intoxication. [Berl. klin. Wochen-
schrift No. 36.J
Santo, Th., in Kgsbg., Bemerkungen über Gleichungsauflösung. [Archiv d.
Mathem. u". Physik. 2. Reihe II. Theil. S. 332-336.] Die Abbildung
des Aeussern eines Kreisbogeupolygons auf eine Kreisfläche. [Ebd.
III. Theil S. 1- 44. J
Stfiad, $er Äricgöjuig bcö bcutfdjcn OrbcnS nadb, ber 3nfcl ©ot^Ianb . . . 3Jor«
lefung . . . ^ntferburg. SÖilbdmt. (10 3. 4.)
[cd)cff»ct). 6. 2., Äricflöratl) 3. ©. Scfjcffncr, ein oitprcufeifdjer Patriot u. Sd)rift«
fteder. [$anj. Hcitung. ^»ciCafle 3. Nr. 15 099. 15103. 15 106. J
gdjicffcrbctfer, Dr. (Sari ibcobor, ©ruft von Siebolb. SSortrog . . . [Jtgöbg. §ar»
tungfae 3tft. 3Jr. 108 1. Söcilagc.j
Schleflerdecker, Dr. P., Mittheilung, betreffend das von mir verwandte
Anilingrün. [Ztschr. f. wissenseh. Mikroskopie. Bd. II. S. 51—63.] Be-
merkung zu dem Aufsatz von List : Zur Verwendung des Anilingrüns.
[Ebd. S. 223-224.J
edjinbomefi, Hob., £cr (Scmüfcgartcn. Jturje Anleitung jur Änlagc unb ©in«
rid)tung bcffclbcn . . . Stanjtg. Slrt. (47 3. gr. 8.) —50.
ctfjirrmadier, $rof. Dr. ftriebr. 3Büb., >bann Stlbrcdjt I. §erjog 0. SRccflcnburg.
2 Steile. Söiümar. fcinftoif. (XVI, 775 u. 403 3. gr. 8.) 20.-
edjlcntljcr. ^au(, ftrau ©ottidjeö u. bic bürgcrlidje flomöbic. @in Äulturbilb a. b.
^opfjeit. SJcrl. $>cr|j. 1886 (1885). (4 »1. 267 3. 8.) 5.—
Dolberg, Jrhr. Subaug p., bänifäc 3d)aubül)ne. $ic porjüglidbjten Äomöbicn. $n
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Altpreußische Bibliographie. 669
ber 5Itcjten beutfdjcn Ueberfcfcunß m. ©tnleitgn. u. Slnmerftm. neu Ijräg. o.
DD. 3ul. öoffori) u. $aul ed)(ennVr. Sfq. 1-4. (388 3. ar. 8.) A 1.
Schienther, R, Ree. Dt. L.-Z. No. 1.21.24 27. 49. 50. Tic Nation. 2. S«bra.
ftr. 14. 17. 19. 21. 22. 25. 27. 29. 31. 33. 35. 38. 39. 43- 46. 49. 50.
3. ScuVg. 91r. 1. 3. 5. 7. 9. 10. 2Mf*e. fHunbfdiau. 12. ^afjrq. <pft. 2. 4.]
Schmecke!, Aug., (Jastrow in Westpr.) De Ovidiana Pythaiyoreae doctrinae
adnnibratione. Diss. inaug. philol. Gryphiswadensiae (89 S. 8.)
Schmidt, Alex., Zoologische Beobachtungen im Revier Gauleden (Ostpr.)
fZeitschr. f. d. Forst- u. Jagdwesen. 9. Hft.] Beobachtgn. in Ostpr.
üb. Svrniom nralense. |Ztschr. f. Ornithol. 4. F. 13. Bd. S. 82-89.]
Schmidt, AI., (Kgsbg. i. Pr.) Ree. [Dt. L.-Z. No. 50.1
Schmidt, Dr. Carl Eduard, (Lotzen) Parallel Homer oder Index aller homerisch.
Iterati in lexical. Anordnung zusammengestellt. Gotting. Vandenhoeck
u. Ruprecht. (VIII, 250 S. gr. 8.) 6.—
Schmidt. Ernst, Gesch. d. königl. Gymn. zu Marienbnrg während d. Jahre
1860—1885. Festschrift . . . Marienburg. Gicsow. (24 S. 4)
2djmibt. Julian, ©raf Sco Solftot. [T>. ©caenroart Sb. 27. 91r. (>.] ScibmtJ u. b.
^bealiömuS. graament o. b. btfd). Sityefd). f^reufe. >brbb. 55. 2Jb. S. 151
bi3 170.] «Ibolf «Wcnjcl. [Gbb. 56. 33b. 3. 628-30.] Sßictor fcuqo. fSBcftcr«
monn'S ittuftr. btfrf». «DlonatcJfjcftc 30. ^abrg. 5. fr 58b. IX. 3. 47—64.]
SRommfcn'a röm. ©efd). [fctfcb. ttunbftfjau 11. SMrp. $b. 44. 3. 66-80.]
Schneider, J. H., Mittheilungen aus d. Geschichte Dirschau's. [Ztschr. d.
Westpr. Geschichtsvereins. Hit. XIV. S. 59—120.]
Schoendoerffer, Otto, de genuina Catonis de agricultura libri forma. Part. I.
Diss. inaug. Kgsbg. (Koch u. Reimer.) (89 S. gr. 8.^ baar n. 1.—
Sdjopenbnucr, 9lrtf|-, 9l|)bonämcn jur SebcuöroeiöbeU. fJtu§ „^arerga tt. ^arolipo»
mena".] 2<8bd>. Scipj. 1886(85). »rodbnuS. (Xin, 137 u. XIII. 144 3. 8.) A 2. -
— — Aforismi sulla saggezza nella vita (dall1 opera „Parerga paralipomena")
Traduz. di Oscar dott. Chilesotti. Milano. Dumolard (VIII, 215 S. 8.) L. 3.
— — Heber ben 2ob uub fein Scrbätttüfi jur llnjcrftorbcirfcit unferä JöcfctuS an
fid). 2eben ber Gattung. erbtidjfeit ber ©iqcnfdiaftcn. [Sluö: „Tic 2öelt olä
WxÜc u. »orftcüun«."] Sfpj. 1886(85). SBrocft)ouö. (XV, 119 3. 8.) 2.—
Asher, Dr. David, das Endergebnis der Sehopenhauer'sclion Philo«, in
seiner UebereinBtimmung mit e. der ältest. Religionen. Leipz. Arnold.
(100 S. gr. 8.) 2.— rec. i\ Pietre Gauthicr, in: Rente philo*. T. XIX.
p. S4S—45. Mind. No, 3S. — Albert Mnrwr in: Blatt, f. Vit. Unthaltg. JVo. 9.
^robfdiamntct, SBtHe ober $b<mtaftc? firit. i*ara[Icle jur 3Öärbi«unfl ber $bi'
Iofopbic «. ©djopenbnuer'ä. [3tfd)r. f. %ty\o\. u. phtlof. flrtW. 91. '% 86. Sb.
3. 14-57.]
Harpf, Dr. A., Schopenhauer u. Goethe. Ein Beitrag zur Entwicklungs-
gesch. der Schopenhaner'schen Philosophie. [Philos. Monatshefte XXI.
Bd. S. 449-475».]
Rlbot, T., La Philosophie de Schopenhauer. 2e Edition. Paris. Alcan.
(178 S. 16.) 2 fr. 50.
Springer, 5Rob., Hrtb. Sdjopcnbouer oor b. frcnijöf. Äritif. [effanä jur Äritif u.
Vhilof. u. w «oetbe«2iteratur. Winbcn in 2». Srunä. S. 119-145. gr. 8.]
Weckesser, Albert, Der empir. Pessimism. in seinem metaphys. Zusammen-
hang im System von Ed. v. Hartmann. I.-D. Bonn. (76 S. 8.)
edjöt«. weil. Seiner. 9lufl., ©cfd). ber ^äbfloogrt in SJorbilbern u. Silbern. 12.
Stufl. . . . yp,}. Türr. (VIII, 361 S. flr. 8.) 4.-
Schreiber, üb. experimentell beim Menschen zu erzeugende Albuminurie.
[Archiv f. experim. Pathol. u. Pharmakologie. XIX. 3.]
Schriften d. naturforsch. Gesellsch. in Danzig. N. F. 6. Bd. 2. Hft. Danzig.
Leipz. Engelmann in Comm.) (XLIII, 319 S. gr. 8. m. 6 Steintaf.) 8.—
Schriften d. phvsik.-ökon. Gesellsch. zu Kgsbg. i. Pr. 26. Jahrg. (VHI, 65
n. 65 S. m. 2 Steintat'.) 6.—
Schroeter, H., Construction des achten Schnittpunctes dreier Oberflächen
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670 Mittheilungen und Anhang.
zweiter Ordnung, von denen 7 gemeinschaftl. Pnncte willkürlich u.
unabhäng. v. einand. gegeb. sind, f Journ. f. d. reine n. angew. Mathe-
matik. 99. Bd. S. 131 — 140.] Bemerkungen zu dem Aufsatze von Herrn.
Francke in Dessau: „Ueber gewisse Linien im Dreiecke.14 [Ebd. S.
283—85.1 Metrische Eigenschaften der cubischen Parabel (Raumcurve
8. 0.). [Mathem. Annalen XXV. Bd. S. 293-318.]
2d)ud), Satcrtönbifcbe erklungen, ©rftcr 2eil: JöietoSlaroa. (Sine @rjäblunfl
au4 aItpommcrcaifd>er Vergangenheit. Xonjta. Bertling. 1886 (1886). (124 S.
ar. 8.) 1.60.
— — Eine westpreuf ische Dorfschule im Anfang unseres Jahrhunderts.
[Ztschr. d. westpr. Geschichtsvereins. Hft. XrV. S. 45-57.]
£di»IMatt, preu&. ... 7. Sabrg. 52 Hrn. (a »/a »gn. gr. 4.) Donj. flrt. oiertelj. 1.—
Scholz, Genre, (pract. Arzt aus Mehlauken.) Casuistisch-forensische Beiträge
zur Lehre von den Schadelverletzungen. I.-D. Würzburg. (48 S. gr. 8.)
Schulz, Guilelmus, (ans Schwetz in Westpr.) .Quaestionum Juvenalianarum
capita tria. Berlin. Diss. inanp. Lipsiae. (27 S. 8.)
Cdjtoan, fceinrid), Der SBüftcnrouber. 6t>araftcrbilb<r auö ber Gentrai » Samara . . .
Haftenburg. Jtoroaläti. (210 S. gr. 8.)
edjfceidjel. Hob., Camilla. Sine röm. Hooelle. [Dtfdjc. Heoue. X. 3abrg. Äug. Sept.]
edjtterin, $ofcpbtne, ©r5ftn, 3m gcuir. «nonnm. HoDeHen. »erl. 0\olM'cbmtbt.
(124 S. 12.) -50.
3roei Stauen. [Sonntags » Slatt. Heb. H. $bUUpS. Hr. 21-27.] 3m 3Bcet>fcl
ber Seiten. [DftbeutfaV $olf3\eitung Hr. 167 ff.]
Scotland, A., die Odyssee in der Schule. Beilage z. Progymn.-Progr. Neumark
in Westpr. (28 S. 4.]
Homerisches. [Nene Jahrbb. f. Piniol. 131. Bd. S. 259-262.] Krit.
Untsuchgn. zur Odvssee. [Philologus 44. Bd. S. 385-400. 592 -621.
45. Bd. S. 1-17.]
Seliger, Max, de versibus creticis sive paeonicis poetarum graecorum. Diss.
inaug. philol. Kgsbg. (Gräfe u. Unzer.) (52 S. gr. 8!) baar n. n. 1.—
Sembrzyckl, I. K., Mazur Wschodnio-pruski. w. Tylzy. Sembrzycki. 11 Nrn.
(nicht mehr erschienen.) ^
— — Mazur Tygodnik chrzeseijanski dla polskich ludzi. W Ostrodzie,
Salewski 1884. (47 Nrn.)
Prusko-polski kalendarz na rok 1884. Ebd. Mit IUustrat. (132 S. 8.) -60.
na rok 1885. Ebd. Mit Illustr. (150 S. 8.) —60.
Kalendarz ewanielicko-polski dla Mazur, Szlaska i dla Kaszuböw na
rok zwyczajny 1886. Toruniu, Lambeck. Mit Illustr. (64 S. gr. 8.) — 40.
gebring, SBilb-, b« SBelf! bie S^rn! ©ebanfen u. ©ebiebte jur neueften ©efd)td)te
Deutfdjtanbä. Hcit »bbrud ber i. b. Horbbtfd). SWgem. 3tg. »cröffentl. «riefe
b. Äönisä ©eorg o. Hannover u. feineä Agenten. §eioelberg. SBeifo. (VIII,
104 ©. 8.) 1.-
eettegaft, bie Sanbroiribfcbaft u. tyr Setrieb. 3. flufl. »rcMau. Äorn. (XV,
607 S. gr. 8.) 10.-
l'alimentazione del bestiame, naovamento rifusa ed auraentata dal dott.
Hugo Weiske. Prima traduz. ital. di Alessandro Vezzani Pratonieri,
illustrata da 26 figure disegnate da A. Toller. Firenze, succ Le Monnier
edit. tip. (XVI, 260 S. 8.) L. 6.
Softem ber «dcr«ÄIafftfifatton. [Hu3: „Die Sanbroirtbfdjaft u. t^r »errieb."]
Tabelle qu. gr. fiol SBreälau. Äorn. —50.
Der Sbealtem. u. b. btfdjc. 2anbroirtbfd)aft. <£bb. 1886(85). (VI, 131 S. 8.) 2.-
Siede, Jul., (aus Wehlau): Syntaktische Eigentümlichkeiten der Umgangs-
sprache weniger gebildeter Pariser beobacht. in d. scenes populaires
von Henri Monnier. I.-D. Berlin. (68 8. 8.)
Sleffert, Prof. Dr. (Erlangen), Ree. [Dt. L. Z. 19. 39. 46.]
gierte, (Eugen, Die }panifd»e ÄonigöfamUie. [Ueber 2onb unb SRcer. 55. 95b. Hr. 12.
Ilud) eine 2öfung ber ftrauenfrage. [ßbb. 91r. 14.]
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AltpreuSische Bibliographie. 671
Sferoka, Dr. Otto, Ueber die erziehliche Aufgabe des wissenschaftl. Unter-
richts auf dem Gvmnasiuui. Antritts-Rede. (Gymn.-Progr.) Alleustein.
Harich. (S. 3-8. *4to.)
Simon, Hennann, (Culm, Westpr.) Zur Casuistik des Empyema pulsans
subcutaneum I.-D. Greifswald. (22 S. 8.)
«imfott, $rof. 8., 3u bcr ©teile üb. b. Äamphirtbril bei ©ibuhnb. [gotfd)ungen
>ur fctf*. ®ef$. 25. 95b. ©. 369-873.] 3ur Quedcnfritif I. II. [66b.
374—377.]
etnungaberfdjtc b. 9ütertf>umägcfc(Ifd)aft $ruffia in ÄgSbg. i. $r. im 40. SeretnS«
jabr. (Xn, 117 S. 8.)
Sfoniciff, 51mt3ri(^tcr in Ofterobe, Die llmbilbung b. b,anbel3red)tl. ^nboffamentS
ju e. aUgcm. SBoHjugSform für bie Uebertragur.g »erbricfter $orberung3rcä)te.
(»eitrige j. <£rl«uterung b. btfd^. Äc«tö. 3. g. 9. Sabrg. 6. 53-95.
210-278. 525-589.1
Sommer, W., (Allenberg bei Wehlau.) Ein nener Fall von Hypertrichosis
circumscripta. fVirchow's Archiv f. pathol. Anat. 102. Bd. S. 407—409.]
Spude, Ed., Geschichte der Stadt Schönlanke u. Umgegend. Dtsch.-Krone.
Garms. (104 8. gr. 8.) 1.—
Staatsrate, bcr preu&ifd)e, uub feine SBieberberufung. Dbne Senufcung arduoalifc&cr
Duellen oon einem Dftpreufeen. Scipnig. Dundcr. (HI, 92 €. gr. 8.) 1.60.
Stamm, Gvmnasiallehrer Dr., Die Partikelverbindung „et qnidem" („ac-
ouidem") bei Cicero. (Gymn.-Ber.) Rössel. Kruttke. (S. 3—16. 4to.)
Stefrenhagen, Dr. Emil, über Normalhöhen für Büchergeschosse. Eine
bibliothek-technische Erörterung. Mit e. Anh., enth. d. Aufstellungs-
plan d. Kieler Uuiversitäts-Bibliothek. Kiel. Lipsius & Tischer. (119 S.
gr. 8.) 4.-
Die Entwicklung der Landrechtsglosse d. Sachsenspiegels. V. Die
Bocksdorf sehen Additionen. [Aus „Sitzungsber. d. k. Akad. d. W. z.
Wien."] Wien. Gerold's Sohn in Comm. (85 S. Lex. 8.) n. n. 1.30.
Steinbrecht, C die Baukunst des Deutschen Ritterordens i. Preussen. I. a.
n. d. T. Thom im Mittelalter. Ein Beitrag zur Baukunst d. Dtsch.
Ritterordens. Mit 14 Taf. u. 39 Abbldgn. Berlin. Springer. (VHI, 45
S. fol.) 24-
— — Untersuchungs- und Wiederherstellungs-Arbeiten am Hochschloss der
Marienburg. Sep. - Abdr. a. d. Centralblatt d. Bauverwaltung. Berl.
Ernst u. Korn. (8 S. fol.)
lieber b. »aufunft b. btfdj. KitterorbenS. Sortrcg. [Wittljlgn. b. Söeftpr.
Slrcbitecten» u. Sn^en «SJereinfi. §ft IV. Donjig. <5. 16—23.]
Stetter, Dr., Compendium d. Lehre von den frischen traumatischen Luxa-
tionen f. Studirende u. Aerzte. Berl. Reimer. 1886(85.) (Vin, 118 S.
gr. 8.) 2.-
Ztobbe, Otto, fcanbbucf) b. beutfd). fyrioatreä)». 5. JBb. (Sd)lu&.) 1. u. 2. «ufl.
(Srbre^t. »eil. fcerfc. (X, 430 S.) 8.- cplt. 60.60.
etocdel. G. iJL, b. 3nftitute u. gonbä b. fyroo. Dftpr. jur ftörberung »on SRelio«
rationen u. b. Canbeöfultur im Allgemeinen. I— V. [®eorgine 9tr. 15. 16. 17.]
etreljlff. $r., $cutfd)e 2ieber in loteinifcfter Ueberfefcung. 33erl. fcempel. (72®. 12.) 1.—
Stuhruiann, Joannes, (Neustadt i. Westpr.) De vocabulis notionum philoso-
phicarum in Epicteti Ii bris. Diss. Jenen sis . . . Neustadt. (60. S. 8°.)
Tesdorpf, Dr. W., der Römerzug Ludwigs d. Baiern 1327—1330. Kgsbg.
Koch u. Reimer in Comm. (84 S. gr. 8.) baar 1.20.
Tettau, Dr. W. J. A. Frhr. v., Beiträge zu e. vergleichenden Topographie
u. Statistik von Erfurt. (V, 220 S.) f Jahrbb. d. kgl. Akad. gemein-
nütziger Wissenschaften zu Erfurt. N. F. 13. Hft. Erfurt Villaret.
gr. 80 3.-
Ib,om<t#, Ober!. VIfreb., Sitauen nach, b. SBcgcbcridqtcn im «uSgange b. 14ten 3abrb,.
(ReoIflDmn.«Vroor.) 2ilfH. (16 6. 4J
Tischler, Ueber Gliederung der La-Tene-Periode u. üb. d. Dekorirung d.
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072
Mittheilungen und Anhang.
Eisenwaffen in dieser Zeit. Vortrag. [Correspondenz - Blatt d. dtsch.
Ges. f. Anthrop., Ethnol. n. Urgesch. XVI. Jahr«. Nr. 9. S. 157—161.]
Toeppen, Hugo, Daniel Campos' Vorlauf. Bericht üb. d. bolivianische Expe-
dition nach Paraguay. [Mittheilungen d. geogr. Ges. in Hamburg 1884.
hrsg. v. L. Friederichsen.] Kartenskizze von Paraguay. [Ebd.] Hundert
Tage in Paraguav. Reise ins Innere. . . . Mit 1 Karte [Ebd.] auch
sep. Hamburg. Friederichsen & Co. (III, 264 S. gr. 8.) 6.— 2Öonbcrun»
gen in ^araauan. [lieber S?anb u. Wccr. 53. 33b. 91 . 19.]
Ionriften«if<n, Ueber. ^raftifcbc SRatbfAlaae von einem SQanberer. [©pradjlebrer
©alter fflorbod.) Seipjig. Carl «Rettmer. (58 ©. 12.) - 50.
Treichel, A., (Hoch -Paleschken.) Botanische Notizen VII. [Sep.-Abdr. aus
d. Ber. üb. d. 8. Vsmlg. d. Westpr. Botan. - Zoolog. Vereins. (Schrift,
d. Natnrf.-Ges. z. Danzig. N. F. Bd. VI. Hft, 3. S. 118-123.) S. 1-6.]
Zoolog. Notizen V. [(Schriften . . . S. 124—126.) S. 7—9.1 Pflanzen-
kunde des Pommerellischen Urkundenbnchs. Eine hist.-botan. Skizze.
[(Schriften . . . S. 127-138.) S. 10-21.] Volkstümliche« aus d.
Pflanzenwelt, besond. f. Westpr. VI. [(Schriften . . . S. 139-181. (44
S.)] Floristische Standorte. [Schriften . . . S. 182.] I. Beitrage z. Vbreitg.
des Schulzenstabes u. anderer Botschaftsmittel. II. Beitrag z. Sator-
formel. HI. Vom Schlittknochen. sogen. Hund u. Bock in Pommerellen,
Lausitz u. Mecklenburg. [Verhandlgn. d. Berlin. Ges. f. Anthrop.,
Ethnol. u. Urgesch. Stzg. v. 17. Oct. S. 391- 398/1 Steinkreise u.
Drillingssteine bei Odri, Kr. Könitz (m. 3 Holzschn.) ]Ebd. S. 398-405.]
Bericht üb. d. Schloßberg bei Liniewo - Pommerellen. [Ebd. Sitzg. v.
21. Nov. S. 506- 507.] Bericht üb. prahist. Funde aus d. Kreise Lauen-
burg i. Ostpomm., — aus dem Kreise Neustadt i. Westpr., — aus &.
Kreisen Berent, Carthana u. Pr. Stargard. [Ebd. S. 508—514.] ttadjtrag
jui $arfd)fau u. benen ^arjforoSfi. (ogl. fcft. 8. ©. 91 ff.) f 3tfd)r. b. bift.
SSereinS f. b. Weg.'SBej. STOarieiuoerber. 19. §ft. S. 84—88.] $intcrpommcrfd)c
©agen u 2Rortf)cn (betr. Knoop. 3?olföfagcn. erklungen jc. ouü b. öftt.
ötnterpommern. $ofcn 1885.) [ebb. ©. 89—90. vgl. auch Ztschr. f.
Ethnol. etc. 17. Jahrg. S. 117—118.] 3$om 93üimfc.
Treltel. Th., Bericht, üb. vier Operationen von Cysticercus intraoeularis
[Archiv f. Augenheilkunde 15. Bd. 3. u. 4. Hft.] Ueber Hemeralopie
u. Untersuchung d. Lichtsinnes. [Gräfe's Archiv f. Ophthalmologie.
31. Jahrg. Abth. I S. 139-176.] Ueber d. positive centrale Scotom u.
üb. die Ursache d. Sehstörung bei Erkrankungen d. Netzhaut. [Ebd.
S. 259-296.]
Iriebel, 9t., Die n>id)tigft. 2lbfd)mtte b. ÄirAengefd». f. eoang. Sdjulcn crjäblt . . .
ÄönigSbg. SBon. (29 6. gr. 8.)
2f (hadert, $rof. Dr. ?$aul, Goangcl. ^otemtf gegen b. rötn. Stirpe. ©ott|a. ^Sertheö.
(XV, 443 S. gr. 8.) 8.-
Der ©eift ber «Reformation in b. ©egemuart. (ISoang. ©emcinbeblatt 9Jr. 45.]
Papstthura u. Kirche im Mittelalter. [Jahresberichte d. Geschichts-
wissenschaft im Auftrage d. hist. Ges. z. Berl. IV. Jahrg. 1881. Berl.
1885. II, S. 185-201.] Ree. [Theol. Litcraturztg. No. 6. 14. 17.]
Xljttl, SN. (in Danjig), Der »bt. (Sin ©ang auö ^rcufjenö Jtittcrjcit. Spjg. Stetfmct.
(135 ©. 8.) 2.- geb. 3.-
Umlauff, SBalbuin I., tfontg oon 3erufalctn. 9?acb ben Duellen bargefteOt. ($rogr.
beö JRealproRtjmn. j. Villau.) ÄgSbg. Wartung. (©. 3—18. 4to.
Ungewlttcr, Prot. Oberl. Otto, Die landwirthschaltl. Bilder u. Metaphern in
d. poetischen Büchern d. Alten Testamentes. (Progr. d. FrieUr.-Coll.)
Kgsbg. Härtung. (43 S. 4 to.)
Untersuchungen üb. die speeifisen. Volumina flüssiger Verbindungen: I.
TV. Lossen, Einleitung. II. Alb. Zander üb. d. speeifisch. Volumina
einiger Allvl-, Peopvl- u. verwandter Verbindgn. [Liebig's Annalen d.
Chemie. Bd. 214. 1882. S. 81-193.1 HI. Felix Weger, Untereuchg.
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Altprenßische Bibliographie. 673
pesattigt. u. ungesättigter Ester u. einiger verwandter Verbindgn.
[Ebd. Bd. 221. 1883. S. 61 — 107.1 IV. Alb. Zander, Normale Fettsäuren
u. normale Fettalkobolo. [Ebd. Bd. 224. 1884. S. 56-95.] V. W. Lossen
u. A. Zander, Untersuchgn. einiger Kohlenwasserstoffe. [Ebd. Bd. 225.
1884. 8. 109-120.]
Urban, Oberl. Emil, Vorbemerkungen zu e. Horazmetrik. (Beil. z. Gvmn.-
Progr.) Insterburg. (32 S. 4.)
Urknndenhneh, neues preussisches, Westpr. Theil. Hrsg. v. d. westpr. Ge-
srbichtsverein. II. Abth Urkund. d. Bisthüm.. Kirrben u. Klöster.
Bd. L Urkdbch. d. Bisth. Culm. Bearb. v. Dr. C. P. Woelky. Hft. II.
Danz. Bertling in Comra. .(S. 281-526. 4.) 10.—
Sfrb») bu tfcrnoie. ©cneralmaj. o., üb. praft. 7\clbbicnft»9lufg. Wit e. Croqui«.
2. Slufl. SBerl. (Sifcnfdimibt. (62 3. 8.) 1.20.
Scrhanblungcn b. 4tcn ^rootnjiabSnnobc f. Oft« u. ffieftprcuften 1884 com 8. biö
18. 9loo. Rgdbg. Cftpr. 3tg3bructerei. <X, 255 6. gr. 8.)
ftcrmäditnifc, ein, Strnuftenö an ben betitfdien Liberalismus, firdtlicpen nuc politi«
fd)en. Gommentirt oon einem Seterancn. Äg3bg. Wartung. (III, 45 3. gr. 8.) —60.
©craddinifj ber SBücberfammlung b. Ägl. l'anbgcricfytä in ^nfterburg. Jnftbg. Söil«
b,clmi. (75 S gr. 8.)
©tetocfler, 2co, Heber ben Wert ber grammatifefien Scjiebungäfunftion im Gnglifdtcn.
^rogr.»$Bciaabe $anj. Äafcmann. (36 ®. 4.)
Yoigt, G., Ree. [Dfsrhe. L.-Z. No. 6. 15. 22. 25.1
Yolkmnnn, Paul. Ueber Mae Onllagb's Theorie der Totalreflexion für isotrope
u. anisotrope Medien. IGöttinger Nachrichten. No. 10. S. 336 — 358.
1886. No. 10. S. 341-358.]
5*olf*falcnbcr, oft» u. roeftrr., auf b ^af>r 1886 . . . Ägöbg. Wartung. —75.
»olfefdlenber f. b. ^roo. Cftpr., TOeftpr. ... auf b. 3- 1886. 18. Sabrg. Sborn.
Sambecf. (68 u. 115 3.) -75.
»olfbfdjulfrfiinb, ber, bjög. p. Kcct. ©. SRüOer. 49. Jab,rg. Ägobg. Son. (26
")hn. 4.) 3.-
V088, zwei Bronzesohwerter von Lüben, "Westpr. [Verhdlgn. d. Berl. Gesellsch.
f. Anthropol.. Ethnol. u. Urgeschichte S. 136—139 m. 2 Zinkogr.]
Yosslas, Dr. A., Ueber die centrale parenchymatöse ringförmige Hornhaut-
entzündung (Keratitis interstitialis centralis annularis. [Berl. klin.
Wochenschr.j
— — Zur that8ächlichen Berichtigung d. Herrn R. Jatzow. [Graefe's Archiv
f. Ophthalmologie. 31. Jahrg. III. Abth. S. 173- 186. |
Wach, Dr. Adolf, Handbuch d. deutsch. Civilprozeßrechts. I. Bd. Leipz.
Duncker & Humblot. a. u. d. T.: Systematisches Handbuch d. dtsch.
Rechtswisseusch. . . . hrsg. v. Karl ' Binding. 9. Abth. 2. Theil, 1. Bd.
(XVI, 690 S. gr. 8.) 15.60.
»alter, ^rof. Dr. Ueber 3teformoerfud)c ber ©tbif, fpecieO ©ittc'* »ueb, üb. b.
ftrei^cit b. Sillens. [StfAr f- TOUof. u. pbilof. Äritit. 87. SBb. ©. 272-300.]
9tec. [(Ebb. ©. 153-156.]
Sieber, 2tbclf)eib, ftür Slnbere. flooelle. [SBcrliner 3onntagSblatt. 91r. 30. 31.]
ßftnfa ftanua. «ooefle. (Gbb. 32. 33.]
»criebt üb. b. Äönigoberger internationale Slusftellung. [Berlin. Tageblatt.]
3cin SBeib. 6ine oftpr. ©eibnarttSgefcbiAte. Nadjbr. [Söeftpr. 3tg. l.J
• — 2anv?tnfa. 9iooeüe. [Neue SÖelt. Nr. 9—11]
SBcgner. (r. ©alter (auS Danjig), 9lu3 1?cutftfi'?lfrtfa ! Jagebud) u. »riefe c. jungen
2>cutfd). aus 3lngra « $equcna. [1882-84.] 9Rit (eingebr.) flart. u. 4 3üuftr.
(64 3. gr. 8) [Tic btfd). Golonialgebicte. *r. 1. fieipj. ©dilörnp.] 1.—
Weiss, Ob.-Cons.-R. Prof. Dr. Beruh., krit.-exeg. Handbuch üb. d. Evangelien
d. Markus u. Lukas. 7. Aufl. neu umgearb. [Mever's krit.-exeget. Kom-
mentar üb. d. N. T. 1. Abth. 2. Hälfte. Gotting. Vandeuhoeck *
Ruprecht.] (X, 65-1 S. er. 8.) 8.-
Ree. [Theol. Lit.-Ztg. No. 21.]
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674 Mittheilungen and Anhang.
Wellmer, Pfarr. Aug., Die geistl., insonderheit die geistl. Oratorien - Musik
unseres Jahrh. Ein Beitrag z. Würdigung d. geiatL Musik in ihr. Be-
deutg. f. d. christl. Gemeinde- u. Volksleben. Vortrag. Hildburghausen.
F. W. Gadow & Sohn. (60 S. 8.) —70.
Wernlch, medie. Geopr. u. Statistik. Endemische Krankhtn. [Jahresber. üb.
d. Leistgn. u. Fortschr. in d. gesammt. Med. 19. Jahrg. Ber. f. d. J.
1884. I. Bd. 2. Abth. S. 817— 351. J
»tdjert, Crnft, brr Sobn feine« Sater«. 91ot>eUe. »erlin. ®ofofcf)tnibt. (231 ©. 8.) 3.—
— — 26 Xtenfrjafjre. Suftfpiel in 1 Sufjug. (26 ©. gr. 16.) [Unioerfol » Qibliotlj.
Hr. 2050. 2pj. Äeclam.] baar —20.
©in JbqO au« betn Seben. [©(borer'« ftamilienblatt. 6. 95b. !Rr. 39.]
Tiie ©enoffenfäaft bramat. »utoren. [2Mf<b,e. ©tbrtftftellerjtg. 9hr. 11. 13.]
— — Ree. [Magaz. f. d. Litt. d. In- u. Aual. No. 2.]
Sie fübre tdj meine ^rojeffe beim 9fmt*gerid)t? Anleitung üb. b. ©ang b. fyrojefe»
Serf obren« ... 23. ob. Wufl. Söbau JBeftpr. ©rrjeejef. (50 S. gr. 8.) 1.—
Sie madje td) ©teuer«See[amatlonen? . . . Sbb. (34 ©. gr. 8.) baar —60.
WIechert, E., üb. die Leitungsfähigk. d. Serpentins. (Mitthlg. aus d. math.-
phys. Laboratorium i. Kgsbg. i. Pr.) [Poggendorfs Annalen d. Physik
u. Chemie. N. F. Bd. 26. Hft, 2. S. 336.1
Winkel mann, Ed., Acta imperii inedita seculi XIII et XIV. Urkunden u.
Briefe zur Geschichte d. Kaiserreichs u. d. Königr. Sicüien in d. J.
1198—1400. 2. Bd. Mit Untstützg. d. Gesellsch. f. ält dteche Ge-
schichtskde. Innsbr. Wagner. (VIII, 983 S. Lex. 8.) 40.- (1. u. 2.: 70.-)
Ree. [Gött. gel. Anz. 6.]
Wlsotzkl, Dr. Emil, zur Methodik Carl Ritters. [Progr. d. Friedr. - Wilh.-
Schule.] Stettin. (8. 1-11. 4.)
»fit, ^rof. <J., ®ric<b,ifdje ®5tter« u. $elbengcfd)i(btcn. $ür b. 3"8<nb «»• ©$ul«
au«g. Hug«bg. Sampart u. Comp.
— — Myths of Hellas or Greck tales, told in German . . . tranalat. into
English by Francis Younghusband. London. Longmans, Green &' Co.
3. Aufl. 1884.
The Wanderings of Ulysses: A sequel to „The Troian War." Tranalat.
from the German by Francis Younghusband. Ebd. (240 S. 8.) 8 sh. 6 p.
Wflst, Dir. Dr. Ernst, Ein Lehrplan für den latein. Unterricht auf Realgymn.
Progr.- Abhdlg. Osterode Ostpr. (16 S. 4.)
3«M, (Sufl., @rof Slbolf ^ricbriäj ». ©$acf. ©in Uterar. Portrait. SBien. «erolb'ä
Sohn. (82 ©. 8.) 1.-
— — Üurgenje», fyoan, jroei bramat. Diöjtungen. Hu« b. Ruft, überf. u. f. b.
btfa). »ühne bcarb. o. (Sug. 3abr(. S3erL JDeubner. (138 ©. 8.) 2.50.
«nton Kubinftcin'« SRatineen in S3erÜn. [Signale, f. b. muftfalif$e SBelt 9lr.
67.] Da« 3ubit5um b. S3erl. UnioerfitSt. [Ueber 2anb u. HReer. 54. 8b. Kr. 48.]
Sorwort ju tÄonrfdjat«»». 3. %, Dblomoto. Roman. Slu3 b. Stufe, o. «uft.
Äcudjel. SBerlin. Deubncr. 6.—
Einleitung j. SRofcr, JJaul, Äeben« < ©Ijronif mit 6 »oObilbem o. OSf. föi$-
nie«« u. »anbjei<bnungcn o. C. Äe&ler. ©erl. litbogr. Jnftitut. (4 91. 2ejt
gr. 4. m. ?botogr.««Ibum in 29 81.) geb. m. Sdjlofc 16.—
3anber, Ärn$rafTen«3tenb. bie SBermaltung ber ©taat«fa)ulben im ftgr. $reuften. .. .
£>anno»cr. SReoer. (48 S. gr. 8.) 1.—
Zeitschrift d. westpr. Geachichtevereins. In zwanglosen Heften. Hfl. 14.
Danz. Bertling. (VIII, 120 S.) 2.-
3titf4rift be« biftor. Serein« f. b. Äcg.»5Bej. SWarienroerber. $ft. 14. SRarienroerber
1884. ©elbfroerlog. (2 »1. 91 u. XVin ©. 8.) $ft. 15. (Sbb. (1 81. ©.
1-112.)
dritttttft, ftg«b. Ianb« u. forftn>irtbfd&. f. b. norböftl. $rutfcb>nb §r«g. Äreife. 21.
3abra- Ägäbg. Sentr in ©omm. (52 Hrn. a 1»/, 8g. fol.) »terteli. 3.—
Ziemann, Frz., de anathematis graecis. Diss. inaug. Kgsbg. (Koch u. Reimer.)
(60 8. gr. 8.) 1.20.
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AltpreuBische Bibliographie.
675
Zimmer, Prof. Pfr. Lic. Dr. Frdr., Königsberger Kirchenliederdiehter und
Kirchenkomponisten. Vortrag. Kgsbg. Beyer (40 S. gr. 8.) —80.
— — 35er SrrfoQ bcä Äantoren» u. CrgamftenatnteS in b. eoang. 2anbe§fird)c
?Jrcuftcnä. Seine Urfad>en u. Sorl'djläge jur iBeffcrung. Queblinburg. SJietoeg.
(88 S. gr. 8.) L—
«angel. Sdjul« u. «trcbcncborarbuA ... 1. fcft. 9tu3g. A. Öbb. (72 S. 8.) —50.
— — Uie firdjenmufifalifebe 33ilbung bet Weift Ii d)en u. Äantoren. [Coang. ©emeinbe«
blatt 9lr. 25.] 35a3 geft ber btfcf). Äird>engefangoercine in Nürnberg, [ßbb. Nr.
40.] bie firebenmuftfalifebe 9lu3bilbung ber Drgantften u. Äantoren in ^reufcen.
[(Sbb. Nr. 50.] oergl. Halleluja hrsg. v. H. Köstlin u. Th. Becker.
Hildburghausen. 7. Jahrg. No. 8.]
Ztppel, G., Ree. [Berl. philolog. Wochenschrift No. 3.] [fciftor. 3tfd)r. N. fr
18. 5Bb. S. 265-67. 286 -87. 297-98. 301-2.]
Zöppritz, Prof. Dr. Karl, Die Fortschritte der Tiefseeforschung 1883 und 1884.
[Geogr. Jahrb. X. Bd. 1884. 2te Hälfte 1885. 8. 385-400.] Geogra-
phische Erforschungen in Afrika. [Ebd. S. 445—471.] Excessiver Regen-
fall. [Meteorologische Ztsch. 2. Jahrg. S. 141.]
S. G. Ncfrolog. [Ägäbg. fcortungfebe 3citung Nr. 105. SNünAener «Hg.
3tg. Nr. 122. 6. 1793—94.] Günther, Siegm., Karl Zöppritz. Nekrolog.
[Leopoldina Hft. XXI S. 181—190.] Herrn. Wagner, Karl Zopp-
ritz. [Verhdlgn. d. Gesellschaft f. Erdkunde zu Berlin. Bd. XII.
S. 298-304.]
3«t», $f"lipp, 3U *>fn Störungen üb. ©efefc u. Serorbnung nadj beutfebem Neicfjä«
ftaotäred)t. [Slnnalcn b. btfd). Setcbä «. 301—319.] Neidröfanjler unb ÄeidjS«
tag. (Xie ©egenroart. 27. 95b. Nr. 3.] bie ^rineipien unferer Golonialpolitif.
[ebb. Nr. 7.] gürft »törnard. f©bb. Nr. 13.] 3ur feered»tlid>en Sitcratur.
[Äritifdje «ierteljabräfarift f. ©efefcgebg. u. Äecbtäroiffcnfd). N. J. »b. VIDI.
S. 369-375.] Nec. [®bb. S. 376-398. Dtsch. L.-Z. No. 5. 11. 49. 51.
3>ie öegenroart Nr. 12. Ztschr. f. d. Privat- u. öffentl. Recht d. Gegen-
wart. XII. Bd. HI. Hft, XIII. Bd. 1. Hft.]
Das neueste „Verzeichnis einer kostbaren Sammlung von
Autographen der berühmtesten Dichter, Gelehrten und Schriftsteller aller
Nationen des 17.— 19. Jahrhunderts (No. XYII. 1887) von Otto Aug. Schulz
in Leipzig (86 S. gr. 8) umfaßt 1332 verschiedene Nummern, darunter sehr
werthvolle und seltene Briefe u. andere Schriftstücke. Wir machen aus der
durchweg alphabetisch geordneten Sammlung nur auf die 3 Nummern
470—472 aufmerksam, enthaltend Kant, Piece autogr. (Konzept): Höchst
interessante philosophisch - medizinische Abhandlung. 4 p. pl. fol. Haupt-
sächlich über die Grsundheit und die Lebensdauer der Menschen. M. Portr.
Selten. 175 M. — Lettre autogr. sign^e. Königsberg 18. Okt. 1797.
1 p. 4. 60 M. Schöner Brief an Prof. Kiesewetter. Interessant wegen des
theila sehr prosaischen, theils rein wissenschaftlichen Inhalte. — Feuillet
d'album 1. Nov. 1799. 1 p. quer 8. M. Portr. 25 M.
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«76
Bitte. — Berichtigung.
Freundliehe Bitte an die Leser, besonders an
solche, welche zu alten Bibliotheken Zugang haben.
Der an der Spitze des evang. Gemeindeblatts 1886, No. 49 stehende
Artikel handelt von den Flosculi des Johannes Briesmann und hebt
die hohe Wichtigkeit dieser reformatorischen Erstlingsschrift nnserer Provinz
gebührend hervor. Der Artikel erwähnt, daß die Flosculi nur aus der Gieae-
schen Gegenschrift bekannt und zugänglich geworden sind, ein Original-
druck derselben bisher aber nicht vorfindlich gewesen ist; dasselbe trifft zu
auf die gleichfalls in jenem Artikel berührten und mit den Briesmann'schen
Flosculi identischen „Assertiones Lutheri" des Bischofs Polenz, die vielleicht
gar nicht einmal noch besonders unter diesem Titel gedruckt sind.
Die Flosculi sind im frühen Herbst 1523 verfaßt und selbstverständlich
auch hier in Königsberg gedruckt, sie sind wahrscheinlich auch der Erstlings-
druck der damals gerade zu Königsberg sich etablirenden Offizin von Hans
Weinreich — der ersten und lange Zeit einzigen diesseits der Oder — welche
danach für die Reformation in Ostpreußen so sehr rührig und einflußreich
geworden. Sollte denn nun wirklich kein einziges Exemplar dieser Original-
ausgabe der Flosculi mehr existiren? Das ist nur schwer anzunehmen.
Sollte nicht vielmehr ein solches noch in mancher Kirchen-
oder Schul- oder Stadtbibliothek schlummern, zumeist hier in
Ost- und Westprenßen?
Deshalb sind alle Freunde, welche zu einer solchen Bibliothek Zugang
haben, auf das Dringendste im Interesse der Wissenschaft und
Kirche gebeten, gütigst nachspüren zu wollen, ob sie ein solches Original-
Exemplar fänden. Der Fund wäre auch noch darum so wichtig, weil gar
nicht zu wissen ist, ob Giese in seiner Gegenschrift die Flosculi wirklich
auch strenge wörtlich übernommen hat. Indem deshalb die Bitte nochmals
den lieben Lesern ans Herz gelegt werden darf, wird zugleich gebeten, jede
Nachricht in dieser Sache entweder an den Professor Tschacke rt direkt
(Königsstr. 82) oder an die Bedaction der Altpreußischen Monats-
schrift (Bibliothekar Dr. R. Reick o) gelangen zu lassen.
Berichtigung zu den Münzfunden ans Ost- und Westpreussen.
A. Aus der Umgegend von Danzig.
Bemerkung: Da gerade in einem Münzfund-Berichte Ungenauigkeiten
vermieden werden müssen, so mögen auf den Seiten 377—404 dieses Jahr-
ganges folgende Verbesserungen gef. vorgenommen werden:
S. 377, Zeile 11 von unten muß stehen der „Statthalter." S. 378,
Zeile 2 von oben muß stehen 193w. S. 378, bei No. 8 muß stehen
Ibrahim II., Nach Seite 882 muß folgen nicht 38, sondern 383. S. 383,
Zeile 4 von unten muß stehen 1872 et 1873.)" S. 385, Zeile 12 von unten
ist das Wort darüber zu streichen. S. 889, Zeile 9 von unten muß stehen
cinetum;". S. 400, Zeile 4 von unten muß stehen in, mit Frieden; |
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Autoren -Register.
Baren^ Otto van, Landgerichts - Präsident in Insterburg, Insterburger
Kirchen-Nachrichten. 313-360.
Ilaumtrart, Dr. Hermann, Universitätsprofessor in Königsberg. Zum 22. April
1886. Ueber Kants Kritik der aesthetischen Urteilskraft. 258—282.
Beckherm, Carl, Major a. D. in Königsberg. Das „propugnaculum in introitu
terre Nattangie" der Chronik des Dusburg (pars III, cap. 133). 283—308.
— — , Die westliche Grenze der Landschaft Natangen. 561 — 600.
Bezzenberger, Dr. Adalbert, Universitäts-Professor in Königsberg. Über das
litauische haus. Ein versuch. (Mit 21 Zeichnungen). 34—79.
— — , Nachträge zu diesem aufsatz. (Mit 3 Zeichnungen). 629—633.
— — , Käflaufch. Kößligß. Ein Beitrag zur Geschichte der Königsberger
Mundart. 646—650.
Kielensteln, Dr. A., deutscher Pastor zu Dohlen. Gegen einen Aufsatz
Veckenstedts. 472—476.
Bolte, Dr. Johannes, Gymnasiallehrer in Berlin, Nachträge zu Alberts
und Dachs Gedichten. 435—457.
Caro, Dr. Jacob, Universitäts-Professor in Breslau. Berichtigung. 504.
Conrad, Georg, Oberlandesgericbts - Referendar in Königsberg. Ueber ein
Project zur Anlegung einer vierten Stadt Königsberg (Friedricha-
st«dt). 1—33.
Fischer, Dr. L. H., Gvmnasiallehrer in Berlin. Nachlese zu Heinrich Alberts
Gedichten. 468"— 466.
Friedeberg, M., in Tilsit. Notizen zur Gründungsgeschichte der jüdischen
Gemeinden Altpreußens. I. H. 168—175.
und das Chronicon ölivense". Zur Entgegnung. 405—434.
0.) Recension. 151—154.
Horn, Alezander, Rechtsanwalt und Notar in Insterburg. Nachtrag zur
Schlacht von Tannenberg. (Mit einem Plane). 142—160.
in Preußen und Litthauen unter Friedrich Wilhelm I. 93—137.
185 244.
f Kellsch, Victor von, Rittergutabesitzer auf Stein. Der bairische Geograph.
506-560.
Kctrzynskt, Dr. Wojciech, Director des Ossolinskischen Instituts in Lem-
berg. Das Culmerland und die Südgrenze von Pomesanien. 138 — 141.
f Lehn, Dr. Carl, Universitäts - Professor in Königsberg. Die Philosophie
und Kant, gegenüber dem Jahre 1848. Tischrede, gehalten an Kants
Geburtstag am 22. April 1849. 80-92.
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078
Autoren - Register.
Perlbach, Dr. Max, Bibliothekar in Halle. Nochmals die Chronik von Oliva.
634-689.
Reick?, Dr. Rudolf, Bibliothekar in Königsberg. Die Kant-Bibliographie des
Jahres 1885. 650-660.
t Rogge, Adolf, Pfarrer in Darkehmen. Die Güter Geduns. 804—312.
— — , Wie der letzte Teufel umkam. 646.
Roh.se, G., Realgyranasiallehrer in Königsberg. Recension. 155—158.
Schön, Theodor von, Staatsmin ister und Burggraf von Marienburg, (f 23. Juli
1856). Kirchenpolitische Denkschrift. 613—628.
Sembr/j ckl, Johannes, Apotheker in Tilsit. lieber masurische Sagen. 601—612.
Trelchel, A., Rittergutsbesitzer auf Hoch - Paleschken. Privileg überBorkow
und Roschütz. 488-490.
— — , Privileg über die Kirche zu Reinfeld. 490—494
Tschackert, Dr. Paul, Universitäts-Professor in Königsberg. Johann Al-
brecht L von Mecklenburg, in seinen Beziehungen zur deutschen
Reformation und zum Herzogthum Preußen. 245—257.
— — , Mitteilung über einige von Schirrmacher jüngst veröffentlichte Briefe
von und an Herzog Albrecht von Preußen etc. 364—366.
— — , Magister Johannes Malkaw aus Straßburg a. d. Drewenz. 366—367.
— — , Das Projekt des Königs Friedrichs Wilhelms III., neben der Uni-
versität Königsberg eine katholisch-theologische Fakultät zu errichten.
Aktenmäßige Darstellung. 467—471.
— — Ein ungedrucktes Schreiben der philosophischen Fakultät zu Königs-
berg an Immanuel Kant. d. d. 8J! Juli 1801. 486,
— — , Ein ungedruckter Brief des Faustus Socinus an Hieronymus Moscoro-
vius d. d. Racau, ß, Juni 1603 . 487— 48a
Wolsborn, Dr. Ernst, Pfarrer emeritus in Berlin. Münzfunde aus Ost- und
Westpreußen L 377—404.
Sach- Register.
Albert — Nachlese zu Heinrich A.'s Gedichten 458—466.
— — Nachträge zu A.'s und Dachs Gedichten. 435—457.
Albrecbt — Mittheilung über einige von Schirrroacher jüngst veröffentlichte
Briefe von und an Herzog A. von Preußen. 364—866.
Altpreuüen — Notizen zur Gründungsgeschichte der judischen Gemeinden
A's L II. ifift- 175.
AltpreußiMChe Bibliographie 1885. 177—181. 368-376. 496-503. 660-675.
Alterthumsgesellschaft Prussia in Königsberg 1885 158—167. 1886
361-363. 476-485.
Ausstellung — Kulturhistorische A. für Ost- und Westpreußen. 182—184
Berichtigung 5ü4 G7JL
Bibliographie - AltpreuflischeB. 1885. 177-181. 368-376. 496-503. fiflO-fi75.
Die Kant-B. des Jahres 1885. «50—660.
Borkow — Privileg über B. und Roschütz. 488—490.
Braunsberg — Lyceum Hosiannm in B. 1886. 176. 496.
Brief — Ein ungedruckter B. des Faustus Socinus an Hieronymus Moscoro-
vius d. d. Racau, & Juni 1603. 487-488.
Ueber einige von Schirrmacher jüngst veröffentlichte B— e von und
an Herzog Albrecht v. Preussen u. über einen B. des Hofpredigers
Funck an Johann Albrecht L von Mecklenburg. 364—366.
Saoh - Register.
079
Chronlcon — Zu „Peter v. Dusburg und das C. Olivense". 405—434.
Nochmals die Chronik von Oliva. 634—639
Culm — Das C— er Land und die Südgrenze von Pomesanien. 138—141.
Dach — Nachträge zu Albert's und D's. Gedichten. 435—457.
Denkschrift — Eine noch heute zeitgemässe kirchenpolitische D. des Mini-
sters von Schön. 613—628.
Dusburg — Zu „Peter v. D. und das Chronicon Olivense". 405—434.
Friedrichsstadt — Ueber ein Project zur Anlegung einer vierten Stadt
Königsberg. (F.) 1—33
Friedrich Wilhelm III. — Das Proiekt des Königs F. W. III., neben der
Universität Königsberg eine katholisch-theologische Facultät zu errichten
467-471.
Funck — Mitteilung über einen Brief des Hofpredigers F. an Johann Albrecht L
von Mecklenburg. SüiL
tiedun — Die Güter G— b. 904—312.
Gegellschaft — Alterthuma-G. Prussia in Königsberg 158—167. 861—363.
476—485.
Haus — Über das litauische IL 34—79. Nachträge. 629—633.
Hoslannm — Lvceum IL in Braunsberg. 176. 496.
Insterburger Kirchenuachrichten. 818—360.
Johann Albrecht L von Mecklenburg in seinen Beziehungen zur deutschen
Reformation und zum Herzogthum Preußen. 245—257.
Mittheilung über einen Brief des Hofpredigers Funk an J. A. L
von Mecklenburg. 364—366.
Jüdisch — zur Gründungsgesch. der j— en Gemeinden Altpreußens. L IL
168-175.
Käslausch, Kösligß. 646—650.
Kant — Die Kant -Bibliographie des Jahres 1885. 650-660. Ueber K.'s
Kritik der aesthetischen Urteilskraft 258 -282. Die Philosophie und K.
gegenüber dem Jahre 1848. 80—92. Ein ungedrucktes Schreiben der
philosophischen Facultät zu Königsberg an Immanuel K. d. d. SQ. Juli
1801. dikl
Katholisch — Das Projekt des Königs Friedrich Wilhelms III., neben der
Universität Königsberg eine k.-theologische Facultät zu errichten.
467—471.
Kirche — Insterburger K— n-Nach richten. 318—360.
Kirchenpolltisch — Eine k— e Denkschrift des Ministers von Schön. 613—628.
Königsberg — Alterthumsgesellschaft Prussia in K. 158—167. 361—363.
476—485. Käf laufch, Kößligß. Ein Beitrag zur Geschichte der K— er
Mundart. 646—650. Ueber ein Project zur Anlegung einer vierten
Stadt (Friedrichsstadt) 1—33. Das Projekt des Königs Friedrich
Wilhelms III., neben der Universität K. eine katholisch - theologische
Facultät zu errichten 467 -471. Universitäts - Chronik 1885. 1886
175-176. 367 -36ft 495.
Kulturhistorische Ausstellung für Ost- und Westpreußen. 182—184.
Litauen — Das Yolksschsulwesen in Preußen und L. unter Friedrich
Wilhelm L 93-137. 185-244.
Litauisch - Über das 1— e haus. 34—79. Nachträge. 629— 6&S.
Lyceum Hosianum in Braunsberg 1886. 176- 496.
Malkaw — Magister Johannes M. aus Straßburg a. d. Drewenz. 366—367.
Mecklenburg — Johann Albrecht L von M. in seinen Beziehungen zur
deutschen Reformation und zum Herzogtum Preußen. 245—257.
MoscoroYius — Ein Brief des Faust. Socinus an Hieronymus M. 487—488.
Münzfunde ans Oat- und Weetpreußen. L 377—404.
Mundart — Käflaufch, Kößligß. Ein Beitrag zur Geschichte der Königs-
berger M. 646—650.
080
Sach- Register.
Natangia — Das „propugnacnlum in introitu terre N— e.u 20— 3<>8.
Oliva — Nochmals die Chronik von 0. 634—639. Zu „Peter von Dusburg
und das Chronicon 0Livensew. 405—434.
Ostpreußen — Münzfnnde aus 0.- und Westpr. 377—405.
Philosophie — Die P. und Kant gegenüber dem Jahre 18-18. 80—92.
Pomesanien — Das Calmer-Land und die Südgrenze von P. 138— 141.
Preussen — Johann Albrecht I. von Mecklenburg in seinen Beziehungen
zum Herzogthnm P. 245—257. Das Volksschulwesen in P. und
Litthauen unter Friedrich Wilhelm L 93—137. 185-244.
Privileg über Borkow und Roschütz. 488—490. P. über die Kirche zu Rein-
feld. 490-494.
Projekt — Ueber ein P. zur Anlegung einer vierton Stadt Königsberg 1 — 33.
Das P. des Königs Friedrich Wilhelms Dil., neben der Universität
Königsberg eine katholisch - theologische Facultät zu errichten.
467-471.
Propugnacnlum — Das „p. in introitu terre Nattangie". 283 -303.
Recensionen — Arthur Hobrecht. Fritz Kannacher. Historischer Roman.
2 Bde. 151 — 154. G. Köhler, Die Entwickelung des Kriegswesens
und der Kriegführung in der Ritterzeit. II. Bd. 640— 614. K. Loh-
meyer u. A. Thomas. Hilfsbuch für den Unterricht in der brandenb.-
preuss. Geschichte. — Desgl. für den Unterricht in der deutschen Ge-
schichte bis zum westfälischen Frieden. 155 —158. Ces. Paoli, Grundriß
der lateinischen Palaeographie >md der Urkunden lehre, übersetzt von
K. Lohmeyer. 155. — C. Nurm berger, Handbuch der Provinz Ost-
preußen für 188687. 615. J. Pederzan i -Weber, die Marienburg. LlÜL
Gegen einen Aufsatz Veckenst edt s. 472—476.
Reformation, Johann Albrecht L von Mecklenburg, in seinen Beziehungen
zur deutschen R. und zum Herzogtum Preußen. 245 —257.
Heinfeld — Privileg über die Kirche zu R.. 41)0— 494.
Roschütz — Privileg über Borkow und R. 488-490.
Schlacht — Nachtrag zur Schlacht von Tannonberg. 142 — 150.
Schreiben — Ein ungedrucktes S. der philosoph. Facult. zu Königsberg an
Kant, d. d. 3LL Juli 18U1. 48Ü,
Socinus — Ein ungedruckter Brief des Faustus S. an Hieronvmus Moscoroviua
d. d. Racau, iL Juni 1603. 4SI -488.
Tannenberg — Nachtrag zur Schlacht von T. 142—150.
Teufel — Wie der letzte T. umkam. ü4iL
Unlrersltats-Uironik 1885. 1886. 175-17K. 3<;7-3ftft 495. Ü6Ü
Volksschulwesen — Das V. in Preußen und Litthauen unter Friedrich
Wilhelm L 93— 1H7. is:,~244.
Westpreussen — Münzfunde aus Ost- und W. 377—404.
Druck von B. Leopold in Königsberg in Pr.
Digitized by Google
- 4
Pnnccton Univeisity Uib«aiy
32101 064993601