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Full text of "Altpreussische Monatsschrift"

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Altpreussische 
Monatsschrift 


Deutsche 


Gesellschaft, 
Königsberg, . 


i ibrarn  of 


'{Jrmrc  tan  Unhicrsitn. 


\ 


m. 


Altpreussische 


Monatsschrift 

neue  Friere. 

Der 

Neuea  Preussischen  FravinsiaUBEttör 

vierte  Folge. 


Herausgegeben 


Rudolf  Reicke  und  Ernst  Wiehert 


Dreinndzwanzigster  Band. 
Der  Preussischen  Provinzial- Blätter  LXXXIX.  Band. 

Mit  Beiträgen 
ron 

O.  van  Baren.  H.  Baumgart,  O.  Beckherrn,  A.  Bezzenberger, 
A.  Bielenstein,  J.  Bolte,  G.  Oonrad,  L.  H.  Fischer,  M.  Friedeberg,  W.  Fuchs, 
A.  Horn,  A.  Keil,  V.  v.  Keltsch,  W.  Ketrzynski,  C.  Lehrs,  M.  Perlbach, 
R.  Reicke,  A.  Rogge,  G.  Rohse,  Th.  v.  Schön,  J.  Sembrzycki,  A.  Treichel, 
P.  Tschackert,  E.  Wolsborn  und  Ungenannten. 


Königsberg  In  Pr. 

Verlag  von  Ferd.  Beyer's  Buchhandlung. 
188«. 


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(RECAP) 


Alle  Rechte  bleiben  verbehalten.  V 

Herausgeber  und  Mitarbeiter. 


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Inhalt. 


I.  Abhandlungen. 

Leber  ein  Project   zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  (Friedrieh- 

stadt 'i.    Nach  Originalarten  von  Georg  Conrad.  1—33/ 
Über  dös  litauische  haus.    Ein  versuch  von  A.  Bezzen berger.    (Mit  21 

Zeichnungen.)  34—79. 
Die  Philosophie  und  Kant  gegenüber  dem  Jahre  1848.   Tischrede,  gehalten 

am  22  April  1849  von  Karl  Lehrs.    Hrsg.  von  Arthur  Lad  wich. 

8U  — H2. 

Das  Volksschulwesen  in  Preußen  und  Litt  hauen  unter  Friedrieh  Wilhelm  I. 
Von  Adolf  Keil.    93-137    185  244. 

Das  Cnlmer-Land  and  die  Südgrenze  von  Ponu-sanien.  Von  Dr.  W.  Kq- 
trzvnski.    Ii«— 141. 

yachträg^zur  Schlacht  von  Tannenberg.  (Bd.  XXII.  S.  637—648.)  Von 
A.  Horn.    (Mit  einem  Plane.)    112  "150. 

Johann- AI  brecht  I.  von  Mecklenburg,  der  Schwiegersohn  des  Herzogs 
~~Albreeht  von  Preußen  in  seinen'  Beziehungen  zur  deutschen  Refor- 
mation und  zum  Herzogtum  Preußen.  Vortrag  von  Dr.  Paul 
T *  c  h  a  c  k  e  r  t .  Professor  in  Kön  i  gsberg  in  Fr.    245  — 257. 

Zum  22".  April  1886  Leber  Kants  Kritik  der  aesthetischen  Urteilskraft.  Von 
Tl  e  ruianu  B  a  u  m  g  a  r  t .    258 — 282 . 

Das  „propugnaculum  in  introitu  terre  Nattangieu  der  Chronik  des  Dusburg 
(pars  III,  cap.  133).    Von  C.  Beck  her rn  283-303. 

Die  Güter  Geduns  von  Adolf  Kogge.  304—312. 

lusterburger  Kirclien  -  .\achrichteji.  Mitget  heilt"  von  Otto  van  Baren, 
Landgerichts-Prasident  in  Inster  bürg  1885,    B 13— 360. 

Münzfundo  aus  Ost-  und  Westpreuflen.  1.    Von  Dr.  E.  Wolsborn.  377—404 

Zu  „Peter  v.  Dusburg  und  das  Uhronicon  Olivense."  Zur  Entgegnung. 
Von  W.  Fnchs.  405-4H4. 

Nachtrage  zu  Albert's  und  Dach's  Gedichten  von  Johannes  Bolte  in 
Berlin.  435—457. 

Nachlese  zu  Heinrich  Albert's  Gedichten.  Von  L.  H.  Fischer  in  Berlin. 
458—466. 

Das  Projekt  des  Königs  Friedrich  Wilhelms  III.,  neben  der  Universität 
Königsberg  eine  katholisch  -  theologische  Facultat  zu  errichten.  Von 
Professor  Dr.  Tschack  ert  in  Königsberg.    467  471. 

Der  bairiache  Geograph.  Aus  den  nachgelassenen  Papieren  des  Herrn  Victor 
v.  Keltseh.    ftUö  — nEOT 

Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen  von  C.  Beckhorrn.  561— 6(X). 

Ueber  masurisehe  Sagen.    Von  J o Ii a n n e s  S e m b r z y c k i.    601  — Gl 2. 

Line  noch  beute  zeitgemäße  kirchenpolitische  Denkschrift  des  M i n ist e rs 
von  Schön.  613-628. 

Nachträge  zu  dem  aufsatz  über  das  litauische  haus.  (Bnd.  XXIII.  e.  34  ff.) 
Mit  einer  lithogr.  tafel.  Von  A.  Bezzenberger.  629—633. 


607923 


IV 


Inhalt. 


II.  Kritiken  und  Referate. 

v 

Fritz  Kannacher.  Historischer  Roman  von  Arthur  Hobrecht.  2  Bde. 
Berlin  1885.    Von  G.  151-154. 

Grundriß  der  lateinischen  Palaeographio  und  der  Urkundenlehre  v.  Ces. 
Paoli  übersetzt  von  K.  Lohmeyer.   Innsbruck  1885.  155. 

Hilfsbuch  für  den  Unterricht  in  der "  brandenb.  -  preuss.  Geschichte  von 
K.  Lohmeyer  n.  A.  Thomas.  Halle  1886.  —  Desgl.  für  den  Unter- 
richt in  der  deutschen  Geschichte  bis  zum  westfälischen  Frieden  von 
denselb.  Verff.   Ebd.   Von  G.  Rohse.  155—158. 

Gegen  einen  Aufsatz  Veckenstedts.   Von  Dr.  A.  Bielenstein.  472—476. 

Nochmals  die  Chronik  von  Oliva.    Von  M.  Perlbach.  634—639. 

Die  Entwickelung  des  Kriegswesens  und  der  Kriegführung  in  der  Ritterzeit. 
Von  G.  Köhler.  II.  Band.  Breslau  1886.  Von  B.  640-644 

Handbuch  derProv.  Ostpreußen  für  1886/87  vonC.  Nürmborger.  Von  ©  645. 

Die  Marienburg.    Von  J.  Pederzani- Weber.    Berl.  188ti.    Von  0  645. 

Alterthumsgesellschaft  Prussia  in  Königsberg  1885.  158—167.  1886. 
361-363.  476-485. 

III.  Mittheilungen  nnd  Anhang. 

Notizen  zur  Grtindungsgeschichte  der  jüdischen  Gemeinden  Altpreußens. 

I.  H.  Von  M.  Friedeberg.  168-175. 
Mitteilung  über  einige  von  Schirrmacher  jüngst  veröffentlicht«  Briefe  von 

und  an  Herzog  Albrecht  von  Preußen  etc.   Von  P.  Tschackert. 

364  -366. 

Magister  Johannes  Malkaw  aus  Straßburg  a.  d.  Drewenz  in  Westpreußen,  ein 
reformfreundlicher  katholischer  Priester  zur  Zeit  des  großen  abend- 
ländischen Schismas.    Mitteilung  nach  Haupt  von  P.  Tschackert. 

366-367. 

Ein  ungedrucktes  Schreiben  der  philosophischen  Fakultät  zu  Königsberg 
an  Immanuel  Kant.    Mitgetheilt  von  Prof.  Dr.  Tschackert.  486. 

Ein  ungedruckter  Brief  des  Faust us  Socinus  an  Ilieronvmus  Moscorovius 
d.  d.  Racau,  6.  Juni  1603.  Mitgeteilt  von  Prof.  Dr.  Tschackert. 
487—488. 

Privileg  über  Borkow  und  Roschütz.  Mitgetheilt  von  A.  Treichel.  488—490. 
Privileg  über  die  Kirche  zu  Reinfeld.  Mitgetheilt  von  A.  Treichel.  490—494. 
Wie  der  letzte  Teufel  umkam.   Von  A.  Kogge.  646. 

Käflaufch,  Kößligß.    Ein  beitrag  zur  geschichte  der  Königsberger  mundart. 

Von  A.  Bezzenberger.    646 — 650. 
Die  Kant -Bibliographie  des  Jahres  1885  zusammengestellt  von  R.  Reicke. 

650-660. 

Universitäts- Chronik  1886.    175-176.   367-368.   495.  660. 
Lvceum  Hosianum  in  Braunsberg  1886.    176.  496. 

Altpreußische  Bibliographie  1885.    177—181.  368-376.  496-503.  660-675. 
Kulturhistorische  Ausstellung  für  Ost-  und  Westpreuflen.  182—184. 
Anzeigte.  184. 

Nachrichten.    Deutscher  Einheitsschulverein.  503—504. 
Schulz'  Autographen-Sammlung.  675. 
Berichtigung.   Von  Prof.  J.  Caro  in  Breslau.  504. 
Bitte.  676. 
Berichtigung.  676. 

Literarische  Anzeigen  (auf  dem  Umschlag). 

 -HM-  


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4 


Ueber  ein  Projeet 

zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg 

(Friedrichsstadt). 

Nach  Originalacten  mitgetheilt 

von 

Georg:  Conrad. 


Unmittelbar  nach  den  glanzvollen  Tagen  des  Jahres  1701,  in 
welchen  ganz  Königsberg  die  Erhebung  Preußens  zum  Königreiche 
gefeiert  hatte,  übermittelten  die  Einwohner  der  um  das  König- 
liche Schloß  zu  Königsberg  belegenen  Königl.  Burgfreiheit  ihrem 
Monarchen  Friedrich  I.  ein  „allerunterthänigstes  demüthigstes 
Gesuch",  welches  folgenden,  mit  Rücksicht  auf  den  heutigen 
Leser  leise  modificirten  "Wortlaut  enthielt: 

Allerdurchlauchtigster,  großmächtigster 
König ! 
Allergnädigster  Herr! 

Wenn  vor  dem  huld-  und  gnadenvollen  Thron  E.  Königl. 
Majestät  mehr  als  tausend  Dero  getreue  Vasallen  und  Unter- 
thanen  ihre  Noth  und  ihr  Anliegen  en  particulier  in  Demuth  aus- 
geschüttet, auch  in  denselben,  so  weit  sie  billig  und  gerecht,  aller- 
gnädigst  erhört  worden,  so  haben  vor  E.  Königl.  Majestät,  auch 
wir  sogenannte  Burgfreiheiter  die  uns  insgesammt  und  allgemein 
treffende  Noth  und  Angelegenheit  mit  wenigem  berühren  und 
allerguädigste  Remedirung  in  Unterthänigkeit  erwarten  wollen. 

"Wir  mögen  aber  mit  einzelner  Anführung  der  uns 
drückenden,  vornehmlich  von  den  hiesigen  drei  Städten  her- 

Altpr.  MonatMchrift  Bd.  XXIII.  Hft.  1  u.  2.  1 


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2       lieber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten  St.i<H  Königsberg  etc.. 


rührenden  Beschwerden,  zumal  derselben  eine  gar  große  Anzahl, 
E.  Königl.  Majestät  nicht  tädiös  und  verdrießlich  fallen,  in 
Anbetracht  dessen,  daß  E.  Majestät  aus  den  von  einem  und 
dem  anderen  unseres  unterthänigen  Ortes  vorgetragenen  Querelen 
höchst  vernünftig  und  allergnädigst  schließen  können,  daß,  ob- 
wohl bisher  uicht  alle  klagbar  worden  dennoch  Niemand  davon 
exempt  und  ausgeschlossen,  der  nicht1)  — 

Welcher  Druck  und  welcher  unsägliche  Schaden,  aller- 
durchlauchtigster  König  und  Herr,  uns  daraus  erwächst,  daß 
wir  nicht  berechtigt  sein  sollen,  ein  jeder  nach  seiner  Profession 
Handel  und  Gewerbe  gleich  den  Städten  zu  treiben,  sondern 
aus  der  dritten  uns  sehr  beschwerenden  Hand  "Waaren  zu  em- 
pfangen, als  "Wein,  Laken,  Stoff,  Gold-  und  Silbertressen  und 
dergleichen,  die  sie  theils  nicht  haben  und  weder  in  Pack- 
kammern, noch  sonst  zeigen  und  aufweisen  können,  von  den 
Bürgern  der  drei  hiesigen  Städte  zu  anderweitem  Verkauf  zu 
erhandeln,  kann  nicht  genugsam  beschrieben  werden.  Und  wie 
E.  Königl.  Majestät  hiovon  nicht  nur  keinen  Vortheil  haben, 
vielmehr  an  Dero  hohem  Interesse  merklichen  Schaden  leiden, 
also  empfinden  wir  vornehmlich,  ein  jeder  insbesondere,  und 
also  alle  ingesammt  in  unserer  Nahrung  und  Hantierung 
großen  und  unersetzlichen  Verlust,  können  auch  nicht,  wenn 
von  E.  Königl.  Majestät  uns  nicht  allergnädigste  und  gerechte 
Hülfe  widerfahren  sollte,  absehen,  wie  es  anders  sein  könnte, 
als  daß  allmälig  einer  nach  dem  andern  in  solchen  Abgang 
seiner  Nahrung  gesetzet  werden  müßte,  daß  man  einen  Pil- 
gramsstab  zu  ergreifen  genöthiget  werden  dürfte,  allewege 
diejenigen,  deren  Handel  und  Condition  dergestalt  beschaffen, 
daß,  wie  vorerwähnet,  dieselben  nichts  aus  der  ersten  Hand, 
mit  dem  sie  in  Commercien  stehen,  sondern  mittelbarer  "Weise 
aus  der  Hand  einer  von  den  Städten,  die  doch  solches  nicht 
haben,  in  Empfang  nehmen  sollen.  "Wenn  E.  Königl.  Majestät 
vor  einigen  aus  dem  hohen  Mittel  Dero  Geheimen  oder  anderen 


1)  Hier  hat  die  Originalcopie  eine  Lücke. 


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Von  Georg  Conrad. 


3 


vornehmen  Räthe  und  erlauchten  Männer  uns  per  deputatos 
hierüber  zu  vernehmen,  allergnädigst  geruhen  wollten,  würde 
befunden  werden,  daß  bei  dem  splendiden  Titel  der  Burgfrei- 
heiter  unter  unsers  allergnädigsten  Königs  Protection  und  Burg 
wir  nichts  weniger  als  Freiheit  und  kaum  mehr  als  nomen  et 
umbram  libertatis  wider  die  huldreiche  Intention  E.  Majestät 
—  leider!  —  führen.  Solchem  mehr  und  mehr  sich  heran- 
nahenden Verderb  kraft  E.  Majestät  souverainen  unbeschränkten 
Macht  und  auf  treue  Unterthanen  strömenden  hohen  Gnade  von 
uns  zu  decliniren  und  wiederum  zu  Kräften  zu  gelangen,  würden 
mit  E.  Königl.  Majestät  allergnädigster  Erlaubniß  wir  ein 
sicheres  Mittel  unmaßgeblich  in  Vorschlag  bringen,  und  da  das- 
selbe zu  Niemandes  Präjudiz,  vielmehr  zur  Vermehrung  des 
Königl.  Interesses  dann  zu  Dero  hohen  Namens  unsterblicher 
und  mit  der  Ewigkeit  selbst  fortgehender  gloire,  auch  zum 
Nutzen  und  zur  Wohlfahrt  unser  und  unserer  späten  Posterität 
gereichen  würde,  in  tiefster  Devotion  bitten,  solches  allergnädigst 
genehm  zu  halten.  Es  sind,  allerdurchlauchtigster  König  und 
Herr,  so  viele,  vorhin  fast  geringe  und  weder  dem  Namen,  noch 
dem  Wesen  nach  bekannte  Oerter  in  der  Welt,  welche  wegen 
einer  und  anderer  vorgefallenen  Begebenheit,  wegen  erhaltenen 
Sieges  oder  eines  Prinzen  Geburt  und  dergleichen  aus  ihrem 
geringen  Stande  erhoben,  groß  und  illustre  gemacht,  mit  Privi- 
legien versehen  und  mit  gewissen  Immunitäten  und  Stadtrechten 
begabt  worden.  Welcher  Ort,  allergnädigster  König  und  Herr, 
ist  in  diesem  Dero  Königreich  Preußen  von  Jedermann  für  den 
edelsten  und  mit  dem  größten  illustre  beleuchteten  Platz  zu 
halten?  Keiner  auch  nicht  ein  einziger  innerhalb  der  Ring- 
mauern der  Altstadt,  des  Kneiphofs  oder  Löbenichts,  die  man 
sonst  alle  ingosammt  und  eine  jede  insbesondere  in  vielen  andern 
Stücken  bei  ihrem  Werth  und  Würden  läßt,  als  allein  die  so- 
genannte Burgfreiheit.  Allhier  auf  der  Burgfreiheit  haben 
E.  Majestät  allererst  das  Licht  dieser  Welt  geschaut2),  allhier 


2)  Friedrich  I.  wurde  am  1.  Juli  1G57  in  einem  kleinen  Zimmer  über 

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4       Ueber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  etc. 

haben  Sie,  als  Dero  Name  in  das  Buch  des  Lebens  verzeichnet 
worden,  die  unverwelkliche  Krone  des  Himmels  erhalten ;  allhier 
ist  der  durlauchtige  Glanz  Ihrer  großen  Vorfahren  durch  die  in 
Dero  hohen  Person  dieses  Orts  zum  ersten  proclamirte  Königl. 
Majestät  Allerdurchl.  größer  und  ansehnlicher  worden,  allhier 
erscheinet  alles,  was  E.  Majestät  seine  Gratulation  und  respective 
allerunterthänigste  Pflicht  und  Devotion  abstattet.  Allhier  sind 
E.  Majestät  Eeichsinsignia.  Allhier  wird  unter  E.  Königl. 
Majestät  hohem  Namen  die  höchste  justice  exerciret8),  der  große 
Rath  gepflogen4),  Pardon  und  Gnade  ausgetheilet.  Die  Burg- 
freiheit ist  der  Platz,  wohin  so  viel  tausend  Menschen  sich  ver- 
sammelt, E.  Majestät  anzubeten  und  zum  allergnädigsten  Hand- 
kuß gelassen  zu  werden.  Und  Sire,  was  das  vornehmste  ist,  all- 
hier6) hat  der  Kurfürst  von  Brandenburg  am  ersten  vor  dem 
Könige  der  Könige  als  König  in  Preußen  auf  seinen  Knieen 
gelegen,  den  großen  Gott  um  die  Erhörung  in  seinem  Anliegen 
angeflehet  und  die  Antwort  vom  Himmel  erhalten:  Wer  mich 
ehret,  den  will  ich  wieder  ehren.  So  erhöre  nun  E.  Majestät 
auch  unser  Dero  getreuer  Unterthanen  Anliegen  um  des  alles 
willen,  was  zum  ewigen  Ruhm  und  Lobspruch  unsers  aller- 
gnädigsten Königs  in  tiefster  Unterthänigkeit  jetzt  beigebracht 
worden  und  begnadige  diesen  Ort,  die  bisher  sogenannte  Burg- 
freiheit mit  dem  Stadtrecht,  den  einer  Stadt  anklebenden  Immu- 
nitäten, Rechten  und  Gerechtigkeiten,  auoh  unmaßgeblich  mit 
dem  Namen  Königs-  oder  Friedrichsstadt,  soweit  als  die  termini 
und  Grenzen  der  Burgfreiheit  gehen.  Non  in  parietibus  aut 
muris,  sagt  der  grosse  Römer  Pompejus  bei  dem  Dione,  sed  in 
ipso  hominum  coetu  et  iure  consistit  civitas.    Car  la  ville  est 

dem  östlichen  Schloßportale  geboren  und  in  der  Königlichen  Schloß- 
kirche getauft. 

8)  Durch  das  1657  gegründete  Oberappellationsgericht,  das  mit  der 
Souveränität  des  Herzogthums  Preußen  nothwendig  geworden  war. 

4)  In  der  auf  dem  Königlichen  Schlosse  befindlichen  Oberrathstube, 
in  der  sich  die  4  Oberräthe  versammelten,  welche  im  Namen  des  Königs 
regierten  und  auch  demgemäß  die  Onadensachen  erledigten. 

5)  Nämlich  in  der  Schloßkirche. 


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j 


Von  Georg  Conrad. 


5 


l'union  (Tun  peuple  sous  une  seigneurie  souveraine:  comme  le  ros- 
signol  ou  la  formi  sont  aussi  bien  nombrels  entre  les  animaux 
comme  les  elephans,  sagt  einer  der  französischen  politicoruni : 
Sic  aliquot  domus  et  familiae  serenissimo  suo  jubente  constituunt 
civitatem.  Wie  eine  kleine  Armee  oftmals  der  größten  an  Muth 
und  Tapferkeit  überlegen,  so  geschieht  es  auch  nicht  selten, 
daß  ein  kleiner  Haufe  und  eine  kleine  Versammlung  der  Unter- 
thanen  einer  größeren  an  Treue  und  Devotion  gegen  ihren 
Souverain  nicht  im  geringsten  nachgiebt.  Und  wie  schlecht 
und  gering  war  der  Anfang,  allerdurchl.  König,  dieser  drei 
Städte!  Der  Steindamm,  der  jetzt  nur  eine  Vorstadt  ist,  war 
die  erste  und  älteste  Stadt  dieses  Ortes,  geringe  von  Ansehen, 
mit  wenigen  Leuten;  nachdem  aber  durch  reichliche  Beisteuer 
des  Königs  in  Böhmen,  Ottokar  oder  Primislaus  II.  das  anno 
1255  auf  dem  Platz  des  jetzigen  Königlichen  Gartens8),  der 
Preußischen  Scribenten  Muthmaßuug  nach7)  erbaute  Schloß  de- 
raolirt  worden,  welches  man  eigentlich  demselben  zu  Ehren,  in 
dessen  Geleit  und  Gesellschaft  sich  auch  Otto,  Margraf  zu  Branden- 
burg befunden,  Königsberg  genannt,  ungeachtet  sonst  Aeneas 
Sylvins,  nachgehends  Papst  und  römischer  Bischof,  Pius  II.  genannt, 
in  seiner  historia  Bohemiae  schreibt:  Ottocarus  in  Prufsia,  quam 
veteres  Ulinrigiam  vocavere,  superatis  Tartaris  urbem  condidit, 
quam  Cunispergium,  id  estmontemregiumvocant,  ist  das  Stadtrecht 
von  dem  Steindamm  auf  die  jetzige  Altstadt,  welche  man  vor  Auf- 
richtung der  andern  beiden  Städte  allein  Königsberg  geheißen,  die 
nicht  weniger  als  Löbenicht  und  endlich  Kneiphof,  zu  Anfang  unan- 
sehnlich, auch  die  letzte  nur  aus  einer  einzigen  Straße,  der  jetzigen 
sogenannten,  aber  mit  weit  schlechteren  und  weniger  Häusern  ver- 
sehenen Langgasse  bestanden,  transferirefy  verlegt  und  geschenkt 
worden.  Wir  sind  aber  Gott  Lob !  in  einer  solchen  Verfassung, 
daß  uns  nichts  entgegengesetzet,  oder  als  zu  einer  Stadt  gehörig 


6)  Der  heutige  Paradeplatz  (Königsgarten). 

7)  Z.  B.  Hennebergen  in  seiner:  Erclerung  der  Preussischen  grossem 
Landtafiel  oder  Mappen.   Königsberg  1645.   S.  168. 


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6        Ueber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  etc. 


verlauget  werden  sollte,  was  wir  nicht  darstellen  und  aufzeichnen 
könnten.  Es  mangelt  uns  nicht  an  Schulen  und  Kirchen,  deren 
eine8)  E.  Majestät  glorwürdigste  Vorfahren  in  der  König].  Resi- 
denz, die  andere0)  E.  Majestät  selbst  als  Kurfürst  gestiftet  und 
fundirot  und  als  König  und  supremus  episcopus  mit  Andacht 
und  Gebet  solenniter  goweihet  haben.  Es  manquiret  uns  nicht 
an  Wasser  und  Mühlen10),  an  Uhr  und  Palatien,  unter  welchen 
nach  den  Gotteshäusern  unsere  größeste  Ehre  ist;  die  hierselbst 
gelegene  Königl.  Residenz,  die  vornehmsten  Collegia  haben  all- 
hier  ihren  Sitz  und  wird  es  E.  Königlichen  Majestät  nicht  zu- 
wider sein,  wenn  wir  mit  Erlaubniß  E.  Majestät  einen  gewissen 
wüsten  Platz  zur  Deliberation  für  E.  Königl.  Majestät  hohes 
Interesse  und  des  gemeinen  Bestens  Wohlfahrt  nach  E.  Königl. 
Majestät  gnädigstem  Gefallen  und  Verordnung  bebauen  worden. 
Daß  Kauf-  und  Handelsleute,  Künstler  und  Handwerker  allhicr 
in  großer  Menge  sind,  ist  notorisch.  Es  sind  auch,  allerdurchl. 
König,  verschiedene  Thöre,  welche  diese  künftige  neue  Stadt 
schließen  und  derselben  Grenzen  setzen,  vorhanden,  als  das 
Schloß-,  Junkergassen-  und  Kreuzthor11)  u.  dergl.  Wenn  man 
noch  eins  in  Unterthänigkeit  vorstellen  darf,  allergnädigster 
König  und  Herr,  sind  aller  großen  Potentaten  Residenzen  nicht 
neben  oder  an,  sondern  in  Städten.    Der  Könige  von  Spanien, 


8)  Die  Schloßkirche,  aus  der  Ordenszeit  stammend,  1524  vom  Mark- 
grafen Albrecht  in  eine  evangelische  Kirche  umgewandelt,  wurde  von  158-1  ab 
durch  Albrecht  Friedrich  neu  erbaut,  cl'.  Faber:  Die  Haupt-  und  Residenz- 
Stadt  Königsberg  in  Preußen.    Königsberg  1810.    S.  23.  2-4. 

9)  Die  deutsch-reformirte  Burgkirche;  vom  Kurfürsten  Friedrich  III. 
wurde  am  25.  Mai  1690  der  Grundstein  gelegt;  die  Einweihung  erfolgte  in 
Gegenwart  des  Königs  Friedrich  I.  am  23.  Januar  1701,  dem  Sonntage  nach 
der  Krönung,    cf.  Faber:  c.  1.  S.  103. 

10)  Auf  der  Burgfreiheit  standen  damals  folgende  Mühlen,  sämmtlich 
königlich:  die  Mittelmühle,  Obermühle  und  Malzmühle. 

11)  Das  Schloßthor  schloß  die  Burgfreiheit  gegen  die  Altstadt  ab 
und  stand  an  der  Schmiedegasse.  Das  Juukergassenthor  schloß  die 
Burgfreiheit  gegen  den  Tragheim  ab.  Das  Kreuzthor  schloß  die  Burg- 
freiheit gegen  den  Vonleren  Roßgarteu  ab  und  stand  in  der  Fortsetzung 
der  Collegiengasso  nach  dem  Roßgärter  Markt  zu.    cf.  Faber:  c  1.  S.  98. 


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Von  Georg  Conrad. 


7 


Frankreich,  Großbritannien,  Schweden,  Dänemark,  Polen  etc. 
Eesidenzen  sind  in  den  Städten  Madrid,  Paris,  London  und 
Edinburg,  Stockholm,  Copenhagen,  Warschau  etc.  Wäre  es 
demnach  E.  Königl.  Majestät,  uns  mit  dem  Stadrecht  zu  be- 
gnadigen, nicht  entgegen,  gleichwie  es  dann  den  Königl.  Intra- 
den  nicht  schädlich,  vielmehr  zuträglich,  den  Städten  nicht 
nachtheilig,  zumal  man  nach  Proportion  dieses  Ortes  alle  bei 
denen  gebräuchliche  onera,  wenn  E.  Majestät  wegen  Einquar- 
tierung des  Hofstaats  uns  einiges  soulagement  allergnädigst 
wollten  zu  statten  kommen  lassen,  willig  abzutragen,  sich  hier- 
mit allergehorsamst  erklärt,  so  würden  wir  allerunterthänigst 
um  ein  Stadtwappen  bitten  und  dies  dabei  demüthigst  vor- 
stellen. Es  führen  alle  3  Städte  nach  der  Tradition  einiger 
Preußischer  Scribenten  zum  Gedächtniß  und  zur  Ehre  des  vor- 
erwähnten Königs  Ottokar  eine  Krone,  unter  welcher  bei  den 
Altstädtern  ein  weißes  Kreuz,  wie  einige  meinen,  zum  Ange- 
denken der  deutschen  Ordensbrüder,  wie  wohl  sonst  desselben  habit 
weiß  und  das  Kreuz  schwarz  gewesen;  bei  den  Löbnichtem 
über  und  unter  der  Krone  ein  Stern,  die  Krone  aber  der  Kneip- 
höfer  hält  eine  von  unten  aufgehende  Hand  zwischen  zwei 
Hörnern.  Aus  allen  drei  Wappen  können  E.  Majestät,  wenn  es 
Deroselben  also  gefällig,  uns  etwas  als  Ihr  eigen  mittheilen. 
Primam  gentis  Tuae  E.  Majestät  Krone,  welche  eine  von  oben 
aus  den  Wolken  hervorragende  Hand  hält,  weil  E.  Majestät  die- 
selbe vom  Himmel  empfangen  und  dem  Himmel  gewidmet, 
unter  der  einen  Seite  einen  Stern  zur  immerwährenden  Erinne- 
rung des  von  E.  Majestät  hochvernünftig  erwählten  symboli:  Suum 
cuique,  von  der  andern  ein  blaues  Kreuz  mit  F.  ß.  in  dessen 
Mitte  bezeichnet,  da  beides  mit  dem  Königlichen,  jüngsthin 
ausgetheilten  Orden  und  Gnadenzeichen  übereinkommt.  E.  Königl. 
Majestät  werden  unter  andern  Dero  Gnadenbezeugungen  und 
dieses  Orts  geschehenen  recht  Königlichen  Verrichtungen  auch  diese 
zu  Dero  unvergeßlichem  ewigen  Andenken  allergnädigst  auszu- 
führen, warum  wir  allerdemüthigst  bitten,  sich  gefallen  lassen. 
Was  von  so  vielen  Jahrhunderten    her  dem  Markgrafen  zu 


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8       Ueber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  etc. 

Brandenburg,  Albrecht  ursus,  deswegen  weil  derselbe  Berlin 
und  Bernau  mit  dem  Stadtrecht  begabt,  an  Ruhm  und  unsterb- 
lichem Dank  bis  auf  diese  Stunde  beigelegt  wird,  das  soll  un- 
serm  Könige  Friedrich  wegen  seiner  Königs-  oder  Friedrichs- 
stadt mit  soviel  mehr  Veneration  und  Ehrerbietung  von  uns 
unserer  späten  Posterität  zugeeignet  und  vor  Dero  Königl.  Haus 
Gut  und  Blut  auf  alle  Fälle  willigst  und  allergehorsamst  aufge- 
opfert werden  von 

E.  Königl.  Majestät  unsere  allergnädigsten  Königs  und  Herrn 

allerunterthänigsten 
sämtl.  Einwohnern  auf  der 
Burgfreiheit. 

Es  war  also  in  diesem  Gesuche  nichts  mehr  und  nichts 
weniger  beabsichtigt,  als  den  König  zur  Anlegung  einer  vierten 
Stadt  Königsberg  zu  bewegen,  die  ihm  zu  Ehren  den  Namen 
Friedrichsstadt  erhalten  sollte.  Dieses  tibersandte  der  König 
noch  von  Königsberg  aus  unter  dem  28.  Februar  1701  an  die 
Preussische  Regierung  zu  Königsberg,  repräsentirt  durch  die 
vier  Oberräthe,  den  Landhofmeister  Otto  "Wilhelm  von  Perband, 
den  Oberburggrafen  Christoph  Alexander  von  Rauschke,  den 
Kanzler  Georg  Friedrich  von  Creyzen  und  den  Obermarschall 
Christoph  Grafen  von  "Wallenrod,  mit  dem  Befehl,  die  Petition 
der  Burgfreiheiter  zu  begutachten  und  die  3  Städte  Königsberg 
zur  Einreichung  von  schriftlichen  Erinnerungen  aufzufordern. 
Unter  dem  19.  März  theilte  die  Preußische  Regierung  den  drei 
Städten  Königsberg  das  Königliche  Rescript  und  die  Eingabe 
der  Burgfreiheiter  mit.  Die  Erregung,  welche  die  Publication 
dieses  königlichen  Rescripts  durch  Verlesen  desselben  vom 
Podest  der  Treppe  des  Altstädter  Rathhauses  herab  bei  dem 
Rath,  dem  Gericht,  den  Zünften  und  den  Gemeinen  der  drei 
Städte  Königsberg  hervorrief ,  war  groß ,  man  fürchtete 
einen  bedeutsamen  Eingriff  in  die  Privilegien  der  drei  Städte. 
Doch  kaum  hatte  man  das  Ungeheuere  gefaßt  und  Zeit  zur 
Absendung  einer  Antwort  gehabt,  als  schon  ein  zweites  Rescript 


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Von  Georg  Conrad. 


9 


des  Königs  an  die  Eegierung  d.  d.  Potsdam  den  30.  März  1701 
den  Städten  mitgetheilt  wurde,  welches  besagto,  daß  der  König 
nach  Empfang  eines  zweiten  Gesuchs  der  Burgfreiheiter  bei  der 
Einrichtung  einer  vierten  Stadt  nichts  bedenkliches  finde,  er 
vielmehr  den  Supplicanten  sowohl  die  erbetene  Stadtgerechtig- 
keit als  den  vorgeschlagenen  Namen  und  das  erbetene  "Wappen 
beigelegt  habe  und  auch  befehle,  diejenigen  Privilegien,  welche 
dieser  neuen  Stadt  etwa  möchten  zu  ertheilen  sein,  zu  entwerfen 
und  zur  Genehmigung  einzusenden.  Die  Einführung  der  Accise 
bei  der  neuen  Friedrichsstadt  werde  weiterer  Verordnung  vor- 
behalten. Endlich  solle  diese  Stadt  von  der  Burg  dependiren. 
Erst  am  25.  April  1701  flehten  die  Bürgermeister  und  Räthe  der 
3  Städte  Königsberg  in  einer  der  Regierung  übergebenen  Bitt- 
schrift den  König  „um  Gottes  Barmherzigkeit  und  Königl.  Ma- 
jestät Gnade  und  Gerechtigkeitwillen"  an,  mit  der  Publication  des 
zu  ihrem  „Garaus  einseitig  und  hinterlistig  ausgebetenen  Privi- 
legii"  landesväterlich  noch  8  Tage  zu  warten,  bis  sie  ihre  Ent- 
gegnung eingebracht  hätten,  die  sich  deswegen  so  lange  ver- 
zögere, weil  der  Altstädter  Bürgermeister  wegen  Verlängerung 
der  Vernaljuridic  beim  Tribunal12)  ihren  Berathungen  nicht  habe 
beiwohnen  können.  Diese  Petition  sandte  die  Regierung  unter 
dem  28.  April  dem  Könige  zur  Berücksichtigung  ein.  An  dem- 
selben Tage  waren  die  Bürgermeister,  Räthe,  Gerichte,  Zünfte 
und  Gemeine  der  3  Städte  Königsberg  in  der  Lage,  dem  Könige 
ein  umfangreiches  „de-  und  wehmüthigstes  Seufzen  und  aller- 
unterthänigstes  Bitten"  mit  14  Anlagen  zu  übermitteln.  Dieses 
interessante  Schriftstück  lautete  in  Schreib-  und  Ausdrucksweise 
leise  modificirt,  wie  folgt. 

Allerdurchlauchtigster,  großmächtigster  König! 
Allergnädigster,  souverainer  Herr  und  huldreichster  Landesvater! 

Gleichwie  der  unruhige  und  arglistige  Feind  des  mensch- 
lichen Geschlechts  unsere  ersten  Stammeltern  im  Paradies  unter 
dem   sehr  großen   und   schönen  Schein    eines  versprochenen 

12)  D.  h.  der  Frtthjahrssession  des  Oberappcllationsgerichts  (Tribunala), 


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10      Ueber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  etc. 


besseren  und  längeren  Lebens  um  alle  Glückseligkeit  der  Seele 
und  des  Leibes,  ja  um  das  ewige  Leben  selbst  gebracht  hat, 
also  ruht  derselbe  mit  seinen  Anhängern  und  Helfershelfern  noch 
diese  Stunde  nicht,  übelgesinnte  und  widerwärtige  Gemüther 
zum  Streit  und  zur  Unruhe  aufzuwiegeln,  welche  treuen  und 
gehorsamen  Unterthanen  ihr  Wohl  und  Aufnehmen  unterbrechen 
und  stören,  sie  mit  ihrem  Nächsten  zusammenhetzen  und  ihnen 
auch  das  letzte  Stückchen  Brod  sub  specie  recti  und  mit  dem 
Verheißen,  denselben  mehr  Lebensmittel  zu  verschalfen,  unbarm- 
herzig aus  dem  Munde  zu  reißen  und  zu  entziehen,  bemüht 
sind.  Eine  dergleichen  harte  Versuchung  trifft  uns,  wenn  zu 
der  hiesigen  armen  Städte  Königsberg  äußerstem  Verderb  und 
Untergang  unter  dem  Namen  der  sämmtlichen  Einwohner  auf 
der  Königlichen  Burgfreiheit  eine  neue  Stadt  angegeben  und 
ausgebeten  werden  will,  wie  uns  solches  den  9.  hujus  durch  ein 
gnädigstes  Rescriptum  vom  19.  Mart.  a.  c.  notificirt,  und  was 
wir  dabei  unterthänigst  zu  erinnern  haben  möchten,  mit  dem 
fördersamsten  und  zwar  auf  das  geschehene  mündliche  Vorstellen 
einiger  städtischer  Deputirten  bei  der  hiesigen  Königlichen 
Oberrathstube  bald  nach  geschlossener  gegenwärtiger  Vernal- 
juridic 12)  bei  Dero  hiesigem  Königlichen  Oberappellationsgericht 
einzukommen  anbefohlen  worden.  Wenn  aber  nicht  allein  der 
Supplicanten  formale,  da  ihr  supplicatum  sine  subscriptione  con- 
eipientis  eingeschickt  worden,  und  daß  darin  die  sämmtlichen 
Einwohner  auf  der  Burgfreiheit  condescendirt,  sondern  auch  alle 
causae  impulsivae  derselben  unrichtig  und  erdichtet  sich  be- 
finden, zumal  anfänglich  außer  Ew.  Königl.  Majestät  eigenen 
Gebäuden,  z.B.  der  Lustgarten13),  das  Ballhaus14),  die  Münze15), 

die  mit  dem  1.  März  begann  und  am  12.  April  jedes  Jahres  aufhören  sollte 
(cf.  Vorfassung  des  Ober-Apollations-Gerichts  im  Herzogthum  Preussen  — 
eingerichtet  .  .  .  1G57.    Königsberg.    Art.  VIII. 

18)  Heute  Paradeplatz  (Königsgai-ten)  genannt. 

14)  Das  Ballhaus  stand  auf  der  Stelle,  auf  der  heute  das  „Deutscho 
Haus"  steht  (in  der  Tboaterstrasse). 

15)  Die  Münze  stand  da,  wo  sich  heute  das  Königliche  Polizei- 
Präsidium  befindet  (Junkerstrasse  8). 


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Von  Georg  Conrad. 


11 


die  Mühlen,  der  Stallplatz16),  die  Landhofmeisterei17)  und  Canzler- 
wohnung18)  etc.,  alle  anderen  daselbst  Wohnenden  von  Adel, 
welche  keine  bürgerliche  Nahrung  treiben  und  daher  von  Bürgern 
contra  distinguirt  werden,  abgehen,  nachmals  auf  der  sogonannten 
Königlichen  Burgfreiheit  ohne  die  Handwerker,  von  denen  doch 
die  meisten  an  kein  Stadtrecht  gedacht,  lauter  Fremdlinge  sieh 
befinden,  worunter  Franz  Hay  als  ein  Schotte  ipso  iure  von 
dem  Bürgerrecht  in  Königsberg  excludirt  ist  und  der  vornehmste 
Rädelsführer  Pierre  Pellet  ein  manifestum  poriurium  ratione  des 
in  der  Altstadt  erhaltenen  und  unverantwortlich  wieder  ver- 
lassenen Bürgerrechts  begangen  hat,  daher  dieser  und  anderer 
etwa  noch  unbekannter  Leute  Ansuchen  der  Sache  keinen  Grund 
geben  mag;  was  aber  der  übrigen  wenigen  neugierigen  und 
stadtsüchtigen  burgfreihoitischen  Supplicanten,  wie  sie  mit  Grund 
der  Wahrheit  können  genannt  werden,  scheinbares  Vorstellen 
anbetrifft,  obschon  es  beim  ersten  Ansehen  den  Namen  haben 
soll,  als  wenn  sie  Ew.  Königl.  Majestät  hohes  interesso  und 
gloire  zu  vermehren  intendiren,  so  soll  ihr  Trieb  und  ihre  Ver- 
anlassung zu  dieser  nie  erhörten  und  unsern  Vorfahren  nie  in 
den  Sinn  gekommenen  Neuerung  die  vielfältige  Beschwerde  über 
die  drei  Städte  Königsberg  sein,  deren  sie  eine  so  große  An- 
zahl zu  haben  vermeinen,  daß  obwohl  bisher  nicht  alle  klagbar 
worden,  dennoch  Niemand  davon  exempt  und  ausgeschlossen, 
insonderheit  da  nicht  ein  jeder  nach  seiner  Profession  Handel 
und  Gewerbe  gleich  den  Städten  treiben  kann,  sondern  aus  der 
dritten  ihm  sehr  beschwerlichen  Hand  zu  empfangen  hat,  daher 
sie  hoffen,  wenn  mehr  als  tausend  Ew.  Königl.  Majestät  getreuer 
Vasallen  und  Unterthanen  in  billigen  und  gerechten  Dingen 


16)  Der  Stallplatz  befand  sich  nach  dem  Beringschtn  Stadtplan  von 
1018  zwischen  dem  Gießhaus  und  dem  Pulverthurm  (etwa  iu  der  Gegend 
der  Roß^ärter  Ilintcrstraßo). 

17)  Die  Landhofmeisterei  stand  etwa  auf  der  Stelle  der  heutigen 
.,Ecolc  fraucaiso."  am  Bergplatz. 

18)  Die  Stelle  der  Canzlerwohnun  g  (Canzle  rei)  ist  in  der  Junker- 
gasse zu  suchen. 


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12      Ueber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  etc. 


erhört  worden,  auch  die  Supplicanten  in  ihrer  sie  insgesammt 
und  allgemein  treffenden  Noth  Hülfe  erhalten  werden.  Wie 
impudent  hingegen  solches  hingeschrieben,  zeugt  der  offen  am 
Tage  liegende  Widerspruch,  daß  seit  undenklichen  Jahren  kein 
einziger  Burg  freiheiter  hat  dürfen  klagbar  werden,  daß  ihm 
von  den  Städten  etwas  zur  Ungebühr  widerfahren,  und  sollten 
sich  auch  jetzo  welche  finden,  die  es  mit  Recht  auf  die  Städte 
Königsberg  bringen  könnten,  so  sind  wir  fertig,  doppelte  Strafe 
dafür  auszustehen;  doch  müßte  mancher  Burgfreiheiter  Kramer 
nicht  das  für  einen  tort  rechnen  und  anführen,  wenn  diese  de- 
voten Städte  gemäß  vielfältigen  in  Händen  habenden  theuren 
privilegiis  unrechtmässig  an  sich  gebrachte  Packwaaren,  die  man 
auf  die  Burgfreiheit  oder  andere  Freiheiten  bringen  wollen,  haben 
beschlagen  lassen ;  qui  enim  sanctis  privilegiis  et  iure  suo  utitur, 
nomini  facit  iniuriam,  und  eben  das  ist  der  essentiale  Unter- 
schied zwischen  einer  Stadt,  die  privative  auf  den  Handel  ins 
Große  lind  dann  zwischen  einem  Ort,  der  natura  sui  zu  keiner 
Stadt,  sondern  blos  und  allein  zu  einer  Vorburg  fundirt  ist,  daß 
ein  Großbürger  in  den  Städten  aus  der  ersten  Hand  handeln 
und  wandeln,  ein  Burgfreiheiter  Kramer  aber  aus  der  andern 
Hand  seine  Waaren  sich  anschaffen  soll  und  kann;  dadurch 
haben  dennoch  diese  letzteren  keinen  Abgang  ihrer  Nahrung, 
am  wenigsten  einen  Pilgramsstab  zu  besorgen,  zumal  ihr  eigenes 
supplicatum  das  contrarium  ausweist,  indem  sie  nicht  allein  die 
Burgfreiheit  mit  stattlichen  palatiis,  was  kein  Armer  thun  kann, 
geziert,  sondern  auch  schon  soviel  lucrirt,  noch  einen  wüsten 
Platz  zur  vorgewandten  künftigen  Deliberation,  das  ist  recht 
deutsch  zu  sagen,  mit  aedificiis  publicis,  Raths-  und  Gerichts- 
stuben, Speichern,  Krähnen,  Waagen,  Asch-,  Theer-  und  Pack- 
häusern, um  vermeinte  Beförderung  des  Königl.  Interesses  und 
der  gemeinen  Wohlfahrt  zu  bebauen  und  alle  bei  Städten  ge- 
bräuchliche onera  zu  tragen,  wohingegen  die  verarmten  Städte 
Königsberg  sich  ungemein  winden  müssen,  nur  die  von  ihren 
Vorfahren  aufgebauten  aedificia  publica  kümmerlich  in  baulichem 
Zustande  zu  erhalten  und  gewöhnliche  bürgerliche  Beschwerde 


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Von  Georg  Conrad. 


13 


zu  entrichten;  die  Burgfreiheiter  und  andere  Freiheiter  Hand- 
werker indessen  können  ihr  Gewerbe  und  ihre  Hantierung  in 
allen  Stücken  gleich  einem  Kleinbürger  oder  Handwerker  mitten 
in  einer  dieser  Städte  treiben  und  die  zu  Handwerks  Nothdurft 
benöthigten  "Waaren  immediate  aus  der  ersten  Hand  kaufen, 
deswegen  selbige  sich  zu  verbessern  keine  Ursache  haben,  viel- 
mehr sind  wir  durch  Gottes  und  Ew.  Königl.  Majestät  gnädigen 
Beistand  versichert,  weil  die  unter  dem  plausiblen  Namen  der 
sämmtlichen  Einwohner  der  Burgfreiheit  latitirenden  wenigen 
Personen  mit  unbilligen ,  ungerechten  Dingen  umgehen ,  daß 
etliche  tausend  in  den  hiesigen  Städten  und  Vorstädten  con- 
junctim  sich  befindende  und  um  Erbarmung  seufzende  armselige 
Einwohner  nach  Abwälzung  der  feurigen  Pfeile  der  arglistigen 
Gegner  und  gründlicher  Deducirung  dieser  drei  Städte  privile- 
giorum  maxime  radicatorum  nicht  trost-  und  hülflos  von  dem 
mit  Gnade,  Recht  und  Liebe  gezierten  majestätischen  Thron 
Ew.  Königl.  Majestät  werden  dimittirt  werden.  Es  wollen  dem- 
nach die  drei  Städte  Königsberg  besserer  Ordnung  wegen  der 
machinirenden  Supplicanten  sämmtliche  propositiones  in  3  Sorten, 
nämlich  in  historicas,  politicas  und  iuridicas  eintheilen, 
und  bei  einem  jeden  Punct  darthun,  daß  unser  Gegentheil  die 
größten  Fallacien,  Unwahrheiten  und  Ungerechtigkeiten  von  der 
"Welt  begeht.  Denn  ihre  propositiones  historicas  belangend 
ersinnen  dieselben: 

1.  einen  Griff,  als  wenn  zwar  der  Steindamm,  der  jetzt 
nur  eine  Vorstadt  ist,  die  älteste  Stadt  gewesen,  der  Name 
Königsberg  dennoch  einem  von  Ottocaro,  Könige  in  Böhmen 
anno  1255  erbauten  und  nachmals  demolirten  Schloß  beigelegt 
worden,  bis  das  Stadtrecht  vom  Steindamm  auf  die  jetzige  Alt- 
stadt, welche  ein  weißes  Kreuz  unter  der  Krone  führt,  trans- 
ferirt  ist,  wiewohl  der  Supplicanten  Meinung  nach  der  deutsche 
Orden  einen  weißen  habit  und  ein  schwarzes  Kreuz  gehabt, 
woraus  sie  zu  erzwingen  gedenken,  daß  mehr  das  Schloß  als 
die  älteste  Stadt  den  Namen  Königsberg  geführt;  allein  wie  sie 
selbst  gestehen  müssen,  daß  der  Steindamm  ehemals  die  älteste 


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14      lieber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  etc. 


Stadt  gewesen,  so  folgt  auch  weiter,  daß  derselbe  Ort  mit  dem 
Namen  Königsberg  belegt  worden,  womit  nicht  allein  der  von 
ihnen  allegirte  Aeneas  Sylvius,  bei  dem  das  alte  Preußen  nicht 
wie  sie  schreiben:  Ulinrigia,  sondern  Hulmigeria  oder  Colmigeria 
wie  in  des  Paul  Pole10)  und  Johann  Freiberg20)  chronicis  Prussiae 
manuscrtptis21)  zu  sehen,  heißen  soll,  allerdings  tibereinstimmt, 
sondern  es  schreiben  auch  besagte  beide  chronographi  folgender 
Gestalt:  Alß  anno  1255  die  Stadt  Königsberg  gebauet  ward,  so 
thät  der  König  Ottocar  seine  Hülfe  und  Rath  und  ward  die 
Stadt  in  des  Königs  Ehre  genennet  Königsberg.  Das  Alt- 
städtische weiße  Kreuz  im  Stadtwappen  anbelangend ,  findet 
man  in  den  Preußischen  Chronikon,  daß  nur  die  drei  ersten 
Ordensherren,  welche  allein  Meister  genannt  sind,  ein  weißes 
Schild  mit  dem  schwarzen  Kreuz  geführt  haben,  ja  schon  zu 
des  ersten  Meisters  Heinrich  von  "Walpot  Zeiten  ist  in  des  Paul 
Polen  Chronik  ein  Wappen  mit  einem  weißen  Kreuz  im  rothen 
Felde  zu  finden. 

2.  "Wird  unnöthig  kritisirt,  daß  verschiedene  Königl.  Re- 
sidenzen, als  in  Spanien,  Frankreich,  Groß-Britannien,  Schweden, 
Dänemark  und  Polen  nicht  neben  oder  an,  sondern  in  den 
Städten  lägen;  da  sich  ebenfalls  die  hiesige  Königl.  Residenz 
nicht  neben  oder  an  der  Stadt,  sondern  in  der  Stadt  Königsberg 
findet;  denn  wenn  man  Königsberg  insgemein  ausspricht,  so  ge- 
hören dazu  auch  alle  Freiheiten  und  Vorstädte,  die  innerhalb 
der  Wälle  liegen.    Daß  aber 

3.  Ew.  Königl.  Majestät  auf  der  Burgfreiheit  zuerst  das 
Licht  der  Welt  soll  gesehen  haben,  daselbst  Dero  glorwürdigster 
und  nichts  als  Friede  ankündigender  Name  in  das  Buch  des 


19)  Paul  Pole  war  Diaconns  an  der  Altstädter  Pfarrkirche,  legte  aber 
bei  Einführung  der  Reformation  sein  Amt  wegen  Kränklichkeit  nieder  und 
wurde  Kaufmann.  Seine  Chronik  beendigte  er  am  0.  Juli  1532.  Merkelburg: 
Die  Künigsberger  Chroniken  aus  der  Zeit  des  Herzogs  Albrecht,  .  .  .  . 
Königsberg,  18ö5.    S.  217.    Note  39. 

20)  Siehe  über  ihn  das  in  der  vorigen  Note  citirte  Werk,  Einl.  XXI. 

21)  In  der  Stadt bibliothek  zu  Königsberg  i.  Pr. 


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Von  Georg  Conrad. 


15 


Lebens  verzeichnet,  daselbst  die  Gnadenkrone  vom  Himmel 
präsentirt  und  daselbst  die  Residenz  sei,  auch  die  höchste  Justiz 
daselbst  gepflegt  werde,  ist  ganz  unrichtig  und  ungereimt;  denn 
wie  eine  jede  Stadt  ihre  Vorstadt  allhier  hat,  also  hat  auch  das 
Königl.  Schloß  oder  die  Königl.  Burg  ihre  Freiheiten,  und  wird  die 
Burgfreiheit  also  genannt  ad  distinctionem  der  andern  Freiheit  oder 
sogenannten  Neuensorge,  welche  weiter  von  der  Burg  abliegt.  Es 
kann  daher  nimmermehr  gesagt  werden,  daß  das  Königl.  Schloß 
auf  der  Burgfreiheit  gelegen  sei  oder,  was  auf  dem  Königl. 
Schloß  geschehen,  der  Burgfreiheit  zugeeignet  werde,  sonst 
würde  der  Steindamm  auf  gleiche  "Weise  nicht  allein  obige  actus, 
weil  derselbe  ab  immemoriali  tempore  die  Altstädtische  Burgfreiheit 
Steindaram  und  der  Altstädtsche  Vogt22)  noch  diese  Stunde  daselbst 
Burggraf  genannt  wird,  sich  arrogiren,  sondern  auch  sagen  können, 
allhier  ist  die  Altstädtische  Pfarrkirche23)  oder  das  Altstädtische 
Rathhaus24),  welche  Redensarten  doch,  so  wie  die  der  Suppli- 
canten  von  der  Burgfreiheit,  eine  große  Verwirrung  verursachen. 

4.  Hätte  Markgraf  Albrecht  ursus,  deswegen,  weil  der- 
selbe Berlin  und  Bernau  mit  dem  Stadtrecht  begabt,  einen  un- 
sterblichen Ruhm  und  Dank  erhalten,  was  gern  zugestanden 
wird  und  auch  lobwürdig  ist,  wenn  ein  Ort,  wo  noch  zur  Zeit 
keine  Stadt  ist,  imgleichen  in  der  Nachbarschaft  sich  keine  be- 
findet, die  Gnade  erhält,  Stadtgerechtigkeit  zu  genießen.  Eine 
ganz  andere  Beschaffenheit  hingegen  hat  es  mit  den  Städten, 
welche  ohnedem  schon  sehr  schwer  ihren  kümmerlichen  Unter- 
halt suchen  müssen  und  gnadenreiche  privilegia  besitzen,  daß 
die  ihnen  privative  gegönnte  Nahrung  an  andern  nebenbei  ge- 
legenen Orten  nicht  exercirt  werden  soll.  Derselbe  Unterschied 
ist  bei  dem  Einwurf,  daß  geringe  und  weder  dem  Namen  noch 
dem  Wesen  nach  bekannte  Oerter  wegen  einer  vorgefallenen 

22)  Der  Vogt  auf  dem  Steindamm  war*  ein  Mitglied  des  Altstädtischen 
Raths  und  übte  Funktionen  des  Magistrats  Namens  desselben  aus. 

23)  Die  hier  gemeinte  Kirche  stand  damals  auf  dem  heute  sog. 
Altstädtischen  Kirchenplatz  in  der  Altstadt. 

24)  Am  Altstädter  Markt. 


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16      Ueber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  et«. 

Begebenheit,  als  wegen  erhaltenen  Sieges  oder  eines  Prinzen 
Gebnrt  und  dergleichen  aus  einem  geringen  Stande  erhoben, 
groß  und  illustre  gemacht  auch  mit  Immunitäten  und  Stadt- 
rechten zuweilen  begabt  sind,  höchst  nötliig  zu  attendiren,  denn 
circa  civitatem  constituendam  geht  solches  wohl  an,  circa  civitates 
iuxta  privilegia  conservandas  aber,  wo  daselbst  noch  eine  Stadt 
erfolgt,  ist  unfehlbar  eines  Orts  Aufbringen  und  der  andern 
Untergang  zu  erwarten,  und  würde  es  in  hoc  casu  mit  uns 
heißen:  unius  generatio  est  alterius  corruptio. 

Circa  politicas  rationes  finden  die  Burgfreiheiter  Suppli- 
canten 

1.  einen  Defect  im  Handel  bei  diesen  drei  Städten  Königs- 
berg, daß  dieselben  allerhand  Stoffe,  Gold-  und  silberne  Tressen 
und  dergleichen  zum  Verkauf  nicht  aufweisen  könnten,  woraus 
man  augenscheinlich  sieht,  daß  unter  den  Sollicitanten  Pierre 
Pellet  und  der  Gattung  Franzosen  stecken,  die  mit  ihrer  Schaum-, 
Silber-  und  Goldarbeit  mit  den  zur  größern  und  leider  mehr 
und  mehr  anwachsenden  Ueppigkeit,  Kleiderpracht  und  Hoffart 
dienenden  nichtigen,  auch  zu  großer  Schwächung  Ew.  Königl. 
Majestät  hiesiger  Unterthanen  beitragenden  Galanterien,  das 
harte  Silber  und  Gold  häufig  aus  dem  Lande  führen;  dawider 
ob  sie  wohl  einigermaßen  einwenden  möchten ,  daß  sie  ihre 
Waaren  niemanden  aufzudringen  gedächten,  so  würde  es  doch 
viel  besser  um  diese  Einwohner  stehen,  wenn,  wie  nach  der 
wahren  Regel,  wer  die  Sünde  meiden  will,  die  Gelegenheit  zur 
Sünde  verhüten  muß,  auch  bei  den  Franzosen  der  große 
excessus  der  Sachen  a  la  mode,  womit  sie  viel  einfältige  Leute 
verblenden,  abgestellt  werden  möchte,  zumal  genugsam  Gold- 
arbeit zum  anständigen  Ehrenhabit  bei  den  städtischen  Seiden- 
händlern und  Krämern  anzutreffen  ist. 

2.  Wenn  die  Supplicanten  vorgeben,  daß  die  Anlegung 
der  vierten  Stadt  zu  Ew.  Königl.  Majestät  Interesse  und  Dero 
hohen  Namens  unsterblicher  und  mit  der  Ewigkeit  selbst  fort- 
gehender gloire,  auch  zum  Nutzen  und  zur  Wohlfahrt  der  Solli- 
citanten und  ihrer  späten  Posterität  gereichen  würde,  so  besteht 


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1 


Von  Georg  Conrad.  17 

eines  Theils  die  versprochene  Vermehrung  des  Königl.  Interesses 
bei  Anlegung  einer  vierten  Stadt,  nicht  weniger  der  einge- 
wandte Schaden  bei  Nichtberücksichtigung  ihres  Vorschlags  in 
leereu  Worten,  andern  Theils  haben  unsere  Verderber  nichts 
wahreres  in  ihrer  ganzen  Vorstellung  geschrieben,  als  daß  sie, 
aus  fremden  Landen  aus  Barmherzigkeit  aufgenommen,  mit  ihren 
posteris  bei  eingerichteter  neuen  Stadt  allhier,  wovor  uns  der 
grundgütige  Gott  bewahren  wolle,  merklich  zunehmen,  und  ganze 
drei  aus  vielen  Einzöglingen  und  aus  deutscher  Nation  bestehende, 
jeder  Zeit  treugewesenon  Städte  mit  kläglichem  Seufzen  jämmer- 
lich verschmachten  müssen. 

3.  Militirt  das  Pompeii  allegatum:  quod  non  in  parietibus 
aut  muris  sed  in  ipso  hominum  coetu  et  iure  civitatis  consistat 
rechtschaffen  für  uns,  die  wir  uns  auf  keine  Mauern  und  Macht 
verlassen,  sondern  dahin  vornehmlich  sehen,  daß  gemäß  den 
Fundainentalprivilegiis,  quae  spiritus  vitales  civitatum  existunt, 
der  coetus  rei  publicae  habilis  sei  und  das  wohlerhaltene  Recht 
nicht  gekränkt  werde.    Wie  denn  auch 

4.  unserer  Verfolger  simile,  daß  gleich  einer  kleinen  Armee, 
welche  oftmals  der  größten  an  Muth  und  Tapferkeit  überlegen, 
nicht  selten  ein  kleiner  Haufe  und  Versammlung  der  Unter- 
thanen  einer  größeren  an  Treue  und  Devotion  gegen  ihren 
souveränen  Herrn  nicht  im  geringsten  nachgebe,  auf  die  hie- 
sigen devotesten  drei  Städte  Königsberg  füglich  Anwendung 
finden  kann,  da  selbige,  wie  armselig  und  ohnmächtig  sie  auch 
sich  beschaffen  befinden,  doch  bei  dem  lebendigen  Gott  ver- 
sichern, ohne  einige  Extendirung  der  städtischen  Grenzen  nie- 
mand, am  wenigsten  unsere  Gegner,  welche  nur  unter  ihrer 
verheißenen  großen  Veneration  dadurch,  daß  sie  Ew.  Königl. 
Majestät  wider  privilegia  propter  bene  merita  concessa,  quae 
nun  quam  revocantur,  zu  verleiten  suchen,  Dero  Gnadenthron  re 
vera  gröblich  verunehret,  in  ungefärbter  Treue  und  standhafter 
Submission  sich  vorziehen  zu  lassen.  In  solchem  Absehen,  wenn 
die  politica  in  Frage  kommen,  ob  es  zuträglicher  sei,  weitläufige 
Städte  und  darin  eine  große  Menge  Bürger  zu  haben,  machen 

AlM-r.  UoiiKtmchrift  IM.  XX1U.  lllt.  I  u.  ±  2 


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18     Ueber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  etc. 

dieselben  so  einen  Schluß:  civitatem  tum  esse  satis  magnam, 
cum  tanta  in  ea  est  multitudo,  quanta  ad  bene  beateque  viven- 
dum  sufficit.  Non  ergo  in  populosa  multitudine  hominum,  sed 
in  justa  proportione  ac  potentia  civium  materia  civitatis  aut 
magnitudo  cernitur. 

Zur  letzten  Gattung,  nämlich  ad  juridicas  conclusiones 
würde  gehören: 

1.  daß  unsere  adversarii  ihren  Anschlag  wegen  Stiftung 
einor  vierton  Stadt  zu  legitimiren  gedenken,  weil  sie,  wie  sie 
sagen,  unter  dem  splendiden  Titel  der  Burgfreiheiter  nichts 
weniger  als  Freiheit  und  kaum  mehr  als  nomen  et  umbram 
wider  die  huldreiche  Intention  Ew.  Königl.  Majestät  führen. 
Wie  hierin  an  der  Wahrheit  vorbeigegangen  wird,  kann  man 
vor  Erstaunen  fast  kein  Wort  sprechen.  Kurz  zu  reden:  es 
haben  sowohl  die  Burgfreiheiter  Handwerker  ebenso  viel,  als  die 
städtischen  in  allen  Stücken,  kein  einziges  ausgenommen,  zu 
genießen,  als  auch  den  Krämern  daselbst  ist  die  Zeit  her,  oinigo 
Packkammern  zu  halten,  wider  unsere  aufrichtig  erhaltenen  pri- 
vilegia  aus  großer  und  fast  unverantwortlicher  Connivenz,  welche 
Nachgebung  dennoch  Ew.  Königl.  Majestät  uns  zu  keinem 
Schaden  wolle  gereichen  lassen,  in  der  That  gegönnt  und  zu- 
gegeben worden,  überdies  auch  eine  Packkammer  derselben 
mehr  importirt  und  pretiösere  Waaren  führt,  als  in  etlichen 
städtischen  Kramen  zu  finden. 

2.  Wird  zu  dieser  demüthigsten  Städte  ärgsten  Bedrängniß 
vorgegeben,  als  wenn  die  Anlegung  einer  neuen  Stadt  zu  Nie- 
mandes Präjudiz  gereichen  und  uns  nicht  nachtheilig  sein  werde. 
Hilf  aber  lieber  Gott!  Wo  kann  was  gefährlicheres  für  die 
Städte  Königsberg  angegeben  und  erdacht  werden!  Denn  da 
selbige  auf  zwei  bürgerliche  Nahrungen,  den  Handel  und  das 
Brauwerk  fundirt  sind,  und  jetzt  schon  viele  Kaufleute,  die  in 
der  städtischen  Jurisdiction  wohnen,  wegen  Mangel  der  Nahrung 
crepiren  müssen,  es  auch  nichts  helfen  würde,  wenn  die  Freiheiter 
größern  Handel  hierher  zu  ziehen  versprechen  wollten,  weil  sie 
nicht  mehr  Abnehmer  der  Waaren,  als  die  Jahre  her  gewesen, 


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« 


Von  Georg  Conrad.  19 

verschaffen  können;  denn,  wenngleich  dieses  Jahr  auch  500  Schiffe 
mit  "Waaren  über  die  gewöhnliche  Anzahl  herkämen,  so  müßten 
auf  künftiges  Jahr  wegen  noch  nicht  abgenommener  und  ver- 
kaufter "Waare  nach  Littauen  so  viel  weniger  sich  einsteilen. 
Der  meisten  Mälzenbräuer  Brauwerk  liegt  bei  der  unvoll- 
kommenen Brauordnung  gänzlich  danieder,  obgleich  sie  tenore 
legis  die  Freiheit  haben,  alle  3  "Wochen  zu  brauen25);  sollte 
nun  in  einer  neuen  Stadt  das  Brauwerk  mitnachgegeben  werden, 
so  sind  die  3  Wochen  unwiderruflich  weiter  zum  wenigsten  in 
die  vierte  oder  fünfte  "Woche  auszusetzen,  und  lohnt  es  alsdann 
nicht,  die  beschwerliche  Nahrung  zu  continuiren;  sodann,  damit 
Ew.  Königl.  Majestät  nicht  den  Gedanken  fassen  möge,  als  wenn 
sich  die  beiden  Zünfte  der  Kaufleute  und  Mälzenbräuer  hiesiger 
Städte  einzig  aus  unverantwortlicher  Hartnäckigkeit  oder  un- 
christlicher Mißgunst  gegen  die  Scheineinwürfe  der  Freiheiter 
Einwohner  zu  opponiren  gelüsten  ließen,  würden  über  100  Kauf- 
leute und  Mälzenbräuer  nebst  ihren  Ehegatten  oder  die  nach- 
gelassenen "Wittwen  derselben  lieber  in  continenti  wünschen,  zu 
sterben,  als  bei  einer  angelegten  neuen  Stadt  in  abgenommener 
nothdürftiger  Nahrung  einen  langwierigen  Jammer  zu  treiben. 

3.  Jauchzen  zwar  schon  die  unruhigen  Supplicanten,  daß 
sie  bereits  in  solcher  Verfassung  stehen,  worin  ihnen  nichts  ent- 
gegen gesetzt  werden,  oder  was  zur  Stadt  gehörig  wäre,  fehlen 
könne;  es  mangele  ihnen  nicht  an  Schulen  und  Kirchen,  es 
manquire  ihnen  nicht  an  "Wasser  und  Mühlen,  Uhren  und  Pa- 
latien,  wozu  sie  noch  einige  Thore  nebst  einem  Stadtwappen 
auszubitten  hätten.  Doch  verhoffen  die  treudevotesten  Städte 
Königsberg  bei  Ew.  Königl.  Majestät,  unserm  huldreichsten 
souveränen  Landesvater,  mit  einer  gerechten  Sache  besser,  als 
die  mit  irrigen  Anschlägen  umgehenden  "Widerwärtigen  zu  be- 
stehen und  wider  alle  grimmigen  Anfälle  mächtigst  geschützt 
zu  werden,   weil   nach    der   Supplicanten   ganz  schlüpfrigen 


25)  cf.  Brauordnung  drei  Städte  Königsberg  d.  d.  Königsberg,  den 
2.  Mai  1692,  Art.  X. 

2* 


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20      l"eber  ein  Project  zur  Anlogung  einer  viorlen  Stadt  Königsberg  eto. 

Schlüssen  die  Königl.  Freiheit  Sackheini  wegen  des  vorbei- 
fließenden PrcgeLstromes  bequemer  zur  Stadt  wäre,  als  die  Burg- 
freiheit. Dessen  ungeachtet  ist  der  ftindus  weder  auf  dem  Sack- 
heim noch  auf  der  Königl.  Froiheit  so  beschaffen,  daß  nahe  an 
den  Städten  Königsberg  salvis  privilegiis  eine  neue  Stadt  könno 
angelegt  werden,  per  consequens  wird  auch  keine  Schließung 
mehrerer  Thore  oder  Ausgabe  eines  Stadtwappens  nöthig  sein. 

4.  Schließen  die  Sollieitanten  ihr  gefährliches  Gesuch  da- 
mit, daß  es  notorisch  sei,  in  welcher  großen  Mengo  Kauf-  und 
Handelsleute  nebst  Künstlern  und  Handwerkern  auf  der  Burg- 
freiheit sich  befinden,  obgleich  nicht  ein  einziger  daselbst  woh- 
nender Kaufmann  benannt  werden  kann,  da   es  bloße  Kramer 
sind,  die  mit  keiner  Waare  ins  Große   zu  handeln  Freiheit  er- 
halten haben,  und  es  von  den  wenigen  Handwerkern  gewiß  ist, 
daß   nicht  der  zehnte  Theil  den  verdächtigen  Supplicanten  bei- 
gefallen sei.  —  Ferner  so  viel  hiesiger  höchstbekümmorter  und 
heftig  angefochtener  drei  Städte  Königsberg  freudigst  erhaltene, 
jetzt  hingegen  kläglich  agonisirendo  Fundamentaljura  anbelangt, 
könnten   selbigo   mit  vielen   historicis   et    politicis  rationibus 
illustrirt  werden,  wovon  wir  aber  nur  tanquam  per  transennam 
eine  einzige  observationem  historicam  von  der  hiesigen  Städte 
Treue  gegen  den  Orden  aus  des  oben  bemeldeten  Paul  Polen 
Chronik  zu  berühren  für  nöthig  erachten,  welcher  referirt,  daß, 
als  die  Städte  Königsberg  einstmals  haben  persuadirt  werden 
sollen,  vom  Orden  abzustehen,  selbige  folgende  Antwort  gegeben 
hätten:  die  Städte  und  Mannschaft  auf  Samland  müßten  unter 
dem  Orden  bleiben,  da  sie  des  Ordens  geschworene  Männer 
wären,  wie  das  Gegentheil  des  Königs;  also  vermeinten  sie  auf 
keinerlei  AVeiso  vom  Orden  zu  treten,  nachdem  sie  ihr  Blut 
um  des  Ordens  willen  vergossen  hätten  und  denselben  mit  ihrem 
Geld  und  Gut  so  lang  zu  erhalten,  dem  sie  auch  fürbas  so  thun 
wollten;  denn  besser  gutlos,  loiblos,  denn  ehrlos.    In  politicis 
deduciren  die  berühmtesten  Autores,  daß  mächtige  Städte,  wenn 
selbige  einmal  im  "Wachsthum  recht  gestiegen,  selten  in  ein 
größeres  Aufnehmen  gerathen  sind,  indem  sie  zu  dessen  Be- 


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Von  Georg  Conrad. 


21 


weis  die  weltbekannten  Orto  Venedig  und  Mailand  anführen, 
welche  vor  400  Jahren  mit  derselben  Anzahl  Bürger,  wie  jetzt, 
bestanden.  Die  fundaraenta  iuris  trium  civitatum  Kegioniontaruni 
contra  stabiliendam  novam  civitatem  würden  darin  bestehen: 

1.  daß  bereits  in  dem  Samländischen  privilegio  Ludwigs 
von  Erlichshausen,  Hochmeisters  des  deutschen  Ordens  de  anno 
1455  assecurirt  worden,  die  Städte  Königsberg  bei  allen  ihren 
Privilegien,  Freiheiten  und  Gerechtigkeiten  zu  lassen  und  zu 
behalten  ihnen  die  zu  verbessern  und  nicht  zu  verkürzen20).  In 
der  Regimentsnotul  Markgraf  Albrechts  höchstseligsten  An- 
denkens vom  18.  November  1542 27),  wird  beigefügt,  die  Vor- 
sehung zu  thun,  daß  ein  jeder  bei  dem  Seinen  in  gutem,  be- 
ständigem Frieden  unbelästigt  sitzen  und  bleiben  möge,  auch 
dermaßen  zu  halten,  daß  so  viel  immer  möglich,  keine  Aende- 
rung  vorgenommen  werden  soll,  in  Bedacht,  daß  solches  ohne 
Beschwer,  Schaden  und  jeweilen  Zertrennungen  nicht  leichtlich 
geschehen  könne.  Markgraf  Georg  Friedrich  rühmlichen  An- 
denkens verspricht  in  confirmatione  der  Preußischen  privile- 
giorum  vom  24.  August  156528):  die  Unterthanen  bei  ihren  alten 
Gerechtigkeiten  Freiheiten,  Privilegien,  löblichen  Gewohnheiten 
und  Herkommen  unangefochten  bleiben  zu  lassen.  Desgleichen 
ist  diesen  Städten  in  responso  regio  vom  4.  März  1609 29)  ver- 
sichert worden,  daß  sie  bei  ihren  Prärogativen,  Immunitäten, 
löblichen  Gewohnheiten,  bei  der  Handlung  und  dem  depositorio 
keineswegs  gekränkt  oder  gemindert  worden  sollen,  wie  die  un- 
schätzbaren Worte  folgends  lauten:  in  universumque  iura,  pri- 
vilegia,  donationes  praerogativas ,  immun itates,  consuetudines 
honestas  ac  laudabiles,  iurisdictionem,  emporia,  depositoria,  portus 
quorum  in  uhu  et  possessione  hactenus  fuerunt,  nulla  re  violari 
imminuivo  concedet,  welcher  Verhoißung  der  durchlauchtigste 


26)  cf.  Privilegiii  der  Stunde  des  Herzogthums  Preussen.  Braunsberg 
im,  Blatt  20  v. 

27)  c.  1.  Bl.  55*  und  v. 

28)  c.  1.  Bl.  58  v. 
2b)  c.  L  Bl.  %. 


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22     Ueber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  etc. 

Kurfürst  Johann  Sigismund  löblichen  Gedächtnisses  in  confir- 
matione  der  Städte  privilegiorum  de  dato  20.  Julii  1609 30)  gnä- 
digst beifallt.  Insonderheit  ist  in  decretis  et  actis  regiis  anno 
1609 31)  habitis  heilsam  festgesetzt:  civitatensibus  nihil  praeter  ipso- 
rum  spontaneum  consensum  in  iis  quae  de  novo  instituenda  fuerint, 
imponi  et  praeiudicari  posse.  Solche  von  Gnaden  und  Hulden 
überfließende  privilegia  hat  Sr.  Churf.  Durchl.  Georg  Wilhelm 
mit  einem  besondern  Nachdruck  bestärkt,  wenn  er  in  dem  anno 
1621  gehaltenen  Landtag  also  redet:  privilegia  iuraque  ordinum 
ducatus,  pactis  et  recessibus  in  vim  legum  perpetuarum  stabilita 
nobis  iurisiurandi  religione  amore  et  favore  erga  ducatus  incolas 
apprime  commendata  erunt;  wohin  unter  vielen  andern  drei 
gnadenreiche  privilegia  de  anno  1618,  1621  und  1663,  daß  die 
sämmtüchen  Königlichen  Freiheiten  auf  keine  Handlung  oder 
Braunahrung  fundirt  sind,  nicht  weniger  die  pacta  Welaviensia 
de  anno  1657  in  verbis:  Serenissimus  elector,  eius  descendentes 
masculi,  barones,  nobiles,  civitates  et  magistratus  ac  subditos 
omnes  Prussiae,  cuiuscunque  gradus  ac  conditionis  sint,  in  avi- 
tis  receptisque  privilegiis,  statutis,  iuribus  ac  libertatibus  huic 
conventioni  non  derogantibus  conservabunt  auc  manutenebunt, 
nec  quicquam  in  contrarium  attentabunt  aut  innovabunt  vel  a 
quovis  attentari  aut  innovari  patientur  etc.  zu  referiren.  Zwar 
wenn  es  auf  unsere  Gegner  ankommen  sollte,  würden  sie  leicht- 
lich  sagen  können,  es  wäre  in  obigen  Versicherungen  gleichwohl 
in  specie  nicht  gedacht,  keine  neue  Stadt  in  Königsberg  anzu- 
legen; welchem  nichtigen  Einwurf  aber  mit  Grund  der  Wahr- 
heit zu  begegnen  ist,  daß  obberegte  assecurationes  den  valorem 
haben,  als  wenn  verbotenus  wäre  inserirt  worden,  keine  neue 
Stadt  in  Königsberg  zu  stiften,  in  Anbetracht  dessen,  daß  da- 
durch die  hiesigen  Städte  contra  laudirte  privilegia  in  ihrer 
Nahrung  mächtig  würden  verkürzt,  die  Einwohner  nicht  un- 
belästigt  gelassen,  große  Aenderung  vorgenommen,  alte  löbliche 


30)  c.  1.  Bl.  111  v. 

31)  c.  1.  Bl.  108. 


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Von  Georg  Conrad. 


2.3 


Gewohnheiten  und  Herkommen  angefochten,  der  Bürger  Präro- 
gativen vor  den  Freiheiten  gemindert  und  gekränkt,  auch  un- 
erhörte und  unvermuthete  Neuerungen  und  präjudicirliche  Dinge 
eingeführt  werden,  zumal 

2.  die  landesväterliche  Herrschaft  aus  Liebe  und  Huld 
gegen  die  Mälzenbräuerzünfte  der  Städte  laut  dem  Landtagsab- 
schied vom  2.  April  IG  18  sich  begeben  und  —  es  sind  ipsa  verba 
der  Verabscheidung  —  nicht  bemächtiget  ist,  innerhalb  einer 
Meile  von  Königsberg  einen  einzigen  Krug  anzulegen.  Tausend- 
mal weniger  werden  Ew.  Königl.  Majestät,  als  der  souveraine 
gnädigste  Landesherr,  den  dieses  Preußen  jemals  gehabt,  nach- 
dem vor  Dero  majestätischen  Thron  unsore  Noth  wird  erschollen 
sein,  geschehen  lassen,  eine  ganze  neue  Stadt  hart  an  3  mise- 
rable und  nach  besserm  Aufwachs  von  Jahr  zu  Jahr  strebende 
Städte  zu  gründen. 

3.  Werden  die  sämmtlichen  Königlichen  Freiheiter  in  all- 
gemeinen Willigungen  gemäß  der  Landtagsverordnung  de  anno 
1G82  zu  den  Städten  Königsberg  gerechnet,  und  machen  mit 
denselben  Städten  ein  individuum,  welches  in  verschiedene  raem- 
bra  getheilt,  daß  einige  membra  ein  majus,  andere  ein  minus 
Privilegium  genießen,  so  bald  aber  ein  geringerer  Theil  die 
Stadtgerechtigkeit  gewinnt,  müssen  dio  noch  schwachen  partes 
essentiales  nothwendig  in  größere  Schwachheit  gerathen. 

4.  Ist  den  Magisträten  dieser  Städte  unter  anderm  laut 
dem  Landtagsabschied  de  anno  1663  allein  vergönnt,  das  Bürger- 
recht tüchtigen  subjectis  zu  conferiren  und  haben,  so  lange  die 
Städte  Königsberg  stehen,  die  löblichen  hochmeisterliehen,  mark- 
gräflichen, kurfürstlichen  und  höchsten  königlichen  Herrschaften 
dieses  Landes  und  Königreichs  keinen  einzigen  Bürger  allhier 
eingesetzt,  sondern  wie  der  Adel  das  ius  indigenatus,  also  con- 
ferirt  der  Magistrat  bene  meritis  das  Bürgerrecht,  doch  muß 
kein  Bürger  auf  Handel  und  Braunahrung  aus  dem  Bezirk  der 
rechten  Stadt  sich  setzen;  durch  Nachgebung  aber  einer  neuen 
Stadt  auf  der  Burgfreiheit  würde  eine  ganze  Schaar  anderer 
Bürger  anwachsen,  und  die  halbvcrsunkonen,  doch  auf  göttliche 


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24      Uelior  oin  Pro  jcrt  zur  Aule-gang  einer  vierten  Stadt  Königsberg  etr. 


Hülfe  wartenden  und  in  iniinemoriali  possessione  sich  befindenden 
Kaufleute  und  Mälzenbräuer  bei  den  drei  Städten  Königsberg 
völlig  ersäufen. 

5.  Das  sonnenklarste  fundamentum,  welche  unsere  miß- 
günstigen Supplicanteu  mit  keiner  List  oder  Explication  über- 
wältigen können,  hat  der  große  Friedrich  Wilhelm,  Kurfürst, 
nunmehr  und  in  alle  Ewigkeit  bei  Gott  hochwaltend,  den  de- 
nitithigsten  Städten  Königsberg  allergnädigst  anno  1681  und 
1686  ertheilt,  daß  daselbst  privative  einzig  und  allein  Handel 
und  Braunahrung  getrieben  und  exercirt  werden  soll.  Von 
gleicher  Würde  ist 

6.  sowohl  Ew.  Königl.  Majestät  huldreiche  confirmatio  pri- 
vilegiorum  de  anno  1690,  als  auch  Deroselben  mildvolle  Assecu- 
ration bei  der  von  Gott  erhaltenen  Königl.  Krone  vom  5.  Ja- 
nuar 1701,  daß  in  den  bisherigen  Verfassungen  nicht  die  aller- 
geringste Aenderung  gemacht,  sondern  Alles  auf  den  bisherigen 
Fuß  unverrückt  in  seiner  völligen  Kraft  und  vigor  erhalten 
werden  soll,  zumal  desfalls  die  sämmtlichen  Einwohner  dieser 
Städte  aufs  beste  versichert  worden,  dergleichen  majestätische 
Worte  höher  und  kräftiger  zu  ästimiren,  als  viele  Begimenter 
der  tapfersten  Völker,  die  nach  unserer  kümmerlichen  Nahrung 
trachtenden  Feinde  mächtigst  zu  zerschmettern. 

7.  Haben  diese  höchstbetrübten  Städte  in  der  Sache  des 
Pellet  vor  kurzem  eine  freudige  Decision  erhalten,  daß  derselbe 
das  Bürgerrecht  in  der  Stadt  zu  prosequiren  oder  den  Handel 
fahren  zu  lassen  schuldig  sein  soll.  Aus  einer  neu  anwachsenden 
Stadt  aber  würden  diese  drei  devotesten  Städte  unzähligmal 
mehr  verlieren,  als  bisher  gewonnen  ist.  Endlich  befürchten 
billig 

8.  die  sämmtlichen  Handwerker,  da  wegen  der  schon  all- 
hior  vorhandenen  großen  Menge  ihrer  Mitmeister  viele  unter 
ihnen  verarmen,  daß  sie  bei  Einführung  von  noch  mehr  fremden 
Leuten  und  Arbeitern  in  der  vorhabenden  neuen  Stadt  vollends 
ruinirt  werden  möchten.  Deswegen  suchen  aus  den  oben  an- 
geführten Ursachen  unter  dem  Schatten  des  kühlenden  und  er- 


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Von  Georg  Conrad. 


25 


quiekenden  majestätischen  Erbarmungstlirones  Ew.  Königl.  Ma- 
jestät, unsers  mehr  als  königlichon  souverainen  Landesvaters  und 
Herrn,  wir  trostlose,  bis  auf  das  Mark  gerührte  Unterthanen 
höchstnöthige  Ruhe  und  sehnliche  Erfrischung  wider  die  un- 
erträgliche Hitze  unserer  Anfechter,  damit  nicht  die  meisten 
schon  in  bedrücktem  Zustande  sich  befindenden  Einwohner 
dieser  Städte  bei  gesundem  Leibe,  aber  inangelnder  Nahrung 
und  Beschirmung  gleich  einem  Schemen  verzehrt  und  verheert, 
vielmehr  aber  des  Gegentheils  etwa  einseitig  erhaltene  conces- 
siones,  quia  privilegia  per  fraudem  data  nullius  sunt  momenti 
1.  2  Cod.  d.  s.  trin.  einmal  für  alle  mal  cassirt  werden  mögen. 
"Wogegen  wir  mit  größerer  Inbrünstigkeit,  so  oft  uns  die  Burg- 
freiheit  in  den  Sinn  kommen  wird,  herzliche  Dankopfer  mit 
angehängtem  eifrigsten  Wunsch  für  Ew.  Königliche  Majestät 
immerwährenden  Flor  zu  Gott  dem  Höchsten  zu  schickeu  ver- 
sprechen, nebst  demüthiger  Zurückkehrung  des  Inschlusses  er- 
sterbende 

Ew.  Königlichen  Majestät 
unsers  allergnädigsten  souverainen  Königs 

Königsberg, 

den  28.  April  1701. 

allerunterthänigst  treugehorsamste  Bürgermeister,  Räthe, 
Gerichte,  Zünfte  und  Gemeinde  dreier  Städte  Königs- 
berg. 

Ein  neues  Rescript  des  Königs  an  die  Preußische  Re- 
gierung d.  d.  Schönhausen  den  30.  April  1701  bewies  aber,  welches 
Interesse  der  König  an  dem  Zustandekommen  des  neuen  Pro- 
jectes  nahm.  Es  behalte,  hieÜ  es  in  dem  Rescript,  bei  der 
vorigen  Verfügung  sein  Bewenden;  da  er  jedoch  dieses  Werk 
gern  vollständig  zu  Stande  gebracht  sehen  wolle,  so  befehle  er, 
zu  berichten,  wie  die  neue  Stadt  eingerichtet  werden  solle,  in 
sjiccic.  was  wegen  Besetzung  des  Magistrats  anzuordnen  sei, 
welchen   er  aus  beiderlei  Evangelischen,  Reformirten  und  Lu- 


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26      Ueber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  otc. 

therischen  bestellt  wissen  wolle852)  Endlich  sollte  die  neue  Stadt, 
wie  schon  vorordnet,  vom  Oberburggräf liehen  Amte  dependiren. 
Die  3  Städte  meinten  nun  das  Gewicht  ihrer  schriftlichen  Er- 
innerungen noch  durch  Absendung  einer  Deputation  verstärken 
zu  müssen,  welche  durch  persönliche  Vorstellungen  auf  die  Ent- 
schlüsse des  Königs  wirken  sollte.  Demgemäß  war  schon  am 
2.  Mai  1701  ein  Bittgesuch  der  Bürgermeister  und  Räthe  der 
3  Städte  Königsberg  um  Zulassung  einer  Deputation  an  den 
König  abgesetzt,  welches  einem  Schreiben  an  den  damals  all- 
mächtigen Oborkammerherrn  Grafen  von  Wartenberg  in  Berlin 
beigefügt  wurde.  Gleichzeitig  wurden  auch  der  Oberhofmar- 
schall von  Dohna  und  der  Geheime  Rath  von  Ilgen  ersucht,  der 
Sache  der  3  Städte  Königsberg  förderlich  zu  sein. 

Der  Graf  von  "Wartenberg  antwortete  den  3  Städten  schon 
am  10.  Mai,  daß  er  ihre  Supplik  an  den  König  dem  maitre 
des  requetes  von  Wedel  übergeben  habe,  und  daß  die  königliche 
Entscheidung  demnächst  erfolgen  werde. 

Am  15.  Juni  befahl  der  König  der  Preußischen  Regierung 
von  Cölln  aus,  da  er  gern  sehe,  daß  seine  Intention  wegen  Er- 
richtung einer  vierten  Stadt  Königsberg  je  eher  je  lieber  zum 
Effect  komme,  die  anbefohlenen  Expeditionen  entwerfen  zu 
lassen  und  einzuschicken. 

Am  27.  Juni  berichtete  die  Regierung  an  den  König,  sie 
hätte  schon  längst  ihr  Gutachten  abgesandt;  es  wäre  ihr  aber 
nicht  möglich  gewesen,  das  Archiv  gründlich  zu  benutzen,  da 
der  Archivarius  desselben  mit  königlicher  Erlaubniß  nach  Berlin 
gereist  und  jetzt  auf  der  Rückfahrt  begriffen  sei.  Ueber  diesen 
Bericht  war  der  König  sehr  ungehalten,  er  schalt  in  dem  Re- 
script  d.  d.  Oranienburg  den  8.  Juli  1701  über  die  schlechte 
Archivverwaltung,  es  seien  doch  mehrere  Archivbeamte  ange- 
stellt; er  verlange  eine  Besserung  hierin.  Die  Einrichtung  der 
neuen  Stadt  solle  aber  gefördert,  und  dies  denon  mitgetheilt 
werden,  welche  sich   in  der  neuen  Stadt  niederlassen  wollten. 

32)  Dies  war  eine  Neuerung.  Erst  unter  Friedrich  "Wilhelm  1.  wurden 
dio  Rcformirten  zu  den  Stadtämtern  zugelassen. 


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Yon  Georg  Conrad. 


27 


Doch  eine  Entscheidung  auf  die  Bittgesuche  der  3  Städte 
Königsberg  ließ  noch  immer  auf  sich  warten.  In  Folge  dessen 
wandten  sich  die  drei  Städte  Königsborg  unter  dem  15.  Juli  mit 
einem  Schreiben  an  den  Grafen  von  Wartenberg  und  mit  einem 
gleichen  an  den  Geheimen  Rath  von  Ilgen;  sie  hätten  bis  zur  Stunde 
nicht  allein  keinen  tröstlichen  Bescheid,  sondern  es  sei  auch 
noch  dazu  vor  wenigen  "Wochen  die  Rede  gegangen,  daß  die 
Kriegskammer  beordert  sei,  zu  berichten,  wie  auf  der  Burg- 
freiheit  die  märkische  Accise  eingeführt  werden  könnte.  Da 
unstrittig  die  sämmtlichen  Freiheiten  nebst  der  Königlichen 
Burgfreiheit  bei  allen  Willigungen  der  Landtage  seit  undenk- 
licher Zeit  zu  den  3  Städten  Königsberg  gehört  haben  und 
wirklich  schon  in  dem  jetzigen  Jahresquantum  der  30000  Thal  er 
stecken,  demgemäß  auch  in  dem  District  allein  keine  besondere 
Accise  erhoben  worden  könne,  weil  dadurch  eine  doppolte  Last 
auf  die  verarmten  Städte  zurückfallen  möchte,  so  seien  sie  um 
so  mehr  in  ihren  Privilegien  zu  schützen.  Auch  mit  Rücksicht 
auf  die  gemäß  dem  Königlichen  Landtagsabschiede  vom  27.  Fe- 
bruar 1701  ausgeschriebene  Kronsteuer,  bei  welcher  die  Städte 
Königsberg  bei  ihrer  notorischen  Possession  ratione  decimae 
gelassen  sind,  obwohl  die  Regierung  einen  höheren  Beitrag  ver- 
langte, hätten  die  Städte  alle  Ursache  zu  präcaviren,  daß  nicht 
auf  einseitiges  Petitioniren  etwas  Präjudi ehrliches  wider  das 
offenbare  Recht  der  Städte  verordnet  werde.  Auch  den  Hof- 
rath Hamrath33),  der  soeben  durch  die  Gnade  des  Königs  De- 
cernent  in  den  Preußischen  Sachen  geworden  war,  suchten  die 
3  Städte  in  ihr  Interesse  dadurch  zu  ziehen,  daß  sie  sein  Wohl- 
wollen durch  ein  Schreiben  oaptirten,  dem  sie  „ein  Weniges 
ad  rationemu  ihrer  „künfftigen  Erkcndligkeit"  beifügten  (ver- 
muthlich  200  Dukaten). 

Darauf  gab  derselbe  den  3  Städten  folgende  ebenso  feine, 
wie  eines  Preußischen  Beamten  würdige  Antwort,   die  es  wohl 


38)  Er  selbst  schreibt:  Hamraht. 


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28      Ueber  ein  Projeet  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  etc. 


verdient,  in  der  Orthographie  des  uns  glücklicherweise  erhaltenen 
Originals  hierher  gesetzt  zu  werden: 

Wollgebohrner,  Hochedle  Veste  und  Hochgelahrte! 
Meine  Inbesonders  Hochgeehrte  Herren! 

Deroselben  geehrtes  Habe  woll  erhalten  und  Gleichwie 
Meinen  Hochgeehrten  Herren  ich  zum  Höchsten  obligiret  bin 
für  die  gütige  gratulation,  so  Dieselbewegen  der  von  Sr.  Königl. 
Maj.  Mir  allergnädigst  conferirten  expodition  des  Königreichs 
Preußen  mir  zu  machen  belieben  wollen,  Also  wird  Mir  auch 
allemahl  eine  sonderbahre  Freude  und  Vergnügen  seyn,  wan 
ich  Dadurch  Gelegenheit  überkommen  möchte,  Denenselben  an- 
genehme gefällige  Dienste  erweisen  zu  können  etc.  Was  aber 
Die  aufirichtung  der  Dortigen  Neuen  Friderichs-Stadt  anbelanget, 
So  Bestehen  Sr.  Königl.  Maj.  Unser  allergnädigster  Herr  dar- 
auf? dergestallt,  daß  nicht  zu  glauben,  daß  Sie  Ihre  aller- 
gnädigste  Willens-Meinung  darunter  ändern  werden.  Im  übrigen 
bin  ich  M.  hochgeehrten  Herren  für  Das  Mir  übersande  praesent 
zum  Höchsten  verbunden,  wie  ich  aber  dergleichen  Von  Nie- 
manden nehme,  So  werden  Dieselbe  Hoffentlich  nicht  übell  Deuten, 
daß  ich  die  Freyheit  gebrauche,  selbiges  Hierbeygehend  zurück 
zu  senden  mit  der  auffrichtigen  Versicherung,  Daß  ich  ohnedem 
Jedesmahl  seyn  werde 

Meiner  Hochgeehrtesten  Herren 
Dienstwilliger  Diener 

Berlin,  den  27.  Juli  1701.  Hamraht. 

Adresse : 

Denen  Wollgebohrnem  Hochedlen  Veston  und  Hochgelahrten, 
Wollverordneten  Herren  Burgemeistern  und  Rähten  der  Dreyen 
Königl.  Städte   Königsberg,   Meinen  Insonders  Hochgeehrten 

Herrn  Königsberg. 

Am  22.  August  1701  schickte  die  Regierung  endlich  ihren 
Bericht  dem  Könige  ein.    Sie  legte  demselben  eine  Abschrift 


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Von  Georg  Conrad. 


29 


der  Fundationsprivilegien  der  Altstadt  und  Kneiphofs,  sowie  eine 
uns  noch  erhaltene  Consignation  der  auf  der  Burgfreiheit  befind- 
lichen Gründe  nebst  ihren  Eigenthümern,  Miethern  und  An- 
gabe der  Professionen  der  Einwohner  bei;  letztere  war  auf  Be- 
fehl des  Oberburggrafen  von  Rauschko  durch  die  Gemeinältosten 
daselbst  im  Juni  und  Juli  1701  aufgestellt  worden.  Diese  Con- 
signation ergebe,  so  lautete  der  Bericht  der  Regierung,  was 
etwa  für  Häuser  verblieben,  wenn  die  Königlichen  Gründe  und 
adligen  Höfe  und  Häuser  abgezogen  würden,  und  daß  jeno 
Häuser  meistens  von  Handwerkern,  Hökern  und  dergleichen 
Leuten  bewohnt  würden.  Aus  den  Privilegien  geruhe  der  König 
zu  bemerken,  daß  die  Fundationen  der  andern  Städte  eigent- 
lich und  principaliter  auf  die  Stiftung  der  Magisträte,  als  Bürger- 
meister, Käthe  und  Gerichte  cum  plonaria  iurisdictione  und  dann 
auf  das  freie  Commercium  eingerichtet  seien. 

Bezüglich  der  Magistrate  sei  nichts  zu  erinnern.  Bezüg- 
lich des  Commerciums  würde  es  auf  das  Befinden  des  Königs 
ankommen,  ob  ein  Unterschied  zwischen  Groß-  und  Kleinbürgern, 
wie  in  den  andern  Städten,  zu  machen  und  ob  nur  jenen  das 
Recht  des  freien  Handels  zu  verstatten  sei;  das  Bürgerrecht 
würde  bei  der  Kammer  gewonnen  und  das  Quantum  dafür  nach 
Verhältniß  des  Vermögens  eines  jeden  eingerichtet  werden 
müssen.  Die  Zahl  der  Brauhäuser  würde  wohl  nothwendig  auf 
sechs  zu  beschränken  sein,  weil  auch  bei  den  andern  Städten 
eine  gewisse  Anzahl  von  Brauhäusern  nicht  überschritten  werden 
dürfe. 

Nach  Abgang  dieses  Gutachtens  der  Regierung  traf  das 
von  den  3  Städten  so  sehr  ersehnte  Königliche  Rescript  ein. 

Es  war  unter  dem  19.  August  1701  von  Potsdam  aus  an 
die  Preußische  Regierung  in  einem  den  3  Städten  günstigen 
Sinne  ergangen. 

Der  König  versicherte  in  demselben,  es  sei  nie  seine  In- 
tention gewesen,  den  3  Städten  Königsberg  Abbruch  zu  thun, 
vielmehr  habe  er  ihr  Aufblühen  durch  Vermehrung  der  Ein- 
wohner siehern  und  befördern  wollen,  deswegen  habe  er  in  Gnaden 


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30      I'eber  ein  Projcct  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  etc. 


resolvirt,  den  Städten  Königsberg  zu  erlauben,  einige  Deputirte 
nach  seinem  Hoflager  zu  schicken,  durch  welche  sie  ihre  Ein- 
wendungen gegen  die  Anlegung  der  neuen  Friedrichsstadt  dar- 
legen könnten;  darauf  würde  er  sich  je  nach  Befinden  erklären. 
Gleichzeitig  ertheilte  er  der  Preußischen  Regierung  den  Auf- 
trag, dies  den  3  Städten  bekannt  zu  machen,  damit  sie  die  Ab- 
ordnung der  Deputirten  beschleunigen  könnten;  inzwischen  sei 
mit  der  Einrichtung  der  Friedrichsstadt  bis  zu  fernerer  Ver- 
ordnung einzuhalten. 

Die  Oberräthe  erledigten  den  erhaltenen  hohen  Auftrag 
am  7.  September. 

So  sehr  die  Städte  über  diese  günstige  "Wendung  der  Sache 
erfreut  waren,  so  wenig  wollte  es  ihnen  gelingen,  über  eine 
neue  Verlegenheit  hinwegzukommen.  Zunächst  waren  Persön- 
lichkeiten, die  sich  als  Deputirte  nach  Berlin  begeben  wollten, 
nicht  vorhanden.  In  einer  der  3  Städte  war  so  eben  der  Bürger- 
meister verstorben,  in  den  beiden  andern  waren  die  Bürger- 
meister theils  ihrer  Kränklichkeit,  theils  ihres  hohen  Alters 
wegen  nicht  geneigt,  sich  den  Strapazen  einer  Herbstreise  nach 
dem  Hoflager  des  Königs  auszusetzen,  andere  an  sich  geeignete 
Personen  leimten  die  an  sie  ergangene  Aufforderung  ab,  theils 
aus  Gesundheitsrücksichten,  theils  mit  Rücksicht  auf  ihr  Amt 
oder  ihr  Geschäft,  theils  mit  Rücksicht  auf  die  gefahrdrohende 
Lage  der  augenblicklichen  politischen  Situation;  denn  Karl  XH. 
hatte  sich  eben  mit  seinen  Truppen  den  Grenzen  des  König- 
reichs in  einer  "Weise  genähert,  die  das  Schlimmste  befürchten 
ließ,  so  daß  Niemand  Weib  und  Kind  und  seine  Habseligkeiten 
zurücklassen  mochte.  Sodann  befanden  sieh  die  Kämmereien 
der  Städte  in  einem  so  traurigen  Zustande,  daß  sie  außer 
Stande  waren,  die  zur  Bestreitung  der  Kosten  der  Deputation 
erfordorlichen  Geldmittel  aufzubringen. 

Demgemäß  kamen  die  3  Städte  darin  überein ,  dem 
Könige  für  die  Präliminarresolution  vom  19.  August  zu  danken 
und  ihn  zu  bitten,  unter  Berücksichtigung  ihrer  mißlichen  Lage 
von  der  Entsendung  einer  Deputation  abzusehen  und  sich  an 


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Von  Georg  Conrad. 


31 


die  schriftlichen  Ausführungen  zu  halten.  Eine  Petition  dieses 
Inhalts  übergaben  sie  ain  19.  September  1701  der  Preußischen 
Regierung,  die  sie  dem  Könige  übermittelte. 

Um  ihrer  Bitte  noch  mehr  Nachdruck  zu  verschaffen, 
wandten  sie  sich  unter  dem  23.  September  wieder  an  den  Ober- 
kammerherrn Grafen  von  Wartenberg,  der  bisher  alle  in  dieser 
Angelegenheit  ergangenen  königlichen  Verordnungen  mit  Aus- 
nahme derjenigen  vom  30.  April  gegengezeichnet  hatte,  und  an 
den  Geheimen  Rath  von  Ilgen  mit  der  Bitte,  ihre  Petition  beim 
Könige  zu  befürworten.  Zu  gleicher  Zeit  sollte  auch  ein  von 
dem  damaligen  Secretarius  der  Altstadt,  dem  bekannten  Hein- 
rich Bartsch  verfaßtes  und  schon  expedirtes  Schreiben  an  den 
Hofrath  Hararath  abgehen,  in  welchem  derselbe  gebeten  wurde, 
das  neue  Gesuch  der  3  Städte  zu  befürworten,  und  angefragt 
wurde,  ob  er  es  übernehmen  wolle,  im  Namen  der  3  Städte 
Königsberg  dem  Grafen  von  Wartenberg  200  Ducaten  zu  offeriren. 

Dieser  letzte  Passus,  dessen  Unschicklichkeit  man  wohl 
nachträglich  bei  Berücksichtigung  des  Vorhergegangenen  her- 
ausfühlte, wurde  gestrichen  und  eine  neue  Expedition  desselben 
Schreibens  unter  dem  4.  Oktober  an  Hamrath  abgesandt.  Der 
König  resolvirte  nun  d.  d.  Potsdam,  den  18.  Oktober  1701  an 
die  Regierung,  daß  er  auf  der  Entsendung  der  Deputation  be- 
stehen müsse,  daß  aber  der  Kostenersparniß  halber  wohl  nur 
eine  Person  gebraucht  werden  dürfe. 

Unter  dem  24.  Oktober  setzte  die  Regierung  die  3  Städte 
von  dieser  Resolution  des  Königs  in  Kenntniß. 

Diese  beschlossen  in  einem  erneuten  Gesuche  den  König 
zu  bitten,  sie  mit  Rücksicht  auf  ihre  mißliche  Lage  auch  von 
der  Absendung  des  einen  Deputirten  zu  entbinden. 

Das  Gesuch  derselben  an  den  König  wurde  einer  noch- 
maligen schriftlichen  Vorstellung  beim  Grafen  von  Wartenberg 
beigefügt,  die  am  15.  November  gleichzeitig  mit  einem  Schreiben 
an  den  Baron  v.  Fuchs  und  den  Hofrath  Hamrath  abging. 

Am  22.  November  antwortete  der  Graf  von  Wartenberg 
den  drei  Städten  Königsberg: 


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32      U'iber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  otr. 


Hoch-  und  Woledle,  Grossacbtbahre,  Hoch-  und  Wol- 
weiso,  besonders  Hoch-  und  Vielgeebrto  Herren! 
Das  von  Denenselbcn  mir  jüngsthin  unterm  15t,M1  dieses 
adressirto  Supplicatum  an  Sr.  Königliche  Ma37estät,  worinnen 
Sie  noch  mahlen  umb  Nachlaßung  der  verlangten  Deputation 
allerunterthänigst  bitten,  habe  icli  denen  Herren  Geheimbten 
Rathen  bestens  recommendiem  laßen,  umb  es  in  favorablen  ter- 
minis  vorzutragen,  und  wird  hofl entlich  die  allergnädigste  re- 
solution  darauf  nechster  Tagen  erfolgen.  Ich  wünsche,  daü 
so  wol  selbige,  alß  Meiner  Hoch-  und  vielgeehrten  Herren  übrige 
Unternehmungen  Zum  aufnehmen  und  Besten  der  löblichen 
Dreyen  Städte  ausschlagen  mögen,  worzu  ich  gern  meines  ortes 
jeder  Zeit  beytragen  wil,  wie  ich  dann  auch  en  particulier  bin 

Meiner  Hoch-  und  Vielgeehrten  Herren 
Dienst  und  freundwilliger 
Gr.  v.  Wartenberg. 

Berlin,  den  22.  November  1701. 

Mit  diesem  Schriftstück  hören  die  Quellen  plötzlich  auf. 
Der  Ausgang  der  Sache  ist  leicht  anzugeben:   das  vom 

- 

Könige  mit  allmälig  wachsendem  Interesse  verfolgte  Projekt  ist 
Projekt  geblieben. 

"Warum?  Das  ist  schwer  zu  sagen.  Doch  läßt  sich  die 
Vermuthung  nicht  von  der  Hand  weisen,  daß  der  Graf  von 
Wartenberg,  in  Folge  des  von  den  drei  Städten  erhaltenen 
Geldgeschenkes  die  Anlegung  der  Friedrichsstadt  hintertrieben 
habe.  Das  war  ihm  um  so  leichter,  als  er  sich  beim  Könige  eines 
bedeutenden  Ansehens  erfreute. 

Zwar  ist  die  Thatsache,  daß  er  jene  200  Dukaten  wirklich 
erhalten  habe,  nicht  direkt  zu  erweisen,  allein  wer  den  Charakter 
von  Wartenbergs  kennt,  wer  die  erhaltene  Correspondenz  ob- 
jectiv  prüft  und  namentlich  den  letzten  äußerst  zuvorkommenden 
Brief  desselben  mit  dem  früheren  mehr  geschäftsmäßigen  Briefe 
vergleicht,  wird  der  von  uns  aufgestellten  Vermuthung  bei- 
stimmen. 


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Von  Georg  Conrad. 


Als  eine  "Widerlegung  dieser  Vermuthung  kann  es  nicht 
angesehen  werden,  daß  die  Kämmereirechnung  der  Stadt  Kneip- 
hof vom  Jahre  1701  —  die  von  der  Altstadt  und  vom  Löbenicht 
war  nicht  aufzufinden  —  unter  „Ausgabe"  keinen  Beitrag  zu 
jenem  Präsent  an  den  mächtigen  Minister  enthält.  Denn  jene 
200  Dukaten  waren  offenbar  privatim  durch  die  einzelnen  Raths- 
glieder der  3  Städte  aufgebracht.  Dies  war  um  so  nothwendiger, 
als  die  Kämmereien  von  Altstadt  und  Kneiphof  —  Löbenicht 
besaß  einiges  Capital  —  derart  verschuldet  waren,  daß  sie 
solche  außergewöhnliche  Ausgaben  nicht  ertragen  konnten.  Zu- 
dem würde  eine  derartige  Ausgabe  f\;  ta  5tovra1  die  Solvenz 
der  städtischen  Kämmereien  vorausgesetzt,  in  einer  Rechnung, 
die  hinterher  von  der  Preußischen  Regierung  revidirt  wurde, 
nicht  erkennbar  gemacht  worden  sein. 

Für  die  Geschichte  von  Königsberg  haben  wir  nunmehr 
die  unsers  "Wissens  in  der  Litteratur  nicht  behandelte  Thatsache 
zu  registriren,  daß  der  von  den  Einwohnern  der  Burgfreiheit 
beabsichtigte  anfänglich  erfolgreiche  Versuch,  Friedrich  I.  zur 
Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg,  der  Friedrichsstadt, 
auf  dem  Territorium  der  Königlichen  Burgfreiheit  zu  veran- 
lassen, an  dem  "Widerspruche  der  drei  Städte  Königsberg  und 
vermuthlich  in  Folge  einer  pflichtwidrigen  Einwirkung  des 
Grafen  von  Wartenberg  auf  die  Entschlüsse  des  dem  Projekte 
wohlgeneigten  Königs  scheiterte. 

Die  Folgezeit  war  nicht  dazu  geeignet,  derartige  Projekte 
zur  Ausführung  zu  bringen.  Dire  Tendenz  ging  vielmehr  dahin, 
die  nebeneinander  bestehenden  Städte  im  Interesse  einer  ein- 
heitlichen und  sparsamen  Verwaltung  und  der  Vereinfachung 
der  Rechtspflege  zu  vereinigen. 

Diese  Vereinigung  erfolgte  für  die  drei  Städte  Königsberg, 
deien  Vorstädte  und  die  Königlichen  Freiheiten  durch  das 
Rathhäusliche  Reglement  der  drei  Städte  Königsberg  vom 
13.  Juni  1724. 


Altpr.  MoufttMcbrift  Bd.  XXIH.  Hft.  1  u.  2.  3 

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Über  das  litauische  haus. 

Ein  versuch 
von 

A.  Hezzenberger. 

(Mit  21  Zeichnungen.) 

Ältere  nachrichten  über  diesen  gegenständ  verdanken  wir 
Mathias  von  Miechow  (ca.  1500)  bei  Pistorius  Polonicae  historiae 
corpus  I,  8.  143  =  II,  s.  194;  Sigismund  von  Herberstein  (1549) 
ebenda  I,  s.  156;  Alexander  Guagninus  (ca.  1580)  ebenda  I,  s.  45 
(der  an  dieser  stelle  fast  wörtlich  mit  Herberstein  übereinstimmt 
und  hier  entweder  diesen  oder  dessen  quelle  abgeschrieben  hat); 
Jan  Lasiczki  (ca.  1580)  De  diis  Samagitarum  (Basileae  1615) 
s.  45;  Georg  Bruin  (al.  Braun)  Civitates  orbis  terrarum,  III 
(Cöln  1593),  s.  59 ;  Caspar  Hennenberger  Erclerung  der  preüßischen 
größern  landtaffel  (Königsberg  1595)  s.  161;  Erhard  "Wagner 
Vita  et  mores  Lithuanorum  (1621),  Acta  borussica  I,  s.  146; 
Matthaeus  Praetorius  Preußische  Schaubühne  (ca.  1680)  s.  106  ff. 
des  Piersonschen  auszugs;  Theodor  Lepner  Der  preusche  Littauer 
(Danzig  1744)  s.  70  ff.1)  Die  letzten,  welche  sich  auf  die  gegend 
um  Budwethen  beziehen,  mögen  den  ausgangspunkt  der  folgenden 
erörtern  ng  bilden.    Lepner  sagt: 

„Die  Littauer  dieses  ortes  haben  niedrige  schmale  häuser, 
welche  sie  selbst  aus  runden  holz  bauen  darin  haben  sie  ein 

1)  Der  Vollständigkeit  halber  erwähne  ich  auch  die  auf  die  Sudauer 
bezügliche  angäbe  des  Erasmus  Stella  bei  Pistorius  a.  a.  o.  I,  s.  11: 
„Domo«  in  villarum  modum  extructas  inhabitavere  vicosque  ac  sine  muro  et 
vallo  omnia,  quod  forte  ab  externis,  ipsos  coinmercii  gratia  adeuntibus 
didicere:  aliquin  alienum  a  Sarniatis".  Nach  ihrem  Wortlaut  sehe  ich  von 
dieser  stelle  im  folgenden  aber  ab. 


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Über  das  litauische  haus.   Von  A.  BezzenWger.  35 


paar  kleine  fenster,  gar  selten  findet  man  einen  schorstein 
drinnen.  Der  ofen  ist  von  hohlen  schlechten  ungegläseten 
kacheln,  bei  einigen  wenigen  wohlhabenden  siehet  man  auch 
geglasete  grüne  kachel-öfen.  Inwendig  haben  sie  gemeiniglich 
kleine  von  leim  und  holz  zusammen  geklebete  kacheln,  darin 
ihnen  des  abends  das  schorstein- feuer  leuchten  muss.  Einige 
haben  ein  rundes  von  leim  und  holz  fest  zusammen  gekleibtes 
wesen,  welches  sie  szibintas,  eine  leuchte,  nennen  ....  unten 
ist  es  breit  und  rund,  mitten  drin  hänget  ein  eisen  gleich  einer 
rost,  darauf  der  kien  oder  klein  gehauenes  holz  brennet  und 
ihnen  licht  im  finsteren  gibet;  es  gehet  etwas  zugespitzt  durch 
die  bretter  und  das  estreich  auf  die  lucht,  dahin  sich  der  rauch 

ziehet,  welchen  sie  gar  wohl  vertragen  können  Im  hause  ist 

ein  heerd  gar  platt  auf  der  erden.  Ihre  kammern  haben  sie  gar  selten 
bei  den  stuben,  oder  in  den  Wohnhäusern,  sondern  absonderlich, 
sie  werden  klete  genannt,  in  etlichen  von  diesen  schlafen  sie, 
in  etlichen  halten  sie  ihr  getreidigt  ....  Auch  halten  sie 
rauch-häuser,  welche  sie  namas  heißen,  das  andre  Wohnhaus 
heißet  nur  stubba  vom  Deutschen,  die  stube,  in  welchem  sie 
nur  des  winters  wohnen.  In  solchen  rauch-hause  halten  sie 
allezeit  feuer,  um  welches  sie  sitzen,  sich  wärmen,  und  die 
kleider,  wenn  sie  vom  schlagg  und  regen  nass  sein,  trockenen. 
Des  sommers  essen  sie  auch  darin  und  trocknen  das  fleisch  gar 
wohl  darin.  Noch  haben  sie  ein  absonderliches  gebäudchen  zur 
mahl-kammer  (maltuwe),  darinnen  sie  eine  oder  mehr  hand- 
mühlen  (querlen)  halten.    Ihr  getreidigt  dreschen  sie  in  den 

zangen,  darin  ist  ihr  badstube   Daneben  haben  sie 

noch  eine  schenn  ....  Einige,  insonderheit  die  bei  der  wildniß 

wohnende,  haben  wohl  acht  und  mehr  solcher  gebäude  " 

Zu  Lepners  zeit  und  in  seiner  gegend  hatten  die  Litauer 
also  zwei  Wohnhäuser,  1)  die  stubba,  „in  welcher  sie  nur  des 
winters  wohnen",  und  welche  im  allgemeinen  nur  aus  der  mit 
einem  flachen  herd  versehenen  flur2)  und  gewiß  nur  einem 


2>  In  den  Worten   „im  hause  ist  ein  heerd  gar  platt  auf  der  erdenu 

3* 

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36 


Über  das  litauische  Haus. 


zimraer  bestand,  und  2)  den  namas,  der  mehr  ein  Sommerhaus 
war  und  nur  aus  einem  räum  bestanden  zu  haben  scheint.  Die 
schlafräume  (klete)  und  die  wirtschaftsräume  waren  von  diesen 
gebäuden  getrennt 8). 

Ein  hiervon  etwas  verschiedenes  bild  bietet  die  erwähnte 
mitteilung  des  Praetorius,  welche  so  lautet:  „Man  sieht  noch 
bei  den  Nadrauern,  daß  sie  vielerhand  gebäude  aufrichten.  So 
bauen  sie  ein  haus,  das  sie  des  sommers  für  sich  und  den  gast 
halten;  ein  apartes  haus  für  ihre  kinder,  gesinde  und  junges 
vieh,  welches  man  das  rauchhaus4)  nennt,  worin  kein  ofen,  in 
dessen  mitte  aber  ein  etwas  erhöhter  estrich  geschlagen,  feuer 
darauf  zu  halten,  insgemein  mit  tannen-  oder  linden -borke 
bedeckt.  Sie  bauen  aparte  kammern  vom  wohnhaus  abgesondert, 
die  teils  zu  getreide,  teils  zu  speiswaaren,  teils  zu  Verwahrung 
ihrer  haussachen,  bette,  kleider  p.  p.  emploirt  werden.  Selbige 
werden  kleten  genennet 6).  Sie  haben  ihre  maltuwen,  das  sind 
aparte  mahlhäuser,  worin  sie  mahlen  und  brot  backen.  Ausser 
vielerhand  ställen,  scheunen  p.  p.  haben  sie  auchjaugien,  worin 
sie  das  auszudreschende  korn  vermittelst  einer  gewissen  kammer, 
darin  ein  von  feldsteinen  gemachter  ofen  eingeheizt  wird,  dörren 

und  ausdreschen   Ihre  badstuben  stehen  auch  apart, 

die  einfältig  genug,  doch  dicht,  mit  einem  vorschauer  pflegen 


kann  „haus"  nur  als  „hansflur"  aufgefaßt  werden.  Vgl.  „drauf  steigen  sie 
ab,  treten  ein  ....  aus  dem  hause  treten  sie  in  die  stube"  Praetorius 
a.  a.  o.  s.  74,  „an  einer  Stange,  welche  an  der  decke  oder  dem  balken  der 
stube  oder  des  hauses  festgemacht  ist"  das.  s.  114  und  Frischbier  Preußisches 
Wörterbuch  I.  276,  Grimm  D.  Wörterbuch  IV.  2.  644. 

3)  Ich  hebe  beiläufig  hervor,  daß  die  dreiheit  stubba  —  namas  — 
klete  genau  der  skandinavischen  st ofa  —  eldhns  —  bür  entspricht; 
vgl.  hüs  eru  thrjü  i  hvers  manns  hibylum  ....  eitt  er  stofa,  annat  eldhns, 
thridhja  bür,  Gragas  I.  459. 

4)  Vgl.:  „Der  alten  n omados  wohl  eigentlich  namaites  d.  i.  auf 
preußisch  die  in  den  rauchhäusern  wohnenden"  Praetorius  das.  s.  6,  „er  opfert 
ihm  einen  hahn  und  henne  in  der  namus  d.  i.  rauchhaus,  ein  offen  haus 
ohne  ofen,  worin  sie  allezeit  feuer  halten"  das.  s.  66. 

5)  In  der  klete  hält  nach  Praetorius  das  junge  ehepaar  da*  beilager, 
a.  a.  o.  s.  84  f. 


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Von  A.  Bezzenberger. 


37 


gemacht  zu  werden   Andere  gebäude,  als  brachstuben, 

darrhäuser  p.  p.  übergehen  wir,  gewiß  ist,  daß  man  bei  manchem 
wohlhabenden  Nadraver  über  20  aparte  gebäude  in  seinem  ge- 
böft  finden  wird.  -  Bei  diesen  gebäuden,  sonderlich  in  Zala- 
vonien  und  an  den  gränzen  an  Zamaiten,  ist  zu  merken,  daß 
sie  oft  in  ihren  stuben  keine  ofen  haben,  sondern  machen  mitten 
in  der  stube  feuer,  über  welchem  feuer- ort  in  der  decke  ein 
loch,  so  mit  ton  umfangen,  in  gestalt  einer  glocke,  durch  welches 
loch  der  rauch  sich  aus  der  stube  ziehet.  Die  Wohnhäuser 
pflegen  auch  so  gebaut  zu  werden,  daß  durch  die  tür  der  wind 
auf  dem  feuerheerde,  der  insgemein  bloß  und  gleich  der  erde 
aufm  flor  ist,  das  feuer  nicht  fassen  oder  aufwehen  kann". 

Da  die  Wohnhäuser,  von  welchen  am  ende  dieses  leider 
etwas  unklaren  abschnittes  die  rede  ist,  doch  nicht  mit  den 
häusern,  die  „sie  des  sommers  für  sich  und  den  gast  halten", 
identificiert  werden  können,  so  müssen  die  leute,  deren  woh- 
nungsverhältnisse  Praetorius  hier  schildert,  mindestens  drei  zum 
wohnen  dienende  häuser  gehabt  haben:  1)  das  eigentliche  Wohn- 
haus 2)  ein  Sommerhaus  3)  das  rauchhaus.  Daß  dieser  luxus 
am  ende  des  XVII  jahrhunderts  um  Niebudschen  —  dort  hat 
Praetorius  die  „Nadrauer"  beobachtet  —  allgemein  war,  bezweifle 
ich;  ich  lasse  diesen  punkt  indessen  bei  seite.  Es  genügt  mir 
constatiert  zu  haben,  daß  die  litauischen  wirte  —  nur  an  solche 
darf  man  hier  natürlich  denken8)  —  auch  in  jener  gegend  und 
zu  jener  zeit  der  regel  nach  mehr  als  ein  wohnhaus  hatten,  und 
daß  ein  solches  das  „rauchhaus",  der  namas  war. 

Das  wohnen  einer  familie  in  mehr  als  einem  hause  kann 
unmöglich  ursprünglich  sein ;  selbst  wenn  die  historischen  quellen 
darüber  schwiegen,  würden  wir  doch  mit  bestimmtheit  annehmen 
müssen,  dass  die  litauischen  familien  in  einer  zeit,  welche  Prae- 
torius und  Lepner  vorangegangen  ist,  sich  je  mit  einem  wohn- 
hause begnügten.  Diese  annähme  wird  aber  durch  Mathias  von 
Miechow,    Herberstein,    Lasiczki,    Bruin,    Hennenberger  und 


6)  VgL  auch  „chaluppa  baur-hütte  vel  kato-4  Praetorius  a.  a.  o.  s.  136. 


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Über  das  litauische  haus. 


"Wagner  vollauf  bestätigt.  Ich  setze  ihre  mitteilungen  der  reihe 
nach  hierher,  indem  ich  einleitend  bemerke,  daß  sich  die  der 
drei  erst  genannten  auf  tfemaiten,  die  Bruins  auf  Wilna,  die 
Hennenbergers  auf  das  Insterburgische  amt  und  diejenigen 
"Wagners  auf  die  Insterburger  und  Ragniter  gegend  beziehen. 

„Nullus  illic  stubarum,  nullus  aedificiorum  nobilium,  sed 
tantummodo  tugurii  unius7)  usus,  ventrem  distensum  et  porrectum, 
extrema  vero  habens  coartata.  Ex  ligno  et  culmo  structura, 
largius  ab  imo  sensim  operis  incremento  aedificium  in  arctius 
cogitur,  in  carinae,  seu  galeae  maximae  similitudinem  elaborata. 
In  cacumine  fenestra  una  superne  lumen  reddens,  subter  quam 
focus  et  cibos  parabiles  coquens  et  frigus,  quo  regio  pro  majori 
anni  parte  constricta  est,  repellens;  in  ea  domo  se,  uxores,  pig- 
nora,  servos,  ancillas8),  pecus,  armentum,  frumentum  et  omnem 
supellectilem  condunt  (Mathias  von  Miechow).  —  „In  humilibus 
casis,  iisque  oblongioribus  vitam  ducunt,  in  quibus  ignis  in  medio 
conservatur;  ad  quem  cum  paterfamilias  sedet,  jumenta  totam- 
que  domus  suae  supellectilem  cernit.  Solent  enim  sub  eodem, 
quo  ipsi  habitant,  tecto,  sine  ullo  interstitio  pecora  habere" 
(Herberstein).  —  „Mapalia,  quae  turres  appellant  °),  sursum  angusta, 
atque  qua  fumus  et  foetor  exeat,  aperta,  ex  tignis,  asseribus, 
stramine,  corticibus  faciunt.  In  his  homines  cum  omni  peculio, 
in  pavimento  tabulato  stante,  hahitant.  Ita  paterfamilias 
omnia  sua  in  conspectu  habet,  et  feram  noxiam  et  frigus  a  pecore 
arcet,  ad  ostium  cubat,  deastro  foci  custodia  commissa,  ne  vel 
ignis  damnum  domicilio  det,  vel  prunae  nocte  extinguantur.  übi 


7)  Dies  wort  steht  nur  an  der  ersten  der  beiden  betr.  stellen.  Es 
kommt  darauf  aber  nichts  an. 

8)  Dies  zusammen-wohnen  der  Litauer  erwähnt  auch  noch  Brand 
Reysen  durch  die  marck  Brandenburg  u.  s.  w.    (Wesel  1702)  s.  92:  „weilen 

sio  alle  in  einer  Stuben  bei  einander  liegen"  „und  wohnen  ofter- 

malen  in  einem  kleinen  haus  vater,  grofivater,  großmuttor,  kinder  und 
so  weiter  bei  einander".  Es  ist  zu  bedauern,  daß  er  sich  nicht  ausführlicher 
und  bestimmter  über  die  litauischen  Wohnungen,  welche  er  gesehen,  aus- 
gesprochen hat. 

9)  Vgl.  Lasiczki,  das.  s.  49:  „Numeias  vocant  domesticus". 


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Von  A.  Bezzenberger. 


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crebro  accidit,  ut  vel  sus  vel  canis  ex  olla  in  foco  stante  carnes 
auferat,  aut  rostrum,  aqua  fervente,  laedat.  Qui  in  pagis  degunt, 
ii  caulas  separatas  ab  aestuariis  habent"  (Lasiczki).  —  „Domus 
in  Universum  sunt  ligneae,  depressae  ac  humiles,  nec  cubilibus, 
nec  coquinis,  imo  nec  stabulis,  licet  jumenta  et  bestias  complures 

alant,  distinctae  uno  et  perpetuo  quodam  suburbio 

septa  et  circumvallata  Vilna  conspicitur,  ubi  infinitus  aedicularum 
numerus,  nullo  delectu,  nullo  platearum  ordine,  sed  pro  agresti 
barbarorum  voluntate,  prout  sor9  et  occasio  tulit,  quasi  consitus 
videtur.  Alibi  namque  casas  hasce  suas,  ex  pinorum  aliquot 
trabibus,  rudi  structura  compactas,  huc  deferunt  et  quo  libuerit 

indiscriminatim  collocant  in  domibus  suis,  perpetuo  fumo 

oppletis  (non  enim  ulla  fumibula  habent)   Videas  pa- 

rentes  cum  liberis,  jumentis  ac  bestiis  ad  focum  eodem  in  hypo- 
causto  foetido  agere,  ubi  et  hospitis  conjunx  puerpera  duro  in- 

cumbat  scamno  "  (Bruin)10).  —  „Auch  ist  sich  dies  an 

ihnen  zu  verwundern,  daß  ihr  so  viel  in  einem  gehöfte  bei- 
sammen, sich  so  friedlich  können  verhalten,  wohl  in  die  20,  30 
oder  40  auch  wohl  mehr  personen,  eines  geschlechts,  essen  alle 

gleich  einerlei  kost   Das  haus,  darinnen  sie  alle  essen, 

heißt  das  schwarzhaus,  und  ist  in  der  Wahrheit  vom  rauch  und 
ruß  schwarz  genug.  Darneben  hat  ein  jeglich  paar  ehegatten 
ein  sonderlich  häuslein,  das  heißt  man  ein  kleidt11),  ist  von 

10)  Das  „Dictionarium  trium  linguarum"  des  jesuiten  Konstantin 
Szyrwid,  welcher  in  Wilna  lebte  (gest.  1631)  scheint  dieser  Schilderung  zu 
widersprechen,  denn  in  ihm  finden  sich  die  ausdrücke  kizie  „hätte*',  kletis 
und  kletete,  namas  (s.  u.),  namay  „haus",  pirkia  „backhau»",  pirtis 
„badastube",  kluonas  „Scheune",  troba  kuriama  „stube",  wirtuwe 
„küche",  kamara  „kammer",  gulta  und  karaara  gulima  .^chlafstube", 
platt  troba  „saal",  priesenis  „flur",  pagrabas  „keller"  u.  a.  Aber 
gerade  diese  fülle  von  ausdrücken  hebt  jenen  Widerspruch:  Szyrwid  hatte 
die  Wohnungen  vornehmer  leute  (didzianame)  im  auge,  Bruin  schildert  die 
des  Volkes.  Man  beachte  übrigens,  dafi  kizie,  kletis,  kamara  und 
priesenis  fremdwörterj  sind,  troba  kuriama,  wirtuwe  and  plati  troba 
gemacht  aussehen,  kluonas  eigentlich  nur  eine  „tenne"  ist,  und  daß 
Szyrwida  Übersetzung  von  poköj  „zimmer"  durch  gi wen imas  „wohnung" 
bata  Aufenthalt"  (?)  primitive  Wohnungsverhältnisse  voraussetzt. 

11)  Verhochdeutsch ung  von  klete. 


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Über  das  litauische  haus. 


rundem  holz  gesatzt,  unten  hats  wie  ein  niedriges  kellerlein, 
oben  darauf  wie  ein  kamraer  ohne  fenster,  nur  eine  tür  .  .  . 

dorinnen  haben  sie  ihre  kleiderchen  und  was  sie  sonder- 

liches  haben.  Derselbigen  häuserchen  sein  so  viel,  als  paar  Volkes 
im  gehöfte  sein.  Sonsten  haben  sie  auch  viel  kleiner  häuserchen, 
denn  zu  einer  jeglichen  arbeit  haben  sie  ein  sonderliches  kleines 
häuslein,  als  eins  da  man  das  korn  innen  treuget  und  trischet, 
eines  da  man  das  getreid  mahlet,  eines  darinnen  man  backet, 
eins  zu  brauen,  eines  kleider  zu  waschen,  eins  zur  badstuben  etc., 
die  alle  sein  mit  brettern  bedeckt.  Haben  keine  Scheunen,  son- 
dern wie  hohe  ricke,  da  legen  sie  die  aher  ende  einwärts,  und 
also  auf  einander,  fragen  nichts  darnach,  ob  schon  die  stopfel 
verfaulen,  denn  kein  dach  darauf  ist"  (Hennenberger).  —  „Exci- 
tant  autem  illi  domos  suas  terete  saltem  ligno,  sibi  pecorique 
communes,  illasque  stramento  operiunt,  fumo  nullus  nisi  per 
fores  datur  exitus,  cui  longo  uau  ita  assueti,  ut  illum  ne  quidem 
sentiunt"  (Wagner) 12). 


12)  Beachtenswert  ist  auch  eine  stelle  der  „Instruction  der  kauffschultzen 
und  willkühr  des  amptes  Insterburg",  Königsberg  1604.  Hier  heißt  es  unter 
der  Überschrift  „Wie  mit  namus  oder  littawachen  rochheusern  zu  halten": 
.,Die  littawschen  rochhäuser,  die  sonsten  namus  genannt  werden,  sind  fast 
schädlich,  erstlich  wegen  feuere  gefahr,  sintemal  das  viehe  und  leute  fast 
den  winter  über  sich  darinne  uffhalten  und  durch  Unachtsamkeit  viel 
Schadens  erfolget.  Fürs  ander,  werden  solche  gebaude  zu  decken  viel  borken 
von  dannen-bäumen  gebraucht,  dadurch  dann  groß  und  vieler  schade  dem 
gehölz  und  wälden  geschieht.  Weil  aber  gedachte  gebände  bei  den  Littawen 
schwerlich  abzuschaffen  sind,  als  soll  der  kaufschulz  hinfüro  keines  wegs 
gestatten,  einig  rochhaus  oder  namus  mit  borken  zu  decken,  sonder  mit 

lehm  oder  schindel  "   Es  ergibt  sich  hieraus,  daß  die  Litauer  mit 

großer  Zähigkeit  an  ihren  „rauchhausern"  hingen,  und  daß  diese  also 
altüberliefert  waren.  —  Ich  hebe  zugleich  aus  jenem  werk  auch  folgendes 
hervor:  „Nachdeme  auch  bisbero  und  so  viel  jähr  im  amt  großer  schade 
durch  die  jawygen,  pirten,  flachs-  und  hanfstuben,  als  auch  darren  erfolget, 
also  daß  zum  oftern  große  dörfer  abgebrannt,  die  leute  also  liederlich  in 
arrnut  gesetzt,  und  unsere  gnedigste  herrschaft  ihres  gebührenden  zins  und 
pflicht  uf  vieles  dero wegen  entbehren  muß,  dem  aber  durch  folgends  mittel 
mehrerteil6  gar  wohl  vorzukommen  ist,  nemblich:  Soll  der  kaufschulz  die 
ernste  Verschaffung  tun,  daß  ihre  jawygen,  pyrten  und  dergleichen  feuer- 
gefährliche gebäude,  wo  immer  müglich,  nach  der  zeit,  insonderheit  die 


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Von  A.  Bezzenberger. 


41 


Diese  angaben  geben  (vgl.  s.  53)  kein  allgemein  zutreffendes 
bild  der  litauischen  wohnungs Verhältnisse  ihrer  zeit,  aber  das  eine 
geht  aus  ihnen  in  Verbindung  mit  der  tatsache,  daß  namas 
litauisch  ist,  stubba  und  klete  aber  entlehnt  sind,  doch  mit 
Sicherheit  hervor,  daß  es  ursprünglich  nur  ein  litauisches  wohnhaus 
gab13).  "Wenn  wir  nun  an  seiner  stelle  in  einer  späteren  zeit 
mehrere  häuser  finden,  so  erhebt  sich  die  frage,  wie  sich  dieso 
zu  jenem  historisch  verhalten,  oder  mit  anderen  Worten:  ob  das 
alte  litauische  haus  in  einem  und  ev.  in  welchem  der  verschie- 
denen häuser,  von  welchen  uns  berichtet  wird,  zu  erkennen  — 
oder  ob  es  völlig  durch  diese  verdrängt  ist,  so,  wie  wohl  hin 
und  wieder  ein  westfälisches  bauernhaus  durch  eine  fränkische 
hofanlage  ersetzt  wird.  Die  beantwortung  dieser  frage  ergibt 
sich,  wie  ich  glaube,  aus  folgendem :  Das  älteste  litauische  wort 
für  „haus"  ist  namas14),  wie  schon  daraus  hervorgeht,  daß  „zu 

jawygeu,  abgeschafft,  oder  do  es  so  schleunig  nicht  geschehen  könnte,  daß 
lennoeh  die  jawygen,  pirten  and  brechstubeu  ferne  von  anderen  gebäuden 
and  insonderheit  nahe  bei  wasser  und  nach  dem  Westwinde  gesetzt  und  aus 
den  andern  gebäuden  aufgehaben  werden.  Wann  aber,  welches  gott  gnädiglich 
verhüten  wollte,  ein  ganz  oder  halb  dort',  oder  des  etwas,  durch  solcher 
gehäude  Verursachung  oder  anderswo  herrührende  abbrennen  würde,  alsdann 
soll  der  kaufschulz  darob  sein  und  keineswegs  gestatten,  daß  sie  so  enge 
and  nahe  bei  einander  aufbauen,  sondern  nachdem  ein  jeder  acker,  vermöge 
der  instruetion,  hat  und  haben  muß,  die  hofstät  bauen  und  richten :  Hierüber 
soll  keinesweges  einige  jawyge  jemands  mehr  daselbs  zu  bauen  verstattet 
werden,  sondern  die  pirten  oder  badstuben,  weil  dieselben  keineswegs  von 
denen  leuten  können  en traten  werden,  mögen  zugelassen  sein,  jedoch  anders 
nicht,  daJ  sie  ferne  von  andern  gebäuden,  nach  dem  wind  und  beim  wasser 
abgesetzt  oder  gebauet  werden.    Ingleichem  hat  es  mit  den  flachs-  und 

hanfbrachstuben,  wie  mit  den  darren  eine  meinung  "  —  An  noch 

einer  anderen  stelle  dieser  instruetion  wird  verboten,  mit  offenem  licht  in 
die  „gehöffte  und  stelle"  zu  gehen. 

13)  Daß  in  ihm  teilweise  (vgl.  Lasiczki  und  den  Schluß  der 
anmerkung  12)  auch  das  vieh  hauste,  läßt  sich  nach  den  obigen  historischen 
nachrichten  nicht  bezweifeln;  aber  selbstverständlich  tat  es  dies  im  allge- 
meinen nur  im  winter. 

14)  Man  pflegt  namas  (lett.  na'ms)  gleich  slav.  domü,  lat.  domus, 
gr.  rföuo;  zu  setzen.  Ich  meinerseits  vergleiche  vermutungsweise  skr.  amä' 
..daheim,  zu  hause,  bei  sich",  amäjür  „daheim  alternd,  ledig  im  vaterhause 
bleibend",  ama't  „aus  der  nähe",  amä'tya  „hausgenos.se,  eigener,  ange- 
böriger*'  und  avest.  nmäna  „haus,  wohnung". 


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42  Über  das  litauische  haus. 

hause"  naml5  d.  i.  „in  dem  namas"  und  „nach  hause"  namo 
d.  i.  „in  den  namas"  heisst;  das  „rauchhaus"  Praetorius',  Lepners 
und  der  „Instruction",  worin  „allezeit"  ein  schwelendes  feuer 
gehalten  wurde,  hiess  namas15);  die  hauser,  von  welchen 
Mathias  von  MiechoW,  Herberstein,  Lasiczki,  ßruin,  Hennen- 
berger  und  "Wagner  berichten,  mit  ihrem  feuer  in  der  mitte, 
ohne  genügende  rauchabzüge,  „perpetuo  fumo  oppletae"  ent- 
sprechen genau  dem  begriff,  den  jeder  mit  dem  worte  „rauch- 
haus" verbinden  wird.  Nimmt  man  hierzu,  wie  schon  bemerkt, 
daß  nämas  eben  ein  litauisches  wort  ist,  stuba  und  kletis 
aber  —  die  übrigen  gebäudenamen  kommen  hier  nicht  in  be- 
tracht  —  entlehnt  sind,  so  darf  man  wohl  mit  bestimmtheit 
sagen,  daß  das  älteste  litauische  haus,  von  dem  wir  wissen, 
namas  hiess  und  sich  in  dem  „rauchhaus"  erhalten  hat.  Das 
oder  die  wohngebäude,  welche  Praetorius  und  Lepner  neben 
diesem  sahen,  waren  zutaten  einer  späteren  zeit,  in  welcher 
auch  die  Litauer  durch  den  verkehr  mit  fremden  Völkern  einen 
gewissen  comfort  kennen  und  würdigen  gelernt  hatten;  zutaten, 
welche  wohl  die  bestimmung,  nicht  aber  den  charakter  des  alt- 
litauischen hauses,  des  namas,  veränderten. 

Durch  das  vorstehende  sind,  wenn  ich  mich  nicht  täusche, 
feste  anhaltspunkte  für  die  beurteilung  mindestens  des  heutigen 
preussisch- litauischen  Wohnhauses  gewonnen,  dessen  nächste 
grundlage  ich  in  den  von  Praetorius  und  Lepner  geschilderten 
Wohnungsverhältnissen  erkenne.  Diese  selbst  sind  aber  ihrer 
geschichtlichen  entwicklung  nach  nicht  ganz  klar.  Für  aus- 
gemacht darf  wohl  gelten,  daß  die  litauische  klete  von  Slaven, 
vermutlich  den  Rußen,  entnommen  ist,  aber  woher  kommt  die 
stuba?  Dass  dies  wort  im  heutigen  Bußischen  und  Polnischen 
izba  lautet,  scheint  ja  bei  oberflächlicher  betrachtung  den 
deutschen  Ursprung  dieses  raumes  zu  beweisen,  aber  die  sache 
bekommt  doch  ein  anderes  ansehen,  wenn  man  beachtet:  1)  daß 

15)  Die  form  namas  des  Praetorius  und  der  „Instruction"  verdient  als 
solche  gar  keine  beachtung :  das  lehren  ähnliche  texte  und  Praetorius1  schrift 
selbst  zur  genüge. 


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die  preußischen  Nordlitauer  für  stuba  zum  teil  e  stuba  (aus 
istuba)  =  lett  istaba  sagen;  2)  daß  der  ruß.  chronist  Nestor 
für  izba  istöba  (genauer  HCTbÖa)  bietet;  3)  daß  der  accent 
von  stuba  nicht  der  des  deutschen  stube,  sondern  der  des 
ruß.  izba  istlc);  4)  daß  die  Litauer  deutsche  stuben  doch  wohl 
nur  als  bestandteile  der  Wohnhäuser,  nicht  aber  als  selbständige 
gebäude  kennen  gelernt  haben17);  5)  daß  ruß.  izba  „bauernhaus, 
-hütte,  -stube,  gesindestube"  bedeutet;  6)  daß  sich  die  Litauer  in 
älterer  zeit  äusserst  exclusiv  gegen  die  Deutschen  verhielten: 
„darumb  sie"  —  sagt  Praetorius  a.  a.  o.  s.  140  —  „noch  wo 
immer  möglich  verhüten,  daß  sich  in  ein  nadrawisch  dorf  ein 
Deutscher  nicht  einnistele,  denn  sie  bilden  sich  ein,  daß  alsbald 
ihr  ruin  dadurch  entstehe".  Hiernach  ist  die  Vermutung  nicht 
abzuweisen,  daß  die  stuba  gleicher  herkunft  mit  der  kletis  ist18), 
und  daß  ihre  benennung  nur  dadurch  einen  mehr  deutschen  als 
sla vischen  anstrich  bekommen  hat,  daß  im  anschluß  an  das 
deutsche  stube  das  i  von  istuba  teilweise  aufgegeben  wurde. 
Ich  lasse  diese  Vermutung  und  damit  zugleich  die  frage,  woher 
die  stuba  zu  den  Litauern  gekommen  sei,  übrigens  auf  sich  be- 
ruhen, da  sich  jene  ohne  tieferes  eingehen  auf  die  ältere 
litauische  geschichte  und  die  deutsche  colonisation  Litauens  nicht 
ganz  sicher  entscheiden  läßt,  und  diese  für  meinen  nächsten 
zweck  von  untergeordneter  bedeutung  ist. 

Über  die  anläge,  den  bau,  das  baumaterial  der  litauischen 
häuser  des  16. — 18.  Jahrhunderts  brauche  ich  angesichts  der  an- 

16)  Dieser  grund  ist  hinfällig,  wenn  stuka  „die  stube"  in  Kurschats 
Lit. -deutschem  Wörterbuch  sicher  ist.  Denn  alsdann  ist  dies  die  litauische 
Umwandlung  des  deutschen  stock;  vgl.  Schiller-Lübben  unter  diesem  Worte: 
7)  „von  holz  aufgeführtes  ständerwerksgebäude  (vgl.  das  hd.  Stockwerk)". 
Bis  auf  weiteres  halte  ich  aber  dies  stuka,  das  ich  nirgends  gehört  oder 
gelesen  und  nach  dem  ich  mich  vergeblich  erkundigt  habe,  nur  für  eine 
verschreibuug  von  stuba,  die  neben  diesem  in  dem  an  fehlem  reichen 
Wörterbuch  Kurschats  aufgenommen  ist. 

1?)  Mit  voller  bestimmtheit  läßt  sich  dies  einstweilen  nicht  behaupten ; 
vgl.  Schmeller  Bayerisches  Wörterbuch8  II.  721. 

18)  Auch  kamara  „kammer"  ist  aus  dem  Slavischen,  nicht  dem 
Deutschen  entlehnt. 


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Über  das  litauische  haus. 


geführten  äusserungen  Mathias  von  Miechow's,  Herbersteins 
u.  s.  w.  nichts  zu  bemerken.  Ich  erlaube  mir  dagegen,  so  gut 
ich  es  kann,  hier  noch  das  verhältniß  des  älteren  litauischen 
zum  älteren  lettischen  hause  festzustellen.  Über  das  letztere  — 
oder  genauer:  über  das  kurländische  bauernhaus  —  sagt  Brand 
Reysen  durch  die  marck  Brandenburg  u.  s.  w.  (Wesel  1702) 
s.  69:  „Sie  wohnen  in  elenden  und  geringen  häuserchen,  worinnen 
mehrmalen  nur  eine  rauchstube  und  bisweilen  ein  beigelegenes 
speicherchen  ist,  wo  ihr  liebes  brot  und  schlechter  trank  .... 
sammt  sauer  kraut  und  gurken  verwahret  wird;  in  der  rauch- 
Btuben  haben  sie  einen  von  dicken  kieselsteinen  verfertigten 
ofen,  wie  unsere  backofen,  welche  sie  mit  schwarzen  kohlen  oder 
andrem  holz  heftig  einhitzen,  nah  bei  welchem  sie  auch  des 
nachts  alle  unter  einander,  als  vater,  großvater,  mutter,  kinder 
(dan  es  bei  ihnen  zu  merken,  daß  sich  bei  dem  vater  die  söhn 
und  enkel  sämptlich  pflegen  aufzuhalten)  vermischet  schlafen, 
auf  der  erden,  auf  etlichen  untergelegten  lumpen,  wiewohl  auch 
etliche  wenige  bettstätte  alda  gefunden  werden,  welche  sie  doch 
mehrenteils  mit  alten  tüchern  und  untergeworfenem  stroh  be- 
legen: das  übrige  ist  vor  ihr  weniges  viehchen,  als  ktihe  und 
dergleichen,  von  welcher  milch  sie  ihre  häufige  kinder  unter- 
halten. Biese  häuserchen  seind  alle  von  dickem  fichtenholz, 
welches  sie  auswendig  meistenteils  etwas  gleich  machen,  inwendig 
aber  rund  lassen,  so  artig  zusammengeschurzet  von  ihnen  selbsten, 
daß  kaum  der  wind  dadurch  einbrechen  kann,  fügen  auch  unter- 
weilen von  dem  most  der  bäumen  zwischen  beiden;  seind  oben 
mit  stroh  oder  mit  übergelegten  flachen  hölzern  bedeckt,  und 
wird  das  stroh  mit  etlichen  oben  auf  dem  dach  kreuzwegs  über- 
einander hinauf  gestellten  hölzern  vor  dem  winde  beschützet. 
Zu  dem  haben  sie  auch  absonderliche  hart  beigelegene  kleine 
ebenmässig  gebaute  scheunen,  welche  sie  rygen  nennen,  wo- 
rinnen sie  ihr  korn  zu  trucknen  pflegen  ul°)    Ein  er- 

19)  Fast  ganz  ebenso  schildert  Brand  die  livländischen  bauernhäuser : 
„Ihre  häuserchen  seind  imgleichen  von  runden  fichtenholzeren  zusammen 
geschurzet  und  bestehen  nur  aus  einer  rauchstuben  und,  wo  einer  etwas 


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heblicher  unterschied  zwischen  der  wohnungsweise  und  dem 
wohnhause  der  Letten  und  der  Litauer  hat  also  etwa  im  16.  Jahr- 
hundert sicherlich  nicht  bestanden. 

Ich  wende  mich  nunmehr  zu  den  litauischen  Wohnhäusern 
des  19.  Jahrhunderts  und  zwar  zunächst  zu  denjenigen  des 
preußischen  Litauens,  indem  ich  betone,  daß  es  dort  heute  über- 
all nur  je  ein  wohnhaus  gibt.  Über  dieselben  hat  meines 
wissens  zuerst  gesprochen  der  präcentor  Schultz  zu  Lasdehnen 
in  der  schrift  „Einige  bemerkungen  über  die  nationalität  der 


mehr  ist,  aus  beigefügtem  speicherchen,  worinnen  sie  ihr  brod,  salz  und 
trank  verwahren,  das  übrige  ist  nur  ihrer  pferden  und  kühen  aufenthalt; 
diese  rauchstube  ist  mehrenteils  nicht  höher,  als  daß  darinnen  nur  ein 
mensch  stehen  kann,  das  übrige  wird  zur  zeit  des  herbstes  mit  ihrem  auf 
etlichen  dazu  verordneten  langen  Stangen  ruhenden  getreide  angefüllet,  unter 
welchem  sie  den  aus  großen  kieselsteinen  aufgerichteten  und  in  form  unsriger 
backofen  gemachten  ofen  so  weidlich  einhitzen,  dass  man  selbigen  kaum 
von  unsrigen  brennenden  kalkofen  unterscheiden  würde;  ....  und  dieses 
geschieht  bei  ihnen,  nur  allein  das  korn  zu  trücknen  (wiewohl  auch  etliche 
eine  besondere  dazu  verordnete  hütte  hallen).    In  dieser  ranehstuben  essen, 

trinken,  dreschen,  schlafen  sie  ja  zur  winterzeit  halten  sie  hierinnen 

ihr  junges  vieh,  als  schafe,  hühner,  gänse  u.  dgl.;  ist  auch  mit  keinen 
fenstern  versehen,  sondern  hat  nur  etliche  viereckigte  löcher,  wo  eiuer  eben 
den  köpf  durchstecken  kann,  welche  sie  mit  hölzernen  brettern  des  nachts 
zuschieben1'  (s.  136  f.).  —  Wenn  Erasmus  Stella  von  den  Preußen  sagt  : 
„Domos  non  fingebant,  sed  speeubus  et  arborum  subere  (unde  etiam  subaria 
dicta  comperitur)  ab  imbribus  et  algoribus  sese  ac  infantes  protexero" 
(bei  Pistorius  a.  a.  o.  I,  s.  10)  —  so  war  dieser  Standpunkt  (zugegeben  daß 
er  von  Erasmus  Stella  nicht  nur  gemutmaßt  ist,  vgl.  Tac.  Germ.  cap.  46) 
zu  seiner  zeit  jedenfalls  längst  überwunden;  vgl.  Simon  Grunau's  Chronik 
I,  s.  90  und  die  vocabeln  193—235  des  Elbinger  vocabulars.  —  In  dem 
ältesten  Danzig  sollen  die  häuser  „mit  röhr  gedeckt  und  leimen  gekleibt" 
gewesen  sein  (Hennenberger  a.  a.  o.  s.  65).  —  Von  den  Polen  berichtet 
Aeneas  Sylvius :  „Ex  maceria  domos  ferme  omnes  componunt,  plerasque  luto 
linunt"  (bei  Pistorius  a.  a.  o.  I,  s.  1).  Bei  Hennenberger  a.  a.  o.  s.  166 
heißt  es:  .Zur  Keelen  eine  halbe  meilen  von  Angerburg  am  see  gelegen, 

da  haben  anno  1564  vier  personen  sich  darnach  in  ein  kleines 

häuslein,  wie  die  Polen  haben,  so  von  holz  vierkantig  gesetzt,  

heimlich  verschlossen  Das  hat  die  bauren  verdrossen,  haben  das 

häuslein  hinweg  wollen  bringen,  unten  gar  los  gemacht,  große  bäume  unter- 
gebracht, aber  gar  nichts  bewegen  können".  —  Über  den  russischen  hausbau 
in  älterer  zeit  habe  ich  keine  angaben  gefunden. 


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Über  das  litauische  haus. 


Litthauer"  (1832),'  welche  sich  handschriftlich  in  der  "Wallen- 
rodt'schen  und  in  der  Elbinger  städtischen  bibliothek  (dort  unter 
Msc.  no.  78)  befindet  und  vermutlich  auch  anderswo  hand- 
schriftlich erhalten  ist.  Ich  würde  mich  auf  ein  referat  über 
die  hier  einschlagenden  angaben  Sch-ütz's  beschranken,  wenn 
ich  nicht  beiläufig  constatieren  möchte,  daß  die  „Bilder  aus  dem 
preußischen  Littauen"  von  Aug.  Kuntze  (Rostock  1884)  zum  teil 
ein  dreistes  plagiat  sind.  So  teile  ich  denn  den  „wohnung" 
überschriebenen  abschnitt  jener  schrift  (vgl.  Kuntze  s.  19—21) 
in  voller  ausdehnung  mit. 

„Die  Wohnhäuser  der  Litauer  sind  aus  übereinandergelegten 
ganzen  baumstämmen  —  in  geersaß  —  erbaut  und  enthalten 
nur  ein  zimmer  auf  dem  einen  ende  des  hauses.  Die  andere 
hälfte  desselben  bildet  eine  finstere  kammer,  in  der  sich  der 
backofen  und  die  handmühle  —  quirl  —  befindet.  Der  fußboden 
des  Wohnzimmers  ist  nicht  gedielt,  sondern  nur  mit  ton  ausge- 
schlagen. Die  decke  und  wände  desselben  sind  glatt  gehobelt 
und  werden  von  zeit  zu  zeit  durch  abwaschen  rein  und  weiß 
erhalten.  Ein  solches  zimmer  hat  drei  fenster,  eins  in  jeder  der 
drei  äußeren  wände;  von  allen  kann  indes  nur  ein  flügel  auf- 
und  zugeschoben  werden.  Rund  herum  in  dem  zimmer  stehen 
an  den  wänden  wohl  abgewaschene  weiße  bänke  und  an  dem  fenster, 
der  tür  gegenüber,  ein  eben  solcher  tisch.  An  der  rauchfang- 
wand  dagegen,  in  der  nähe  des  ofens,  befindet  sich  ein  mit  ton 
belegter  kleiner  tisch,  über  dem  eine  von  ton  geklebte  röhre, 
in  gestalt  einer  glocke,  mit  einer  obern  Öffnung  nach  der  küche 
zu  (welche  auch  verstopft  werden  kann)  angebracht  ist  (dame- 
laka«)20).  Da  die  Litauer  keinen  feuerheerd  in  der  küche  haben, 
so  kochen  sie  gewöhnlich  in  der  stube  ihre  speisen  in  einer 


20)  An  diese  einrichtung  wissen  sich  ältere  leute  in  der  Memeler  gegend 
noch  sehr  wohl  zu  erinnern.  Nach  ihnen  wurde  auf  diesem  tisch  bei  offenem 
teuer  gekocht,  und  der  rauch  ging  direct  auf  den  boden.  —  Vgl.  Meitzen 
Bas  deutsche  haus  in  seinen  volksthümlichen  formen  (Verhandlungen  des 
ersten  deutschen  geographentages  zu  Berlin,  Berlin  1862)  s.  64. 


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nische  der  rauchfang- wand  (kaminelis),  die  oben  eine  Öffnung 
zum  abzug  des  raucbes  in  den  rauchfang  hat.  In  dem  rauch- 
fange selbst  ist  aber  in  wagerechter  läge,  etwa  8  fuss  von  der 
erde,  eine  dicke  stange  von  holz  gemauert,  an  der  durch  eine 
eiserne  kette  ein  kupferner  kessel  so  befestigt  ist,  daß  er  etwa 
V/t  bis  2  fuss  von  der  erde  schwebt.  Von  diesem  machen  sie 
nur  dann  gebrauch,  wenn  etwas  in  grossen  quantitäten  mit  einem 
male  zu  kochen  ist.  Der  damelakas  aber  dient  in  der  dunkel- 
heit  zur  erleuchtung  des  zimmers  mit  kienspänen  (ziburys), 
welche  auf  einem,  unter  dieser  glocke  auf  dem  tontischchen 
befindlichen  eisernen  roste  angezündet  werden.  Hier,  in  der 
nähe  des  wärmenden  ofens  (der  aber  gewöhnlich  überheizt  ist) 
bringt  die  familie  den  tag  und  den  abend  Über  zu.  Zur  nächt- 
lichen ruhe  dagegen  verfügt  sich  alles  in  den  Speicher  (klete). 
Diese  klete  ist  ein,  vom  wohnhause  etwa  10  bis  20  schritt  ent- 
ferntes, hölzernes  kleines  gebäude.  Gewöhnlich  ist  es  auf  einem 
etwas  hohen  fundamente  gebaut,  so  daß  man  nur  vermittelst 
einer  kleinen  treppe  hineingelangen  kann.  Der  ganzen  fronte 
des  gebäudes  entlang  sind  oft  einige  hölzerne  Säulen  angebracht, 
die  ein  kleines  überdach  tragen.  Zwischen  diesen  säulen  und 
der  wand  befindet  sich  die  treppe.  Den  ganzen  untern  räum 
des  gebäudes  nimmt  ein  gemach  ein,  in  welchem  sich  aber  keine 
fenster  befinden.  Jedoch  hat  es  einen  mit  brettern  gedielten 
tubboden,  gehobelte  wände  und  eine,  aus  gespunteten  brettern 
bestehende  decke.  Aus  diesem  räume  führt  eine  treppe  auf  das 
getreidebehältniß.  Das  untere  gemach  ist  nun  die  klete,  oder 
das  prunkgemach  der  Litauer.  Hier  befinden  sich  kisten  und 
kästen  und  (das  getreide  ausgenommen)  alle  sonstigen  Vorräte. 
Auch  nimmt  man  im  sommer  hier  die  liebsten  gäste  auf.  Da 
eine  klete  aber  nicht  geheizt  werden  kann,  so  schläft  alt  und 
jung  zur  winterzeit  im  kalten,  und  zwar  die  ganz  kleinen  in 
einer  wiege,  die  aus  einem  recht  winklichten  hölzernen  rahmen 
besteht,  um  den  starke  leinwand  so  genäht  ist,  daß  das  ganze 
gesteil  die  form  eines  kleinen  bettgestells  ohne  füsse,  sowie  ohne 
köpf-  und  fussbrett  erhält  (16pszis).    Dieses  gestell  ist  ver- 


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Über  das  litauische  haus. 


mittelst  eines  Strickes  an  einem  balken  befestigt  und  wird  in 
der  luft  hin  und  her  geworfen". 

Die  beschreibung,  welche  hier  von  einem  litauischen 
wohnhaus  gegeben  wird,  ist  leider  nicht  ganz  klar ;  ich  verstehe 
sie  auf  grund  vielfacher  anschauungen  (vgl.  auch  die  figuren  1 
und  2)  dahin,  daß  das  betr.  haus  aus  einem  zimmer,  einer  ihm 
gegenüberliegenden  finsteren  kammer  und  einer  hausflur  besteht, 
in  der  sich  ein,  als  küche  dienender  rauchfang  befindet.  Eine 
besondere  küche  würde  ich  schon  des  Zusammenhanges  wegen 
hier  nicht  annehmen.  —  Ist  diese  auffassung  richtig,  so  unter- 
scheidet sich  dies  haus  von  der  stubä,  wie  sie  Lepner  schildert, 
nur  durch  die  finstere  kammer,  in  der  sich  der  backofen  und 
die  handmühle  befindet".  Erinnern  wir  uns  nun,  daß  die  Litauer 
Lepner's  und  Praetorius'  besondere  „gebäudchen"  (maltüwe)  hatten, 
„darinnen  sie  eine  oder  mehr  handmühlen  halten",  „worin  sie 
mahlen  und  brot  backen",  so  sehen  wir  ganz  deutlich,  daß  diese 
finstere  kammer  nicht  anderes,  als  die  alte  maltuwe21),  und  daß 
diese  in  späterer  zeit  zu  dem  oder  zu  einem  wohnhause  gezogen 
ist  —  ein  resultat,  das  übrigens  von  meiner  auffassung  dieses 
ganzen  hauses  unabhängig  und  auf  alle  Mle  festzuhalten  ist. 

Häuser,  welche  nach'ihrer  räumlichen  einteilung  denjenigen, 
welche  mir  Schultz  zu  schildern  scheint,  genau  entsprechen, 
finden  sich  noch  heute.  Ich  verweise  auf  fig.  1,  das  wohnhaus 
meines  gastfreundes  Miks  Trauschies  in  Drawöhnen,  das  ich 
einmal,  gleich  nachdem  ich  es  verlassen  und  möglichst  genau 
angesehen  hatte,  aufgezeichnet  habe.  In  ihm  liegt  links  von  der 
geräumigen  hausflur  (a)  ein  vierfenstriges,  zugleich  als  schlaf- 
raum  der  familie  dienendes  Wohnzimmer  (b)  mit  einem  mäch- 
tigen ofen  (e);  rechts  von  der  flur  —  auf  der  sich  in  Nord- 


21)  Nach  Brodowski  hieß  ein  backhaus  peczinne,  nach  dem  quart- 
lexikon  peczone,  und  das  letztere  wort  ist  in  Nordlitauen  noch  bekannt 
(peczSne).  Nach  angäbe  eines  dortigen  Litauers  war  es  früher,  als  die 
Wohnhäuser  noch  ohne  Schornstein  waren,  verboten,  in  diesen  zu  backen, 
und  man  brauchte  deshalb  die  peczäne.  In  Südlitauen  weiß  man  von  diesem 
gebäude  nichts  mehr. 


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litauen*2)  häufig  der  brütehock  für  die  gänse  befindet  — ,  aber 
nicht  von  ihr,  sondern  vom  hofe  aus  zugänglich,  sind  zwei 
dunkele  gerätkammern  (c  und  c  *).  Die  hausfiur  selbst  ist  mit 
einer  vorder-  und  einer  hintertür  und  dem  pelens  (d)  versehen, 
einem  niedrigen  heerde,  oder  vielmehr  einer  feuerstelle,  welche 
durch  eine  rechtwinklig  gebaute  mauer  eingehegt  ist.  —  Offen- 
bar sind  o  und  c1  mit  der  finsteren  kammer  Schultz's  identisch 
und  gehen  also  auf  die  maltuwe  (oder  peczäne,  8.  s.  48  anm.  21) 
zurück.  Wenn  sie  als  solche  nicht  benutzt  werden,  so  kommt 
das  einfach  daher,  daß  sich  in  Drawöhnen  eine  Windmühle  be- 
findet28). Auf  ihre  frühere  Selbständigkeit  weist  meines  er- 
achtens  der  umstand,  daß  sie  nur  vom  hofe  aus  zugänglich  sind, 
sehr  deutlich  hin. 

Vergleicht  man  das  eben  besprochene  haus  mit  der  von 
Lepner  geschilderten  stubä,  so  scheint  es  sich  von  der  nach 
Lepner  gewöhnlichen  form  der  letzteren  nur  durch  die  der  stube 
gegenüberliegende  und  aus  der  maltüwe  entwickelte  finstere 
kammer  zu  unterscheiden,  und  es  tritt  damit  die  frage  an  uns 
heran,  ob  dies  haus  etwa  lediglich  eine  Verbindung  von  stuba 
und  maltüwe  ist.  Diese  frage  ist  indessen  entschieden  zu  ver- 
neinen, wenigstens  in  der  form,  in  welcher  sie  ausgesprochen 
ist.  Gewiss  enthält  dies  haus  stubä  und  maltüwe,  aber  es  ent- 
hält noch  mehr,  und  zwar  auch  das  alte  rauchhaus,  also  das  ur- 
sprünglichste litauische  haus,  den  nämas,  der  heut  zu  tage  als 
selbständiges  gebäude  nicht  mehr  vorkommt.  Um  dies  zu  be- 
gründen, muss  ich  auf  die  preußisch-litauischen  benennungen 
des  hauses  und  der  hausfiur  eingehen. 

22)  Wenn  ich  schlechthin  Nordlitaaen  (nordlitauisch),  Südlitauen 
(südli tatiisch)  sage,  so  verstehe  ich  darunter  das  preußische  Nord-  und 
Südlitanen. 

28)  Übrigens  findet  sich  eine  handmühle  wohl  noch  in  den  meisten 
litauischen  häusern,  doch  wird  sie,  um  mehl  zu  mahlen,  in  Nordlitauen  nur 
noch  im  winter,  in  Südlitauen  aber  überhaupt  nur  zur  herstellung  von  grütze 
und  des  zum  kisel  erforderlichen  hafermehles  benutzt.  Sie  steht  in  Nordlitauen 
in  der  pryszininke  d.  i.  der  dem  Wohnzimmer  gegenüberliegenden  stube  oder 
in  einem  winkel  der  hausfiur,  in  Südlitauen  in  einer  der  kammern  des  hauses. 

Altpr.  MonatMchrift  Bd.  XXIII.  Hft  1  u.  2.  4 


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Über  das  litauische  haus. 


Als  heutige  preußisch-litauische  benennungen  des  Wohn- 
hauses kenne  ich  namai  oder  nSmä;  gywenamoji;  bütas 
oder  bats,  gywenamasis  bütas;  trobä  und  stubä24).  Die 
verbreitetste  dieser  benennungen  ist  bütas  =  nordlit.  bats. 
Dies  wort  ist  allgemein  gebräuchlich  und  zwar  ausser  mit  der 
bedeutung  „wohnhaus"  auch  mit  der  allgemeineren  bedeutung 
„haus".    (Den  ältesten  beleg  für  dies  wort  finde  ich  in  dem 
zemaitisehen  fürstennamen  Butegaide,  ca.  1290).    Die  letztere 
ist  die  ursprünglichere,  wie  sich  einmal  aus  dem  Altpreußischen 
und  dann  aus  dem  umstand  ergibt,  daß  in  zweifelhaften  fallen 
das  wohnhaus  gywenamasis  bütas  (oder  bäts)  heißt.  Die 
grundbedeutung  von  bütas  ist  „Wohnraum,  aufenthalt",  vgl. 
bute  „aufenthalt,  Wohnsitz,  heimat",  büwis  „aufenthaltsort".  — 
Gywenamoji  (Kurschat)  =  nordlit.  gywenemäji  ist  eine  Ver- 
kürzung von  gywenamoji  trobä  „wohngebäude".  —  Trobä 
wird  um  Heydekrug,  Kinten  und  Inse  (wo  überall  bütas  seltener 
ist)  in  den  bedeutungen  „wohnhaus"  und  „haus"  gebraucht  und 
kommt  in  der  letzteren  bedeutung  auch  sonst,  aber  selten  vor. 
(In  der  ersten  bedeutung  findet  es  sich  auch  in  der  erzählung  „Jons 
in  Aniutia",  Peterburgas  1877,  s.  29,  trioba  geschrieben).  Nach 
meiner  empfindung  entspricht  es  mehr  unserem  „gebäude"  als 
unserem  „haus",  und  hierzu  stimmen  die  meisten  Wörterbücher, 
voran  das  quartlexikon  des  hiesigen  geheimen  archivs,  das  troba 
und  budawone  als  Übersetzungen  von  „gebäu"  gibt,  sowie  da« 
z'emaitische  trobesis  „gebäude"  Geitler  Lit.  stud.  s.  117  (oft 
bei  Dowkont  und  hier  umfassender  als  trobä,  vgl.  unten  s.  65). 
In  einem  etwas  anderen  sinne  scheint  Szyrwid  a.  a.  o.  trobä 
gebraucht    zu    haben,    der    izba   „stube"   mit  troba  kuria- 
ma   und  sala  „saal"  mit  plati  troba  übersetzt  hat.  Aber 
dies  ist  doch  wohl  nur  eben  ein  schein,  und  dieser  gebrauch 
spiegelt  wohl  lediglich  die  anschauung  einer  zeit  wieder,  welche 
die  verschiedenen  räume  eines  Litauers  nur  als  verschiedene 


24)  Dazu  kommt  aus  älterer  zeit  und  zwar  aus  dem  alten  quart 
lexikon  noch  ymenya.    Dies  ist  das  russ.  imenije. 


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Von  A.  Bezzou berger. 


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gebäude  kannte26).  Die  ursprünglichste  bedeutung  von  trobi 
ist  mir  unklar;  man  pflegt  es  zu  lat.  trabs  zu  stellen,  und 
die  ausdrücke  sudurstimas  trobeles,  sudurstau  trobely28)  in 
Szyrwids  Dictionarium  (unter  klec,  klecc.)  stimmen  dazu 
nicht  übel.  —  Stuba  bezeichnet  überall,  in  Nordlitauen  neben 
e stuba,  eine  „stube".  Die  bedeutung  „wohnhaus"  hat  dies 
wort  daneben  in  der  Stallupöner  gegend  und  vielleicht  auch 
um  Pillkallen;  wenigstens  übersetzte  es  Mielcke  (der  cantor  in 
Pillkallen  war)  mit  „eine  stube,  ein  wohnhaus".  Die  letztere 
bedeutung  schreiben  ihm  auch  Nesselmann  und  Glagau  Littauen 
und  die  Littauer  s.  116  zu,  aber  ob  dabei  beide  nicht  lediglich 
auf  Mielcke  fussen,  weiss  niemand.  —  Namai  bez.  nSmä  (accus, 
namüs)  endlich  heisst  das  wohnhaus  meines  wissens  nur  in 
der  Umgebung  von  Prökuls  (und  so  auch  in  Drawöhnen),  sowie 
teilweise  umKinten  undKarkeln  (neben  bez.  bütas,  bäts,  trobä), 
und  dieser  name  ist  nichts  anderes  als  der  nom.  plur.  des 
schon  wiederholt  genannten  namas.  Ursprünglich  bedeutete 
dies  wort,  wie  im  Lettischen  (na' ms),  einfach  „haus"  und 
wird  so  (im  singularis)  noch  im  russischen  Litauen  gebraucht27). 
In  den  aus  dem  preußischen  Litauen  stammenden  texten  findet 
sich  sein  singularis,  wenn  ich  mich  recht  erinnere,  nirgends; 
daß  er  dort  aber  —  gleichviel  mit  welcher  bedeutung  —  noch  im 
vorigen  Jahrhundert  vorkam,  wird  durch  die  o.  s.  34  f.  abgedruckte 
mitteilung  Lepners  und  das  schon  erwähnte  quart-lexikon  bezeugt, 
das  unter  „haus"  namas,  buttas,  unter  „backhaus"  „priemena, 
namas,  rectius  peczone",  unter  „wohnung"  namas,  gywenimas 

25)  Man  beachte,  was  unten  8.  65  über  den  zeniaitischen  gebrauch 
von  troba  gesagt  ist. 

26)  Su-dürstyti  heisst  „hin  und  her  zusammenstecken".  Ich 
vermute,  daß  Nesselmann  die  ausdrücke  sudurstyti  troba.  und  sudur- 
stimas lediglich  aus  Szyrwid  genommen  hat. 

27)  Unter  deu  mir  aus  Birsen  mitgeteilten  hausrissen  fig.  12 — 14  ist 
plana«  nama  u.  s.  w.  geschrieben.  —  Daß  sich  namas  „haus"  heute 
auch  noch  im  preußischen  Litauen  finde,  läßt  sich  aus  den  Worten  Schleichers 
Leseb.  s.  292  und  Kurschats  Lit.  wbch.  unter  namas  nicht  mit  Sicher- 
heit schliefen. 

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Über  das  litauische  haus. 


bietet,  aber  freilich  unter  den  mit  „haus"  beginnenden  zusammen- 
setzunge  n  n  h  in  n  s  als  pluraletantum  behandelt  und  „wohnhaus"  mit 
yraenya,  namai  übersetzt.  Ganz  gewöhnlich  ist  dagegen  schon 
in  den  ältesten  quellen  der  plur.  namai  und  zwar  mit  der  schlichten 
bedeutung  „haus",  jedoch  —  meines  wissens  —  nur,  wo  man 
hierfür  auch  „wohnhaus"  sagen  könnte28).  So  steht  in  der 
Forma  chrikstima  (1559)  s.  26:  su  tais  paczeis  waikeleis, 
kurie  namusu  czesu  priegadas  stoiesi  apchrikstiti  .  .  .  . 
kada  kudikelis  io  rupestingoses  silpnibes  delei  na- 
musu  apchrikstitas   butu   essas;    Bretken  (gest. 

1602)  übersetzt  den  vers  Luk.  19.  46  mit  namai  mana  namai 
maldas  ira,  bet  ius  padarete  ios  namais  rasbajq.  Auch 
in  dem  Brodowski'schen  Wörterbuch  ist  namai  kurzerhand  mit 
„haus"  übersetzt2*).  Es  ist  klar,  daß  dieser  Sprachgebrauch  mit 
dem  litauischen  bauwesen  im  engsten  Zusammenhang  steht,  aber 
es  ist  nicht  ohne  weiteres  deutlich,  wie  er  zu  erklären  ist  Irre 
ich  mich  nicht,  so  kommen  hierfür  zwei,  und  zwar  nur  zwei 
möglichkeiten  in  betracht:  1)  die  bezeichnung  des  hauses  mit 
dem  plur.  namai  „häuser"  ist  durch  die  teilung  des  früher  un- 
geteilten hauses  in  mehrere  räume  veranlaßt  (vgl.  als  analoga 
ved.  grhä's,  lat.  aedes);  2)  zu  dem  einen  haus,  welches  eine 
litauische  familie  früher  inne  hatte,  traten  in  einer  späteren  zeit 
andere  häuser  (namai),  und  indem  hierdurch  eine  hofanlage 
entstand,  indem  diese  namai  genannt  wurde  (vgl.  altnord.  hüs), 
nahm  dieser  plural  die  bedeutung  „wohnort",  „wohnung"  an 

28)  Später  mag  das  anders  geworden  sein,  vgl.  die  ausdrücke  küdikio 
namai  „nachgeburt",  warliü  namai  „fischlaich",  straiges  namai 
„Schneckenhaus"  bei  Nesselmannn. 

29)  Ebenso  gibt  Szyrwid  für  poln.  dorn,  lat.  domus,  aedes  lediglich 
namay.  Befremdlicher  weise  übersetzt  derselbe  „obora,  claustrum,  septum" 
„viehof"  mit  pune,  namas,  dagegen  „obora,  stabulum,  pecuaria  locau 
mit  gurbas.  Ich  möchto  annehmen,  daß  die  litauischen  bedeutungen  dieser 
beiden  artikel  vertauscht  sind,  denn  pune  ist  wruss.  punja  „viehstall, 
schuppen4  und  gurbas  bedeutet  sonst  „koben,  käfigu.  Nach  Lucas  David 
Preuß.  chronik  I.  108  hiessen  die  korndarren  im  Preußischen  gorben.  Da 
im  nämas  teilweise  auch  vieh  hauste,  so  konnte  dies  wort  in  einer  vorge- 
schritteneren zeit  wohl  auch  die  bedeutung  „stall w  annehmen. 


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Von  A.  Bezzenberger. 


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und  wurde  weiterhin  teilweise  zur  bezeichnung  der  hauptwohnung, 
des  haupthauses  verwendet.  Von  diesen  beiden  möglichkeiten 
ist  indessen  die  erste  zu  streichen,  denn  gegen  sie  spricht  nicht 
nur  das  vorkommen  mehrer  Wohnhäuser  in  späterer  zeit  und 
was  wir  von  diesen  wissen,  sondern  auch:  1)  daß  der  singularis 
namas  und  der  pluralis  namai  nirgends  in  der  allgemeinen 
bedeutung  „räum  eines  hauses",  „räume  eines  hauses"  (vgl.  gr. 
d6iio$,  dtoua  und  Möbius  Altnord,  glossar  unter  hüs)  vorkommen80); 
2)  daß  dagegen  speziell  die  hausflur,  ob  geteilt  oder  nicht,  in 
Nordlitauen  näms  —  namas  genannt  wird;  3)  im  allgemeinen 
(vgl.  s.  51)  bedeutet  namai  heute  nicht  das  haus,  das  wohnhaus, 
sondern  die  wohnung,  das  hauswesen,  die  heimat  („ein  eigen  haus, 
die  heimat"  Mielcke)  und  bei  Stallupönen  den  ganzen  hof 81).  Diese 
bedeutungen  stimmen  nun  aber  so  ausgezeichnet  zu  der  zweiten 
möglichkeit,  daß  diese  festzuhalten  ist.  Freilich  verstößt  sie  gegen 
die  historischen  quellen,  indessen  dies  tut  auch  die  ihr  entgegen- 
stehende annähme,  und  der  verstoß  ist  wohl  nur  scheinbar,  denn 
sicher  schildern  jene  nur  die  Wohnungsverhältnisse  der  großen 
menge  und  nicht  diejenigen  der  vornehmeren  Litauer;  sicherlich 
begnügten  sich  die  letzteren  schon  in  sehr  früher  zeit  nicht  mit 
einem  einfachen  „rauchhaus",  und  umgekehrt  gab  es  gewiß  noch 
zu  Lepners  zeit  manchen  armen  teufel,  dem  das  „andre  Wohn- 
haus" fehlte.  Den  beweis  für  diese  behauptungen  liefern  s.  39 
anm.  10,  8. 41  anm.  12  und  der  umstand,  daß  die  pirten  (lit.  pirtls) 
d.  i.  badestuben,  brachstuben  in  den  betr.  ältesten  quellen  nicht 
erwähnt  werden,  obgleich  es  unzweifelhaft  ist,  daß  diese  häuschen 
schon  in  sehr  früher  zeit  vorkamen,  da  sie  einen  echt  litauischen 

30)  Vgl.  dagegen  pakAjus  „zimraer"  —  pakijei  „herrenhaus"  bei 
Leskien  und  Brugman  Lit.  Volkslieder  u.  s.  w.  s.  340  sowie  rumas  „haus, 
gemach,  halle"  bei  Geitler  Lit.  stud.  s.  107  und  den  plural.  rumai  in  der- 
selben bedeutung  das.  s.  23.  (In  „Jons  ir  Aniutia",  s.  7  sind  rumai  dagegen 
„Wohnhäuser".) 

81)  Ebenso  nach  Dowkont  Buda  etc.  s.  80  im  Zemaitischen:  Tokj 
wlssa  sawa.  gywenima  szenden  dar  kalnienaj  !r  Zamaitej  tob 
waden  nömajs  nu  wissöpirmojo  ir  wissöweczojo  sawo  trobesio 
nomö  wadinamo;  das  ist  ziemlich  dasselbe,  was  ich  oben  sagte. 


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Über  das  litauische  haus. 


namen  führen  und  mit  demselben  (pi'rts)  auch  von  den  Letten 
benannt  werden.  Ich  nehme  also  an,  daß  sich  der  gebrauch  von 
namai  in  der  bedeutung  „haus",  „Wohnhaus"  in  den  besitzungen 
der  vornehmeren  Litauer  entwickelt  hat. 

Als  das  älteste  litauische  wort  für  „haus"  ist  namas  zu 
betrachten,  denn  nur  dieses  findet  sich  auch  außerhalb  der  bal- 
tischen sprachen  (vgl.  s.  41  anm.  14),  und  die  „zu  haus,  nach 
haus"  bedeutenden  ausdrücke  sind  von  ihm  gebildet.  Vermutlich 
minder  alt,  aber  doch  auch  recht  altertümlich  ist  das  außer  im 
Litauischen  nur  noch  im  Preußischen  vorkommende  bütas. 
Das  alter  von  trobä  entzieht  sich  der  beurteilung.  Die  übrigen 
litauischen  benennungen  des  hauses  sind  jung.  "Wenn  nun  ge- 
rade namas  in  der  bedeutung  „haus",  „wohnhaus"  im  preußischen 
Litauen  durchaus  oder  so  gut  wie  durchaus  nicht  mehr  vor- 
kommt, so  erklärt  sich  dies  sehr  einfach  daraus,  daß  es  hier 
frühzeitig  die  specielle  bedeutung  „rauchhaus"  erhielt  und  daß 
dies  als  selbständiges  gebäude  verschwunden  ist. 

Der  verbreitetste  name  der  hausflur  ist  bütas,  nordlit. 
bat s.  Er  ist  meines  wissens  allgemein  gebräuchlich  (vgl. 
Nesselmanns  und  Kurschats  Wörterbuch)  und  findet  sich,  wenn 
ich  nicht  irre,  zuerst  in  dem  Brodowski'schen  Wörterbuch  (etwa 
aus  dem  zweiten  viertel  des  vorigen  jahrhunderts) :  „butts  hauß, 
vorhauß,  behausung".  Eine  andere,  aber  nur  in  Nordlitauen  ge- 
bräuchliche benennung  jenes  raumes  ist  na  ms,  und  dies  wort 
ist  nichts  anderes  als  die  nordlitauische  form  des  „hochlitauischen" 
namas.  —  Andere  benennungen  der  flur  sind:  prybutis  (vgl. 
Nesselmanns  und  Kurschats  Wörterbuch),  mir  aus  der  Stallupöner 
gegend  bekannt;  prynumangis  in  Nordlitauen  (Lit.  forsch, 
s.  159) 82);  namangis  in  Ruß  und  der  Niederung  (nach  Nessel- 
mann); pryange  Kalningken  (Niederung).  Diese  vier  Wörter 
bedeuten  der  reihe  nach  eigentlich  „vorhaus"  oder  „vorflur",  „räum 
vor  dem  eingang  zum  nams",  „eingang  des  namas",  „räum  vor  dem 
eingang".    Das  erste  von  ihnen  ist  in  Nordlitauen  bezeichnung 

82)  Aus  dem  dort  mitgeteilten  ergibt  sich,  daß  auch  in  Nordlitauen 
die  hausflur  zuweilen  die  in  fig.  3,  4,  7  erscheinende  form  angenommen  hat. 


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Von  A.  Bezzeubergcr. 


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einer,  auch  pr^numis  genannten  kammer,  die  zwischen  einer 
stuhe  und  der  flur  liegt  (s.  w.  u.)  und  gewissermassen  eine  vorflur 
bildet  ;  das  vierte  bezeichnet  dort  eine  am  hause  befindliche  veranda- 
artige vorhalle,  und  ebendiese  bedeutung  hat  daselbst  auch  die  zweite 
jener  benennungen.  Für  die  frage  nach  der  entstehung  der  hausflur 
kommen  diese  Wörter  hiernach  nicht  in  betracht.  Sie  sind  zu 
benennungen  derselben  höchstwahrscheinlich  da  und  dadurch 
geworden,  wo,  bez.  daß  eine  teilung  der  flur  vorgenommen 
wurde  (vgl.  fig.  3 — 7),  welche  die  entree  in  einen  gegensatz  zu 
dem  größeren  teile  der  flur  setzte.  Von  entscheidender  bedeutung 
für  jene  frage  sind  dagegen  die  zuerst  erwähnten  benennungen 
der  hausflur:  nams  und  bütas,  bats.  Da  die  eigentliche  be- 
deutung dieser  Wörter  „haus"  ist,  und  da  von  den  ostpreußischen 
Deutschen  haus  für  hausflur  gebraucht  wird  (vgL  o.  s.  36  anm.  2), 
so  liegt  die  Vermutung  nicht  fern,  daß  jener  litauische  Sprach- 
gebrauch aus  dem  Deutschen  stamme.  Dieselbe  ist  jedoch  be- 
stimmt zurückzuweisen,  da  namas  (nams)  mit  der  schlichten 
bedeutung  „haus"  im  preußischen  Litauen  schon  vor  langer  zeit 
ungebräuchlich  geworden  ist  und  zwar  ehe  sich  die  einheitlichen 
litauischen  Wohnhäuser  der  neueren  zeit  eingebürgert  hatten, 
und  da  das  haus  in  Nordlitauen  eben  nicht  nams,  sondern  ba  ts 
und  speciell  um  Prökuls  auch  n8mä  heißt. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  dem  besprochenen  Drawöhner 
haus  zurück!  Seine  flur  heißt  also  nams  oder  bats  und  nams 
=  nämas  bedeutete  früher  „haus",  später  speciell  „rauchhaus", 
bäts  heißt  „haus".  Es  ergibt  sich  daraus,  daß  diese  hausflur 
früher  ein  besonderes  haus  war,  und  weil  sie  schlechthin  „haus" 
heißt,  das  älteste  litauische  haus  aber  in  dem  namas,  dem 
rauchhaus,  zu  erkennen  ist,  so  ist  sie  sicherlich  mit  diesem  zu 
identifizieren.  Ihre  beschaffenheit  stimmt  vollständig  zu  dieser 
ihrer  geschichte,  denn  in  ihr  werden  die  netze  geräuchert81). 

33)  Vgl.  die  auf  die  litauische  hausflur  überhaupt  bezüglichen  worte 
Glagau's  Littauen  und  die  Littauer  s.  115  f.:  „Der  rauch  streicht  die 
decke  entlang  zu  den  türen  hinaus,  von  welchen  die  vordere  auf  die  gasse  [?], 
die  hintere  gerade  gegenüberliegende  auf  den  hof  führt  [?J  Der  rauch  erfüllt 
den  ganzen  räum  mit  dichtem  qualm,  kämpft  mit  dem  durch  die  gewöhnlich 


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Über  das  litauische  haus. 


Die  vorstehenden  erörterungen  legen,  wie  mir  scheint,  zu- 
nächst die  entstehnng  aller  der  hansanlagen,  welche  fig.  1  ver- 
anschaulicht, völlig  klar.  Diese  sind  entstanden  durch  eine  Ver- 
bindung von  stuba,  nämas  und  maltüwe.  Über  die  weise,  in 
welcher  diese  Verbindung  bewirkt  wurde,  scheint  mir  die  reihen- 
folge  der  einzelnen  räume  aufschluß  zu  geben  sowie  der  umstand, 
daß  das  ganze  Wohnhaus  in  Südlitauen  stuba>  heißt.  Ich  nehme 
demgemäß  an,  daß  jene  hausanlagen  so  zu  stände  kamen,  daß 
die  flur  der  stuba  zum  nämas  ausgebaut  und  daß  an  diesen  die 
maltüwe  angefügt  wurde84). 

Hausanlagen,  wie  die  besprochene,  sind  —  von  katen 
natürlich  abgesehen  —  die  einfachsten,  welche  ich  kenne.  Alle 
anderen  mir  bekannten  sind  weit  complicirter.  Aber  obgleich 
sie  dies  sind,  scheinen  sie  mir  doch  nur  ausbildungen  und  Ver- 
vollkommnungen jenes  einfachsten  typus.  Ich  hoffe,  diese  be- 
hauptung  im  folgenden  ausreichend  zu  begründen. 

Fig.  2  gibt  den  grundriß  des  ältesten  und  altertümlichsten 
hauses86)  des  dorfes  Enskehmen  bei  Stallupönen.  Man  bemerkt 
hier  sofort  dieselbe  dreiteilung,  wie  in  flg.  1:  in  der  mitte  die 
flur  (a),  von  welcher  ein  großer  teil  durch  einen  weiten,  als 
küche  dienenden  rauchfang  (b)  —  f  ist  ein  offener  heerd  —  ein- 
genommen wird,  und  dessen  hinterster  teil  (c)  als  kammer  ab- 
geschlagen ist;  rechts  davon  eine  größere  stube,  das  Wohnzimmer 
(d)  mit  einem  ofen  (h)  und  einem  kamin  (g),  in  welchem  fiir 
gewöhnlich  gekocht  wird,  und  hinter  der  wohnstube  (stuba)  ein 
kleineres  zimmer  (e)  (stub£le),  das  als  altsitzerwohnung  dient; 
links  von  der  flur  zwei  kammern  (c1  und  c2).  —  Die  verschie- 

offen  stehenden  türen  hereinströmenden  zugwind,  belegt  decke  und  wände 
mit  einem  glänzend  schwarzen  ruß  und  räuchert  auf  seinem  wego  die  an 
der  decke  hängenden  fische,  wiirste  und  Speckseiten  gar.  Dennoch  ist  der 
flur  im  sommer  der  gewöhnliche  aufenthaltsort  für  die  familie ;  man  ißt  und 
arbeitet  hier,  und  wenn  die  leute  naß  geworden  sind,  setzen  sie  sich  um  den 
herd  herum  und  trocknen  am  feuer  und  qualm  ihre  kleider".  Diese 
beschreibung  trifft  freilich  nicht  allgemein  zu. 

34)  Vgl.  zu  dieser  annähme  Henning  Das  deutsche  haus  (Straß- 
burg 1882)  s.  69. 

85)  Es  wohnt  in  ihm  bereits  die  dritte  generation. 


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Von  A.  Bezzenberger. 


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denheiten,  welche  zwischen  fig.  1  und  fig.  2  hervortreten,  sind 
untergeordneter  natur:  die  flur  ist  hier  schmäler  als  dort,  weil 
man  in  Enskehmen  keine  netze  strickt  und  trocknet,  und  eine 
geräumige  flur  hier  reiner  luxus  wäre;  die  kammer,  welche  fig.  2 
hinter  der  küche  zeigt,  fehlt  benachbarten  häusern  (vgl.  fig.  3, 
4,  6,  7)  und  ist  zweifellos  eine  willkürliche  einrichtung  eines 
besitzers  dieses  hauses;  die  i  rennung  der  stubä  in  stubä  und 
stubele  in  fig.  2  ergibt  sich  durch  die  betrachtung  der  figur  8 
als  eben  nur  eine  trennung  und  wird  von  den  nördlichen 
Litauern,  bei  denen  dieselbe  nicht  durchgeführt  ist,  für  un- 
wesentlich gehalten:  die  einen,  sagte  mir  ein  solcher,  bauten 
ihre  stuben  isz  Kdze  (d.  h.  durchgehend,  ungeteilt),  die  anderen 
teilten  sie  in  stubä  und  stubele;  das  mache  aber  jeder,  wie  er 
wolle,  und  ein  wesentlicher  unterschied  zeige  sich  darin  nicht. 
—  Auch  das  fehlen  der  hintertür  in  dem  durch  fig.  2  dar- 
gestellten haus  und  in  anderen  häusern  und  die  verschiedene 
läge  der  wohnstube  (rechts  oder  links  von  der  flur)  sind  irre- 
levant; vgl.  die  fig.  4  und  7.  Wichtig  ist  natürlich,  daß  an 
stelle  der  dunkelen  kammern  (c  und  c 1)  von  fig.  1  in  fig.  2  zwei 
bewohnbare  kammern  erscheinen.  Historisch  wesentlich  ist  in- 
dessen auch  dieser  unterschied  nicht;  die  räume  c  und  c1  der 
fig.  1  sind  einfach  zu  den  kammern  c1  und  c2  der  fig.  2  aus- 
gebaut. 

Wesentlich  ebenso  wie  das  eben  besprochene  Enskehmer 
haus,  waren  in  Enskehmen  nach  bestimmter  angäbe  des  dortigen 
lehrers,  heim  Marold,  früher  alle  häuser  gebaut36).  Man  erkennt 
dies  auch  deutlich  aus  den  grundrissen  dortiger  häuser,  welche 
in  den  fig.  3,  4,  5,  6  mitgeteilt  sind.  Mit  ausnähme  von  fig.  6, 
in  welcher  die  stube  i  auf  kosten  der  flur  erweitert  erscheint, 
zeigen  sie  alle  genau  dieselbe  dreiteilung  wie  jenes,  und  die 

3C)  „Auf  diese  weise"  schreibt  mir  herr  Marold,  dem  ich  die  grundrisse 
fig.  2—7  verdanke,  „waren  hier  früher  alle  bauernhäuser  gebaut ;  erst  später 
sind  sie  teils  geändert,  teils  neu  gebaut1'  ....  „Die  häuser  hatten  in  der 
regel  nur  auf  einem  ende  eine  größere  vorder-  und  eine  kleinere  hintorstube; 
erst  später  richteten  sie  auf  dem  anderen  ende  noch  eine  stube  ein". 


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58 


Über  das  litauische  haus. 


unterschiede,  welche  zwischen  diesem  und  ihnen  und  unter  ihnen 
selbst  hervortreten,  sind  klärlich  nur  solche,  welche  die  fort- 
schritte  der  cultur  und  die  verschiedenen  neigungen  und  be- 
dürfhisse  der  besitzer  bedingten.  Eine  ausführung  dieser  sätze 
halte  ich  für  überflüssig  und  beschränke  mich  darauf,  die  nötigen 
erläuterungen  zu  den  fig.  3 — 6  zu  geben. 

Ad  fig.  3  :  a  =  flur;  b  =  küche;  c  und  c1  =  kammer; 
d  und  d1  =  stube;  e  —  wohnstube;  f  »=  heerd;  g  =  ofen. 

Ad  fig.  4  :  a  =  flur;  b  =  küche;  c,  c1  und  c2  =  kammer; 
d  und  d1  =  stube;  e       wohnstube;  f  =  heerd;  g  =  ofen. 

Ad  fig.  5  :  a  =  flur;  b  —  küche;  c  =  räum  zur  auf- 
bewahrung  des  schweinetrankes,  der  schmutzeimer  u.  dgl.;  d  = 
fleischkammer;  e  und  e1  =  stube;  f  =  wohnstube;  g  =  kam- 
mer; h  —  heerd;  i  =  ofen. 

Ad  fig.  6  :  a  =  flur;  b  =  küche;  c  —  Speisekammer;  d 
und  d1  =  kammer;  e  und  i  =  stube;  f  =  wohnstube;  g  — 
ofen;  h  —  heerd. 

Das  in  fig.  7  dargestellte  haus  steht  in  Hibben  bei  Stallu- 
pönen  und  deckt  sich  in  seinen  grundlmien  fast  genau  mit  dem 
in  fig.  4  abgebildeten,  a  ist  dort  =  flur;  b  =  küche;  c,  cl 
und  c2  =  stube;  d  und  d1  =  kammer;  e  =  wohnstube;  f  = 
heerd;  g  =  ofen. 

Die  in  fig.  3—7  dargestellten  häuser  sind  also,  wie  ihre 
geschichte  und  der  augenschein  lehren,  Varianten  des  durch 
fig.  2  vertretenen  typus,  und  dieser  selbst  ist  eine  fortentwick- 
lung  des  in  fig.  1  hervortretenden  grundtypus.  Gehen  demnach 
selbst  so  complicierte  südlitauische  anlagen,  wie  z.  b.  die  in  fig.  5 
geschilderte,  auf  diesen  zurück,  so  ist  es  von  vornherein  wahr- 
scheinlich, daß  auch  die  reichgegliederten  Wohnhäuser,  welche 
man  in  Nordlitauen  findet,  auf  ihm  beruhen.  Prüfen  wir,  ob 
sich  diese  Vermutung  durchführen  läßt! 

Fig.  8  gibt  den  (nach  erinnerung  aufgezeichneten)  grund- 
plan eines  hauses  in  Szwenzeln  am  kur.  haff.  In  ihm  ist:  a  = 
flur;  b  =  prV'butis  (s.  u.);  c  =  küche;  d  und  d1  =  stube;  e  = 
ofen;  f  =  pelens  (s.  o.  s.  49);  g  =  wohnstube. 


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Von  A.  Bezzen  berger. 


59 


Daß  die  linke  seite  des  hauses  hier,  im  gegensatz  zu  fig.  1, 
geteilt  ist,  kommt  natürlich  nicht  in  betracht  (vgl.  s.  57);  um 
so  mehr  aber  ist  die  rechte  seite  in  das  auge  zu  fassen,  denn 
sie  ist  durchgehend  der  schmalen  hauswand  parallel  geteilt,  und 
hierdurch  tritt  dieser  grundriß  in  einen  bemerkenswerten  gegen- 
satz zu  allen  anderen  bisher  betrachteten.  Ich  halte  diesen 
gegensatz  jedoch  nicht  für  wesentlich.  Er  verliert  alle  bedeu- 
tung,  sobald  wir  annehmen,  daß  b,  c  und  a  früher  ein  räum 
waren,  den  man  in  der  vorliegenden  weise  teilte  sei  es,  um  be- 
sondere räume  zu  gewinnen,  ohne  die  hintertür  zu  versperren, 
sei  es,  um  wenigstens  eine  stube  von  der  kalten  hausflur  zu 
trennen37).  Man  beachte  auch,  daß  wir  querteilungen  überhaupt  auch 
in  den  fig.  3 — 7  begegnen,  daß  g  neben  d  und  d1  als  luxus  er- 
scheint, und  b  (prybutis)  und  c  (kükne)  keine  alten  litauischen 
räume  sind:  kükne  ist  ein  slavisches  lehnwort  (poln.  kuchnia) 
und  prybutis  oder  prynumis  (auch  so  wird  ein  räum  wie  b 
genannt),  d.  i.  „vor-butas",  „vor-namas",  bezeichnen  hier  nicht 
etwa  „vorhaus",  sondern  „vorflur"  und  diese  Wörter  können  also 
erst  gebildet,  dieser  räum  kann  erst  entstanden  sein,  nachdem 
die  hausflur  den  namen  bütas  (bats)  oder  namas  (na ms)  er- 
halten hatte.  Beiläufig  bemerke  ich,  daß  im  prybutis  das 
fremdenbett  zu  stehen  pflegt. 

Ist  es  mir  gelungen,  nachzuweisen,  daß  nichts  gegen  die 
zurückfuhrung  des  grundrisses  fig.  8  auf  den  grundriß  fig.  1 
spricht,  so  würde  sich  diese  zurückführung  selbst  nur  in  dem 
falle  abweisen  lassen,  daß  die  Unabhängigkeit  des  letzteren  typus, 
daß  eine  principiell  verschiedene  entwicklung  dieser  beiden  typen 
wahrscheinlich  zu  machen  wäre.  Dies  ist  aber,  soweit  ich  sehe, 
nicht  möglich,  und  die  auf  der  vorigen  seite  behauptete  Wahr- 
scheinlichkeit wird  dadurch  für  mich  zur  gewißheit. 

In  fig.  9  (haus  des  Jons  Trauschies  in  Drawöhnen)  und 

37)  Für  diese  annähme  ist  wohl  entscheidend,  daß  mir  ein  Litauer 
den  prynumis  als  teil  des  näms  definierte  (vgl.  Lit.  forschungen  s.  159), 
und  dass  mir  andere  ausdrücklich  sagten,  er  diene  in  erster  linie  dazu,  die 
stube  wärmer  zu  halten. 


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60 


Über  das  litauische  haus. 


fig.  10  (aus  Hgejahnen,  sö.  von  Memel)  sind  die  grundrisse  von 
noch  zwei  coinplicierten  nordlitauischen  häusern  gegeben;  beide 
sind  augenscheinliche  vervoll  komm  nun  gen  des  in  fig.  8  dar- 
gestellten und  bedürfen  keiner  besonderen  besprechung.  Ich 
beschränke  mich  auch  hier  auf  die  nötigsten  erleuterungen. 

Ad  fig.  9:  a  --^  flur;  b  —  wohnstube;  cundc1  =  kleinere 
stube  (stubele);  h  =  stube;  d  prvbutis;  e  —  küknes  weta 
(wörtlich  „küchenstelle"  d.  i.  ein  räum,  in  dem  wohl  ein  Schorn- 
stein, aber  weder  esse  noch  heerd  ist,  und  der  also  nur  als  küche 
vorgesehen  ist;  er  dient  hier  zum  fische  -  trocknen) ;  f  =  ofen; 
g  —  pelens. 

Ad  fig.  10:  a  ~  nams;  b  —  kükne;  c  —  üzkuknis  („räum 
hinter  der  küche";  darin  befinden  sich  eimer,  tranktonne  u.  dgl.); 
d  =  pr<numis;  e  =  estuba  (wohnstube);  f  und  f1  =  istubale 
(„stübchen") ;  g  und  g1  —  kamära  („kammer");  h  =  rumpel- 
kämmerchen  (landyne  genannt);  i  —  heerd;  k  —  ofen;  1  = 
bodentreppe.  —  Die  flur  ist  hier  kleiner  als  in  fig.  9  und  fig.  8, 
weil  im  binnenlande  eine  geräumige  flur  wirtschaftlich  nicht 
nötig  ist  (vgl.  s.  57). 

Ich  habe  hiermit  sämmtliche  grundrisse  preußisch-litauischer 
häuser,  welche  ich  habe  entwerfen  oder  auftreiben  können,  mit- 
geteilt. Ginge  ich  in  Litauen  weniger  der  spräche  nach,  so 
würde  ich  mit  leichter  mühe  noch  eine  ganze  menge  solcher 
risse  haben  sammeln  können;  ich  bezweifle  aber,  daß  dadurch 
an  den  resultaten  dieser  Untersuchung  etwas  erhebliches  geändert 
wäre,  denn  so  viele  litauische  bauernhäusor  ich  auch,  von  Du- 
beningken  bis  nach  Nimmersatt,  besucht  habe  —  ich  habe 
keines  gefunden,  das  in  einem  wesentlichen  gegensatz  zu  dem 
nachgewiesenen  grundtypus  eines  litauischen  bauernhauses  (fig.  1) 
stände,  und  die  hiervon  verschiedenen  hausconstructionen,  welche 
in  unserem  Litauen  sporadisch  vorkommen88),  oder  vorkommen 

• 

38)  Herr  oberlandesgerichtsrat  Ernst  Wiehert  hatte  die  güte,  mir 
nach  dem  abschluß  dieser  arbeit  die  Zeichnung  und  den  grundriß  eines 
hauses  in  Gilge  mitzuteilen,  das  ich  der  ostdeutschen  bauart  zuweisen  möchte. 
Dieser  grundriß  ist  in  fig.  21  widergegebeu;  ich  verweise  zu  ihm  auf 


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Von  A.  Bezzenberger. 


61 


mögen,  sind  sicherlich  aus  anderen  gegenden  Ostpreußens  ein- 
geführt. Daß  in  dieser  provinz  verschiedene  bauweisen  vor- 
kommen, ergibt  ein  vergleich  z.  b.  der  bauernhäuser  um  Königsberg 
mit  der  ausgezeichneten  darstellung  eines  ermländischen  bauern- 
hauses,  welche  in  den  „Sitzungsberichten  der  altertumsgesellschaft 
Prussia",  november  1883 — 1884  (s.  d.  angehängten  tafeln)  veröffent- 
licht ist.  Vgl.  auch  Dittrich  Das  alte  ermländische  wohnhaus, 
Zeitschrift  f.  d.  geschichte  u.  alterthumskunde  Ermlands  V.  510. 

Die  resultate,  welche  ich  in  bezug  auf  die  entwicklung  des 
preußisch-litauischen  hauses  gefunden  zu  haben  glaube,  sind,  kurz 
zusammengefaßt,  folgende:  Ursprünglich  existierte  nur  ein 
wohnhaus  ganz  primitiver  art  (namas);  später  trat  dazu 
mindestens  ein  zweites  wohnhaus  (stubä);  noch  später 
wurden  stubä,  namas  und  der  maltüwe  genannte,  früher 
selbständige  wirtschaftsraum  zu  einem  hause  vereinigt 
und  es  entstand  so  der  grundtypus  fig.  1,  auf  welchen 
alle  mir  bekannten  preußisch-litauischen  bauernhäuser 
zurückgehen. 

Ich  gehe  nun  zu  dem  russisch-litauischen  hause  über 89). 
Leider  kenne  ich  dasselbe  nur  sehr  ungenügend,  da  mir  meine 
zeit  an  ort  und  stelle  nie  erlaubt  hat,  ihm  eingehende  aufmerk- 
samkeit  zuzuwenden.  Nach  den  eindrücken,  die  ich  von  ihm, 
sowohl  aus  Zemaiten  wie  aus  Litauen  mitgenommen  habe,  ist 
es  von  dem  preußisch-litauischen  hause  principiell  nicht  ver- 

Wichert's  Littauische  geschieh ten  (Leipzig  1882)  s.  211.  Wie  mir  herr 
Wiehert  sagt,  zeigen  dort  andere,  und  zwar  gerade  alte  häuser  denselben 
typus.    Auf  welchem  wege  er  uach  Gilge  gekommen  ist.  bleibt  zu  untersuchen. 

39)  Neuere  literatur  über  das  russisch-litauische  und  das  zemaitische 
haus  gibt  es  meines  wissens  nicht.  Nur  in  den  „notizen  von  Preußen'', 
II.  Sammlung,  Königsberg  1796,  s.  160  habe  ich  eine  diesbezügliche  bemerkung 
gefunden:  „Die  bauart  ist  in  manchen  dörfern  der  herrschaft  Serrey  nicht 
mehr  ganz  polnisch.  Die  gebäude  sind  zum  teil  aus  unbeschlagenem  holze 
in  bollwänden  erbauet  und  ziemlich  geräumig.  Manche  haben  auch  Schorn- 
steine, eino  sonst  ganz  ungewöhnliche  erscheinung  iu  polnischen  dörfern. 
Man  beschreibt  sonst  überhaupt,  und  zwar  sehr  treffend,  die  Wohnungen 
des  polnischen  hauers  wie  meise-kasten,  und  auch  solche  findet  man  noch 
hin  und  wieder  in  den  Serreyschen  dörfern". 


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62 


Über  das  litauische  haus. 


schieden,  und  diese  Vermutung  wird  durch  die  grundrisse  be- 
stätigt, welche  ich  erhalten  habe.  Der  erste  von  ihnen,  welchen 
ich  herrn  dr.  E.  Wolter  verdanke,  ist  der  plan  eines  hauses  in 
Dewaltowo  bei  Wilkomir  (fig.  11);  die  drei  anderen  stellen 
häuser  aus  der  gegend  von  Birgen  (kreis  Ponewesh)  dar  und 
sind  mir  durch  die  gute  des  herrn  generalsuperintendent 
von  Moczulski  zugekommen  (fig.  12,  13,  14).  Ich  gebe  zunächst 
die  nötigen  erläuterungen  zu  diesen  rissen. 

Ad  fig.  11:  a  =  flur  (priWne);  b  =  Wohnzimmer  (grycze); 
c  und  c1  =  kammer;  d  =  ofen;  e  =  katelnycze. 

Ad  fig.  12 40),  13,  14.  Hier  sind  durchgehende  bezeich- 
nungen  angewendet:  A  =  gryczia  (wohnstube);  B  =  hand- 
kaminer  uud  küche;  C  =  premenia  (flur,  Vorzimmer);  D  =  ka- 
marela  del  swiaczia  (besuch-raiun) ;  E  =  sekliczia  (karaara)  del 
prakilna  swiaczia  (staatszimmer)41);  F  =  kamarela  del  walgima 
swiacziam  (räum  zur  bewirtung  der  gaste);  G  =  kamarela  del 
guala  swiacziam  (schlafstätte  für  gäste);  a  =  duris  (tür);  b  = 
lungas  (fenster);  c  =  peczis  (ofen);  d  =  Iowa  (bett);  e  =  stalas 
(tisch);  f  -  kiarte  (wieta)  del  padejima  bulbu  (platz  für  kartoffeln); 
g  =^  wieta  del  padejima  wyralu  (kubilu  su  burokeis,  kapusteis 
ir  su  batwynieis)  (platz  für  geftisse  mit  roten  rüben  u.  dgl.); 
h  =  wieta  del  girnu  (handmühle);  i  —  wieta  del  zusu  perejima 
(lustos)  (gänsenester);  k  =  wieta  del  kiaulu  palobima  (mästplatz 
für  Schweine?);  1  —  angelsk  kuchnia  (kochinaschine?).  —  Die 
in  A  längs  den  wänden  gezogeneu  striche  sind  nicht  erleutert, 
stellen  aber  zweifellos  bänke  vor. 

Wie  mir  der  Zeichner  dieser  risse  schreibt,  ist  in  fig.  12 
ein  haus  aus  der  zweiten  hälfte  des  vorigen  jahrhunderts,  in 
fig.   13  ein  haus  aus  der  ersten  hälfte  dieses  jahrhunderts  und 


40)  Man  vgl.  hiermit  fig.  41  (s.  60)  bei  Henning  a.  a.  o. 

41)  Griczia  „wohnstube",  priemenia  und  sekliczia  erscheinen 
auch  in  der  wiederholt  erwähnten  schrift  ,,Jons  ir  Auiutia'',  deren  dialekt 
ich  nicht  zu  bestimmen  wage.  Unklar  ist  mir  in  ihr  derausdruck:  noreja 
ejti  in  piaczi  del  ipilima  szilta  wirala  (s.  IG).  Sollte  piaczius 
(=päczus  „backofen")  hier  etwa  „küche"  bedeuten? 


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Von  A.  Bezzenberger. 


63 


in  fig.  14  ein  haus  aus  der  zweiten  hälfte  dieses  jahrhunderts 
dargestellt.  Der  fortschritt  der  civiiisation,  der  in  fig.  13  und 
14  hervortritt,  ist  auch  in  dem  äusseren  dieser  häuser  zu  er- 
kennen; vgl.  fig.  15,  16,  17,  in  welchem  die  zu  fig.  12,  13,  14 
gehörigen  fronten  abgebildet  sind.  Alle  drei  häuser  sind  mit 
stroh  gedeckt,  doch  gibt  es  bei  neuen  häusern  auch  Schindel- 
dächer. In  fig.  15  und  fig.  16  treten  die  enden  der  zum  bau 
verwendeten  balken  hervor;  an  dem  in  fig.  17  abgebildeten 
hause  sind  sie  dagegen  mit  gehobelten  brettern  verschalt. 

Vergleicht  man  nun  fig.  11—14,  die  augenscheinlich  auf 
einen  grundtypus  zurückgehen,  mit  fig.  1 — 7,  so  ergibt  sich  eine 
so  überraschende  Übereinstimmung  zwischen  diesen  und  jenen, 
daß  es  jeder  wahrscheinlich  finden  wird,  die  entwicklung  unserer 
russisch -litauischen  und  preußisch -litauischen  häuser  sei  die 
gleiche  gewesen.  Es  fragt  sich  indes,  ob  diese  Vermutung  ganz 
zutreffend  ist. 

Gr<cze  (oder  grf czia)  ist  aus  grynicze  verkürzt  und 
dies  ist  aus  dem  altrussischen  gridlnica  entlehnt  (Brückner 
Lituslav.  stud.  I,  s.  85),  das  von  Miklosich  mit  „satellitum 
domus"  übersetzt  wird  und,  beiläufig  bemerkt,  skandinavischer 
abkunft  ist.  Im  heutigen  Russisch  soll  eine  nebenform  dieses 
wortes  (gridlnja)  dialektisch  mit  der  bedeutung  „bauernhütte" 
vorkommen.  Nach  Ruhig-Mielcke  bedeutet  gryniczia  „gesinde- 
stube"  und  dieselbe  bedeutung  gibt  Geitler  Lit.  stud.  s.  84  der 
form  gricza.  Nach  Brugman  (Leskien-Brugman  Lit.  Volks- 
lieder u.  s.  w.  s.  335)  istgrincze(=  grynicza,  grVcze)  „der 
gewöhnliche  ausdruck  für  ein  kleineres  haus,  besonders  bauern- 
haus".  In  Szyrwids  Dictionarium  endlich  findet  sich  nach  „izba, 
hypocaustum,  troba  kuriama"  der  artikel  „izba  czarna,  fumarium, 
pirtinia,  grinicia".  Da  pirtinia  von  pirtis  „badestube" 
(bei  Szyrwid  unter  laznia)  abgeleitet  ist  und  grinicia  wegen 
der  herkunft  und  der  heutigen  bedeutung  dieses  wort  zu  Szyr- 
wids zeit  nicht  wohl  „rauchkammer"  „räucherkammer"  —  so 
übersetzt  Nesselmann  —  bedeutet  haben  kann,  so  möchte  ich 
die  frage  aufwerfen,  ob  dort  etwa  pirtinia  und  grinicia  je 


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04 


Über  das  litauische  haus. 


ein  verschiedenes  „fumarium"  bezeichnen,  und  ob  unter  der 
grinicia  etwa  das  preußisch-litauische  „rauchhaus",  namas,  zu 
verstehen  fst.  Die  grinicia  würde  alsdann  neben  der  izba, 
der  troba  kuriama,  stehen,  wie  der  namas  neben  der  stuba. 
Doch  ich  verfolge  dies  nicht  weiter.  Jedenfalls  führt  ein  räum 
der  in  rede  stehenden  häuser  einen  namen,  der  anderwärts,  und 
zwar  auch  in  Litauen  als  bezeichnung  eines  selbständigen  ge- 
bäudes  vorkommt  und  ursprünglich  nur  so  gebraucht  zu  sein 
scheint.  Daß  die  altrussische  gridlnica  als  „satellitum  domus" 
sachlich  von  dem  namas,  wie  Praetorius  diesen  beschreibt  (o.  s.  36), 
nicht  weit  abstand,  sieht  jeder.  —  Ein  russisch -litauisches 
synonymon  von  grtfcze  „Wohnzimmer"  scheint  pirkcze  bei 
Fortuna tow  und  Miller  Litovskija  narodnyja  pesni  s.  116  zu 
sein.  Fortunatow  bringt  dies  wort  gewiß  richtig  mit  pirkia 
„czernaja  izba"  (Mikuckij),  „piekarnia,  artoptaeum,  pistrinum" 
(Szyrwid)  zusammen  (Beitr.  z.  künde  d.  indog.  sprachen  IH,  s.  69) ; 
allein  da  ich  die  lautliche  identität  dieser  Wörter  bezweifle,  wage 
ich  ihre  sachliche  und  historische  nicht  zu  behaupten. 

"Was  die  premene  oder  pre'menia  betrifft,  so  erscheint 
dies  wort  in  einem  artikel  des  alten  quartlexikons,  den  Nessel- 
mann —  von  Kurschat  ganz  zu  schweigen  —  ungenau  wieder- 
gegeben hat;  er  lautet:  „Backhauß  priemena  namas  rectius 
peczone".  In  der  Bretken'schen  bibelübersetzung  ist  die  form 
priemenei  (nom.  sg.  priemenis)  II.  Mos.  40,  33  randglosse 
zu  dimsti,  das  Bretken  II.  Mos.  27,  9  in  der  bedeutung  „hof- 
raum"  gebraucht;  die  neue  litauische  bibelübersetzung  hat  an 
jener  stelle  prVbut\,  an  dieser  pryangj.  In  einem  modernen 
z'emaitischen  text,  Pal^ngos  Juze,  finde  ich  prejmine  (=  pre*- 
mene)  als  bezeichnung  eines  zemaitischen  raumes,  in  dem  ge- 
kocht wird  (taj  tarusi  iszeje  i  prejminq  ir  lij pe  mergielej 
ugni  sukurti  s.  8);  in  „Jons  ir  Aniutia"  ist  priemenia  und 
in  der  auf  der  folgenden  seite  aus  Dowkonts  Buda.  u.  s.  w.  an- 
geführten stelle  ist  primiue  ein  im  hause  befindlicher  Vorraum 
(Dowkont  erklärt  das  wort  aus  pirmo  und  minti).  —  Dies  ist 
alles,  was  ich  über  dies  wort  sagen  kann,  und  gewiß  ist  dies 


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Von  A.  Bezzenberger.  65 

■ 

nichts  weniger  als  hinreichend  für  die  annähme,  daß  die  prihneno 
ehemals  ein  selbständiges  gebäude  gewesen  sei.  Läßt  sich  dies 
aber  nicht  beweisen,  so  schwebt  die  annähme,  daß  der  grund- 
typus  unserer  russisch-litauischen  bauernhäuser  ebenso  wie  der 
der  preußisch -litauischen  bauernhäuser  durch  die  Verbindung 
dreier  selbständiger  gebäude  entstanden  sei,  in  der  luft. 

Abbildungen  zemaitischer  Wohnhäuser  kann  ich  leider  nicht 
mitteilen ;  ich  will  aber  einen  zemaitischen  Sprachgebrauch  hervor- 
heben, der  in  Verbindung  mit  dem  vorausgehenden  auf  die  ent- 
stehung  des  zemaitischen  hauses  wohl  licht  wirft.  In  dem  schon 
erwähnten  text  Palangos  Juze  wird  troba  öfters  in  der  bedeu- 
tung  , .stube"  gebraucht:  suejus  i  troba.  arba  grincze.  s.  7; 
s.  15  wird  zu  einem,  der  schon  im  nums  ist,  gesagt  ejk  i  troba,; 
woz  duris  atidariau,  mergiele  i  qntra,  troba,  iszokusi 
tare  s.  27.  In  Dowkont's  Dajnes  Ziamajtiu  no.  29  erscheinen 
griniczele,  seklyczele  und  trobuzele  als  verschiedene 
räume  gewiß  eines  hauses,  und  in  Dowkonts  Buda.  u.  s.  w.  s.  23 
steht  sogar:  ketwirtasis  trobesys  buo  trobas  arbo  swet- 

lyeze  rume  pas  mazosqs  durys  wadinos  wirene 

arba  kokne,  o  rume  pas  didiosQs  durys  wadinos  primine 
.  .  .  .,  korioie  buo  trejes  duris  be  didiuiü:  beje  wijnas 
i  koknq,  antras  i  troba.  o  tretioses  i  priszinike,  42). 
Hier  ist  also  der  pluralis  trobas  name  eines  hauses  —  und 
zwar  eines  solchen,  das  nach  seiner  Schilderung  den  besprochenen 
preußisch-  und  russisch -litauischen  hüusern  ziemlich  genau  ent- 
spricht — ,  und  troba  bezeichnung  eines  raumes  desselben  43). 
Darnach  ist  es  mir  sehr  wahrscheinlich,  daß  auch  das  zemaitische 
wohnhaus  in  sich  verschiedene  früher  getrennte  gebäude  vereinigt. 

Was  die  großen  Verhältnisse,  die  bauart  u.  s.  w.  der  litaui- 
schen häuser  betrifft,  so  kann  ich  darüber  nur  wenig  sagen. 

Die  besprochenen  Enskehmer  häuser  sind  zwischen  12  und 


42)  Dowkont  spricht  sich  an  dieser  stelle  ausführlich  über  den  zemai- 
tischen hausbau  aus,  aber  er  ist  sachlich  ein  sehr  unzuverlässiger  schriftsteiler. 

43)  Vgl.  rumas  —  rümai  o.  s.  53,  anra.  30. 

AJtpr.  MonatMcbrlft  Jl.l.  XXIII.  Hit.  1  u.  2.  5 


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CG 


V  bor  das  litauische  haus. 


16,50  mcter  lang  und  zwischen  7  und  8,50  meter  breit.  Das 
Drawöhner  haus  fig.  9  besitzt  eine  länge  von  etwas  über  24  m., 
eine  breite  von  etwas  über  6,50  m.;  das  Ugejahner  haus  fig.  10 
schätzte  ich  62  fuß  lang  und  28  fuß  breit.  —  In  Birsen  sollen 
die  älteren  häuser  durchschnittlich  6  faden  (s^ksnis)  lang, 
2,/2  faden  breit  und  6  fuss  hoch,  die  neueren  aber  durchschnittlich 
8  faden  lang,  4  faden  breit  und  7  fuss  hoch  sein.  Ich  selbst 
habe  die  höhe  nirgends  gemessen,  höchstens  unabsichtlich,  in- 
dem ich  mit  dem  köpf  an  die  deckenbalken  stieß. 

Im  norden  des  preußischen  Litauens  und  in  Zeraaiten  und 
Ostlitauen  herrscht  fast  ausscliließlich  der  holzbau,  und  auch 
im  süden  des  preußischen  Litauens  scheint  derselbe  früher  die 
regel  gewesen  zu  sein.  Heute  findet  man  in  dem  letztgenannten 
landstrich  aber  auch  nicht  wenige  massive  gebäude.  Fach- 
werkbau kommt  meines  wissens  nirgends  vor,  dagegen  bauen 
ärmere  leute  lehmhäuser.  Im  süden  unseres  Litauens  sind  die 
häuser  vielfach  geweißt.  —  Beim  holzbau  unterscheidet  .man  im 
preußischen  Nordlitauen  zwei  arten  zu  bauen,  das  bauen  \  szulus 
„in  Ständern  mit  füllholz"  und  das  bauen  \  kertis  „in  gehrsass". 
Der  letzte  ausdruck  ist  dadurch  veranlaßt,  daß  die  fuge,  in  der 
zwei  balken  in  einander  greifen,  die  winkelkerbung,  ebendort 
kertis  heißt.  Anderswo  sagt  man  \  sa/sparas  budawöti  für 
\  kertis  (auch  \  kertes  habe  ich  gehört)  budawoti.  -  Das  holz- 
haus  ruht  auf  einem  fundament  von  steinen,  das  die  preussischen 
Nordlitauer  pulements  nennen;  die  unmittelbar  auf  diesem 
ruhenden  balken  heißen  bei  ihnen  p  am  ata  (ein  solcher  heißt 
pämats).  Die  spalten  in  der  wand  zwischen  den  einzelnen 
brettern  und  balken  Mntarpei)  sind  mit  mos  ausgestopft,  das 
dach  ist  durchaus  von  stroh.  Seine  first  ist  mit  einer  besonderen 
strohschicht  (nordlit.  apwerszäwems)  bedeckt,  die  durch  stroh- 
bündelchen  (nordl.  burczäka)  und  gekreuzte  hölzer  festgehalten 
wird.  Der  gibel  geht  entweder  von  oben  glatt  zur  erde,  oder 
er  beginnt  oben  vertikal,  wendet  sich  dann  (hier  mit  stroh  bedeckt) 
unter  einem  stumpfen  winkel  seitlich  und  stößt  unter  einem 
spitzen  winkel  auf  die  schmale  hauswand,  über  die  er  ein  stück 


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Von  A.  Bezzenberger.  67 

hinausragt 44).  Erinnere  ich  mich  recht,  ao  trägt  er  nur  im 
letzteren  falle  giebelverzierungen,  etwas,  das  noch  besonderer 
Untersuchung  bedarf.  Dieselben  heißen  im  preuß.  Nordlitauen 
gaidakä,  in  Drawöhnen  auch  peres;  in  Ostlitauen  scheint  es 
dafür  keinen  bestimmten  ausdruck  zu  geben,  man  nennt  sie  dort 
wohl  gaidzei,  aber  auch  arklelei  und  ragai.  Die  zu  dem 
hause  fig.  10  gehörigen  sind  in  fig.  20  abgebildet.  (Vgl.  dazu 
Passarge  Aus  balt.  landen  s.  220).  —  Vor  der  tür  des  hauses  und 
der  klete  ist  nicht  selten  eine  verandaartige  vorhalle;  am  hause 
befindlich  heisst  sie  pr<numangis  oder  prfangis  (auch 
pryange),  an  der  klete  befindlich  nur  pr^angis. 

Eine  bestimmte  Stellung  innerhalb  des  gehöftes  (nordlit. 
gywenems)  hat  das  litauische  bauernhaus  nicht.  Ebensowenig 
scheint  mir  —  von  der  jäuja  abgesehen  —  die  Stellung  der 
übrigen  gebäude  zu  ihm  bestimmt  zu  sein.  Doch  ist  es  regel, 
daß  die  klete  (südlit.  kletis,  nordlit.  klete)  sich  in  der  nähe 
des  Wohnhauses  befindet.  In  dem  in  „Jons  ir  Aniutia"  s.  7 
geschilderten  dorf  steht  sie  je  dem  wohnhaus  gegenüber.  Im 
preuss.  Südlitauen  ist  sie  jetzt  wohl  durchgehend  unter  einem 
dache  mit  einem  anderen  räum,  vereinzelt  sogar  mit  dem  wohn- 
hause selbst;  so  ist  sie  z.  b.  unmittelbar  mit  dem  in  fig.  2 
geschilderten  hause  vereinigt.  Sie  wird  aber  nicht  zum  wohn- 
hause gerechnet.  Dieses  gebäude  dient  als  Speicher  und  zugleich 
als  schlafraum,  im  allgemeinen  für  erwachsene  mädchen;  doch 
schlafen  hin  und  wieder  die  knechte  und  im  sommer,  wenn  es 
im  wohnhause  zu  heiss  ist,  der  wirt  und  seine  angehörigen  in 
ihm.  —  Kleten  sind  die  einzigen  litauischen  gebäude,  welche 
zweistöckig  vorkommen.  Der  untere  räum  ist  in  Nordlitauen 
meist  in  zwei  hinter  einander  liegende  kammem  geteilt,  von 
welchen  der  erste  prtf  klete  heißt,  der  obere  räum  heißt  hier 
gredä  (plur.)  oder  beningis.  —   Die  jaujen  (lit.  jauja48), 

44)  Die  giebelwand  bis  zum  dacbe  heisst  galas;  insofern  der  giebel 
einen  teil  des  daches  bildet,  heisst  er  ggwelis.  Im  gegensatz  zu  galas 
steht  szä*ns  eine  „htng^ite  des  hauses''  (so  in  Nordlitauen). 

45)  In  der  Bretken'schen  bibelübersetzung  Richter  VI.  11  steht  der 
locat.  sing,  jawioie. 

5* 


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(58 


1'ber  das  litauische  haus. 


poln.  jawia;  vgl.  Lit.  forschungen  s.  118)  stehen,  meines  wissens 
nach  einer  polizei Verordnung,  in  Nordlitauen  vom  gehöft  entfernt; 
in  Südlitauen  finden  sich  diese  gebäude  nicht,  und  wie  man  mir 
dort  sagte,  kommen  sie,  ebenso  beschaffen  wie  die  nordlitauischen 
jaujen,  aber  mit  dem  namen  pirtls  46)  erst  nördlich  von  Pill- 
kallen  vor. 

Die  einfriedigung  eines  litauischen  gehöftes  wird,  wenn  ich 
mich  recht  erinnere,  im  allgemeinen  in  der  weise  gebildet,  daß 
seine  lücken  durch  hecke  geschlossen  werden.  In  südlitauischen 
dörfern  habe  ich  jedoch  auch  feste  bretterwände  gefunden.  Nach 
„Jons  ir  Aniutia"  s.  7  ist  jede  sodiba  (d.  i.  hier  „bauernhof ') 
mit  tannenen  zaunstacketen  umzäumt.  —  In  Nordlitauen  ist  die 
einfahrt  oft  durch  ein  aus  zwei  vertikalen  und  einem  darüber 
gelegten  horizontalen  balken  gebildetes,  torartiges  gerüst  markiert. 

Zum  schluss  erlaube  ich  mir  einige  worte  über  kurische 
und  lettische  häuser. 

In  fig.  18  ist  eine  flüchtige  skizze  eines  vom  sande  fast 
vergrabenen  häuschens  in  Nidden  (kur.  nerung),  in  fig.  19  eine 
ebensolche  skizze  eines  hauses  in  Karlkelbeek  (nördlich  von 
Memel)  mitgeteilt.  Dort  ist :  a  =  wohnstube,  b  =  nur,  c  —  stall, 
d  =  heerd,  e  =  ofen;  hier  ist:  a  =  flur;  b  =  wohnstube, 
welche  durch  einen  nicht  bis  zur  decke  reichenden  zäun  in  zwei 
hälften  geteilt  ist;  c,  c1,  c2  =  Vorrats-,  bez.  gerätkammer; 
d  =  heerd;  e  =  ofen. 

Fig.  18  47)  stimmt  in  der  hauptsache  zu  fig.  1  und  fig.  19 
bildet  eine  übergangsform  von  dieser  zu  fig.  8.  Ich  habe  sie 
als  solche  aber  nicht  verwortet,  weil  das  betr.  haus  in  einem 
kurischen  dorfe  steht.  Daß  c,  c1  und  c2  früher  ein  räum  waren, 
ergibt  sich  aus  der  ganz  singulären  anläge  dieser  drei  räume 


4G)  Daß  dieser  narae  dort  den  namen  jauja  verdrängt  hat,  kommt 
daher,  daß  dt>r  eine  teil  einer  jauja  pirtis  heißt,  und  dies  beruht  darauf, 
daß  frühzeitig  (vgl.  Lepner  a.  a.  o.  s.  71)  jauja  und  pirtls  („badstube") 
vereinigt  sind.    Heute  gibt  es  im  preußischen  Litauen  keine  badstuben  mehr. 

47)  Vgl.  dazu  Passarge  Aus  baltischen  landen  e.  157  f.,  214  f., 
256,  258,  269. 


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Von  A.  Bezzenberger. 


6U 


und  daraus,  daß  über  der  tür  von  c1  nach  der  flur  zu  der  rest 
einer  raita  (vgl.  Gött.  gel.  anz.  1885,  s.  940)  erhalten  ist;  diese 
tür  ist  also  früher  nicht  vorhanden  gewesen  und  jenseits  der- 
selben hat  ein  ofen  gestanden,  der  doch  einen  größeren  räum 
voraussetzt. 

Über  die  lettischen  bauernhäuser  Livlands  und  Kurlands 
habe  ich  nichts  specielles  aufgezeichnet,  glaube  mich  aber  zu 
erinnern,  daß  sie  im  allgemeinen  wesentlich  ebenso,  wie  die 
litauischen,  beschaffen  sind48).  Bielenstein,  welchen  ich  nach 
ihnen  fragte,  schrieb  mir  u.  a.:  „"Wenn  heute  in  Kurland  bei  alt- 
modigen  Wohnhäusern  derküchen-  und  Vorraum  des  hauses  na'ms 
heißt,  so  beweist  das,  daß  dies  ursprünglich  das  ganze  haus  war. 
Alle  anderen  angebauten  wohnstuben  und  kammern  sind  neuere 
errungenschaften".  Das  stimmt  bestens  zu  dem,  was  oben  nach- 
gewiesen ist.  Im  Übrigen  bemerke  ich,  daß  mit  na'ms  im 
Lettischen  noch  besondere  gebäude  bezeichnet  werden  (vgl.  Ul- 
mann Lett.  Wörterbuch  s.  167),  und  nami' lisch  in  Livland 
name  der  sommerküche  ist.  Bielenstein  erinnert  sich,  solche 
sommerküchen  zeltartig  aus  stangen  hergestellt  gesehen  zu  haben ; 
vielleicht  hat  sich  da  die  ursprünglichste  form  des  litauisch- 
lettischen namas  erhalten. 


48)  Wesentlich  von  diesen  verschiedene  häuser  erinnere  ich  mich  nur 
auf  der  ostküste  des  Rigischen  meerbusens  —  und  zwar  nur  an  der  küste  — 
gesehen  zu  haben.  Als  icli  Hennings  schöne,  ich  möchte  sogar  sagen: 
classische  schrift  über  das  deutsche  haus  las,  glaubte  ick  mich  bei  fig.  40 
{s.  68)  nach  Adjamünde  versetzt  —  ebenso  wie  diese,  jedoch  je  auf  4  stein- 
blöcken  ruhend,  sahen  zwei  holzhäuschen  aus,  vor  denen  ich  ein  paar  stunden 
im  sande  lag,  indem  ich  mich  mit  den  fiachern,  die  in  ihnen  hausten,  unter- 
hielt. —  Beiläufig  erlaube  ich  mir  noch  ein  paar  bemerkungen  zu  der 
erwähnten  arbeit  Hennings.  Fig.  13  (s.  80)  repräsentiert  die  gewöhnliche 
form  der  krüge  Kur-  und  Livlands.  Die  nach  dem  dachrauin  führeuden 
hochbrücken,  welche  Henning  s.  17  erwähnt,  habe  ich  ebendort  an  herrschaft- 
lichen Wirtschaftsgebäuden  häufig  bemerkt,  und  die  von  ihm  s.  18  besprochenen, 
„aus  blockhölzernen  hergestellten"  „brücken"  sind  auch  den  Letten  nicht  fremd, 
and  werden  bisweilen  in  lettischen  Volksliedern  erwähnt  (vgl.  z.  b.  Latweeschu 
tautas  dfeesmaa  n  o.  3283, 3292, 3293).  —  Bei  der  Untersuchung  des  lettischen  und 
des  estnischen  hausbaus  wird  mau  gut  tun,  an  die  Schweden  an  den  küstcu 
Estlands  und  auf  Kuno  (C.  Rußwurm  Eibofolke,  Reval  1865)  zu  denken. 


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••s, 

70  Über  das  litauische  haus. 

Der  auffassung,  welche  ich  von  der  entwicklung  des 
litauischen  hauses  hege,  steht  die  annähme  entgegen,  daß  das- 
selbe „fränkisch"  sei.  Diese  ansieht  tritt  auf  der  karte  hervor, 
welche  der  erwähnten  abhandlung  Meitzens  hinzugefügt  ist.  Ich 
bin  auf  sie  nicht  eingegangen,  weil  sie  nicht  begründet  und 
von  Meitzen  s.  70  eingeschränkt  ist,  und  weil  ich  den  gang 
meiner  eignen  Untersuchung  nicht  durch  die  discussion  fremder 
meinungen  unterbrechen  wollte.  Gewiß  ist  der  typus  des 
litauischen  hauses  demjenigen  des  fränkischen  ungemein  ähnlich, 
aber  bis  auf  weiteres  halte  ich  diese  ähnlichkeit  für  ein  spiel 
des  Zufalles. 


Nachträglich  stelle  ich  noch  einige  angaben  über 
litauisches  und  lettisches  bau-  und  wohuwesen  zusammen,  die 
ich  größtenteils  nachweisungen  L.  Stieda's  verdanke. 

Gilbert  de  Lannoy  (geb.  1386),  Scriptores  rerum  prussi- 
carum  HI.  447  ff. la  souveraine  ville  de  Letau,  nommee 
le  "Wime,  en  la  quelle  y  a  ung  chastel,  situe  moult  hault  sur 
une  savelonneuse  montaigne,  fermee  de  pierres  et  de  terre  et 
de  massonaige;  de  dedens  est  tout  edifie  de  bois  ....  Et  n'  est 
point  la  ville  fermee,  mais  est  longue  et  estroitte  de  hault  en 
ba8,  tres  mal  amaisonnee  de  maisons  de  bois;  et  y  a  aueunes 
eglises  de  brieques.  Et  n'  est  le  dit  chastel  sur  la  montaigne 
forme  que  de  bois  par  bolvereques,  fais  a  manieres  de  murs" 
„une  tres  grosse  ville  en  Letau  nommee  Trancquenne  49),  mallement 
maisonnee  de  maisons  toutes  de  bois".  .  .  .  „ung  chasteau  et 
villaige  nomme  Posur  ...  et  est  le  dit  chastel  moult  grant  tout 
de  bois  et  de  terre". 

Kosmopolitische  Wanderungen  durch  Preußen,  Liefland, 
Kurland,  Litthauen,  Vollhynien,  Podolien,  Gallizien  und  Schlesien 
in  den  jähren  1795  bis  1798,  Germanien  1800,  II.  607  ff.:  „Für 
seine  wohnung  muß  er  [der  gemeine  Litauer]  selbst  sorgen. 


49)  D.  i.  Troki,  Tracken.     Vgl.  die  Ortsnamen  Trakehnen,  Trak* 
seden  u.  s.  w. 


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Von  A.  Bezzenberger. 


71 


Diese  schlägt  er  gewöhnlich  aus  einigen  pfählen  zusammen, 
überkleistert  sie  mit  leim,  haut  einige  kleine  viereckigte  löcher 
hinein,  steckt  in  dieselbe  eine  art  von  grobem  glas,  bedeckt  das 
dach  mit  stroh,  und  —  nun  ist  der  palast  fertig.  An  küche 
und  Schornstein  ist  nicht  zu  denken.  Der  ofen  nimmt  gewöhn- 
lich den  8ten  teil  des  zimmers  ein  und  ist  die  lagerstätte  der 
weiblichen  familie.  Die  männer  liegen  auf  den  bänken  um- 
her, oder  auf  der  bloßen  erde  Der  kleine  edelmann 

wohnt  nicht  viel  beßer,  als  der  bauer.  Zwar  hat  er  ein  etwas 
größeres  haus  und  meistenteils  auch  eine  art  von  Schornstein; 
allein  an  bequemlichkeit  und  reinlichkeit  fehlt  es  ihm  ebenfalls. 
An  einen  gedielten  boden  ist  nicht  zu  denken;  man  findet  hügel 
und  täler  in  den  stuben.  In  einer  ecke  schläft  der  edelmann, 
und  in  der  andern  zuweilen  schweine,  kälber,  hühner,  enten, 
alles  friedlich  bei  einander.  Wenn  es  hoch  kommt,  so  sind 
diese  säubern  gesellschafber  durch  eine  brettwand  von  ihrem 
herrn  getrennt.  In  einer  kammer  neben  der  stube  ist  das 
getreide  aufgeschüttet.  .  .  .  Gebäude  von  steinen  sieht  man 
nicht  häufig". 

Xarody  Bossii  (Die  Völker  Rußlands)  U.  79  f.  (St.  Peters- 
burg 1878):  „Die  gebäude  [der  Litauer]  sind  wegen  des  reichtums 
an  wäldern  solid  gebaut.  Die  fenster  sind  sehr  eng,  länglich 
und  an  der  Vereinigungsstelle  zweier  balken  eingehauen;  nur  die 
wohlhabenderen  haben  in  ihren  häusern  fenster  von  mittlerer 
große.  Die  dächer  sind  von  stroh.  In  dem  kreis  Kowno  und 
den  angrenzenden  teilen  anderer  kreise  heißt  das  bauernhaus 
(H3Öa)  gy  wene  (rHBene),  in  den  kreisen  Schaulen  und  Ponewesh 
und  in  einem  teil  des  Nowo-Alexandrowsk'schen  kreises  gryczoi 
(rpHiofl),  in  55emaiten  troaba  (rpoaÖa).  Es  wird  durch  eine 
hausflur  in  zwei  teile  getrennt:  in  dem  einen  wohnt  die  familie 
des  wirts  und  die  dienerschaft,  in  dem  anderen  sind  die  Vor- 
ratskammern. Bei  reichen  bauern  findet  sich  ein  besonderes 
erapfangszimmer  für  gaste,  genannt  seklycza  oder  seklyczawa. 
Vor  dem  haus  befindet  sich  ein  kleiner,  viereckiger  hof,  an 
dessen  Seiten  scheuern  und  Speicher  sich  befinden.    Ein  kleiner 


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72 


Über  das  litauische  hau«. 


Speicher  (swirni)  ist  ein  unumgänglicher  zubehör  eines  jeden 
bauerhofs;  in  ihm  wird  aufbewahrt  getreide,  sowohl  als  körn, 
wie  als  mehl,  grütze  und  verschiedene  gartengemüse.  —  Die 
Zemaiten  übertreffen  an  Schönheit  des  hausbaues  und  an  rein- 
lichkeit  bei  weitem  die  Litauer.  Insbesondere  in  dem  kreise 
Telsch  sind  die  häuser  der  Zemaiten  im  allgemeinen  hübsch 
und  hinreichend  hoch,  haben  größere  fenster  und  zum  dach 
hinausgeführte  Schornsteine.  Alle  gobäude,  welche  einen  hof 
bilden,  heißen  numa  (HyMa),  das  eigentliche  bauernhaus  troaba. 
Dasselbe  besteht  aus  3  abteilungen:  eine  für  den  wirt,  die  zweite 
für  die  arbeiter,  die  dritte  dient  zur  aufbewahrung  von  Sachen 
und  producten.  Wohlhabende  bauern  haben  ein  besonderes 
zimmer  fürgäste,  welches  alker is  (aibKepncb)  heißt.  Die  troaba 
hat  ein  hohes  Strohdach.  Die  schwelle  spielt  im  hause  des 
Zemaiten,  wie  der  vordere  winkel  in  dem  des  Litauers,  eine 

große  rolle  Die  zimmer  sind  im  zemaitischen  hause  immer 

sauber  aufgeräumt,  der  fußboden  ist  rein  gewaschen,  die  decke 
mit  über  die  querbalken  gesteckten  blumen  und  duftigem  grase 
geschmückt,  und  die  dielen  sind  mit  tannenreisern  bestreut. 
An  den  wänden  hängen  heiligenbilder  von  dorfmalern.  In  der 
anderen  hälfte  des  hauses,  wo  das  gesinde  untergebracht  ist, 
befinden  sich  zur  Winterszeit  auch  tiere:  ein  schaaf  oder  eine 
ziege,  ein  neugeborenes  kalb  und  mitunter  auch  ein  mutter- 
schwein  mit  ferkeln.  Entsprechend  der  anordnung  der  lit. 
baulichkeiten  befindet  sich  bei  jedem  zemaitischen  hause  eine 
swirnja,  worin  in  großer  Ordnung  untergebracht  sind  getreide, 
flachs,  mehl,  grütze  und  leinwand  von  ausgezeichneter  weiße, 
das  hauptproduct  der  Zemaiten  und  ihr  hauptstaat.    In  alten 

zeiten  hat  man  in  den  swirnen  die  kriegswaffen  aufbewahrt  

Bei  den  Zemaiten  bildet  das  bett  einen  sehr  wichtigen  zubehör 
zum  häuslichen  leben  und  dient  zum  beweis  des  Vermögens  und 
der  Ordnung  der  Wirtschaft.  Pfühle  und  kissen  sind  der  unum- 
gängliche besitz  eines  jeden  wirts.  Gewöhnlich  schlafen  die 
Zemaiten  in  den  speiehern  und  bedecken  sich  hier,  um  sich  vor 
der  kälte  zu  schützen,  mit  vollgestopften  bettpfühleu  


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Von  A.  Bezzenberger. 


73 


Bei  den  Litauern  dagegen  bildet  das  bett  keinen  gegenständ  von 
besonderer  Wichtigkeit". 

Kosmopolitische  Wanderungen  (s.  o.)  HL  117  ff.:  „In  Cur- 
land  findet  man  selten  eigentliche  zusammenhängende  dorf- 
schaften, sondern  meistens  nur  hin  und  wieder  zerstreute  Woh- 
nungen. Was  diese  Wohnungen  im  12.  jahrhunderte  waren, 
das  sind  sie  auch  noch  am  ende  des  18.:  elende  hölzerne  ba- 
rackeu,  von  denen  man  jeden  augenblick  erwarten  muß,  daß 
sie  über  den  köpf  ihrer  bewohner  zusammenstürzen  werden. 
Sie  sind  sehr  kunstlos,  und  ganz  nach  dem  alten  zuschnitt  er- 
baut. In  einer  gewissen  entfernung  von  einander,  steckt  man 
abgeschälte  baumstämme  in  die  erde,  füllt  die  Zwischenräume 
mit  moos  aus,  und  so  ist  ein  curischer  pallast  fertig.  Das 
dach  wird  mit  stroh  belegt,  das  an  beiden  hauptseiten  fast 
bis  auf  die  erde  herabhängt.  Statt  der  fenster  sind  viereckige 
löcher  eingehauen,  die  mit  einem  hölzernen  Schieber  versehen 
sind.  Diese  löcher  geben  der  wohnung  das  erforderliche  tages- 
licht,  und  rühren  zugleich  den  rauch  ab,  da  sonst  die  bewohner 
dieses  jammergemachs  ersticken  würden.  Von  Schornsteinen 
weiß  man  in  diesen  hütten  nichts;  blos  die  Wohnungen  der 
edlen,  der  geistlichen,  der  beamten  und  die  wirthshäuser  sind 
damit  versehen.  Oft  fehlen  in  einer  curischen  hütte  auch 
sogar  die  fensterlöcher,  und  dann  besteht  das  ganze  gebäude 
nur  aus  einem  einzigen  dache,  welches  hausflur  und  zimmer 
zugleich  vorstellt,  und  wo  die  kleine  niedere  thüre  das  tages- 
licht  hinein-  und  den  rauch  hinausläßt.  Gewöhnlicher  aber 
findet  man  das  gebäude  in  zwei  hälften  abgetheilt.  Die  eine 
hälfte,  in  deren  mitte  sich  die  thtir  befindet,  dient  zum  haus- 
flur, und  ist  der  aufenthalt  mannigfaltiger  thiere,  die,  wie  in 
der  arche  Noah's,  hier  friedlich  bei  einander  leben.  Die  andere 
hälfte  macht  das  eigentliche  Wohnzimmer  aus,  welches  von 
der  familie  aber  gewöhnlich  nur  im  winter  besucht  wird.  Im 
sommer  schläft  ein  jeder  da,  wo  er  es  am  bequemsten  findet; 
im  winter  aber  sohlägt  man  sein  nachtlager  entweder  auf  dem 
ofen  oder  auf  der  platten  erde  auf.    Neugeborene  oder  kranke 


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74 


Über  das  litauische  haus. 


thiere  werden  in's  zimmer  genommen,  und  theilen  dasselbe 
mit  ihrem  herrn.  Der  fußboden  besteht  aus  thonerde,  die 
man  fest  zusammengeschlagen  hat.  Der  ofen  nimmt  einen 
großen  theil  des  zimmers  ein,  und  wird  bald  zur  Schlafstelle, 
bald  zum  backhause,  bald  zum  heerde  gebraucht.  Der  gestank, 
welcher  hier  von  den  ausdünstungen  der  menschen  und  thiere, 
besonders  im  winter,  herrscht,  verbunden  mit  dem  unaussteh- 
lichen, die  äugen  beißenden  rauche,  der  gewöhnlich  wie  eine 
dicke  wölke  in  dem  oberen  theile  des  zimmers  schwebt,  wie 
auch  die  ganz  unerträgliche  hitze,  die  man  daselbst  aushalten 
muß,  machen  diese  Wohnungen  zu  einem  höchst  ungesunden, 
pestilenzialischen  aufenthalt".  Das.  s.  4G5  ff.:  „Alle  Wohnungen 
der  liefländischen  bauern  liegen  zerstreut  auseinander,  umgeben 
von  dicken  Waldungen,  und  sehr  oft  romantisch  genug.  Viele 
haben  nicht  einmal  abgesonderte  hütten,  sondern  bloße  scheunen, 
in  denen  die  arme  familie  hauset.  Aber  selbst  diese  htitte, 
welch  ein  erbärmliches  mach  werk  ist  sie?  —  Kunstlos  setzt 
man  sie  von  einigen  in  einer  gewissen  entfernung  von  einander 
abstehenden  bäumen  zusammen,  verklebt  die  wände  mit  werg 
und  lehm,  haut  ein  paar  kleine  löcher,  statt  der  fenster,  in 
die  wand,  die  das  tageslicht  herein-  und  den  rauch  hinaus- 
laßen, und  die  selten  mit  einer  art  von  grober  glasscheibe, 
gewöhnlich  nur  mit  einem  hölzernen  Schieber  versehen  sind  — 
und  der  pallast  des  Liefländers  ist  fertig.  Die  thür  ist  so 
niedrig,  daß  man  fast  zur  hälfte  gebückt  hineinkriechen  muß. 
Das  dach  ist  mit  stroh  gedeckt.  Schornsteine  sieht  man  fast 
gar  nicht,  sondern  der  rauch  zieht  durch  fenster  und  thüren, 
und  bildet  in  der  stube  eine  ewige  dampfwolke.  In  diesem 
gemache  herrscht,  besonders  im  winter.  eine  pestilenzialische 
ausdünstung;  und  in  diesem  unerträglichen  Gestank  hausen  die 
armseligen  bewohner  fast  ihr  ganzes  leben  lang.  Gemein- 
schaftlich theilen  sie  diese  wohnung  mit  ihren  kälbern, 
Schweinen ,  hühnern ,  gänsen ,  enten ,  hunden  und  katzen. 
Wenn  es  abend  wird,  so  stecken  sie  in  die  ritzen  der  wand 


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Von  A.  Bezzenl>erger.  75 

große  dünngeschnittene  kienstöcke,  die  ihnen  statt  des  lichtes 
dienen  und  einen  unerträglichen  erstickenden  dampf  von  sich 
geben.  Bei  diesem  lichte  sitzt  nun  die  halbnackte  familie, 
und  verrichtet  ihre  f.bendarbeit.  Sie  haben  oft  kaum  satt  zu 
essen;  spreubrod  und  höchstens  kartorleln  sind  ihre  nahrung; 
milch  und  honig  ist  .  ihre  sonntagsspeise  und  fleisch  essen  sie 
nur  an  hohen  festlagen.  Der  boden  des  zimmers  und  der 
große  ungeheure  ofen  ist  ihre  lagerst fttte;  hier  verschlafen  sie 
ihr  elend  und  sind  im  träume  wenigstens  glücklich'4. 

J.  G.  Kohl  Die  deutsch  -  russischen  ostseeprovinzen  II., 
Dresden  und  Leipzig  1841,  s.  53  ff.:  „Ein  lettischer  bauerhof 
besteht  aus  folgenden  gebäuden  und  gebäudeabteilungen,  dem 
wohnhause,  dem  Pferdestalle,  dem  viehstalle,  der  badestube,  der 
kleete  (dem  vorratshause)  und  der  rige.  Alles  liegt  in  einem 
cirkel  oder  quadrat  um  einen  runden  oder  viereckigen  hof  her- 
um, alles  niedrig  mit  stroh  gedeckt,  aus  fichtenstämraen  gebaut 
und  meistens  von  einigen  hübschen  birken  beschattet,  von  denen 
in  der  regel  auch  eine  in  der  mitte  des  gehöftes  selbst  steht. 
Des  bei  ihnen  so  beliebten  badens  und  anderer  rücksichten 
wegen  siedeln  sich  die  Letten  meistens  am  hohen  ufer  kleiner 
backe  an.  Nur  die  badestube  tritt  gewöhnlich  aus  jenem  häuser- 
ringe  dicht  an  das  waßer  des  flußes  heraus  und  zuweilen  auch 
die  rige  mitten  in's  feld.  So  an  den  flüßen,  in  Wäldern  und 
cümpfen  zerstreut  liegen  diese  gehöfte  im  ganzen  lande  umher. 
Selten  nur  bauen  sich  zwei  oder  mehre  gehöfte  neben  einander, 
und  nie  bilden  sie  ein  förmliches  dorf.  ....  "Wie  die  häuser 
so  bestehen  auch  die  befriedigungen  und  zäune,  welche  sie  ver- 
binden und  umgeben,  durchweg  aus  fichtenstämmen,  selten  aus 
über  einander  gelegten  steinen.  In  der  Zusammensetzung  dieser 
zäune  zeigen  sich  durchgehende,  nationeile,  provincielle  und 
districts-unterschiede.  —  Auf  einem  schmalen,  kleinen,  holperigen 
wege,  zu  deßen  beiden  Seiten  ein  hoher  holzzaun  steht,  gelangt 
man  zu  dem  hölzernen  tore  des  gehöftes  selbst.  Nur  ein  eiu- 
gang  findet  sich  in  der  regel  zu  diesem  gehöfte,  welches  der 


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7« 


Über  das  litauische  haus. 


nordische  Boreas  rund  umher  mit  gebäuden  umstellen  und 
stubenartig  abschließen  lehrte.  Alle  fenster  und  türen  kehren 
sich  nach  innen,  von  wo  die  ansicdelung  daher  auch  viel  heim- 
licher und  wohnlicher  aussieht,  als  von  außen,  wo  nur  die  ein- 
förmigen holzwände  erscheinen.  Das  wohnhaus  tut  sich  durch 
seine  große  und  seine  kleinen  fensterlöcher  als  solches  hervor. 
Dem  durch  die  niedrige  tür  eintretenden  eröffnet  sich  sogleich 
ein  kleiner  Vorraum,  in  deßen  mitte  der  heerd  mit  dem  grütze- 
keßel  steht.  Zur  rechten  seite  dieses  vorhauses  befindet  sich 
die  große  wohnstube,  zur  linken  ein  anderes  zimmer,  das  zu 
verschiedenen  zwecken  dient,  gewöhnlich  zur  wohnung  der 
knechte  und  mägde.  In  der  hauptstube  zur  rechten  werden  alle 
Zimmerarbeiten  verrichtet,  das  spinnen,  weben,  tischlern  u.  s.  w. ; 
auch  schlafen  der  pater  familias,  seine  frau  und  seine  kinder 
darin,  wenn  für  sie  nicht  noch  eine  besondere  nebenkammer  vor- 
handen ist.  Der  ofen  ist  das  wichtigste  aller  möbeln.  Er  wird 
von  außen  geheizt  und  ist  der  stuben-  und  backofen,  der  ehren- 
platz  der  alten  und  der  beliebteste  ruheseßel  zu  gleicher  zeit. 
Er  ist  aus  kacheln  gebaut,  rund  herum  läuft  eine  bank,  und 
oben  hat  er  Schlafstellen,  wo  die  armen  leutchen  ausruhen,  sich 
trocknen  und  sich  im  süßen  dolce  far  niente  des  Schwitzens 
und  des  bratens  erfreuen.  —  Wie  alles  bei  diesem  kleinlichen 
volke  ....  so  zerfallen  auch  ihre  Wohnungen  in  eine  zahllose 
menge  kleiner  abteilungen,  kämmerchon  und  winkel.  Da  ist  ein 
enger  stall  für  das  hausvaterpferdchen,  ein  ställchen,  so  groß 
wie  ein  hühnernest,  für  die  zwei  pferde  des  knechts,  ein  ställchen 
für  die  kühe,  eins  für  die  schafe  u.  s.  w.,  ein  kleines  häuschen, 
kleete  genannt,  für  die  kleider-,  leinwand-,  butter-,  flachs-  und 
kornvorräte  des  hausherrn,  ein  anderes  kleetchen  für  die  des 
knechts  u.  s.  w.,  ein  kleiner  schuppen  für  die  schlittchen  und 
wägeichen,  eiu  anderer  für  die  pflüge  und  ackergerätsehaften, 
ein  apartes  kleines  häuschen,  wie  ein  taubenhaus  hoch  auf 
pfählen  stehend,  für  die  trocknung  der  käse  ....  dann  die 
rigo  für  das  dreschen  und  trocknen  des  getreides  und  endlich 


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Von  A.  Bezzenberger. 


77 


ein  badehäuschen  So  dürftig  und  elend  die  Wohnungen 

der  Letten  hier  und  da  im  vergleich  mit  den  bauerhäusern  in 
vielen  gegenden  Deutschlands  erscheinen,  so  heimlich  und  wohl- 
gefällig ist  doch  eine  ganze  solche  kleine  niederlaßung,  wenn 
sie  einigermaßen  in  gutem  stände  erhalten  wird.  Auch  haben 
die  Letten  ihre  alte  nationelle  Wirtschaft  so  lieb,  daß  sie  nie 
damit  zufrieden  sind,  wenn  ihre  herren  ihnen  dann  und  wann 
Wohnungen    nach  einem  neueren  und  beßeren  plane  anlegen 

laßen  Die  Esten,  wie  sie  denn  in  allen  stücken  dürftiger 

sind,  haben  noch  unvergleichlich  viel  schlechtere  Wohnungen 
als  die  Letten,  keine  abschließung  der  geschäfte,  keine  sonderung 
der  zwecke  und  der  ihnen  dienenden  räume.  Gewöhnlich  ist 
man  bei  ihnen,  wenn  man  zur  haustür  eintrat,  in  wohn-,  schlaf- 
und  kochstube,  in  Vorratskammer,  schaf-  und  Schweinestall  zu 
gleicher  zeit  eingetreten,  und  während  die  Letten  fast  durchweg 
Schornsteine  haben,  qualmen  bei  den  Esten  rauch,  dampf,  dunst 
und  tiergerüche  nur  gelegentlich  zur  türe  heraus.  —  Die  alte 
bauart  der  edelhöf  e  in  den  Ostseeprovinzen  gleicht  in  den  haupt- 
zügen  durchaus  der  der  Wohnungen  der  urbewohner.  — " 

E.  H.  Busch  Ergänzungen  der  materialien  zur  geschichte 
und  Statistik  des  kirchen-  und  Schulwesens  der  ev.-luth.  gemeinden 
in  Rußland,  Petersburg  und  Leipzig  1867,  I.  730:  Der  bauerhof 
des  Letten  besteht  aus  dem  wohnhause,  pferdestall,  viehstall, 
badehaus,  der  riege  und  kleete  (vorrathshaus).  Alle  diese 
gebäude  sind  aus  horizontal  gelegten  kiefernbalken  aufgeführt, 
mit  stroh  gedeckt  —  in  den  kreisen  Goldingen  und  Windau 
mit  schindeln  —  und  schließen,  mit  ausnähme  der  riege  und 
des  badehauses  ,  welche  zur  Sicherheit  gegen  feuersgefahr 
gewöhnlich  in  einiger  entfernung  von  den  übrigen  gebäuden 
liegen,  einen  nicht  sehr  geräumigen  hof  ein.  Das  ganze  gehöft 
wird  von  einem  stacketenzaun  oder  einem  erdwall  umgeben, 
in  welchem  nur  eine  einzige  öfinung  für  das  tor  gelaßen  ist. 
Das  wohngebäude  besteht  meistens  aus  zwei  hälften,  welche 
durch  die  flur,    die  zugleich  als  küche  dient,    von  einander 


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78 


Über  «las  litauische  haut». 


getrennt  werden.  Im  dache  über  der  flur  ist  eine  Öffnung 
zum  abzuge  des  raucbes  gelaßen  oder  auch  ein  Schornstein 
von  holz  oder  Ziegelsteinen  angebracht.  Rechts  von  der  flur 
liegen  ein  oder  zwei  zimmer  für  den  hausvater  und  deßen 
familie.  Der  aus  ziegeln  oder  kacheln  gebaute  ofen  wird  von 
der  flur  aus  geheizt.  Rund  um  den  ofen  laufen  bänke  und 
oben  auf  demselben  befindet  sich  das  lager.  Das  fenster  geht 
meist  nach  dem  hofe  hinaus.  Die  knechte  und  mägde  haben 
auf  der  entgegengesetzten  seite  der  flur  ihr  zimmer,  das  bisweilen 
durch  eine  Scheidewand  in  zwei  hälften  geteilt  ist,  damit  jedes 
geschlecht  seinen  besonderen  räum  habe.  An  das  zimmer  der 
wirtsleute  stoßen  ein  oder  zwei  kammern  zur  aufbewahrung 
der  Vorräte.  Unter  einem  und  demselben  dach  mit  dem  wohn- 
gebäude  befinden  sich  bisweilen  kleete  und  scheune.  Die  übrigen 
Wirtschaftsgebäude  sind  meistens  sehr  klein,  ihre  türen  gehen 
auf  den  hof.  Jede  art  des  viehes  hat  ihren  besonderen  stall 
und  jeder  arbeiter  seine  besondere  kleete,  bisweilen  auch  seinen 
besondern  Pferdestall.  Das  gewöhnlich  sehr  kleine  und  niedrige 
badehaus  bildet  ein  unumgängliches  erforderniß  eines  jeden 
bauerhofes  und  wird  alle  Sonnabend  von  allen  bewohnern  des 
hofes  besucht.  Die  männer  baden  zuerst,  dann  die  frauen.  — 
Jeder  bauerhof  liegt  inmitten  der  zu  ihm  gehörigen  felder; 
folglich  fehlen  in  allen  von  Letten  bewohnten  gegenden  die  dörfer". 

Narody  Rossii  (s.  o.)  s.  93.  „Wie  in  Livland  und  Kurland 
so  gibt  es  auch  im  gouvernement  "Witebsk  viele  [lettische]  ein- 
wohner,  deren  wohnung  nur  eine  rauchhütte  [KypHafl  H3Öa]  mit 
einer  balkendecke  und  fiißboden  aus  erde  ist.  In  solch  einer  hütte 
sind  meistenteils  zwei  kleine  fenster  und  dem  ofen  gegenüber 
eine  kleine  Öffnung  zum  abzug  des  rauchs  und  zum  hereinlassen 
der  äußeren  luft.  Die  lettische  hütte  [xaTa]  hat  keinen  religiösen 
schmuck  und  nur  ein  hölzernes7  vollkommen  schwarz  geräuchertes 
krucifix  gibt  dem  eintretenden  zu  wißen,  daß  er  sich  in  einer 
christlichen  wohnung  befindet.  Die  hausflur,  welche  etwa  den 
vierten  teil  der  ganzen  wohnung  beträgt,  trennt  die  eigentliche 


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Von  A.  Bezzenberger. 


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hütte  von  der  Vorratskammer  oder  der  klete.  Im  inneren 
zeichnet  die  hütte  sich  aus  durch  enge,  äusserste  dunkelheit, 
unsauberkeit  und  schlechte  luft.  Die  ganze  ausstattung  bilden 
zwei  bänke  an  der  wand,  schemel  und  betten.  Schränke  und 
regale  gibt  es  nicht;  statt  ihrer  dient  ein  einfacher,  aus  dünnen 
fichtenen  spännen  geflochtener  kästen,  der  an  einem  pfosten  oder 
an  der  wand  aufgehängt  ist.  In  diesem  kästen  befindet  sich 
das  dürftige  geschirre  der  Letten:  zwei,  drei  schüßelchen  und 
die  entsprechende  anzahl  von  hölzernen  löffeln.'' 


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Die  Philosophie  und  Kant  gegenüber  dem 

Jahre  1848. 

Tischrede,  gehalten  an  Kants  Geburtstag  am  22.  April  1849 

von 

Karl  Lehr«*). 

Am  22.  April  1824  beging  unsere  Gesellschaft  den  hundert- 
jährigen Geburtstag  Kants  mit  besonderer  Feier.  Die  Zahl  der 
Gäste  war  eine  ungewöhnliche:  denn  man  hatte  nicht  nur  an 
die  Mitglieder,  sondern  an  alle  Schüler  Kants  die  Aufforderung 

*)  Als  ich  im  vorigen  Sommer  an  die  seit  lange  vorbereitete  Sammlung 
der  kleineu  Schriften  von  K.  Lehrs  die  letzte  Hand  anzulegen  hoffen  durfte, 
wandte  ich  mich  an  einige  Freunde  und  Bekannte,  von  denen  ich  ver- 
muthete,  daß  sie  im  Besitze  Lehrsischer  Manuscripte  seien,  mit  der  Bitte 
um  gütige  Mittheilung  derselben.  Von  allen  Seiten  wurde  mir,  wofür  ich 
auch  an  dieser  Stelle  meinen  wärmsten  Dank  ausspreche,  auf  das  bereit- 
willigste entgegengekommen.  Nur  diesem  Umstände  verdanke  ich  es,  daß 
die  obige  Rede,  deren  Original  sich  im  Besitze  meines  Freundes  Oskar  Erd- 
mann in  Breslau  befindet,  zu  meiner  Kenntniß  gelangte.  Es  ist  die  nämliche 
Rede,  die  Lehrs  als  Bohnenkönig  der  Königsberger  Kantgesellschaft  im  Jahre 
1849  an  Kants  Geburtstage  vorgetragen  hat,  dieselbe,  die  Friedländer  in 
der  Deutsrhen  Biographie  unter  obigem  Titel  anführt  und  mit  Bedauern  als 
„nicht  erhalten"  bezeichnet.  Ihre  nachträgliche  Veröffentlichung  wird  den 
Verehrern  des  großen  Mannes  eine  Freude  sein,  obwohl  die  Rede  ohne 
allen  Zweifel  von  vorn  herein  nur  für  den  erwähnten  Zuhörerkreis  bestimmt 
war,  wie  schon  äußerlich  aus  der  überaus  eiligen,  oft  nur  flüchtig  andeu- 
tenden und  manche  kleinere  Ergänzungen  und  Berichtigungen  erfordernden 
Schrift  hervorgeht.  Daß  ich  mich  jeder  unnöthigen  Änderung  streng 
enthalten  habe,  braucht  wohl  kaum  versichert  zu  werden.  —  Nicht  ohne 
Wehmnth  sende  ich  das  Vermächtniß  in  die  Öffentlichkeit;  denn  dem 
Wunsche,  meine  Sammlung  der  kleinen  Schriften  von  Lehrs  herauszugeben, 
habe  ich  aus  Gründen,  die  hier  unerörtert  bleiben  können,  leider  entsagen 
müssen. 

Januar  1886.  Arthur  Ludwich. 


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Die  Philosophie  und  Kant  gegenüber  dem  Jahre  1848.   Von  Karl  Lehrs.  81 


zur  Theilnahme  erlassen:  und  eine  Kantate  wie  Tischgesänge 
wurden  ausgeführt.  Der  Ton  dieser  Feier  war  Ernst,  aber 
freudiger  Ernst.  Doch  gerade  derselbe  Tag  sah  anderswo  auf 
eine  Feier  herab,  die  gleichfalls  einer  allgemeinen  Theilnahme 
der  gebildeten  "Welt  gewärtig  sein  konnte;  deren  Charakter  aber 
war  nicht  freudiger  Ernst,  sondern  düstere  Trauer.  Ein  roh 
gezimmter  Sarg,  mit  der  allergewöhnlichsten  schwarzen  Todten- 
decke  belegt,  kontrastirte  schon  mit  dem  Bange  derer,  —  es 
waren  Offiziere  —  welche  ihn  trugen:  ebenso  mit  dem  darauf 
gelegten  Ehrenschmuck,  einem  Helm,  Schwert  und  einer  Lor- 
beerkrone, und  den  Massen  der  Geleitenden,  deren  Züge  eine 
tiefe  und  wahre  Trauer  verriethen.  Was  alles  auf  einen  un- 
gewöhnlichen und  Hohen  Todten  wies.  Es  waren  die  Exsequien 
des  Lord  Byron,  die  an  diesem  Tage  —  22.  April  1824  —  in 
Missolunghi  gehalten  wurden.  Dieses  ebenso  tiefen  als  er- 
habenen Geistes :  „als  Mensch  zu  gross  und  zum  Genossen  des 
grossen  Dämons  nur  ein  Mensch"  —  von  dem  auch  treffend 
wie  auf  wenige  gesagt  werden  kann:  „es  irrt  der  Mensch 
(errat  und  vagatur)  so  lang'  er  strebt."  Die  Quellen  aber  der 
labyrinthischen  und  melancholischen  Irrgänge  seines  Innern 
waren  die  edelsten,  vor  allem  eine  innerste  und  unermüdliche 
Liebe  für  die  Menschheit,  eine  Liebe,  für  die  er  aber  das  Ob- 
jekt nirgend  fand  in  dem  jetzt  geplagten  und  unterdrückten 
und  zur  Erhebung,  wie  ihm  schien,  erschlafften  Geschlecht. 
Eine  unbefriedigte  Liebe  also,  deren  Kummer  er,  dem  ein  Gott 
gewährt  zu  sagen  was  er  leide,  durch  alle  Stufen  hindurch 
die  gedankenvollen  Töne  gab,  von  der  stilleren  Trauer  durch  die 
düstere  Schwermuth  —  bis  zum  herben  Sarkasmus  nicht  über 
die  Menschheit,  aber  über  die  Menschen.  Dort  wo  er  einen 
grossen  würdigen  Aufschwung  zu  sehen  glaubte,  um  die  ersten 
Bedingungen  einer  manschenwürdigen  Wiedergeburt  zu  ge- 
winnen, erschien  er  und  starb  —  ein  edles  Erstlingsopfer  für 
das  damals  in  den  zwanziger  Jahren  von  neuem  erwachte 
Ringen  der  Völker  um  Freiheit.  Seitdem  hat  dieses  Bingen 
nicht  nachgelassen.    In  dem  Jahre,  welches  das  Vierteljahr- 

Altpr.  MnnaUscbrift  Bd.  XXIII.  Hfl.  1  u.  2.  <j 

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82  Die  Philosophie  und  Kant  gegenüber  dorn  Jahre  1848. 

hundert  vollendete,  kamen  die  Ausbrüche  über  uns:  und  mit 
einer  Plötzlichkeit,  mit  einem  Gefolge  von  Unbehagen,  wogegen, 
um  sich  selbst  nicht  zu  verlieren,  ich  nicht  wüsste  womit  man 
sich  hätte  wafihen  können  als  mit  Philosophie.  Ja  wohl  anfangs 
wurden  wir  gehoben  durch  den  Enthusiasmus.  Mit  jugendlicher 
Poesie  saßen  wir  unter  den  Trikoloren,  sangen  die  zuversicht- 
lichen und  kühnen  Lieder  und  durchstachen  mit  den  stumpfen 
Hiebern  unsere  Hüte.  Doch  diese  Periode  des  Bausches,  der 
Zuversicht,  sie  legte  sich  bald.  Die  Kalamitäten  der  Wirk- 
lichkeit kamen  über  uns,  und  wie  sehr!  Freilich  die  Kalami- 
täten bleiben  niemals  aus.  Doch  im  gewöhnlichen  Gange  der 
Dinge  giebt  es  ein  Mittel,  durch  das  man  sich  über  sie  hinweg- 
hebt. Der  Humor.  Jetzt  aber  kamen  sie  so  massenhaft,  so 
grotesk,  daß  ich  den  hätte  sehen  mögen,  dem  der  Humor  nicht 
vergangen  wäre.  Da,  meine  Herren,  bleibt  denn  nichts  übrig 
als  die  Philosophie.  Urplötzlich  und  ohne  Uebergänge  waren 
wir  in  der  Demokratie.  Und  die  Demokratie  —  sie  giebt  zu- 
erst allen  Klassen  der  Gesellschaft  —  und  allerdings  was  dem 
einen  recht  ist,  ist  dem  andern  billig  —  ihre  Thorheiten  frei. 
Ach,  meine  Herren,  die  menschlichen  Thorheiten  frei!  Kann 
man  das  ertragen  ohne  Philosophie?  Da  will  nun  ein  jeder 
etwas  sein,  aber  —  was  viel  schlimmer  ist,  es  will  jeder  etwas 
reden!  Ertrage  das,  wer  es  vermag,  ohne  Philosophie.  —  Die 
Demokratie  giebt  ferner  die  Egoismen  der  Menschen  frei:  und 
da  wird  der  Egoismus  des  Hochmuths,  der  Bequemlichkeit,  des 
Vortheils,  der  Eitelkeit,  der  Selbstverzärtelung  u.  s.  w.  er- 
scheinen! — 

Und  nun  gerade  in  diesen  Zeiten,  wo  wir  alle  auf  die  Phi- 
losophie gestellt  waren,  wurde  uns  unser  Philosoph  entfuhrt,  und 
wie  plötzlich  entführt!  Eos,  die  Morgenröthe,  erzählt  die  Grie- 
chische Mythe,  raubte  sich  den  schönen  Jüngling  Tithonus: 
so  fanden  wir  eines  schönen  Morgens  unsern  liebenswürdigen 
Philosophen  uns  fortgeraubt.  Konnte  man  das  ertragen  ohne 
Philosophie? 

Ernsthaft,  meine  Herren,  das  Lachen  über  die,  menschlichen 


Von  Karl  Lehrs. 


83 


Dinge  war  uns  vergangen,  das  Weinen  hätte  jeden  Mitfühlenden 
zerstört,  es  blieb  nichts  übrig  als  sie  zu  begreifen.  Und  das 
war  ja  von  Anfang  her  die  Bestimmung  der  Philosophie.  Der 
erste,  der  sich  dieses  Ausdrucks  bedient  haben  soll,  —  Pytha- 
goras  —  verglich,  wie  uns  erzählt  wird,  das  Leben  mit  den 
Olympischen  Spielen  und  der  damit  verbundenen  Messe.  Da 
strömten  die  Ringer  und  die  Läufer  hin  sich  Ehre  zu  erwerben, 
die  Käufer  und  Verkäufer  um  ihren  Vortheil  wahrzunehmen, 
die  Staatsgesandten  ihre  Verträge  abzuschließen  — ,  und  nur 
wenige  kamen  ohne  dergleichen  Nebenabsichten  blos  um  zu 
beobachten.  So  sei  es  auch  im  Leben :  und  diese  letzteren  seien 
die  Philosophen.  Aber  doch  auch  der,  der  mehr  oder  weniger 
in  das  Gedränge  des  Lebens  hineingezogen  wird,  ja  gerade  wohl 
er  hat  es  nöthig,  von  dieser  Philosophie  so  viel  als  möglich  sich 
zu  bewahren  und  zu  erretten:  jedenfalls  die  Philosophie,  die 
durch  den  obigen  Vergleich  bezeichnet  wird,  die  auf  dem  Inter- 
esse an  der  Beobachtung  der  Menschen  und  ihrer  Naturen  be- 
ruht, wie  sie  nun  einmal  sind,  die  danach  der  Einzelnen  Hand- 
lungen zu  verstehen  und  ihnen  ihre  Quelle  und  ihre  Stelle  an- 
zuweisen die  Ruhe  und  die  Fähigkeit  erwirbt,  und  in  aufgeregten 
Zeiten  macht  sie  sich  geltend  als  ein  großes,  als  ein  unent- 
behrliches Gut.  In  Virtuosität  erworben  —  was  freilich  nur 
wenigen  gelingen  kann  —  führt  sie  sogar  zum  Humor  zurück, 
wie  bei  Sokrates,  bei  Kant.  Aber,  meine  Herren,  diese  Art 
der  Philosophie  reicht  nicht  aus.  Sie  reicht  nicht  aus  für 
so  ungewöhnliche  Zeiten  und  nicht  aus  für  so  gebildete, 
will  sagen  so  von  Gedanken  angeregte  Zeiten  als  die  unseren 
sind.  Die  philosophische  Nothwendigkeit  nicht  nur,  auch 
die  Würdigkeit  der  Ideen  —  die  in  der  Praxis  oft  so  un- 
liebenswürdig erscheinen  —  hat  man  das  Bedtirfhiß  zu  be- 
greifen, noch  mehr  das  Andringen  so  vieler  spezieller  Fragen, 
welche  nun  auftauchen  und  so  nahe  an  jedermann  herantreten, 
gab  wol  oft  das  Gefühl  der  Rathlosigkeit  —  und  alles  trieb 
dahin,  nach  einem  bewährten  Führer  sich  umzusehen  um  Trost, 
um  Rath  und  Belehrung.    Wohin  aber  sich  wenden? 

(i* 

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84  Die  Philosophie  im»l  Kant  gegenüber  dem  Juhre  1848. 

Wie  sehr  haben  doch  von  jeher  die  Menschen,  nicht  nur 
die  Einzelnen,  sondern  die  ganzen  Völker,  ihre  Rathlosigkeit, 
ihre  eigene  Unzulänglichkeit  in  schwierigen  Lagen  empfunden. 
Der  Grieche,  wo  er  sich  im  praktischen  oder  moralischen  mit 
seiner  eigenen  "Weisheit  am  Ende  sah,  suchte  seinen  Orakelgott 
auf,  der  —  wie  Gott  von  jeher  gewesen  —  sich  geduldig  genug 
erwies  zu  antworten.  Indeß  war  dies  immer  noch  einiger- 
maßen unbequem,  durch  Zeit  und  Ort:  denn  eine  Reise  wurde 
doch  erfordert,  und  nur  zu  bestimmten  Zeiten  antwortete  der 
Gott.  Nur  einen  Griechen  kennen  wir,  dem  es  freilich  auf 
eine  beneidenswerthe  Art  bequemer  geworden,  der  den  rathenden 
Gott  immer  bei  sich  trug  —  nicht  zwar  wie  einer  der  Italienischen 
Lazzarone  seinen  Heiligen  in  der  Tasche  oder  in  der  Mütze  — 
sondern  im  Schrein  seines  Herzeus:  den  Sokrates.  Aber  das 
möchte  doch  gar  zu  wenigen  zu  Theil  werden:  und  ich  fürchte, 
daß  eben  ausnahmsweise  einmal  in  Sokrates  der  Gott  die  Mög- 
lichkeit fand  dem  Denkenden  und  Verstehenden  ein  Räthsel  zu 
lösen,  das  sieh  eigentlich  aufdrängen  mußte,  wenn  man  dem 
Delphischen  Tempel  nahte.  Denn  über  seinen  Tempel  hatte  der 
Gott  mit  großer  Schrift  das  Griechische  Zehngebot  eingegraben: 
„Erkenne  dich  selbst."  —  Wozu  denn?  Wenn  wir  nur  in  den 
Tempel  zu  gehen  brauchen,  um  über  was  uns  anliegt  von  außen 
Auskunft  zu  erhalten?  Er  schien  also  zu  sagen:  erkennet  euch 
selbst,  dann  braucht  ihr  nicht  hieher  zu  mir  eure  Heise  zu 
machen,  dann  komme  ich  selbst  zu  euch  und  ziehe  ein  ein 
stets  sich  offenbarender  Rathgeber  in  euer  eigenes  Herz.  Wollte 
er  das  sagen,  dann  freilich  sieht  man,  daß  dieser  innere  Weg 
wol  ein  sehr  würdiger,  aber  ein  schwer  und  für  wenige  zu  er- 
reichender ist. 

Die  Römer  waren  ein  praktisches  Volk  und  hatten  sich 
schon  bequemer  eingerichtet.  Wenn  sie  gar  nicht  mehr  ein 
noch  aus  wußten,  nahmen  sie  ihre  Zuflucht  zu  einem  alten 
Tröster,  den  sie  in  Rom  stets  bei  sich  hatten,  den  Büchern  der 
alten  Sibylle.  Und  später  sind  einige  andere  hochgeachtete 
Weise  und  Schriften  zu  gleichem  Zwecke  häufig  benutzt  worden. 


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Von  Karl  Lohrs. 


85 


Bei  den  Römern  selbst,  als  der  Name  Virgils  so  groß  ge- 
worden, diente  Virgil  vielfach  dazu,  um  Rath  und  Trost  aus 
Versen,  die  man  zufällig  aufschlug,  sich  zu  holen:  sortes  Vir- 
gilianae. 

Dann  nun  aber  von  Rechtswegen  vorzugsweise  die  Bibel, 
die  zu  solchem  Zwecke  bis  in  sehr  neue  Zeiten  und  ohne  Zweifel 
noch  heute  von  manchen  benutzt  worden.  Allen,  die  etwa  in 
Bezug  auf  die  jetzige  Zeit  mit  mehr  oder  weniger  Glauben  ihre 
Bibel  einmal  aufschlagen  wollten,  wünsche  ich  einen  ähnlichen 
oder  den  gleichen  Spruch,  den  einst  Goethes  Mutter  fand,  als 
ihr  neunzehnjähriger  Wolfgang  krank  zum  Tode  war.  Sie 
schlug  damals  in  der  äußersten  Noth  ihres  Herzens  ihre  Bibel  nach 
und  fand  den  Spruch:  „man  wird  wiederum  "Weinberge  pflanzen 
an  den  Bergen  Samariä,  pflanzen  wird  man  und  dazu  pfeifen." 

Indessen  unser  Glaube  an  diese  Orakel  ist  nicht  mehr  fest 
und  allgemein  genug,  auch  wurden  sie  für  die  speziellen, 
politischen  Fragen  der  Gegenwart  uns  oft  in  ihrem  Rathe  nicht 
befriedigen.  In  unserer  Zeit  werden  wir  wol  an  die  Ge- 
lehrten gehen  müssen  und  unter  ihnen  wieder  zu  den  Philo- 
sophen —  zumal  die  Geschichte  —  worüber  viel  zu  sagen  wäre 
—  sich  nicht  hinlänglich  zwingend  erwiesen.  Unter  den  Ge- 
lehrten und  Philosophen  werden  wir  aber  diejenigen  zu  suchen 
haben,  die  nicht  nur  gelehrt  sind,  sondern  auch  gelernt  haben, 
und  nicht  nur  auswendig  gelernt,  sondern  inwendig.  Diese 
werden  es  dann  auch  sein,  welche  die  Selbsterkenntniß  erworben, 
welche  der  Gott  verlangte,  und  auf  welche  das  "Wort  nicht  an- 
wendbar sein  wird,  das  Kant  einmal  etwas  anzüglich  ausspricht: 
„Gelehrte  glauben,  es  sei  alles  um  ihretwillen  da."  (Tomus  XI, 
1  pag.  237.) 

Von  Kant  wenigstens  gilt  es  so.  Man  höre  ein  wahrhaft 
liebenswürdiges  Selbstbekenntniß  (ebd.  240):  „Ich  bin  selbst  aus 
Neigung  ein  Forscher.  Ich  fühle  den  ganzen  Durst  nach  Er- 
kenntnis und  die  begierige  Unruhe,  darin  weiter  zu  kommen 
oder  auch  die  Zufriedenheit  bei  jeder  Erweiterung.  Es  war 
eine  Zeit,  da  ich  glaubte,  dieses  allein  könnte  die  Ehre  der 


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86 


Die  Philosophie  und  Kant  gegenüber  dem  Jahre  1848. 


Menschheit  machen  und  ich  verachtete  den  Pöbel,  der  von  nichts 
weiß.  Rousseau  hat  mich  zurecht  gebracht.  Dieser  verblendende 
Vorzug  verschwindet,  ich  lerne  die  Menschen  ehren  und  würde 
mich  weit  unnützer  finden  wie  den  gemeinen  Arbeiter,  wenn 
ich  nicht  glaubete,  daß  diese  Betrachtung  allen  übrigen  einen 
Werth  ertheilen  könne,  die  Rechte  der  Menschheit  herzustellen." 

Solche  Selbsterkenntniß  wird  unser  Vertrauen  wol  zum 
höchsten  steigern,  daß  wir  in  ihm  den  Tröster  und  Belehrer 
finden  könnten,  den  wir  suchen.    Und  in  Wahrheit,  wenn  man 
jetzt  die  Kantischen  Schriften  aufschlagt,  man  wird  erstaunen  über 
die  Bilder,  die  der  Zeit  aus  den  Augen  geschnitten  sind  —  er- 
staunen über  die  Belehrung  über  die  speziellsten  Punkte,  die 
jetzt  zur  Sprache  gekommen  sind  —  erstaunen  vor  allem  über 
die  Jugendlichkeit  der  Form,  in  der  das  alles  auftritt.  Ja,  meine 
Herren,  wir  haben  einen  Tröster  gefunden,  einen  ewig  jungen. 
Wie  es   immer  wahr   und  eindringlich  erscheinen  wird  was 
Christus  über  die  Pharisäer  und  Kirchenrechtslehrer  gesagt,  wie 
aber  doch  Zeiten  kommen,  wo  man  wie  unter  treffender  Beleuch- 
tung dennoch  das  Gefühl  hat,  als  habe  man's  so  nie  gelesen, 
als  sei  es  gestern  geschrieben  für  den  heutigen  Tag  und  man 
vollkommen  begreift,  wie  es  für  Päbste  und  Kardinäle  dagegen 
nur  ein  Mittel  gab  —  es  zu  verbieten,  —  wie  bei  Tazitus  immer 
das  Gepräge  der  Großheit  und  Wahrheit  entgegentritt,  doch  unter 
gewissen  Umständen  ein  wahrhaft  schreckhaftes  Verständniß  sich 
eröffnet,  daß  man  ausrufen  muß:  wehe  dem  Zeitalter,  das  den 
Tazitus  ganz  verstünde!  —  so  hingegen  bei  Kant:  unter  der 
Beleuchtung  der  Freiheit  tritt  bei  ihm  alles  in  heiterer  Sicht- 
barkeit und  Verständlichkeit  hervor  und  alles,  eine  Menge  von 
Einzelheiten  —  an  denen  man  sonst  vielleicht  vorüberginge  — 
fesselt  den  erstaunten  Blick.    Und  natürlich  gerade  die  Sonne 
des  vergangenen  Jahres  wirkt  auf  seine  Schriften  so.  Denn 
fragen  wir  uns:  was  ist  denn  eigentlich  geschehen,  so  ist  die 
einfache  Antwort:  Kant's  Principien  haben  endlich  auch  bei  uns 
die  öffentliche  Anerkennung  errungen!    0  gäbe  es  ein  Mittel, 
der  Muse  der  Geschichte  die  Notiz  zu  entziehen,  wie  spät  und 


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Von  Karl  Lehre. 


87 


widerstrebend  das  Vaterland  der  "Wahrheit  seines  eigensten 
Philosophen  nachzukommen  sich  entschloß  —  gäbe  es  ein 
Mittel  diese  Notiz  ihr  zu  unterschlagen,  ich  biete  meine  Hand 
zu  dem  Betrug! 

Jetzt  muß  man  lesen,  was  er  sagt  über  historisches  Recht, 
über  die  falschen  Praktiker,  die  statt  mit  der  Praxis  glauben 
mit  Praktiken  dem  ewigen  Vernunftgebäude  der  Menschheit  ent- 
gegenzutreten, —  was  er  —  denn  man  trifft  auf  so  einzelnes  — 
von  der  Anerkennung  der  Revolution  sagt,  von  dem  Recht,  si 
vis  der  Pflicht  des  Staates  zur  Aufhebung  der  Fideikommisse  und 
der  Kirchenvermächtnisse  (gegen  Entschädigung  der  Ueberleben- 
den),  von  dem  Stimmrecht  (wozu  nach  ihm  Selbständigkeit,  d.  h. 
Unabhängigkeit  von  einem  Privatwillen  gehört,  von  Seiten  des 
Staats  aber  die  Pflicht  keinem  den  "Weg  zur  Selbständigkeit  zu 
gelangen  irgend  wie  zu  versperren) :  —  jetzt  wo  wir  das  Ringen 
entgegenstehender  Kräfte  so  lästig  empfinden,  wie  er  den  vierten 
Satz  in  den  Ideen  zu  einer  allgemeinen  Geschichte  der  Mensch- 
heit ausfahrt,  der  also  lautet:  „das  Mittel,  dessen  sich  die 
Natur  bedient,  die  Entwickelung  aller  ihrer  Anlagen 
zu  Stande  zu  bringen,  ist  der  Antagonismus  derselben 
in  der  Gesellschaft,  sofern  dieser  doch  am  Ende  die 
Ursache  einer  gesetzmäßigen  Ordnung  derselben  wird": 
—  jetzt  feeinen  bekannten  Fundamentalsatz  über  den  Staats- 
verband —  von  der  Freiheit  als  Mensch,  von  der  Gleich- 
heit als  Unterthan  —  wozu  bei  ihm  nicht  als  drittes  die  aller- 
dings wunderliche  Brüderlichkeit  tritt,  sondern  die  Selbständig- 
keit als  Bürger.    Und  so  vieles  andere. 

Die  "Wahrheit  der  Sachen  könnte  doch  wenig  helfen,  sie 
könnte  uns  nicht  fesseln,  wenn  die  Form  etwa  veraltet  wäre. 
Es  herrscht  wol  der  Glaube  —  und  namentlich  sehr  in  der 
jungen  Generation  —  in  seinen  Schriften  sei  Kant  trocken. 
Nein,  seine  ewige  Jugendlichkeit  sie  tritt  auch  in  der  Form 
immer  neu  heraus ;  das  erstreckt  sich  bis  auf  die  Bildung  neuer 
so  treffender  "Wörter,  daß  man  vermuthen  darf  die  gelehrten 
Herren  Adelung  und  Campe  werden  sie  ihren  "Wörterbüchern 


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88  Philosophie  und  Kaut  gegenüber  dein  Jahre  1848. 

nicht  einverleibt  haben,  und  man  sich  nicht  getäuscht  findet  — 
bei  Grimm,  ich  verbürge  mich,  werden  sie  nicht  fehlen.  Immer 
haben  sich  wahrhaft  große  Geister  auch  eine  Sprache  ge- 
schaffen, die  nie  veralten  kann  —  so  Winckelmann,  so  Lessing, 
so  Kant  — :  zumal  wenn  sie  wie  auch  diese  nicht  blos  vom 
Geist,  sondern  auch  von  der  Begeisterung  getragen  wurden. 
Ich  kann  es  mir  nicht  versagen,  eine  etwas  längere  und  weniger 
bekannte  Stelle  —  sie  ist  erst  in  der  Königsberger  Ausgabe 
bekannt  geworden  —  vorzutragen.  XI,  1.  253—255:  Von  der 
Freiheit  —  wir  werden  uns  nachher  vergegenwärtigen,  welche 
Freiheit  er  meint  —  eine  Stelle,  die  besser  als  ein  Bild  vom 
Maler  gefertigt  uns  gleichsam  in  persönlicher  Frische  ihn  vor- 
führen wird. 

Vor  der  Freiheit*). 

„Der  Mensch  hängt  von  vielen  äußeren  Dingen  ab,  er  mag 
sich  befinden  in  welchem  Zustande  er  auch  wolle.  Er  hängt 
jederzeit  durch  seine  Bedürfnisse  an  einigen,  durch  seine  Lüstern- 
heit an  andern  Dingen  und  indem  er  wohl  der  Verweser  der 
Natur  aber  nicht  ihr  Meister  ist,  so  muß  er  sich  nach  dem 
Zwange  derselben  bequemen,  weil  er  nicht  findet,  daß  sie  sich 
immer  nach  seinen  "Wünschen  bequemen  will.  "Was  aber  weit 
härter  und  unnatürlicher  ist  als  dieses  Joch  der  Noth wendig- 
keit, das  ist  die  Unterwürfigkeit  eines  Menschen  unter  den 
"Willen  eines  andern  Menschen.  Es  ist  kein  Unglück,  das  dem- 
jenigen, der  der  Freiheit  gewohnt  wäre,  erschrecklicher  sein 
könnte  als  sich  einem  Geschöpfe  von  seiner  Art  überliefert  zu 
sehen,  das  ihn  zwingen  könnte  (sich  seines  eigenen  Willens  zu 
begeben),  das  zu  thun,  was  es  will.  Es  gehört  eine  sehr  lange 
Gewohnheit  dazu,  den  schrecklichen  Gedanken  der  Dienstbarkeit 
leidlicher  zu  machen;  denn  jederman  muß  es  in  sich  empfinden, 
daß,  wenn  es  gleich  viele  Ungemächlichkeiten  giebt,  die  man 

*)  Wir  geben  diese  Stelle  genau  nach  dem  Original-Manuscript,  über 
welches  Schubert  im  11.  Bande  der  sämmtlichen  Werke  Kant«  Abth.  I 
Seite  218  f.  ausführlich  berichtet.  R.  R. 


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Von  Karl  Lehre. 


8» 


nicht  immer  mit  Gefahr  des  Lebens  abzuwerfen  Lust  haben 
möchte,  dennoch  kein  Bedenken  stattfinden  würde  in  der  Wahl 
zwischen  Sklaverei  und  Tod,  die  Gefahr  des  letzteren  vorzuziehen. 
Die  Ursache  hiervon  ist  auch  sehr  klar  und  rechtmäßig.  Alle 
anderen  Uebel  der  Natur  sind  doch  gewissen  Gesetzen  unter- 
worfen, die  man  kennen  lernet,  um  nacher  zu  wählen,  wie  fern 
man  ihnen  nachgeben  oder  sich  ihnen  unterwerfen  will.  Die 
Hitze  der  brennenden  Sonne,  die  rauhen  Winde,  die  Wasser- 
bewegung verstatten  dem  Menschen  immer  noch  etwas  zu  er- 
sinnen, was  ihn  dawider  schütze  oder  ihn  doch  selbst  in  der 
E  —  — s).  Allein  der  Wille  eines  jeden  Menschen  ist  die 
Wirkung  seiner  eigenen  Triebe,  Neigungen  und  stimmet  nur 
mit  seiner  wahren  oder  eingebildeten  Wohlfahrt  zusammen. 
Nichts  kann  aber,  wenn  ich  vorher  frei  war,  mir  einen  gräß- 
licheren Prospekt  von  Gram  und  Verzweiflung  eröffnen,  als  daß 
künftig  hin  mein  Zustand  nicht  in  meinen,  sondern  in  eines 
andern  Willen  soll  gelegt  sein.  Es  ist  heute  eine  strenge  Kälte, 
ich  kann  ausgehen  oder  auch  zu  Hause  bleiben,  nachdem  es  mir 
beliebt;  allein  der  Wille  eines  andern  bestimmt  nicht  das,  was 
mir,  sondern  ihm  diesesmal  das  angenehmste  ist.  Ich  will 
schlafen,  so  weckt  er  mich.  Ich  will  ruhen  oder  spielen  und  er 
zwingt  mich  zum  Arbeiten.  Der  Wind,  der  draußen  tobt, 
nöthigt  mich  wohl  in  eine  Höhle,  zu  fliehen,  aber  hier  oder 
anderwärts  läßt  er  mich  doch  endlich  in  Kuhe;  aber  mein  Herr 
sucht  mich  auf  und  weil  die  Ursache  meines  Unglücks  Vernunft 
hat,  so  ist  er  weit  geschickter  mich  zu  quälen  als  alle  Elemente. 
Setze  ich  auch  voraus,  er  sei  gut,  wer  steht  mir  davor,  daß  er 
sich  nicht  eines  andern  besinne.  Die  Bewegungen  der  Materie 
halten  doch  eine  gewisse  bestimmte  Eegel,  aber  des  Menschen 
Eigensinn  ist  regellos. 

„Es  ist  in  der  Unterwürfigkeit  nicht  allein  was  äußerst 
gefährliches,   sondern  auch  eine  gewisse  Häßlichkeit  und  ein 


*)  Im  Original  bricht  der  Satz  ab;  Schubert  ergänzt:  „seibat  der  Ein- 
wirkung davon  entziehen  kann". 


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90  Die  Philosophie  und  Kant  gegenüber  dem  Jahre  I84>v 

Widerspruch,  der  zugleich  seine  Unrechtmäßigkeit  anzeigt.  Ein 
Thier  ist  noch  nicht  ein  completes  Wesen,  weil  es  sich  seiner 
selbst  nicht  bewußt  ist  und  seinen  Trieben  und  Neigungen  mag 
nun  durch  einen  andern  widerstanden  werden  oder  nicht,  so 
empfindet  es  wohl  sein  Uebel ,  aber  es  ist  jeden  Augenblick  vor 
ihm  verschwunden  und  es  weiß  nicht  von  seinem  eigenen  Dasein. 
Daß  der  Mensch  aber  selbst  gleichsam  keiner  Seele  bedürfen  und 
keinen  eigenen  Willen  haben  soll  und  daß  eine  andere  Seele 
meine  Gliedmaßen  bewegen  soll,  das  ist  ungereimt  und  ver- 
kehrt. Auch  in  unseren  Verfassungen  ist  uns  ein  jeder 
Mensch  verächtlich,  der  in  einem  großen  Grade  unterworfen 
ist.  —  —  —  Anstatt  daß  die  Freiheit  mich  scheinet  über 
das  Vieh  zu  erheben,  so  setzet  sie  mich  noch  unter  das- 
selbe, denn  ich  kann  besser  gezwungen  werden.  Ein  solcher 
ist  gleichsam  vor  sich  nichts  als  ein  Hausgeräth  eines  andern. 
Ich  könnte  ebensowohl  den  Stiefeln  des  Herrn  meine  Hoch- 
achtung bezeigen  als  seinen  Laqueyen.  —  Kurz  der  Mensch, 
der  da  abhängt,  ist  nicht  mehr  ein  Mensch,  er  hat  diesen  Bang 
verloren,  er  ist  nichts  außer  ein  Zubehör  eines  andern  Menschen. 

„Unterwürfigkeit  und  Freiheit  sind  gemeiniglich  in  ge- 
wissem Grade  vermengt  und  eines  hängt  vom  andern  ab.  Aber 
auch  der  kleinste  Grad  der  Abhängigkeit  ist  ein  viel  zu  großes 
Uebel,  als  daß  es  nicht  sollte  natürlicher  Weise  erschrecken. 
Dieses  Gefühl  ist  sehr  natürlich,  aber  man  kann  es  auch  sehr 
schwächen.  Die  Macht,  anderen  Uebeln  zu  widerstehen,  kann  so 
klein  werden,  daß  die  Sklaverei  ein  kleineres  Uebel  scheint  als 
die  Ungemächlichkeit.  Dennoch  ist  es  gewiß,  daß  es  [jenes 
Gefühl]  in  der  menschlichen  Natur  obenan  stehe." 

Diese  Stelle  also,  meine  Herren,  über  die  Freiheit,  das 
ewige  Thema  unseres  Kant,  verdient  heute  vorzugsweise  mit- 
getheilt  zu  werden,  1.  weil  sie  weniger  bekannt  ist,  2.  weil  sie 
so  schön  ist,  3.  weil  sie  so  jugendlich  ist  und  4.  weil  sie  so 
persönlich  ist,  d.  h.  uns  in  die  persönliche  Erscheinung  des 
Mannes  hineinversetzt,  in  die  Begeisterung  mit  der  er  oft  lehrte, 


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Von  Karl  Lehrs. 


91 


—  und  die  persönliche  Erscheinung  des  Mannes  durch  Tradition 
gleichsam  fortzuleiten  geziemt  gewiß  dieser  Geburts-Gesellschaft 
wohl!  Ich  erinnere  mich  öfter  noch  an  diesem  Tische  von 
älteren  Zuhörern  dasselbe  gehört  zu  haben  —  und  sie  selbst 
geriethen  dabei  in  ungewöhnliche  Begeisterung,  mit  welchem 
heiligen  Eifer  er  namentlich  über  das  Thema  sprach,  daß  der 
Mensch  zur  Sache  herabgewürdigt  werde. 

Man  könnte  das  fast  eine  philosophische  Marseillaise 
nennen!  Mir  kommt  dieser  Ausdruck  nicht  zufallig  —  sondern 
ich  gestehe,  sie  erinnerten  mich  an  das  was  wir  in  der  letzten 
Zeit  wiederholt  von  der  Innigkeit  gelesen  haben,  womit  eine 
jugendliche  Schauspielerin  jene  Freiheitshymne  vorzutragen  ver- 
steht. Aber  sie  ist  eine  Schauspielerin  und  wir  wissen  nicht, 
ob  es  ihr  Ernst  ist,  noch  weniger,  welche  Freiheit  sie  meint. 
Bei  Kant  aber  wissen  wir,  welches  seine  Freiheit  sei,  daß  er 
eine  Freiheit  meint,  welche  das  Gebot  der  Selbstbeschränkung 
zugleich  in  sich  trägt.  Die  Maxime  heißt:  „Handle  so  daß 
du  die  Menschheit  sowohl  in  deiner  Person,  als  in  der 
Person  eines  jeden  andern  jederzeit  zugleich  als  Zweck, 
niemals  blos  als  Mittel  brauchst"  (Vlii  p.  57).  Und:  „Das 
Princip  der  Menschheit  und  jeder  vernünftigen  Natur  überhaupt, 
als  Zwecks  an  sich  selbst,  ist  die  oberste  einschränkende 
Bedingung  der  Freiheit  der  Handlungen  eines  jeden  Menschen". 

Wenn  dieses  Verständniß  der  Freiheit  immer  allgemeiner 
würde,  wie  wohl  würde  es  um  die  Menschen  bestellt  sein.  An  Kant 
liegt  es  nicht,  wenn  sie  mißverstanden  wird :  er  ist  da  ein  ewiger 
Kektifikator  und  wie  er  so  viele  auf  den  rechten  Weg  geführt, 
gewiß  so  kann  er,  so  wird  er,  hoffen  wir,  es  noch  an  vielen 
thun.  „Und  die  Lehrer  werden  leuchten  wie  des  Himmels 
Glanz  und  die  da  viele  zur  Gerechtigkeit  weisen  wie  die  Sterne 
immer  und  ewiglich."  Als  Kant  auftrat  waren  im  Gebiete  des 
Gedankens  und  der  sittlichen  Grundlagen  viele  Principien  er- 
schüttert, und  viele,  viele  fühlten  sich  schwach  und  haltlos.  Sie 
lehnten  sich  an  den  mächtigen  und  warfen  in  ihrem  Schwanken 
den  Anker  in  den  Hafen  seiner  geistigen  Tiefe.  Um  den  Preußen 


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U2 


Die  Philosophie  und  Kant  gegenüber  dein  Jahre 


Kaut  scharten  sie  sich,  und  nicht  blos  die  kleinen  Mächte, 
sondern  auch  die  größeren,  und  aus  allen  Gauen  Deutschlands  — 
der  Würtemberger  Fr.  Schiller,  der  Sachse  Gottfr.  Hermann,  der 
Baier  Johann  Benjamin  Erhard  —  sie  scharten  sich  um  ihren 
geistigen  Kaiser,  und  Er  ward  ein  Deutscher.  Aber  der  Ruhm 
ward  darüber  nicht  vergessen:  der  Königsberger  Weise  blieb 
sein  allverehrter  Name:  und  wir  selbst  hocherfreut  über  seine 
allverbreitete  "Wirksamkeit  haben  uns  fort  und  fort  das  An- 
denken erhalten  können,  daß  er  unser  ist:  nicht  die  Erinnerung, 
nicht  die  Erhebung  ist  dadurch  für  uns  verloren  gegangen,  und 
wir  erneuern  es  jährlich  an  diesem  Tage.  Und  möge  dies  noch 
lange  geschehen! 


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Bas  Volksschulwesen  im  Königreich  Preussen  und 
Herzogthum  Litthauen  unter  Friedrich  Wilhelm  L 

von 

JLMt  Kell. 

Sämtliche  geschichtliche  Darstellungen  unseres  preußischen 
.Volksschulwesens  zeigen,  daß  gerade  die  Entwickeiungsperioden 
des  gegenwärtigen  Volksschulenorganismus  mit  ihren  treibenden 
und  hindernden  Momenten  noch  keine  genügende  Würdigung 
gefunden  haben.  Solches  gilt  besonders  von  der  "Werdezeit  der 
elementaren  Schulen  in  unserm  Königreich  Preußen  und  dem 
dazugehörigen  Litthauen  am  Anfange  des  vorigen  Jahrhunderts, 
als  Friedrich  Wilhelm  I.  die  Regierung  des  jungen  Königreichs 
von  seinem  Vater  überkam.  Die  allgemeinen  Werke  der  Ge- 
schichte des  deutschen  und  preußischen  Volksschulwesens  von 
Hoppe,  Keller,  Kellner,  Marsch,  Neigebauer,  Schumann,  Schwarz 
und  Quiatkowski,  die  Geschichten  der  Pädagogik  von  Palmer, 
Raumer,  Schmidt  und  Vogel,  die  pädagogischen  Encyclopädieen 
und  Zeitschriften,  selbst  speciellere  Abhandlungen,  wie  die  von 
Pisanski1),  Rehbaum1),  Riemann3)  und  Riemasch4)  gewähren 
alle  kein  vollständiges  Bild  dieser  Entwickelungsphase,  da  den 
Autoren  das  nöthige  Quellenmaterial  fehlte.    Auch  die  Arbeit 

1)  Pisanski,  Abhandig.  von  Winkelschulen,  Schulprogramm  der  Cathe- 
drmlschule  zu  Königsberg  1774. 

2)  Rehbaum,  histor.  Entwickelang  des  preul.  Volksschulwesens,  Beilage 
zum  Programm  des  Friedrichs-Gymnasium  in  Breslau  1876. 

3)  Riemann,  Anbau  einiger  Scholen  in  Preufien.   Kgsb.  1795. 

4)  Riemasch,  kurze  Uebersicht  der  vornehmst.  Denkwürdigkeiten  des 
18.  Jahrhunderts,  besonders  in  Rücksicht  auf  Preussen.   Kgsb.  1801. 


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94 


Da«  Volksschulwesen  ün  Königreich  Preußen  etc. 


von  Borowski6),  das  Beste  auf  diesem  Gebiet,  genügt  nicht  den 
Anforderungen.  Wohl  sind  die  von  ihm  gegebenen  Daten  durch- 
weg richtig;  aber  er  giebt  doch  nur  eine  chronologische  Auf- 
zählung der  äußern  Thatsachen,  ohne  auf  den  innern  Ent- 
wicklungsgang und  den  innern  Zustand  des  Schulwesens  ein- 
zugehen. Hierzu  kommt,  daß  er  nicht  die  primären  Quellen 
selbst  benutzt,  sondern  sich  mit  einer  Secundärquelle  begnügt, 
die  er  fast  wörtlich  in  seinem  Aufsatz  wiedergiebt.  Zu  dieser 
Behauptung  führt  unwillkürlich  die  Thatsache,  daß  die  Borows- 
kische  Abhandlung  eine  überraschende  Verwandschaft  mit  dem 
chronologischen  Teil  eines  im  hiesigen  Staatsarchiv  vorhandenen 
actenmäßigen  Berichts  von  der  Schulcommission  an  den  König 
aus  dem  Jahre  1743  zeigt;  und  Acten  der  Schulcommission 
waren  ihm  ja,  wie  er  selbst  in  der  Einleitung  angiebt,  zur  Be- 
nutzung mitgeteilt  worden. 

Jetzt,  wo  die  Königlichen  geheimen  Staatsarchive  dem 
Forscher  geöffnet  sind,  so  daß  man  nicht  mehr  allein  auf  die 
Kirchenregistraturen  bei  einer  derartigen  Arbeit  angewiesen  ist, 
wird  es  möglich,  eine  eingehendere  Darstellung  jener  verdienst- 
vollen, höchst  schwierigen,  mühevollen,  jahrelangen  Arbeit  an 
der  Fundirung  unseres  Volksschulwesens  durch  Friedrich  Wil- 
helm I.  zu  geben. 

Das  Quellenmaterial  zu  dieser  Arbeit,  welche  den  Ent- 
wickelungsprozeß  und  die  erste  fundamentale  Begründung  der 
Volksschule  in  unserm  Königreich  Preußen  und  im  Herzogtum 
Litthauen  zeigen  soll,  bilden  die  Acten  des  hiesigen  geheimen 
Staatsarchivs  —  besonders  reichhaltig  für  die  Zeit  von  1731  bis 
43  —  Acten  aus  der  Registratur  der  hiesigen  Schloßkirche  und 
dem  Archiv  des  Königlichen  Consistorii  und  die  vita  des  Ly- 
sius,  ein  Manuscript  aus  der  Gymnasialbibliothek  des  collegii 
Friedericiani.  Höchst  erwünscht  wären  mir  noch  einige  Quellen 
über  Lysius,  Mansberg  und  Engel  gewesen,  da  die  über  die- 


6)  Vom  Landschulwesen  in  Ostpreußen,  ein  Anhang  zu  Borowski's 
„Neue  preußische  Kirchenregistratur"  Königsherg  1789. 


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Von  Adolf  Keil. 


95 


selben  vorhandenen  Acten  etwas  spärlich  sind;  aber  trotz  alles 
eifrigen  Suchens  bei  den  Kirchenregistraturen  zu  Insterburg, 
Georgenburg,  Zillen,  Tilsit,  Gumbinnen  und  im  Gumbinner  Re- 
gierungsarchiv, wo  dergl.  Acten  bei  den  beiden  Bränden  des 
Regienmgsgebäudes  fast  gänzlich  verloren  gegangen  sind8), 
habe  ich  kein  weiteres  Quellenmaterial  auffinden  können.  Aber 
immerhin  ist  es  möglich,  aus  dem  vorhandenen  ein  sicheres 
Bild  jener  großen,  wichtigen  Fundationsperiode  zu  entwerfen. 
Die  einzelnen  hierbei  beachtenswerten,  schon  vorhandenen 
Darstellungen  werde  ich  im  weiteren  Verlaufe  noch  anführen. 

Um  die  energische,  verdienstvolle  Arbeit  Friedrich  Wil- 
helms I.  an  unserm  Volksschulwesen  voll  und  ganz  würdigen 
zu  können,  ist  es  durchaus  notwendig,  zuerst  einen  kurzen 
Blick  auf  dasselbe  vor  ihm,  besonders  unter  Friedrich  I.  zu 
werfen,  weil  diese  Zeit  alles  vorhergehende  recapitulierend  uns 
darbietet. 

Das  höhere  Schulwesen  hat  sich  der  Fürsorge  dieses 
idealen  Königs,  der  für  das  frische  Erwachen  der  Philosophie, 
für  die  pädagogischen  Ideen  eines  Comenius,  Moscherosch  und 
Schupp  und  teilweise  auch  für  den  Pietismus  eines  Spener  und 
Francke  sich  empfänglich  zeigte,  besonders  zu  erfreuen  gehabt 
und  auch  einen  guten  Fortschritt  gemacht7). 

Aber  wie  stand  es  mit  dem  niedern,  elementaren  Schul- 
wesen seiner  Zeit?  Es  hatte  der  König  unzweifelhaft  ein  warmes 
Vaterherz  für  unser  Preußenland,  das  er  „vor  allen  übrigen  Pro- 
vinzen jedes  Mal  geliebt  und  werth  gehalten;"8)  darum  dachte 
er  auch  an  die  Volksschule,  hatte  für  sie  die  besten  Absichten 
und  arbeitete  soviel  als  möglich  an  deren  Verwirklichung.  Aber 
dennoch  ist,  wie  aus  den  Verordnungen  des  Königs,  aus  den 
Berichten  der  Pfarrer  an  die  Erzpriester  und  aus  den  Visitations- 


6)  VgL  Programm  des  Friedrichsgymnasiums  zu  Gumbinnen  1865. 

7)  VgL  Geschichte  des  Volksschulwesens  in  der  Altmark  von  Schu- 
mann.  Halle  1871  pag.  150  ff. 

8)  Beheim-Schwarzbach,  Friedrich  Wilhelm  I.,  Colonisationswerk  in 
Littauen,  Königsberg  1879  p.  8. 


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Da»  Yolksachulwesen  im  Königreich  Preuien  etc. 


berichten  der  Erzpriesfcer  an  das  Consistorium  hervorgeht,  das 
gesamte  Volksschulwesen  unter  ihm  durchaus  in  derselben  Un- 
vollständigkeit  und  Mangelhaftigkeit  verblieben,  in  der  wir  es 
unter  seinen  Vorgängern,  dem  großen  Kurfürsten  und  den 
andern  Brandenburgischen  Fürsten  finden.  Alle  von  ihm  in 
betreff  des  Kirchen-  und  elementaren  Schulwesens  gegebenen 
Erlasse  sind  nur  Wiederholungen  der  seit  dem  Uebertritte 
Preußens  zum  evangelischen  Bekenntnis  seit  1568  hierauf  be- 
züglichen, landesherrlichen  Verordnungen9),  welche  nur  den 
schon  durch  die  Reformation  bestimmten  evangelischen  Character 
der  Volksschule  von  neuem  fixieren  und  betonen.  Eine  Badical- 
cur  vorzunehmen,  ein  festes  Fundament  für  den  allgemeinen 
Volksschulenbau  zu  legen,  ist  ihm  unmöglich  gewesen.  Daran 
hinderte  ihn  die  Leere  der  Königlichen  Kasse  und  die  maßlose 
Armut  unseres  Landes,  das  unbebaut  und  fast  menschenleer 
dalag,  infolge  der  Kriege  des  17.  und  der  furchtbaren  Seuche 
zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts,  die  besonders  verheerend  in 
den  litthauischen  und  polnischen  Aemtern  aufgetreten  war10). 

Kurz,  wir  gewinnen  ein  richtiges  Bild  vom  Volksschul- 
wesen in  unserm  heutigen  Ostpreußen  und  sehen  auch  nicht 
zu  schwarz,  wenn  wir  behaupten,  daß  es  trotz  aller  königlichen 
Verordnungen  bis  zum  Jahre  1713  (absolut)  kein  auch  nur 
einigermaßen  geordnetes  Volksschulwesen  gab.  Was  bis  dahin 
Schule  und  Unterricht  genannt  wurde,  verdient  nicht  diese 
Namen.  Es  wird  wohl  in  den  Berichten  der  Prediger  und  Erz- 
priester  —  letztere  sind  unsere  heutigen  Superintendenten  und 
Kreisschulinspectoren  —  von  „Schulen"  und  „Schulmeistern" 
geredet,  aber  wie  steht  es  mit  denselben?!  Durchsuchen  wir 
einmal  die  Städte,  Kirchdörfer  und  das  platte  Land,  dann  werden 
wir  klar  sehen,  was  Friedrich  I.  in  Bezug  auf  das  Volksschul- 
wesen erreicht  hat.  Die  Berichte  der  Prediger  und  Erzpriester 
beweisen  einstimmig,  daß  auf  dem  platten  Lande,  also  in  den 

9)  Sie  finden  sich  bei  Grube  „corpus  constitutionum  Prutenicarum" 
Pars  I  p.  1  ff. 

10)  Beheim -Schwarzbach,  a.  a.  0.  pag  7. 


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Von  Adolf  Keil. 


97 


Dörfern,  kein  Schulbaus,  keine  geregelte  Subsistenz  für  die  Schul- 
halter, kein  fester  ordentlicher  Lehrer  und  demgemäß  auch  kein 
regelmäßiger,  ständiger  Schulbesuch  und  kein  systematisch 
geordneter  Unterricht  bestanden  hat.  Nicht  viel  besser  sah  es 
in  den  Kirchdörfern  und  Städten  aus.  Wir  hatten  damals  in 
unserm  Preußenland  circa  330  Landkirchen,  darunter  61  Filial- 
kirchen und  circa  50  Städte  mit  60  Kirchen11).  Bei  den  Stadt- 
und  Landkirchen  war  man  seit  Herzog  Albrecht  bemüht,  Schulen 
anzulegen  und  in  Stand  zu  halten.  So  kommt  in  der  Ordnung 
„von  Erwehhmg  der  beyder  Bischoff  Samlandt  und  Pomezan" ") 
vom  Jahr  1568  über  Schulen  und  Lehrer  folgende  Bestimmung 
vor:  „Die  müssen  für  allen  Dingen  auf  dem  Lande  und  den 
Städten  wol  bestellet  werden:  dann  so  lang  es  da  mangelt,  so 
ist  weder  der  Kirchen  in  unserm  Hertzogthumb,  noch  der  Uni- 
versität zu  Königsberg  zu  rathen,   Darumb  sollen  die 

Bischoffe  für  allen  ihnen  diese  Sorge  lassen  angelegen  sein, 
das  sie  bey  den  Städten  auch  ziemlichen  Kirchen  auf  dem  Lande 
anhalten,  damit  die  Schulen  wol  bestellet  und  versehen  werden." 
Weiter  heißt  es  da  von  der  Bestellung  und  Annahme  der  Le&rer: 
„Die  bleibe  bey  wem  sie  von  Alters  her  gewesen  ist,  doch  also, 
das  der  Pfarrherr  jedes  Orts  derzu  und  ohne  seinen  Rath  wissen 
und  willen  kein  Schul-  noch  Kirchendiener  weder  aufgenommen 
noch  abgesetzt  werde:  Es  soll  aber  dennoch  kein  Schuldiener 
von  dem  Pfarrherrn  noch  andern  bestätigt  werden,  Er  sey  dann 
dem  Bischoff  präsentiret,  von  welchem  er  seiner  Geschicklich- 
keit, Lehre  und  Religion  genügsame  testimonia  bringe."  Von 
dem  Character  und  der  Aufgabe  der  Schule:  „Weil  die  Schulen 
des  heiligen  Geistes  Werkstete  seind,  darinnen  er  muß  Gnad 
Gedeyen  und  Seegen  geben,  das  die  Kinder  wolgerahten,  darumb 
soll  das  Erste  sein,  das  man  ja  in  allen  Schulen  schöne  Christ- 
liche Zucht  halte,  weil  es  war  ist,  das  der  weise  Mann  saget  in 
animam  malevolam  non  intrabit  spiritus  Domini  et  sapientia  

11)  cf.  Borowski,  Verzeichnis  aller  luth.  [Inspectionen,  Kirchen  nnd 
Predigerstellen  in  Ostpreullen  p.  193.    cf.  Grube  p.  149  ff. 

12)  Grube  p.  7. 

Altpr.  MonaUnchrilt  Bd.  XXIII.  Hft.  1  u.  2.  7 


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98  D«w  Volkssclnilwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 

Sollen  derhalben  die  Schuldiener  wol  zusehen,  das  die  Kinder 
in  der  Schul  Kirchen  und  auf  der  Straßen  fein  züchtig  und 

eingezogen  sich  halten   Nach  der  Zucht  ist  das 

fürnehmste  der  heilige  Catechismus,  der  unsere  christlichen 
Schulen  als  das  größte  Heiligthurab  zieret,  ....  denn  der  giebet 
den  lieben  Kindern  wahre  Gottesfurcht  .  .  .  sollen  derhalben 
in  allen  Schulen  die  Schulmeister  und  Gesellen  den  lieben  Cate- 
chismum  als  die  fürnehmste  und  nötigste  Lehr  fleißig  und  ernst- 
lich treiben,  fürnemlich  bei  der  jungen  Jugend  .  .  .  .  Es  sol 
aber  fürnemlich  kein  anderer  denn  Lutheri  kleiner  Catechismus 
getrieben  werden,  latine  und  Teutsch,  ....  ist  doch  dieser 
der  Ausbund  und  Kern  über  alzumahl  ....  Was  in  Verordnung 
nothwendiger  Lectionen  in  jeder  Schul  wil  von  nöthen  sein, 
sollen  die  Bischofle  eines  jeden  Orts  mit  Rath  der  Anwesenden 
Pfarrherm  und  Schulmeister  bestellen,  .  .  aucb  die  Pfarrherrn 
die  Schulen  wöchentlich  etliche  mahl  besuchen  und  darauff 
achtung  geben,  wie  die  lectiones  werden  gehalten,  auch  sollen 
die  Bischoffe  selbst  die  Schulen  oft  visitiren  .  .  damit  die  Jugend 
nicht  verseumet."  Und  endlich  vom  Leben  der  Schuldiener 
und  ihrer  Besoldung:  „Darumb  sollen  zu  der  Schulregierung 
keine  zugelassen  noch  geduldet  werden,  dann  die  eines  guten, 
ehrlichen,  züchtigen  Lebens,  reiner  Lehr  und  Religion,  und  in 

Summa  die  fein  rund,  gut  Evangelisch  seindt."   „Schulmeister 

sind  aller  Propheten  Veter  ....  solcher  hohen  Werk  muß  Gott 
ihr  Lohn  und  Belohner  selbst  sein.  Gleichwol  sollen  die  Bischofie 
die  Verschaffung  thun  bey  Stedten  und  Dörflern,  daß  solche 
Personen  ehrlich  und  wol  versehen  und  unterhalten  werden  .  . 
Und  weil  an  den  meisten  Örtern  die  Besoldung  sehr  gering 
sollen  die  Bischoffe  ihrer  Bescheidenheit  nach  mit  den  Bürgern 
handien,  damit  sie  Gott  zu  Ehren  und  der  armen  Jugend  zum 
besten  einen  Tag  umb  den  andern  gemelten  Schuldienern  den 
Tisch  geben,  sich  auch  zu  besserer  Unterhaltung  derselben  mit 
was  mehrerm  angreifen  wolten.  Deshalb  soll  zum  bessern  Unter- 
halt der  Schulmeister  bei  der  Decemseinnahme  etwas  mehr  Geld 
vom  Geistlichen  eingefordert  werden,  und  zwar  haben 


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Von  Adolf  Keil. 


99 


1)  Die  Adligen  von  6  oder  7  Huben  8  Schilling  Schul- 
meister-Geldt;  von  9  oder  10  Huben,  1  Gr.  mehr  und  so  fort 
nach  der  Huben-Zahl; 

2)  Die  deutschen  freien  Güter  zu  4  oder  5  Huben,  6  Schilling; 

3)  Die  kleinen  preußischen  freien  von  jedem  Roche,  8  Schill. ; 

4)  Die  preußischen  Bauern  von  2  Huben,  8  Schilling; 

5)  Auch  die  Handwerker  und  Dienstleute,  die  Huben 
haben,  jährlich  einige  Schillinge  Schulmeister-Geld  zu  entrichten. 

Das  Schulgebäude  hat  dann  das  ganze  Kirchspiel  zu  bauen 
und  zu  unterhalten.  Ueber  die  ganze  Schuleinrichtung  haben 
die  Bischöfe  zu  wachen  und  bei  den  Visitationen  von  den  Pre- 
digern, Schulmeistern  und  Schulgesellen  über  die  interna  und 
externa  der  Schulen  genaue  Kunde  einzuziehen." 

Diese  Verordnung,  welche  die  Gründung  der  meisten  Kirch- 
schulen in  den  Provinzialstädten  und  in  den  Kirchdörfern  ver- 
anlaßte,  wird  dann  wieder  erneuert  durch  die  „eopia  instructionis" 
vom  18.  Juli  1618. 

Das  III.  wichtige  Schulgesetz,  der  „Recessus  Generalis  der 
Kirchen-Visitation  Insterburgischen  und  anderer  Littawischen 
Embter  im  Herzogthumb  Preußen  anno  1G38",  scheint  einen 
Fortschritt  mit  sich  bringen  zu  wollen.  Abgesehen  von  den 
beiden  sogen.  „Gelehrten  Schulen",  die  in  Insterburg  und  Gol- 
dapp  angelegt  werden  sollen,  wird  verordnet,  „daß  aus  jedem 
Dorf  ein  Knabe  in  die  Kirchschule  zur  Information  geschickt 
werde,  woselbst  die  Knaben  Lesen,  Schreiben,  Rechnen,  Decli- 
nieren  imd  Conjugieren,  das  Gebet  und  den  Catechismum  lernen 
sollen."  Damit  die  Kirchschullehrer  leben  können,  „soll  den- 
jenigen, welche  studieret  haben  und  die  in  allen  Punkten  fleißig 
sind,  die  Besoldung  künftig  auf  60  Flor,  jährlich  erhöht 
werden.' 1  .... 

„Die  andern  Schulmeister,  die  nur  Handwerker  oder  sonsten 
schlechte  Siraplicisten  seyn,  die  nicht  mehr  als  Littawisch  und 
Deutsch  singen,  und  im  Notfall  die  Littawische  Postil  ablesen 
können,  sollen  in  den  Schulen  Kinder  und  Knaben  im  Lesen 
und  Schreiben,  sonderlich  im   Gebet  und  Catechismo  unter- 

7* 


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100  Das  Volksschulwesen  im  Königreich  Preuflen  etc. 

weisen.  Ihre  Besoldung  soll  35  Mark  sein,  und  zu  ihrem 
mehrerm  und  bessern  Aufenthalt  sich  ihres  Handwerks,  und 
auch  sie  so  wol  als  die  gelerten  Schulmeister  ihres  Privilegii 
mit  der  Höckerey  und  den  Brandwein-Schenk  gebrauchen;" 
ihnen  sollen  y  jährlich  vom  Kirchspiel  drey  Achtel,  den  erstem 
4  Achtel  Holz  angeftthret  werden."  Hiernach  wurden  zum 
Theil  die  bei  den  Kirchen  angelegten  Schulen  wenigstens  in 
materieller  Hinsicht  geregelt;  aber  die  interna  der  Schule,  haupt- 
sächlich der  Unterricht,  ließen  noch  viel  zu  wünschen  übrig. 
Diesen  Mangel  fühlte  man  sehr  wohl  und  suchte  ihn  zu  mildern, 
indem  man  als  Ergänzung  zum  Schulunterricht  die  kirchliche 
Katechisation  mit  Erwachsenen  und  Kindern  einführte.  So  er- 
folgte im  Jahre  1699  die  wiederholte  und  erneute  Kirchen- 
ordnung, worin  befohlen  wird:  „daß  nach  dem  Evangelium  vor 
der  Predigt  die  5  Hauptstücke  christlicher  Lehre,  Beicht-  und 
Frage-Stücke,  auch  allemahl  ein  Stück  mit  der  Auslegung  Lutheri 
durch  den  Schulmeister  deutlich  abgelesen  werde.  Auch  in  den 
Vesper-Predigten  soll  der  Catechismus  fleißig  getrieben  werden." 
Auch  in  den  folgenden  Jahren  erfolgen  noch  mehrere  auf  die 
Katechisation  und  den  Unterricht  bezügliche  Erlasse11),  so  im 
Jahre  1700,  1701  und  1712.  Doch  ungeachtet  aller  Bemühungen 
des  Königs  um  das  Volksschulwesen  läßt  sich  am  Ende  des 
Jahres  1713  als  Resultat  feststellen:  daß  zwar  bei  den  Mutter- 
kirchen in  den  Kirchdörfern  und  Städten  überall  eine  Schule, 
wenigstens  dem  Namen  nach,  vorhanden  ist,  —  bei  den  Filialkirchen 
jedoch  nur  ausnahmsweise,  und  in  den  Dörfern,  auf  dem  flachen 
Lande  überhaupt  keine.  Dies  beweisen  klar  und  deutlich  die 
Visitationsberichte,  besonders  die  aus  den  Jahren  1719  und  22. 
Welch'  ein  Bild  gewähren  uns  diese  Kirchschulen? 

Gemeinhin  ist  kein  eigentliches  Schulhaus  vorhanden;  ent- 
weder ist  überhaupt  noch  keines  erbaut,  oder  es  ist  so  schlecht 
erbaut  worden,  daß  es  sehr  schnell  verfallen  mußte,  ähnlich  wie 
die  „Widdembs",  die  Pfarrhäuser,  welche  wohl  erbaut  waren, 

13)  cf.  Grube  a.  a.  O.  und  Jacobson,  Quellen  des  evangel.  Kirchen- 
rechts der  Provinzen  Preufen  und  Posen.  Beilage. 


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Von  Adolf  Keil.  101 

aber  nach  kurzer  Zeit  schon  mit  dem  Einfall  drohten.  Darum 
mußte  der  Pfarrer,  wenn  er  ein  rechter  Hirt  seiner  Gemeinde 
sein  wollte,  und  viele  der  damaligen  Pastoren14)  waren  es  auch, 
zur  Information  der  Kinder  entweder  ein  Zimmer  in  seinem 
eigenen  Hause  einräumen  oder  in  dem  ebenfalls  meistens  sehr 
baufälligen  Pfarrerwittwenhaus  oder  bei  irgend  ei  nem  Bauer 
eine  Stube  zur  Information  der  Kinder  beschaffen.  So  sagt  der 
Pfarrer  Kalau  in  Jodlauken  in  einem  Bericht  an  den  Erzpriester 
zu  Insterburg  „der  Präcentor  an  der  Kirchschule  muß  sich  wie 
ein  schlimmer  Schilling  in  den  Dörfern  umherstoßen,  da  er  kein 
Haus  hat,  wo  er  Schul  halten  kann;  mit  den  Bauern  zusammen 
sein  und  in  einer  Stub  Schulhalten  ist  unmöglich,  bei  mir  hat 
er  den  Tisch,  in  einem  elenden  Gärtnerhaus  ein  Stäbchen." 
War  ein  Schulhaus  da,  so  unterrichtete  der  Lehrer  die  Kinder 
in  seinem  Wohnzimmer,  das  gewöhnlich  die  eine  Hälfte  des 
Schulhauses  einnahm,  während  im  andern  Teil  des  Hauses  das 
Vieh  untergebracht  war. 

Der  Unterhalt  eines  solchen  Lehrers,  der  außer  der  „Schul- 
information" den  „Organisten-  und  Küsterdienst"  verrichtete, 
kann  fast  durchschnittlich  auf  60 — 100  Fl.  baar  Geld,  incl.  der 
Accidentien  und  Calende  angegeben  werden.  Aber  die  meisten 
Kirchschullehrer  erhielten  nicht  diesen  Satz  von  den  Leuten,  — 
ja  selbst  die  Pfarrer  mußten  oft  mehrere  Jahre  auf  ihre  Ein- 
künfte warten,  —  und  nur  zu  häufig  mußte  sich  der  Lehrer, 
wenn  der  Pfarrer  ihm  keinen  Freitisch  geben  konnte,  mit  „Reih- 
tisch bei  den  Bauern,  mensa  ambulatoria"  begnügen.  Darum 
klagen  die  Pfarrer  fast  einstimmig,  daß  ihre  Kirchschullehrer, 
auch  Kantoren,  Präcentores  und  Organisten  genannt,  kaum  noth- 
dürftige  Subsistenz  haben,  obwohl  sie  seit  1638  sich  noch  ihres 
Handwerks,  auch  „des  Privilegii  zur  Höckerey  und  Branndtwein- 
schank"  bedienen  konnten. 

Die  Folge  davon  war,  daß  fast  durchweg  „untaugliche 
Subjekte"  Schulmeister  wurden.    So  finden  wir  außer  Schustern, 


14)  Vgl.  Kogge,  Altpr.  Monatsschrift.   Bd.  17. 


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102  Das  Volksschalwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 


Schneidern,  Leinwebern,  Fleischern,  Maurern  und  abgesetzten 
Beamten,  sogar  Hirten  als  „informatores."  Selten  sind  Literaten 
als  Kirchschullehrer  angestellt;  noch  seltener  findet  man,  daß 
diese  Literaten  fleißige  Informatoren  und  tugendhafte  Menschen 
sind.  Meistenteils  heißt  es  in  den  Berichten:  „der  Präcentor 
säuft"  oder  „hat  gesoffen";  „sein  Betragen  ist  schlecht,"  ja  oft- 
mals: „hat  aus  der  Kirche  gestohlen."  So  klagt  der  Pfarrer 
Harsinsk  zu  Nemmersdorf:  „Bei  der  Kirch  ist  ein  Schulmeister, 
ein  abgesetzter  Landschöpp,  mit  Gewalt  der  Kirche  aufgedrungen, 
er  ist  hauptfaul,  Säufer,  Schläger,  Rauffer,  entsetzlicher  Ver- 
läumder,  ein  Tyrann  in  seinem  Haus  und  in  der  Schule."  Natür- 
lich war  von  solchen  Leuten  auch  nichts  zu  erwarten.  Nicht 
selten  klagen  deshalb  die  Pastoren,  daß  sie  nur  zu  oft  beim 
Gottesdienst  auch  „selbsten  Präcentor  spielen  müssen"15). 

Höchst  mangelhaft  ist  auch  der  Schulbesuch.  Es  wurde 
wohl  1699  in  der  Instruction  zur  Kirchenvisitation  festgesetzt, 
daß  die  Erzpriester  bei  den  Kirchenvisitationen  auch  darnach 
fragen  sollten,  ob  die  Eingewidmeten  ihre  Kinder  Sommer  und 
"Winter  fleißig  zur  Schule  halten;  aber  aus  allen  Visitations- 
berichten, noch  aus  dem  Jahre  1721/22  geht  klar  hervor,  daß 
im  Sommer  von  keiner  Schule  die  Rede  gewesen  ist.  Die 
Kinder  wurden  von  ihren  Eltern  entweder  zum  Hüten  des 
Viehes  und  zur  Bewachung  des  eigenen  Hauses  verwandt,  wenn 
sie  in  die  Scharwerk  gingen,  oder  sie  wurden  selbst  vermietet, 
damit  sie  sich  das  Leben  erhalten  konnten;  denn  die  Eltern 
waren  zu  arm.  Die  Lehrer  nahmen  dann  ihr  Handwerk  wieder 
auf,  das  ihnen  einträglicher  und  weniger  beschwerlich  war.  Um 
nichts  besser  war  es  auch  im  Winter;  da  konnten  die  Kinder 
wegen  der  häufigen  Ueberschwemraungen,  zu  weiten  Weges  — 
denn  sehr  viele  Dorfschaften  lagen  '/«»  otfc  eme  ganze  Meile 
und  noch  darüber  vom  Kirchdorf  entfernt  —  zu  dürftiger 
Kleidung  und  wegen  der  Raubtiere  nicht  regelmäßig  täglich 
zur  Schule  gehen.    Hierzu  kam  noch  der  recht  häufig  ein- 

15)  Vgl.  die  Berichte  der  Prediger  zu  Bilderweitychen,  Tilsit,  Pictu- 
pöneD,  Plaschken  etc. 


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Von  Adolf  Keil. 


103 


tretende  Fall,  daß  in  einigen  Dorfschaften,  wo  etwas  besser 
situierte  Leute  wohnten,  wie  im  Königsbergischen  Departement, 
die  Bauern  dahin  übereinkamen,  für  den  Winter  einen  Lehrer 
für  ihre  Kinder  sich  selbst  zu  verschaffen.  Das  war  denn  ent- 
weder der  „Viehhirte"  des  Dorfes  oder  ein  „verdorbener  Hand- 
werker," der  in  einem  "Winter  hier,  im  andern  dort  auftauchte. 
Außer  mensam  ambulatoriara  erhielten  solche  "Winkelschullehrer 
etwas  Geld,  womit  sie  für  die  Winterzeit,  wo  sie  sonst  nicht«? 
so  leicht  verdienen  konnten,  zufrieden  waren.  Unter  diesen 
Verhältnissen  erfolgte  den  15.  Jan.  1712  die  Königl.  Verordnung, 
daß  jede  Dorfschaft  einen  Knaben  —  des  weiblichen  Geschlechts 
wird  garnicht  gedacht  —  das  größere  Dorf  2,  mit  Lebensunter- 
halt versorgen  und  sie  bei  Winterszeit  zur  Schulinformation  in 
die  Kirchschule  schicken  sollte.  In  mehreren  Kirchspielen,  wo 
tüchtige  Geistliche  waren ,  wurde  diese  Verordnung  auch 
durchgeführt.  So  berichtet  der  Pfarrer  zu  Kraupischken  hier- 
über: „Da  den  Kindern  zu  beschwerlich,  täglich  in  und  aus  der 
Schule  zu  gehen,  so  müssen  2  Wirte  auf  8  Wochen  den  Kindern 
darauf  zu  schlafen,  Betten  zusammenlegen.  Nach  verflossenen 
8  Wochen  wieder  die  folgenden  2  u.  s.  w.  Wochüber  bleiben 
sie  in  der  Schule,  Montags  und  Sonnabends  bringen  und  holen 
die  Wirte,  an  wem  die  Reihe  ist,  diese  Kinder.  —  Wegen 
des  Lichtes  für  die  Arbeitsstunden  muß  jeder  Wirt  alle  Herbst 
bei  der  Decemseinnahme  1  Gr.  mehr  zahlen,  wovon  dem  Lehrer 
Licht  beschafft  wird.  Zum  Kochen  und  Essen  ist  ein  Kessel 
angeschafft,  und  dem  Lehrer  werden  für  jedes  Kind  von  den 
Wirthen  entweder  1  Fl.  Speisegeld  oder  pro  Kind  einige  Vic- 
tualien  gegeben,  und  zwar  von  jedem  der  dazu  destinierten 
6  Wirte  des  betreffenden  Dorfes  an  jedem  Sonnabend  etwa 

1  Stof  Grütze,  Mehl,  und  Erbsen,  7«  Pfund  Speck  und  2  gute 
Handvoll  Salz,  oder  in  Ermangelung  eines  dieser  Gegenstände 

2  Stof  vom  andern."  Diese  Knaben  wurden  dann  so  lange  zur 
Schule  geschickt,  bis  sie  „lesen  und  den  Katechismum  auswendig 
konnten."  Dann  wurden  sie  aus  der  Schule  entlassen  und 
konnten  in  ihrem  Dorf  „Vorbehter"  sein.    Natürlich  war  den 


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104 


Das  Volksschulwesen  im  Königreich  Preufleu  etc. 


Wirten  gestattet,  auch  „andere  zum  Lernen  capable  und  erwach- 
sene Kinder  und  Gesinde,  wenn  sie  vermögen,  sie  selbst  zu  ver- 
alimentieren,  gleichfalls  zur  Schule  zu  schicken."  —  Doch  unter 
den  damaligen  drückenden  Verhältnissen,  bei  dem  grenzenlosen 
Unverstand  der  Leute  blieb  diese  Verordnung  auf  dem  Papier 
bestellen,  und  die  Schulen  standen  auch  im  Winter  leer;  selten 
findet  man,  sogar  in  den  bevölkertsten  und  größten  Kirchspielen, 
daß  der  Kirchschullehrer  einige  20  Schüler  zur  Information  hat. 

Fragen  wir  nun,  worin  bestand  die  Schulinformation  in 
dieser  Zeit? 

Der  Kirchenvisitationsreces  von  1638  giebt  als  Unterrichts- 
gegenstände an:  Lesen,  Schreiben,  „sonderlich  Gebet  und  Cate- 
chismus."  Auch  die  verschiedenen  nachdrücklichen  Gebote  in 
betreff  der  Catechisation  heben  als  Hauptlehrgegenstand  den 
kleinen  Catechismus  von  Luther  hervor.  Derselbe  soll  „die 
eigendliche  norma  secundaria  catechisandi  bleiben."  l6)  Daneben, 
hauptsächlich  zur  Erläuterung,  wurden  dann  verschiedene  Be- 
arbeitungen17) desselben  gebraucht.  Am  verbreitetsten  hiervon 
waren  die  Bearbeitung  des  lutherischen  Catechismus  von  Sanden17) 
und  der  „Himmelsweg"  des  Pastors  Hofer17)  zu  Kalkhorst  in 
Mecklenburg;  beide  Bücher  wurden  auch  in  das  Litthauische 
übersetzt.  Hie  und  da  wurde  auch  der  Catechismus  von  Spener 
gebraucht.  Noch  andere  Geistliche  stellten  sich  auch  selbst  für 
den  Schulgebrauch  den  Katechismusinhalt  in  Fragen  und  Ant- 
worten zusammen.  Daneben  sind  noch  in  mehreren  Kirchschulen 
der  Morgen-  und  Abend-Segen,  einige  leichte  biblische  Sprüche. 


16)  ErlaJ  vom  Jahre  1700,  vgl.  Grube. 

17)  Ich  habe  keine  der  Bearbeitungen  zu  Gesicht  bekommen  können; 
Auszüge  daraus  finden  sich  in  den  Berichten  der  Pastoren.  Darnach  enthielt 
dieser  „Himmels weg"  neben  den  5  Hauptstücken  und  einigen  Gebeten  christ- 
liche, praktische  Fragen  und  Antworten,  welche  sich  an  die  einzelnen 
Hauptstücke  anknüpften,  wie:  „Bist  du  ein  Christ?  Woher  weistu  das? 
Was  mustu  thun,  wen  du  umb  deiner  Sünde  willen  nicht  wilt  verdammet 
werden?  —  Resp.  Bulle  mufl  ich  thun,  und  mich  mit  reuigem  Herzen  zu 
Gott  bekehren!  —  Wer  hat  dich  erschaffen?  Was  ist  Sünde?  Was  heißt 
das  Wort  Kyrie  eleyson,  Halleluja,  Amen?" 


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Von  Adolf  Keil. 


105 


mehrere  Psalmen  und  Liederverse  gelernt  worden.  Schreiben 
und  Bechnen  kam  in  den  meisten  Kirchschulen  erst  später  zum 
Unterricht  hinzu. 

Nicht  weniger  primitiv  ist  auch  die  Methode  des  Unter- 
richts gewesen.  Wie  die  Berichte  der  Pfarrer  aus  späterer  Zeit 
vermuten  lassen,  wurde  vom  Morgen  bis  zum  Abend  Schule  ge- 
halten und  den  Kindern  der  betr.  Gegenstand  solange  „vor- 
gebetet", bis  sie  ihn  erfaßt  hatten  und  hersagen  konnten.  Ye^jj 
einem  Stundenplan  in  gegenwärtigem  Sinne  können  wir  kaum 
reden;  dafür  sprechen,  wie  nachgewiesen,  die  durchweg  unge- 
ordneten äußeren  Schulverhältnisse  und  der  Unterrichtsgegen- 
stand, der  damals'keine  Modulation  zuließ.  Doch  Berichte  von 
einigen  Geistlichen  aus  dem  Jahre  1722  lassen  schließen,  daß 
in  manchen  Orten  ein  Lectionsplan  bestanden  hat.  Dies  gilt 
vornehmlich  von  den  Kirchschulen  des  Amtes  Balga  im  Depar- 
tement Königsberg,  wo  Oberhofprediger  und  Generalsuperinten- 
dent D.  von  Sauden  die  Inspection  ausübte.  Pen  hier  ge- 
brauchten Stunden-  und  Lectionsplan  will  ioh  mitteilen.  Der 
Unterricht  wird  erteilt  vom  Morgen  bis  zum  Abend  und  zwar 
in  folgender  Weise:  Am  Montag:  Zuerst  wird  ein  Morgenlied 
gesungen,  sodann  Morgensegen,  Vaterunser,  ein  Hauptstück,  ein 
Bußpsalm    nebst    andern    kleinen    Stoßgebetlein  gesprochen. 

I.  Stunde:  Nach  dem  Gebet  lesen  die,  welche  den  Catechismum 
schon  erlernt  haben,  einige  geistliche  Lieder,  die  andern  ren- 
tieren ihr  Aufgegebenes  aus  dem  Catechismo  oder  dem  betr. 
Bußpsalm,  oder  was  jeder  sonst  aufhat.  II.  Stunde:  Nachdem 
auch  diese  letztern  aufgesagt  haben,  fangen  die,  so  schon  schreiben 
können,  zu  schreiben  an;  die  andern,  so  noch  nicht  schreiben, 
sagen  zum  zweiten  Mal  ihre  Lection  auf.  m.  Stunde:  Sodann 
wird  wieder  auf  gleiche  Art  wie  das  erste  Mal  von  den  großem 
Kindern  gelesen,  von  den  kleinern  buchstabieret.  Darauf  wird 
ein  Lied  gesungen,  gebetet  und  Mittagsstunde  gemacht.  Um 
1  Uhr  beginnt  wieder  der  Unterricht.  I.  Stunde:  Die  größeren 
Kinder  lesen  deutschgeschriebene  Briefe,  die  andern  buchstabieren. 

II.  Stunde:  Wenn  alle  aufgesagt  haben,  fangen  die  erstem  an 


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lor, 


Das  Volksschulwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 


zu  schreiben.  III.  Stunde:  Nach  beendeter  Schreibstunde  sagen 
die  Kleineren  wieder  auf,  während  die  Größeren  deutsche  oder 
latein.  Stücke  lesen.  "Wenn  auch  diese  aufgesagt  haben,  wird 
ein  Abendlied  gesungen,  gebetet  und  die  Schulstunde  für  den 
Tag  geschlossen.  Am  Dienstag  geschieht  der  Unterricht  in  der- 
selben Weise.  Am  Mittwoch  ist  die  1.  Lection  wie  am  Montag; 
in  der  II.  Stunde  fragen  dann  die  Größern  einander  den  Kate- 
chismum  ab;  in  der  III.  Stunde  haben  sie  Rechnen,  während 
die  Kleineren  aufsagen;  in  der  IV.  Stunde  wird  das  betr.  Hilfs- 
buch für  das  Verständnis  des  Katechismus  erklärt.  Am  Don- 
nerstag und  Freitag  erfolgt  der  Unterricht  wie  am  Montag.  Am 
Sonnabend  lesen  in  der  I.  Stunde  die  Größern  das  Evang.  und 
die  Epistel  auf  den  folg.  Sonntag;  die  Kleinen  repetieren  ihre 
Lection;  in  der  II.  Stunde  fragen  sich  die  Größeren  den  Cate- 
chismum;  in  der  III.  haben  sie  Rechnen.  Während  dieser 
2  Stunden  lernen  die  Kleinern  die  Sprüche  aus  dem  Evang. 
und  der  Epistel  auswendig;  in  der  IV.  Stunde  werden  von 
allen  die  erlernten  Sprüche  aufgesagt  und  das  Hilfsbuch  erklärt. 

Natürlich  ist  ein  derartiger  Lectionsplan  nur  in  einzelnen 
Kirchschulen  befolgt  worden,  die  meisten,  besonders  in  den 
littauischen  und  polnischen  Aemtern,  hatten  weder  eine  Bibel, 
noch  ein  Testament  oder  Gesangbuch,  nicht  einmal  den  kleinen 
Katechismus  Luthers,  sondern  beschäftigten  sich  im  günstigsten 
Falle  mit  einem  der  oben  gen.  Hilfsbücher,  meistens  aber  wurde 
nur  eine  von  dem  Ortspfarrer  nach  Vorbild  des  luther.  Kate- 
chifmus  zusammengestellte  „Kinderlehre"  als  Unterrichtsgegen- 
stand benutzt. 

Die  Leitung  und  Aufsicht  über  das  Schulwesen  war  den 
beiden  Consistorien  übertragen;  dieselben  überließen  die  Ein- 
richtung und  Unterhaltung,  auch  die  Regelung  des  Unterrichts 
den  einzelnen  Predigern  und  kümmerten  sich  höchstens  um  die 
Stadtschule.  War  nun  der  Geistliche  ein  tüchtiger  Mann,  so 
konnte  wohl  in  einem  kleinen  Kreise  etwas  gewirkt  werden; 
leider  aber  fehlte  vielen  der  damaligen  Geistlichen  das  Interesse 
hierfür;  dazu  kamen  sie  erst,  als  Friedrich  Wilhelm  I.  sein 


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Von  Adolf  Keil. 


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energisches:  „Es  werde!"  sprach.  Darum  war  es  unmöglich,  im 
ganzen  Lande  ein  auch  nur  einigermaßen  erfreuliches  Resultat 
zu  erzielen  und  das  Volk  aus  seiner  Unwissenheit  und  seinem 
geistigen  Schlafe  aufzurütteln.  Charakteristisch  für  diesen 
traurigen  Zustand  des  Volkes  und  seiner  Lehrer  ist  der  Bericht 
des  Erzpriesters  Cretzius  aus  Saalfeld  an  das  Pomesanische 
Consistorium:  „Ich  kann  mit  Wahrheit  zeugen,  daß  a.  1712  in 
den  meisten,  auch  wohl  größesten  Parochien,  außer  bei  den 
Pfarrern  und  Schulmeistern,  nicht  eine  Bibel  oder  Testamentuni 
und  sehr  wenige  Gesangbücher  und  Catechismi  gefunden  sind. 
Ja  die  Barbarei  war  so  groß,  daß  in  Nartzim  und  Terwisch  die 
2  Prediger,  welche  über  40  Jahr  in  ministerio  standen,  all  die 
40  Jahr  her  nimmer  eine  Bibel  besaßen,  sondern  sich  mit 
Postillen  behalfen,  auch  im  Nartzimschen  Kirchspiel  niemand 
außer  dem  Pfarrer  und  Schulmeister,  des  Priesters  Kinder  nicht 
ausgenommen,  lesen  konnten". 

Erster  Hauptteil:  Die  Vorbereitungsperiode  von  1713 — 1732. 

In  dieser  Verfassimg  fand  Friedrich  Wilhelm  I.  das  Volks- 
schulwesen vor  und  mußte  es  noch  einige  Jahre  nach  seinem 
Regierungsantritt  so  lassen,  bis  er  das  Uebel  beseitigen  konnte. 
Gleich  nach  seiner  Thronbesteigung  wandte  der  König  dem 
armen  Ostlande  seine  große  Fürsorge  zu.  Schon  1714  kam  er 
selbst  hierher,  um  untersuchen  und  heilen  zu  können.  Diesem 
alles  selbst  genau  erforschenden  und  in  allen  Regierungsge- 
schäften mitarbeitenden  König,  der  die  größte  Wahrheitsliebe 
und  Treue  von  seinen  Beamten  in  allen  Berichten  streng  ver- 
langte, der  mit  bewunderungswürdigem  Kennerblick  alle  Ver- 
hältnisse richtig  zu  prüfen  und  zu  ordnen  verstand,  konnte 
nichts  entgehen.  Gleich  bei  seiner  ersten  Anwesenheit  in 
Preußen  erkannte  er  die  Not  des  Landes  und  beschloß  erstlich 
das  Land,  „so  durch  die  Pest,  oder  unter  Regierung  Friedrich 
Wilhelms  und  Georg  Wilhelms  wüste  geworden,  zu  besetzen.18) 

18)  Vgl.  Beheim -Schwarzbach  pag.  10  ff. 


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Das  Volksschulwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 


Natürlich  erkannte  und  hörte  er  auch,  wie  es  mit  der 
Moralität  und  Bildung  des  Volkes  stand.  Zugleich  mit  der 
Kolonisation 18)  verband  er  darum  auch  die  Mission  im  Ostlande. 
Die  gleich  nach  seinem  Regierungsantritt  für  die  andern  Pro- 
vinzen der  Monarchie  erteilte  Instruction19)  zu  einer  Lokal- 
visitation wurde  auch  auf  unser  Ostpreußen  angewandt  und  nach 
derselben  in  den  Jahren  1714  und  15  eine  Visitation  durch  das 
ganze  Land  abgehalten.  Die  Folge  derselben  waren  zuerst  ver- 
schiedene kirchliche  Verordnungen  in  betreff  der  Predigt,  daß 
sie  nicht  länger  als  eine  Stunde  dauere,  der  Katechisation  und 
der  Kirchenzucht,  wodurch  die  Moralität  des  Volkes,  welche 
unter  dem  Laster  der  Unkeuschheit  stark  litt,  gehoben  werden 
sollte.  Das  Resultat  aller  persönlichen  Beobachtungen  des 
Königs  und  aller  Berichte  der  Behörden  hinsichtlich  des  mora- 
lischen und  geistigen  Zustandes  der  Landesbewohner  enthielten 
die  beiden  Generaledicte  des  Jahres  1717.  Die  charakteristische 
Stelle  in  dem  ersten,  vom  Jan.  1717,  lautet:  „Nach  der  vom 
Consistorium  gehaltenen  Untersuchung  ist  an  den  Tag  gelegt, 
daß  bei  den  einfaltigen  Leuten,  welche  von  Gott  gar  wenige 
Erkenntnis  haben,  eine  fast  entsetzliche  Unwissenheit  zu  spüren, 
woraus  ein  wildes  gottloses  Leben  nebst  allerhand  groben  Sün- 
den und  Lastern  erfolgt."  Um  diesem  Übel,  dieser  „fast  gefahr- 
lichen Unwissenheit  in  Glaubens-Sachen  bey  Jungen  und  Alten" 
abzuhelfen,  verordnete  er  an  den  Primär  Hofprediger  D.  Bernhard 
von  Sauden  den  2.  Mai  1718,  die  Catechisation  in  den  Kirchen 
fleißig  fortzusetzen,  diejenigen,  welche  zum  ersten  Mal  zur  heil. 
Communion  gehen  wollen,  „in  denen  Articuln  des  christl.  Glaubens 
wohl  zu  unterrichten  und  zur  wahren  Grottseligkeit  anzuführen;" 
nach  genügendem  Unterricht  dann  die  Catechumeni  öffentlich 
in  Gegenwart  der  Gemeinde  zu  prüfen,  darauf  die,  „welche  wol 
gegründet  befunden  sind,  zu  confirmiren  und  einzusegnen;  da- 
neben sollen  auch  die  Schulmeister  und  Eltern  wegen  absonder- 
licher Information  ihrer  Jugend  treulich  zu  sorgen  erinnert 

18)  Vgl.  Beheim-Schwarzbach  pag.  10  ff. 

19)  Schumann,  Gesch.  d.  Volkaachulweeene  in  d.  Altmark,  Halle  1871. 


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werden*0).  In  dem  zweiten,  am  6.  Dezember  erlassenen  General- 
edikt'1), das  als  das  eigentliche  Fundament  des  Volksschulwesens 
im  ganzen  preußischen  Staate  angesehen  werden  kann,  verordnet 
er  ernstlich,  „daß  hinkünfftig  an  denen  Orten,  wo  Schulen  seyn, 
die  Eltern  ihre  Kinder  gegen  zwey  polnische  Groschen  wöchent- 
liches Schul-Geld  von  einem  jeden  Kinde,  täglich  im  Winter 
und  Sommer,  wenn  sie  daran  bey  ihrer  Wirtschafft  nicht  be- 
nöhtiget  seyn,  zum  wenigsten  ein  oder  zweymahl  die  Woche, 
damit  sie  dasjenige,  was  im  Winter  gelernet  worden,  nicht 
gäntzlich  vergessen  mögen,  in  die  Schule  schicken,  oder,  dafern 
sie  solches  muhtwillig  unterließen,  nichts  destoweniger  das  ge- 
dachte Schulgeld,  als  wann  sie  die  Kinder  würklich  geschickt 
hätten,  zu  entrichten  gehalten  seyn,  wie  auch  über  deme,  mit 
einer  nachdrücklichen  Strafe  beleget,  falls  die  Eltern  das  Ver- 
mögen nicht  hätten,  solche  2  Pohlnische  Groschen  aus  jeden 
Orts  Almosen  bezahlet  werden  sollen."  —  Auch  wiederholt  dieses 
Edikt,  daß  alle  Sonntag  Nachmittag  die  Prediger,  „insonderheit 
auff  dem  Lande,  die  Catechisationes  halten"21)  Hierdurch  be- 
gründete der  fromme  Landesvater  die  allgemeine  Schulpflicht 
im  preußischen  Staate,  die  dem  Lande  so  reichen  Segen  gebracht 
und  das  preußische  Schulwesen  zu  einem  in  ganz  Europa  muster- 
gütigen erhoben  hat22). 

Da  kam  der  König  im  Frühjahr  1718  zum  zweiten  Mal 
nach  Preußen,  um  alles  in  Augenschein  zu  nehmen,  hauptsächlich 
um  sein  Colonisationswerk  auszuführen2').  Mit  eigenen  Augen 
mußte  er  den  noch  bestehenden  „deplorablen  Zustand"  sehen, 
der  ihm  von  Einheimischen,  von  Einzel-  und  Privatpersonen, 
und  den  2  Consistorien  genugsam  geschildert  worden  war.  Er 
erkannte,  daß  er  das  Wohl  des  Landes  nur  durch  das  durch- 


20)  Grube  p.  124.   Die  Königl.  Verordnungen  seit  dem  21.  Jan.  1717 
sind  in  den  Akten  des  Staatsarchivs. 

21)  Grube  p.  120. 

22)  Vgl.  Preis:  Die  Licht-  und  Schattenseiten  des  preu*.  und  deutschen 
Schulwesens.   Lissa  1849. 

23)  Vgl.  Beheim-Schwarzbach  pag.  10  ff. 


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110 


Do8  Volksschulweaen  im  Königreich  PreuBcn  etr. 


greifendste  Missionswerk  fördern  konnte.  Beherrscht  von  dem 
lebenskräftigen  Geiste  des  Pietismus,  den  Spener  und  Francke 
der  evangelischen  Kirche  einhauchten,  faßte  er  die  in  den  Worten: 
„Kinder  sind  auch  Menschen — und  sollen  Menschen  werden"  ausge- 
sprochene wichtige  Idee  mit  warmem  Herzen  richtig  und  voll  auf 
und  ging  mit  allem  Ernste  und  Eifer  sogleich  an  die  Einrichtung 
und  Verbesserung  des  Schul-  und  Kirchenwesens.  Er  erließ 
eine  Reihe  der  nachdrücklichsten  Rescripte,  die  höchst  wirksam 
und  durchgreifend  waren.  In  wie  weit  dieselben  die  Kirche 
betrafen  und  in  ihr  und  für  sie  gewirkt  haben,  übergehe  ich, 
da  die  Geschichtswerke  von  Arnoldt,  Borowski  und  Hartknoch 
und  Grube's  Gesetzsammlung  darüber  genügend  informieren. 
Nur  auf  das  Schulwesen  und  die  dasselbe  angehenden  Rescripte 
will  ich  mich  beschränken. 

Sofort  von  Tilsit  aus  ließ  der  König  den  2.  Juli  1718  an 
die  Preuß.  Regierung,  an  die  Kriegs-  und  Domänenkammern 
und  an  beide  hiesige  Consistorien  die  Ordre  ergehen,  „alles 
mögliche  mit  zusammengesetzten  Kräften  zu  thun,  daß  der 
großen  Unwissenheit  abgeholfen ,  die  Leute  zur  Erkenntnis 
Gottes  gebracht,  zu  dem  Ende  auch  Schulen  erbaut  und  ein- 
gerichtet und  solche  mit  tüchtigen  Schullehrern  sondern  Anstand 
besetzet  werden  sollten." 

Nun  erfolgten  die  verschiedenen  Organisationsversuche,  um 
diese  heilbringende  Idee  zu  verwirklichen. 

Erster  Versuch  vom  2.  Juli  1718  bis  22.  Septbr.  1722  durch  Lysius. 

Der  erste  Versuch  wird  jetzt  gemacht.  Noch  von  Tilsit 
aus  rescribierte  der  König  am  2.  Juli,  daß  D.  Heinrich  Lysius 
in  Königsberg  und  Prof.  Aug.  Hermann  Francke  in  Halle  Vor- 
schläge thun  sollten,  wie  dieses  Werk  am  besten  anzugreifen 
sei;  zugleich  auch  sollten  sie  Sorge  tragen  für  tüchtige  Schul- 
meister, welche  die  Jugend  im  Christentum  besser  unterrichten 
könnten,  als  es  bis  dahin  geschehen.  Mit  großer  Klugheit  hatte 
der  König  diese  Wahl  getroffen;  denn  von  den  „Geistlichen  und 
Politicis"  Ostpreußens  war  in  der  That  keiner  hierzu  geeignet, 


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Von  Adolf  Keil. 


III 


obwohl  unter  den  damaligen  Pastoren  viele  ideale,  für  das  Wohl 
des  Volkes  sorgende  Männer  waren24).  Sie  alle  konnten  eine 
gewisse  Engherzigkeit  nicht  unterdrücken.  Lysius")  war  der 
geeignetste  Mann  dazu.  Er  verfugte  über  einen  reichen  Schatz 
pädagogischer  Erfahrungen,  die  er  einerseits  als  Rector  der 
neuen  Königl.  Schule  gemacht,  teils  sich  schon  während  seines 
Aufenthalts  in  Halle  im  Jahr  1702  erworben  hatte,  wo  ihm 
Francke  vertretungsweise  die  Inspektion  über  das  Pädagogium20) 
auftrug,  mit  der  Aufgabe,  die  Mängel  desselben  mit  besonderer 


24)  Vgl.  Rogge,  Altpreußische  Monatsschrift,  Bd.  XVIII,  8.  116  ff. 

25)  Geb.  d.  24  Oct.  1670  zu  Flensburg,  als  Sohn  des  dortigen  Pastors, 
studierte  seit  1687  zu  Jena  Philosophie,  insonderheit  Cartesius,  seit  1688  zu 
Leipzig,  wo  er  dem  collegio  pietatis  oder  biblico  bei  Dr.  Alberti  beiwohnte, 
seit  1690  in  Königsberg,  dem  verscbrieenen  „synkretistischen  Ort".  Hier 
hörte  er  Dr.  v.  Sanden,  Deutsch  und  Pfeiffer,  der  auf  ihn  Eindruck  machte, 
und  wie  Lysins  in  seiner  vita  sagt:  „Sorgfalt  wegen  der  reinen  Lehre  uud 
wahren  Gottseligkeit  erweckte."  1691  war  Lysius  bei  seinem  Vater,  als 
Adjunkt;  im  Herbst  1692  zog  er  nach  Kopenhagen;  1693  in  der  Fastenzeit 
kam  er  zurück  zum  Vater  und  studierte  jetzt  fleißig  Arnds  Schriften, 
kämpfend  mit  den  mannigfachsten  Zweifeln,  „so  daß  er  ohne  stetigen  An- 
stoß und  Unglauben  die  Schrift  nicht  lesen  konnte,  bis  ihm  Gott  half  und 
aller  Zweifel  in  seinem  Gemüt  verschwunde,  als  die  Finsternis,  wenn  die 
Sonne  aufgeht."  1695  wurde  er  Hofmeister  bei  dem  Generallieutenant 
von  Pleiss.  Nach  einem  halben  Jahr  verließ  er  diese  Stellung.  Leider  verlor 
er  jetzt  immer  mehr  die  Lust  zum  Predigtamt.  Nach  seiner  Verheiratung 
im  Jahr  1696  reiste  er  1697  nach  Schweden  und  1698  nach  Drontheim  in 
Norwegen.  In  die  Heimat  zurückgekehrt,  wurde  er  1699  Kirchenvorsteher 
in  Flensburg  und  gewann  wieder  neue  Lust  zum  Predigtamt.  Während  er 
sich  um  verschiedene  Predigerstellen  vergeblich  bemühte,  wurde  ihm  1702 
durch  D.  Spener,  Lange  und  die  Halleschen  Theologen  die  Vocation  für  die 
zur  Königl.  Anstalt  erhobene  Gehrsche  Schule  zu  Königsberg  aufgetragen. 
So  kam  er  1702  nach  Königsberg  als  Director  der  neuen  Königl.  Schule  und 
Prof.  theoL  extraord.  Mit  erheuchelter  Freundlichkeit  wurde  er  hier  em- 
pfangen ;  aber  die  Verbitterung  gegen  Gehr  und  dessen  Schule  übertrug  sich 
bald  auf  ihn,  den  man  einen  Pietisten,  Schleicher  etc.  nannte.  Bald  brach 
dann  sein  Kampf  mit  den  Theologen  in  Königsberg  aus  und  währte  bis 
zum  Jahr  1710.  Jetzt  wurde  er  Prof.  ord.,  einige  Jahre  später  Hofprediger 
und  1717  Consistorialrat.  In  diesen  Stellungen  verblieb  er  bis  zu  seinem 
Tode  am  16.  Octbr.  1731.   Vgl.  seine  „vita". 

26)  cf.  Werke  über  Frnnckes  Stiftungen  v.  Knapp,  Korpjuhn.  Kramer, 
Schulze. 


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112  Das  Volkswchulwesen  im  Königreich  PreuBen  etc. 

Berücksichtigung  der  damals  herausgekommenen  Censur  des 
Thomasius  zu  untersuchen.  Wie  Lysius  selbst  erzählt,  „profitierte 
er  das  dabei,  daß  er  alle  Anstalten  im  Pädagogium  auf  das 
allergenaueste  inne  bekam."  Auch  hatte  er  von  hier  aus  das 
berühmte  Gothaer  Schulwesen  kennen  gelernt  und  mit  dem 
Leiter  desselben,  dem  Gymnasialrector  Vockrod,  einem  großen 
Schulmann,  Über  das  „Informationswesen"  die  lehrreichsten  Unter- 
redungen gehabt.  —  Zufallig  hatte  der  König  diesen  ehrenhaften, 
gottvertrauenden  Mann  kennen  gelernt.  D.  v.  Sanden,  dessen 
Sohn  unter  die  Reiter  eingezogen  war,  hatte  absichtlich  sein 
Zusammentreffen  mit  dem  König  vermeiden  wollen  und  deshalb 
eine  Revision  der  Kirchen  im  Brandenburgischen  Amt  vorge- 
nommen. Für  ihn  mußte  Lysius  predigen;  so  auch,  als  Friedrich 
Wilhelm  nach  Königsberg  kam.  Am  ersten  Sonntag  nach  Trini- 
tatis, als  er  über  das  Gleichnis  vom  reichen  Mann  und  armen  La- 
zarus predigte,  wohnte  der  König  in  der  hiesigen  Schloßkirche  dem 
Gottesdienste  bei.  In  dieser  Predigt  sprach  Lysius  demselben  so 
zu  Herzen,  daß  er  mehrere  Male  sagte:  „er  hat  mir  zwar  vieles  derb 
genug  gesaget,  aber  es  ist  sein  Amt  und  der  Text  brachte  es  mit 
sich;  es  mag  wohl  ein  ehrlicher  Mann  seyn."  Der  König  war  sogar 
gesonnen,  ihn  mit  sich  nach  Litthauen  zu  nehmen,  ließ  sich  aber 
von  einigen  abreden,  da  ja  nur  „oeconomia  und  Kriegs-Sachen  in 
Litthauen  zu  untersuchen"  wären. 

Doch  als  der  König  Litthauen  durchreist  und  dabei  er- 
fahren hatte,  „daß  die  Einwohner  in  ihrem  Christentum  sehr 
schlecht  fundieret  wären,  und  solches  hauptsächlich  daher,  weil 
es  an  tüchtigen  Schulmeistern  ermangele,"  gab  er  von  Tilsit  aus 
dem  Herrn  von  Creutz  die  Ordre,  dem  Lysius  mitzuteilen,  daß 
ihm  die  Inspection  über  die  Schulen  und  Kirchen  in  Litthauen  auf- 
getragen wäre  mit  dem  speciellen  Befehl,  „in  einem  jeglichen 
größern  Dorf  eine  Schule  anzulegen  und  dazu  dem  Schulmeister  eine 
halbe  freye  Hube  von  dem  wüst  liegenden  Lande  zu  geben." 
Sofort  unterzog  sich  Lysius  dem  ehrenden,  aber  schwer  zu  er- 
füllenden Befehl  seines  Herrn  mit  allem  Eifer  und  der  größten 
Vorsicht  und  Zartheit  gegen  die  andern  Geistlichen,  besonders 


Von  Adolf  Keil. 


IIB 


gegen  D.  v.  Sanden,  „um  ihm  dadurch  alle  invidiam  zu  be- 
nehmen." 

Genau  die  Königl.  Instruction  befolgend,  stellte  er  die 
innere  und  äußere  Gestaltung  der  Schule  fest.  Ausgehend  von  dem 
durch  die  Reformation  gegebenen  christlichen  Princip  der  Volks- 
schule, beeinflußt  und  bestärkt  darin  durch  einen  gesunden 
lebenskräftigen  Pietismus,  stellte  er  als  die  Universalaufgabe  der 
Schule  die  Förderung  des  christlichen  Lebens  hin.  Darum  war 
seine  erste  Sorge  darauf  gerichtet,  eine  feste,  allgemein  giltige 
Lehrnorm  für  den  Schulgebrauch  zu  schaffen.  Dieselbe  bot  ihm 
der  kleine  Catechismus  Luthers.  Damit  derselbe  aber  in  allen 
Teilen  des  Königsreiches  Verwendung  finden  konnte,  mußte  er 
dem  Volk  in  seiner  Muttersprache  übergeben  werden;  denn  nur 
dann  kann  die  Missionsthätigkeit  eine  gesegnete  sein,  wenn  der 
Mensch  in  den  Klängen  seiner  Muttersprache  die  Heilsbotschaft 
hört.  Infolge  dessen  suchte  auch  Lysius,  dem  zuvörderst  die 
Mission  in  Litthauen  aufgetragen  war,  eine  einheitliche,  allgemein 
recipierte  litthauische  Version  des  kleinen  lutherschen  Catechismi 
zu  schaffen27).  Denn  soviel  Kirchen  in  Litthauen  vorhanden 
waren,  soviel  Versionen  vom  Catechismus  wie  von  den  Evangelien 
und  Episteln  wurden  gebraucht.  Hierin  aber  lag  schon  ein  Stein 
des  Anstoßes  für  alle  seine  Arbeit,  „denn  die  Prediger  waren 
keineswegs  einig  in  den  principiis  der  litthauischen  Sprache." 
Dazu  kam  das  böswillige  Verhalten  der  litthauischen  Geistlichen, 
wodurch  es  ihm  nicht  nur  erschwert,  sondern  sogar  unmöglich 
gemacht  wurde,  das  Fundamental  werk  für  den  Unterricht  fertig 
herzustellen.  Dieses  Verdienst  behielten  sich  vielmehr  seine 
Gegner  vor.  Um  dieses  neue  Werk  für  das  ungebildete  Volk 
zugänglich  und  heilbringend  werden  zu  lassen,  daß  es  „nicht 
allein  dem  Buchstaben  nach,  sondern  auch  mit  gutem  Verstände 
den  Leuten  möchte  beygebracht  werden27),  entwarf  er  folgende 
Einteilung  seines  Lehrgehalts:  Er  teilte  den  ganzen  Catechismus 

27)  vita  Lysii  p.  306  ff.  und  Altpreufl.  Monatsschrift  1880  „Zur  Ge- 
schichte der  litauischen  Übersetzung  des  kleinen  Lutherschen  Katechismus 
von  Pfarrer  Jacoby. 

Altpr.  Monat»*chrift  Bd.  XXUL  Hit.  1  u.  *  8 

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114  T>ns  Volkssclmlwesen  im  Königreifh  PretiBen  etr. 


in  26  Abschnitte;  dieselben  sollten  den  Kindern  in  den 
26  Winterwochen  nach  einander  vom  Lehrer  beigebracht  werden. 
In  den  26  Sommerwochen  sollte  dann  ein  jeglicher  Teil  vor 
der  Predigt,  also  am  Sonntag,  repetieret  und  nach  der  Predigt 
vom  Prediger  in  der  Catechisation  noch  ein  Mal  „expliciret"  und 
durchgegangen  werden.  Diese  Catechisation  sollte  gleichmäßig  sein 
in  allen  Kirchen;  „wie  einerley  evangelia  —  sollten  auch  einerley 
Teile  des  catechismi"  erklärt  werden.  Auch  für  die  Lehrenden 
suchte  er  eine  Hilfe  im  Unterricht  zu  schaffen,  indem  er  den 
Catechismusinhalt  in  Fragen  und  Antworten  darstellte.  Bei  der 
Abfassung  der  Fragen  ließ  er  sich  von  dem  pädagogischen  Ge- 
danken leiten,  „durch  lange  Discurse  und  Fragen  der  Kinder 
Verstand  zu  erwecken28).  Die  Antwort  faßte  er  dann  in  mög- 
lichst kurzen  Worten  zusammen.  Um  auch  für  die  neuen 
Schulen  tüchtige  Lehrer  zu  haben,  richtete  er  in  Königsberg 
ein  Lehrerseminar  ein. 

Doch  ehe  dieses  Werk  zur  allgemeinen  Einführung  kommen 
sollte,  schickte  er  an  jeden  Erzpriester  ein  Exemplar  des  Cate- 
chismus  und  seiner  Einteilung,  sie  bittend,  mit  den  Predigern 
ihres  Sprengeis  darüber  zu  „conferiren,  was  zu  ändern  oder  zu  ver- 
bessern seyn  möchte."  Doch  unbeanstandet,  „cum  applausu 
universali"  erhielt  er  alles  zurück,  „weil  alle  gemeint  hätten, 
alles  sey  so  klahr  gefasset,  daß  nichts  dagegen  einzuwenden  sey28). 

Unterdessen  hatte  er  gemäß  der  Instruction  auch  schon 
für  die  äußere  Gestaltung  der  Schule  den  Rahmen  gezeichnet 
und  ein  allgemeines  Schulprojekt  entworfen.  Darnach  sollte  der 
Unterhalt  der  Schullehrer  darin  bestehen,  daß  jedem  Lehrer  die 
bezeichnete  halbe  wüste  Hufe  frei  von  allen  oneribus  und  das 
verordnete  Schulgeld,  2  Dreyer  pro  Kind  zugewiesen  würde. 
Die  nötigen  Schulgebäude,  zu  denen  der  König  das  Holz  un- 
entgeltlich hergeben  wollte,  werden  von  den  zu  einer  Schule 
geschlagenen  Dorf  Schäften  erbaut;  die  erforderlichen  Baukosten 
sollten  vorschußweise  von  der  Kriegs-  und  Domänenkammer  ge- 


28)  vita  p.  30T>  ft\ 


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Von  Adolf  Keil. 


115 


nommen  und  dann  nach  der  Regulierung  der  Kirchenrechnungen 
von  den  vermögenden  Kirchen  zurückerstattet  werden.  Die 
Kosten  sollten  nach  den  beiden  Anschlägen  der  litthauischen 
Kammer  pro  Schule  entweder  16  Thaler  30  gl.  oder 
36  Thaler  24  gl.  betragen,  je  nachdem  das  Haus  nach  ein- 
facher litthauischer  Art  oder  in  Fachwerk  erbaut  würde.  Die 
Direction  bei  der  Ausführung  dieses  Projektes  sei  der  Kammer 
zu  übergeben.  Diese  habe  durch  ihre  Räte,  von  jeglichem  in 
seinem  District,  alles  dem  Plane  gemäß  durchführen  zu  lassen. 
Beide  Projekte  sandte  hierauf  Lysius  an  Francke  nach  Halle 
zur  Begutachtung.  Was  diese  beiden  Männer  entworfen  haben, 
fand  nicht  allein  die  allerhöchste  Approbation,  sondern  der 
König  gab  auch  von  Berlin  aus  den  9.  September  1718  der 
Cammer  und  dem  Consistorium  auf,  dem  Lysius  auf  alle  "Weise 
bei  der  Ausführung  dieser  Projekte  zu  assistieren.  Unter  der 
Direction  des  Etatsrats  von  Creutz  machte  Lysius  gleich  im 
Herbst  1718  den  Anfang  hiermit  im  Amt  Insterburg,  bereiste 
es  und  fand  130  Schulen  nötig,  zu  deren  Erbauung  er  sofort 
die  erforderlichen  Anschläge  machte.  Der  König  bestätigte 
unter  dem  8.  April  1819  seine  Einrichtungen  und  befahl  ihre 
schleunigste  Ausfuhrung. 

In  demselben  Frühjahr  wurde  dem  Lysius  dann  ein  „com- 
missoriale"  zugeschickt,  wodurch  ihm  die  Revision  des  Kirchen- 
wesens in  den  Ämtern  Lyck  und  Oletzko  aufgetragen  wurde. 
Sogleich  begann  er  auch  diese  Arbeit  und  fand  hier  einen 
„rechten  Greuel  der  Verwüstung  unter  der  Geistlichkeit"20). 

Aus  Masuren  reiste  er  sofort  nach  Litthauen  zur  weitern 
Durchführung  seiner  Projekte.  Jetzt  begann  man  zu  wühlen 
und  suchte  diesen  uneigennützigen,  treuen  Mann  zu  verdächtigen, 
zuerst  bei  D.  v.  Sauden,  „so  daß  derselbe  entweder  veranlaßte 
oder  auch  zuließe,  daß  allerley  ungegründete  Vorstellungen  an- 
kähmen."  Das  Consistorium,  selbst  auch  diejenigen,  welche 
früher  nicht  zu  Sanden's  Freunden  gehörten,  ergriffen  jetzt 


20)  Vgl.  vita  p.  W7. 

8* 


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116 


Das  Volksschulwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 


Partei  für  ihn,  den  „Zurückgesetzten".  Die  Feindschaft;  brach 
offen  aus,  zuerst  unter  den  Predigern  in  Litthauen,  als  sie 
sahen,  daß  Lysius,  der  Inspicient  des  Kirchen-  und  Schulwesens, 
über  ihr  Verhalten  und  ihre  Amtstätigkeit  genau  orientiert 
war.  Ihr  Haß  und  ihre  Feindschaft  wurde  noch  mehr  geschürt, 
als  sie  von  den  Germanisierungsplänen  des  Lysius  hörten,  daß 
er  nämlich  mit  Hilfe  der  litthauischen  Kammer  darauf  hinarbeiten 
wolle,  „daß  alle  junge  littauische  Leute  deutsch  verstehen  und 
reden  lernen  sollten." 

Um  dieses  Vorhaben  scheitern  zu  machon,  trat  jetzt  unter 
Führung  des  Pfarrers  Gabriel  Engel  zu  Zillen,  der  „am  meisten 
sich  Mühe  gab  mit  umherreisen  und  vorstellen"30),  die  ganze 
litthauische  Geistlichkeit  in  Opposition  gegen  Lysius.  Auch 
unter  der  polnischen  Geistlichkeit  erhob  sich  eine  Partei  gegen 
ihn  unter  Führung  des  Erzpriesters  Tyszka  von  Johannisburg, 
der  ein  Mann  von  niedriger  Gesinnung  war80).  Doch  das 
Lärmen  und  Schimpfen  dieser  Männer  vermochte  vorläufig  keine 
Änderung  in  der  Wirksamkeit  dos  Lysius  hervorzubringen,  ob- 
wohl man  auch  in  Königsberg  in  der  Geistlichkeit,  bei  der 
Kammer  und  Regierung  alles  daran  setzte,  seine  Arbeit  zu 
hemmen  und  ihm  die  Direktion  aus  den  Händen  zu  nehmen. 
Dieser  erwünschte  Zeitpunkt  kam,  als  der  neue  Kammerpräsident 
Truchseß  von  "Waldburg  nach  Berlin  reiste  zu  einer  Konferenz 
mit  den  Ministern  von  Osten  und  Münchau.  Lysius  hatte  schon 
von  früher  her  gegen  diesen  Mann  mehrere  Handhaben,  die 
auch  jenem  wohlbekannt  waren.  Dazu  kam,  daß  Lysius  durch 
seine  Arbeit  das  Vertrauen  und  die  ehrende  Auszeichnung  des 
Königs  sich  erworben  hatte.  Darum  hielt  Truchseß  es  nicht 
für  sicher,  den  Lysius  im  ungeschmälertem  Besitz  seines  An- 
sehens zu  lassen,  sondern  verminderte  seinen  Kredit  bei  dem 
Könige,  obwohl  er  noch  bei  seiner  Abreise  den  Lysius  aller 
Gnade  versicherte.  "Was  aber  Lysius  im  voraus  sah,  geschah, 
daß  nämlich  von  allen  Anstalten,  die  er  in  Litthauen  und  Ma- 


30)  Vgl.  vita  des  Lymn»  p.  322  ff. 


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Von  Adolf  Keil. 


117 


suren  getroffen  hatte,  wenig  oder  nichts  fortgesetzt  und  aus- 
geführt wurde,  und  also  seine  ganze  Arbeit  im  Sande  verlief. 
Als  Truchseß  von  Berlin  zurückkam,  geriet  wirklich  das  "Werk 
in  Stocken,  und  Lysius  fiel  in  Ungnade.  Über  diesen  jähen 
Wechsel  schweigen  fast  gänzlich  die  Schulakten  —  in  zarter 
Weise  berührt  ihn  Lysius  in  seiner  vita  — ;  nur  ein  Bericht 
findet  sich  bei  den  Akten,  das  vom  Consistorialrat  Reinbeck 
und  Probst  Porst  zu  Berlin  hierüber  abgegebene  Originalvotum, 
worin  Porst  sub  21  Febr.  1722  schreibt:  „  .  .  .  Sr.  Majestät 
Vertrauen  ist  durch  ungleiche  Vorstellung  unterbrochen;  soviel 
er  sähe,  kähme  es  daher,  die  Herren  Preußen  hätten  sich  auf 
den  Fuß  gesetzet,  keinen  Ausländer  aufkommen  zu  lassen; 
sondern  einem  solchen  Alles  in  den  Weg  zu  legen,  so  ihn  nur 
zurückhalten  könne.  Sie  rechneten  sich  zur  Schande,  daß  ein 
Ausländer,  dergleichen  Lysius  war,  ein  .  .  .  Werk  ausführen 
sollte,  um  welches  sie  sich  bis  dahin  nicht  bekümmert,  auch 
wenig  Lust  hatten,  ...  so  hetten  Einige  Politici  und  ungeist- 
liche Geistliche  die  Sache  mit  scheelen  Augen  angesehen,  ihm, 
da  er  Hoffnung  gehabt,  Oberhofprediger  und  General  Super- 
intendent zu  werden,  sich  entgegengesetzt;  durch  Jemand  mit 
ungegründeten  Vorstellungen  Sr.  Majestät  Vertrauen  nieder- 
geschlagen, ihn  in  Ungnade  gebracht  und  zu  diesem  Werk  un- 
tüchtig gemacht." 

Inwieweit  dieser  Umschlag  begründet  und  gerechtfertigt 
gewesen  ist,  möge  dahingestellt  bleiben;  doch  soviel  steht  fest, 
daß  durch  den  Rücktritt  des  Lysius  und  den  Abbruch  seiner 
Arbeit  für  die  Entwicklung  unseres  Volksschulwesens  kein 
nachhaltiger  Schaden  verursacht  worden  ist;  denn  wäre  sein  Pro- 
jekt überall  durchgeführt  worden,  was  ja  im  andern  Falle  hätte 
geschehen  müssen,  so  wäre  bei  einer  weitern  Entwickelung  der 
staatlichen  Verhältnisse  eine  neue  Revision  und  Fundation  des 
Schulwesens  unumgänglich  gewesen.  Sein  Projekt  war  keines- 
wegs dazu  geeignet,  ein  praktisches,  sicheres,  dauerhaftes  Fun- 
dament für  die  Schule  sein  zu  können.  Erstlich  der  Gedanke, 
die  Subsistenz  der  Lehrer  hauptsächlich  auf  das  Land  zu  fun- 


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118 


Das  Volkssehulwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 


dieren,  hat  seine  großen,  ernsten  Bedenken.  Abgesehen  davon, 
daß  derselbe  für  das  ganze  Königreich  im  Interesse  des  Staates 
undurchführbar  war,  infolge  des  bedeutenden  Steuerausfalles,  . 
wäre  doch  damit  der  Schule  wenig  genützt,  da  ja  der  Lehrer 
nicht  allein  im  Sommer,  sondern  auch  im  "Winter  in  seinem 
eigenen  Interesse  mehr  Landwirt  als  Lehrer  hätte  sein  müssen. 
Ebenso  erforderte  dieses  Projekt  auch  einen  enormen  Kosten- 
aufwand; denn  außer  der  großen  Masse  Holz,  das  zum  Bau  der 
Schulhäuser  und  nötigen  "Wirtschaftsgebäude  aus  den  königlichen 
Forsten  genommen  werden  sollte,  hätten  auch  die  für  jeden 
Schulbau  veranschlagten  Baugelder  notwendigerweise  über- 
schritten werden  müssen.  Auch  die  Zurückzahlung  der  vor- 
gestreckten Baugelder  von  Seiten  der  Kirchen  hätte  unüber- 
windliche Schwierigkeiten  gehabt;  denn  wie  es  sich  in  den 
folgenden  Jahren  nach  Revision  der  Kirchenrechnungen  heraus- 
stellte, wäre  nicht  einmal  das  Capital  der  vermögenden  Kirchen 
hinreichend  gewesen,  um  die  erforderlichen  Kosten  zu  decken. 
Die  Kirchen  wären  also  vollständig  ruiniert  worden.  Außerdem 
fehlte  auch  jeder  rechtliche  Grund,  die  Kirchen  zu  einer  so  ein- 
schneidenden Kontribution  zu  zwingen. 

Auch  seine  das  interne  Schulwesen  betreffenden  Pläne 
sind  nicht  durchweg  aeceptable  gewesen.  Ich  will  nicht  be- 
haupten, daß  er  den  Kreis  für  den  Volksschulunterricht  in  seiner 
Zeit  zu  eng  gezogen,  indem  er  ihn  hauptsächlich  auf  die  Reli- 
gion beschränkt  hat;  aber  mit  der  Zeit  des  regelmäßigen  Schul- 
unterrichts geht  er  zu  engherzig  um,  wenn  er  die  Information 
nur  auf  den  "Winter  beschränkt  und  für  den  ganzen  Sommer 
die  Schule  schließt.  In  diesem  Falle  kann  der  Unterricht  die 
gewünschten  Erfolge  nicht  haben.  Das  können  wir  noch  heute 
sehen,  wenn  im  Herbst  die  Knaben  wieder  zur  Schule  kommen, 
welche  im  Sommer  gehütet  haben,  die  doch  gewöhnlich  vorher 
ein  bestimmtes  Quantum  "Wissen  und  einen  gewissen  Grad  sitt- 
licher Haltung  sich  erworben  hatten.  Hoch  anzuschlagen  und 
maßvoll  zu  rechtfertigen  ist  sein  großer  nationaler  Gedanke, 
Litthauen  zu  germanisieren  und  dadurch  zu  kultivieren;  daß  er 


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Von  Adolf  Keil. 


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diese  Idee  mittels  der  Schule  durchfuhren  wollte,  ist  auch 
richtig;  und  daß  ein  derartiges  festeres  Zusammenschmieden  der 
verschiedenen  Volksst&mme  zu  einem  Staate  notwendig  war, 
kann  kein  echter  Preuße  ableugnen. 

"Wenn  darum  Rogge  in  seiner  Arbeit81)  dem  Lysius  als 
Hauptmotiv  hierzu  den  rein  materiellen  Grund  unterschiebt,  um 
Bücher  den  Litthauern  billiger  liefern  zu  können,  so  ist  das 
ebenso  oberflächlich  und  wenig  stichhaltig,  wie  seine  weitere 
Parallele  mit  dem  Schnlrat  Rettig. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  zuletzt  noch  das  Facit  der  ganzen 
Arbeit  des  Lysius!  Ein  bleibendes  Verdienst  hat  er  sich  nur 
erworben  um  die  interna  des  Schulwesens  durch  den  Entwurf 
und  die  Ausarbeitung  des  später  so  segensreich  wirkenden 
litthauischen  Katechismus;  dagegen  vollständig  resultatlos  ist 
seine  Arbeit  an  der  äußern  Constitution  der  Schule.  Die  von 
ihm  mit  dem  größten  Eifer  festgesetzten  Schulen  sind  größten- 
teils nicht  erbaut,  überhaupt  wurde,  wie  verschiedene  Pfarrer 
berichten,  garnicht  weiter  an  seine  Einrichtungen  gedacht  und 
auch  nichts  für  ihre  Ausführung  gethan. 

Zweiter  Versuch  vom  22.  Septbr.  1721  bis  19.  Mai  1722 
durch  Quandt,  Sahme,  Engel. 

Nach  dem  Sturz  des  Lysius  gelang  es  seinen  Feinden,  die 
Organisation  des  Schulwesens  in  die  Hände  zu  bekommen.  Der 
oben  genannte  Engel  aus  Zillen  hatte  das  Glück,  den  König 
bei  seiner  dritten  Anwesenheit  in  Litthauen  im  Frühjahr  1721 
persönlich  zu  sprechen  und  seine  Gnade  zu  gewinnen.  Er  über- 
gab bei  dieser  Gelegenheit  dem  König  ein  Gutachten  von  einigen 
litthauischen  Predigern  wegen  Einrichtung  des  Schulwesens. 
Hierin  griffen  sie  das  Projekt  des  Lysius  an,  rechneten  nach, 
was  das  Holz  und  die  Hufen  für  die  anzustellenden  Lehrer 
kosten  würden,  und  schlugen  schließlich  als  das  Beste  vor,  sich 
mit  den  Kirchschulen  zu  begnügen  und  jährlich  aus  jeder  Dorf- 

31,i  Altpr.  Monatsschrift,  B.  18.   IT.  Lysius  in  Litthauon  und  Masurai. 


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120 


Das  Volksäichulwesen  im  Königreich  PreuÄeu  etc. 


gemeinde  10  Kinder  auszusuchen,  die  Jahr  über  diese  Schule 
besuchen  sollten.  Diesen  sollte  in  der  Zeit  das  Notdürftigst«, 
der  Katechismus  und  das  Lesen  beigebracht  werden,  so  daß  im 
nächsten  Jahr  andere  10  Kinder  an  ihrer  Stelle  die  Sehlde  be- 
suchen könnten.  Als  dieser  Plan  in  den  maßgebenden  Kreisen 
zu  geringe  Beachtung  fand,  riet  Engel  sub  17.  Aug.  1721,  die 
Regulierung  der  ganzen  Angelegenheit  dem  Oberhofprediger 
D.  Quandt,  dem  Consistorialrat  Sahme  und  ihm  aufzutragen. 
Da  seine  Vorschläge  von  denen  des  Lysius  nicht  nur  vollständig 
different,  sondern  denselben  sogar  conträr  waren,  so  ließ  sich 
der  König  noch  aus  andern  Gründen,  die  kurz  vorher  erörtert 
sind,  bestimmen,  den  Lysius  von  der  ferneren  Untersuchung  und 
Fortsetzung  seines  "Werkes  zu  „excludiren"  und  es  unter  dem 
22.  Septbr.  1721  Quandt,  Sahme  und  Engel  aufzutragen.  Durch 
ein  Rescript  verordnete  der  König  den  7.  Octbr.,  „daß  die 
Kammer  dieser  Commission  alle  Assistenz  leisten  und  die  Nach- 
richten suppediren  soll."  Die  erste  That  der  neuen  Commission 
war  ein  Gesuch  an  die  Kammer,  worin  dieselbe  gebeten  wurde, 
zur  Revision  der  Kirchenrechnungen  einen  der  Kammerräte  der 
Commission  beizuordnen,  und  den  Commissarien  den  nötigen 
Vorspannpass,  nebst  Befreiung  der  Briefe  und  Packete  vom 
Postgeld,  und  Diäten  zu  bewilligen.  Die  Kammer  berichtete 
hierüber  an  den  König  den  22.  Jan.  1722  und  schlug  vor,  „da 
die  Kirchenrechnung  in  Litthauen  ein  sehr  weitläuftiges  Werk 
sei,  andern  Leuten,  die  es  zur  Genüge  verstehen,  die  Arbeit  zu 
übertragen  und  demjenigen,  so  darin  gebraucht  wird,  Diäten  zu 
reichen."  Dadurch  wurde  die  Geduld  und  Langmut  des  Königs 
auf  die  höchste  Probe  gestellt,  und  eigenhändig  antwortete  er 
darauf  an  sein  Staatsministerium  unter  Görne  und  Creutz  in 
sehr  charakteristischer  Weise  am  8.  Febr.  1722:  „Dieses  ist 
nichts,  denn  die  Regierung  dieses  arme  Land  in  Barbarei  be- 
halten will,  denn  wenn  ich  baue  und  verbessere  das  Land  und 
ich  mache  keine  Christen,  so  hilfet  mir  alles  nit,  sie  sollen  sich 
mit  Obermarschall  Printz  zusammenthun  und  Porst,  Rheinbeck 
und  sollen  zusammen  mir  vorschlagen,  wie  die  Sache  am  besten 


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Vou  Adolf  Keil. 


121 


und  kürzesten  anzustellen,  und  zum  Oberdirektorio  muß  ein  Welt- 
licher sein,  den  man  von  hier  hinsenden  muß  und  der  ein 
Gottes  Mann  ist."  —  So  unangenehm  es  auch  dem  Könige  war, 
er  erfüllte  dennoch  jene  Bitte  der  Commission,  um  nur  das 
"Werk  vorwärts  zu  bringen,  und  die  Kammer  erhielt  den  Befehl, 
zuerst  den  Vorspannpaß  zu  geben.  Am  15.  Mai  reisten  endlich 
diese  3  Männer  von  Königsberg  über  Kaymen,  Labiau  und 
Zillen  nach  Tilsit.  Den  18.  und  19.  Mai  hielten  sie  in  der 
Widdern  des  Erzpriesters  zu  Tilsit  eine  Conferenz  ab,  zu  der 
sie  die  litthauischen  Erzpriester  am  30.  Dezbr.  vorigen  Jahres 
berufen  hatten.  Es  waren  4  Erzpriester,  der  von  Tilsit,  Ragnit, 
Insterburg,  Labiau,  und  12  Pfarrer  erschienen.  Als  erste  Auf- 
gabe, um  den  Zweck  des  Königs  zu  erfüllen  und  das  Kirchen- 
und  Schulwesen  in  Litthauen  in  guten  Stand  zu  setzen,  er- 
schien ihnen  allen,  den  so  „lang  desiderirten  litthauischen  Cate- 
chismus  in  reiner  deutlicher  Sprache  zu  Stande  zu  bringen  und 
in  Litthauen  einzuführen."  Es  wurde  nun  in  der  Versammlung 
der  von  Lysius  entworfene  litthauische  Catechismus  vorgelesen, 
endgiltig  abgeschlossen  und  dem  Druck  übergeben.  Das  Werk 
sollte  in  deutscher  und  litthauischer  Sprache  gedruckt  werden 
und  zwar  in  folgender  Ordnung: 

1)  die  5  Hauptstücke  allein, 

2)  die  5  Hauptstücke  mit  der  Auslegung  Luthers, 

3)  die  Bejcht-  und  Fragestücke  Luthers,  das  gewöhnliche 
preuß.  Beichtformular  und  die  alte  kurze  litthauische  Beicht- 
formel, 

4)  verschiedene  Morgen-,  Abend-  und  Tischgebete, 

5)  Die  Haustafel, 

6)  Das  Traubüchlein, 

7)  Das  Taufbüchlein, 

8)  Eine  Vermahnung  an  die  Kommunikanten, 

9)  Einige  Abendmahlsgebete  aus  dem  kleinen  lutherscheu 
Catechismus. 

Sodann  beriet  man  über  die  Anlegung  und  Einrichtung 
der  Schulen.    Um  aber  dieses  Werk  den  lokalen  Verhältnissen 


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122 


Das  Volksschulwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 


anpassend  und  allgemein  erträglich  zu  machen,  hatte  die  Com- 
mission schon  vorher  den  Erzpriestern  aufgetragen,  gemein- 
schaftlich mit  den  Pfarrern  ein  Schulprojekt  zu  entwerfen  und 
zur  bezeichneten  Conferenz  einzuschicken.  Dieselben  hatten 
auch  alle  ihre  Angaben  eingereicht  und  nach  Vorschrift  der 
Commission  angegeben: 

1)  die  Namen  der  Kirche, 

2)  die  dazugehörigen  Dörfer  und  Wirte, 

3)  die  in  ihren  Schulen  gebrauchten  Lehrbücher, 

4)  den  Namen  des  Präcentors, 

B)  wie  sich  der  Schulmeister  aufführe, 

6)  dessen  Subsistenz  und  was  dabei  zu  erinnern, 

7)  die  Beschaffenheit  der  Schulgebäude, 

8)  an  welchen  Orten  Dorfschulen  einzurichten, 

9)  wie  solcher  Schulmeister  Subsistenz  bestehen  könne. 
Diese  Berichte  der  Geistlichen  lagen  der  Beratung  der 

Conferenz  zu  Grunde  und  enthüllten  sämtlich  ein  trauriges  Bild 
von  der  damaligen  Schulverfassung;  allein  auf  die  brennendste 
Frage:  wie  die  Dorfschulmeister  angestellt  und  unterhalten 
werden  sollten,  vermochten  sie  gar  keine  genügende  Antwort  zu 
geben.  Wenigstens  waren  die  meisten  darin  einig,  ,,daß  ohne 
incommodität  Sr.  Majestät  hierin  nichts  möglich  ist."  Wenn 
sie  noch  einen  Vorschlag  machten,  so  war  es  der,  „die  Dorf- 
schulmeister müssen  Handwerker  sein  und  zwar  solche,  welche 
professionem  sedentariam  gelernt  haben,  nemlich  Schuster, 
Schneider,  Leinweber,  und  dabei  im  Lesen  und  Schreiben  er- 
fahren. Solchen  wäre  ein  Bauernhäuschen  zur  Wohnung  und 
eine  Hube  frey  zu  geben,  welche  die  Leute  bestellen  müssten." 
Da  die  Conferenz  hierin  zu  keinem  Resultat  kam,  wurde  sie 
geschlossen,  und  die  Erzpriester  sollten  noch  einmal  mit  Zu- 
ziehung der  Prediger  ihres  Sprengeis  Projekte  entwerfen  und 
sie  mit  ihrem  Gutachten  über  den  litthauischen,  lutherischen 
Catechismus  in  acht  Tagen  der  Commission  zusenden. 

Dann  revidierte   die  Comission  die  Kirchen rechnung,  be- 
sichtigte die  Kirchen  und  Schulgebäude  und  setzte  am  20.  Mai 


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Von  Adolf  Keil. 


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ihre  Revisionsreise  in  die  Niederung  fort,  wo  sie  bis  zum 
29.  Mai  arbeitete;  da  kam  das  Pfingstfest,  und  die  Commission 
kehrte  nach  Hause  zurück.  So  war  bisher  von  dieser  Com- 
mission kein  Projekt  fertig  gestellt,  und  nichts  erhebliches  ge- 
leistet worden;  doch  soweit  war  es  wenigstens  gekommen,  daß 
der  von  Lysius  entworfene  und  bearbeitete  Catechismus  allseitige 
Anerkennung  fand,  so  daß  die  Einführung  eines  jedermann  ver- 
ständlichen Handbuchs  für  den  Unterricht  ermöglicht  wurde; 
auch  war  man  sich  klar  geworden,  wie  dringend  notwendig  eine 
allgemeine  Schideinrichtung  sei,  und  wieviel  Schulen  etwa  im 
litthauischen  Departement  fehlten,  denn  die  Pastoren  hatten, 
jeder  für  sein  Kirchspiel,  dieselben  beantragt,  allerdings  mit 
engem  Anschluß  an  die  Festsetzungen  des  Lysius.  Jedoch  über 
die  Beschaffung  des  Unterhalts  für  die  Dorfschulmeister  war 
man  bis  dahin  noch  zu  keinem  bestimmten  Entschluss  gekommen, 
sondern  schwankte  baltlos  hin  und  her. 

Dritter  Versuch  vom  19.  Mai  1722  bis  19.  October  1724 
durch  Mansberg  und  Engel. 

Da  auch  die  Regierung  zu  Königsberg  sub  22.  Jan.  1722 
an  den  König  berichtet  hatte:  „daß  durch  diese  Commission 
das  Werk  schwerlich  werde  zustande  gebracht  werden,  da 
Quandt  wegen  seiner  Kirchen-,  Universitats-  und  Consistorial- 
arbeit  gar  wenig  sich  anderen  Arbeiten  zu  widmen  vermag, 
Sahme  und  Engel  auch  eine  so  langwierige  Commission  nicht 
abwarten  können,"  traf  der  König  eine  neue  Änderung  und 
übertrug  das  Werk  dem  Cammergerichtsrat  von  Mansberg  aus 
Berlin.  Mit  Zuziehung  Engels  sollte  er  die  Untersuchung  und 
Regulierung  des  Kirchen-  und  Schulwesens  in  Litthauen  vor- 
nehmen.   So  begann  jetzt  die  dritte  Commission  ihre  Arbeit. 

Mansberg  kam  hierher  und  forderte  von  der  Commission 
die  im  Amt  Tilsit  gemachten  Schul projekte,  die  Kirchenrech- 
lmugen  und  den  von  der  litthauischen  Geistlichkeit  verfertigten 
Catechismus.  Doch  dadurch  setzte  er  sich  von  vornherein  mit 
ihr  auf  einen  gespannten  Fuß;  denn  sie  verweigerte  die  Hor- 


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Das  Volksschuhvesen  im  Königreich  Preußen  etc. 


ausgäbe  der  Akten,  wenn  ihr  nicht  specielle  königliehe  Ordre 
zugehe;  denn  ihr  sei  die  Untersuchung  aufgetragen.  Mansberg 
mußte  sich  deswegen  bei  Hofe  beschweren  und  erhielt  erst  auf 
ausdrücklichen  Befehl  der  Regierung  die  Akten  ausgehändigt. 
Nach  eingehender  Information  begann  er  dann  seine  Arbeit  mit 
Regulierung  der  so  lange  „unabgehört  gelegenen"  Kirchenrech- 
nungen und  regelte  gleichzeitig  „in  loco  mit  Zuziehung  der 
Prediger  und  Beamten,  was  ratione  der  Schulen  für  nötig  ge- 
funden." Einen  festen  allgemein  durchführbaren  Schulplan 
stellte  er  nicht  auf,  sondern  fundierte  jede  Schule  den  betreifenden 
Ortsverhältnissen  angemessen,  auf  die  halbe  Hufe  und  das  Schul- 
geld; richtete  sich  überhaupt  wesentlich  nach  dem  Projekt  des 
Lj'sius.  Der  König  approbierte  die  Erbauung  der  von  ihm  vor- 
geschlagenen Schulen  und  gab  auch  das  Geld  dazu  her,  indem 
er  1000  Thaler  an  ihn  zahlen  ließ,  die  Mansberg  bei  der  Königs- 
berger Cammer  deponierte.  "Wo  dieselben  aber  geblieben  sind, 
ist  nicht  zu  ermitteln;  aus  den  Akten  erhellt,  daß  sie  zum  Schul- 
bau  nicht  verwendet  worden  sind. 

Nachdem  Mansberg  vom  1.  Juli  1722  bis  zum  19.  Octbr.  1724 
hier  in  Litthauen  thätig  gewesen  war,  traf  ihn  plötzlich  ein 
ähnliches  Schicksal  wie  Lysius.  Am  20.  Septbr.  1724  rescri- 
bierte  der  König  an  die  Königsbergsche  Kammer,  „daß  weilen 
Mansberg  in  der  aufgegebenen  Commission  wegen  Einrichtung 
des  Kirchen-  und  Schulwesens  in  Litthauen  nichts  gethan,  sollte 
er  zurückkehren  und  die  bis  dahin  gehobenen  Diäten,  731  Thlr., 
zurückerstatten." 

Hatte  Mansberg  wirklich  diese  Strafe  verdient?  Hat  er 
nichts  ausgerichtet?  —  Sicherlich  nicht!  —  Er  war  mit  aller 
Kraft  bemüht  gewesen,  der  königlichen  Instruction  in  allen 
Stücken  nachzukommen  und  soviel  als  möglich  den  allerhöchsten 
"Wunsch  zu  erfüllen.  Er  hat,  wie  es  seine  Rechtfertigungs- 
schrift an  den  König  unzweifelhaft  darlegt: 

Erstlich  das  eingegangene  Seminarium  litthuanicum  in 
Königsherg  restauriert  und  dadurch  den  Grund  zur  Erlangung 
tüchtiger  Kirchen-  und  Schuldiener  für  Litthauen  gelegt; 


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Von  Adolf  Keil. 


125 


Zweitens  hat  er  den  Plan  von  den  neu  zu  erbauenden 
Schulen  und  die  Anschläge  der  dazu  nötigen  Materialien  und 
Kosten  entworfen,  die  vorhandenen  Schulen  visitiert,  die  Lehrer 
in  der  richtigen  Information  der  Jugend  instruiert  und  etwa 
20  neue  Schulmeister  hier  und  da  angestellt; 

Drittens  die  Übersetzung  des  Neuen  Testaments  ins  Lit- 
thauische fertig  stellen  lassen; 

Viertens  hat  er  die  in  ganz  Litthauen  seit  einem  halben 
Jahrhundert  in  größter  Unordnung  befindlichen  Kirchenrech- 
nungen revidiert  und  richtig  gemacht  und  einen  gewissen  Be- 
stand hervorgesucht,  aus  welchem  die  neu  anzulegenden  Schulen 
ohne  große  Beschwerde  der  königl.  Kasse  erbaut  werden  konnten ; 

Fünftens  hat  er  an  sämtlichen  unter  königl.  Patronat 
stehenden  58  Kirchen  Litthauens  und  an  den  7  Hospitalen  die 
Einkünfte  pro  futuro  reguliert,  ein  gewisses  Rechenformular  und 
eine  Generalinstruction  hierfür  aufgestellt,  und 

Endlich  hat  er  in  Litthauen  noch  16  neu  zu  fundierende 
Kirchen  festgesetzt. 

Das  sub  No.  3,  4  und  6  Angeführte  war  wohl  in  "Wirk- 
lichkeit festgestellt,  aber  das  Übrige  blieb  unausgeführt.  Die 
Schuld  lag  nicht  an  ihm;  er  hat  alles  bei  den  Ämtern,  der 
Cammer  und  Regierung  „genugsam  pressiret."  Diese  Instanzen 
haben  auch  verschiedene  nachdrückliche  Verordnungen  an  die 
Unterbeamten  erlassen,  allein  bei  der  großen  Widers penstigkeit 
der  letzteren  blieben  sie,  was  sie  waren;  denn  mehrere  Unter- 
beamte mussten  3—4  Mal  von  der  Commission  citiert  werden 
und  erschienen  erst,  wenn  die  Regiernng  mit  „Requisitionen" 
einschritt.  Dazu  kam  noch  die  Weitläuftigkeit  der  Verhandlungen ; 
denn  über  die  einzelnen  Punkte  mußte  er  immer  mit  „drei 
Collegiis,  der  Regierung,  der  Cammer  und  dem  Deputations- 
colleg"  verhandeln. 

Doch  war  wenigstens  von  ihm  die  pecuniäre  Lage  der 
litthauischen  Kirchen  geregelt  und  eine  maßgebende  Norm  fiir 
den  Schulunterricht  endgiltig  festgestellt,  aber  von  den  neu  an- 
gelegten 19  Schulen  war  nichts  vorhanden,  und  für  Acker  und 


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Das  Volksschulwosen  im  Königreich  Preußen  vir. 


Gebäude  war  so  wenig  gesorgt  wie  für  die  sonstige  Subsistenz 
der  Lehrer.  —  Wie  und  durch  wen  Mansberg  bei  dem  Könige 
in  Ungnade  gebracht  ist,  kann  man  aus  den  Acten  nicht  er- 
sehen; die  Cammer,  die  im  allgemeinen  auf  die  Schulorganisatoren 
scheel  herabsah,  stellte  ihm  sub  20.  Novbr.  1724  über  sein 
hiesiges  Wirken  das  rühmlichste  Zeugnis  aus. 

Vierter  Versuch  vom  II.  Juli  1726  bis  31.  Juii  1728  durch  Engel. 

So  geriet  das  Werk  zum  dritten  Mal  ins  Stocken  und  blieb 
vollständig  liegen  bis  zum  Jahr  1726.  Da  begann  ein  neuer 
Versuch. 

Im  Sommer  1726  kam  der  König  abermals  nach  Litthauen. 
Bei  dieser  Gelegenheit  erteilte  er  nach  gehaltenem  Gottesdienst 
in  der  Kirche  zu  Zillen  am  11.  Juli  1726  dem  Pfarrer  Engel, 
der  sein  Vertrauen  noch  immer  besaß,  den  Befehl,  das  Schul- 
wesen in  Litthauen  einzurichten.  Am  12.  Jan.  1727  überreichte 
Engel  dem  Könige  eine  Schrift,  in  der  er  selbst  anzeigte,  daß 
die  hiesige  Geistlichkeit  „teils  aus  Verachtung,  teils  a.us  negli- 
geance  jeden  Fortgang  des  Schulwesens  mit  behindert  habe," 
und  machte  nun  seine  Vorschläge,  wie  dergl.  Hindernisse  be- 
seitigt werden  könnten,  wenn  der  König  durch  eine  Special- 
instruetion  die  ganze  Einrichtung  ihm  übertragen  und  dann 
verordnen  würde: 

1)  daß  die  Erzpriester  alle  seine  Vorschläge  in  ihren  Kirchen- 
sprengeln  zur  Ausführung  bringen  und  nicht  wie  bisher  durch 
Verachtung  aller  Projekte  das  Werk  hindern; 

2)  daß  die  Amtleute  das  Werk  auch  unterstützen  und  nicht 
wie  bisher  zu  hintertreiben  suchen;  besonders  sollten  sie  das 
Eintreiben  des  Schulgeldes  besorgen,  was  zur  Erleichterung  für 
die  Leute  monatlich  geschehen  müßte; 

3)  daß  die  Schulhäuser  wie  im  Georgenburgischen  Amt 
gebaut  werden.  Ein  solches  Haus  würde  in  Litthaucn  68  bis 
78  Thaler  kosten,  selbst  an  Orten,  wo  Lehm,  Mauersteine  und 
Bauholz  von  weither  anzufahren  wären: 


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Von  Adolf  Keil. 


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4)  daß  dieses  Material,  besonders  das  Holz  im  nächsten 
"Winter  angefahren  werde  und  zwar  in  jedem  litthauischen 
Kirchsprengel  zu  etwa  10  Schulhäusern. 

Der  König  approbierte  auch  Engels  Vorschläge  und  befahl 
der  Kammer  am  6.  Febr.  1727  diese  Sache  mit  dem  Consistorium 
wohl  zu  überlegen  und  einzurichten. 

Allein  es  erfolgte  hierauf  wenig  oder  garnichts,  außer  daß 
der  König  klar  einsah,  daß  aus  dem  ganzen  Werk  nichts  werden 
würde,  wenn  nicht  andere  Leute,  besonders  andere  Prediger, 
hierher  kämen,  die  sich  nicht  mehr  widersetzten,  sondern  mit 
heiligem  Ernst  auch  selbst  Hand  anlegten.  Zu  diesem  Zweck 
wandte  sich  der  König  wieder  an  Francke  und  trug  ihm  in 
einem  eigenhändigen  Schreiben  vom  2.  und  einem  andern  vom 
26.  Mai  1727  auf,  „ins  künftige  sowohl  zu  Prediger  als  Pro- 
fessores  solche  Leute  nach  Preußen  in  Vorschlag  zu  bringen, 
die  keine  Preußen  von  Geburt,  sondern  aus  meinen  hiesigen 
Provinzen  und  Landen  gebürtig  sind  und  von  denen  ihr  voll- 
kommen versichert,  daß  sie  auf  das  rechte  thätige  Christentum 
gehen,  maßen  ich  nichts  mehr  wünsche,  als  das  rechte  wahre 
Christentum  in  ineinen  preuß.  Landen  einzuführen  und  die 
dortigen  Einwohner  zur  rechten  Erkenntnis  zu  bringen.  Die, 
so  Preußen  von  Geburt,  wenn  sie  bei  Euch  studiert  haben,  will 
ich  in  meinen  hiesigen  Provinzen  befördern;  auch  müßt  ihr  euch 
angelegen  sein  lassen,  Leute,  die  zugleich  Litthauisch  mitlernen, 
anzuziehen."  Zugleich  machte  er  es  Francke  zur  Pflicht,  die 
beiden  Professoren  Woltf  und  Rogall,  die  auf  seinen  Vorschlag 
an  der  Academie  zu  Königsberg  angestellt  waren,  „beide  fleißig 
zu  ermahnen,  angelegentlichst  die  dortige  Jugend  recht  zu  unter- 
richten, sodann  ich  dieselben  jederzeit  souteniren,  auch  die  weiter 
vacant  werdenden  Professuren  mit  solchen  Leuten  besetzen 
werde,  die  ihres  Sinnes  sind."  Gleichzeitig  wandte  sich  auch 
der  unermüdliche  König  an  den  Probst  Goedecke,  „daß  er  bei 
den  in  andern  Landesteilen  stehenden  Regimentern  suchen  soll 
tüchtige  Kandidaten,  die  aus  Preußen  gebürtig,  zu  Feldpredigern 
zu  emploiren  und  bei  den  in  Preußen  stehenden  Regimentern 


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Das  VolksKrhulwesen  im  Königreich  Prenflen  et<\ 


hiesige  Landeskinder,  die  dort  mit  gutem  Nutzen  zu  Predigt- 
ämtern befördert  werden  können." 

So  war  auch  der  vierte  Versuch  ohne  allen  Effect,  und 
das  Schulwesen  mußte  jetzt  wiederum  vom  Frühjahr  1727  bis 
31.  Juli  1728  gänzlich  als  im  tiefen  Schlaf  begraben  liegen 
bleiben,  und  es  findet  sich  keiner  in  ganz  Preußen,  der  des- 
wegen einige  Schritte  gethan  hat. 

Fünfter  Versuch  vom  31.  Juli  1728  bis  4.  Septbr.  1731 
durch  Wolff  und  Rogall. 

Doch  bei  allen  seinen  Regierungssorgen  faßte  der  König 
im  Jahre  1728  die  Sache  von  neuem  ins  Auge  und  forderte 
die  beiden  hiesigen  Professoren  Wolff  und  Rogall 8S)  durch  ein 
Handschreiben  vom  31.  Juli  1728  auf,  ein  Gutachten  wegen 
Verbesserung  des  Schulwesens  im  ganzen  Lande  einzusenden. 
Beide  setzten  sich  schnell  mit  den  Erzpriestern  und  Pfarrern 
teils  mündlich,  teils  schriftlich  dieser  Sache  halber  in  Ver- 
bindung, „um  etwas  gegründetes,  heilsames,  practicables  vor- 
stellen zu  können,"  und  entwarfen  folgendes  Projekt: 

I.  in  betreff  der  Schullehrer: 

1)  Jeder  Prediger  hat  so  viel  Schulmeister  zu  bestellen, 
als  in  seinem  Kirchspiel  Schulen  festgesetzt  werden,  und  zwar 
müssen  in  den  Kirchdörfern  studierte  Leute  angenommen  werden, 
die  mit  der  Zeit  in  das  Predigtamt  hineinkommen.  Dadurch 
nur  kann  Schul-  und  Predigtamt  aufgebessert  werden;  in  den 
andern  Dörfern  können  wohl  Handwerker,  Schuster,  Schneider, 
Leinweber,  Altflicker  angenommen  worden. 

2)  Jeder  Prediger  hat  die  Schulmeister  für  die  Information 
vorzubereiten. 

3)  Die  hierin  lässigen  Prediger  werden  bestraft,  und  zwar 
müssen  sie  die  Kosten  tragen  für  den  Aufenthalt  der  Schul- 
meister an  dem  Orte  des  Erzpriesters,  wenn  derselbe  sie  zur 
Vorbereitung  auf  den  Unterricht  zu  sich  bestellt. 


32)  Nachrichten  von  dem  Charakter  rechtschaffener  Prediger.    B.  1. 


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Von  Adolf  Keil. 


4)  Sollten  einige  Erzpriester  nicht  ernstlich  für  die  Schulen 
ihrer  Diöcese  sorgen,  so  sollte  ein  benachbarter  Erzpriester  oder 
ein  tüchtiger  Feldprediger  beauftragt  werden,  die  Schulmeister 
der  betreffenden  Diöcese  jährlich  zusammenzurufen  und  zu 
examinieren. 

II.  Über  die  Anlegung  der  Schulen: 

In  jedem  großen  Dorf  sollte  ein  Schulmeister  sein,  von  den 
kleinen  Dörfern  müssen  2—3,  die  der  Prediger  zu  bestimmen 
hat,  zusammen  einen  Schulmeister  halten;  wo  schon  in  einigen 
Kirchspielen  Schulen  eingerichtet  sind,  da  können  die  nötigen 
noch  hinzugefügt  werden;  in  den  übrigen,  wo  fast  noch  keine 
eingerichtet  sind,  müssen  wenigstens  3—4  in  jedem  großen 
Kirchspiel  zum  Anfang  besorgt  werden. 

HE.  Die  Schulkinder  betreffend: 

Die  Eltern,  Vormünder,  Herrschaften  und  Wirte  ohne  Aus- 
nahme sind  verpflichtet,  die  Kinder  so  lange  zur  Schule  zu 
schicken,  bis  der  Prediger  bescheinigen  kann,  daß  sie  das  Nötige 
gelernt  haben. 

Die  zu  entlassenden  Kinder  sind  bei  der  jährlichen  Kirchen- 
visitation dem  Erzpriester  vorzustellen,  damit  er  sie  examinieren 
und  sein  Votum  abgeben  könne. 

Auch  wenn  sie  das  Nötige  gelernt  haben,  müssen  sie  den- 
noch bis  zur  Conflrmation  einige  Stunden  wöchentlich  zur 
Schale  kommen,  damit  sie  das  Erlernte  nicht  vergessen.  Das 
Schulgeld  kann  die  Herrschaft  demjenigen,  so  schon  im  Dienst 
steht,  vom  Lohn  abziehen. 

Der  Schulbesuch  muß  mit  dem  6.  oder  7.  Lebensjahr  be- 
ginnen; denn  vom  9.  oder  10.  Jahr  an  verwenden  die  Eltern 
ihre  Kinder  schon  zu  großem  Nutzen  in  ihrer  Wirtschaft  oder 
können  sie  schon  in  anderer  Leute  Dienste  geben,  wo  sie  sich 
etwas  verdienen  können. 

Die  Schulzeit  auf  dem  Lande  muß  wenigstens  vom  Herbst 
bis  Frühjahr,  2  volle  Quartale,  dauern,  und  die  Kinder  müssen 
Vor-  und  Nachmittags  zur  Schule  gehen;  im  Sommer  müssen 

Altpr.  MonatMchrift  Bd.  XXIII.  Hftln.lL  9 


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130  Das  Volksschulwcsen  im  Königreich  Preußen  etc. 

sie  auch  für  einige  Stunden,  welche  der  Pfarrer  mit  den  Amts- 
leuten festsetzt,  zur  Schule  gehen. 

Die,  welche  unterlassen  die  Kinder  anzuhalten,  besonders 
am  Sonntag  nach  der  Predigt  zu  beten  und  das  Erlernte  zu 
wiederholen,  werden,  falls  ihre  Kinder  oder  Gesinde  bei  der 
Prüfung  nicht  bestehen,  gezwungen,  aufs  neue  die  Kinder  zur 
Schule  zu  schicken;  aber  jetzt  dürfen  sie  dem  Gesinde  für  die 
Information  und  die  dazu  erforderliche  Zeit  vom  Lohn  nichts 
abziehen;  das  gilt  auch  von  den  Lehrjungen  in  den  kleinen 
Städten.  Die  Prediger  selbst  haben  ein  Verzeichnis  aller  schul- 
pflichtigen Kinder  zu  führen,  die  Leute  bei  allen  Gelegenheiten 
zu  ermahnen,  ihre  Kinder  fleißig  zur  Schule  zu  schicken,  und  diese 
Consignationen  dem  Erzpriester  bei  der  Visitation  abzugeben. 

Ferner  haben  die  Geistlichen  jene  königl.  Verordnung 
genau  zu  beobachten  und  kein  Kind  zur  Beichte  anzunehmen, 
das  nicht,  wo  nur  immer  möglich,  lesen  kann;  auch  keinen  zu 
proklamieren,  zu  copulieren  und  zur  Gevatterschaft  zuzulassen, 
der  nicht  vom  Christentum  nötige  Antwort  geben  kann.  "Wider- 
spenstige müssen  hierzu  mit  Zwang  und  Strafe  angehalten 
werden. 

IV.  Die  Information: 

Die  Kinder  müssen  fertig  lesen,  den  kloinen  Catechismus 
Luthers  fertig  auswendig,  deutlich  aussprechen  und  dem  Sinne 
nach  verstehen  gelernt  haben.  Deswegen  haben  die  Schulmeister 
täglich  eine  Stunde  denselben  catechetice  zu  erklären  und  ein- 
zuschärfen. Ferner  sollte  ein  erfahrner  Schulmann  eine  gute 
Methode  ausarbeiten,  die  dann  in  allen  Schulen  einzuführen 
wäre.  Bei  jeder  Schule  muß  mindestens  eine  Bibel  von  der 
Kirche  oder  Dorfschaft  angeschafft  werden,  damit  den  Kindern 
daraus  etwas  vorgelesen,  und  die  bibl.  Geschichte  nebst  den 
notwendigen  Hegeln  des  Christentums  beigebracht  werden  kann. 
Auch  sollen  die  Prediger  dem  Schulmeister  den  Inhalt  der 
nächsten  Sonntagspredigt  bereits  am  Anfang  der  Woche  zu- 
schicken, damit  er  den  Kindern  bekannt  gemacht,  und  die  Re- 
petition  der  Predigt  so  vorbereitet  werde. 


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Von  Adolf  Keil. 


131 


Damit  die  Kinder  das  nötige  erlernen,  müssen  die  Schul- 
meister eine  gute  Lehrart  haben,  und  die  Prediger  haben  zu 
sorgen,  daß  denselben  eine  solche  vorgeführt  und  dann  auch 
eingehalten  werde. 

V.  Die  Subsistenz: 

1)  Dazu  muß  jedem  Schulmeister  ein  Häuschen  und  ein 
kleiner  Stall  erbaut,  wie  auch  ein  Geküchgarten  bei  dem  Hause 
von  etwa  36  Quadratruthen  angewiesen  werden.  Die  Kammer 
und  Regierung  hat  das  zu  den  Gebäuden  nötige  Bauholz  aus- 
findig zu  machen  und  sowohl  für  die  Anfuhr  desselben  und  die 
übrige  Scharwerk  bei  dem  Bau  als  auch  für  das  Geld  zum  Bau 
Sorge  zu  tragen. 

2)  Der  Schulmeister  soll  die  Freiheit  haben,  ein  Paar  Kühe, 
auch  2 — 3  Schweine  zu  halten,  welche  unentgeltlich  auf  die 
"Weide  der  Dorfschaft  gehen;  ferner  soll  er  sein  freies  Brenn- 
holz aus  den  königl.  oder  der  Dorfschaft  Holzung  erhalten,  Frei- 
heit von  allen  oneribus  und  das  Recht  außer  den  Schulstunden 
sein  Handwerk  zu  treiben. 

3)  Es  soll  jedem  Schulmeister  das  wöchentliche  Schulgeld 
2  Gr.  für  jedes  zu  unterrichtende  Kind  bezahlt  werden;  von 
denen,  die  nicht  geben  wollen,  muß  es  eingetrieben  werden; 
für  die  notorisch  Armen  wird  es  aus  den  Kirchengefallen  oder 
der  Armenkasse  gezahlt.  Wo  nichts  zureicht,  kann  in  jedem 
Dorf  noch  eine  besondere  Schulkasse  eingerichtet  werden,  in  die 
jeder  Wirt  monatlich  1  Gr.  pr.  einlegt;  reichere  Leute  können 
mehr  zahlen. 

4)  Da  dieses  zum  Unterhalt  nicht  ausreichen  kann,  und 
viele  Dörfer  auch  zu  arm  sind,  so  muß  jedem  Schulmeister  auch 
die  vom  König  accordierte  Hube  eingeräumt  werden,  und  außerdem 
dafür  gesorgt,  daß  ihm  jährlich  eine  gewisse  Kaiende  gereicht  wird. 

Dieses  Projekt  sollte,  bevor  es  zur  allgemeinen  Durch- 
fuhrung kam,  nach  Vorschlag  der  Autoren  zuerst  in  3  oder 
4  Ämtern,  in  Insterburg,  Rastenburg,  Orteisburg  und  Fisch- 
hausen erprobt  werden  und  zwar  mit  der  ausdrücklichen  Be- 
stimmung, daß  innerhalb  eines  halben  Jahres  alles  eingerichtet 


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132  Da8  Volksschulwesen  im  Königreich  Preußen  cte. 

sei.  Die  sich  dabei  zeigenden  Schwierigkeiten  sollten  dann  ab- 
geändert werden,  damit  die  Durchführung  in  den  übrigen 
Ämtern  leichter  und  geschwinder  fortschreiten  könnte. 

Damit  man  erfahre,  wie  das  Schulwesen  vorwärts  komme, 
sollten  die  Prediger  bei  Androhung  von  nachdrücklichen  Strafen 
verpflichtet  werden,  an  die  Consistorien  über  den  Fortschritt, 
die  etwaigen  Hindernisse  und  deren  Beseitigung  fleißig  zu  be- 
richten. Ferner  sollten  die  Amthauptleute  gehalten  sein,  eifrig 
darauf  zu  sehen,  daß  diese  Sache  der  königl.  Intention  gemäß 
auch  auf  adligen  Gütern  vollführt  werde;  die  Kreissteuerräte 
und  Beamten,  jene  in  den  kleinen  Städten,  diese  auf  dem  Lande, 
müßten  für  die  eilige  Ausführung  dieses  Werkes  Sorge  tragen, 
besonders  auch  dafür,  daß  der  Schulmeister  die  festgesetzte,  durchaus 
notwendige  Subsistenz  erhalte.  Und  bis  zur  vollständigen  Ein- 
richtung im  ganzen  Lande,  sollte  die  Regierung  und  die  Cammer 
alle  halbe  Jahr  an  den  König  referieren. 

Der  König  approbierte  dies  Projekt  und  verordnete  unter 
dem  12.  Septbr.  1729  an  die  Kammer,  Regierung  und  Con- 
sistorien, das  Schulwesen  dergestalt  einzurichten  und  zuerst  in 
den  Ämtern  Insterburg,  Rastenburg,  Orteisburg  und  Fischhausen 
den  Anfang  zu  machen  und  innerhalb  eines  halben  Jahres  zu- 
stande zu  bringen;  hernach  in  allen  übrigen  Ämtern  damit  zu 
continuieren. 

Allein  der  Winter  kam  und  ging,  und  noch  immer  war 
jenem  königl.  Befehl  nicht  Genüge  geleistet  worden.  Vielmehr 
brachte  im  März  1730  die  Cammer  ihre  Bedenken  über  ver- 
schiedene Punkte,  hauptsächlich  in  der  Existenzfrage  der  Lehrer, 
vor  und  zugleich  auch  einen  neuen  Vorschlag  wegen  der  Ein- 
richtung des  Schulwesens,  nach  welchem  die  Schulen  im  Sam- 
ländischen,  im  Amt  Fischhausen,  vom  Erzpriester  Baumgart  ein- 
gerichtet worden  waren.  Die  Cammer  beanstandete  nämlich  die 
Verteilung  der  halben  Hube,  weil  dadurch,  wie  sie  vorgiebt,  das 
Contributionsinteresse  gemindert,  das  catastrum  gestört,  die 
Untertanen,  denen  sie  abgenommen  werden,  merklich  geschwächt 
würden,  und  schließlich  der  Schulmeister  doch  nicht  materiell 


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Von  Adolf.  Keil. 


133 


sicher  gestellt  wäre,  so  daß  er  davon  seine  genügende  Subsistenz 
hätte.  Vielmehr  würde  er  durch  die  große  Landwirtschaft  in 
seiner  Arbeit  an  den  Kindern  behindert  werden,  besonders  im 
Frühjahr  und  Sommer,  wo  der  Landmann  sehr  in  Anspruch  ge- 
nommen wird.  Auch  der  Satz  des  Schulgeldes,  wöchentlich 
2  Gr.  pro  Kind,  wurde  als  eine  zu  hohe  Geldabgabe  angesehen. 
Trotz  alledem  würden  die  Schulmeister  doch  nicht  ihre  nötige 
Subsistenz  haben,  da  sie  nur  für  die  Winterquartale  jenes  Ent- 
gelt erhielten. 

Wohl  liegt  in  diesen  Einwendungen  manches  Richtige,  be- 
sonders in  der  Subsistenzfrage  der  Lehrer.  Demnach  läßt  sich 
das  hervorheben,  was  wir  im  ähnlichen  Falle  bei  Lysius  sagten, 
dem  sich  die  beiden  Autoren  in  der  Regelung  dieser  höchst 
schwierigen  Frage  im  großen  Ganzen  anschlössen.  Immerhin  aber 
ist  dieses  Projekt  zuverlässiger  als  alle  früheren,  da  es  ein  festeres 
und  strengeres  Regiment  für  die  Schule  schuf,  das  damals 
dringend  notwendig  war;  ebenso  ist  es  auch  praktischer  und 
durchführbarer,  als  das  zu  derselben  Zeit  im  Amt  Fischhausen 
vom  dortigen  Erzpriester  eingeführte.  Nach  diesem  Entwurf 
soll  der  Schulmeister  von  jedem  Wirt  jährlich  einen  halben 
Scheffel  Korn  und  eine  Metze  Erbsen  erhalten  und  wöchentlich 
—  ob  derselbe  viel  oder  wenig  Kinder  oder  gar  keine  in  die 
Schule  schickt  —  1  Gr.  pr.  Schulgeld.  Auf  diese  Weise  hätte 
er  jährlich  ein  Fixum  an  Geld,  etwa  13  Thaler  und  14  bis 
15  Scheffel  Korn  und  gegen  2  Scheffel  Erbsen,  vorausgesetzt 
natürlich,  daß  etwa  30  Besitzende  zu  der  betreffenden  Schule 
gehören.  Das  Schulgeld  müßte  dann,  damit  es  den  Leuten  nicht 
schwer  fällt,  wöchentlich  vom  Dorfschulzen  eingezogen  und  an 
den  Schulmeister  abgezahlt  werden.  Diesen  1  Gr.  pro  Kind 
können  auch  die  Inst-  und  Miethsleute,  wenn  sie  Kinder  haben, 
zahlen;  für  die  notorisch  Armen  soll  es  aus  der  Armenkasse  ge- 
reicht werden.  Wo  nicht  so  viel  Wirte  zu  einer  Schule  ge- 
schlagen werden  können,  daß  jener  obige  Satz  herauskommt, 
müßte  ein  jeder  Wirt  statt  des  einen  Groschens  4  und  8/*  Scheffel 
Korn  nebst  1  Metze  Erbsen  geben.    Zudem  brauchen  auch  die 


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134  Das  Volksselm  Iwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 

Einrichtungen  nicht  überall  gleich  zu  sein.  Schließlich,  wenn 
der  Schulmeister  mit  den  Leuten  gut  umgeht,  werden  sie  ihm 
auch  etwas  zu  gute  thuu,  so  daß  er  bei  vollständiger  Steuer- 
freiheit für  sich  und  die  Seinigen  die  notdürftige  Subsistenz 
haben  könnte.  Dann  würden  sich  auch  die  Leute  leichter  be- 
wegen lassen,  ihre  Kinder  soviel  wie  möglich,  auch  im  Sommer 
zur  Schule  zu  schicken;  und  ebenso  würden  sich  tüchtige  Leute 
als  Schulmeister  melden. 

Die  Kammer  hatte  obige  Bedenken  und  Vorschläge  des 
Erzpriesters  von  Fischhausen  begründet  gefunden  und  nachdem 
sie  auch  die  Berichte  und  Vorschläge  von  den  Erzpriestern, 
Predigern  und  Beamten  aus  den  andern  3  Ämtern,  insonderheit 
die  aus  dem  Amt  Orteisburg  erwogen  und  geprüft  hatte,  hielt 
sie  folgenden  Vorschlag  in  der  Subsistenzfrage  für  den  besten: 
„Zu  jeder  Schule  sollen  gewisse  Wirtschaften  wöchentlich  zum 
Unterhalt  der  Schulmeister  1  Gulden  bis  4  Pf.  baar  Geld  und 
jährlieh  das  vorgeschlagene  Getreide  geben;  die  Instleute,  Los- 
gänger und  Gärtner,  so  Kinder  zur  Schule  schicken,  geben 
wöchentlich  1  Groschen.  Die  zum  Aufhau  der  Schulhäuser  er- 
forderlichen Kosten  soll  die  Königl.  Kasse  tragen;  dieselben 
würden  für  22  Schulen,  die  im  Amt  Fischhausen  noch  nötig 
wären,  1G50  Thaler  betragen."  Gleichzeitig  schickte  auch  die 
Kammer  das  Projekt  von  der  Einrichtung  der  Schulen  im  Amt 
Orteisburg  ein,  wo  ein  eifriger,  treuer  Beamte,  der  adlige  Ge- 
richtschreiber Fischer,83)  ein  „rechter  Nehemia",  wie  ihn  D.  Pauli 
zu  Saalfeldt  nannte,  auf  eigene  Hand  das  Schulwesen  organisierte, 
und  wobei  sie  nichts  zu  erinnern  hatte,  als  daß  nur  auch  die 
übrigen  Schulen  in  ähnlicher  Weise  fundiert  und  angebaut 
werden.  Beide  Projekte  gehen  im  September  1730  an  das 
General-Ober-Finanz-Direktorium  nach  Berlin  ab.  Darauf  er- 
hielt die  hiesige  Regierung  und  Kammer  am  17.  Novbr.  1730 
durch  Königl.  Rescript  den  Befehl,  „daß  es  nötiger  und  besser 


33)  Vgl.  Altpreuß.  Monatsschrift  18GG,  S.  302  ff.  Toppen.    Die  Ein- 
richtung der  Elementarschulen  ini  Amt  Orteisburg. 


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Von  Adolf  Keil.  135 

ist,  den  Anfang  mit  dieser  Einrichtung  in  den  litthau  ischen 
und  polnischen  Grenz- Amtern  zu  machen,  und  wenn  da  geendigt 
ist,  in  den  Oberländischen  und  Samländischen  Kreisen  fort- 
zufahren." Beide  Instanzen  sollten  hierüber  conferieren  und  dann 
ein  anderes  Projekt  einsenden,  wie  die  Einrichtung  in  den 
litthauischen  und  polnischen  Ämtern  am  leichtesten  geschehen 
könne. 

Inzwischen  kam  das  Jahr  1731,  wo  der  König  im  Sommer 
unsere  Provinz  bereiste.  Diese  Gelegenheit  nahmen  7  Prediger 
in  Litthauen  wahr  und  stellten  dem  König  vor,  daß  für  die 
Schulen  nichts  gethan  werde;  es  werden  weder  die  nötigen 
Schulhäuser  erbaut,  noch  den  Lehrern  die  bewilligten  Huben 
angewiesen.  Darauf  decretierte  der  König  sub  29.  Juli  1731  an 
die  Regierung  und  Cammer:  „Ihr  habt  ernstlich  ohne  Zeit- 
verlust eine  Designation  von  den  in  litthauischen  Amtern  er- 
forderten Schulen  zu  verfertigen  und  mit  Anschlag,  wie  viel 
Holz  und  Geld  dazu  nötig,  möglichst  bald  hier  einzusenden  und 
in  einer  andern  Specification  nachzuweisen,  welche  Schul- 
meister die  Huben  bereits  empfangen  haben  und  welchen  sie 
noch  fehlen." 

Da  schickte  die  Cammer  am  24.  September  1731  den  Be- 
richt ein,  daß  in  Litthauen  in  10  Ämtern  bereits  19  Schulen 
wirklich  eingerichtet  sind,  und  daß  man  mit  der  Einrichtung 
der  20.  gegenwärtig  beschäftigt  ist.  Der  König  forderte  hierauf 
am  16.  Oktober  1731  noch  eine  accurate  Tabelle,  worin  genau 
anzugeben  war: 

1)  Wie  viel  Dorfschulmeistor  in  Litthauen  schon  angebauet 
und  wie  viel  noch  unumgänglich  fehlen, 

2)  Wie  viel  Schulhäuser  für  dieselben  nötig  sind, 

3)  Wie  hoch  die  Kosten  für  deren  Anbau  sich  belaufen, 

4)  Wie  viel  wüste  Huben  noch  den  Schulmeistern  ein- 
zuräumen sind  und 

6)  Wie  viel  desfalls  an  Zins  von  den  Amtserträgen  abzu- 
schreiben ist. 

Diese  gegenteiligen  Projekte  der  Cammer  einer  Kritik  zu 


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136  Da«  VolksBchulwescn  im  Königreich  PreuBen  etc. 

unterziehen,  verlohnt  sich  nicht,  da  sie  ja  vollständig  ohne  alle 
Principien  zusammengestellt  waren  und  darum  dem  Universal- 
werk nicht  nur  nicht  nützen,  sondern  vielmehr  schaden  konnten 
und  mussten. 

Und  so  geschah  es  auch.  Das  von  Wolff  und  Rogall  ent- 
worfene Projekt,  welches  in  universalem  Sinne  gearbeitet  war, 
wurde  weiter  nicht  beachtet,  und  aus  den  andern  Entwürfen 
ließ  sich  nichts  allgemein  durchfuhrbares  entnehmen.  So  waren 
alle  bisherigen  Versuche  erfolglos  und  das  Schulwesen  blieb  in 
der  alten,  argen  Verfassung. 

Doch  ein  ganz  unscheinbares  Ereignis  trat  ein,  das  [per 
Eescript]  allen  früheren  nutzlosen,  kostspieligen  Versuchen  ein 
Ende  machte,  und  wie  wir  sehen  werden,  endlich  zum  Ziele 
führte.  Am  4.  September  1731  übersandte  der  König  an  die 
hiesige  Regierung  ein  Projekt  zur  Erwägung,  in  welchem  er- 
öffnet ward,  daß  eine  Commission  zur  Durchführung  der  Schul- 
organisation ernannt  werden  sollte;  die  Regierung  sollte  nun 
mit  der  Cammer  und  dem  Consistorium  eine  Instruction  für 
dieselbe  entwerfen,  auch  vorschlagen,  woher  die  Kosten  für  die 
Commission  zu  nehmen  sind.  Dieses  Projekt,  wie  der  Gedanke 
einer  Commission,  ging  aus  von  dem  Kammerrat  von  Grumbkow, 
dem  die  wachsende  Confusion  im  Kirchen-  und  Schulwesen  sehr 
zu  Herzen  ging.  Sein  Projekt  hatte  Grumbkow  seinem  Vetter, 
dem  Etatsminister  v.  Grumbkow  in  Berlin  zugesandt.  Darauf 
antwortete  den  29.  November  1731  die  Eegierung  nach  gemein- 
schaftlicher Überlegung  mit  dem  Consistorium,  daß  die  im 
Projekt  vorgeschlagene  Commission  wenig  Nutzen  haben  würde, 
wie  es  sich  bei  der  von  Mansberg  geleiteten  Untersuchung  ge- 
zeigt hätte,  als  daß  nur  einige  100  Thaler  Diäten  daraufgegangen 
sind.  Die  Regierung  versichert,  daß  sie  jederzeit  die  Amts- 
hauptleute ernst  ermahnt  habe,  die  Kirchenrechnungen  zu 
Michaelis  zu  regeln. 

Daß  dieses  nicht  geschehen  ist,  lag  an  dem  Mangel  von 
Amtshauptleuten. 

Einen  Calculator  bei  den  Kirchenrechnungen  hinzuzuziehen, 


> 


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Von  Adolf  Keil. 


137 


sei  unnötig,  da  die  Amtsschreiber  und  adligen  Gerichtsschreiber 
diese  Arbeit  gratis  thun  müssen,  zumal  da  in  den  litthauischen 
Amtern  diese  Arbeit  von  der  Kirchencommission  schon  1724 
größtenteils  geregelt  ist.  Auch  das  Consistorium  pflichtete  dieser 
Ansicht  bei,  da  eine  Commission  viele  Jahre  hierauf  verwenden 
müßte,  wodurch  die  Kirchen,  die  aus  ihrem  Vermögen  die  Diäten 
zahlen  sollten,  sehr  geschwächt  würden.  Die  perpetuirliche 
Kirchencommission  wird  die  Rechnungen  durchgehen  und  dann 
den  Amtern  und  Magistraten  bei  fiskalischer  Strafe  aufgeben, 
alle  ausstehenden  Gelder  im  Verlauf  eines  *U  Jahres  beizutreiben. 

In  Bezug  auf  das  Schulwesen  hatte  das  Consistorium  dieses 
zu  erwähnen: 

1)  Daß  an  den  meisten  Orten  bei  einer  Schule  ein  Lehrer 
nicht  ausreicht,  da  ca.  60—70  Kinder  „von  diversen  profectibus" 
zu  unterrichten  sind. 

2)  Daß  die  Salaria  so  klein  sind,  daß  man  rechten  soliden 
Männern  mit  gutem  Gewissen  einen  solchen  Dienst  nicht  auf- 
tragen kann. 

3)  Daß  auch  die  Leute  zu  arm  sind,  um  das  Schulgeld 
und  die  sonstigen  Ausgaben  für  Bücher  bestreiten  zu  können. 

Wenn  diese  Hindernisse  nicht  weggeräumt  werden,  dann 
sind  nicht  nur  alle  Mühen  und  Ünkosten  umsonst,  sondern 
auch  der  Endzweck  des  ganzen  "Werkes,  die  Fördorung  der 
Moralität  und  Bildung  des  Volkes  kann  nicht  erfüllt  werden. 

(SchluB  folgt.) 


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Das  Culmcr-Lnnd  und  die  Siid^rcnzc  von 

Pomesanien. 

Von 

Dr.  W.  K$trzyAskl. 

In  meinem  polnisch  geschriebenen  Buche  „über  die  pol- 
nische Bevölkerung  im  Ordenslande  Preußen"  habe  ich  den 
Nachweis  geführt,  daß  bei  Ankunft  des  Ordens  das  Culmer-Land 
ein  rein  polnisches  war  und  daß  gerade  aus  Rücksicht  auf  die 
dortige  Bevölkerung  der  Orden  das  polnische  Recht  in  deutscher 
Sprache  niederschreiben  ließ,  welches  später  Helcel  und  Volk- 
mann nach  einer  Handschrift  des  XIV.  Jahrhunderts  heraus- 
gegeben haben.  Bei  dieser  Gelegenheit  hatte  ich  mir  auch  die 
Frage  gestellt,  ob  nicht  auch  das  Culmer-Land  früher  einstmals 
den  Preußen  gehört  hatte,  wie  wir  dies  vom  Lande  Löbau  be- 
stimmt wissen,  war  aber  zu  dem  Schlüsse  gekommen,  daß  dies 
nicht  der  Fall  sei,  da  kein  schriftliches  Zeugnis  dafür  spreche. 

Schriftliche  Zeugnisse  über  das  Culmer-Land,  sowie  über 
Preußen  aus  den  dem  XIII.  Jahrhunderte  vorangehenden  Zeiten  sind 
sehr  selten,  *)  desto  größeres  Interesse  wird  es  bei  den  Forschern 
preußischer  Geschichte  erregen,  daß  es  mir  im  vergangenen  Jahre 
gelungen  ist,  in  einer  Handschrift  (J.  31)  der  Bibliothek  des 
Capitels  von  Plock  eine  Nachricht  zu  finden,   die  jedenfalls 

*)  Einige  interessante)  Nachrichten  über  Preußen  aus  dem  XII.  und 
XIII.  Jahrhundert*  enthält  die  von  mir  im  vierten  Bande  der  Monumenta 
Pol.  hist.  p.  748—  754  herausgegebene:  Mors  et  miracula  beati  Verneri  epi- 
scopi  Plocensis.  Auetore  Joanne  decano  Plocensi.  Der  Verfasser  war  Kanzler 
Conrads  von  Masovien  gewesen. 


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Das  Culmer-Land  und  dio  Südgrunzo  etc.  Vuu  Dr.  W.Ketrzyriski.  139 


aus  der  zweiten  Hälfte  des  XI.  Jahrhunderts  stammt  und  welche 
auf  das  Culmer-Land  ein  unerwartetes  Licht  wirft.  Obgleich 
durch  dieselbe  meine  Ansicht,  als  ob  das  Culmer-Land  kein  ur- 
sprünglich preußisches  Gebiet  gewesen,  umgestoßen  wird,  so 
hindert  mich  dies  doch  nicht,  von  dem  neuen  Funde  hier  Nach- 
richt zu  geben. 

Das  betreffende  nicht  sehr  umfängliche  Schriftstück  befindet 
sich  in  einer  aus  dem  XTV.  Jahrhunderte  stammenden  Hand- 
schrift und  wird  von  mir  im  V.  Bande  der  Monumenta  Poloniae 
historica  herausgegeben  werden.  Es  führt  den  Titel:  Iste  sunt 
castellanie  ecclesie  Plocensis  cum  villis  pertinentibus  ad  easdem 
und  enthält  ein  überaus  interessantes  und  reichhaltiges  Ver- 
zeichnis aller  Ortschaften,  die  dem  Bisthum  Ptock,  wie  ich  vor- 
muthe,  bei  seiner  Begründung  durch  Vladislaus  Herrmann  von 
Polen  in  der  zweiten  Hälfte  des  XI.  Jahrhunderts  verliehen  wurden. 

Dies  Schriftstück  wurde  einer  in  der  zweiten  Hälfte  des 
Xin.  Jahrhunderts  untergeschobenen  Urkunde  Conrads  von  Ma- 
sovien  aus  dem  Jahre  1203  einverwebt,*)  hat  aber  gerade  dieses 
Umstandes  wegen,  sowie  in  Folge  der  Lückenhaftigkeit  des 
Textes ,  der  an  vielen  Stellen  durch  Mäusefraß  beschädigt  worden 
ist,  nicht  die  Berücksichtigung  gefunden,  welche  es  verdient; 
die  preußischen  Gelehrten  haben  aber  der  Urkunde  keine  Auf- 
merksamkeit schenken  können,  da  aus  der  Preußen  betreffenden 
Stelle  gerade  die  wichtigsten  Worte  ausgefallen  sind. 

Eine  Vergleichung  des  von  mir  aufgefundenen  Schrift- 
stückes, das  mit  der  Form  einer  Urkunde  nichts  gemein  hat, 
ergiebt  das  Resultat,  daß  dasselbe  nicht  der  Urkunde  von  1203 
entlehnt  ist,  sondern  daß  beide  —  Schriftstück  und  Urkunde  — 
aus  einer  gemeinsamen  Quelle  stammen,  die  bereits  einige  Inter- 
polationen aus  dem  Anfange  des  XHI.  Jahrhunderts  enthielt, 
welche  als  solche  selbst  angedeutet  sind. 

Die  das  Culmer-Land  und  Preußen  betreffende  Notiz  lautet 
in   der  Urkunde,  wie  folgt:    Rustk  et  cum  castoribus  super 


*)  Kodeks  dypl.  Ksi^twa  mazowicckiego  p.  337— 338. 


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140  Das  Culmer-Land  und  die  Südgrenze  von  Pomesanien. 

Drwancam  et  cum  appendentibus  villis  ;  im  er- 
wähnten Schriftstücke  dagegen:  Rusck  Castrum  et  cum  castori- 
bus  supra  Druancam  et  eupra  jpsum  Ruz,  Dzetino  et  cum  lacu 
et  cum  appendentibus  villis  in  Pomezania. 

Ehe  wir  uns  an  die  Erklärung  dieser  Stelle  machen,  können 
wir  nicht  umhin,  unser  Bedauern  auszudrücken,  daß  gerade  hier 
unser  Schriftstück  von  seiner  Methode,  alle  Ortschaften  namentlich 
aufzuführen,  eine  Ausnahme  macht. 

Die  Lage  von  Rusck  ist  leicht  zu  bestimmen,  da  zwei 
Flußnamen  dieselbe  fixieren.  Rusck  ist  das  heutige  Ruziec  in 
Polen  am  Flüsschen  gleichen  Namens  nicht  weit  von  der 
Mündung  desselben  in  die  Drewenz.  Die  Städte  Golub  und 
Dobrzyrf  an  der  Drewenz  liegen  kaum  eine  halbe  Meile  davon. 
Der  in  jener  Notiz  erwähnte  See  wird  auf  Specialkarten  noch 
erwähnt.  Statt  Dzetin  dürfte  Dzelin  zu  lesen  und  darunter  das 
etwas  südlicher  gelegene  Dziatyn  zu  verstehen  sein. 

Daß  diese  Gegend  in  frühhistorischer  Zeit  einmal  eine 
wichtige  Rolle  gespielt  habe,  dies  beweisen  die  zahlreichen 
alten  Schanzen  und  Burgberge. 

Im  XI.  Jahrhundert  war  Ruziec  also  ein  forstliches  Castrum 
oder  eine  Castellanei  und  als  solche  der  Sitz  der  Verwaltung 
des  umliegenden  Gebietes.  Wenn  nun  die  zur  Castellanei  Ruziec 
gehörigen  Ortschaften  als  in  Pomesanien  gelegen  bezeichnet 
werden,  so  kann  unmöglich  an  das  Pomesanien  des  Ordenslandes 
gedacht  werden,  auch  nicht  an  das  unmittelbar  jenseits  der 
Ossa  gelegene  Land,  das  der  Orden  dem  Culmer-Lande  einver- 
leibte; alle  diese  Gegenden  liegen  viel  zu  weit  ab  von  Ruziec 
und  können  mit  diesem  in  keinem  Verbände  gestanden  haben. 
Auch  von  dem  südlichen  Theil  des  Löbauer-Landes ,  wo  das 
Bistum  Plock  zahlreiche  Besitzungen  hatte,  kann  nicht  die 
Rede  sein,  da  sie  ebenfalls  viel  zu  weit  abseits  gelegen  sind  und 
1229  eine  eigene  Castellanei  Swiecie*)  (polnisch  Schwetz)  bil- 
deten.   Die  Dörfer,  die  zum  Castrum  Rusck  in  Pomesanien  ge- 


*)  Kodeks  dyplomatyczny  ksiestwa  mazowieckiego  nr.  6. 


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Von  Dr.  W.  K«trzynski. 


141 


hörten,  können  also  nur  in  unmittelbarer  Nachbarschaft  von 
Ruziec  gelegen  haben  und  zwar  auf  dem  rechten  Ufer  der  Dre- 
wenz, das  ist  im  sogenannten  Culmer-Lande,  wo,  wie  wir  wissen, 
der  Bischof  von  Plock  im  Jahre  1222  seine  Besitzungen  dem 
Bischof  Christian  abtrat 

In  jener  Zeit  also,  aus  der  die  von  mir  citierte  Notiz  her- 
rührt, reichte  Pomesanien  noch  bis  an  die  Drewenz,  war  aber 
in  seinem  südlichen  Theil  von  Polen  bereits  occupiert  und  colo- 
nisiert  worden,  so  daß  der  Kirche  von  Plock  ansehnliche  Be- 
sitzungen daselbst  verliehen  werden  konnten.  Ein  Land  Culm 
existierte  damals  noch  nicht.  Da  die  Castellanei  Ruziec  in  bi- 
schöflichen Besitz  überging,  so  wurde  damals  wahrscheinlich 
schon  der  Mittelpunkt  der  fürstlichen  Verwaltung  nach  Culm 
verlegt  und  die  Castellanei  Culm  begründet,  die,  wenn  wir  der 
selbständigen  Nachricht  der  großpolnischen  Chronik*)  Glauben 
beimessen  dürfen,  im  Jahre  1138  bereits  bestand.  Die  Castellanei 
Culm  gab  aber  erst  dem  ganzen  dazu  gehörigen  Bezirke  zwischen 
Weichsel,  Ossa  und  Drewenz  den  Namen  terra  Culmensis. 

*)  Monumenta  Poloniae  hi»t.  II,  518. 


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Nachtrag  zur  Schlacht  you  Tannenberg. 

(Bd.  XXII  S.  637-648.) 
Von 
A.  Horn. 

(Mit  einoin  Plane.) 

Die  Nachholung  des  Schlachtenplanes,  die  in  der  Anlage 
erfolgt,  giebt  mir  Gelegenheit,  auf  einige  andere  Beschreibungen 
der  Schlacht  einzugehen,  nämlich  drei  Beschreibungen  im  dritten 
Bande  der  Scriptores  rer.  Pr.  S.  316,  438  und  724,  sowie  die 
in  Caro's  Geschichte  Polens  Bd.  3  S.  319  ff. 

Zuerst  giebt  die  dritte  Fortsetzung  der  älteren  Hochmeister- 
chronik (S.  724  cit.)  ein  ziemlich  oberflächliches  Bild  von  polnischer 
Seite  wie  folgt  (aus  dem  Lateinischen): 

„Wladislaus,  der  König  Polens  trat  durch  die  Masau  in 
die  Grenzen  Preußens,  in  seinem  Gefolge  Wythold,  Herzog  von 
Lithauen  und  Tachtamgrzus,  Herzog  der  Tartarei  mit  einer  un- 
begrenzten Zahl  Polen,  Rutheuen,  Lithauer  und  Tartaren.  Als 
er  im  Jahre  des  Herrn  1410  die  Grenzen  Preußens  stark  ver- 
wüstete, brach  er  die  mit  Mauern  umgebene  Stadt  Namens 
Dambrowken  (Gilgenburg),  Litthauer  und  Tartaren  zerstörten 
die  Mauern  mit  Feuer  und  Flamme  von  Grund  aus  und  wütheten 
trunken  (debachati)  mit  solcher  Grausamkeit,  daß  sie  nichts 
schonten,  kein  Alter,  kein  Geschlecht.  Denn  die  Priester,  welche, 
wie  man  sagt,  in  ihren  kirchlichen  Gewändern  vor  den  Thüren 
der  Kirche  standen,  tödteten  die  Lithauer  nichtsdestoweniger 
und  wieder  zu  der  Bevölkerung  der  Stadt  gekehrt,  ließen  sie 


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Nachtrag  zur  Schlacht  von  Tannenberg.    Von  A.  Horn. 


143 


dieselbe  durchweg  über  die  Klinge  springen,  schonten  in  ihrer 
Unmenschlichkeit  nicht  die  Kindlein,  die  in  der  Wiege  lagen 
und  die  Tartaren  sollen  sogar  Menschenfleisch  gefressen  haben; 
man  hat  mehrere  Tartaren  ein  Viertel  eines  Knaben  am  Fuß 
durch  einen  Bing  gezogen,  schleppen  gesehen.*)  Als  dies  der 
Hochmeister  der  Kreuzritter  hörte ,  schickte  er  dem  Heere 
unseres  Königs  zwei  Schwerter,  nämlich  eins  für  den  König, 
eins  für  dessen  Bruder  Wythold,  verlangend,  daß  ihnen  vom 
Könige  der  Ort  des  künftigen  Kampfes  angezeigt  werde  (!) 
Als  der  König  dieses  abgelehnt  hatte,  kamen  sie  auf  dem  Felde 
Grunwald  [soll  heißen  Grunfeld,  wonach  die  Polen  die  Schlacht 
benennen]  am  15.  Juli  1410  zusammen  und  kämpften  so  grausam, 
daß  selbst  der  Hochmeister  „Petrus"  (!)  mit  Namen,  der  Marschall 
desselben  und  die  Komthure  des  Lagers,  deren  Zahl  70  gewesen 
sein  soll  und  alle  Kreuzherrn,  vom  Rhein,  aus  Baiern,  Oester- 
reich und  England  und  anderen  Theilen  der  Erde,  Livland  und 
Frankreich,  deren  Zahl  140  000  überschritten  haben  soll,  durch 
das  blutige  Schwerdt  des  Königs  von  Polen  und  seines  Bruders 
"Wythold  zusammenbrachen  und  vom  Boden  vertilgt  wurden, 
wie  der  König  in  dem  (sonst  kein  bemerkenswertes  Detail 
enthaltenden  S.  426  daselbst  wörtlich  abgedruckten)  Briefe  an 
den  Bischof  von  Posen  berichtet." 

Der  unbekannte  Verfasser  dieses  Berichtes  —  anscheinend 
ein  polnischer  Geistlicher  hat  denselben  offenbar  nicht  aus 
eigener  Anschauung,  sondern  aus  seinem  —  betreffs  der  Namen 
schwachen  Gedächtnisse  und  nach  dem  allgemeinen  Eindrucke,  den 

*)  Damit  stimmt  eine  niederdeutsche  Chronik  Scrip.  III  405,  wo  es 
von  den  Tartaren  heißt:  Was  sie  fanden  unterwegs,  Pferde,  Esel,  Maulesel, 
Ochsen,  Schaafe,  das  Fleisch  essen  sie  roh,  das  Blut  trinken  sie.  Wo  sie 
Mangel  daran  litten,  griffen  sie  an  Menschen,  sonderlich  Frauen  und  Jung* 
frauen,  die  entehrten  sie  und  wenn  sie  ihren  schnöden  Willen  mit  ihnen 
vollbracht,  so  spicken  sie  sie  durch,  saugen  aus  ihr  Blut  und  das  Fleisch 
fressen  sie  roh.  Wo  sie  Kinder  finden,  da  schlagen  sie  ihnen  ab  die  Köpfe, 
schneiden  ihnen  den  Bauch  auf,  werfen  die  Kaidaunen  heraus  und  essen 
etwa  die  Hälfte,  die  andere  Hälfte  hängen  sie  in  den  Sattel  (zadel)  und 
essen  darnach,  wenn  sie  hungert.  Mit  all  dieser  gräßlichen  Wunderlichkeit 
sogen  sie  in  das  Land  Preußen. 


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144  Nachtrag  znr  Schlacht  von  Tannenberg. 


die  Grausamkeiten  in  Gilgenburg  selbst  auf  polnischer  Seite 
machten,  niedergeschrieben. 

Viel  genauer  und  anscheinend  aus  eigener  Beobachtung 
ist  die  Schilderung  des  Verfassers  der  sog.  Cronica  conflictus, 
welche  S.  436—439  daselbst  abgedruckt  ist.  Sie  ist  zu  weit- 
läufig, um  sie  hier  wörtlich  zu  übersetzen,  doch  genügt  wol 
ein  Auszug. 

Nachdem  die  Gesandten  des  Königs  von  Ungarn,  Nicolaus 
de  Gora,  Stibor  aus  Siebenbürgen  und  Christoph  von  Kunzen- 
dorf vergeblich  zwischen  beiden  Theilen  den  Frieden  vermittelt, 
zieht  Jagello  am  Sontag  den  6.  Juli  durch  das  den  Kreuz- 
rittern verpfändete  Land  Zakrze  an  der  Mlawka,  plündert,  ent- 
faltet vor  Asztyn  (Hohenstein)  seine  Banner  und  Feldzeichen; 
am  10.  Juli  rückt  er  vor,  hält  einen  Tag  Bast,  begiebt  sich 
dann  aber  zurück,  verliert  einige  Steinkugeln  oder  Steinbüchsen 
(pixidum  lapides).  Sie  werden  von  Preußen  gefunden  und  zum 
Hochmeister  gebracht;  Meister,  der  König  flieht  schon!  rufen  sie. 
Der  Meister  forscht  nach,  kann  aber  nicht  erkennen,  warum  sich 
der  König  zurückzieht,  was  deshalb  geschah,  weil  er  nicht  ohne 
große  Schwierigkeiten  über  die  Drwanka  (Drewenz)  setzen 
konnte.  Der  König  mußte  daher  dessen  Quellen  umgehen.  Am 
11.  Juli  rastet  er  vor  Dubrowno  (Gilgenburg)  zwei  Tage,  läßt 
dann  die  Stadt  heftig  angreifen  und  erobern  und  blieb  da  herum 
zwei  Tage.  (Von  den  verübten  Gräueln  schweigt  der  Autor).  Am 
Abend  des  14.  Juli  waren  starke  Ungewitter,  Blitze  und  Donner 
und  große  Regengüsse  machten  die  Erde  feucht  und  weich,  welche 
vorher  von  der  Sonnenhitze  so  staubig  war,  daß  beim  Marsche 
des  Heeres  einer  den  andern  vor  Staub  nicht  sehen  konnte. 
Ein  großer  "Wind  erhob  sich,  der  das  Lager  und  die  Zelte  der 
Preußen  aufwickelte.  Einige  Biedermänner  wollen  den  Mond 
in  Blut  getaucht  und  darin  ein  rothes  Schwerdt  gesehen 
haben.  Am  Morgen  darauf  als  die  Finsterniß  weicht,  strömt 
Regen;  doch  bald  erhebt  sich  die  klare  Sonne.  Gleich  fangt 
der  König  (der  im  Herzen  der  Heide  geblieben  war,  als  der  er 
geboren  und  erzogen  war  und  trotz  seiner  63  Jahre  nur  für 


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Von  A.  Horn. 


145 


Festlichkeiten  und  Weiber  Sinn  hatte)  an,  vor  dem  Volke  eine 
feierliche  Messe  zu  hören  und  läßt  sich  darin  auch  stundenlang 
nicht  stören,  obwohl  ein  Bote  über  den  andern  ihm  die  Nähe 
der  Preußen  meldet.  Endlich  erhebt  er  sich,  giebt  das  Feld- 
geschrei Krakau  und  "Wilna!  aus  und  steigt  zu  Pferde;  dann 
folgt  die  Geschichte  von  den  Herolden  und  den  langen  Reden, 
endlich  —  man  erfahrt  später,  es  war  9  Uhr  früh  —  stimmt 
alles  das  Schlachtenlied  „Boga  rodzycza"*)  an,  und  schritt  — 
mit  Thränen  in  den  Augen,  welche  ihnen  die  Ermahnungen  des 
Königs  hervorgerufen!  —  zum  Kriegshandwerk.  Auf  dem 
rechten  Flügel  fing  Witold  mit  seinem  Volke  den  Streit  mit 
den  ihm  gegenüber  unter  der  St.  Georgsfahne  stehenden  Fremden 
an.  Ein  leichter  warmer  Regen  füllt  und  befreit  die  Füße  der 
Pferde  vom  Staub.  Obwohl  bei  Beginn  des  Regens  die  Feinde 
zwei  Salven  aus  ihren  Steinbüchsen  geben,  weil  sie  viele  Stein- 
büchsen hatten,  thaten  sie  den  Angreifern  (Polen)  doch  keinen 
Schaden,  zogen  sogleich  diese  Geschosse  zurück  und  stürzten 
sich  wüthend  in  den  Kampf  (bellum  fecere  asperrimum). 

Als  schon  beide  Heere,  sowohl  das  des  Königs  als  auch 
das  Witolds  mit  der  ganzen  Schlachtreihe  der  Feinde  hand- 
gemein war  und  auserlesen  starke  Trupps  der  Preußen  über 
dem  Volke  Witolds  standen,  kam  das  Banner  des  St.  Georg 
und  das  Banner  unserer  ersten  Schlachtreihe  mit  großem  Ge- 
schrei und  Ansturm  der  Pferde  an  einem  kleinen  Thale  zu- 
sammen, wo  beide  Theile  den  Berg  herabkommend  sich  durch 
wechselseitigen  Hieb  und  Stich  zu  zerfleischen  suchten.  An 
jener  Stelle  fand  man  nach  dem  Streite  aus  den  Speeren,  die 
damals  von  den  Pferden  zertrampelt  waren  und  von  dem  Gipfel 
jedes  der  Hügel  von  selbst  die  Höhe  herabrollten  und  unten 


*)  D.  h.  Gottesgebarerin,  der  Anfang  eines  alten  slavischen  Kirchen* 
liedes,  welches  der  heilige  Adalbert  verfallt  haben  soll  und  mit  dem  die 
Polen  schon  im  11.  und  noch  im  18.  Jahrhundert  in  die  Schlacht  zogen. 
(Vgl.  kathol.  Kircheublatt,  Danzig  1865  S.  105-108  und  Wiszniewski  polnische 
Literaturgeschichte  I.  1840). 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIII.  Hfl.  Ul  10 


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146  Nachtrag  zur  Schlacht  von  Tannenberg. 

im  Thal  sich  sammelten,  gleichsam  eine  mit  der  Hand  gemachte 
Brücke. 

Nachdem  auserlesene  Schaaren  der  Kreuzherren  fast  eine 
Stunde  mit  Witolds  Leuten  hart  gestritten,  müssen  diese 
weichen,  glauben,  die  Verfolger  haben  bereits  gesiegt  und  die- 
jenigen hinten,  welche  zurückzugehen  gezwungen  werden,  be- 
ginnen zu  fliehen.  Einzelne  Verfolger  verlieren  ihr  Banner  aus 
dem  Auge,  zerstreuen  sich  und  werden  gefangen  oder  mit 
dem  Schwerdte  niedergemacht.  Die  zurückgedrängten  Slaven 
bleiben  stehen  und  werden  unter  dem  großen  Banner  des 
Kastellan  von  Krakau  (Zindram),  des  Palatin  von  Sandomir  u.  a. 
Bannern  gesammelt.  Nun  begann  ein  neuer  harter  Streit  und 
viele  fielen  hüben  und  drüben;  derselbe  dauerte  6  Stunden; 
da  flohen  die  Kreuzherren  zu  ihrer  "Wagenburg  (ad  stationes). 
Der  Hochmeister  kam  aus  einem  "Wäldchen  mit  15  und  mehr 
Bannern  und  lenkte  diese  gegen  die  Person  des  Königs  und 
schon  hatten  sie  Lanzen  und  Speere  in  die  Schilder  gebohrt. 
Der  König  will  sein  Pferd  ihnen  entgegen  lenken,  wird  aber 
von  seinen  Bojaren  daran  gehindert.  Einer  der  Ritter  trennt 
sich  aus  der  Reihe  und  sprengt  gegen  den  König  an.  Der 
König  aber  ergriff  eine  Lanze  und  warf  sie  dem  Angreifer  ins 
Gesicht,  so  daß  er  todt  vom  Pferde  fiel.  Die  Reihen  des  Hoch- 
meisters greifen  an,  werden  geschlagen,  er  selbst  getödtet,  die 
Flucht  der  Kreuzherrn,  anfangs  nach  den  abgemessenen  Stationen 
(der  "Wagenburg),  dann  vereinzelt  wird  allgemein.  Der  König 
verbietet  die  Verfolgung,  um  sich  nicht  von  den  Seinen  zu 
trennen,  legt  wegen  der  großen  Sonnenhitze  den  Helm  ab  und 
kommt  ebenfalls  nach  der  "Wagenburg  der  Ritter;  passirt  dann 
ein  "Wäldchen  und  dankt  Gott  für  den  Sieg.  Die  Schlacht  war 
3  Stunden  vor  Mittag  begonnen  (9  Uhr)  und  etwa  eine  Stunde 
vor  Sonnenuntergang  beendigt  (8  Uhr). 

Der  Bericht  giebt  wenig  technisches  Material  und  scheint 
von  keinem  Sachverständigen  herzurühren.  Ich  bezweifle  auch, 
daß  er  von  einem  Augenzeugen  herrührt.    Denn  das  Thal,  in 


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Von  A.  Horn. 


147 


welchem  sich  die  Brücke  von  abgebrochenen  Lanzenschaften  be- 
funden haben  soll,  existirt  in  der  Natur  überhaupt  nicht.  Das 
Terrain  ist  zwar  gegen  die  Stelle,  an  welcher  der  erste  Zu- 
sammenstoß stattgefunden  haben  soll,  abgedacht,  allein  nicht 
nach  Art  eines  Grabenthaies,  sondern  die  Senke  findet  kilometer- 
weise ganz  sanft  statt,  ich  habe  eine  Schlucht,  wie  sie  der 
Bericht  voraussetzt,  nicht  bemerken  können,  alles  ist  völlig 
ebenes  Ackerland.  Eine  Schlucht  müßte  jetzt  noch  erkennbar 
sein.  Es  könnte  sich  nur  etwa  um  einen  gewöhnlichen  Graben 
handeln  und  dann  hätte  der  Autor  mit  der  langathmigen  Ge- 
schichte von  dem  Thale  und  der  Speerbrücke  stark  übertrieben. 


Professor  Caro  hat  im  dritten  Bande  seiner  bis  in  die  ersten 
Zeiten  Casimirs  reichenden  polnischen  Geschichte,  in  welchem  er 
mit  Vorliebe  den  slavischen  Standpunkt  vertritt,  die  Schilderung 
des  unbekannten  Autors  der  Conflictschronik  zu  Grunde  gelegt  und 
die  Darstellung  von  Dlugoß  verlassen.  Wie  es  scheint  hat  er 
in  letzterem  Punkte  Recht.  Nach  der  wiederholten  Beleuchtung 
desselben,  welche  dieser  Schriftsteller  im  3.  und  4.  Bande  der 
Geschichte  Polens  erfahrt,  muß  man  seine  ganze  Darstellung 
für  eine  tendenziöse  halten,  nicht  sowohl  die  Slaven,  als  viel- 
mehr einen  einzigen  Mann  derselben,  den  späteren  Kardinal 
Zbygniew  Olesnicki,  zu  verherrlichen  bestimmt. 

Es  ist  ein  merkwürdiges  Zusammentreffen,  daß  die  beiden 
bedeutendsten  Geschichtsschreiber  des  Ostens  im  15.  Jahrhundert 
Johann  von  Posilge,  Offizial  des  Bischofs  zu  Riesenburg,  und 
Dlugos,  Domherr  des  Erzbischofs  von  Krakau,  Secretaire  von 
Bischöfen  waren.  Vermuthlich  waren  beide  ursprünglich  Juristen, 
welche  um  jene  Zeit  vielfach  in  bedeutende  geistliche  Stellungen 
traten,  wie  z.  B.  der  Zeitgenosse  Willrichs  von  Kniprode,  Bischof 
Johann  zu  Heilsberg  ehemals  Secretair  des  Kaisers  Karl  IV  war, 
mit  dem  er  auch  befreundet  blieb.  Dlugos  war  in  dieser 
Stellung  die  rechte  Hand  des  Zbygniew  und  der  rothe  Faden 
seiner  ganzen  Geschichte  ist  die  Lobpreisung  dieses  seines  Herrn 
und  dessen  Familie.    Alles  lobt  er,  obwohl  Manches  Tadel  ver- 

10* 


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148 


Nachtrag  zur  Schlacht  von  Tannenberg. 


dient.  Denn  sein  Patron,  den  er  —  seine  Dichtung  beginnend 
—  als  jungen  Sekretair  des  Königs  Jagiello  in  der  Schlacht  bei 
Tannenberg  zum  Lebensretter  des  Königs  macht  —  er  soll  den 
Ordensritter,  der  den  König  mit  der  Lanze  angriff,  mit  einem 
Lanzenwurf  vom  Pferde  geschleudert  und  getödtet  haben  — 
war  wegen  seiner  Herrschsucht  und  seines  übertriebenen  Ne- 
potismus allgemein  verhaßt,  hat  aber  gleichwohl  Polen  als  erster 
Minister  Jagellos  von  1410  bis  zu  dessen  Tod  —  etwa  20  Jahre 
lang  unbeschränkt  regiert,  unter  der  kurzen  Regierung  seines 
minderjährigen  Sohnes  Wladislaus  II.,  der  in  einem  Kreuzzuge 
gegen  den  griechischen  Kaiser  verschwand,  die  Regentschaft 
geführt  und  wurde  erst  unter  Kasimir  nach  vielem  Streit  um 
den  Kardinalshut,  den  ihm  endlich  sein  Dlugoß  aus  Rom  holte 
und  nach  allgemeinem  Zerwürfhiß  mit  den  Großpolen  um  Gnesen 
entlassen,  worauf  er  bald  starb. 

Einem  Geschichtsschreiber  mit  der  klardurchsichtigen 
Tendenz  des  Dlugoß  kann  man  auch  bei  der  Darstellung  der 
Schlacht  von  Tannnenberg  nicht  folgen. 

Ganz  anders  steht  Johann  v.  Posilge  da.  Seine  Darstellung 
bleibt  überall  objektiv.  In  der  Regel  ist  sie  knapp,  bei  der 
Schlacht  von  Tannenberg,  die  in  seinem  Geiste  von  einem 
seiner  Fortsetzer  geschildert  worden,  wird  sie  ausführlicher.  Ich 
führe  sie  zum  Schluß  an. 

„Diese  (in  Gilgenburg  verübte)  große  Schmäheit  und  Laster 
ging  dem  Meister,  dem  ganzen  Orden  und  allen  Rittern  und 
Knechten  von  Gästen  gar  sehr  zu  Herzen.  Sie  zogen  mit  ein- 
trächtigem Mut  und  Willen  dem  Könige  entgegen  von  Löbau 
zum  Tannenberge,  dem  Dorfe  im  Gebiete  von  Osterode,  kamen 
auf  den  König  ungewarnt  und  hatten  mit  großer  Eile  gejagt 
wol  drei  Meilen.  Und  als  sie  der  Feinde  ansichtig  wurden, 
sammelten  sie  sich  und  standen  im  Angesicht  der  Feinde 
über  drei  Stunden.  Der  König  schickte  dieweile  die  Heiden 
(Tartaren)  zum  Vorstreit  und  die  Polen  waren  ganz  ungewarnt. 
Hätten  sie  den  König  von  statt  an  (sofort)  angegriffen, 
sie  hätten  Ehre  und  Gut  erworben!    Aber  das  geschah 


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Von  A.  Horn. 


149 


leider  nicht,  sie  wollten  ihrer  wohl  erbeiten  [warten]  und  ritter- 
lich mit  ihnen  streiten.*)  Und  der  Marschall  sandte  dem  Könige 
zwei  bare  Schwerdter  bei  den  Herolden,  daß  er  nicht  so  liego 
im  "Walde,  sondern  daß  er  hervorzöge  auf  das  Feld,  sie  wollten 
mit  ihm  Streites  pflegen.  Da  erst  zog  die  Heidenschaft  in  den 
Streit  und  von  der  Gnade  des  Herrn  wurden  sie  vor  die  Füße 
weg  geschlagen.  Und  die  Polen  kamen  ihnen  zu  Hilfe,  es  ward 
ein  großer  Streit  und  der  Meister  mit  den  Seinigen  schlugen  sich 
drei  Stunden  durch  mit  Macht  und  der  König  war  gewichen, 
also  daß  sie  sangen  „Christ  ist  erstanden!"  Des  kamen  seine 
Gäste  und  Söldner.  Als  diese  nun  vermüdet  waren  und  trafen 
mit  ihnen  auf  die  Seite  und  die  Heiden  auf  die  andere  und 
umgaben  sie  und  schlugen  den  Meister  und  die  Großgebietiger 
und  gar  viele  Ordensbrüder  alle  tot,  weil  sie  auf  nichts  anderes 
absahen,  als  auf  die  Brüder  und  die  Pferde.  Und  schlugen  die 
Fahne  des  Meisters  und  des  Ordens  nieder.  Und  etliche  Böse- 
wichte, Ritter  und  Knechte  des  Landes  Kulm  unterdrückten 
das  kulmische  und  andere  Banner,  die  da  flüchtig  wurden,  also 
daß  ihrer  gar  wenig  davon  kamen.  Und  die  Leute  wurden  in 
der  Flucht  geschlagen  von  Tartaren,  Heiden  und  Polen  ohne 
Wehr,  also  daß  der  König  mit  den  Seinigen  das  Feld  behielt. 
Hätte  man  nicht  zu  wenig  gewagt  und  wären  des 
Ordens  Sachen  anders  bestellt,  es  möchte  gekommen  sein 
zu  großem  Frommen,  wenn  der  Meister  gestritten  hätte  mit 
seinem  ganzen  Haufen  und  der  König  ebenso  mit  seinem  Haufen! 
das  brachte  dem  Orden  großen  Schaden  und  dem  Könige  und 
den  Seinen  großes  Frommen  zu  ihrem  Glück  und  Segen."  — 
Strehlke,  der  Herausgeber  des  IH.  Bands  der  Scriptores 
(Anm.  2  S.  317)  vergleicht  mit  Recht  die  Schlacht  bei  Tannen- 
berg mit  der  großen  Türkenschlacht  bei  Nicopolis  1396  „in  der 
sich   auch    ritterliche  Gesinnung    zum  eigenen  Ver- 

*)  Wie  begrändct  ist  dieser  Hieb  auf  die  Turnierregeln!  Während 
alles  auf  dem  Spiele  stand  und  ein  frischer,  fröhlicher  Angriff  alles  gerettet 
hätte,  kann  sich  die  Marschallspartei  nicht  von  dem  Formen wesen  der 
Turniere  trennen  und  schickt  Herolde  mit  den  Schwerdtern! 


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150 


Nachtrag  zur  Schlacht  von  Tannenberg. 


derben  die  Benutzung  wichtigster  taktischer  Vortheile 
versagte."  Aber  wen  11  auch  immerhin  mit  dem  Herold-  und 
Schwerdtersenden  kostbare  Zeit  verloren  ging;  den  Hauptantheil 
am  Verluste  der  Schlacht  tragen  ohne  Zweifel  die  schweren 
Panzer  der  Reiterei  und  die  Sonnenglut  auf  deutscher  Seite, 
welche  auch  die  stärkste  Kraft  lähmen  mußten,  während  die 
Polen  aus  dem  Schatten  der  "Wälder  stets  frische  neue  Glieder 
stellen  konnten. 

Alle  Nachrichten,  die  wir  im  Vorstehenden  gesammelt,  ent- 
halten nur  einzelnes  schätzenswerthes  Detail,  genügen  aber 
nicht,  um  einen  sachverständigen  Schlachtenbericht  herzustellen, 
was  daher  auch  weder  einem  Voigt  noch  der  Feder  Caro's  ge- 
lingen konnte  und,  wie  es  scheint,  aufgegeben  werden  muß. 
Nicht«  erklärt  die  auffallendste  Thatsache,  die  von  allen  Bericht- 
erstattern Übereinstimmend  verbürgt  und  darum  als  wahr  an- 
zunehmen ist,  daß  die  Ritter  mindestens  drei  Stunden  unthätig 
vor  dem  Feinde  standen  und  diesen  sich  vor  ihren  Augen  ent- 
wickeln ließen.  Das  muß  entschieden  auf  eine  Differenz  in  der 
Leitung  zurückgeführt  werden  und  kann  anders  gar  nicht  er- 
klärt werden.  Daß  uns  verborgen  geblieben,  worin  diese  Differenz 
bestanden  hat,  ist  ganz  natürlich.  Nur  wenige  werden  darum 
gewußt  haben  und  diese,  namentlich  der  Hochmeister  und  der 
Marschall,  fielen  in  der  Schlacht.  Wenn  aber  auch  einer  von 
den  "Wenigen,  die  ihr  Leben  daraus  retteten,  darum  gewußt 
haben  sollte,  so  verschloß  ihnen  das  Amtsgeheimniß,  welches 
nirgends  strenger  gehalten  ist,  als  in  den  Conventen  der  Ritter 
und  auf  den  Grundregeln  "Werners  von  Orseln  beruhte,  den 
Mund  und  darum  hat  uns  dieses  Geheimniß  keiner  der  Ueber- 
lebenden  Überliefern  dürfen. 


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Kritiken  und  Referate. 


*ri$  Äannudict.  £iftortfd)er  Womon  von  Hrt&ur  öobrccbt.   2  33bc.  Berlin. 
Verlag  oon  SS  übe  Im  fccrfc.   1885.   (XII,  385  unb  490  3.   gr.  8.) 

Es  ist  eine  nicht  unbedenkliche  Suche,  historische  Begebenheiten  dich- 
terisch zu  behandeln,  ohne  zugleich  diejenigen  Personen,  welche  in  Wirk- 
lichkeit einstmals  im  Mittelpunkt  der  Ereignisse  standen,  auch  zum  Mittel- 
punkte der  Dichtung  zu  machen.  Die  geschichtliche  Treue  und  ein  gewisser 
Respekt  vor  den  fiberlieferten  Kenntnissen  des  Publikums  verlangen  es,  daß 
der  wahre  Held  einstiger  Tage  auch  in  der  dichterischen  Schilderung  derselben 
entsprechender  Weise  in  den  Vordergrund  trete  —  dem  Dichter  muß  daran 
liegen,  soviel  wie  möglich  seinen  Helden  als  Träger  der  Handlung  erscheinen 
zu  lassen  — :  ist  nun  dieser  nicht  mit  jenem  identisch,  und  setzt  sich 
andrerseits  der  Dichter  nicht  mit  kühnem  Entschluß  über  alle  Bedenken 
seines  historischen  Gewissens  hinweg,  so  entsteht  daraus  ein  Widerspruch 
zwischen  Sollen  und  Wollen,  wenn  man  so  sagen  darf,  der  nicht  selten  zu 
erheblichen  Unzuträglichkeiten  führen  muß,  und  welcher  stets  um  so  fühl- 
barer hervortreten  wird,  je  näher  die  geschilderten  Zeiten  den  heutigen 
liegen  und  je  frischer  infolgedessen  die  Erinnerung  an  dieselben  im  Volke 
lebendig  ist.  Denn  gar  leicht  kann  es  dann  kommen,  daß  infolge  des  Be- 
strebens trotz  der  Einführung  eines  „unhistorischen4'  Helden  die  geschicht- 
liche Treue  in  möglichst  weitem  Umfange  zu  wahren,  der  Held,  da  er  in 
allen  springenden  Punkten  hinter  seinem  historischen  Nebenbuhler  zurück- 
treten muß,  zu  einer- unerfreulichen  Passivität  vorurteilt  wird,  und  sich  zu- 
gleich das  Interesse,  welches  naturgemäß  in  erster  Linie  dem  Helden  der 
Dichtung  gebührt,  durch  das  Vorhandensein  einer  immer  wieder  als  Träger 
der  Handlung  auftauchenden  andern  Persönlichkeit  in  unvorteilhafter  Weise 
zersplittert.  Die  daraus  sich  ergebenden  Unzuträglichkeiten  zu  beseitigen 
oder  wenigstens  auf  ein  möglichst  geringes  Maaß  zu  reduciren,  wird  unter 


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Kritiken  und  Referate. 


den  gekennzeichneten  Umständen  stete  Sache  der  Geschicklichkeit  des  ein- 
zelnen Dichters  bleiben  müssen,  aber  es  wird  oft  viel  Mühe  vergeblich  darauf 
verwandt  werden,  diese  Schwierigkeiten  zn  einer  befriedigenden  Lösung 
zu  bringen. 

Auch  der  vorliegende  Roman  findet  diese  befriedigende  Lösung  nicht. 
Derselbe  leidet  vielmehr  sichtlich  unter  dem  erwähnten  Widerspruch  und 
den  daraus  resultirenden  eben  kurz  angedeuteten  Consequenzen. 

Der  Roman  spielt  in  der  Zeit  jener  langwierigen  und  zum  Teil  er- 
bitterten Kämpfe,  welche  der  große  Kurfürst  im  Interesse  seiner  Souveränetät 
mit  den  preußischen  Ständen  zu  bestehen  hatte.  Auf  diesem  Hintergrunde 
giebt  er  sich  den  Anschein,  wie  bereits  der  Titel  besagt,  die  Erlebnisse  Fritz 
Kannachers,  eines  jungen  brandenburgischen  Offiziers  zu  schildorn,  der  nach 
Ostpreußen  kommt,  um  sein  vom  Vater  ererbtes  aber  durch  Verpfändung  in 
fremde  Hände  übergegangenes  Gut  zurüokznerlangen ,  und  nach  Ueber- 
windung  von  mancherlei  Hindernissen  dieses  Ziel  schließlich  auch  erreicht 
In  Wahrheit  aber  —  wenigstens  vermeinen  wir,  daß  auch  jeder  andere 
Leser  auf  eine  entsprechende  Frage  dies  als  Inhalt  des  Romans  bezeichnen 
wird  —  behandelt  er  die  ihrem  äußern  Verlauf  nach  aus  der  Geschichte 
genugsam  bekannte  Aftaire  Kalkstein.  Jedenfalls  steht  die  charaktervolle 
und  markige  Gestalt  des  Obersten  von  Kalkstein,  sein  hartnäckiges  An- 
kämpfen gegen  eine  Politik,  mit  der  er  sich  nicht  zu  befreunden  vermag, 
sein  Unglück  und  sein  demnächst iges  tragisches  Ende  vom  ersten  Augen- 
blick an,  da  er  selbst  thät  ig  in  die  Handlung  des  Romans  eingreift  —  und 
das  ist  bereits  in  den  ersten  Kapiteln  des  ersten  Bandes  —  so  ganz  und 
fortdauernd  im  Mittelpunkt  des  Interesses,  daß  alles  andere  daneben  nur  wie 
episodenhaftes  Beiwerk  erscheint.  Auch  der  Verfasser  fühlte  .das  wol,  und 
da  er  den  Schwerpunkt  dor  Dichtung  so  unabweisbar  von  seinem  Helden 
auf  eine  andere  Persönlichkeit  übertragen  sah,  suchte  er  eine  Art  von  Zu- 
flucht darin,  daß  er  die  Schicksale  des  ersteren  so  enge  als  möglich  mit 
denen  des  letzteren  verknüpfte.  Aber  gerade  dadurch  wird  sein  Held  erst 
recht  in  eine  zweite  und  passive  Rolle  herabgedrückt,  und  tritt  es  um 
so  fühlbarer  hervor,  daß  derselbe  zu  der  den  Roman  beherrschenden  Be- 
gebenheit in  so  gut  wie  gar  keiner  inneren  Beziehung  steht.  Wo  in  dem 
Romane  gehandelt  wird,  da  geschieht  es  in  der  That  von  \ind  um,  für  und 
wider  Kalkstein,  da  dreht  es  sich  um  Verwirklichung  der  Pläne,  der 
Wünsche,  der  Hoffnungen  dieses  Mannes.  Die  eigentlichen  Schicksale  Kan- 
nachers spielen  sich  daneben  gewissermaßen  in  den  Zwischenpausen  ab, 
welche  die  Darstellung  des  Kalksteinschen  Dramas  der  Phantasie  und  dem 
Interesse  des  Lesers  noch  übrig  läßt.  Umgekehrt  dagegen  werden  sogar 
Partieen,  an  welchen  Kannacher  selbst  ohne  jede  aktuelle  Beteiligung  ist, 
die  aber  zu  dem  Schicksal  des  Obersten  Kalkstein  in  engster  Beziehung 


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Fritz  Kannacher.    Historischor  Roman. 


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stehen,  wie  z.  B.  der  Prozeß  gegen  die  beiden  Leibdiener  desselben  beim 
Kurfürstlichen  Hofhalsgericht  mit  einer  fast  peinlichen  Genauigkeit  gegeben. 
Gerade  aber  an  solchen  Stellen  zeigt  sich  recht  deutlich,  wie  wenig  der 
nominelle  Held  des  Romans  in  Wirklichkeit  diese  Rolle  spielt. 

Angesichts  dieser  Thatsache  könnte  man  sich  nun  vielleicht  veranlaßt 
fühlen,  zu  vermuthen,  daß  nur  der  Titel  verfehlt  sei,  und  der  Roman  ebensogut 
oder  richtiger  „Kalkstein"  hätte  genannt  werden  können.  Indessen  dem 
widerspricht  wiederum  nicht  nur  die  deutlich  erkennbare  Absicht  des  Ver- 
fassers, sondern  auch  der  mehrfach  sich  wiederholende  Umstand,  daß  die 
Handlung,  welche  sich  noch  eben  angelegentlich  mit  der  Person  Kalksteins 
zu  beschäftigen  schien,  dann  auf  einmal  nnd  gerade  an  den  wichtigsten 
Punkten  bezüglich  seiner  Person  vollkommen  aussetzt.  So  geschieht  es 
zum  Beispiel  gelegentlich  seiner  ersten  Gefangennahme:  Nachdem  wir  ihn 
kurz  vorher,  wenn  nicht  als  Freund,  so  doch  in  vollem  Frieden  mit  dem 
Kurfürsten  verlassen  haben,  und  inzwischen  in  einigen  Kapiteln  von  andern 
Personen  nnd  Dingen  unterhalten  sind,  finden  wir  ihn  plötzlich  als  Hoch- 
verräther im  Gefängniß  wieder,  und  haben  von  da  ab  in  vielen  Kapiteln 
Gelegenheit,  von  einem  Prozesse  zu  hören,  auf  den  wir  nicht  im  geringsten 
vorbereitet  waren,  nnd  über  dessen  Inhalt  wir  auch  länger  als  billig  im 
Dunkeln  bleiben.  Noch  fühlbarer  zeigt  sich  dieselbe  Erscheinung  an  anderer 
Stelle:  gerade  das  wichtigste  Stück  der  ganzen  Kalksteinschen  Affaire,  die 
unheilvolle  Katastrophe  seiner  plötzlichen  Gefangennahme  in  Warschau 
spielt  sich  so  zu  sagen  hinter  der  Scono  ab.  Nur  gelegentlich  erfahren  wir 
aus  drittem  Munde  in  ein  paar  Worten,  was  sich  inzwischen  zugetragen: 
aber  es  erweckt  fast  eine  unangenehme  Empfindung,  wenn  wir  den  bedeu- 
tenden, energischen  und  klugen  Mann,  den  wir  eben  mit  Gewalt  und  List 
die  Ketten  durchreißen  sahen,  welche  ihn  in  unwürdiger  Lage  daheim  ge- 
fesselt hielten,  nach  einer  Weile,  während  der  wir  ihn  ganz  und  gar  aus 
den  Augen  verloren,  wieder  als  ohnmächtigen  Mann  gefangen  hinter  den 
dicken  Mauern  der  Feste  Memel  wiederfinden,  ohne  zu  wissen,  wie  das  ge- 
kommen und  wie  das  hatte  kommen  können. 

Mag  man  nun  auch,  von  dem  Gedanken  ausgehend,  daß  der  Roman 
nicht  die  strenge  Struktur  eines  Dramas  erfordere,  solche  Mängel  mit  Nach- 
sicht beurteilen,  so  läßt  sich  doch  jedenfalls  nicht  leugnen,  daß  durch  die- 
selben eine  gewisse  Zwiespältigkeit  in  die  Dichtung  gekommen  ist,  welche 
die  Einheitlichkeit  in  der  Führung  der  Handlung  nicht  unerheblich  beein- 
trächtigt und  selbst  dem  unbefangenen  Leser  gelegentlich  in  störender  Weise 
zum  Bewußtsein  gelangt. 

Abgesehen  von  diesen  lediglich  die  Komposition  des  Ganzen  betreffen- 
den Mängeln  läßt  sich  dem  Roman  viel  Gutes  nachsagen.  Der  Verfasser 
weiß  geschickt  und  wo  es  noth  thut,  spannend  zu  erzählen:  es  kann  daher 


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Kritiken  und  Referate. 


nicht  fehlen,  daß  es  ihm  an  der  Hand  seiner  kulturgeschichtlichen  und 
historischen  Kenntnisse  sowie  seiner  augenscheinlich  eingehenden  Studien 
Über  die  geschilderten  Ereignisse  selbst  trefflich  gelingt,  von  dem  Stadt- 
und  Land-,  dem  häuslichen  und  politischen  Leben  jener  bewegten  Zeiten 
anschauliche  Bilder  zu  entwerfen.  Auch  besitzt  er  Geist  und  Gemüth,  und 
da  er  zugleich  über  ein  nicht  unbedeutendes  Talent  der  Charakterisierung 
verfügt,  vermag  der  Leser  sich  wohl  für  Denken  und  Fühlen  seiner  Per- 
sonen zu  erwärmen.  Einzig  hinsichtlich  der  Frauengestalten  bleibt  die 
Charakterzeichnung  durchweg  etwas  matt,  was  sich  namentlich  bei  der 
Geliebten  des  Helden,  Anna,  und  fast  noch  mehr  bei  der  leidenschaftlichen 
Frau  Hedwig  von  Keller  fühlbar  macht.  Beide  treten  uns  nicht  recht  als 
Gestalten  von  Fleisch  und  Blut  entgegen,  haben  vielmehr  geradezu  etwas 
schemenhaftes.  Auch  hätte  die  Entwickelung  des  letzteren  Charakters  wol 
einen  größeren  Raum  in  Anspruch  nehmen  dürfen:  wie  derselbe  sich  jetzt 
uns  darbietet,  wird  er  in  seinem  plötzlichen  und  nur  durch  die  Länge  der 
dazwischen  liegenden  Zeit  erklärlichen  Wechsel  fast  unverständlich.  Dafür 
entschädigen  auf  der  andern  Seite  so  prächtige  Figuren  wie  der  alte  Doktor 
Crusius,  der  durch  und  durch  den  Typus  eines  Ostpreußen  repräsentirende 
Herr  von  Kannacher  auf  Pelnicken,  und  nicht  in  letzter  Linie  der  Oberst 
von  Kalkstein  selber.  Auch  einige  Gestalten  aus  der  Umgebung  des  Kur- 
fürsten, wie  der  Oberburggraf  von  Kainein  und  der  Oberpräsident  von 
Schwerin  dürften  als  besonders  wohl  gelungen  bezeichnet  werden. 

Außerordentlich  glücklich  ist  der  Verfasser  übrigens  in  den  hin  und 
wieder  eingeflochtenen,  der  klareren  Darlegung  der  Sachlage  dienenden  Exposes, 
seien  dieselben  nun  politischer  Natur,  wie  solche  die  Darstellung  der  oft 
hohe  Politik  enthaltenden  Verhältnisse  nöthig  macht,  oder  kulturgeschicht- 
lichen und  juristischen  Inhalts,  wie  sie  die  Schilderung  der  Schicksale  der 
handelnden  Personen  mit  sich  bringt.  Dem  gegenüber  dürfte  der  Vorwurf, 
daß  der  Autor  hinsichtlich  der  letzteren  bisweilen  sogar  zu  weit  gehe,  doch 
wol  nur  eine  sehr  bedingte  Berechtigung  haben. 

Schließlich  sei  noch  bemerkt ,  daß  der  Roman ,  da  er  mit  verschwin- 
dender Ausnahme  in  unserer  engeren  Heimath  und  hier  wieder  hauptsächlich 
in  Königsberg  und  in  Samland  spielt,  und  zugleich  eine  der  interessantesten 
Epochen  unserer  heimathlichen  Geschichte  behandelt,  gerade  für  den  Ost- 
preußen von  besonderem  Reiz  sein  dürfte  und  demgemäß  hier  auch  besonders 
eifrig  gelesen  zu  werden  verdiente.  Indessen  —  ein  Roman  wifd  ja  nicht 
für  eine  Provinz,  sondern  für  ein  Volk  geschrieben.  G. 


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Cesare  Paoli,  Grundriß  der  lateinischen  Palacographie  etc.  155 


(irandriß  der  lateinischen  Palaeographle  nnd  der  Urknndenlehre  von 

Cesare  Paoli,  Staatsarchivar  und  Professor  zu  Florenz.  Aus 
dem  Italienischen  übersetzt  von  Dr.  Karl  Lohmeyer,  Professor 
zu  Königsberg  in  Pr.  Innsbruck,  Verlag  der  Wagner'schen  Uni- 
versitäts-Buchhandlung 1885.  gr.  8. 
Ein  kurzgefaßtes,  alles  Wesentliche  für  den  Studierenden  der  Geschichte 
zusammenfassendes,  auf  den  heutigen  Stand  der  Forschung  gestütztes  Lehr- 
buch der  lateinischen  Paläographie  und  Urkundenlehre  war  so  lange  in 
Deutschland  ein  Desiderat  um.  Denn  die  Lehrbücher  von  Leist  über  Urkunden- 
wesen konnten  mannigfacher  Mängel  wegen  nicht  gut  als  Ersatz  dafür  gelten. 
Es  war  daher  ein  sehr  glücklicher  Gedanke  von  einem  so  bewährten  Fach- 
mann ,  wie  es  Karl  Lohmeyer  ist ,  das  Werkchen  des  verdienten  florentiner 
Staat «arcliivars  und  Professors  Cesare  Paoli,  Programraa  di  paleografia  latina 
e  di  diplomatica,  welches  derselbe  zunächst  für  seine  Schüler  als  Leitfaden 
bei  seinem  Unterricht  in  den  genannten  Disciplinen  verfaßt  hatte,  auch  den 
deutschen  Studierenden  zugänglich  zu  machen.  Das  Büchlein  ist  kurz,  es 
umfaßt  nicht  mehr  als  77  Seiten  Text,  bietet  uns  aber  in  knapper  und  prä- 
ciser  Form  alles,  was  für  das  theoretische  Verständniß  eines  so  praktischen 
Lehrgegenstandes  zunächst  erforderlich  ist.  Wenn  hier  und  da  der  Wunsch 
laut  wurde,  daß  dem  Büchlein  auch  Proben,  Facsimiles  eti.  beigefügt  würden, 
so  möge  man  nicht  vergessen,  daß  es  von  vornherein  nicht  in  der  Absicht 
des  Verfassers  lag,  dasselbe  als  völlig  ausreichend  und  genügend  für  den 
Selbstunterricht  zu  gestalten  und  andrerseits,  daß  die  vielen  Anmerkungen 
und  Verweise,  die  eine  Hauptzierde  des  Werkeheus  bilden,  jedem  die  Mittel 
an  die  Hand  geben,  sich  weiter  auf  diesem  Gebiete  zu  informieren  und  auch 
praktisch  sich  weiter  auszubilden.  Einen  besonderen  Werth  vor  dem  Original 
erhält  das  Buch  auch  durch  die  nicht  geringen  Erläuterungen  und  Ergän- 
zungen, die  der  Verfasser  selbst  der  deutschen  Uebersetzung  hinzugefügt 
hat  und  so  sei  dieselbe  denn  allen  Studierenden  und  Freunden  des  be- 
handelten Gegenstandes  bestens  empfohlen. 


J&ilfebisdj  für  ben  Unterrtdjt  in  ber  branbenburajfrf):prcufufrf)en  (Sefdurfjte  für  fyöljcre 
Scbranftolten  unb  9Ritte(f  dürfen  oon  Dr.  St.  äobmener,  $rofcffor  an  ber 
llnioerfttät  ju  ftöniaßberg  unb  St.  X^omai,  Oberilm  am  Xcalgnmnaftum 
ju  Xrffit.  &aue  188«.  »ud)banblung  beß  Söaifcnbaufeß  (V,  108  ®. 
gr.  8.)   1  2Rf. 

$ilfli«d)  für  ben  Unterricht  in  ber  beutfd)en  ©cfäidjte  biß  jum  roeftffilifdjen  grieben 
otn  benfelben  Serfaffern.    Cbenb.   (IV,  98  6.  gr.  8.)   1  3Rf. 

Die  Herren  Verfasser  „haben  es"  nach  dem  Vorwort  „für  angezeigt 


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Kritiken  und  Referate. 


gehalten,  mit  einem  nenen  Lehrmittel  für  die  preußische  und  deutsche  Ge- 
schichte horvorzutreten,  weil  bei  näherem  Zusehn  sich  selbst  die  besseren, 
vollends  was  die  abgelegenem  Gebiete  betrifft,  oft  so  unkritisch  gearbeitet 
zeigen,  daß  es  fast  auasieht,  als  wären  für  die  Verfasser  derselben  die  For- 
schungen der  letzten  Jahnsehnte  und  ihre  reichen  Ergebnisse  nicht  vorhanden 
gewesen."  Als  Hauptverdienst  nehmen  also  diese  Hilfsbücher  für  sich  in 
Anspruch,  daB  sie  die  älteren  Lehrbücher  „mit  dem  Stand  der  wissenschaft- 
lichen Forschung  in  vollen  Einklang  gebracht  haben." 

Dies  ist  unstreitig  der  Fall  in  den  Abschnitten  über  die  Geschichte 
des  Deutschordensstaates  in  Preußen.  Sie  sind  zweifellos  in  dieser  Beziehung 
die  wertvollsten  des  Buches,  und  bierin  übertrifft  das  erste  der  neuen  Lehr- 
bücher alle  seine  Vorgänger  an  Reichhaltigkeit,  geschickter  Auswahl  und 
Zuverlässigkeit. 

In  den  übrigen  Partieen  ist  dies  weniger  sichtbar.  Von  dem  Neuen, 
das  hier  geboten  wird,  verdient  insbesondere  hervorgehoben  zu  werden,  daß 
der  Erbvertrag  der  Hohenzollern  mit  den  schlesischen  Herzögen  auch  vom 
Habsburgischen  Standpunkt  gewürdigt  wird  (P.  G.  p.  26);  daß  Friedrich  II. 
es  war,  der  die  Teilung  Polens  anregte  (p.  55);  daB  Frankreich  1792  durch 
die  Kriegserklärung  an  Ostreich  die  Revolutionskriege  begann  (p.  60);  daB 
die  Teilungen  Polens  die  Kriegführung  am  Rhein  während  des  ersten 
Coalitionskrieges  wesentlich  beeinfluBten. 

Teilweise  findet  sich  dies  allerdings  auch  schon  in  früheren  Hilfsbüchern. 

Vorausgesetzt  die  Richtigkeit  der  Angaben  ist  aber  die  Methodik  eines 
Lehrbuches  die  Hauptsache:  die  Auswahl  des  Stoffes  und  seine  Anordnung. 
In  dieser  Beziehung  sind  besonders  gelungen  in  der  brandenburgisch-preußi- 
schen  Geschichte  die  Abschnitte  p.  1  fg.,  4  fg.,  7—9,  11,  41,  58  fg.,  61  fg., 
63,  68,  77  —  79.  Aus  der  deutschen  Geschichte  wäre  besonders  hervor- 
zuheben: p.  5,  16—23,  28—32,  87—41,  45—50,  67  —76. 

Mit  der  Behandlung  anderer  Abschnitte  dürfte  man  weniger  einver- 
standen sein.  Häufig  ist  für  die  Tertia  zu  viel  Material  beigebracht,  welcher 
Mißstand  sich  besonders  in  der  deutschen  Geschichte  fühlbar  macht.  In 
andern  Partien  wieder  vermißt  man  manches  Wesentliche  oder  doch  Wünschens- 
werte. So  möchte  ich  nicht  mit  Stillschweigen  übergehen,  daß  über  die 
Kultur  des  Mittelalters  in  dem  ganzen  Handbuch  garnichts  zu  finden  ist. 
An  einigen  Stellen  sind  die  Thatsachen  streng  chronologisch  geordnet,  wo 
aus  pädagogischen  Gründen  der  rein  sachliche  Zusammenhang  fest  zu  halten 
ist.  Dadurch  ist  hie  und  da  der  Zusammenhang  der  Ereignisse  durch  Ein- 
schiebungen  unterbrochen  und  so  dem  Schüler  das  Verständnis  erschwert. 
Da  solche  Ausstellungen  und  Wünsche  aber  immer  subjectiv  sein  werden, 
so  halte  ich  es  bei  der  Beschränktheit  des  mir  zugemessenen  Raumes  nicht 
für  erforderlich,  hier  ins  Einzelne  zu  gehen,  habe  nur  meine  Notatenreihe 


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Dr.  K.  Lohmeyer,  Hilfsbuch  für  den  Unterricht  in  der  Geschichte  etc.  157 

den  befreundeten  Verfassern  zur  geneigten  Berücksichtigung  für  neue  Auf- 
lagen zur  Verfügung  gestellt. 

Es  bleiben  noch  ein  paar  Kleinigkeiten  zu  erwähnen,  an  sich  von  ge- 
ringer Bedeutung,  die  aber  doch  zeigen,  wie  sich  auch  bei  der  peinlichsten 
Sorgfalt  in  ein  Handbuch  Unklarheiten  und  Incorrectheiten  einschleichen 
können.  Es  hei  fit  (brd.-pr.  Gesch.  p.  18):  „Zwar  machte  der  Sachsenherzog 
Heinrich  der  Löwe  einen  Versuch,  die  Wendenlande  zn  erobern,  doch  eine 
dauernde  Wiederherstellung  der  deutschen  Herrschaft  ging  erst  von  der 
sächsischen  Nordmark  ans,  seitdem  im  Jalir  1134  Albrecht  der  Bär  .  .  .  mit 
derselben  belehnt  worden  war."  Dies  könnte  den  Schüler  auf  den  Gedanken 
bringen,  da*  die  Eroberungen  Heinricbs  des  Löwen  in  die  Zeit  vor  1134 
fallen.  Aus  der  Darstellung  p.  31  muß  der  Schüler  die  Vorstellung  gewinnen, 
dal  die  Gefangennahme  des  Hieronjrous  Bode  nach  der  Huldigung  geschah, 
un  d  als  schließe  sich  der  Verrat  und  die  Hinrichtung  Kalksteins  unmittelbar 
daran  an.  Den  Krieg  Englands,  Rußlands  und  Ostreichs  1805  und  den  Eng- 
lands, Rußlands  und  Preußens  1806  und  7  gegen  Napoleon  „zur  dritten 
Coalition,  an  welcher  sich  Preußen  wenigstens  nicht  gleich  beteiligt",  zu- 
sammenzuziehen (p.  67)  erscheint  nicht  zweckmäßig,  vielmehr  müssen  beide 
Ereignisse  scharf  auseinandergehalten  werden.  Ein  unklares  Bild  der  wahren 
Vorgänge  giebt  die  Darstellung  der  Erhebung  des  Herzrgs  Friedrich  Wil- 
helm von  Braunschweig  1809  (p.  66  fg.)  Auf  p.  72  wird  der  Eindruck  er- 
weckt, als  ob  die  Sprengung  der  Elsterbrücke  noch  in  der  Nacht  vom  18. 
zum  19.  October  1813  erfolgte.  Daß  „die  Burgundischen  Gebiete  für  immer 
an  Frankreich  verloren  gingen"  (dtsch.  Gesch.  65),  verleitet  in  diesem  Zu- 
sammenhang zu  der  Ansicht,  daß  diese  Gebiete  schon  unter  Maximilian  I. 
definitiv  au  Frankreich  abgetreten  wurden. 

Die  Akademie  der  Wissenschaften  ist  von  Friedrich  Wilhelm  I.  wohl 
arg  vernachlässigt,  aber  nicht  aufgehoben  worden  (p.  57).  Der  bairische 
Erbfolgekrieg  ist  nicht  veranlaßt  durch  das  Tauschproject  Josephs  II.  (p.  55) ; 
auf  diesen  Plan  kam  der  Kaiser  erst  später.  Der  Fürstenbund  ist  nicht  ge- 
stiftet nach  dem  Tode  Karl  Theodors  (p.  55),  sondern  noch  bei  seinen  Leb- 
zeiten. Die  Kriegserklärung  Preußens  an  Frankreich  erfolgt  nicht  „wenige 
Tage  nach"  (p.  69)  dem  „Aufruf  an  mein  Volk"  —  17.  März  —  sondern 
schon  am  16.  März. 

Ein  glücklicher  Gedanke  war  es,  die  Lage  der  Orte,  welche  im  Text 
vorkommen,  in  Anmerkungen  zu  fixieren.  Aber  ungenaue  Angaben  wie: 
El  hing  liegt  an  der  Vereinigung  des . . .  Elbingtiu-sses  mit  der  Nogat,  Labiau 
an  der  Mündung  der  Deime  (p  7),  Rastatt  liegt  an  der  Mündung  der  Murg 
in  den  Rhein  (p.  39)  können  die  Schüler  zu  Irrtümern  verleiten,  zumal  an 
andern  Stellen  von  Städten  ähnlicher  Lage  correcter  gesagt  wird,  sie  liegen 
in  der  Nähe  der  Mündung  etc.   Wenn  man  liest  (dtsch.  Gesch.  p  3):  „No- 


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Kritiken  und  Referate. 


ricum  lag  zwischen  Inn,  Dran  und  Donau,  Pannonien  östlich  davon,"  so  ist 
man  versucht,  Pannonien  auf  die  linke  Seite  der  Donau  zu  verlegen. 

G.  Rohse. 


Alterthumsgesellschaft  Prussia  in  Königsberg  1885. 

Sitzung  Tom  18.  September.  Zur  Einleitung  des  auf  der  Tagesordnung 
stehenden  Themas: 

EriimeriiMffen  mu  die  erste  Berrelnnr  Benttchland» 

▼or  tO  Jahren 

verglich  Dr.  Bujack  das  heute  in  ganz  Deutschland  gefeierte  Sedanfest  mit 
dem  Oaltgarbenfest  unserer  Provinz,  das  am  18.  Juni  1818  zum  ersten  und 
in  den  sechziger  Jahren  zum  letzten  Male  zur  Erinnnerung  an  die  Schlacht 
bei  Belle-Alliance  von  der  akademischen  Jngend  der  Albertina  gefeiert 
wurde,  und  bat  General  von  Auer  um  einen  Bericht  derjenigen  Ovationen, 
die  dem  Sieger  von  GroBbeeren,  von  Dennewitz  und  dem  Mitsieger  von 
Belle-Alliance,  dem  Grafen  Bttlow  von  Dennewitz,  am  18.  Jannar  1816 
im  Anschluß  an  das  Krönungsfest  in  unserer  Stadt  dargebracht  wurden. 
Diesem  Wunsche  willfahrte  General  von  Auer,  ein  Neffe  des  genannten 
Siegers  in  freundlichster  Weise  und  verweilte  bei  dem  Ehrengeschenke  der 
Stadt  Königsberg  und  demjenigen,  welches  er  von  König  Friedrich 
Wilhelm  III.  aus  der  Napoleonischen  Beute  der  Schlacht  bei  Belle-Alliance 
erhielt,  wie  bei  den  Waffen  Napoleons,  welche  sich  später  der  preußische 
Feldherr  b  im  zweiten  Einrücken  in  Frankreich  erwarb.  Der  Gefeierte  er- 
freute sich  aber  nur  kurze  Zeit  seines  Ruhmes  und  seiner  Stellung  —  er 
war  kommandirender  General  in  unserer  Provinz  —  schon  am  18.  Oktober  1816 
sagt  der  Direktor  des  Altstädtischen  Gymnasiums  in  seinem  Gedicht  auf 
die  Befreiung  Europas  und  Deutschlands  zur  Siegesfeier  der  Schlacht  bei 
Leipzig : 

Ach  Einer  fehlt,  der  sonst  den  Heldenreigen 

In  manchem  Kampfe  ritterlich  begann; 

Du  bist's,  um  den  wir  in  diesen  Mauern, 

Held  Dennewitz,  noch  lang'  und  bange  trauern. 
Nach  Verlesung  der  gesammten,  vorher  citirten  Dichtung,  die  in  An- 
erkenntnis rühmlicher  und  wohlgelungener  Bestrebungen  einer  verdienten 
Lehranstalt  im  Auftrage  des  Magistrats  gedruckt  wurde,  gab  Dr.  Bujack 
eine  Beschreibung  des  Viergespannes  des  Napoleonischen  Wagens,  aus  dem 
der  geschlagene  Kaiser  in  der  Schlacht  bei  Belle-Alliance  nur  noch  auf  ein 
Reitpferd   zur  Flucht  entschlüpfen  konnte,  nach  den  persönlichen  Mit- 


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Alterthumsgesellschaft  Prussia  1885. 


159 


theilungen  eines  nun  schon  verstorbenen  Kombattanten,  zeigt«  das  in  einer 
Felddruckerei  hergestellte  Siegesbülletin  über  genannte  Schlacht,  das  der  er- 
wähnte Augenzeuge  bis  an  seinen  Tod  bewahrt  (jetzt  Eigenthuin  des 
Prussia-Huseums  V.  No.  35),  und  wies  als  eine  Beglaubigung  für  seinen 
Berichterstatter  einen  Krystallpokal  vor,  den  derselbe  am  31.  Januar  1849 
nach  vierzigjähriger  Dienstzeit  von  dem  Offizier-Corps  der  ersten  Artillerie- 
Brigade  als  Ehrengeschenk  erhalten  hatte.  Das  genannte  hohe  Trink- 
gefäß  ist  mit  einem  silbernen  Deckel  versehen,  auf  dem  sich  ein  vollständiges 
Geschütz-Modell  mit  beweglichem  goldenen  Rohr  befindet  und  in  dessen 
Glaswandung  die  Namen  von  7  Schlachten  und  5  Gefechten  eingeschliffen 
sind,  denen  u.  A.  der  erwähnte  Kombattant  beiwohnte. 

Von  dem  grölen  Feldherrn  und  dem  Artilleristen  in  anspruchsloser 
Stellung  zu  einem  der  ersten  Staatsmänner,  dem  Fürsten  Hardenberg, 
übergehend,  zeigt  der  Vortragende  einen  hohen  Rohretock  desselben,  in 
dessen  großen  Elfenbeinknopf  15  Menschen-  und  2  Thierköpfe  mit  bisweilen 
nicht  schmeichelhaften  Emblemen  äußerst  kunstvoll  eingeschnitzt  sind,  und 
bezeichnet  es  noch  als  eine  nicht  leichte  Aufgabe,  die  charakteristischen 
Köpfe  die  durchaus  Portrait'Aehnlichkeit  zu  haben  scheinen,  in  ihren 
Originalen  zu  entdecken.  Höchst  wahrscheinlich  müssen  sie  in  unter- 
geordneten Arbeitern  des  Wiener  Kongresses  gesucht  werden.  Fürst 
Hardenberg  gab  diesem  Spazierstock  vor  vielen  andern  den  Vorzug  und 
schenkte  ihn  mit  warmer  Hand  vor  seiner  Reise  nach  Genua,  wo  er  im 
Jahre  1822  starb,  dem  damaligen  Bürgermeister  der  Stadt  Müncheberg,  aus 
dessen  Nachlaß  er  in  die  Hände  eines  Verwandten  nach  Königsberg  kam. 
Danach  erfolgt  eine  Vorlage  aus  der  Portrait-Sammlung  für  die  Zeit  von 
1806  bis  1815  und  zwar  5  von  König  Friedrich  Wilhelm  HI.  und  ebenso 
viele  der  Königin  Luise,  wie  von  Preußens  Helden,  sowohl  auf  einem  Ge- 
sammtblatt  als  auch  in  Einzeldarstellungen,  ferner  vom  Fürsten  von  Harden- 
berg, zwei  von  Schön,  vom  Ober-Präsidenten  Hans  von  Auerswald,  vom 
Bischof  Borowski,  drei  vom  Stifter  des  National-Kavallerie- Regiments,  vom 
Grafen  von  Lehndorff.  Hieran  schließt  sich  eine  Vorweisimg  von  Gegen- 
ständen zur  Illustration  der  genannten  Periode,  beginnend  mit  einer  Fahne 
der  Nationalgarde  aus  einer  kleinen  Ortschaft  der  Französischen  Republik 
und  Scheinen  von  Assignaten  von  2000  Francs;  für  das  Jahr  1806  ein 
militärischer  Kalender  und  ein  historisch  -  trenealotrischer  mit  einer  Ab- 
handlung  „Wilhelm  Teil  und  Arnold  Winkelried"  von  Johannes  v.  Müller; 
1807:  eine  Semmel,  wie  sie  in  Königsberg  gebacken  wurde,  mit  Certifikat 
zum  Zeichen  der  Theurung  aufbewahrt;  die  Stadtschlüssel  von  Königsberg, 
wie  sie  Napoleon  nach  der  Schlacht  bei  Friedland  überbracht  wurden;  ein 
Franc  als  Uhrschlüssel  umgearbeitet  und  nach  dem  Tilsiter  Frieden  in 
Königsberg  getragen;  große  Medaille  nach  dem  Tilsiter  Frieden  gleich  nach 


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im 


Kritiken  uml  Referate. 


1808  mit  den  Inschriften  unter  bildlichen  Darstellungen:  Oede  trauren  Flur 
und  Berge  1806—1808.  Fleiß  und  Freude  kehren  wieder;  2  Artillerie- 
Uniformen,  getragen  von  Lieutenant  Terlo,  geb.  1787,  f  1827;  1812:  Na- 
poleon'8  Portrait,  in  Wachs  poussirt  und  von  ihm  aus  Paris  mitgebracht, 
und  von  dessen  Leibarzt  Dr.  Hasper  dem  Klempnermeister  Kalk  geschenkt, 
bei  dem  Dr.  H.  logirte;  seidenes  persisches  Tuch,  das  ein  in  Statlupöuen 
versterbender  Franzose  aus  Rußland  mitgebracht  hatte;  die  Franzosen  auf 
ihrem  Rückzug  aus  Rußland  nach  Preußen,  eine  von  Rittergutsbesitzer 
von  Farenheid  auf  Angerapp  1812  enworfene  Skizze,  in  Privatbesitz  ;  1813: 
eiserner  Fingerring  mit  der  Inschrift:  „Gold  gab  ich  für  Eisen";  lederner 
Mützenschirm  mit  der  eingepreßten  Inschrift  :  „Gewisser  Lohn  von  Fürst 
und  Volk  Ewiger  Ruhm.  Deutsche  Treue  der  Deutschen  Schirm";  eine 
Litewka  des  National- Kavallerie -Regiments  mit  Pallasch,  getragen  vom 
Freiwilligen  David  Zacharias,  und  ein  Tschako;  gedruckte  Tischdecke  mit 
Darstellung  Napoleons  auf  der  Weltbühne,  von  England  in  Schiffsladungen 
nach  dem  Kontinent  importirt,  mit  deutscher  und  englischer  Unterschrift; 
Pamphlet  auf  Napoleons  Kontinental-System  mit  Benutzung  seines  Portraits 
und  der  Unterschrift  „Triumph  des  Jahres  1813.  Den  Deutschen  zum 
Neuen  jähr";  Photographie  des  Rechlin'schen  Bildes  im  Rathhaussaal  zu 
Königsberg:  Erstürmung  des  Grimmaer  Thors  zu  Leipzig  den  19.  Oktober  1813; 
Friccius'  Degen  mit  den  eingravirten  Namen  Motherby,  Wnorowski,  Dulk, 
Groß,  Rüben,  Tholon,  Schelten,  Le  Brun;  Tasse  aus  der  Berliner  Porzellan- 
Fabrik  mit  der  Karte  des  Schlachtfeldes  von  Leipzig,  in  Privatbesitz;  der 
Orden  für  die  Frauen  der  aus  den  Schlachttagen  bei  Leipzig  heimkehrenden 
Offiziere;  1814:  Gedicht  an  die  zurückehrende  Kunigsbergsche  Landwehr  und 
die  sie  begleitenden  Waffengefahrten  von  Ihrer  dankbaren  Vaterstadt,  den 
24.  August;  1  Dutzend  Theelöffel  mit  gepreßtem  Stiel;  die  quadriga  des 
Brandenburger  Thors  zu  Berlin,  die  1814  von  Paris  fast  allein  nur  zurück- 
geholt wurde;  1815:  ein  Feuerstahl  mit  daranhäsgendem  seidenen  Beutelchen 
zum  Feuerstein,  in  den  Beutel  ist  gehäkelt :  C.  W.  den  28.  Januar  1815 ;  ein 
Reisebesteck  Napoleons,  aus  seinem  Wagen  in  der  Schlacht  bei  Belle -Alliance 
von  Major  Struve  erboutet,  das  Besteck  besteht  aus  Löffel,  Messer  und 
Gabel,  letztere  hat  das  Bourbon'sche,  erstere  beide  Stücke  das  Napoleou'sche 
Wappen,  in  Privatbesitz;  Pamphlet  auf  Napoleon  in  bildlicher  Darstellung 
als  corsischer  Knabe,  Militärschüler,  Glücksritter  zu  Paris,  General,  Herrscher, 
Großherrscher,  bei  dem  Abschied  aus  Spanien,  auf  der  Schlittenfahrt  aus 
Moskau,  bei  dem  Lebewohl  aus  Deutschland  und  in  der  Fortdauer  nach 
dem  Tode. 

An  Zugängen  für  das  Prussia-Museum  wurden  vorgelegt  oder  nam- 
haft gemacht :  Zur  Sammlung  von  Steingeräthen :  2  beschädigte  Steinbeile, 
gefunden  zu   Kirpehnen,  Kreis  Fischhausen,   geschenkt   von  Rittmeister 


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Alterthnmsgesellschaft  Prussia  1885. 


1G1 


von  Montowt  auf  Kirpehnen ;  ein  dnrchlochtes  Beil,  gefunden  beim  Grand- 
fahren vor  dem  Steindammer  Thor  zn  Königsberg,  gekauft.  Zur  Abtheilung 
von  Gräberfunden  nachchristlicher  Zeit:  Ergänzungsfnnd  für  Stobingen, 
Kreia  Wehlau,  in  welchem  besonders  bronzene  Armringe  in  Spiralforin  her- 
vorzuheben sind,  geschenkt  von  Lehrer  Mindt  in  Kloschenen;  ein  importirtes, 
auf  der  Töpferscheibe  gearbeitetes  GrabgefäB  aus  den  ersten  Jahrhunderten 
n.  Chr.,  erworben;  ein  Spinnwirtel  aus  Bernstein  und  eine  Perle  in  Pauken- 
form, gefunden  in  Kirpehnen,  geschenkt  von  Rittmeister  von  Montowt; 
2  bronzene  hufeisenförmige  Fibulen  aus  dem  11.  bis  14.  Jahrhundert,  ge- 
funden auf  dem  Kirchhof  zu  German,  geschenkt  von  Pfarrer  Stein  wender 
daselbst.  Für  die  ethnographische  Abtheilung  zur  Vergleichung  wurde  ge- 
kauft ein  Modell  eines  Eskimobootes  (Kajak)  mit  figürlicher  Darstellung 
eines  Eskimo  auf  demselben,  und  einer  anderen  eines  Eskimos  in  einem 
Scbneehause  sammt  9  Holzgeräthen,  gearbeitet  von  Herrenhutern  in  Grön- 
land. Für  die  Abtheilung  von  Gegenständen  aus  der  Zeit  der  Herrschaft 
des  Deutschen  Ordens:  zwei  eiserne  Speerspitzen  mit  Oeffhung  an  der 
Seitenwandung  der  Tülle,  damit  in  dieselbe  eine  am  Holzschaft  sich 
befindende  eiserne  Feder  einfallen  und  die  Speerspitze  zum  Angriff  fest- 
halten kann,  die  eine  gefunden  im  Wongel-See,  Kreis  Sensburg,  ge» 
schenkt  von  Landrath  von  Schwerin,  die  andere  gefunden  bei  Gilgen- 
burg, geschenkt  von  Kaufmann  Pulewka  daselbst.  Zu  der  Serie  von 
Gegenständen  des  17.  Jahrhunderts  gab  dor  Magistrat  unserer  Stadt  zur 
Aufbewahrung  ein  im  Charakter  der  Renaissance  aus  Lindenholz  geschnitztes 
Sopha,  mit  dem  Wappen  der  Altstadt  Königsberg,  mit  Plüsch  überzogen  (zu 
zwei  Sitzen),  2  Lehnstühle  dersellien  Art  und  ein  sechssitziges  Sopha  mit 
Leder  überzogen,  ferner  Bilder  aus  der  Rothen  Waage  (der  „Börse  auf  der 
Lastadie"),  welche  behufs  Heranführung  des  Geleises  des  Pillauer  Bahnhofes 
an  den  Pregel  vor  wenigen  Jahren  gebrochen  werden  mußte,  sie  sind  auf 
Leinwand  in  Oelmalerei  hergestellt;  einzelne  Tafeln  enthalten  aber  nur 
Inschriften  (1699  und  1718)  jetzt  von  Maler  Piotrowski  sämmtlich  gut 
restaurirt,  so  dafl  die  Malerei  und  Inschriften  wieder  deutlich  sind;  sie 
werden  in  Rahmen  gesetzt  und  schmücken  jetzt  die  Wände  des  Eingangs- 
raums in  das  Prussia-Museum.  Stadträthin  Marticke  schenkte  eine  eichene 
Lade  mit  Eisenbeschlägen  auf  Rädern  und  der  Inschrift  auf  eisernem  Schilde 
G.  W.  Johans  Burgden,  10.  August  1695. 

Für  die  Abtheilung  von  Gegenständen  des  18.  Jahrhunderts  sandte 
der  Magistrat  die  bei  Untersuchung  des  Pregelgrundes  behufs  des  Baues  der 
neuen  Köttelbrücke  gefundenen  Gegenstände  ein:  einen  hölzernen  Pfeifen- 
kopf mit  Messingbeschlag,  ein  Wehrgehenk  aus  Messing,  einen  Hirschfänger 
und  ein  messingenes  Kästchen  vom  Jahre  1759  zu  holländischem  Tabak 
mit  noch  darin  liegendem  messingenen  Pfeifenprickel  für  die  Kalkpfeife  ; 

AHpr.  Monatucbrüt  Bd.  XXIII.  Hft  1  n.  8.  U 


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Kritiken  und  Referate. 


Kaufmann  Homeyer  schenkte  8  gerieft«  Ofeukacheln,  diu  das  Aussehen 
von  Schmelzt iegeln  haben,  aber  darauf  eingerichtet  sind,  so  viel  Fläche  als 
möglich  nach  der  Außenseite  zu  bieten,  damit  die  Wärmeausstrahlung  eine 
um  so  größere  wäre;  von  demselben  sind  über  200  auf  dem  Grundstück  des 
Gebers  Münzplatz  No.  5  gefunden  worden.  Ein  Fayence-Fruchtkorb  und 
zwei  Fayence-Trinkkrüge  mit  Gesichtern  an  der  Seitenwandung  und  den 
Deckeln  als  Mützen  aus  Elbing  wurden  gekauft,  ebeu  so  eine  Laute,  die 
der  Königsberger  Lieder-Komponist  Nithard  um  1758  gespielt  hat,  und 
ein  Jagdhorn,  geschenkt  von  Frau  Stadt rath  Marticke.  Für  die  Mappen- 
und  die  Bilder-Sammlung  schenkte  Gymnasiast  Ti essen  Pläne  von  Peters- 
burg, Paris,  Wien  und  Pillau  aus  dem  18.  und  19.  Jahrhundert,  Referendarius 
Conrad  6  alte  Briefbogen  mit  verschiedenen  Ansichten  von  Danzig  und 
eine  photographische  Aufnahme  des  Geburtshauses  des  Ehrenbürgers  von 
Rom  Ferdinand  Gregorovius  in  Neidenburg  von  Schumacher  und 
das  photographische  Atelier  von  Gottheil  &  Sohn  ein  Portrait  Kants 
aus  dem  Universitäts-Album  der  Albertina,  dessen  Veröffentlichung  Pro- 
fessor Bezzenberger  veranlaßt  hat.  Volksschullehrer  Eduard  Küßner 
schenkte  ein  in  der  äußeren  Ausstattung  kostbares  Notizbuch,  die  Deckel 
sind  aus  Email-Masse  und  in  Messing  gefaßt,  Hauptlehrer  Matthias  ver- 
ehrte einen  Paß  für  Heinrich  Matthias,  ausgestellt  den  23.  April  1810 
im  Königreich  Westphalen  unter  Jerome,  und  einen  Königsberger  Bürger- 
brief vom  5.  März  1822.  —  Für  die  Münzsammlung  verehrten  Dr.  Brüg  in 
Coadjuten  und  Konsistorialsekretär  Kletsch  neuere  Münzen,  für  die 
Bibliothek  Rittergutsbesitzer  Hellbardt  auf  Tengutten  eine  große  Reihe 
von  Werken,  besonders  Reisebeschreibungeu  und  historischen  Inhalts,  aus 
dem  vorigen  Jahrhundert,  die  im  Jahresbericht  sämmtlich  verzeichnet  sein 
werden,  und  endlich  sind  auch  im  Vorraum  des  Prussia-Museums  2  Steine 
aufgestellt  (Anno  1800  P.  et  B.  —  Abgebrandt  1816,  Erbaut  1817  B.  et  F.), 
welche  in  der  Außenwand  des  früheren  Gebäudes  der  Altsädtischen  Knaben- 
volksschule, Altstädtische  Langgasse  43,  eingelassen  waren.  Nach  dem  Ein- 
reißen des  genannten  Gebäudes  zur  Gewinnung  des  Baugrundes  des  Alt- 
städtischen Gymnasiums  haben  die  bezeichneten  Steine  auf  Veranlassung  des 
Magistrats  diese  Stätte  der  Aufbewahrung  erhalten. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  16.  Oktober  1885.  No.  242.] 
In  der  Sitzung  am  16.  Oktober  1885  hielt  Hauptlehrer  Matthias  einen 
Vortrag  über  die  archäologischen  Alterthümer  der  Insel  Bornholm  nach 
dänischen  Berichten  über  Vedel's  Arbeiten.  Die  Steinzeit  ist  auf  der  Insel 
im  Verhältniß  zu  den  späteren  Perioden  nur  schwach  vertreten,  und  zwar 
durch  Gangbauten,  Grabkammern  und  Rundhaufen,  selten  durch  Längshaufen. 
Die  Form  der  Kammer  ist  in  der  Regel  ein  Oblong,  seltener  ein  OvaL  Die 
Kammern  enthalteu  ungebrannte  Leichen  mit  Beigaben  aus  Flint,  Aexten 


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Alterthumsgesellschaft  Prussia  1885.  163 

(selten),  Pfeilspitzen;  ferner  Thon-  und  Bernstein-Korallen.  Die  ebenfalls 
vorkommenden  Steinkisten  bestehen  aus  flachen  Granitsteinen  oder  aus 
Sandsteinplatten.  In  dieser  Art  von  Gräbern  werden  besonders  häufig  Hohl- 
meißel gefunden.  Auch  außerhalb  der  Gräber  werden  häufig  nicht  blos  ver- 
einzelte, soudern  auch  gesammelte  Steingeräthe  angetroffen.  Sie  sind 
8ämmtlich  unzweifelhaft  auf  der  Insel  angefertigt  worden.  Die  Bronzezeit 
wird  durch  eine  sehr  große  Anzahl  von  Grabhügeln  reprasentirt,  und  zwar 
ausschließlich  in  den  fruchtbaren  Gegenden.  Ihr  Inneres  besteht  aus  größeren 
oder  kleineren  Steinkisten,  von  denen  erstere  meistens  ungebrannte,  letztere 
gebrannte  Leichen  enthalten,  deren  Ueberreste  fast  immer  ohne  Urnen  bei- 
gesetzt sind.  Rings  um  die  Hügel  kommen  jedoch  oft  Grabstellen  mit 
Urnen  vor.  Eine  besondere  Art  von  Grabhügeln  sind  die  sogenannten 
Kosen,  niedrige  Steinhaufen,  theils  mit  Erde  bedeckt,  theils  freiliegend.  Sie 
gehören  nicht  nur  dem  Bronzealter,  sondern  auch  dem  Steinalter  und  dem 
Eisenalter  an,  und  werden  in  staunenswert  her  Anzahl  besonders  in  den 
unfruchtbaren  Gegenden  angetroffen.  Hie  und  da  werden  auch  Steinkisten 
mit  Urnen  in  flachem  Felde  gefunden.  Die  selten  darin  gefundenen  Gegen- 
stände bestehen  fast  immer  aus  Bronze.  Auch  außerhalb  der  Gräber  sind 
wiederholt  größere  oder  kleinere  Funde  von  Bronzesachen  gemacht  worden, 
die  vorsätzlich  an  der  Fundstelle  niedergelegt  waren.  Die  auf  der  Insel  ge- 
sammelten Bronzealterthümer  weichen  im  Allgemeinen  von  denen  des 
übrigen  Theiles  von  Dänemark  nicht  ab.  Unter  den  gefundenen  Waffen  be- 
finden sich  25  Schwerler,  26  Dolche,  56  Messer,  6  Palstäbe,  10  Lochcelte, 
3  Lanzen-  und  2  Pfeilspitzen.  Unter  den  Schmucksachen  ist  eine  schön  ge- 
arbeitete Bronzefibul  hervorzuheben,  deren  rhomboidische  Platte  sechs  Zoll 
lang  und  drei  Zoll  breit  ist  und  Ornamente  von  Spiral-Wellen-  und  Zickzack- 
linien zeigt.  Aus  dem  Eisenalter  sind  besonders  merkwürdig  die  sogenannten 
Brnndpletter,  große  Klumpen  schwarzer  in  die  Erde  vergrabener,  zerschlagene 
Knochen  und  Urnenscherben  enthaltende  Branderde,  die  Ueberreste  des 
Scheiterhaufens,  bei  welchem  sich  weder  Steinkisten  noch  Urnen  vorfinden. 
Es  sind  dereu  über  2500  untersucht  worden.  In  diesen  Brandpletten  sind 
viele  ein-  und  zweischneidige  Schwerter,  Lanzenspitzen,  Schildbuckel,  Messer 
von  Elsen  (auch  einige  von  Bronze)  gefunden  worden;  ferner  eine  große 
Anzahl  von  Fibuln  und  anderen  Schmucksachen.  Auf  den  Brandplettplätzen 
sind  auch  Gräber  mit  ungebrannten  Leichen  aufgedeckt  worden,  welche  in 
hingen  Steinkisten  lagen.  Aus  den  hier  gemachten  reichen  Funden  soll  nur 
das  Folgende  angeführt  werden:  Ein  zweischneidiges  eisernes  Schwert, 
Ueberreste  eines  Schildes  mit  eisernem  halbkegelförmigem  Buckel  und 
bronzenem  Randbeschlage,  der  Ueberreste  von  Holz  einschloß.  Seine  Be- 
kleidung hatte  aus  feinem,  auf  der  Unterseite  hochrot h  gefärbtem  Leder 
bestanden,  wovon  noch  einige  Stücke  erhalten  waren.    Der  Durchmesser 

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164 


Kritiken  und  Referate. 


hatte  ca.  3  Füll  betragen.  Ferner  ein  Ledergürtel,  S1/*  Zoll  breit,  geziert 
mit  Knöpfen  und  Querleisten  von  Bronze,  und  ein  goldener  Fingerring, 
dessen  Vorderseite  aus  3  Bügeln  besteht,  die  in  Vogelköpfen  endigen.  Aus 
dem  mittleren  Eisenalter  ist  ein  Grab  besonders  bemerkenswert  h,  welches 
mit  einem  Steinkranze  umgeben  war  und  eine  ungebrannte  Leiche  enthielt. 
Die  Beigaben  bestanden  aus  einem  zweischneidigen  eisernen  Schwerte  in 
hölzerner,  mit  Birkenrinde  bekleideter  Scheide,  eiuem  eisernen  Schildbuckel, 
auf  dessen  Mitte  ein  flacher  Knopf  von  Bronze  saß,  einem  Schildhand- 
griff,  einer  Lanzenspitze,  einer  Axt,  einem  Trensengebiß,  einer  Scheere, 
sümmtlich  von  Eisen,  einem  Wetzstein  und  einer  Waageschale  von  Bronze. 
In  einigen  Gräbern  des  jüngeren  Eisenalters,  deren  Leichen  meistens 
mit  einem  kleinen  eisernen  Messer  ausgestattet  waren,  hat  man  auch 
Spuren  von  Holzsärgen  gefunden.  Auffallend  ist  die  große  Anzahl  der 
Bautasteine,  von  denen  noch  350  erhalten  sind,  und  welche  meistens  in 
Gruppen  stehen.  In  solcher  Anordnung  kommen  auch  Steinsetzungen  in 
Schiffsform  vor.  deren  24  gezählt  worden  siud.  Sie  sind  lauge  uud  schmale 
auf  beiden  Enden  zugespitzte  schwach  gewölbte  Pflasterungen,  eingefaßt 
von  einem  Rahmen  großer  Steine.  Es  sind  darin  theils  mit  dunkler  Asche 
gefüllte  Steinkisten,  theils  ungebrannte  Leichen  gefundon  worden.  Noch 
sind  zu  erwähnen  die  häufig  anzutreffenden  „Helleristninger1'.  Sie  sind  in 
lose  Steinblöcke,  zuweilen  auch  in  feste  Felsen  eingehauen  oder  geschliffen. 
Die  schalenförmigen  Vertiefungen  sind  am  häufigsten,  auch  Figuren  von 
Schiffen,  von  Fußsohlen  und  Räder  mit  Kreuzen  darin  sind  nicht  selten; 
menschliche  Figuren  aber  wurden  nur  dreimal  gefunden.  Die  zahlreichen 
Münzfuude  bestehen  aus  römischen  Silberdenaren  aus  dem  1.  und  2.  Jahr- 
hundert, byzantinischen  Goldsolidis  aus  dem  4.  bis  G.  Jahrhundert  und 
arabischen  Münzen  aus  dem  10.  Jahrhundert. 

Dr.  Bujack  macht  Mittheilungen  aus  dem  Werke  von  JohnEvans: 
The  ancient  bronze  iniplements,  weapous  and  Ornaments  of  Great  Britaiu. 
Indem  der  Verfasser  bei  seinen  Untersuchungen  die  Schriftdenkmäler  und 
Bildwerke  der  alten  Völker  heranzieht,  kommt  er  zu  dem  Schluß,  daß  es 
unmöglich  sei,  den  Schluß  des  Steinalters  in  bestimmte  Grenzen  zu  bringen 
und  den  Anfang  des  Bronzealters  und  des  Eisenalters  festzustellen.  Obwohl 
diese  drei  Kulturstufen  in  ihrer  Reihenfolge  feststehen,  muß  der  Uebergang 
von  der  einen  zur  anderen  in  einem  Lande,  das  eine  solche  Ausdehnung  wie 
Britannien  hat  und  von  verschiedenen  Volksstämmen  bewohnt  war,  eine 
lange  Jahresreihe  erfordert  haben,  ehe  sie  allgemein  wurde,  ein  Ausspruch, 
der  für  den  ganzen  Norden  gilt.  Besonders  interessirt  der  Nachweis,  den 
der  Verfassser  zu  führen  versucht,  daß  in  einzelnen  Ländern  dem  Bronze- 
alter noch  ein  Kupferalter  vorangegangen  zu  sein  scheine. 

Vorgelegt  wurden  an  Erwerbungen  und  Geschenken:  für  die  prä- 


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A Herthumsgesellschaft  Prusaia  1885. 


165 


historische  Sammlung:  zwei  bemalte  pompejanische  und  ein  römisches  Ge- 
fäß ;  für  die  Abtheilung  von  Graberfunden  der  ersten  Jahrhunderte  n.  Chr.  r 
ein  Ergänzungsfund  aus  Kl.  Blumenau,  Kr.  Fischhausen,  geschenkt  von 
Kaufmann  Haubensack;  für  die  Sektion  der  Gegenstände  aus  der  Zeit  der 
Herrschaft  des  Deutschen  Ordens:  ein  beschädigter  Grapen  aus  Bronzeguß, 
dem  14.  Jahrhundert  angehörig,  gefunden  bei  Memel;  ein  ebenda  gefundener 
Grapen,  doppelt  gehenkelt  und  auf  8  Füßen  stehend,  dem  15.  Jahrhundert 
angehörig;  ein  eisernes  Räuchergefäß,  auf  einem  hohen  dreifüßigen  Gestell, 
auch  aus  dem  15.  Jahrhundert,  alle  drei  Stücke  erworben,  ein  Theil  eines 
Kirchenstnhls,  mit  dem  in  Holz  geschnitzten  Wappen  des  Hochmeisters 
Friedrich  von  Sachsen  mit  der  Jahreszahl  1509,  geschenkt  vom  Gemeinde- 
kirchenrath zu  Neuhausen,  Kreis  Königsberg;  eine  eiserne  Speerspitze,  ein 
eisernes  Messer  in  einer  Holzscheide,  ein  messingenes  Glöckchen,  gefunden 
zu  Jerusalem  bei  Mossicken,  Kr.  Fisrhhauson;  zur  Abtheilnng  der  Gegen- 
stände des  17.  und  18.  Jahrhunderts:  ein  eiserner  Steigbügel  und  zwei 
eiserne  Sporen  des  17.  Jahrhunderts,  bei  Grabungen  für  die  Wasserleitung 
im  Löbenicht  gefunden:  ein  messingenes  Räuchergefäß  an  einem  messingenen 
Bügel,  zum  Schwingen  zu  gebrauchen,  aus  dem  Anfang  des  18.  Jahrhunderts 
gekauft;  eine  auf  gewebtem  Zeuge  mit  Seide  in  Arabesken  und  Blumen  ge- 
stickte große  Decke,  geschenkt  von  Frau  Rittergutsbesitzer  Krause  geb. 
v.  d.  Trenck,  eine  Schnupftabacksdose  in  Form  eines  Mannes  mit  Kaftan, 
vermuthlich  aus  Stein;  zur  Abtheilung  der  Gegenstände  des  19.  Jahrhunderts: 
eine  aus  einem  afrikanischen  Kürbiß  hergestellte  Wasserflasche  mit  ein- 
geritztem Kriegsschiff  und  dem  Kopf  eines  Admirals,  ein  Beutestück  aus  der 
Schlacht  bei  Pr.  Eylau  1807,  geschenkt  von  Professor  v.  d.  Goltz  bei  seinem 
Fortgang  ans  Königsberg,  Eintrittskarte  für  den  Blessirten  Batist  Micha- 
lausitz in  das  Hospitnl  zu  Labian,  15.  August  1812,  in  französisch  er  Sprache, 
geschenkt  von  Dr.  med.  Herz,  eine  Brille  in  Lederfassung  und  mit  Bändern, 
gekauft;  zur  Bibliothek:  eine  Flurkarte  des  Dorfes  Quednau,  auf  Ver- 
anlassung des  Königsberger  Magistrats  1729  aufgenommen,  gekauft,  Erlaß 
an  die  Kriegs-  und  Domainen-Kammer  vom  26.  Juni  1726  und  vom 
23.  Juli  ejusdem  a.,  Abschrift,  geschenkt  vom  Gymnasiasten  Brock  mann, 
Bericht  an  Seine  Majestät  wegen  der  Ritterdienste  im  Königreich  Preußen, 
de  dato  Königsberg,  6.  Juni  1725,  geschenkt,  Goldbeck's  vollständige  Topo- 
graphie des  Königreichs  Preußen  in  zwei  Theilen  (2.  Band  Marienwerder  1789), 
und  Seekarten  der  Ost-  und  Nordsee  längs  der  anliegenden  Küsten  und  des 
Atlantischen  Oceans  von  der  Französischen  Küste  bis  Island,  aus  dem  Ende 
des  vorigen  und  dem  Anfang  dieses  Jahrhunderts,  vorzüglich  Holländische, 
geschenkt  von  Dr.  med.  Herz,  und  zur  Bilder-Sammlung:  2  Stiche  von 
Schadow  und  Jugk  aus  dem  Leben  Friedrich  des  Großen  und  ohne  weitere 
Angabe  des  Verfertigors  die  Vertheidigung  eines  französischen  Grenadiers, 


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im 


Kritiken  und  Referate. 


ein  Bnistbild  der  Königin  Luise  und  die  alte  Börse  an  der  Grünen  Brücke 
zu  Königsberg,  geschenkt  von  Maler  Schenk. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  19.  Nov.  1RS5.  No.  271.] 
In  der  Sitzung  vom  20.  NoTomber  1885,  in  der  sich  die  Mit- 
glieder nach  den  zwei  gehaltenen  Vorträgen  zur  General- Versammlung  kon- 
stituirten  und  die  ausscheidenden  Vorstandsmitglieder  wie  die  vorjährigen 
Kassen-Revisoren  wiederholten,  legte  Professor  Hey  deck  die  Ergehnisse 
der  Ausgrabungen  vor,  die  er  mit  Bildhauer  Eckart  vereint  im  Sep- 
tember 1885  in  der  Fritzenschen  Forst,  Kreis  Fischhausen,  zu  Gr.  Raum 
und  Dammwalde  und  in  der  Sadlower  Forst  im  Kekitter  Revier,  Kreis 
Rössel,  unternommen  hatte.  Es  wurden  nach  ertheilter  Erlaubiß  des  Herrn 
Regierungspräsidenten  in  beiden  genannten  Königlichen  Forsten  Hügelgräber 
vorchristlicher  Zeit  aufgedeckt,  in  deren  Steinkisten  mit  einer  einzigen  Aus- 
nahme nur  Urnen  mit  den  von  Leichenbrand  herrührenden  Knochen  bei- 
gasetzt  waren.  Diese  in  ein  einziges  Hügelgrab  der  Fritzenschen  Forst,  zu 
der  Asche  gelegten  Beigaben  waren  aber  um  so  seltener  und  wiesen  auf 
eine  südeuropäische  Herkunft  hin:  ein  großer  kanelirter  Ring  aus  Bronze 
mit  zurückgebogenen  Endigungen,  der  entweder  um  den  Hals  oder  auf  der 
Brust  mit  Hilfe  eines  um  den  Hals  gelegten  Bandes  getragen  werden  konnte, 
ein  eingeschlossener  bronzener  Armring  mit  scheibenförmigen  Endungen  und 
ringförmigen  Anschwellungen,  und  zwei  bronzene  Haarnadeln  verschiedener 
Größe;  nur  ein  Hängestück  aus  Bernstein  gehörte  der  preußischen  Heimath 
an.  Der  Vortragende  behandelte  die  Formen  der  Gefäße  aus  Hügelgräbern 
wie  die  Herstellung  der  Ornamentik  derselben  und  legte  dann  die  Funde 
eines  Gräberfeldes  der  ersten  Jahrhunderte  n.  Chr.  aus  dem  Raatenburger 
Stadtwald,  die  Görlitz  genannt,  vor,  zu  dessen  Hebung  der  Herr  Bürger- 
meister in  Rastenburg  den  Vorstand  der  Gesellschaft  freundlichst  aufgefordert 
hatte.  Bei  Gelegenheit  des  Baues  einer  Hopfenscheune  hinter  dem  Stadt- 
haus Görlitz  war  man  auf  einige  Urnen  gestoßen,  von  denen  noch  zwei  von 
Herrn  Oberförster  Barkowski  dem  Prussia- Museum  übergeben  wurden 
und  hatten  in  Folge  dessen  Professor  Heydeck  und  Bildhauer  Eckart 
diese  Untersuchung  in  mehrwöchentlicher  Frist  systematisch  fortgesetzt. 
Außer  den  durch  ihr  Profil  und  ihre  Ornamente  ausgezeichneten  Urnen  und 
den  wenigen  Beigaben,  unter  denen  die  bronzene  Zackenfibula  sich  auch 
nur  wenig  wiederholt,  legte  Herr  Professor  Hey  deck  eine  große,  von  ihm 
ausgeführte  Zeichnung  derjenigen  Stelle  des  Gräberfeldes  vor,  welche  die 
größten  Urnen  enthielt.  Der  Besucher  des  Prussia-Museums  nimmt  jetzt 
genannte  Zeichnung  zwischen  der  Trophäe  der  ersten  Jahrhunderte  n.  Chr. 
und  der  Trophäe  des  10.  Jahrhunderts  wahr  und  sieht  auf  dem  großen 
Karton  die  Darstellung  der  Grube  in  natürlicher  Grösse,  in  welcher  die 
Riesenurnen  schon  von  Erde  befreit,  aber  von  ihrer  Unterlage,  den  Üiesen- 


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Alterthumsgesellschnft  Prussia  1885. 


167 


artigen  Steinen,  noch  nicht  gerückt  sind,  gleich  einigen  kleineren  Urnen, 
nnd  ebenfalls  wie  einige  ans  der  Erde  vorguckende  Steine  und  der  Contur 
der  darunter  sich  befindenden  Erdmasse  vermnthen  lassen,  daß  mit  den 
Steinen  auch  Urnen  zugedeckt  und  diese  noch  zu  heben  sind.  Leider  waren 
die  Steine  auch  die  häufigsten  in  den  Urnen  wiederkehrenden  Beigaben.  — 
Nach  diesem  Vortrage  aus  der  Prähistorie  erinnerte  Herr  Gyranasialdirektor 
Dr.  Babucke  daran,  daß  wir  1885  das  Jubelfest  des  Potsdamer  Edikts  zu 
nennen  berechtigt  wären.  1G85  hatte  der  Große  Kurfürst  den  nach  Auf- 
hebung des  Edikts  von  Nantes  massenweise  aus  Frankreich  flüchtenden 
Protestanten  durch  das  genannte  Potsdamer  Edikt  bereitwillig  seine  Staaten 
geöffnet,  und  Tausende  von  Refngies  fanden  in  Brandenburg-Preußen  will- 
kommene Aufnahme.  Welche  Gefahren  diese  Flüchtlinge  bestehen  mußten, 
welchen  todes  verachten  den  Heldenmut!»  sie  bewiesen,  ist  bekannt.  AI«  ein 
Beispiel  dafür  legte  der  Vortragende  die  eigenhändigen  Aufzeichnungen  eines 
jnngen  Mädchens  vor,  welches  1687  von  La  Rochelle  aus  sich  selbst  und 
noch  fünf  jüngere  Geschwister  zunächst  nach  England,  dann  nach  dem 
Haag  in  Sicherheit  brachte,  während  sich  die  Eltern  getrennt  auf  anderen 
Wegen  retteten.  Die  Aufzeichnungen  enthalten  den  Namen  der  jugendlichen 
Heldin  nicht,  der  Vortragende  machte  es  jedoch  im  höchsten  Grade  wahr- 
scheinlich, daß  es  Susanne  de  Robillard  gewesen  sei,  welche  späterhin  eine 
Ehe  mit  Karl  Baron  de  la  Motte-Fouque'  einging,  der  gleichfalls  als  Refugiä 
nach  dem  Haag  gekommen  war.  Aus  dieser  Ehe  ist  dann  der  später  unter 
Friedrich  dem  Großen  zu  so  hohem  Ruhm  gelangte  General  Fouque  ent- 
sprossen —  Als  Accessionen  für  das  Prussia-Museum  wurden  folgende  Ge- 
schenke vorgelegt :  ein  Ergänzungsfund  für  das  Zintener  Gräberfeld  der 
ersten  Jahrhunderte  nach  Chr.,  von  Herrn  Justizbeamten  Lehrmann;  ein 
Solidus  des  Herzogthums  Preußen  vom  Jahre  1669,  von  Herrn  Major  Beck- 
herrn;  ein  Salzburger  Kaufbrief  vom  Jahre  1717;  drei  geöhrte  Amulette 
von  Kaufmann  Herrn  B  rzezinski;  ein  seidenes  Taufmützehen  mit  Gold- 
stickerei von  Herrn  Hauptmann  Ephraim;  ein  Schreibbild  des  Schneider- 
meister Lichtenau  in  Danzig,  1757,  in  welchem  die  ersten  17  Psalmen  die 
Figur  nach  Apokalypse  Kap.  12  zusammensetzen,  geschenkt  vom  Haupt  kassen- 
Rendanten  der  Südbahn  Herrn  Wohlgemuth;  eine  Stutzuhr  aus  dem 
empire  nnd  eine  Tasse  mit  einer  Silhouette  von  Fräulein  v.  d.  Recke; 
zwei  alte  Fayence-Töpfe  mit  den  Bildern  des  Admiral  Nelson  und  Kapitän 
Berry  von  Frl.  v.  Lehwald. 

[Ostpr.  Z.  v.  21.  Jan.  1886  No.  17  (Beil.)] 


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Mittheilungen  und  Anhang 


Notizen  zor  Gründungsgeschichte  der  jüdischen  Gemeinden 

Altpreußens. 
Von  M.  Friedeberg. 

I. 

Die  älteste  Geschichte  der  Juden  in  Deutschland  ist  seit  Ph.  Jaffö 
und  O.  Stobbe  bis  zur  Zeit  Karls  des  Großen  zurück  mit  großem  Eifer  ans 
deutschen  und  hebräischen  Urkunden,  Gemeindeakten,  Grabschriften  u.  s.  w. 
erforscht  worden.  In  den  Capitularien  Karls  des  Großen  und  seiner  Nach- 
folger werden  die  Juden  öfters  als  negotiatores  genannt  (cf.  Pertz,  monu- 
menta;  Leges  p.  114  No.  4),  von  Magdeburg,  Merseburg  u.  s.  w.  drangen 
sie  im  zehnten  Jahrhundert  (cf.  Leuber,  Stapulae  saxonicae  in  einer  Urkunde 
Ottos  des  Großen  vom  Jahre  965)  handeltreibend  bis  in  die  von  Slaven  be- 
wohnten Landesstriche  jenseits  der  Oder.  Es  erscheint  daher,  wenn  auch 
dem  Charakter  der  Zeit  nach  nicht  befremdend,  so  doch  bemerkenswerth, 
daß  noch  im  Jahre  1309  ein  Edikt  des  Hochmeisters  Siegfried  von  Fencht- 
wangen  bestimmte,  daß  kein  Jude  und  kein  Zauberer  in  Preußen  geduldet 
werden  soll.  Somit  kann  es  bei  dem  halb  religiösen  halb  kriegerischen 
Charakter  der  Ordenssiedelungen  nicht  auffallen,  daß.  während  im  frän- 
kischen Reich  bereits  unter  Ludwig  dem  Frommen,  Karl  dem  Kahlen  und 
seinen  Nachfolgern  jüdische  Gemeinden  blühten,  während  in  Polen  das 
11.  Jahrhundert  von  ihren  Niederlassungen  (Handelsfaktoreien)  zu  berichten 
weiß,  Litauen  unter  Witowd  um  1388  organisirte  Gemeinden  hat,  die  Ent- 
wickelung  derselben  in  Preußen  eine  so  langsame  war.  daß Königsbe rg  in 
Preußen  erst  im  Jahre  1680  nach  eingeholter  Erlau bniß  zur  Gründung  einer  Syna- 
goge eine  organisirte  Gemeinde  bildete.  In  einem  von  Professor  J.  Saalschütz 
(Königsberg)  aus  den  Akten  des  geheimen  Archivs  mitgetheilten  Schreiben  des 
Königs  Friedrichs  I.  vom  14.  Oktober  1701  heißt  es  noch :  „Es  sei  den  Juden 


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Notizen  zur  Gründiingsgeschichte  der  jüdischen  Gemeinden.  D>9 

nur  gestattet  zur  Beförderung  des  Handels,  sonderlich  mit  dem  benachbarten 
Polen  und  Litauen,  durchzureisen  und  bis  sie  ihre  Waaren  verkauft 
und  ihre  Einkäufe  gemacht,  auf  einige  Tage  oder  höchstens  eine  Woche 
sich  aufzuhalten."  Die  jüdischen  Gemeinden  in  der  Provinz  sind  noch 
jüngeren  Datums,  als  die  Königsberger  Gemeinschaft.  Im  Anfang  des 
18.  Jahrhunderts  wohnten  Juden  auf  den  Aemtern  Ragnit,  Lyck,  Osterode, 
Johannisburg,  Marienwerder,  Preuß.  Holland,  Deutsch-Eylau.  In  Memel 
war  im  Jahre  1682  die  später  in  den  Akten  des  geheimen  Archivs  viel  ge- 
nannte Familie  de  Jonge  koncessionirt  worden.  Schon  dieser  noch  heute 
am  Rhein  vielfach  vorkommende  Name  deutet  darauf  hin,  daß  die  östlichen 
Ansiedelungen  der  Juden  in  Preußen  sich  keineswegs  ausschließlich  aus 
Polen  rekrutirten.  Als  im  Jahre  1767  die  Juden  in  Gumbinnen  eine  Bet- 
stube und  einen  Begräbnißplatz  mit  obrigkeitlicher  Erlaubniß  anlegten,  war 
die  erste  Leiche,  mit  der  der  Begräbnißplatz  eingeweiht  wurde,  die  eines 
Handelsmanns  C.  Kiewe  aus  Krojanke.  der  zum  Besuch  des  Darkehmer 
Jahrmarkts  gekommen  war.  Aus  den  posenschen  und  westpreußischen  Städten 
Krojanke,  Flatow,  Tützn.  a.  haben  sich  vorwiegend  die  Gemeinden  Gumbinnen 
und  Tilsit  rekrutirt,  die  neben  Königsberg  die  einzigen  in  Ostpreußen  sind,  deren 
Begruhnißplätze  bereits  ein  Alter  von  100  Jahren  überdauern.  Aus  den  von 
den  dortigen  „Beerdigungsgesellschaften' '  geführten  Akten  (die  Chewra  Ke- 
discha,  heilige  Gemeinschaft,  bildet  einen  Verband  der  bei  den  Beerdigungen 
thätigen  Männer,  dieser  Verein  führt  Notizen,  feiert  ein  jährliches  Stiftungs- 
fest und  seine  älteren  Urkunden  bilden  in  den  meisten  Fällen  ein  noch 
unverwerthetes  Material  für  die  Geschichte  der  Juden  in  Deutschland)  er- 
hellt mit  Sicherheit,  daß  während  die  Synagoge  in  Tilsit  erst  seit  1842  steht, 
die  Begründung  einer  ständigen  Betstube  ungefähr  gleichzeitig  mit  der 
Einrichtung  einer  solchen  in  Gumbinnen  zu  setzen  ist.  Der  Bau  einer  Sy- 
nagoge wurde  von  der  Obrigkeit  zumeist  erst  sehr  spät  (in  Tilsit  erst 
durch  eine  Kabinetsordre  Friedrich  Wilhelm  IV.)  gestattet,  dagegen  existirt 
ein  noch  heute  vorhandenes  reguläres  Statut  eines  jüdischen  Frauenvereins 
der  ca.  17  Familien  repräsentirte,  zu  Tilsit  vom  17.  Dezember  1837.  Bemerkens- 
werth ist  eine  neuerliche  statutarische  Festsetzung  vom  17.  Dezember  1845, 
daß  die  Frauen  bei  Beerdigungen  nicht  in  auffallendem  Bänderschmuck  er- 
scheinen sollten,  sondern  ein  weißes  Band  als  gemeinsam  acceptiren  müssen. 
Diese  Frauenvereine,  welche  zunächst  die  Theilnahme  der  weiblichen  Ge- 
meindemitglieder an  Beerdigungen  der  Frauen  reguliren,  die  Herstellung 
der  Sterbegewänder,  Vornahme  der  rituellen  Waschungen  überwachen,  bilden 
neben  der  oben  erwähnten  Chewra  Kedischa  den  historischen  Ansatz  für  die 
heutigen  Cultusgemeinden.  Was  den  oben  erwähnten  ethnischen  Charakter 
der  ersten  die  ost preußischen  Gemeinden  statuirenden  Familien  anbelangt, 
so  lassen  sich  aus  Grabinschriften,  Notizen  der  Chewra  etc.  folgende  Familien 


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170 


Mitteilungen  und  Anhang. 


nach  ihrem  deutschen  Ursprung  verfolgen:  Moses  aus  Flatow  erhält  1786 
das  Schutzprivilegium  für  Gumbinnen.  Dieser  Mann  schaffte  für  die  dortige 
Gemeinde  die  nöthigen  Betpulte,  seidenen  Vorhänge,  Kronleuchter,  Gebet- 
bücher u.  s.  w.  an,  kaufte  von  der  Stadt  den  zum  Friedhof  führenden  "Weg 
und  ließ  um  den  Friedhof  einen  Wall  aufwerfen.  Ihn  unterstützte  die 
Familie  Joel,  verschwägert,  mit  der  Familie  Grühn.  Joel  war  Graveur, 
ein  Bruder  desselben  starb  in  Tilsit  (Dezember  183G).  In  Tilsit  lebten  gleich- 
zeitig die  aus  Tütz  in  Westpreußen  angesiedelten  Familien  Markuse,  Leon- 
hardt sowie  die  drei  Linien  umfassende  Familie  Lebegott,  von  denen  später 
Julius  Lebegott  eine  Reihe  von  Jahren  Vorsteher  der  Tilsiter  Kaufmannschaft 
(Korporation)  war.  In  Gumbinnen  waren  aus  Westpreußen  angesiedelt: 
W.  Zaddek  aus  Flatow,  S.  J.  Meyer  aus  Krojanke,  J.  M.  Markuse  aus  Tütz, 
F.  J.  Hell  aus  Krojanke,  M.  N.  Zacharias  aus  Flatow,  Th.  Flatow  aus 
Conitz,  S.  Anders  aus  Danzig.  Ferner  lieferte  nach  dem  Erscheinen  des 
bekannten  für  die  Juden  günstigen  Edikts  vom  Jahre  1812  die  große  Ge- 
meinde Märkisch  Friedland  für  Gumbinnen  und  Tilsit  eine  Anzahl  Gemeinde- 
mitglieder; so  errichtete  M.  Cohn  aus  M.-Friedland  eine  Seifensiederei  in 
Gumbinnen.  In  Tilsit  machte  sich  der  Goldarbeiter  Löwensohn  durch  in- 
dustrielle Erzeugnisse,  mit  denen  er  selbst  Berliner  Ausstellungen  erfolgreich 
beschickte,  bemerkbar.  Eine  in  Ostpreußen  heute  weitverzweigte  Familie, 
Sklower  in  Tilsit,  die  ihren  Ursprung  auf  den  berühmten  Herausgeber 
hebräischer  Druckwerke,  den  Talmudisten  May  zurückführt,  zog  aus 
Breslau  hier  an.  Obwohl  sonach,  wie  schon  aus  den  von  überall  her 
zusammengewürfelten  Ursprungsfamilien  erhellt,  ein  eigentliches  historisches 
Judenthnm  in  Ostpreußen  nicht  wie  im  deutschen  Westen  oder  im  ehem. 
polnisch-litauischen  Reiche  existirt,  dürfte  es  doch  interessant  sein,  weitere 
Mittheilungen  über  Cultur  und  Charakter  der  jüdischen  Gemeinde- 
Institutionen  in  Ostpreußen,  nach  bisher  ungedruckten  Quellen  im  Folgenden 
entgegenzunehmen. 

II.  Tilsit. 

Bei  der  großen  Zahl  der  bereits  in  der  ersten  Hälfte  des  vorigen 
Jahrhundert«  durch  Tilsit  passirenden,  die  Handelsgeschäfte  mit  dem 
Osten  vermittelnden  Juden  existirten  in  Tilsit  bereit«  lange  vor  der 
Bildung  einer  eigentlichen  deutschen  Gemeinde  Betstuben  für  diese  zu 
Handelszwecken  aufhaltsamen  poln.-litauischen  Juden.  Die  Zahl  der  fremden 
Passanten,  die  z.  B.  noch  in  den  Jahren  1858—60  an  5000  Personen  umfaßte,  ist 
aktenmäßig  erhalten ,  da  seit  dem  Jahre  1796  höheren  Orts  eine  Steuer  von 
3  Groschen  von  jedem  fremden  Juden  erlegt  werden  mußte.  Diese  litauischen 
Handeltreibenden  stifteten  im  Jahre  1768  in  Tilsit  einen  Verein  für  Pflege 
erkrankter  und  Beerdigung  gestorbener  Glaubensgenossen.  Das  hebräische 
Vereinshuch,  die  Statuten,  Verzeichniß  des  Inventariums  dieses  Vereins  sind 


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Notizen  zur  Gründungsgeschirhte  der  jüdischen  Gemeinden.  171 

erhalten.*)  Dieser  Verein  hat  ungefähr  bis  zum  napoleonischen  Feldzug 
(1812)  bestanden,  er  zerbröckelte  langsam.  Nach  der  siegreichen  Erhebung 
Preußens  zeigt  sich  der  erwachende  deutsch-nationale  Geist  in  der  Stiftung 
einer  nur  von  ansässigen  deutschen  Juden  begründeten  „Zunft*4  zu  den- 
selben Zwecken.  Stiftungstag  und  Grundziige  des  Statuts  sind  diesell>en 
wie  in  dem  alten  Verein.  Doch  wird  derselbe  von  dem  Stifter  der 
neuen  Zunft,  Joachim  Simon,  gänzlich  ignorirt  und  dürfte  es  unter  Um- 
ständen lohnen,  zu  recherchiren,  wohin  das  zum  Theil  sehr  kostbare  Inventar 
des  alten  Vereins  hingekommen  ist.**)  In  dem  noch  vorliegenden  hebräischen 
Vereinsbnch  werden  Spenden  von  silbernen  und  goldenen  Gerätschaften, 
Sammetdecken  n.  s.  w.  von  hohem  Werth  aufgeführt.  Die  Statuten  der 
1818  begründeten  Zunft  lauten  wie  folgt: 

Statuten 

für  die  heute  hier  gestiftete  Israelitische  Armen- ,  Kranken-,  Verpflegungs- 
und  Beerdiguiigs-Zunft  am  15.  Tago  im  Monat h  Kislew   im  Jahr  5579. 

Nach  der  Schöpfung  der  Welt 
Entworfen 
von 

Joachim  Simon 

Tilse  den  13.  Dezember  1818. 

Einleitung.     Da  auf  dem   jetzt   hier  existirenden  Israelitischen 
Gottes-Acker  nur  noch  sehr  wenig:  Platz  übricr  ist,  so  war  es  nothwendie, 

CT  O  '  O' 

ein  Stück  anstoßendes  Feld  anzukaufen.  Dieses  ist  auch  bereits  durch  mich 
Joachim  Simon  nls  Bevollmächtigten  geschehen  und  ist  zwischen  mir  und 
dem  Verkäufer  dein  Schuhmacher-Meister  Ruth  durch  gerichtlichen  Contrakt 
der  Kauf  abgeschlossen  und  auch  aus  der  alten  Bestandkasse,  welche  der 
Herr  Itzig  Hennigson  unter  Aufsicht  hatte,  bezahlt.  Da  es  nun  nothwendig 
werden  dürfte,  von  dem  neuen  dazu  gekauften  Felde  Gebrauch  machen  zu 
müssen  und  dieses  nach  unseren  Gesetzen  nicht  eher  geschehen  darf,  als 
bis  es  durch  einen  Fasttag  einer  Beerdigungszunft  dem  alten  einvorloibt 
werden  kann  —  aber  bis  jetzt  noch  keine  wirkliche  Beerdigungs-Zunft  hier 
exi«tirt,  so  hahe  ich  an  aer  jetzt  sich  hier  vergrößernden  Gemeinde,  wie 
wichtig  es  ist,  eine  Armen-,  Kranken-,  Verptlegungs-  und  Beerdigungs-Zunft 


*)  Befindet  sich  z.  Z.  in  den  Händen  des  Referenten.  Die  Statuten 
des  alten  Vereins  haben  den  beistehenden  ersichtlich  als  Vorlage  gedient, 
nin  so  befremdender  wirkt  die  Ignorirung  des  alten  Buches  in  denselben. 

**)  Für  die  bevorstehende  Kulturlüstorische  Ausstellung  in  K.  nicht 
ohne  Werth. 


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172 


Mittheiluii^en  und  Anhang. 


zu  bilden  vorgetragen.  Es  ist  allgemein  mein  Vorschlag  angenommen 
worden.  Es  haben  sich  der  größte  Theil  der  Gemeinde,  wovon  schon  früher 
welche  Mitglieder  von  Zünften  anderer  Orten  waren,  zu  wirklichen  dienenden 
Mitgliedern  verbunden.  Auch  habe  ich  heute  als  den  15.  Tag  im  Monat 
Kislew  zum  Stiftungstag  der  hiesigen  A.-,  K.-  und  V.-  und  B.-Zunft  be- 
stimmt, wozu  gleich  die  Einverleibung  des  neu  gekauften  Stück  Feldes  zum 
alten  Gottesacker  mit  in  sich  begreift.  Es  haben  sich  zu  diesem  heiligen 
Zweck  unterzeichnete  Mitglieder  folgenden  Punkten  oder  Statuten  zur  Auf- 
rechthaltung des  Ganzen,  welches  ich  festgesetzt  habe,  unterworfen. 

§  l. 

Dio  heute  zu  dieser  Zunft  verbundenen  Mitglieder  werden  als  der 
Stamm  derselben  angenommen  und  es  hat  Jeder  dem  allgemeinen  Gebrauch 
zufolge  ein  Stammgeld  von  18  Thalem  zu  zahlen.  Es  kann  heute  weiter 
Keiner  aus  der  übrigen  Gemeinde  als  wirkliches  Mitglied  der  Zunft  auf- 
genommen werden.  Für  die  Folge  müssen  diejenigen,  die  in  die  Zunft  auf- 
genommen zu  werden  gedenken,  am  Ersten  des  Monats  Kislew  den  Vor- 
steher der  Zunft  mit  ihrem  Wunsch  bekannt  machen,  welcher  dann  am 
15.  Kislew  als  den  immer  zu  feyemden  Stiftungstag  bey  der  Zusammenkunft 
der  Zunft  denselben  mit  dem  Wunsch  der  einzutretenden  bekannt  macht, 
und  ist  gegen  denselben  sein  guter  Ruf  und  friedliches  Betragen  nichts  ein- 
zuwenden, so  entscheidet  die  Mehrheit  der  Stimmen  durch  Ballotiren  für 
oder  wider  seine  Aufnahme. 

Die  heute  zusammentretenden  Mitglieder  wählen  aus  ihrer  Mitte  einen 
Zunft- Vorsteher  und  einen  Beisitzer  auf  zwey  hintereinander  folgende  Jahre. 

8  3. 

Dem  Vorsteher  werden  von  der  Zunft  alle  mit  diesem  Amt  verbundenen 
Geschäfte  tibertragen,  und  hängen  alle  Anordnungen,  insofern  sie  nicht  den 
Religionsgebräuchen  zuwiderhandeln,  lediglich  von  ihm  allein  ab  und  ohne 
das  Vorwißen  desselben  darf  Niemand  sich  anmaßen  etwas  anzuordnen, 
oder  ihm  zuwiderzuhandeln.  Ein  respektwidriges  ungehorsames  oder  un- 
gesittetes Betragen  in  der  Zunft-Versammlung  oder  im  Dienst  wird  mit 
einer  angemessenen  Geldstrafe  bis  einen  Thlr.  zur  Casse,  aber  ein  grobes 
widergesetzliches  Vergehen  mit  Ausstoßung  aus  der  Zunft  bestraft. 

Bei  wichtigen  Vorfällen  ist  der  Vorsteher  verpflichtet,  die  Zunft  zu- 
sammen bitten  zu  lassen.    Da  es  aber  für  die  Folge  so  wir  mit  göttlicher 


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Notizen  zur  Gründungsgeschichte  der  jüdischen  Gemeinden.  173 

Hülfe  hoffen  noch  die  Zunft  stärker  werden  wird,  so  werden  aaller  dem 
Vorsteher  und  Beysitzern  nur  5  aus  der  Zunft  durch  das  Loos  gezogen, 
wozu  noch  jedesmahl  ein  Mitglied  des  Kahel  hinzugezogen  wird. 

Zur  Einnahme  der  Casse  sind  bestimmt : 

1.  Die  schon  im  Jahre  1796  von  höhern  Orts  bestimmten  von  jedem 
Fremden  Glaubensgenossen  zu  erhebenden  drey  Groschen. 

2.  Die  Begräbnilgelder. 

3.  Die   Einkaufsgelder  in   der  Zunft,   Collekten   und  mildthätige 
Beiträge. 

Zur  Ausgabe  gehören: 
1.  Die  Unterhaltung  des  Begräbnisorts, 
2L  des  Leichenwagens  und  der  Geräthe, 
3.  des  Krankenhauses  nebst  Geräth. 

3.  Die  Verpflegung  der  armen  fremden  Kranken,  desgleichen  armer 
Kranken  aus  der  Gemeinde. 

5.  Das  Beerdigen  der  verstorbenen  Armen. 

6.  Die  Besoldung  des  Zunft-  und  Kranken-Wärters. 

§6. 

Ist  der  Vorsteher  verpflichtet,  alle  drey  Monathe  über  alle  die  Ein- 
nahmen und  Ausgaben  den  Beysitzern  gehörige  Rechnung  abzulegen  und 
von  den  von  jedem  Fremden  einzuziehendeu  drey  Groschen,  welche  des 
sichern  Eingangs  halber  von  dem  Herrn  Registrator  Taudien  einstweilen  ein- 
gezogen werden,  von  welchem  er  diese  alle  drey  Monath  zu  empfangen  und 
an  Ein  hochlöbl.  Magistrat  erforderlichen  Falls  über  die  nützliche  Ver- 
wendung derselben  Rechnung  abzulegen  hat. 

Pflicht  des  Beysitzers  den  Vorsteher  zu  vertreten. 

§8- 

Der  Bernf  eines  jeden  Mitgliedes  der  Zunft  ist,  die  heiligen  Pflichten 
seines  Standes,  ohne  irgend  auf  eine  Belohnung  dabei  zu  rechnen  oder  sonst 
einen  eigenen  Nutzen  dabey  zu  bezwecken,  als  nur  das  angenehme 
Bewußtsein,  seinen  Mitmenschen,  der  sich  in  der  traurigen  Lage  beflndet, 
sich  selbst  nicht  helfen  zu  können,  treulich  seinen  Pflichten  eingedenk  bei- 
zustehn  und  er  muß  jeder  Zeit,  es  sey  im  Tage  oder  des  Nachts,  bey  einem 
Kranken  oder  Todten,  es  sey  Freund  oder  Feind,  arm  oder  reich,  sowohl 


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174 


Mittheilungen  und  Anhang. 


den  Religiösen  als  den  Nichtreligiösen  ohne  Unterschied  seinem  Beruf 
Folge  leisten. 

§  9. 

Ein  jedes  Mitglied,  daß  bey  einem  Kranken  berufen  oder  von  dem 
Vorsteher  hierzu  aufgefordert  wird,  muß  diesem  Ruf  sogleich  nachkommen 
um  für  alles  dem  Kranken  benöthigeude  zu  sorgen,  und  findet  er,  daß  der 
Kranke  sich  schon  dein  Tode  nahet,  so  muß  er  sogleich  hiervon  den  Vor- 
steher benachrichtigen  lassen,  damit  dieser,  wenn  er  es  schon  für  nöthig 
findet,  mehrere  Mitglieder  bey  dem  Sterbenden  zusammenrufen  lassen  kann, 
um  ihn  nach  den  Gesetzen  der  Religion  zum  Tode  vorzubereiten.  Der 
Vorsteher  hat  darauf  zu  reflectiren,  dsß  sowohl  bei  der  Thara  (Reinigung 
und  Waschung  des  Todten)  als  auch  bei  der  Beerdigung  alles  unnöthige 
Geräusch  vermieden  wird. 

§  10. 

Da  die  Zunft  gegenwärtig  noch  klein  ist,  so  haben  sich  die  übrigen 
Mitglieder  der  hiesigen  Gemeinde  gleichfalls  zu  den  Wachen  bey  den 
Todten  verstanden. 

§  u. 

Es  wird  ein  tüchtiger  zu  diesem  Geschäfte  brauchbarer  Zunft- Auf- 
wärter, der  aber  zugleich  Staatsbürger  sein  muß,  besonders  an- 
genommen, welcher  freye  Wohnung  im  Krankenhause  und  eine  angemessene 
Besoldung  erhält.  Die  Tage,  die  er  mit  der  Zunft-Büchse  zur  Sammlung 
herumgeht,  darf  er  Niemand  von  der  Gemeinde  auslaßen,  auch  kann  er 
fremde  Glaubensgenossen  um  mildthätige  Beisteuer  mit  der  Büchse  an- 
sprechen, ohne  zudringlich  zu  werden. 

§  12.    Feier  des  Stiftungstages. 

Die  Zunft  versammelt  sich  in  der  Synagoge,  woselbe  wie  an  einem 
Feiertage  erleuchtet  ist  und  die  dabei  üblichen  Slicho-Gebete  gesagt  werden, 
alsdann  besucht  sie  den  Gottesacker  und  verrichtet  daselbst  die  üblichen 
Gebethe,  versammelt  sich  gleichfalls  zum  Vesper-  und  Abend-Gebeth  in  der 
Synagoge,  wo  bey  Ereterem  sowie  des  Morgens  aus  der  Thora  Wajchal 
vorgelesen  wird,  die  dabei  Aufzurufenden  werden  durch  das  Loos  bestimmt. 

Auch  bleibt  dieser  Tag  als  Fasttag  für  die  Zunft  festgesetzt.  Den 
Beschluß  dieses  Tages  macht  eine  von  dem  Vorsteher  hierzu  veranstaltete 
Abendmahlzeit ,  wozu  ein  jedes  Mitglied  zur  Bestreitung  dieser  Kosten  bei- 
trägt, welches  aber  nicht  über  1  Thlr.  sein  darf.  Die  Mitglieder  der  Zunft, 
welche  unvermögend  sind,  den  Beytrag  zu  leisten,  werden  von  dem  Vor- 


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Notizen  zur  Gründnngsgeschichte  der  jüdischen  Gemeinden.  175 


steher  hierzu  eingeladen.  Auch  werden  zu  diesem  Mahl  das  Kahel  und 
andere  Mitglieder  der  Gemeinde,  die  der  Vorsteher  für  gut  befindet,  eingeladen. 

Daß  vorstehende  Abschrift  der  Statuten  mit  dem  Original  in  hebräischer 
Sprache  gleichlautend  ist,  attestire  hiermit 

Tilse  den  28.  May  1820. 
Meyer  Cohn, 
Lehrer  der  hiesigen  Israelit.  Jugend. 

aus  Friedland 
Joseph  Rosen  feld. 
H.  Pollnow  aus  Ragnit. 


Unterschriften :  *) 
Vorsteher:  Joachim  Simon. 
Mitglieder:  J.  Hennigson. 

J.  Lebegott,  M.  Salinger  i 
W.  Markuse,  M.  Markuse/ 
J.  Saphir  aus  Elbing. 
D.  Herrnberg  aus  AHenstein. 
M.  Leonhard)  m, 
H.       ,       )  ^ 
M.  Saß  aus  Bütow. 


aus  Tietz.    A.  Kaddisch  a.  Friedland. 

H.  Danziger  aus  Hasenpoth  (Kurland). 
M.  Moldeano  aus  Zinten. 
Goldarbeiter  Löwenson. 
S.  M.  Löwenberg,  Lotterie-Einnehmer. 
L.  Sklower  aus  Breslau. 


Unlversltfits-Chrouik  1885. 

(Sachtrai:.) 

13.  Juli.  Phil.  I.-D.  von  Richard  Trlebel  (a.  Königsberg):  Ueber  Bau  und 
Entwickelung  der  Oelbehälter  in  Wurzeln  von  Compositen.  Halle. 
Druck  vun  E.  Blochmann  &  Sohn  in  Dresden.  (46  S.  L  Tab.  I-VH.) 

1886. 

16.  Jan.  Phil.  I.-D.  v.  Johannes  Rahts  aus  Königsberg  in  Pr. :  Berechnung 
der  Elemente  des  Tnttle'schon  Cometen  für  seine  Erscheinung  im 
Jahre  1885.    Kiel.   Druck  von  C.  F.  Mohr.   (20  S.  4.) 

Zu  der  am  18.  Jan.  stattfindenden  Feier  des  Krönungstages  laden  hiei-dnrch 
ein  Prorect.  u.  Senat  d.  Albertus- Universität.    Kgsbg.  in  Pr.  Har- 

*)  Die  Unterschriften  des  älteren  dem  18.  Jahrhundert  angehören- 
den Statuts  des  Beerdigungsvereins  sind  solche  von  polnisch  -  litauischen 
Juden.  Indeß  haben  sich  auch  die  litauisch-jüdischen  Gemeinden  schon  seit 
dem  16.  Jahrhundert  aus  deutschen  Einwanderern  vom  Rhein,  Main,  ans 
Schwaben,  Böhmen,  Oestreich  u.  s.  w.  gebildet,  worüber  demnächst  aus- 
führlich gehandelt  werden  soll.  Für  den  Handelsverkehr  Altpreußens  mit 
dem  Osten  waren  und  sind  diese  Vermittler,  deren  Verkehrssprache  zumeist 
deutsch  (vermischt  mit  jüdischen  und  polnisch-litauischen  Elementen)  war, 
von  großer  Bedeutung.  In  dem  wirthschaftlich  noch  wenig  ktütivirten 
russischen  Litauen  bilden  sie  durchschnittlich  25  Prozent  der  Bevölkerung. 


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176  Mittheilungen  und  Anhang. 

tungsche  Buchdr.   (2  Bl.  4.)   [Preisaufgaben  f.  d.  Studirenden  im  Jahre 

23.  Jan.  Phil.  I.-D.  v.  Justus  Buzello  Poananiensis:  De  oppugnatione  Sa- 
gunti  quaestiones  chronologicae.    Regimonti  Ex  ofticina  Liedtkiana. 

(45  S.  8.) 

28.  Jan.   Phil.  I.-D.  v.  Frlderictu  Hoffmann  (a.  Schwaig  Opr.):  De  Festi 

de  verhorum  significatione  libris  qnaestiones.    Regim.  Ex  oftic.  Har- 

tungiana.    (52  S.  8.) 
1.  Febr.   Med.  I.-D.  v.  Franz  Gürtler  (a.  Königsberg),  prakt.  Arzt :  Der 

Strvehnin-Diabetes.    Kgsbg.  in  Pr.    R.  Leupold's  Buchdr.    (Bl  S.  8.) 
„Acad.  Alb.  Regim.  1886.  I.  '  Iudex  lection. ...  per  aostat.  a.  MDCCCLXXXVI 

a  d.  XXVII  m.  Aprilis  habend.    [Prorect.  Iul.  Walter  Dr.  P.  P.  0.] 

Regim.  Ex  oftic.  Hartungiana.    (27  S.  4.)     Insunt  Henrici  Iordani 

Quaestiones  Criticae  (p.  8-11.) 
Verzeichnis«  d.  ...  im  Somm.-Halbj.  vom  27.  April  1886  an  zu  haltend. 

Vorlosungen  u.  d.  öffentl.  akadem.  Anstalten.    Kgsbg.  Hartungsche 

Buchdr.    (9  8.  4.) 

27.  Febr.  Med.  I.-D.  v.  Carl  Cohu  (a.  Schneidemtthl),  prakt.  Arzt :  Ueber 
die  Verknöcherung  der  Arterien.    Königslrerg.    Hartungsche  Buchdr. 

(20  S.  8.) 

27.  Febr.  Med.  I.-D.  v.  Rudolph  Cohn  (&.  Schneidemühl),  prakt.  Arzt :  lieber 
die  Bedeutung  des  negativen  Thoraxdruckes.    Ebd.    (22  S.  8.) 

27.  Febr.  Phil.  I.-D.  v.  Carl  Frltsch  (a.  Elbing),  ord.  Lehrer  am  Real- 
gymnasium in  Osterode:  Ueber  die  Marklücke  der  Coniferen.  Königs- 
berg in  Pr.    Buchdr.  v.  R.  Leupold.    (2  Bl.,  27  S.  4.,  Tafel  I.  II.) 

10.  März.  Phil.  I.-D.  v.  Victor  Röhrich  (a.  Mehlsack):  Adolf  I,  Erzbischof 
von  Köhl.  I.  Teil:  Adolf  als  Reichsfürst.  Breunsberg.  Druck  der 
Erailänd.  Ztgs.-  u.  Verlagsdruckerei  (J.  A.  Wiehert).  Verl.  v.  Hesse's 
Buchhdlg.  (Emil  Bender).    (2  Bl.,  107  S.  8.) 

13.  März.  Phil.  I.-D.  v.  Walter  Nanke  aus  Tilsit :  Vergleichend-anatomische 
Untersuchungen  über  den  Bau  von  Blüten-  und  vegetativen  Axen 
dikotyler  Holzpflanzeti.  Kgsbg.  in  Pr.  Hartungsche  Buchdr.  (2  Bl., 
5ü  S.'  8,  Taf.  I-VI.) 

15.  März.  Phil.  I.-D.  v.  Adolf  Keil  (a.  Tublauken) :  Das  Volkasehnlwescn 
im  Königreich  Preussen  und  Herzogtum  Litrhauen  unter  Friedrich 
Wilhelm  I.  I.  Hauptteil.  Kgsbg.  in  Pr.  Buchdr.  v.  R.  Leupold. 
(„Abdruck  aus  der  Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIII.  Heft  1/2.,  S.  98  bis 
137.").    (51  S.  8.) 

IC.  März.  Med.  I.-D.  v.  Ernst  Wolf  (aus  Bartenstein  in  Oatpr.),  prakt.  Arzt, 
Ueber  die  Umlaufsgeschwindigkeit  des  Blutes  im  Fieber.  Kgsbg. 
Hartungsche  Buchdr.    (28  S.  8.) 

Zu  der  am  22.  März  stattf.  Feier  des  Geburtstages  Sr.  Mai.  d.  Kaisers  und 
Königs  laden  ...  ein  Prorect.  u.  Senat  .  .  .  Kgsbg.  i.  Pr.  Har- 
tungsche Buchdr.   (2  Bl.  4.)   [Preisvertheilg.  am  18.  Jan.  1886.] 


Lyceum  Hosianum  in  Braunsborg  1886. 

Index  lectionum  .  . .  per  aestatem  a  die  XXVII.  Aprilis  anni  MDCCCLXXXVI. 
instituendarum.  [Reet:  Dr.  Wilh.  Killing,  P.  P.  O.]  Brunsbergae, 
188<».  Tvp.  Heyneanis  (R.  Siltmann).  (19  S.  4.)  Praecedunt  Prof. 
Dr.  W.  Edling  Observationen  ad  theoriam  transformationura  conti- 
nuarum  pertinentes  (p.  3—17:  Zur  Theorie  der  Lie'schen  Transfor- 
mat ions-G  rnppen .) 


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Altprenssische  Bibliographie  1885. 


177 


Altpreussische  Bibliographie  1885. 

»Ibrc&budj  bcr  Stobt  u.  b.  ÄretfcS  ©umbinnen.    £>rSg.  o.  Hlb.  aelleSjttn.  «umb. 

(Sterjcl)  (IV,  81  S.  gr.  8.  m.  1.  outogr.  $lan)  boar  n.  2.— 
ftbreftbutf)  bcr  §aupt«  u.  Äcftbenjftabt  ÄönigSbcrg  f.  1885  .  .  .  reb.  o.  Carl  91ürm« 

berger.  «gäbg.  Wartung.  (X,  336  u.  160  S.)  baar  n.  n.  7.— 
»lörcfibudi  für  bie  Stobt  Xüfit  auf  bog  >!ir  1885.    «u§  amttiaVn  Duellen  jufammen« 

flffteat.  %\\\\X.  Äenlfinber  &  Sobn.  (80  6.  u.  XIV  6.  Änjeigen  gr.  8.) 
aimanodj.  ÄonigSberger,  2.  3abrg.  1885/86.  gü&rer  burd)  Äönigsberg  u.  feine  Umgebgn., 

6ifenbal)n»SBerbinbgn.  o.  Oi't«  u  SBcftpr.,  9lotijen  f.  Stobc»  u.  Hunbreifen  iC  jc. 

Rönigöberg  fiaxtung.  (91  S.  16.)  —50. 
Annuske,  Dr.,  Elbing.  Die  Behandlung  der  Thränenschlauchkrankheiten  mit 

Hilfe  von  Irrigationen  [Graefe's  Archiv  f.  Ophthalmologie.  31.  Jahrg. 

Abth.  III.  S.  149  -172.] 
Apolant,  Theod.,  pract.  Arzt.  (Jastrow  in  Westpr.)  e.  Beitrag  zum  Vorkomm. 

d.  solid.  Tumoren  d.  Ovariums.  I.-D.  Greifswald.  (31  S.  8.) 
Arnoldt,  Direkt.  Dr.  Richard,  (Prenzlau).  Zu  Athenaios.  [Neue  Jahrbb.  f. 

Philol.  u.  Päd.  131.  Bd.  S.  589—591.]  Zur  chronolog.  bestimmung  von 

Euripides  Ion.  [Ebd.  S.  591-592.] 
»thenftaebt,  2.,  Dberftlieutenant.  Die  erften  25  Sa&re  beS  5. 0  ftpreu  feigen  Onfanterte« 

9lfaiment3  9lr.  41.  3m  Auftrage  bc§  SiegimentS  bargeftellt.  93reälau,  3"nflf«- 

(IV,  159  S.  u.  102  6.  Anlagen  gr.  8.  m.  ©L  I-IV  «arten  u.  Sfijaen  in 

Fol.)  (ÄönigSbcrg,  SRürmbergerä  9Jud)bblg.)  baar  6.75. 
Baenitz,  Dr.  C,  Leitfaden  f.  d.  Unterricht  in  der  Physik  ...  2.  verm.  u. 

verb.  Aufl.  Berlin,  Stubenrauch.  (IV,  148  S.  gr.  8.)  geb.  1.50. 
 Lehrbuch  der  Physik  in  populärer  Darstellung  ...  9.  vm.  u.  vb.Aufl. 

Ebd.  (VII,  258  S.)  geb.  2.50. 
 u.  Cberl.  Äopfa,  2ebrb.  b.  @eograpI>ie  ...  2  ZbU:  1.  Unt.  u.  mittl.  Stufe 

.  .  .  2.  «.  »ielefelb.  Schagen  &  Älaftng.  (VHI,  289  6.  gr.  8.)  3.80.  - 

2.  Obere  Stufe.  (VUI,  338  S.)  4.30. 

Bahnsen,  Oberl.  Dr.  Fr.,  Tristan-Studien.  (Beil.  z.  d.  Progr.  d.  Kgl.  Gymn.) 
Dunzig.  (20  S.  4.) 

©ail,  $rof.  Dbert.  Dr.,  metliob.  ficitfaben  f.  b.  Unterr.  i.  b.  Siaturgcfd).  .  .  .  ©otanif. 

1.  fceft.  Rurf.  I-III.  4.  oerb.  «ufl.  Spj.  gue«.  (VIH,  144  S.  gr.  8.)  n.  n. 

1.20.  -  2.  fceft  Äurf.  IV- VI.  2.  oerb.  Vufl.  (V,  174  S.)  n.  n.  1.20. 
 ...  Soologie:  1.  $eft.  Kurf.  I— KI.  Unter  SRitroirfg.  o.  Se&rer  Dr.  Jride. 

3.  ob.  «ufl.  (VI,  194  S.  gr.  8.)  2.  fceft  «urf.  IV- VI.,  (VI,  210  S.)  geb.  4 
n.  n.  1.50. 

Saren,  2anbgcrid)t3 « $räfib.  Otto  oan,  $er  3°™  ftriebridb,«  b.  ©r.  üb.  Cftpreufe. 
Sortr.  [Sep.«?lbbr.  auä  b.  «Itpr.  3Jt.  u.  ^nfterburg.  Stg.J  ^nfterburg  2öityelmi 

(20  S.  4.) 

Bau-  und  Kunstdenkmäler,  die  d.  Prov.  Westpr.  Hrsg.  i.  Auftrage  d.  Westpr. 
Provinz.-Landtages.  Heft  II.  Der  Landkreis  Danzig,  mit  76  i.  d.  Text 
gedr.  Holzschn.,  8  Kunstbeil.  u.  1  Uebersichtskarte.  Danzig  Bertling. 
(S.  74-149  gr.  4.) 

Bauck,  Gymn.-Lehr.  Dr.  Louis,  J.  J.  Rousseau  und  Montaigne.  Ein  Beitrag 
zur  Geschichte  der  Pädagogik.  (Gvmn.-Progr.)  Gubinnen.  (S.  1—15.  4°.) 

Bannigart,  Prof.  Dr.  Hermann,  GoetWs  Weissagungen  des  Bakis  und  die 
Novelle.  Zwei  symbolische  Bekenntnisse  des  Dichters.  Halle,  Waisen- 
haus 1886(85).  (98  S.  gr.  8.)  1.60. 

Baumgarten,  Prof.  Dr.  med.  P.,  üb.  Tuberkel  u.  Tuberkulose.  1.  Thl.  Die 
Histogenese  d.  tuberkulös.  Processes.  Mit  7  (chromolith.)  Taf.  [Aus: 
„Zeitschr.  f.  klin.  Med."]  Berlin.  Hirschwald.  (125  S.  gr.  8.)  baar  8.  — 
Replik  [Virchow's  Archiv  f.  pathol.  Anatomie  .  .  .  101.  Bd.  S.  198.] 

Beckherrn,  Carl,  Verzeichniss  der  die  Stadt  Rastenburg  betreff.  Urkunden 
[Aus  „Altpr.  Monatsschr.u]  Kgsbg.  Beyer.  (101  S.  gr.  8.)  2.40. 

Altpr.  Mon»U«chrilt  Bd.  XXI1L  Hit  1  u.  S.  12 


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178  Mittheilungen  und  Anhang. 

Bender,  O.,  Geschichte  des  städtisch.  Krankenhauses  u.  der  öffentL 
anst  alten  in  Thorn.    Danzig,  Kafemann.  (41  S.  gr.  8.) 

»enerfc,  *prof.  Dr.  $ie  bcutfdje  Seefifdjerei  u.  b.  Wittel  ju  ihrer  §ebung.  föa&f 
bud)  f.  ©cfe&gcbung,  SBertoaltg.  u.  SotfSroirtbfd).  im  Dtfd).  !Reid).  IX.  3abrg. 
$räg.  o.  ©uft.  SAmoOcr.  S.  119—137.]  Die  Hufcung  b.  ©afferä  burd)  gifd)« 
»ud)t.  (3u«ft  oerbffcntl.  i.  b.  3tfd»r.  ,,2anbioirtbfd)aftl.  2bier}ud)t"  »unjlou, 
Mppun)  |93crid)te  beä  Südjerei'Sercinä  b.  $roo.  Oft»  u.  Söeftpr.  9ir.  4.  S.  87—45.] 

Beignu,  R.,  Inventar  der  Bau-  und  Kunst-Denkmäler  in  d.  Prov.  Branden- 
burg, im  Auftr.  d.  Brandenh.  Prov. -Landtages  unt.  Mitwirke,  v.  A.  v.  Eye, 
W.  Könne.  A.  Körner  etc.  henrb.  mit  viel.  Abbildgn.  Berlin,  Voss  (XX, 
813  S.  hoch  4.)  baar  n.  n.  20.— 

 ein  Srunncn  o.  ©eorg  Sabemoolf.  [Äunftgetocrbcblatt  tyia.  o.  8lrt&.  $abft. 

1.  3a&rg.  9ir.  7.]  Wenzel  Jamitzer  betreffend.  [Ztschr.  f.  Kunst-  u. 
Antiquitäten-Sammler  IL  9.] 

Bergbau»,  Dr.       bie  $irte.*)  [Eos  Muölcnb.  Hr.  37.] 

Scridit  üb.  b.  fteier  b.  50jäbr.  $riefter.3ubilaumd  b.  $rn.  ^rfitoten  ftriebrid)  fionb« 

meffer,  Pfarrer  a.  b.  St.  9ttcolai<flird)e  in  3)anjig . . .  35anjig,  Cocnig.  (35  S. 8.) 
Bericht  üb.  d.  22.  Versammlung  d.  preuss.  botan.  Vereins  zu  Marienbnrg  am 

9.  Oct.  1883.  [Aus:  Schriften  d.  phys.-ökon.  Ges.  zu  Kgsbg.]  Kgsbtr. 

1884.  Berl.,  Friedländer.  (67  S.  gr.  4.)  2.50. 
Bericht  üb.  d.  Handel  und  d.  Schifffahrt  von  Kgsbg.  i.  J.  1884.  Kgsbg.  Här- 
tung. (VI,  172  S.  gr.  8.) 
©eridjt  üb.  b.  Sdüdfale  ber  6tobt  9kanit  im  7jäb,r.  Äriege,  indbef.  am  24.  Sept. 

1757.  3Jon  Jlugenjeugen  in  »riefform  erjSblt.  [gamilien»Äalenber  f.  b.  3.  1885. 

SBeigabc  j.  „^ntferburg.  3tg."  S.  18-25.] 
»eridjte  beä  ftifdjerci.SJeretnä  ber  ^rooinjcn  Oft«  u.  SBeftpreufe.  1884,85. 
»erilittg,       Der  2Raler  oon  Danjig  u.  feine  Seit.  [Stanj.  3tg.,  Sonntags  »  »eil.  ju 

9tr.  15  569.  81.  93  u.  15  606.] 
Bertling,  Mgathe,  Cin  Sebenäbtlb.  «uS  Erinnerungen  u.  »riefen  jufgfietli.  Eine 

20eibnad)tsgabe  für  b.  Dtfd).  grauenroelt.  ©otfja,  ^ertbeä.  (VII,  135  S.  gr.  8.)  2.— 
©efudj,  (Sin,  in  Jrafcbncn  im  Sommer.   (Sine  SRetfe»©rinnerung  oon      Ü.  §.  3Rit 

t.  «lan  u.  «bbilbgn.  Stuttgart,  Sd)itt>rbt  u.  ebner.  (III,  46  S.  8.)  1.— 
Bezzen berger,  Beiträge  zur  künde  der  indogerman.  sprachen  hrsg.  v.  Dr.  Adalb. 

Bezzen  berger.  X.  Bd.  Gotting.  Vandenhoeck  und  Ruprecht.  (348  S. 

gr.  8.)  10.  — 

 2ettif<be  fcialert.Stubien.  öbb.  (2  SBC  180  S.  gr.  8.)  4.— 

—  —  Zur  litauisch,  dialektforschung  II.  [Beiträge  z.  künde  d.  indogerm. 

sprachen  IX.  bd.  s.  253-293.1  Misceilen  [Ebd.  s.  331—337.]  lat.  emo- 

got.  nima  [Ebd.  X.  bd.  s.  72.  [  zur  Chronologie  d.  griech.  lautgesetze 

[ebd.  s.  146.J  zur  litau.  accentuation.  [s.  202—204.]  Die  indogerm.  Endung 

des  Locativs  Sing,  der  u-Declination  [Nachrichten  v.  d.  k.  Ges.  d.  W. 

z.  Gotting.  N.  4.  S.  160-162]  Ree.  üb.  Kurschat  littau.-dtsch.  Wörterb. 

[Gotting,  gel.  Anz.  No.  23.  S.  905—948.] 
»ienen*3dtiM8'  $reuBifd)e  .  .  .  bräg.  „.  3.  ©.  aQnty ...  91.     IX,  alte  XXII. 

Sabrg.  Ägsbg.  Dftpr.  3tgs.«  u.  Slgsbr.  (2  3)1.  188  S.  8.) 
Bisknpski,  Dr.  L.,  Über  den  Einfluss  d.  germanischen  Elements  auf  das 

Slavische,  II.  Teil.  Die  Diphtonge  in  der  Sprache  der  Lüneburger  Slaven. 

(Polaben).  G}onn.-Ber.  Conitz.  Gebauer.  (22  S.  4.) 
»ledj,  tyreb.  Dr.  $b.  SB-  bas  9tcid)  ©ottes  auf  6rben  in  ©efdncbten  b.  alt.  u.  neu. 

ieftam.  6.  oerm.  Slufl.  Danjig,  Saunier.  (IV,  203  S.  8.)  —80. 
»Icirocifr.  Schrcr  91.,  Se&rgang  f.  b.  Sdjreibunterridjt  i.  b.  Sdnile  ...  Kit  2  Za\. 

Rönigöbg.  Strübig.  (73  S.  gr.  8.)  —80. 

Mit  Ausnahme  des  ersten  einleitenden  Passus  nichts  weiter  als  ein 
unerlaubter  Abdruck  des  gleichnamigen  Artikels  von  K.  Käswurm  in  der 
Altpr.  Mon.  Bd.  VL  1869.  S.  878-876.  Vgl.  die  von  Seiten  der  Red.  des 
Auslandes  abgegebene  „Verwahrung"  in  No.  6  vom  8.  Febr.  1886.  S.  120. 


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Altpreussische  Bibliographie  1885.  179 

f  Blochniann,  Dr.,  (Kgsbg.)]  Neuer  Luftprttfer  v.  Dr.  Blochmann  in  Kgsbg.  i.  Pr. 
[Wochenbl.  f.  Baukunde  No.  85.] 

Saul,  25er  öraumöndj  oon  «önigöberg.  Ähie  alte  Stabtgefdudjte.  2pj.  1886(85). 

Denide  (2  81.  93  S.  8.)  1.— 
Bock,  Oberl.,  üb.  versch  Konstruktionen  zur  Übertrag^,  v.  Figuren  von  e. 

gegeb.  Oberfläche  auf  eine  andere.  II.  Wissenschaft!.  Abhdlg.  f.  d.  Ost.- 

Progr.  Lyck.  Siebert.  (26  S.  4.  m.  1  Taf.) 
ßoening,  Rieh.,  Anatomie  d.  Stammes  der  Berberitze.  I.-D.  Kgsb.  (Graefe 

&  Unzer.)  (34  S.  gr.  8.  m.  8  autogr.  Taf.)  baar  n.  n.  1.50. 
Börnstein,  R,  Bewegung  einer  Böe  über  Berlin.  [Meteorologische  Zeitschr. 

2.  Jahrg.  S.  1&-195.J 

Böttcher,  Dir.  Dr.  Carl,  Lehrplan  d.  Realgymnasiums  auf  der  Burg  zu  Königs- 
berg i.  Pr.,  u.  der  m.  demselben  verbundenen  Vorschule  .  .  .  Königsb., 
Schubert  u.  Seidel.  (68  S.  8.)  baar  n.  1.— 

 vier  neue  Capitel  zur  pädagog.  Carriere  der  Gegenwart.  Kritische 

Plaudereien.  Leipzig,  Frohberg.  (61  S.  8.)  1. — 

Böhm,  JM  das  Gräberfeld  von  Rondsen  b.  Graudenz.  [Ztschrift  f.  Ethnologie. 
17.  Jahrg.  S.  1—7.  hierzu  Tafel  I— II.] 

Sohn,  $rof.  Dr.  «dnigSberg.  8am  ©d)Iafe  ber  «inber.  [Die  Syrerin  in  6djule 
u.  §au$  .  .  .  bria.  d.  Marie  fioeper « §ouffefle.  Berlin.  $ofmann.  I.  3at)rg. 
©.  200-204.] 

8olb,  91.  (Slbtng),  bie  Sage  ber  2lefarb§müble  u.  b.  fö)redliä)e  SKaffenmorb  inberfelbcn 

anno  1273.  [«Itpr.  3tg.  Hr.  20  («eil.)] 
Braudjitfd),  5R.  o.,  bie  neu.  preu&ifd).  8erroaftuna3gefekc.  jfgeft.  u.  erlaut.  9t.  BufL, 

ooQftb.  umgearb.  u.  biö  auf  b.  Gteqenroart  fortgef.  o.  SReg.«8raf.  Stubt  u.  ®elj. 

5teg.«5t.  8raunbebren3  ...  8.  ©tfammtaufl.  b.  Organifationöa,efe$e  b.  inneren 

»«noalta.  1.  8b.  3.  beriet,  «bbr.  »erlin,  §enmann.  (XII,  614  S.  gr.  8.)  8.— 

3.  8b.  1.  u.  2.  «bbr.  4.  u.  5.  «efammtaufl.  b.  „Supplementbanbed".  ISbb. 
(VIII,  453  S.)  (ä)  8.— 

Brennecke,  P.,  Urfunben  bet  Statt  $r.  grieblanb  bis  jum  Slaljre  1650.  (Progymn.- 

Prog.)  Pr.  Friedland.  (22  S.  4.) 
Srünnrif,  $rof.  Dr.  jur.  2BUb.  o.,  8eitrSge  jur  ©efeb.  u.  Dogmatil  ber  8fanbbrief» 

fnfteme  nacb  preufj.  Hecbt.  (grortf.)  [8eitr5ge  j.  ©rlÄuterg.  b.  Dtfd).  Äed)t3.  3.  %olqt. 

9.  3abrg.  ®.  161-209.  465-524.] 
Brunnemann,  Dir.  Dr.,  kürztet asste  Gesch.  d.  städtisch.  Realgymn.  zu  Elbing 

während  d.  erst.  Vierteljahrh.  seines  Bestehens.  (Real  gvmn.-Progr.)Elbing, 

Riedel.  (22  S.  4.) 

8uttner.  G.  8.,  «olonialpoliti!  u.  (Sbriftentbum,  betradjtet  m.  fcinblid  auf  b.  Dtfd). 

Untcrnebmungen  t.  ©übmeftafrifa.  (47  ®.  8.)  [Sammig.  o.  Sorträg.  IjrSg.  o. 

ftrommel  u  $faff.  18.  8b.  8.  $ft.  §eibelberg,  ffiinter.]  —80. 
 «derbem  u.  »k^iiAt  in  Süb'SBeft'Mfrifa  (Damara«  u.  ©r.  9lamaqualanb.)  SRit 

1  «arte  u.  30uftr.  (60  S.  gr.  8.)  [Die  Dtfd).  Golonialgcbietc.  «Rr.  3.  Seipjig. 

©djloemp.]  1.— 

 SRiffton  u.  Kolonien.  Vortrag  auf  b.  fadjf.  SKifftonSfonferenj  in  ©alle.  [SlCgem. 

9)tiffione«3tfd>r.  XII.  8b.  S.  97—112.]  Die  Missionsstation  Otyimbinpue 

in  Damaraland.  (Ztschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.  20.  Bd. 

S.  37—56.]  Die  Temporalformen  in  den  Bantusprachen.  [Zeitschr.  f. 

VölkerpsychoL  u.  Sprachwissenschaft.  XVL  Bd.  S.  76-117.] 
8ujad,  Dr.  phil.  Önmn.»Cberl.,  ba«  «niffia-SRufeum  im  «Rorbflügel  beS  «gl.  €d)toffe3 

ju  «gibg.  in  $r.  Die  auSgefteHt.  Altertümer  ber  prabiftor.  3"t  oor  <8eb. 

bift  §.  »ramn  ber  biftor.  3eit  b\i  ca.  1300.  Deä  I.  2ei(3  b.  «atalogd  jroeite 

$älfte.  «bg.  Dftpr.  3tg§.«  u.  »erlgäbr.  (48  ©.  gr.  8.) 
Sujad,  8.  o.   Da«  littbauifcbe  8ferb  u.  b.  preufr.  «ferbejudjt.  Bad)  o.  8uiadä  $anb« 

fdjriftl.  «ufjeidmungen.  [Der  «efedige  9ir.  198.  2.  8latt.] 
Bardach,  Fr.,  pract.  Arzt,  Ueber  den  Senftleben'schen  Versuch  die  Binde- 
gewebsbildung in  todten,  doppelt  unterbund.  Gefässstreckon  betreffend. 

[Virchows  Archiv  f.  pathol.  Anatomie  100.  Bd.  S.  217—235.] 

12* 


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180 


Mittheilungen  und  Anhang. 


3?uroto,  3ulit,  [^tau  tyannenfämibt],  ^rücfite  au«  b.  »arten  b.  geben«.  3b««  jungen 
§reunbinnen  genribmet.  2.  9L  3>at>o«,  Ritter  (VII,  157  €.  8.)  geb.  4.— 

Bosolt,  G.,  Griechische  Gesch.  his  z.  Schlacht  v.  Chaironeia  1.  Tl.:  Bis  zu 
den  Perserkriegon  (XII,  623  S.  gr.  8.)  12.—  [Handbb.  der  alten  Ge- 
schichte. II.  Serie.  1.  Abtig.  1.  Tl.] 

 Bemerkungen  über  die  Gründungsdata  der  griech.  Colonien  in  Sicilien 

u.  Unteritalien.  [Rhein.  Museum  f.  Philol.  N.  F.  40  Bd.  S.  466—469.] 

Buttlar,  SRinfa  o.,  «Derlei  für  «inber.   Seipj.  Sebrmittelanftalt  o.  Dr.  C3f.  ®d)neiber 

(24  6.  b,o<b  4  mit  eingebt,  ©bromolitb,.)  cort.  3.50. 
 9Rfira)en.  Gbb.  (61  S.  gr.  4  m.  eingcbr.  Gbromolitt).)  3.— 

£aru«,  Cberbofpreb.,  ©en.«6up.  D.,  $rebtgt  j.  Ärönungöfeter  in  b.  Sdjlo&firdje  ju 
flöniftSbg.  t.  J)r.  18.  3an.  [9tu$:  „^aftorolbibliot^cfj  Öotba,  ©djloc&mann. 
(15  S.  gt.  8.)  -40. 

Chodowlecki.  Auswahl  aus  des  Künstlers  schönsten  Kupferstichen.  135  Sticho 
auf  30  Carton-Blätt.  Nach  den  zum  Teil  sehr  seltenen  Originalen  in 
Lichtdr.  ausgeführt  von  A.  Frisch.  Neue  Folge.  Fol.  Berlin,  Mitscher 
u.  Rösteil.  Li  Leinw.- Mappe  (a)  20.— 
$.  «.  Stet,  »naleften  j.  ®efd).  b.  neuer,  btftt).  «unft.  3.  G/fjobottiif  <fl  an  «Ricolai. 
[Sie  «renkten.  9lr.  8.  I.  S.  408-417.] 

$boralmrIobicn  •  ^Bud)  ;um  ©oangel.  ®efangbud)  für  Oft«  unb  Kkftpr.  §r3g.  o.  b. 
Äommiffion  j.  Slusarbeitg.  e.  einbcitl.  Gt)oraIbud>3  .  .  .  Äbg.  Örafe  &  linier. 
(100  6.  8.)  -80. 

(Tbtiftul,  bet  gefd)ld)tlicV,  u.  feine  ^bealität.  «Uer  Sein  in  neuem  Sdtfautbe,  bar* 
geboten  allen  gebübeten  ftreunben  bet  Religion  oon  einem  Seteranen.  Aönigöb. 
Wartung  (XVII,  307  S.  gr.  8.)  3.- 

(Ffmn,  «ßrof.  €arl,  ÄatcAiömu«  ber  Wifro«fopie.  Kit  94  in  ben  2eyt  gebr.  Slbbitbgn. 
2pj.  ffiebet.  (VIII,  138  ®.  8.)  geb.  2.- 

—  —  Über  die  cyklische  Entwickelung  der  Siphonophoren.  2to  Mitth.  hiezu 

Taf.  II.  [Sitzgsber.  d.  Akad.  d.  W.  z.  Berl.  XXV.  XXVI.  S.  511-529.] 
(Hericn*.  $aQa3.  3eitfd)rift  b.  Äunft»®en»frbe«Screinä  j.  SRagbeburg.  Web.  2.  Glcricud. 
6.  Siabrg.  12  5Rrn.  (95.  gr.  4.)  SRagbeburg,  gaber  in  Comm.  baar  4.— 

—  —  Bemerkungen  zur  Kunstbeilage  der  No.  6  des  Herold.  [Der  ätsch.  Herold 

No.  7/8  S.  92—93.]  Notizen  über  die  letzten  Aebte  des  Klosters  Gr. 
Ammensieben.  [Ebd.  No.  12.  S.  139-140.]  Sphragistische  Miscelle  [Ebd. 
S.  140.]  Zur  Genealogie  des  Hauses  Battenberg.  [Ebd.  S.  140.]  Ree 
[Ebd.  S.  130.] 

Conwents,  Dir.  Dr.,  Uebersicht  der  hauptsächlichst.  Schriften  Göppert's. 
[Leopoldina  Hft.  XXI.  No.  15-18.  S.  135—39  149-54  ] 

[Coppernirut.j  Holland,  F.  M.  The  rise  of  Intellectual  Liberty  from  Thaies 
to  Copernicus  London.  (VII,  458  pp.  8°.)  21.50. 

(Trainer,  fc.,  weil.  D6.»«ubitcur  u.  ©eb,.  ^uftijratf),  llrfunbenbud)  3.  ©efdj.  b.  normal. 
SMotbumi  ^omefanien.  1.  §eft.  (15.  £cft  ber  3eitfd)r.  b.  b^iftor.  S5.  f.  b.  Steg.» 
58ej.  SRariemoerber.}  SRarienroerber  (112  6.  8.) 

Carte«,  Gymn.-Oberl.  Max,  verba  filiorum  Moysi,  filii  Sekir,  id  est  Maumeti, 
Harne ti  et  Hasen.  Der  Liber  trium  fratrum  do  geometria.  Nach  der 
Lesart  d.  Codex  Basileensis  F.  H.  33  m.  Einleitung  u.  Commentar 
hrsg.  Mit  in  den  Text  eingedr.  Holzschn.  [Aus:  „Nova  Acta  d.  Ksl. 
Leop.-CaroL  deutsch.  Akad.  d.  Naturforscher.44]  Halle.  Leipzig.  En  gel- 
mann in  Comm.  (63  S.  gr.  4.)  3.50. 

 Ree.  [Dtsch.  L.  Z.  No.  22.  32.  45.  48.] 

$abn,  ftelij,  Heine  Romane  aud  bet  SJölferwanberung.  3.  SBanb.  ®elimer  ...  1.  bift 
3.  VufL  (HI,  630  6.  8.)  9.  geb.  10.-  4.  »b.  bie  fdjlimmcn  «Rönnen  »on 
Voitiet«  [a.  589  n.  Sbr.]  1-3.  Mu«.  (Sbb.  (308  6.)  5.-  geb.  6.- 

—  —  Harald  und  Theano.   Eine  Dichtung  in  5  Gesängen.  Illustr.  v.  Johs. 

Gehrta.  Leipz.  Titze.  (111  S.  gr.  4  m.  niustr.)  geb.  20.— 
 Urgefcfaitfjte  b.  german.  u.  roman.  SöKer  (3.  99b.  6.  385-640  gr.  8.)  [«Hgem. 


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Altpreussischo  Bibliographie  1885. 


181 


©efd).  in  ginjelbarftellungen  .  .  .  brög.  o.  9JBUb\  Dnrfen.  Slbty.  93.  104.]  »erltn. 
©rote.  ä  8.— 

 De  kruisvaarders.   Eeno  vertelling  mit  de  13  e.  eeuw.   Uit  het  Hoog- 

duitscb  vertaald  door  J.  van  Loenon  Martinet.  2  dln.  Roy  8vo.  (242 

en  253  bl.)  Sneek,  J.  F.  van  Druten.  f.  4,  90. 
—  —  Een  strijd  om  Rome.  Historische  roman.  Uit  het  Duitsch  vertaald  door 

G.  T.  B.  2  e  druk.  2  dln  Arnhem.  J.  Rinkes  r.  (4en  370  bl.;  4en  427 

bl.)  f.  4.20. 

 3um  neuen  3ab,r  1885.  ©ebidjt  [©artenlaube  9lr.  1.]  Som  9Reere$ftranb.  @e« 

bidit  [ßbb.  40.]  9?ad)frang  jum  4.  Januar  1885.  (@ebi#t  auf  bie  ©ebrüber 

©rimm.)  [»erl.  SWonatdbcftc  f.  2it.  flritif  unb  Z^tat  brög.  o.  £einr.  $>art. 

SRinben  in  95Jeftf.  1.  »b.  S.  28—30.]  3ung«»i3mord.  ©ebtdjt.  [Horb  u.  ©üb. 

»b.  33.  §eft  97  S.  1.]  Jacob  ©rimm  [Dtfdje.  Slcoue  bräg.  o.  9ttd).  gleifcber. 

X.  Jabrg.  4.  18b.  ©.  289—319.]  flur  neuer.  Sit.  üb.  roeftgotb-  Äei<f)3.  u. 

9tcctjt«gcfcf».  [Ärit.  Sicrtcljabrättbrift  f.  ©efefcgebung  u.  9ic*tSn>.  91.  ft.  »b.  VIII. 

6. 343-368.]  Ree.  [Gotting,  gel.  Anz.  No.'  7.  Lit.  Ctralbl.  No.  15. 9Äünd>ener 

«Kgem.  £tg.  »eil.  ju  ?lr.  349J 
Tal}«,  ftcltr.  unb  2b«cfe  [geb.  ^rfiin  °-  Drofte«$m[3b>ff,]  2Bau)att.  ©ermanifebe 

©ötter»  unb  fcelbenfagen  .  .  .  2Rit  mef»r  alä  50  »ilbertaf.  .  .  o.  Jobd.  ©ebrtS. 

2fg.  1-9.  Areujnad),  SSoigtlänber  (665  S.  gr.  8.).  6.  SJufl.  geb.  10.— 
Jaütotg,  Ofr.,  Pfarrer,  ber  Äampf  jroifd».  ©(auben  unb  ffiiffcn.  ©in  ©ort  jum  ^rieben. 

©otba,  UertbcS.  (V,  37  S.  gr.  8)  -80. 
DarfteUung,  furje,  ber  ©efd).  b.  6.  Cftpr.  Infant.  «Wegiment«  9lr.  43.  1860— 1885 

.  .  .  »erltn.  9Rittler  A  Sobn.  (VI.  78  3.  8.)  -80. 
Dewitz,  H.,  weitere  Mittheilungen  üb.  d.  Klettern  der  Insekten  an  glatt. 

senkrecht.  Flächen.  [Zoologischer  Anzeiger  No.  190.]  Richtigstellung 

der  Behauptung  des  Hrn.  Dr.  Dahl.  [Archiv  f.  mikroskop.  Anatomie. 

Bonn.  26.  Bd.  S.  125-128.] 
Tierd*,  ©uftao,  Die  arab.'iuaur.  flultur  in  Spanien.  [9lu3  äff.  3citen  u.  Sanbcn. 

3.  Jabra.  fceft  11.]  Der  beutfd)«fpanifd)e  Conftift.  [Die  ©egenroart  41.]  Die 

spanische  Folk-Lore  Gesellschaft.  [Das  Magazin  f.  d.  Litt.  d.  In-  u.Ausl. 

No.  5.J  jur  ftrage  ber  Gbolcraimpfung.  Script  au3  Spanien.  [Die  9tation. 

2.  Jabrgang  9?r.  40.]  Da«  fpanifdje  $olf  u.  bie  ©fcoteraimpfung.  [@bb.  43.] 

Die  SRufif  in  Spanien.  [Unfcrc  3«it,  £»eft  1  u.  2.] 
[hinter]  Wuftmann,  9B.,  ©uftan  ftriebrid)  Dinier  nad?  f.  fieben  u.  SBHrfcn.  [Der 

ojriftlidje  Sdnilbote.  £rög.  p.  ft.  Seimbad).  23.  Jab,rg.  9lr.  23-25.] 
Dtridjlet,  5Balter  äejeune,  baä  perbammte  ©c(b!  91ad)  bem  t$ranj.  beä  »aftiat  f.  b. 

Deutfd)e  ©egenroart  bearb.  »erlin,  SBalter  &  Slpolant  (24  S.  gr.  8.)  —50. 

ebenfo  2.  Slufl. 

Distel,  Theodor,  das  Lied  vom  Igel,  als  Spott  auf  die  Leinweber  (1518). 
[Archiv  f.  Litteraturgesch.  hrsg.  v.  Franz  Schnorr  v.  Carohdeld.  XI II. Bd. 
S.  427  — 428.  |  ©ine  Su&roafdjuna.  bcö  Äaiferä  auf  b.  ÄeidjStage  ju  9%egenSbura 
1653.  f^citfdjr.  f.  aüg.  ©cfdv,  flult.«.  Sit.«  u.  Äunftgefd).  feeft  8.  ©.  639-40.1 
»efunb  ber  *cid)e  Äaifer  3RorimiIiand  H.  ffcbb.  £ft.  10.  6.  799  -  800.J 
Urteile  ^b°rn'fllbfen,ö  üb.  feinen  Sdiüler  3ofcpl>  öermann  (II.)  auS  Dreflben. 
rSt|d)ft.  f.  b\lt>.  Äunft.  §rdg.  u.  ßarl  v.  Sü|}on).  20.  »D.  9.  ipeft.]  Elf  kriminalist. 
Mittheilgn.  ans  d.  königl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden.  [Ztschr. 
d.  Savigny  -  Stiitg.  f.  Rechtsgesch.  VI.  Bd.  2.  Hft.  Germanist.  Abth. 
8.  184— 189. J  Gutachten  der  Juristenfacultät  zu  Leipzig  üb.  e.  Bauer, 
welcher  „ungebeichtet  das  Sacrament  empfangen  wollen."  (1523.)  [Ebd. 
S.  189 — 190.  j 


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182 


Mittheilungen  und  Anhang. 


Kulturhistorische  Ausstellung  für  Ost-  und 

Westpreussen. 

Wie  unsere  Zeitungen  berichten,  liegt  es  im  Plane,  hierselbst  eine 
„Kulturhistorische  Ausstellung  für  Ost-  und  Westpreußen"  zu  veranstalten. 
Zu  diesem  Zwecke  ist  ein  Comite  aus  den  weiter  unten  genannten  Herren  . 
zusammengetreten,  welches  folgenden  Aufruf*)  erläßt: 

Im  Sommer  des  Jahres  1883  hat  man  in  unserer  Schwesterstadt  Riga 
eine  sogenannte  kulturhistorische  Ausstellung  veranstaltet,  die  zwar  ursprünglich 
für  die  gesammten  deutschen  Ostseeprovinzen  Rußlands,  welche  einst  auch  mehr 
als  drei  Jahrhunderte  lang  unter  der  Herrschaft  des  Deutschen  Ordens  ge- 
standen haben,  berechnet  war,  dann  abor  äußerer  Umstände  wegen  auf  die 
Stadt  Riga  hat  beschränkt  werden  müssen.  Dennoch  war  die  Ausstellung, 
wie  Kataloge  und  Berichte  erweisen,  sehr  reich  beschickt  und  hat  nach 
allen  Richtungen  hin  einen  sehr  befriedigenden  und  günstigen  Erfolg  ge- 
habt. —  Ferner  haben  in  mehreren  Provinzen  des  preußischen  Staates  in 
den  letzten  Jahren  kunstgewerbliche  Ausstellungen  stattgefunden,  welche 
stets  auch  eine  historische  Abtheilung  hatten.  Bei  solchen  Gelegenheiten 
kamen  in  der  Regel  und  zwar  meist  aus  Privatbesitz,  eine  Menge  von 
Gegenständen  der  Vorzeit  zu  Tage,  die  durch  ihren  (oft  von  den  Besitzern 
selbst  nicht  genügend  erkannten)  Werth  allgemein  überraschten.  Infolge 
dessen  ist  bei  den  Unterzeichneten  der  Gedanke  rege  geworden,  jenem 
Beispiele  zu  folgen  und  auch  für  unser  engeres  Vaterland,  für  die  Pro- 
vinzen Ost-  und  Westpreußen,  die  lange  das  Hauptland  des  Deutschen 
Ordens  gewesen  sind,  hier  in  Königsberg  eine  solche  „kulturhistorische 
Ausstellung"  ins  Werk  zu  setzen.  Wir  haben  die  Ueberzeugung,  daß  unser 
Altpreußen  keineswegs  so  arm  ist  an  kulturhistorisch  wichtigen  Gegen- 
ständen früherer  Zeiten,  wie  die  landläufige  Meinung  es  wahr  haben  wilL 
Ohne  Frage  ist  in  dem  Besitze  vieler  Institute,  gewerblicher  und  besonders 
kirchlicher,  in  dem  Besitze  von  Stadtgemeinden  und  anderen  Behörden  und 
auch  in  dem  Besitze  von  Privatleuten  in  Stadt  und  Land,  in  Bürgerhäusern 
und  auf  Schlössern,  so  manches  Stück  vorhanden,  welches  das  Leben  und 
Treiben  unserer  Vorfahren  veranschaulicht,  von  ihren  Sitten  und  ihrer 
Kunstfertigkeit  zu  uns  redet.  Was  die  geplante  kulturhistorische  Ausstellung 
umfassen  soll,  geht  aus  dem  nachstehenden  (vorläufigen)  Verzeichnisse  der 
Abtheilungen,  in  welche  die  ausgestellten  Gegenstände  eingeordnet  werden 
sollen,  hervor.  Wir  gedenken  die  Ausstellung  zeitlich  so  weit  herabzuführen, 

*)  Wir  bringen  den  Aufruf  unseren  Lesern  mit  dem  lebhaften  Wunsche 
zur  Kenntniß,  daß  derselbe  möglichste  Berücksichtigung  finden  möge. 

D.  Red. 


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Kulturhistorische  Ausstellung  für  Ost-  und  Westpreußen. 


183 


daß  die  Kunstrichtung  des  sogenannten  Empire  noch  darin  ihren  Plate 
findet;  die  äußerste  Grenze  würde  also  etwa  zwischen  den  Jahren  1815  und 
1620  liegen.  Wegen  der  nöthigen,  jedenfalls  höchst  umfassenden  Vor- 
bereitungen wird  die  Ausstellung  nicht  früher  als  im  Sommer  1887  statt- 
finden können.  Als  Ausstellungsort  ist  der  im  hiesigen  Schlosse  befindliche 
Moskowitersaal,  dessen  Gewährung  durch  das  Königl.  Hofmarschullamt 
auch  für  unsern  Zweck  sicher  zu  erwarten  ist,  vorläufig  in  Aussicht  ge- 
nommen. Die  Gewinnung  dieses  umfassenden  und  gewiß  ausreichenden 
Raumes  würde  die  Kosten  der  Ausstellung  um  ein  Bedeutendes  geringer 
stellen.  Da  wir  nicht  verkennen,  daß  die  auf  eine  „kulturhistorische  Aus- 
stellung" gehörigen  Gegenstände  durchweg  von  hohem  Werthe  sind,  mag 
dieser  Werth  ein  natürlicher  sein  oder  in  der  Vorstellung  des  Besitzers  be- 
ruhen, so  sind  wir  uns  auch  der  Verpflichtung  voll  bewußt,  das  große  Ver- 
trauen, welches  mit  Darleihung  solcher  Sachen  in  uns  gesetzt  werden  würde, 
dadurch  zu  rechtfertigen,  daß  wir  für  alle  mögliche  Sicherheit  und  für  jede 
irgend  angängige  Versicherung  peinlichst  Sorge  tragen  werden.  Die  Kosten 
des  Transportes,  der  Aufstellung  und  der  Versicherung  werden,  sofern  nicht 
andere  Wünsche  geäußert  werden  sollten,  aus  den  Ausstellungsmitteln  ge- 
deckt werden.  Auf  Grund  obiger  Auseinandersetzung  dürfen  wir  wohl 
später,  falls  das  von  uns  geplante  Unternehmen  zu  Stande  kommt,  die  ganz 
ergebene  Bitte  wagen,  daß  auch  Sie  dann  die  Gewogenheit  haben  wollten, 
unsern  Zweck  zu  unterstützen,  sei  es  durch  gütige  Darleihung  von  passenden 
Gegenständen,  die  sich  in  Ihrem  eigenen  Besitze  befinden,  oder  durch 
freundliche  Einwirkung  auf  andere  Eigen thümer  solcher  Sachen,  oder  wie 
es  sonst  sein  kann.  Unsere  nächste,  vorbereitende  Aufgabe  muß  sein,  eine 
Uebersicht  über  das  bei  uns  noch  vorhandene  Material  zu  gewinnen. 
Darum  beehren  wir  uns,  Sie  zu  ersuchen,  uns  zunächst  nur  darüber  ge- 
fällige Mittheilung  machen  zu  wollen,  ob  und  wo  solches  Material  Direr 
Kenntniß  nach  etwa  noch  vorhanden  ist,  und  an  wen  wir  uns  deßwegen 
weiter  zu  wenden  haben  würden.  —  Alle  auf  den  Inhalt  dieses  Aufrufes 
bezüglichen  Anschreiben  bitten  wir  an  den  mitunterzeichneten  Professor 
Dr.  C.  Lohmeyer  (Königsberg  in  Pr.,  Königstraße  6/7)  richten  zu  wollen. 

Dr.  Albrecht,  Gewerbeschuldirektor  a.  D.,  Vorsteher  des  Gewerbl.  Centrai- 
vereins f.  Ostpr.  Dr.  Anger,  Kgl.  Gymnasialdirektor,  Vorsitzender  d.  Graudenzer 
Alterthumsgesellsch.,  Graudenz.  Biel!,  Ehrenmitglied  der  Altert humsgesel lach, 
Prussia,  Gr.  Lichterfelde  bei  Berlin.  Dr.  Bujack,  Gymnasialoberlehrer,  Vor- 
sitzender der  Alterthumsgeselisch.  Prussia.  Dr.  Carus,  Erster  General- 
Superintendent  d.  Prov.  Ost-  u.  Westpr.  Dr.  G.  Dehio,  Prof.  d.  Kunstgesch. 
an  d.  Universität.  Graf  A.  Dönhoff,  Friedrichstein.  Graf  zu  Dohna, 
Schlodien.  Dorgerloh-Oommusin,  z.  Z.  Berlin.  Graf,  Stadtrath.  v.  Grammatzki, 


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184 


Mittheilungen  und  Anhang. 


Landesdirektor  der  Prov.  Ostpr.  Heydeck,  Prof.  an  der  Kunstakademie. 
Dr.  F.  Hipler,  Prof.  der  Theol.  und  Regens  des  Priesterseminars, 
Braunsberg.  Dr.  Gustav  Hirschfeld,  Prof.  d.  Archäologie  an  d.  Universität. 
Höpker,  Oberpräsidialrath.  Hoffmann,  Zweiter  Bürgermeister,  Juneck, 
Kaiserl.  Bankdirektor.  Dr.  C.  Lohmeyer,  Prot.  d.  Geschichte  an  d. 
Universität.  Prof.  Dr.  L.  Prowe,  Vorsitzender  des  Copernicus-Vereins 
f.  Wissensch,  u.  Kunst,  Thorn.  Selke,  Oberbürgermeister.  Thomale,  Ober- 
bürgermeister, Elbing.  Dr.  Otto  Tischler,  Direktor  des  archäolog.  Provinzial- 
museums  der  PhyBikal.-ökon.  Gesellsch.    Dr.  M.  Toppen,  Direktor  des  Kgl. 

Gymnasiums,  Elhing. 

Die  oben  genannten  Abtheilungen  umfassen :  Haupt  abtheilungen.  I.  Heid- 
nische Zeit.  II.  Ordeuszeit.  III.  Neuzeit  (bis  zu  den  Befreiungskriegen). 
Fachabtheilungen.  1.  Möbel  (besonders  auch  kirchliche).  2.  Gottesdienstliche 
Geräthe,  Gefäße  und  Gewänder.  3.  Profane  Gefäße  aus  Thon,  Glas, 
Porzellan  etc.  4.  Kostüme,  Kostümbilder  und  kostümgeschichtlich  interessante 
Porträts;  sonstige  Werke  der  Textilindustrie.    5.  Waffen  und  Rüstungen. 

6.  Arbeiten  aus  Edelmetall ;  Schmuck,  Uhren,  Dosen,  Schnitzereien  etc. 

7.  Bernstein.  8.  Gröbere  Holz-  und  Metallarbeiten  für  häusliche  und  ge- 
werbliche Zwecke.  9.  Veranschaulichung  der  topographischen  Entwickelung 
der  preußischen  Städte.  10.  Die  preußischen  Architekturdenkmäler  in  Auf- 
nahmen, Photographien,  Modellen.  11.  Skulpturen  und  Abbildungen  von 
solchen.  12.  Gemälde  und  andere  bildliche  Darstellungen  kulturhistorisch 
wichtiger  Gebräuche  und  Scenen.  13.  Historische  Porträts.  U.Flugblätter; 
Abbildungen  von  historisch  merkwürdigen  Ereignissen,  Festen  etc.;  Karri- 
katuren.  15.  Münzen  und  Medaillen.  16.  Urkunden ;  Siegel  und  Siegel- 
stempel. 17.  Handschriften;  Drucke;  Büchereinbände.  18.  Landkarten, 
Globen ;  astronomische  und  geometrische  Instrumente.  19.  Musikinstrumente. 
20.  Spiele.  21.  Maße  und  Gewichte.  22.  Gilden  und  Gewerke.  23.  Akade- 
mische Erinnerungen. 


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Vorderseite 

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Das  Volksschulwesen  in  Preussen  und  Litthauen 
unter  Friedrich  Wilhelm  I. 

von 

Dr.  Adolf  Kell. 


Zweiter  Hauptteil:  Die  Hauptperiode  von  1732—1739. 

Allem  Anschein  nach  mußte  man  jetzt  glauben,  daß  unser 
Preußenland  gleichsam  dazu  bestimmt  war,  in  der  Unwissenheit 
und  Barbarei  zu  verbleiben.  Aber  der  eiserne  Landesvater  ließ 
den  Mut  nicht  sinken ;  unermüdlich  und  mit  größtem  Nachdruck 
unternahm  er  von  neuem  die  Kettung  des  Landes  und  setzte 
deshalb  unter  dem  8.  Dezember  1732  eine  neue  Commission  ein, 
welcher  in  einer  Instruction  von  demselben  Datum  die  Regulie- 
rung der  externa  und  interna  des  Kirchen-  und  Schulwesens 
aufgetragen  wurde.  Dieselbe  bestand  aus  dem  hiesigen  Etats- 
minister v.  Kunheim,  dem  Ravensbergischen  Oberappellations- 
gerichts-, Hof-  und  Criminalrat  v.  Sonnentag  und  Prof.  Dr.  Franz 
Albert  Schulz *),  der  nach  dem  Tode  von  Wolff  und  Rogall,  aus 
Pommern  nach  Königsberg  berufen,  seit  dem  6.  October  1733  ihr 
zugesellt  war. 

L  Die  Feststellung  des  generellen  Projekts,  der  principia  regulativa, 
vom  8.  Dezember  1732  bis  I.  August  1736. 

Um  ihre  Aufgabe  lösen  zu  können,  sollte  die  neu  ernannte 
Commission  die  frühern  Acten  durchgehen,  die  schon  gemachten 

1)  Nachrichten  von  dem  Charakter  rechtschaffener  Prediger  und 
Diaconen,    Trescho.    Briefe  über  die  neueste  Literatur.    I.  Bd.  p.  1%. 

Altpr.  MouuUHclirilt  B*L  XXI II.  Hfl.  Ü  u.  4.  13 

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186 


Das  Yolkssrlmlwesen  im  Königreich  PrtMiBen  et<\ 


und  approbierten  Vorschläge  prüfen,  mit  der  Cammer,  Regierung 
und  dem  Consistorium  sich  zusammenthun  und  nach  geraein- 
samer Überlegung  ohne  Verzug  in  die  Ämter  reisen,  um  mit 
den  Geistlichen  und  Beamten  unter  Zuziehung  des  Pfarrers 
Engel  festzustellen,  wieviel  Kirchen  und  Schulen  noch  fehlen, 
wieviel  Prediger  und  Schulmeister  noch  anzustellen,  und  wie 
der  nötige  Unterhalt  für  dieselben  zu  beschaffen  sei;  sodann,  da 
zur  Erbauung  der  Schulen  auf  den  Beitrag  der  begüterten 
Kirchen  zu  rechnen  wäre,  müsse  sie  auch  sorgen,  „daß  die 
Kirchenrechnungen  jährlich  abgelegt  und  berichtigt  werden". 
Der  König  versprach  in  der  Instruction  Bau-  und  Brennholz 
geben  zu  wollen.  Die  Eingewidmeten  sollten  das  festgesetzte 
Schulgeld  entrichten ;  bei  zu  großer  Armut  müßte  es  den  Lehrern 
aus  Kirchenmitteln  ersetzt  werden.  Endlich  nahm  die  Instru- 
ction noch  Bezug  auf  die  Bestallung  tüchtiger  Lehrer,  die  in 
jedem  Falle  von  dem  königl.  Gutachten  abhängen  sollte. 

Gleichzeitig  rescribierte  der  König  an  die  Kriegs-  und 
Domänen- Cammer  und  Regierung:  „Den  neuen  Commissarien 
ohnweigerlich  mit  Rat  und  That  an  die  Hand  zu  gehen,  ihre 
Einrichtung  zu  befördern  und,  was  sonst  zur  Erlangung  bei 
solchem  Werk  nötig  wäre,  beizutragen". 

Ganz  natürlich  musste  diese  Commission  Bedenken  tragen, 
das  schwere  Werk  zu  übernehmen,  angesichts  der  großen 
Hindernisse,  die  jedem,  der  hieran  arbeitete,  durch  den  Zustand 
des  Landes  und  durch  den  Character  seiner  Bewohner,  besonders 
der  leitenden  Männer,  in  den  Weg  gelegt  worden  waren.  So 
weigerte  sich  Sonnentag  ernstlich,  nachdem  er  die  Acten  durch- 
gelesen, nach  Preußen  zu  reisen,  und  mußte  schließlich  vom 
„officio  fisci"  dazu  durch  Ordro  gezwungen  werden.  Auch 
Schulz,  der  erfahren  hatte,  wie  es  Lysius  ergangen  war,  machte 
Vorstellungen  bei  Kunheim. 

Da  aber  des  Königs  unbeugsamer  Wille  an  seinen  Be- 
schlüssen nichts  ändern  ließ,  gingen  endlich  diese  Männer  an 
die  Arbeit,  nachdem  Sonnentag  Mitte  September  1733  in  Königs- 
berg angekommen  war. 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


187 


Das  Erste,  was  sie  jetzt  thun  konnten  und  auch  wirklich 
thaten,  war  der  Entwurf  eines  neuen  Projekts;  denn  es  handelte 
sich  hauptsächlichst  um  die  wichtige  Aufgabe,  ein  festes,  allge- 
mein durchführbares  Fundament  für  den  Schulenaufbau  und 
Unterhalt  der  Schulen  und  Lehrer  zu  finden. 

Die  leichtere  Aufgabe,  die  Feststellung  des  Schulunterrichts, 
war  in  der  vorigen  Periode  gelöst.  Damit  die  Commission  alles 
genau  und  practicabel  fasse,  wollte  sie  zuerst  nur  in  einem 
kleinen  District  den  Versuch  machen;  dann  die  hier  gemachten 
Erfahrungen  benutzen,  um  ein  auch  für  grössere  Districte,  zuletzt 
für  das  ganze  Land  anwendbares  und  bequem  durchfuhrbares 
Projekt  entwerfen  zu  können. 

Darum  wurde  die  Cammer  und  Regierung  ersucht,  die  ge- 
samten Beamten  des  Amtes  Schaaken  und  den  Erzpriester 
Busolt  nebst  allen  Predigern  des  Amtes  nach  Königsberg  zu 
berufen.  Sofort  ergingen  an  dieselben  die  ausdrücklichen  Be- 
fehle, von  Allem,  bei  der  Einrichtung  des  Kirchen-  und  Schul- 
wesens Nötigen,  genaue  Nachrichten  einzuziehen  und  schriftlich 
zu  überbringen: 

1.  Wieviel  Kinder  und  Hufen  jedes  Dorf  hätte/ 

2  wie  weit  es  von  der  Kirche  und  den  andern  Nachbar- 
dörfern entlegen  sei,  —  um  dann  gründlich  überlegen  zu  können, 
wo  Schulen  anzulegen  wären,  — 

3.  wie  viel  der  Bau  jeder  Schule  und  der  notdürftige 
Unterhalt  der  Schulmeister  erfordere, 

4.  woher  alles  zu  nehmen  sei  und 

5.  wieviel  mit  Conservation  der  Unterthanen  jeder  dazu  an 
Geld  und  Getreide  beitragen  könne. 

Mit  diesen  Nachrichten  fanden  sich  am  17.  November  1733 
Beamte  und  Geistliche  bei  Kunheim  ein.  Das  auf  Grund  dieser 
Angaben  in  gemeinsamer  Überlegung  festgesetzte  Projekt  wurde 
den  Einzelnen  nach  Hause  mitgegeben,  damit  sie  alles  nochmals 
in  loco  prüfen,  die  etwaigen  Zweifel  erwägen  und  dann  völlig 
ausgearbeitet  und  begutachtet  zurücksenden.  Sehr  bald  erhielt 
die  Commission  diesen  Entwurf  als  durchaus  zufriedenstellend 

13* 


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188 


Das  Vulksschulwesen  im  Königreich  PreiiBen  etc. 


und  durchfuhrbar  anerkannt  zurück,  so  daß  sie  schon  unter  dem 
27.  November  dem  Könige  ihr  neues,  im  Amt  Schaaken  von  den 
Geistlichen  und  Beamten  als  practicabel  befundenes  Projekt, 
übergeben  konnte. 

Was  enthielt  dieses  neue  Projekt? 

Es  sprach  sich  gegen  die  Absicht  aus,  jeder  noch  fehlenden 
Landschule  1/i  Hube  zuzuweisen  und  das  wöchentliche  Schul- 
geld, 2  polnische  Groschen  pro  Kind,  weiter  einziehen  zu  lassen. 
Denn  fürs  erste  würde  der  Schulmeister  mehr  zum  Bauer,  als 
zum  Lehrer  gemacht  werden;  zum  andern  sei  das  Schulgeld  zu 
hoch,  so  daß  von  den  Bauers-  und  Arbeitsleuten  fast  Niemand 
imstande  sein  würde,  3,  4  oder  mehr  Kinder  zugleich  zur  Schule 
zu  schicken.  Dagegen  um  die  Anlegung  neuer  Schulen  leicht 
und  möglich  und  die  Unterhaltung  der  Lehrer  erträglich  zu 
machen,  wurde  die  Einrichtung  einer  Schulkasse  bei  jeder  Dorf- 
kirche proponiert,  und  damit  im  Amt  Schaaken  der  Anfang  ge- 
macht. In  diese  Schulkasse  zahlen  sowohl  die  Besitzenden  wie 
das  Gesinde  ihren  Beitrag,  es  mag  der  Betreffende  viele,  wenige 
oder  gar  keine  Kinder  haben,  und  zwar  giebt: 

ein  Amtshauptmann        4  fl. 

der  Cöllmer  2 — 3  „ 

der  gutsituierte  Bauer    15  pr.  Gr.  —  2  fl.  und  1  Sch.  Korn 
Instleute  und  Gärtner     5     „       —  1  fl. 
Knechte  8     „  und  l/t  Sch.  Korn 

und  Mägde  1  Gr.  —  6  Pfennig. 

An  Orten,  wo  die  Leute  ärmer  sind,  kann  der  Beitrag  ge- 
ringer gesetzt  werden.  Aus  diesem  Fonds  ist  nach  einem  ge- 
wissen Überschlag  nicht  allein  ein  beständiger  Unterhalt  für  alle 
neu  anzustellenden  Schulmeister  zu  entnehmen,  sondern  es 
können  auch  die  Kosten  für  den  Bau  der  Schulgebäude  allmählich 
daraus  gedeckt  werden.  Man  war  nämlich  in  dem  Projekt 
dahin  schlüssig  geworden,  daß  die  bemittelten  Kirchen  das  Geld 
zum  Bau  vorschießen  sollten,  welches  sodann  aus  der  Schulkasse 
allmählich  zurückerstattet  wird.  Das  Anfahren  des  Bauholzes  be- 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


189 


sorgen  die  adligen  und  cöllmischen  Unterthanen,  während  die 
zur  Schule  geschlagenen  Dorfschaften  die  Handdienste  leisten. 

Die  Subsistenz  der  Lehrer  endlich  wurde  dahin  geregelt, 
daß  jedem  Lehrer  ein  gewisses  Fixum  an  Geld  aus  der  Schul- 
kasse, ein  noch  zu  bestimmender  Satz  des  Schulgeldes,  freies 
Bronnholz,  etwa  20  Fuder  Sprock,  und  eine  kleine  Calende, 
bestehend  aus  einigen  Scheffeln  Getreide  und  circa  4  Schock 
Stroh  für  seine  Kühe,  zugewiesen  wurde.  Dazu  sollten  „die 
Schulmeister,  die  kein  Handwerk  treiben,  von  allen  Abgaben 
frei  sein,  wer  aber  seine  Profession  exerciret,  hat  Schutzgeld  zu 
geben". 

Auf  diese  "Weise  glaubte  man  ermöglicht  zu  haben,  daß 
alle  Leute,  auch  die  ärmsten  und  mit  vielen  Kindern  gesegneten, 
für  einen  geringen  Beitrag  zu  gleicher  Zeit  ihre  Kinder  zur 
Schule  schicken  konnten.  Noch  ein  weiterer  Fortschritt  ward 
hier  gemacht,  indem  der  von  altersher  bestehende  Hauptfehler 
der  Landschulen,  daß  sie  nur  im  Winter  gehalten  wurden,  be- 
seitigt und  der  Schulunterricht  auch  auf  die  Sommerzeit  ausge- 
dehnt wurde.  Ja,  nach  dem  Projekt  hegte  man  sogar  die  Hoff- 
nung, daß  nicht  allein  die  kleinen  Kinder  regelmäßig  die  Schule 
besuchen  würden,  sondern  auch  die  größern,  selbst  Knechte 
und  Mägde,  da  sie  ja  Schulgeld  bezahlen,  wenigstens  im  "Winter 
zur  Erlernung  des  Catechismus  sich  angetrieben  fühlen  würden. 

Auf  dieses  neue  Projekt,  das  die  Commission  samt  den 
Tabellen  von  der  Anzahl  der  Besitzenden  und  Dienenden  und 
dem  Situationsplan  von  allen  9  Kirchspielen  des  Amtes  Schaaken 
zur  Prüfung  an  den  König  eingesandt  hatte,  erhielt  sie  unter 
dem  3.  Januar  1734  als  Bescheid,  daß  „es  zwar  gründlich  und 
wohl  abgefasset  ist,  .  .  .  aber  es  finden  sich  noch  dubia,  welche 
Ihr  gehörig  erwägen  und  uns  euer  Gutachten  darüber  eröffnen 
könnt".    Dieses  waren  folgende  wichtige  Fragen: 

1.  "Wieviel  ein  Schulmeister  an  Gehalt  haben  sollte  und 
ob  alle  im  ganzen  Lande  gleich  sein  sollten; 

2.  wer  die  Sorge  und  Rechnung  für  die  Schulkasse  über- 
nehme; 


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190 


Das  Volksschulwusen  im  Königreich  Preußen  etc. 


3.  ob  eine  allgemeine  Schulkasse  im  ganzen  Lande  ange- 
legt werden,  oder  ob  jegliches  Kirchspiel  eine  eigene  Kasse 
errichten  sollte,  und 

4.  wie  es  mit  dem  Lohn  der  Dienenden  stehe. 

Am  23.  Januar  beantworteten  Sonnentag  und  Kunheim 
diese  Fragen  dahin: 

ad  1)  daß  ein  Schulmeister  unter  15 — 20  Thaler  Geld  und 
circa  20  Scheffel  Getreide  samt  seiner  Familie  nicht  bestehen 
könne, 

ad  2)  daß  die  Schulkasse  durch  die  Vorsteher  einer  jeden 
Kirche  verwaltet  werden  sollte.  Die  haben  das  Geld  beizu- 
treiben und  in  allen  Stücken  wie  mit  der  Decemseinnahme  dabei 
zu  verfahren.  Darum  ist  der  neue  Schuldecem  auch  zwischen 
Michaelis  und  Martini  einzuziehen,  weil  das  Dienstjahr  von 
Martini  bis  Martini  geht,  und  die  Dienstleute  jahrweise  ihren 
Lohn  erhalten;  die  zu  fuhrenden  Rechnungen  seien  jährlich  den 
Amtshauptleuten  vorzulegen. 

ad  3)  daß  jedes  Kirchspiel  seine  eigene  Schulkasse  haben 
müsse;  denn  eine  allgemeine  Schulkasse  einzurichten  würde 
große  Schwierigkeiten  machen, 

ad  4)  daß  der  Lohn  nicht  tiberall  gleich  sei. 

Der  König  prüfte  das  Projekt,  und  weil  es  hauptsachlich 
auf  den  Beitrag  der  Unterthanen  ankam,  so  resolvierte  er  im 
Februar,  daß  die  Commission  mit  der  Cammer  zusammen  end- 
giltig  beschließe,  „wie  es  mit  dem  Beitrag  zur  Erbauung  der 
nötigen  Schulen  und  zur  Salarierung  der  Schulmeister  zu  halten 
sei".  Den  5.  März  unterbreitete  die  Commission  der  Cammer 
das  Projekt  über  den  an  die  Schulkasse  zu  zahlenden  Beitrag, 
den  Kostenanschlag  und  Abriß  eines  Schulgebäudes  und  den 
Entwurf  des  Planes  vom  Amt  Schaaken,  wo  und  wieviel  Schulen 
anzulegen  seien,  und  wie  der  Unterhalt  der  anzustellenden  Schul- 
meister beschafft  werden  könne,  zur  Prüfung  und  Begutachtung. 

Doch  erst  nach  3  Monaten,  den  24.  Juni,  teilte  die  Cammer 
der  Commission  ihr  Urteil  hierüber  mit.  Sie  hielt  den  Plan 
des  Beitrages  zur  Schulkasse  keineswegs  für  „applicable  und 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


1<J1 


durchführbar",  da  bei  den  adligen  und  köllinischen  Unterthanen 
seit  Einführung  des  Generalhubenschosses  und  bei  den  königl. 
Bauern  durch  die  Domänenkommission  das  Einkommen  so  regulirt 
wäre,  daß  nach  Abzug  aller  praestanda  vom  Ertrag  des  übor- 
gebenen  Landes  nur  soviel  übrig  bliebe,  daß  die  Leute  leben 
können.  Der  Beitrag  für  die  Schulkasso  ist  ihr  durchschnittlich 
zu  hoch  angeschlagen,  da  ein  Bauer  von  3—4  Hufen  alles  in 
allem  über  2  Thaler  zahlen  müsse;  das  Schulkassengeld  erschien 
ihr  somit  als  ein  neuer  Kopfschoß,  der  dem  ganzen  Lande  eine 
Abgabe  von  über  100000  Thaler  auferlegte.  Auch  war  sie 
gegen  eine  im  ganzen  Lande  gleichmäßige  materielle  Ausstattung 
der  Landschulen;  vielmehr  erschien  es  ihr  praktischer  und  er- 
träglicher zu  sein,  je  nach  der  Beschaffenheit  des  Amtes  ent- 
weder baares  Geld  oder  etwas  Getreide,  Victualien  und  der- 
gleichen andere  Aequivalente  dem  Schulmeister  reichen  zu  lassen. 
Ja  sie  wollte  von  diesem  Projekt  überhaupt  nichts  wissen, 
sondern  entschied  sich  teils  für  dasjenige  von  Wolff  und  Bogall, 
teils  für  die  Ortelsburgische  Einrichtung  und  die  Vorschläge 
des  Erzpriesters  zu  Fischhausen ,  was  doch  alles  eins  dem 
andern  contrair  war,  und  wollte  darnach  die  Einrichtung  des 
Schulwesens  gefaßt  wissen.  Kurz  die  Cammer  fand  das  Projekt 
in  allen  Punkten  höchst  nachteilig  für  das  Land. 

Infolge  dieses  wegwerfenden  Urteils  forderte  Kunheira  die 
Originaltabellen  von  der  Einrichtung  des  Schulwesens  im  Amt 
Schaaken  zurück.  Obwohl  inzwischen  die  Coramission  durch 
nebensächliche  Begulierungen  von  Kirchen-  und  Schulsachen, 
wie  wegen  der  Calende,  welche  die  Bauern  der  Dorfschaften 
Gr.  und  Kl.  Berschkullen  dem  Präzentor  zu  Gerwischkehmen 
entzogen  hatte,  in  ihrem  Wirken  behindert  wurde,  suchte  sie 
zuerst  schriftlich  die  von  der  Cammer  gemachten  Einwürfe 
Punkt  für  Punkt  als  unerheblich  nachzuweisen.  Als  dieses  den 
erwünschten  Erfolg  nicht  hatte,  ging  sie  auf  den  Vorschlag  ein, 
eine  Conferenz  hierüber  zu  halten,  und  trotzdem  die  größte  Eile 
hierin  nötig  war,  da  der  König  die  Einrichtung  des  Schul- 
wesens energisch  forderte,  verschob  die  Cammer,  bei  der  nur 


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11)2  Das  Yolkssohuhveson  im  Königreich  Preußen  otc. 

das  Bestreben  herrsclite,  jeden  Fortschritt  der  Commission  un- 
möglich zu  machen,  den  Termin  zur  Conferenz  bis  auf  den 
6.  August.  Auch  trotz  der  Conferenz,  in  der  die  Commission 
ihr  Projekt  pro  et  contra  ventilierte,  verblieb  die  Cammer  bei 
ihrer  oben  dargelegten  Meinung. 

Nun  blieb  nur  das  als  einziger  Weg  übrig,  dem  Könige 
die  Entscheidung  hierin  zu  überlassen.  Damit  die  Commission 
ihre  Pläne  und  Gegenbeweise  durch  Thatsachen  recht  fest  stütze, 
ließ  Kunheim  sofort  durch  Sonnentag  nochmals  eine  Unter- 
suchung in  den  beiden  Kirchspielen  des  Schaakenschen  Amtes, 
Kaymen  und  Wargen,  abhalten  und  hierbei  besonders  genau  der 
Kammer  Ansichten  berücksichtigen.  Das  Ergebnis  dieser  zweiten 
Lokaluntersuchung,  ferner  das  neue  Projekt  der  Commission, 
die  verschiedenen  Pläne  und  Protokolle  aus  den  Ämtern  Schaaken, 
Fischhausen  und  Orteisburg,  auch  ein  Votum  über  die  Ansichten 
der  Cammer,  schickte  Kunheim  nach  Berlin  ab.  Speciell  in 
dem  Votum  beleuchtete  die  Schulcommission  gründlich  Punkt 
für  Punkt  die  Einwürfe  und  Ansichten  der  Cammer  und  wies 
schlagend  nach,  daß  das  Schulwesen  nach  Vorschlag  der  Cammer 
„nie  in  eine  gehörige,  beständige  und  ersprießliche  Verfassung 
zu  setzen",  möglich  sein  könne. 

Während  dieser  Verhandlungen  wurde  die  Aufmerksamkeit 
der  Commission  wiederholentlich  auf  Litthauen  gerichtet;  denn 
die  dortigen  Geistlichen  und  Beamten  hatten  den  König  um 
die  Einrichtung  von  Schulen  gebeten.  Infolge  dessen  erging  im 
August  an  die  Commission  das  königl.  Rescript  „vor  allen 
Dingen  nach  Litthauen  zu  gehen  und  die  Einrichtung  an  den- 
jenigen Orten,  wo  Salzburger  angesetzet  sind,  zu  machen,  damit 
es  derselben  Kinder  an  dem  nötigen  Unterricht  im  Christentum 
nicht  fehlen  möge". 

Allein  die  Schulcommission  konnte  unter  den  gegenwärtigen 
Verhältnissen  nichts  weiteres  unternehmen,  da  der  Ausgang  aller 
bisherigen  Unterhandlungen  mit  der  Cammer  absolut  frucht- 
los war. 

Um  sich  bei  dem  Könige  zu  rechtfertigen  und  keinen  Un- 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


193 


willen  ihres  Benehmens  wegen  zu  erregen,  ließ  die  Cammer  im 
Stillen  eine  anderweitige  Lokaluntersuchung  im  Schaakenschen 
Amte,  in  den  Kirchspielen  Rudau  und  Kaymen,  durch  die  Räte 
Stolterfoht  und  Waga  abhalten  und  entwarf  auf  Grund  derselben 
ein  anderes  Projekt,  das  sie  hinter  dem  Rücken  der  Commission, 
die  noch  immer  eine  Verständigung  mit  ihr  erstrebte,  am 
19.  August  nach  Hofe  abschickte.  Dadurch  wurde  die  ganze 
Sache  nur  noch  weitläuftiger  und  schwieriger  gemacht. 

In  diesem  Projekt  .gestand  sie  zu,  daß  gemäß  dem  Vor- 
schlage der  Commission  ein  hinlängliches  Salarium  für  jeden 
Schulmeister  ausgemacht  werden  müsse,  und  zwar  sind  dazu  100  fl. 
oder  33  Thaler  8  g.  Gr.  jährlich  nötig  —  wenn  auch  nicht  an 
allen  Stellen  — ,  dazu  freie  Wohnung,  ein  Garten  und  Weide 
für  etwas  Vieh;  doch  erklärte  sie  sich  gegen  die  Einrichtung 
einer  Generalschulkasse.  Wie  wollte  nun  die  Cammer  die 
Cardinalfrage  über  die  Beschaffung  des  Unterhalts  der  Lehrer 
und  der  Baukosten  lösen? 

Der  Hauptbestandteil  des  Unterhaltes  sollte  erstlich  das 
Schulgeld  sein.  Dazu  teilte  sie  die  Eltern  der  schulpflichtigen 
Kinder  in  3  Klassen.  Die  Leute  der  I.  Klasse,  zu  der  Amts- 
hauptleute, Cöllmer,  Freie,  Hofleute,  Müller,  Kammerknechte  und 
Kaufgärtner  gehörten,  hatten  wöchentlich  pro  Kind  1  poln.  Gr.  zu 
zahlen.  Die  II.  Klasse,  welche  Bauern  und  Fischer  umfaßte, 
giebt  2  Pf.,  und  alle  übrigen,  die  der  HI.  Klasse  angehörten, 
wöchentlich  1  Pf.  pro  Kind.  Wo  das  Schulgeld  die  Höhe  von 
100  fl.  nicht  erreichte,  müßte  noch  die  wüste  halbe  Hufe  dem 
Lehrer  zugewiesen  werden.  Wo  aber  nun  solche  nicht  vor- 
handen wäre,  müßten  die  betreffenden  Dörfer  eine  Calende  ent- 
richten, die  bis  dato  die  Kirchschullehrer  erhalten  haben,  und 
zwar  jeder  Wirt  circa  V*  Scheffel  Getreide,  und  die  königliche 
Kasse  hat  noch  "den  Zins  der  halben  Hufe,  der  im  Samländischen 
auf  7  Thaler  angesetzt  ist,  hinzuzufügen.  Den  Bau  des  Schul- 
hauses berechnete  sie  mit  36  Thaler,  die  aus  den  Kirchen- 
mitteln zu  entnehmen  sind. 

Durch  das  Rescript  vom  6.  November  approbierte  der 


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194  Das  Volksachulwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 

Köllig  dieses  Schulprojekt  und  befahl  der  Commission  „nach 
solcher  bereits  zur  Probe  gebrauchten  Methode  weiter  fortzu- 
fahren, daß  alles  nach  dem  Zustande  jedes  Orts  proportioniret 
und  eingerichtet  werde  .  .  .,  auch  möge  einer  aus  der  Cammer 
Mitte,  und  zwar  aus  jedem  Departement  der  bestallte  Rath  Euch 
(Commission)  zugeordnet,  ...  in  jedem  Amt  die  Sache  best- 
möglichst ausgearbeitet,  ...  an  die  dortige  Regierung  und 
Cammer  referiret  und  .  .  .  anhero  zur  Confirmation  eingesandt 
werden".  Am  20.  Dezember  hielt  die  Commission  eine  Be- 
ratung über  dieses  Schulprojekt  ab,  das  nach  Angabe  der  Prediger 
sehr  oberflächlich  mit  absichtlicher  Verkennung  aller  Unmöglich- 
keiten einer  Durchführung  entworfen  war.  Die  Haltlosigkeit 
desselben  besonders  in  der  gravierenden  Frage  von  der  Be- 
schaffung des  Unterhalts  für  die  Lehrer  und  dem  Aufbau  der 
Schulen  lag  klar  vor  Augen;  denn  die  wenigen  bemittelten 
Kirchen  konnten  unmöglich  die  Baugelder  und  den  zum  Lehrer- 
gehalt noch  überall  notwendigen  Zuschuß  reichen;  außerdem 
waren,  um  eine  recht  hohe  Einnahme  des  Schulgeldes  zu  er- 
zielen, zum  mindesten  4  Dörfer  zu  einer  Schule  geschlagen,  so 
daß  eine  Lehrkraft  für  die  große  Zahl  der  Kinder,  die  durch- 
weg über  100  betrug,  keineswegs  hinreichte.  Um  der  Cammer 
die  Schwäche  ihres  Projektes  schlagend  zu  beweisen,  und  zu- 
gleich die  Königl.  Instruction  zu  erfüllen,  ersuchte  die  Com- 
mission die  Cammer,  den  Rat  vom  Amt  Schaaken  zu  beauftragen, 
sich  mit  der  Commission  zur  Regulierung  der  Schulen  nach  dem 
approbierten  Projekt  in  loco  zu  vereinigen,  damit  mit  Zuziehung 
der  Interessenten  die  Probe  gemacht  werde,  um  dann  an  andern 
Orten  darnach  weiter  regulieren  zu  können.  Gleich  in  den 
folgenden  Tagen  erklärte  die  Cammer,  daß  sie  dem  Departements- 
Rat  Stolterfoth  dies  aufgetragen  habe.  Indessen  verlief  das 
Jahr  1734,  und  auf  abermaliges  Ersuchen  am  22.  Januar  1735 
antwortete  Stolterfoth  am  28.  Januar,  daß  er  der  Schulcommission 
keinen  gewissen  Termin  zur  Localuntersuchung  des  Schulwesens 
im  Amt  bestimmen  könne,  da  er  bis  zum  8.  Februar  in  seinem 
Amtsbezirk  dienstlich  beschäftigt  sei.    Auch  die  wiederholte 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


195 


Bitte  der  Commission,  die  Cammer  möge  Stolterfoth  von  seinen 
Departements-Geschäften  dispensieren,  bis  das  Schulwesen  im 
Amt  reguliert  sei,  blieb  unbeantwortet  und  ohne  Erfolg.  Endlich 
schrieb  Stolterfoth  dem  Sonnentag,  daß  er  sich  zur  Schulcom- 
mission auf  den  18.  Februar  bereit  halte.  Am  19.  Februar 
erging  dann  an  die  Prediger  der  Amter  Schaaken  und  Fisch- 
hausen der  Befehl,  sich  zur  Localschuleinrichtung  fertig  zu 
halten  und  eine  accurate  Specification  der  sämmtlichen  Wirte 
und  Kinder  von  5—12  Jahren  in  ihren  Kirchspielen  zu  ent- 
werfen. Ebenso  rescribierte  die  Cammer  an  den  Landvogt  zu 
Schaaken,  auch  die  adligen  Einsassen  aufzufordern,  sich  vor 
die  Schulcommission  auf  deren  Requisition  zu  gestellen. 

Am  18.  Februar  1735  wurde  also  mit  Zuziehung  der 
Pfarrer  und  Beamten  des  ganzen  Amtes  im  Rudauschen  Kirch- 
spiel der  Anfang  gemacht,  und  folgende  Punkte  als  principia 
regulativa  bis  zur  Approbation  des  Königs  festgesetzt: 

1.  Jedem  neu  anzusetzenden  Schulmeister  ist  ein  Stückchen 
Land  zum  Garten,  ohngefahr  2—3  Ruthen  ins  Quadrat,  wo- 
möglich hinter  seinem  Hause  anzuweisen. 

2.  Da  die  neuen  Schulen  unmöglich  in  einem  Jahr  erbaut 
werden  können  wegen  des  schlechten  "Winters,  der  Entlegenheit 
der  königl.  Haiden,  der  Anfuhr  des  Holzes,  sollten  den  neuen 
Schulmeistern  an  den  Orten,  wo  Schulen  eingerichtet  werden, 
ad  interim  gewisse  brauchbare  Wohnungen  angewiesen  werden. 

3.  Von  Grund-,  Inst-,  Kopf-  und  Horn-Schoß  mögen  die 
neu  anzusetzenden  Schulmeister  frei  sein ;  bei  denjenigen  Schul- 
meistern, welche  in  dem  Pachtertrag  als  Contribuenten  aufge- 
fuhret  sind,  hängt  es  vom  Könige  ab,  ob  sie  nicht  bei  künftigem 
Anschlag  der  Amter  aus  dem  Ertrage  zu  lassen  seien,  so  daß 
also  durchgehends  allen  Schulmeistern  diese  Immunität  zu  teil 
werde. 

4.  Der  Schulmeister  soll  für  2  Kühe,  2  Schweine  oder 
2  Schafe  freie  Weide  haben,  doch  muß  er  des  Hütens  wegen  sich 
mit  der  Gemeinde  und  den  Hirten  jedes  Orts  abfinden. 

5.  An  Brennholz  sind  für  jeden  Schulmeister  20  Fuder 


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19Ü  Das  Volksschulwescn  im  Königreich  Preußen  etc. 

Sprock-  oder  Lagerholz  nötig.  Die  Anfuhr  desselben  ist  gemein- 
schaftlich von  den  zur  Schule  gewidmeten  Dorfschaften,  die  An- 
gespann  haben,  zu  besorgen. 

6.  Als  Salarium  muß  der  Schulmeister  100  fl.  oder  33  Thlr. 
8  g.  Gr.  jährlioh  haben. 

7.  Das  Schulgeld  ist  durch  die  Beamten  in  2  Terminen, 
Lichtmess  und  Martini,  beizutreiben,  welche  es  dann  den  Pre- 
digern, und  diese  den  Schulmeistern  zu  bezahlen  haben,  wobei 
jene  diese  jedes  Mal  ihrer  Pflicht  zu  erinnern  nicht  ermangeln 
sollen. 

8.  Alle  Jahre  müssen  die  Schulmeister  eine  accurate  Speci- 
fication  vom  Ab-  und  Zugang  der  Kinder  fertigen,  dieselbe  den 
Predigern,  und  diese  nach  gehöriger  Revision  den  Beamten  zu- 
stellen. Dies  soll  beim  Ausgang  des  Jahres  oder  auch  alle  halbe 
Jahr  sein,  wie  es  Ort  und  Umstände  erfordern;  dadurch  werden 
die  Einsassen  aufgemuntert,  die  Kinder  sowohl  fleißig  zur  Schule 
zu  halten,  als  auch  das  dafür  fallende  Schulgeld  willig  zu  be- 
zahlen. 

9.  Für  die  Sicherheit  des  einzunehmenden  Schulgeldes, 
damit  es  von  den  Einsassen  bezahlt  werde,  ist  es  unumgänglich 
nötig,  daß  die  Beamten  durch  das  ganze  Land  für  diesen  Beitrag 
haften;  sonst  würde  die  Etablierung  der  Schulen  zwar  ihren 
Anfang,  aber  zugleich  auch  ihr  Ende  erreichen. 

10.  Die  Schulen  sollen  Winter  und  Sommer  gehalten 
werden ;  daher  müssen  die  Eltern  das  Schulgeld  für  ihre  Kinder 
bezahlen,  sie  mögen  zur  Schule  gesandt  werden  oder  nicht. 

11.  Zur  Vermeidung  aller  Unordnung  haben  die  Eltern, 
deren  Kinder  in  dem  bereits  angetretenen  Jahre  abgehen  oder 
sterben,  gleichwohl  das  Schulgeld  auf  das  ganze,  wenigstens  für 
das  Viertel-Jahr  zu  entrichten. 

12.  Auch  bei  Mißwachs  muß  das  Schulgeld  bezahlt  werden, 
da  der  Beitrag  so  bemessen  ist,  daß  die  Einsassen  ihn  bei  guten 
und  schlimmen  Jahren  ohne  Beschwerde  abführen  können. 

13.  Kinder  von  5—12  Jahr  müssen  beständig  zur  Schule 
gehen;  Kinder  über  12  Jahr,  auch  wenn  sie  schon  dienen, 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


197 


müssen  nach  Bequemlichkeit  ihrer  Wirte  solange  zur  Schule 
gehen,  bis  sie  lesen  können. 

14.  Für  tüchtige  Schulmeister  haben  die  Prediger  zu  sorgen. 

15.  Für  notorisch  arme  Kinder  wird  dem  Schulmeister  aus 
den  Kirchenmitteln  der  Abgang  an  Schulgeld  ersetzt.  Bei 
Kirchen,  die  kein  Vermögen  haben,  wird  es  die  königl.  Kasse 
reichen  lassen  und  auch  für  Bibeln  und  Bücher  sorgen. 

16.  Die  sogenannte  große  Calende,  welche  nach  altein 
Brauch  darin  besteht,  daß  jeder  zum  Kirchspiel  gehörige  Wirt 
dem  Schulmeister  im  Kirchdorf  jährlich  V*— V*  Scheffel  Gerste 
giebt,  möge  ihm  als  Organisten  auch  fernerhin  gelassen  werden. 

17.  Die  sogenannte  kleine  Calende,  die  in  etwas  Butter, 
einer  Fleischwurst,  7*  Schweinskopf,  einem  Knoten  Flachs  und 
dergl.  Kleinigkeiten  besteht,  soll  der  Kirchschullehrer  mit  den 
übrigen  Schulmeistern  teilen. 

18.  Beim  Bau  der  Schulen  sollen  die  Kirchen,  bei  denen 
Mittel  vorhanden  sind,  wenn  sie  dieselben  entbehren  können, 
zur  Erbauung  der  Schulen  mit  herangezogen  werden.  So  können 
die  im  Hauptamt  Schaaken  und  Fischnausen  fehlenden  Schulen 
aus  dem  jährlichen  Überschuß  der  Kirchenmittel  successive  füg- 
lich ohne  die  Capitalia  anzugreifen  erbaut  werden. 

19.  Nach  Überlegung  mit  sämmtlichen  Geistlichen  und 
Beamten  sind  in  den  9  zum  Hauptamt  Schaaken  gehörigen 
Kirchspielen  39  Schulen  festgesetzt,  von  denen  14  vorhanden, 
25  aber,  und  zwar  18  königl.  und  7  adlige,  noch  zu  erbauen 
sind.  Die  zur  Einrichtung  obiger  18  Schulen  erforderlichen 
655  Thaler  können  aus  den  Mitteln  der  Kirchen  zu  Caymen  — 
die  ein  Vermögen  von  8000  Thaler  hat   322  Thaler 

zu  Wargen    144  „ 
zu  St.  Lorentz    111  „ 

und  zu  Pobethen  74  „ 

655  Thaler 

genommen  werden. 

Bei  dieser  Localuntersuchung,  welche  den  6.  April  beendigt 
war,  zeigte  sich  nun  klar,  wie  wenig  practicable  das  Projekt  der 


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Das  Volkftschulweaen  im  Königreich  Preußen  etc. 


Cammer  war,  denn  an  allen  Orten  stellte  sich  heraus,  daß  das 
festgesetzte  Lehrergehalt  100  fl.  nach  der  Cammer  Intention 
weder  durch  das  Schulgeld  noch  durch  die  Calende  zusammen- 
gebracht werden  könne,  daß  vielmehr  enorme  Zuschüsse  von  der 
königl.  Kasse,  besonders  von  den  Kirchen,  außer  den  Baugeldern, 
erforderlich  waren.  So  stellte  sich  heraus,  daß  die  4  bemittelten 
Kirchen  des  Amtes  Schaaken  an  Baugeld  (355  Thaler  und  zum 
Unterhalt  der  Schulmeister  jährlich  vom  Kirchendecem  154  Thaler 
30  Gr.  12  Pf.  geben  sollten,  während  die  Einsassen  zum  Unter- 
halt der  Schulmeister  863  Thaler  32  Gr.  15  Pf.  jährlich  bei- 
trugen. Ähnlich  war  das  Resultat  im  Amt  Fischhausen,  wo 
28  Schulen  festgesetzt  wurden,  von  denen  16  zu  erbauen  waren. 
Dadurch  wäre  die  finanzielle  Lage  der  Kirchen  vollständig 
ruiniert  worden,  und  die  Schule  hätte  doch  keinen  Bestand  ge- 
habt; denn  die  Einrichtung  fundierte  sich  größtenteils  auf 
kirchliche  Gelder.  Diesen  Mißerfolg  sah  die  Cammer  gleich 
voraus  und  zögerte  wohl  deshalb  solange  mit  der  Untersuchung. 

Am  27.  April  fand  eine  Conferenz  statt,  und  in  dieser 
wurde  die  in  den  Ämtern  Schaaken  und  Fischhausen  aufge- 
nommene Schuleinrichtung  vorgetragen.  Commission  wie  Cammer 
waren  darin  einig: 

1.  daß  der  Schulmeister,  auch  wenn  er  Handwerker  sei, 
dennoch  100  fl.  haben  müsse, 

2.  daß  in  Ermangelung  des  Landes  eine  Entschädigung  aus 
der  königl.  Kasse  zu  zahlen  sei,  und 

3.  daß  die  Kassen  der  Kirchen  in  dieser  Weise  nicht  an- 
gegriffen werden  können. 

Ebenso  wie  die  Commission,  konnten  sich  auch  die  Erzpriester 
und  Prediger  beider  Ämter  mit  der  Localschuleinrichtung  nicht 
zufrieden  geben  und  einstimmig  gaben  sie  ihr  Votum  dahin  ab : 

1.  daß  die  von  der  Commission  festgesetzten  Schulen  zu 
wenig  sind,  da  zu  viel  Kinder  zu  einer  Schule  gehen,  und  der 
Weg  zu  sämmtlichen  zu  weit, 

2.  daß  die  Lehrer  mit  der  festgesetzten  Subsistenz  kaum 
kümmerlich  leben  können, 


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Von  Dr.  Adolf  Keil.  199 

3.  auch  das  Schulgeld  nicht  immer  richtig  gezahlt  werde, 

4.  daß  die  Kirchen  die  jahrliche  Last  nicht  zu  tragen  ver- 
mögen, 

5.  daß  die  Prediger  mit  der  Einnahme  des  Schulgeldes 
nicht  belastet  werden  können. 

Und  mit  mehr  oder  weniger  crassen  "Worten  stimmen  alle 
darin  überein,  daß  dies  Projekt  vollständig  zu  verwerfen  sei. 

Damit  die  Zeit  nicht  durch  weitere  Unterhandlungen  mit 
der  Königsberger  Cammer  nutzlos  verstreiche,  faßte  die  Com- 
mission  in  jener  Conferenz  am  25.  April  den  Entschluß,  mit 
der  litthauischen  Cammer  wegen  des  Schulwesens  in  Verbindung 
zu  treten.  Sie  berichtete  deshalb  an  den  König  und  schlug  vor, 
den  Hofgerichtsrat  Uhde  zu  autorisieren,  ihm  Diäten  und  freie 
Vorspann  zu  bewilligen,  damit  er  das  Schulwesen  in  Litthauen 
gemäß  der  Instruction  vom  8.  December  1732  reguliere.  Als 
der  König  hierzu  seine  Einwilligung  gab,  reisten  Bülow  —  der 
am  29.  April  1734  der  Schulcommission  zugewiesen  war  —  und 
Schultz  nach  Gumbinnen  und  traten  mit  der  damaligen  lit- 
thauischen Deputation  in  Conferenz.  Während  die  Commission 
mit  der  Königsberger  Cammer  viele  Schwierigkeiten  hatte,  ging 
hier  alles  gut  von  statten,  so  daß  schon  am  6.  September  defm 
König  das  Projekt  für  die  Localuntersuchung  zugeschickt  werden 
konnte. 

Hiernach  sollte: 

1.  die  Anzahl  der  Schulen  so  festgesetzt  werden,  daß  die 
zu  jeder  Schule  gehörigen  Dörfer  nicht  Über  eine  Viertelmeile, 
höchstens  eine  halbe  Meile  von  der  Schule  entlegen  wären, 

2.  das  zum  Bau  der  neuen  Schulen  nötige  Geld  sollte  aus 
Kirchenmitteln  entnommen  werden,  wenn  die  Kirchen  etwas 
entbehren  könnten  und  übrig  hätten;  Bau-  und  Brennholz  aus 
den  königl.  Forsten;  wo  kein  Holz  vorhanden  wäre,  sollte  aus 
Feldsteinen  gebaut  werden.  Die  Fuhren  hätten  die  Einge- 
widmeten zu  stellen. 

3.  die  Inspicierung  des  Baues  sollte  den  Predigern  und 
Beamten  obliegen, 


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200 


■ 

Das  Volksschnlwesen  im  Königreich  Preuflen  etc. 


4.  ferner  sollte  jedem  Schulmeister  bei  seiner  Wohnung 
etwa  ein  halber  Morgen  als  Garten  gegeben  werden,  oder  wo  es 
unmöglich  sei,  ein  kleinerer  Platz  oder  ein  Äquivalent  dafür, 

5.  auch  sollten  die  in  adligen  und  cöllmischen  Dörfern  neu 
anzustellenden  Schulmeister  von  Kopf-  und  Hornschoß  und 
Schutzgeld  frei  sein;  dagegen  die  schon  angesetzten,  welche 
dergl.  Abgaben  zahlen,  mögen  auch  fernerhin  dieselben  entrichten, 
wofür  sie  bei  der  Localuntersuchung  entschädigt  werden  sollten. 

6.  die  Subsistenz  des  Lehrers  sollte  bestehen  aus  frei 
Brennholz,  circa  24  Fuder  Holz  oder  Torf  oder  einem  Äquivalent 
an  Geld;  ferner  aus  freier  Weide  für  2  Kühe,  und  3  Schweine, 
Calende  und  Schulgeld. 

Diesen  Entwurf  hatte  die  Commission  bei  der  Localunter- 
suchung als  Fundament  zu  nehmen  und  darnach  an  jedem  Ort 
zu  bestimmen,  wie  viel  baares  Geld,  Getreide  und  Victualien 
nach  der  Cammertaxe  zu  liefern  sein  werden.  An  den  Orten, 
wo  das  festgesetzte  Lehrergehalt,  29  Thaler,  auf  keine  Weise 
von  den  Eingewidmeten  zusammengebracht  werden  könnte, 
sollte  auf  einen  Zuschuß  aus  der  königl.  Kasse  gerechnet  werden, 
indem  das  an  den  Lehrergehältern  fehlende  Quantum  vom  Etats- 
quanto  der  Ämter  abgezogen  und  den  einzelnen  Lehrern  zuge- 
wiesen würde. 

Dieses  einmütige,  erfolgreiche  Handelu  der  litthauischen 
Cammer  mit  der  Schulcommission  übte  einen  für  das  Schul- 
wesen vorteilhaften  Einfluss  auch  auf  die  Königsberger  Cammer 
aus.  Die  erste  Wirkung  war  die,  daß  man  in  Berlin  allmählich 
immer  mehr  aufmerksam  wurde  auf  das  Treiben  dieser  Cammer. 
So  erfolgte  am  17.  October  1735,  nachdem  die  Cammer  mehrere 
Monate  hindurch  das  Schulwesen  hatte  liegen  lassen  und  nur 
einige  Berichte  an  den  König,  in  denen  sie  sich  stets  als  die 
fleißigste,  sorgsamste  Dienerin  darstellte,  abgefaßt,  auch  hie 
und  da  zu  einer  Schule  die  Holzassignation  erteilt  hatte,  durch 
den  Kronprinzen,  der  von  seinem  Vater  die  Direction  der 
preußischen  Kirchen-  und  Schulcommission  empfangen  hatte, 
der  ausdrückliche  Befehl,  das  Schulwesen  zu  befördern.  Gleich 


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Von  Dr.  Adolf  Keil.  201 


am  Tage  darauf  wurde  denn  auch  von  der  Cammer  eine  Con- 
l'ercnz  gehalten,  und  die  zu  Gumbinnen  entworfenen  Protocolle 
und  Projekte  erwogen,  um  zuzusehen,  wie  weit  der  eine  oder 
andere  Punkt  auch  hier  angenommen,  und  durch  welche  Mittel 
das  "Werk  beschleunigt  werden  könne. 

Auch  eine  directe  Beeinflussung  ließ  sich  bei  der  Königs- 
berger Cammer  verspüren,  denn  sie  kam  jetzt  davon  ab,  dem 
Schulmeister  l/t  Hufe  Acker  zu  geben;  auch  in  betreff  des 
Schulgeldes  hielt  sie  für  nötig,  damit  der  Lehrer  beständig  ein 
festgesetztes  Schulgeld  habe,  dasselbe  nicht  von  allen  Kindern, 
sondern  nur  von  zwei  Drittel  der  consignierten  Anzahl,  und 
zwar  auch  an  den  schlechtesten  Orten  3  Gr.  alle  halbe  Jahr 
pro  Kind,  praenumerando  einziehen  zu  lassen. 

Am  24.  October  übersandte  die  Commission  an  den  König 
das  litthauische  Schulprojekt.  Es  waren  danach  im  litthauischen 
Departement  280  Schulen  für  nötig  befunden,  zu  deren  Er- 
bauung der  König  um  7  000  Thaler,  pro  Schule  also  25  Thaler, 
und  um  freies  Bauholz  gebeten  wurde.  Außerdem  sollte  die 
königl.  Casse  zur  Unterhaltung  der  neuen  Lehrer  jährlich  noch 
3  360  Thaler  hergeben. 

Infolge  dieses  Projektes  fragte  die  Cammer  den  König  an, 
aus  welchem  Fonds  diese  Gelder  hergenommen  werden  sollen, 
da  aus  dem  ordinären  Etat  nichts  dazu  verwandt  werden  könne; 
ferner,  ob  sie  die  notwendigen  Ordres  des  Bau-  und  Brennholzes 
wegen  ausfertigen  soll  und  ob  die  Schulen  im  deutschen  De- 
partement in  derselben  "Weise  einzurichten  wären.  Hierauf 
rescribierte  der  König  im  November  an  die  Commission  und 
Cammer, 

1)  daß  die  Schulen,  wo  Kirchenmittel  vorhanden,  daraus 
zu  erbauen  sind;  im  andern  Fall  sollte  nach  gemachtem  An- 
schlag die  deshalb  notwendige  Summe  aus  dem  preussischen 
Extraordinarium  der  151  000  Thaler  verabfolgt  werden; 

2)  nochmals  verhieß  der  König  freies  Bau-  und  Brennholz 
aus  den  königlichen  Forsten; 

Altpr.  MonatMohrlft  BJ.  XXIII.  Hft.  !J  o.  4.  H 


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20*2 


Das  Volkiwohulwesen  im  Königreich  Prentfen  etr. 


3)  Freiheit  der  Lehrer  von  allen  oneribus,  wie  in  der 
Churmark  und  den  andern  Provinzen,  und 

4)  zur  Besoldung  sollte  jeder  Schulmeister  etwas  Acker, 
"Wiesenwachs  und  Gartenplatz  erhalten;  im  übrigen  sollten  wie 
in  der  Mark  Handwerker  zu  Lehrern  angenommen  werden,  da- 
mit sie  sich  etwas  Geld  daneben  verdienen. 

Dabei  war  das  Jahr  1735  verlaufen,  und  noch  immer  hatte 
man  kein  allgemein  acceptiertes,  praktisches  Projekt.  Die 
Cammer  hielt  mit  unbegreifbarer  Zähigkeit  an  ihrem  bisherigen 
fest  und  ließ  alle  Erfahrungen  inbezug  auf  seine  Undurchführ- 
barkeit  unberücksichtigt.  Nochmals  gab  die  Commission  nach 
und  erklärte  sich  bereit,  eine  neue  Untersuchung  und  Regelung 
der  Schulangelegenheiten  nach  dem  Project  der  Cammer  unter 
Berücksichtigung  des  litthauischen  Entwurfes  und  der  letzten 
königlichen  Vorschrift  machen  zu  wollen.  Es  geschah  dieses 
endlich  nach  mehrfachem  Drängen  bei  der  Cammer  im  Amt 
Brandenburg.  Den  8.  Februar  begann  hier  die  Localunter- 
8uchung  durch  Sonnentag,  die  Departementsräte  Manitius  und 
Tettau,  mit  Zuziehung  der  Geistlichen  und  Beamten.  Am 
17.  März  war  man  hiermit  fertig.  Das  directe  Resultat  der 
Arbeit  war,  erstlich,  daß  für  die  zu  gründenden  21  Schulen  in 
diesem  Amt  die  königl.  Casse  zu  Baukosten  435  Thlr.  80  gr. 
geben  sollte,  während  die  Kirchen  mit  804  Thlr.  84  gr.  dazu 
concurrierten;  zum  andern,  daß  sie  zum  Unterhalt  der  Lehrer 
noch  290  Thlr.  66  gr.  jährlich  zuschießen  müßte. 

So  ward  der  Cammer  wiederum  bewiesen,  daß  die  Unter- 
haltung der  Lehrer  nicht  den  Wirten  allein  aufzuerlegen  sei, 
die  Kinder  zur  Schule  schicken,  sondern  wie  es  die  Commission 
immer  verlangte,  allen,  so  daß  auch  die,  welche  keine  schul- 
pflichtigen Kinder  hätten,  Getreide,  Futter  und  dergl.  liefern 
müßten.  Dann  wäre  die  Unterhaltung  der  Lehrer  keine 
drückende  Abgabe  für  Einzelne,  und  keine  so  schwere  Last  für 
die  Staatskasse. 

Am  4.  April  1736  trat  die  Commission  zu  einer  Conferenz 
zusammen,  in  der  die  Protocolle  und  Berichte  aus  dem  Amt 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


203 


Brandenburg  vorgetragen  und  beraten  wurden.  Hier  kam  sie 
zum  Entschluß,  daa  es  im  Interesse  der  Kirchen  und  des  Staates 
am  besten  wäre,  wenn  der  König  eine  freiwillige  Collocte  aus- 
schreiben würde,  ,, wonach  die  gesamten  Kirchen  im  ganzen 
Reich  —  die  Kirchen  im  Königreich  Preußen  und  Herzogtum 
Litthauen  ausgenommen,  als  welche  ohnedem  schon  das  Ihrige 
hierzu  beitragen  —  zum  Aufbau  der  Landschulen  im  König- 
reich Preußen  von  allen  und  jeden  besitzenden  Capitalien  2  pCt. 
hergeben  sollen."  Am  15.  April  berichtete  dann  die  Commission 
an  den  König,  daß  erfahrungsmäßig  mit  dem  Project  der  Cam- 
mer nirgend  etwas  auszufuhren  sei,  wie  es  die  Untersuchungs- 
protocolle  aus  den  Ämtern  Brandenburg,  Schaaken  und  Fisch- 
hausen genügend  beweisen,  und  schlug  außer  der  obigen  Collecte 
noch  vor,  zur  Beschaffung  des  Lehrergehaltes  „alle  Einsassen 
ohne  Ausnahme"  zu  einer  jährlichen  leidlichen  Schulabgabe  zu 
verpflichten. 

Jetzt  ruhte  wieder  für  eine  Zeitlang  die  ganze  Schul- 
arbeit. —  Da  die  Cammer  in  eine  weitere  Fortsetzung  der 
Untersuchuug  in  den  deutschen  Amtern  durchaus  nicht  ein- 
willigte, und  auch  dieses  Jahr  ähnlich  wie  die  früheren  unter 
nutzlosen  Schreibereien  und  erfolglosen  Conferenzen  dahinging, 
bat  die  Commission  den  König,  ein  allgemein  durchführbares 
Schulproject  festzustellen. 

Diese  Stunde  der  Entscheidung  nahte,  als  am  22.  Juni 
der  König  der  Commission  mitteilte,  daß  er  in  Übereinstimmung 
mit  dem  General-Ober-Finanz-Krieges-  und  Domänen-Directorium 
resolviere:  „alles  bis  zu  seiner  bevorstehenden  Ankunft  auszu- 
setzen und  inzwischen  mit  der  Cammer  und  dem  General-Finanz- 
Kriegs-  und  Domänen-Directorium  unter  Görne  reiflich  zu  er- 
wägen, um  dann  den  gemeinschaftlichen  Vortrag  halten  und 
die  königl.  Entschließung  einholen  zu  können." 

Görne,  der  eben  in  Preußen  war,  ließ  sich  nun  die  Acten 
geben,  ging  alles  in  der  Schulsache  Verhandelte  genau  durch 
und  besprach  sich  auch  oft  mit  Prof.  Schulz,  um  gründlich  in- 
formiert zu  sein. 

U* 


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Das  YolksNcliulwtwm  im  Königreich  Preußen  etc. 


Da  kam  der  König  im  Juli  nach  Preußen,  und  in  einer 
dreitägigen  Conferenz,  vom  29.  Juli  bis  1.  August  wurde  das 
lang  ersehnte,  feste  Fundament  zum  preußischen  Volksschulen- 
bau  gelegt.  Am  29.  Juli  ließ  sich  der  König  von  Görne  den 
Vortrag  halten  und  setzte  zur  Salarierung  der  Schulmeister  ein 
Capital  von  50  000  Thaler  aus,  indem  er  zu  den  sub  18.  No- 
vember 1735  hierzu  destinierten  40  000  Thaler  noch  10000  hin- 
zufügte mit  der  Bestimmung,  daß  „die  daraus  entstehende 
revenue  a  2  000  Thlr.  vornehmlieh  zur  Salarirung  derer  Schul- 
meister in  Litthauen  und  denen  polnischen  Amtern,  wo  die 
Bauern  wegen  Armut  wenig  oder  nichts  bey tragen  können,  an- 
gewand  werde,  und  Görne,  Knnheim  und  Bülow  haben  darüber 
eine  richtige  Reparation  zu  machen,  nach  welcher  jeder  Schul- 
meister jahrlich  30  Thaler  Tractament  bekommet."  Wegen  der 
Anlage  dieses  Capitals  verfügte  er  weiter:  „Die  Regierung  soll 
für  die  Sicherheit  des  Capitals  respondieren  und  kann  solche 
die  42  000  Thaler  —  weil  Magistrat  —  d.  i.  der  von  Königs- 
borg —  die  Interessen  von  8  000  Thaler  für  das  Truchsische 
Haus  übernehmen  muß  —  bei  ermangelung  eines  andern  expe- 
dientis  an  die  hiesige  (Königsberg'sche)  sämmtliche  Kaufmann- 
schaft oder  an  einige  der  principallsten  Kaufleute  a  4  pCt.  aus- 
thun,  so  daß  alle  vor  einen,  und  einer  vor  alle  stehen,  und  muß 
der  Hofrat  und  advocatus  fisci  Wahrt  den  Punct  der  Caution 
so  ein  jeder  Kaufmann  mit  seinem  Hause  oder  Speicher  nach 
Proportion  der  von  diesem  Capital  aufnehmenden  Summa,  zu 
machen  hat,  berichtigen." 

In  der  Conferenz  am  folgenden  Tage  entwarf  Görne  mit 
der  Commission  pro  norma  einer  beständigen  Einrichtung  und 
endgiltigen  Regulierung  des  Schulwesens  gewisse  principia  regu- 
lative2),  die  wohl  vorerst  auf  das  litthauische  Departement  ge- 
richtet waren,  weil   dessen  Zustand  am  besten  bekannt  sein 


2)  Dieselben  sind  richtig  verurteilt  licht  von  Dr.  Beruh.  Schulz:  „Die 
Schulordnung  für  die  Elementarschulen  der  Provinzen  Ost-  und  WcstpreuBen.* 
Danzig  1882. 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


205 


durfte,  aber  in  der  weitem  Ausarbeitung  für  das  gesamte 
Schulwesen  Giltigkeit  erlangen  konnten  und  mußten,  so  daß 
teils  der  Unterthan  nicht  beschweret,  anderenteils  auch  der  an- 
zusetzende Schulmeister  seinen  notdürftigen  Unterhalt  haben 
möge."  Zur  genauem  Durchführung  dieses  Generalschulgesetzes 
fügte  Görne  noch  einige  specielle  Bestimmungen  hinzu,  welche 
bei  der  Localuntersuchung  beachtet  werden  sollten: 

1.  Inbetreff  des  Baues  sollte  der  vom  Landbaumeister  Hum- 
mius  verfertigte  Riß  beibehalten  werden,  nach  welchem  eine  ge- 
raume Schulstube,  zur  Seite  eine  kleine  Nebenstube,  die  beide 
ein  Ofen  heizt,  ingl.  ein  Cammerchen  neben  dem  Hausflur  und 
dahinter  ein  Stall  eingerichtet  wurde.  Die  Unkosten  für  das 
Schneiden  der  Bretter,  für  Fenster,  Steine,  Haspen  an  den 
Thüren,  Ofen  und  für  alle  Zimmer-  und  Maurerarbeit  wurde 
auf  15  Thaler  festgesetzt. 

2.  Wegen  des  Beitrages  zum  Unterhalt  der  Lehrer  wurde 
bestimmt,  daß  das  Getreide  jährlich  im  October  durch  die  Dorf- 
schulzen zusammengebracht  und  dem  Prediger  abgeliefert,  das 
Schulgeld  bei  der  Decemseinnahme  bezahlt  werden  sollte,  und 
daß  der  betr.  Prediger  dann  praenumerando  jedem  Schulmeister 
auf  V*  Jahr  das  Seinige  zu  geben  habe. 

Am  31.  Juli  wurde  der  Entwurf  dem  Könige  zur  Appro- 
bation vorgelegt.  Der  König  approbierte  und  sanctionierte  ihn. 
Am  1.  August  wurden  dann  diese  principia  regulativa  der  Re- 
gierung und  der  Schulcommission  publicirt  mit  der  Ordre, 
„nachdrücklich  zu  arbeiten,  daß  das  ganze  Werk  so  bald  möglich 
zuerst  in  Litthauen  und  folglich  auch  im  deutschen  Departement 
zu  Stande  kommen  möge  und  das  Nötige  zur  Execution  dieser 
Einrichtung  mit  dem  General  -  Ober  -  Finanz  -  Krieges-  und  Do- 
mänen-Directorium  weiter  zu  besorgen." 

So  wurden  durch  die  principia  regulativa  alle  unangenehmen 
erfolglosen  Dispute  zwischen  der  Commission  und  Cammer  ent- 
schieden. Nach  manchen  Hindernissen  gelang  es  endlich  in  den 
folgenden  Jahren  nach  diesem  Generalschulplan  im  ganzen  König- 
reich ein  festes  Fundament  für  das  Volksschulwesen  zu  legen. 


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Das  Volksschuhvtvscn  im  Königreich  Preußen  utr. 


II.  Die  Regulierung  nach  den  principia  regulativa  von  1736—1738. 

Endlich  war  die  Zeit  gekommen,  in  der  die  vollständige 
Einrichtung  der  Schulen  nach  dem  festgesetzten  Schul  plan  im. 
deutschen  und  litthauischen  Departement  geschehen  konnte. 

Zugleich  wurde  in  beiden  Districten  das  "Werk  unter- 
nommen. Unverzüglich  begann  die  Arbeit  in  Litthauen,  welche 
der  Hofgerichtsrat,  späterer  Generalfiskal  Uhde  und  Prof.  Schulz 
leiteten. 

Nachdem  sich  die  Commission  mit  der  dortigen  Cammer 
in  Einverständnis  gesetzt  hatte,  bat  sie  sub  21.  August  von 
Gumbinnen  aus  den  König,  durch  das  General-Ob.-F.-Kr.-  u. 
Dom.-Director.  die  nötigen  Ordres  zur  Beschleunigung  der  ganzon 
Sache  zu  erlassen.  Sogleich  wurde  dann  die  Localuntersuchung 
auf  Grund  der  princ.  regul.  vorgenommen.  In  ganz  Litthauen 
fand  die  Arbeit  nicht  die  geringste  Contradiction,  vielmehr  bei 
allen  nur  die  erwünschteste  Unterstützung.  Die  Cammer,  welche 
der  Commission  keine  Departementsräte  zuerteilt  hatte,  beorderte 
sofort  die  Beamten,  überall  in  loco  gegenwärtig  zu  sein,  über 
alles  gewissenhafte  Auskunft  zu  erteilen  und  in  allen  Stücken 
Gehorsam  zu  leisten.  Den  21.  August  reisten  Uhde  und  Schulz 
in  das  Amt  Insterburg  und  machten  hier  die  Einrichtung  in 
den  Kirchspielen  Salau,  Aulowönen  und  Georgenburg.  Von  da 
ging  es  im  September  in  das  Amt  Memel.  Wegen  des  heran- 
rückenden Winters  mußte  die  Arbeit  ausgesetzt  werden  und 
konnte  erst  gegen  Ende  April  1737  in  den  anderen  Kirchspielen 
des  Amtes  Insterburg  und  in  den  Ämtern  Tilsit  und  Ragnit 
vorgenommen  werden.  Im  Mai  wurde  die  völlige  Regulierung 
der  Dorfschulen  in  allen  4  Hauptämtern  Litthauens  beendigt, 
und  die  Zahl  der  Schulen  auf  275  festgesetzt3). 

Jetzt  kam  es  noch  auf  die  Vorbereitungen  zum  Bauen  an. 
Auch  darin  ging  die  litthauische  Cammer  mit  rühmenswertem 
Beispiel  voran.   Sie  erteilte  schnell  die  nötigen  Holzassignationen 


3)  Die  axisführlicheren  Berichte  über  diese  LitthauLsehe  Localunter- 
suchung fehlen  bei  den  Acten. 


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Voii  Dr.  Adolf  Keil. 


207 


und  beorderte  auch  nachdrücklich  die  Beamten,  die  betreffenden 
Schulsocietäten  zur  Anfuhr  des  Bauholzes  und  zur  Errichtung 
der  Gebäude  anzuhalten.  —  Während  die  Dorfschaften  das  Holz 
anrückten,  stellte  die  Commission  mit  der  litthauischen  Cammer 
das  Quantum  der  Baukosten  fest.  Hierzu  entwarf  der  Ober- 
amtmanu  Mühlpfort  einen  gründlichen  Anschlag;  derselbe  wurde 
schon  bei  der  Untersuchung  in  Aulowönen  und  Georgenburg 
geprüft,  und  es  ergab  sich  darnach  die  Möglichkeit,  ein  Schul- 
haus für  15  Thaler  völlig  auf-  und  auszubauen.  Die  Cammer 
hatte  an  diesem  Anschlag  nichts  zu  ändern,  und  auch  sämtliche 
Beamte  übernahmen  dafür  den  Schulbau.  Es  wurden  nun  dio 
Erzpriester  aufgefordert,  eine  genaue  Specification  der  in  ihrem 
Sprengel  festgesetzten  Schulen  einzureichen,  die  Baukosten  für 
alle  anzusetzen  und  nebst  Quittung  über  die  ganze  Summe 
schleunigst  bei  der  Schulcommission  zu  Gumbinnen  einzureichen, 
welche  dann  durch  die  Cassenrendanten  Fabricins  und  Tres- 
covius  das  festgesetzte  Baugeld  auszahlen  ließ. 

Unter  der  Fürsorge  der  Cammer  wurde  der  Bau  im  folgen- 
den Jahr  unternommen  und  reussirte  so  erfreulich,  daß  im  Jahr 
1739  die  meisten  Schulen  völlig  fertig  dastanden,  und  der 
Unterricht  glücklich  beginnen  konnte. 

Desto  langsamer  ging  die  Einrichtung  im  Königsberger 
Departement  vor  sich.  Die  Schuld  daran  trug  die  Cammer  zu 
Königsberg. 

Die  Schulcommission,  welche  recht  wohl  wußte,  daß  ihr 
und  dem  ganzen  "Werk  dio  größten  Hindernisse  bevorstehen 
werden,  wenn  die  Cammer  bei  der  Local Untersuchung  beteiligt 
ist,  machte  schon  den  Vorschlag,  im  Amt  Brandenburg,  wo  die 
Localuntersuchung  vorher  stattgefunden  habe,  dem  Amtsverweser 
und  den  Predigern,  aufzutragen,  die  Subsistenz  der  Lehrer  nach 
den  princ.  regul.  einzurichten;  für  die  übrigen  Amter  wären  nur 
die  Beamten  und  Geistlichen  zu  instruieren,  nach  dem  festge- 
setzten Schulplan  unter  Leitung  des  Sonnentag  die  Einrichtung 
zu  machen.  Der  Anfang  könnte  in  den  Ämtern  Rastenburg 
und  Lützen  gemacht  werden.    Als  nun  die  Cammer  im  Outobcr 


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208 


Das  Volkssrlmlwescii  im  Königreich  Prt'ußon  etc. 


1736  ersucht  wurde,  die  deshalb  nötigen  Ordres  an  diese  Ämter 
ausfertigen  zu  lassen,  erklärte  sie  der  Commission  wider  Ver- 
muten, daß  sie  zur  Assistenz  wohl  bereit  sei;  aber  da  alles  in 
loco  ausfindig  gemacht  werden  müßte,  könnte  sie  nicht  zugeben, 
daß  der  Amtshauptmann  oder  Sonnentag  allein  die  Einrichtung 
machen,  sondern  es  wären  die  Departementsräte  dabei  nötig, 
und  so  hätte  sie  für  die  bevorstehende  Untersuchung  im  Amt 
Brandenburg  den  Räten  Cupner  und  Aschersleben  die  nötige 
Intruction  erteilt.  Die  Schulcommission  war  auch  hiermit  zu- 
frieden und  wartete  nun  auf  die  Anwort,  wann  diese  Arbeit 
beginnen  sollte,  damit  sich  auch  Sonnentag  ihr  unterziehen 
könnte.  —  Doch  darauf  wartete  sie  vergeblich;  denn  die  beiden 
Räte  waren  in  aller  Stille  in  das  Amt  gefahren  und  machten 
mit  dem  Amts  Vorsteher  ihre  Einrichtungen. 

Wie  die  eingelaufenen  Protokolle  bei  der  Revision  er- 
wiesen, war  nun  aber  bei  der  Regelung  der  Subsistenzfrage  der 
Lehrer  fast  nirgends  der  Schulplan  beobachtet  worden,  so  daß 
an  den  meisten  Orten  das  Gehalt  unter  30  Thaler  festgesetzt 
und  dem  Adel  vollständig  freie  Hand  bei  der  Einrichtung 
seiner  Schulen  gelassen  war.  Die  Commission  that  dieser 
Fehler  wegen  Vorstellung  bei  der  Cammer.  Aber  es  half 
nichts. 

So  verstrich  das  Jahr  1736,  ohne  daß  etwas  im  deutschen 
Departement  geschehen  war,  außer  der  schlechten  Regulierung 
des  schon  eingerichteten  Schulwesens  im  Amt  Brandenburg. 

Auf  mehrfaches  Anfragen  und  Drängen  bei  der  Cammer 
erhielt  endlich  Sonnentag,  der  noch  immer  in  Königsberg  weilte, 
am  8.  Januar  1737  die  Antwort,  „daß  der  Departementsrat  von 
Aschersleben  am  9.  Januar  im  Amt  Uderwangen,  das  zum 
Hauptamt  Brandenburg  gehörte,  regulieren  werde." 

Damit  glaubte  aber  die  Cammer  vor  der  Hand  genug  ge- 
than  zu  haben.  Die  nächste  Forderung  der  Commission,  die 
das  Werk  mit  aller  Kraft  zu  fördern  sich  bemühte,  für  die  in 
den  Ämtern  Schaaken,  Fischhausen  und  Brandenburg  neu  zu 
erbauenden  Schulen  die  Holzassignationen  an  die  Beamten  er- 


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Vun  Dr.  Adolf  Keil. 


209 


gehen  zu  lassen,  beantwortete  sie  am  20.  Februar  dahin,  daß  sie 
für  nötig  hielte,  wegen  des  Holzes  zum  Schulenbau  und  wegen 
der  Regulierung  der  Subsistenz  der  Schulmeister  an  den  König 
zu  berichten.  Bis  zur  Erlangung  dieser  Entscheidung  müßte 
die  Assignation  aufgeschoben  bleiben. 

Unterdessen  wurde  die  Regulierung  im  Amt  Uderwangen 
vollendet,  und  nach  vielem  Monieren  brachte  es  Sonnentag  nun 
dahin,  daß  die  Untersuchung  in  den  Ämtern  Bartenstein,  Rasten- 
burg und  Lötzen  vorgenommen  werden  sollte.  Doch  die  em- 
pörende Gesinnung  der  Cammer  zeigte  sich  schon  auf  der  Reise 
nach  Bartenstein,  wo  der  betr.  Departementsrat  erklärte,  daß  er 
nur  bis  Lötzen  der  Untersuchung  beiwohnen  könne,  da  er  nicht 
weiter  instruiert  sei.  Als  die  Einrichtung  in  Bartenstein  (und 
Rastenburg)  mit  dem  21.  Februar  beendigt  ward,  berichtete 
Sonnentag  darüber  an  die  Commission  und  bat  um  weitere  In- 
struction, was  er  unter  diesen  Verhältnissen  vornehmen  sollte. 
Wie  vor  der  Abreise  von  Königsberg  beschlossen,  unternahm  er 
jetzt  noch  die  Einrichtung  im  Amt  Lötzen,  die  bis  zum  1.  März 
fertig  wurde.  Doch  an  demselben  Tage  verließ  auch  hier  der 
betr.  Departementsrat  die  Commission,  ohne  der  weitern  Unter- 
suchung in  den  andern  Ämtern  seines  Departements,  in  Anger- 
burg, Sperling,  Sehesten  und  Barten  beizuwohnen. 

Nachdem  Sonnentag  mehrere  Tage  in  Lötzen  nutzlos  zu- 
gebracht hatte,  erhielt  er  endlich  am  9.  März  den  Auftrag,  die 
Einrichtung  in  den  Ämtern  Johannisburg  und  Lyck  vorzunehmen, 
die  zum  Departement  eines  andern  Rates  gehörten.  Sofort 
reiste  er  in  die  bezeichneten  Ämter.  Da  aber  der  betreffende 
Departementsrat  noch  in  Königsberg  war,  conferierte  Sonnentag 
allein  mit  den  Predigern  und  Beamten,  die  er  alle  ganz  willig 
fand,  und  erhielt  von  allen  Seiten  zur  Nachricht,  „daß  der  Zu- 
stand der  Einsassen  höchst  elend  und  jämmerlich  sei,  und  daß 
dieselben,  obschon  sie  mehrenteils  Cöllmer  wären,  dennoch  weit 
schlechter  ständen  als  die  Bauern,  so  daß  also  hier  auf  den 
Fonds  der  2000  Thaler  stark  zu  reflectiren  sei."  Inzwischen 
war  Stolterfoht  am  IG.  März  in  sein  Departement  nach  Rhein 


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»210  Das  Volkssc-hulweseu  im  Königreich  Preußen  etc. 

gekommen  und  sofort  meldete  er  dem  Sonnentag,  der  so  lange 
auf  ihn  schon  gewartet,  „daß  er  wegen  der  andern  weitläufigen 
Dienstgeschäfte  vor  6  Wochen  zur  Schularbeit  nicht  abkommen 
könnte."  Dieses  Schreiben  legte  Sonnentag  der  Schulcommission 
vor,  und  die,  ergriffen  von  den  Schilderungen  jenes  jammer- 
vollen Zustandes  der  Leute  und  der  Lehrer,  ersuchte  die  Cammer, 
den  Stolterfoht  zu  beordern  oder  sich  erklären  zu  wollen,  ob 
Sonnentag  allein  mit  den  Predigern  und  Beamten  die  weitere 
Einrichtung  machen  könne;  die  Protocolle  könnten  dann  dem- 
selben communiciert  werden.  Da  meldete  die  Cammer  der  Schul- 
commission am  20.  März,  daß  Stolterfoht  einen  Termin  ansetzen 
werde,  wo  er  nach  Johannisburg  komme.  Dieses  that  er  am 
27.  März,  wo  er  dem  Sonnentag  mitteilte,  daß  er  nach  Ostern 
der  Untersuchung  sich  anschließen  könne.  Doch  Sonnentag, 
der  inzwischen  die  Termine  zu  den  Commissionstagen  den 
Predigern  und  Dorfschaften  schon  angesagt  hatte,  wollte  die 
Arbeit,  welche  bis  dahin  im  ganzen  Departement  fertig  sein 
konnte,  nicht  liegen  lassen,  sondern  fuhr  in  der  Einrichtung  des 
Schulwesens  fort  und  forderte  im  April  Stolterfoht  auf,  wenn  er 
mit  seinen  Departementsarbeiten  fertig  sein  werde,  ihm  zu  helfen. 

Indessen  war  es  der  Schulcommission  durch  Bitten  ge- 
lungen, denn  anders  vermochte  sie  nichts  bei  der  Cammer  zu 
erreichen,  den  Departementsrat  von  Aschersleben  zu  bewegen, 
mit  der  Einrichtung  zufrieden  zu  sein,  welche  Sonnentag  in  den 
polnischen  Amtern  seines  Bezirkes  machen  werde.  So  wurde 
es  möglich,  daß  Sonnentag  anfangs  Mai  die  Untersuchung  im 
Amt  Angerburg  und  den  andern  polnischen  Amtern  beginnen 
konnte.  Aber  die  Malice  der  Cammer  hinderte  wieder  seine 
Arbeit;  denn  die  Beamten  und  Prediger  waren  nicht  zur  Ein- 
richtung beordert  worden.  Darum  weigerten  sich  diese  sämtlich 
die  Protocolle  zu  unterzeichnen,  obwohl  sie  kein  Bedenken  gegen 
die  gemachte  Einrichtung  hatten.  Auch  in  den  Ämtern  Barten 
und  Sehesten  wollten  sich  die  Beamten  ohne  Ordre  von  der 
Cammer  der  Commissionsarbeit  nicht  unterziehen,  und  so  mußte 
Sonnentag  unverrichteter  Sache  nach  Königsberg  zurückkehren. 


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Von  Dr.  A.loir  Keil. 


211 


Nun  entspannen  sich  längere,  nutzlose  Verhandlungen  mit 
der  Cammer  wegen  der  Regulierung  im  Amt  Johannisburg,  wo 
Sonnentag  auf  die  Umstände  der  Leute  reflectirt  und  alles  nach 
den  princ.  regul.  gefaßt  hatte.  Dieselbe  focht  die  Einrichtung 
an,  da  die  Bauern  nicht  imstande  wären,  zum  Unterhalt  der 
Lehrer  so  viel  Geld  beizutragen;  es  müßte  hier  das  ganze  Schul- 
geld aus  dem  königl.  Fonds  gezahlt  werden.  Doch  es  wurde 
ihr  bewiesen,  daß  die  Leute  hier  nach  der  alten  Art  für  die 
Unterhaltung  der  Schulmeister  mehr  gezahlt  haben  als  nach 
dem  neuen  modus. 

Als  diese  resultatlosen  Verhandlungen  im  Juli  glücklich 
beendigt  waren,  schlug  die  Commission  die  Einrichtung  in  den 
Ämtern  Barten,  Sehesten,  Rhein  und  Lyck  vor,  allenfalls  auch 
in  Labiau  und  Tapiau,  und  verlangte  wieder,  daß  nur  die  Be- 
amten instruiert  werden  wie  in  Litthauen. 

Um  den  Schein  der  Bereitwilligkeit  zu  wahren,  bestimmte 
die  Cammer  den  Departementsrat  der  erstgenannten  Amter,  die 
Schuleinrichtung  in  denselben  vorzunehmen.  Als  hier  die  Arbeit 
im  Juli  beendigt  war,  konnte  Sonnentag  mit  Einwilligung  des 
Rates  Stolterfoht  endlich  in  den  andern  polnischen  Amtern,  in 
Lyck,  Oletzko,  Rhein,  Arys,  Czichen,  Polommen  und  Stradaunen 
die  Schuleinrichtung  allein  mit  Zuziehung  der  Prediger  und  Be- 
amten im  Amt  Johannisburg  fortsetzen. 

Als  er  hier  fertig  war,  trat  er  gemäß  dem  Vorschlage  der 
Cammer  mit  Stolterfoht  über  die  Schuleinrichtung  in  Beratung, 
und  nach  abermals  langwierigen  Verhandlungen,  die  durch  die 
Cammer  noch  erschwert  wurden,  einigten  sich  beide  dahin,  daß 
in  den  Amtern  Oletzko,  Lyck  und  Rhein  wegen  der  Armut  der 
Leute  vom  allgemeinen  Schulplan  inbetreff  des  Schulgeldes  und 
der  Calende  abgewichen  wurde,  und  daß  die  Bauern  anstatt  des 
Schulgeldes  mehr  Getreide,  1fi  Scheffel  Korn  und  V*  Scheffel 
Gerste  pro  Hufe,  geben  sollten.  Nach  Abschluß  dieser  Ver- 
handlungen nahm  der  unermüdliche  Sonnentag  im  Dezember 
die  Regulierung  in  den  Ämtern  Barten  und  Sehesten  vor,  die 
zum  Departement  des  Rates  von  Ascherleben  gehörten.  Hier 


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212 


Das  Vulksschulweson  im  Königreich  Preußen  etc. 


ging  die  Arbeit,  da  die  Cammer  sie  nicht  erschwerte,  gut  vor- 
wärts, und  mit  Leichtigkeit  ließ  sich  der  bestimmte  Unterhalt 
der  Lehrer  festsetzen,  so  daß  kein  Zuschuß  nötig  war.  Jeder 
Bauer  hatte  jährlich  15  pr.  Groschen  Schulgeld  pro  Kind,  dann 
pro  Hufe  lj\  Scheffel  Korn  und  2  Metzen  Gerste  zu  geben;  der 
Cöllmer  eben  so  viel  Getreide,  Schulgeld  aber  22*/2  pr.  Groschen 
zu  geben. 

Als  das  Ende  dieses  Jahres  heranrückte,  und  im  Königs- 
bergischen  Cammerbezirk  die  Schuleinrichtung  noch  nicht  voll- 
endet war,  wurde  der  König  unwillig  und  forschte  nach  der 
Ursache  davon.  Sehr  schlau  wußte  die  Cammer,  der  es  zuwider 
war,  daß  Sonnentag  sie  ständig  urgierte,  —  und  so  lange  er 
hier  blieb,  hatte  sie  auch  nichts  anderes  zu  erwarten  —  zu 
rechtfertigen  und  die  Schuld  an  dem  langsamen  Fortschreiten 
des  "Werkes  auf  die  Schulcommission  zu  werfen.  Darum  hatte 
sie  am  2.  Dezember  an  den  König  berichtet,  „daß  die  Schuld 
der  Trainirung  des  "Werks  an  der  schlechten  Disposition  der 
Schulcommission  läge  ....  viele  Diäten  und  Vorspannkosten 
müßten  umsonst  hergegeben  werden.  Die  Gegenwart  Sonnen- 
tags, da  er  bei  gedachter  Commission  weiter  nichts  als  schreiben 
kann,  ist  garnicht  nötig,  indem  das  Hauptwerk  mit  Zuziehung 
der  Beamten  reguliert  werden  könnte,  so  daß  es  nicht  in  einem 
sondern  in  zwei,  sogar  in  drei  Hauptämtern  zugleich  vorge- 
nommen werden  kann." 

Aber  bevor  der  König  hierüber  entschied,  forderte  er  zwei 
Mal  von  der  Commission  das  Gutachten  über  die  Gegenwart 
Sonnentags  ein.  Als  dieselbe  gegen  Ende  Dezember  referiert 
hatte,  „daß  es  nützlich  und  notwendig  sei,  Sonnentag  noch 
ferner  hier  zu  lassen  .  .  .  das  "Werk  sei  nur  dadurch  aufgehalten, 
weil  die  Departementsräte  nicht  in  die  Departements  gingen, 
und  wenn  Sonnentag  nicht  allein  reguliert  hätte,  wäre  auch  das 
"Wenige  noch  nicht  geschehen  ...  es  möge  nur  die  Cammer 
2  Räte  in  die  Amter  schicken,  dann  kann  im  nächsten  Sommer 
alles  fertig  sein";  da  rescribierte  der  König  am  31.  Dezember 
an  die  Cammer:  „Sonnentag  soll  bis  zum  Schluß  der  Einrichtung 


Von  Dr.  Adolf  K<  il.  213 

des  Schulwesens  in  Preußen  bleiben,  die  Cammer  aber  alles  in 
der  Welt  contribuieren,  damit  dieses  "Werk  ohne  Contradiction 
zu  Stande  komme." 

Dieser  energische  Befehl,  welcher  alle  Machinationen  der 
Cammer  durchschnitt,  wirkte,  und  am  18.  Januar  1738  wurde 
die  Untersuchung  im  Amt  Schaaken  von  Sonnentag  und  dem 
Departementsrat  Lilienthal  vorgenommen.  Mit  der  Introducierung 
des  Schulplanes  hatte  es  keine  Schwierigkeiten,  so  daß  am 
13.  Januar  die  Arbeit  hier  beendigt  war.  Am  3.  Februar  be- 
gann dann  die  Verbesserung  des  von  Fischer  vor  12  Jahren 
eingerichteten  Schulwesens  im  Amt  Orteisburg.  Doch  auf 
Fischers  Wunsch  verblieb  es  hier  bei  der  alten  Einrichtung, 
und  nur  ein  Zuschuß  von  50  Thaler  wurde  festgesetzt.  Doch 
nachher  hat  Fischer  selbst  den  Schulplan  zum  Fundament  gelegt. 
Darauf  continuierte  Sonnentag  in  den  Ämtern  Neidenburg, 
Soldau,  Hohenstein,  Osterode  und  dem  adligen  Erbamt  Gilgen- 
burg, und  schon  am  14.  März  ward  hier  unter  Assistenz  des 
Departementsrates  Rieger  alles  fertig  gestellt,  so  daß  jetzt  nur 
die  nötigen  Befehle  wegen  des  Baues  zu  erlassen  waren.  Mit 
gleicher  Bereitwilligkeit  ging  die  Cammer  auch  auf  die  Unter- 
suchung und  Regulierung  des  Schulwesens  in  den  Ämtern  Balga, 
Pr.  Eylau,  Marienwerder,  Riesenburg,  Pr.  Holland,  Pr.  Mark, 
Liebstadt  und  Mohrungen  ein.  Da  kein  Widerspruch  von  ihrer 
Seite  erfolgte,  ging  die  Arbeit  leicht  vorwärts  und  ward  gegen 
Ende  August  abgeschlossen. 

Doch  dem  strengen  Landesvater  dauerte  die  Sache  schon 
zu  lange  und  er  fragte  am  29.  August  die  Commission  an,  wann 
Sonnentag  abberufen  werden  könne.  Die  Cammer,  welche  der 
König  darum,  und  wann  das  Werk  zu  Ende  sein  werde,  be- 
fragte, antwortete,  daß  die  Einrichtung  im  deutschen  Departement 
bis  auf  die  Ämter  Waldau,  Deutsch  Eylau,  Schönberg  und 
Pr.  Eylau  geschehen  sei;  ob  Sonnentag  noch  hier  bleiben  solle, 
vermöge  sie  nicht  zu  entscheiden;  absolut  nötig  wäre  er  nicht, 
weil  Uhde  dies  thun  könnte,  der  schon  in  den  an  Litthauen 
anstoßenden  Ämtern,  im  Samländischen,  im  Gerdauischen  und 


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'214 


Das  Volkssclmlwosoii  im  Königreich  Preußen  <*to. 


Tapiauschen  reguliert  hätte.  Den  24.  September  antwortete  die 
Commission  dem  Könige,  „daß  Sonnentag  noch  bis  zum  nächsten 
Frühjahr  hier  bleiben  solle,  da  er  noch  3  Ämter,  Pr.  Eylau. 
Deutsch  Eylau  und  Schönberg  zu  regulieren  und  dann  das  ganze 
"Werk  zu  revidieren  habe."  Der  König  erklärte  sich  hiermit 
zufrieden,  und  Sonnentag  konnte  dann  in  den  genannten  Ämtern 
regulieren,  so  daß  Ende  November  1738  die  Einrichtung  im 
Königsberger  Departement  vollständig  fertig  war,  und  in  den 
hierzu  gehörigen  24  königlichen  Haupt-  und  5  adligen  Ämtern 
excl.  der  320  Kirchschulen  noch  885  Dorfschulen  festgesetzt 
worden  waren. 

III.  Die  Durchführung  der  Einrichtung  von  1738-1739. 

Bei  der  Ausführung  der  eben  geschilderten  Schuleinrich- 
tungen handelte  es  sich  um  zwei  wichtige  Fragen: 

1.  wie  wird  der  Schulenaufbau  ermöglicht,  und 

2.  wie  der  festgesetzte  Unterhalt  der  Schulmeister  beschafft. 
Die  Schwere  beider  Fragen  hatte  die  Schulcommission  ganz  er- 
faßt und  auch  die  Mittel,  sie  zu  lösen,  besorgt. 

Gleich  beim  Beginn  ihrer  Wirksamkeit  hatte  sie  nach 
Mitteln  ausgespäht.  Wie  den  frühern  Organisatoren  boten  sich 
auch  ihr  von  Anfang  an  zwei  Quellen  dar,  das  Kirchengut  der 
hiesigen  preußischen  Kirchen  und  die  königliche  Gasse.  Doch 
die  Erfahrung  bei  der  Localuntersuchung  in  Litthauen  und  in 
den  Ämtern  Schaaken  und  Brandenburg  hatte  sie  bald  gelehrt, 
daß  diese  beiden  bei  alleiniger  Benutzug  allzu  sehr  geschwächt 
würden.    Darum  berichtete  sie  am  4.  April  1736  nach  Berlin: 

„Da  der  Schulbau  der  königlichen  Casse  und  den  Kirchen- 
kassen zu  viel  kostet,  so  möge  der  König  eine  freiwillige  Collecte 
etwa  2  Procent  von  allen  in  Vermögen  stehenden  Capitalen 
für  alle  Kirchen  des  ganzen  Reiches,  das  Königreich  Preußen 
und  Litthauen  ausgenommen,  ausschreiben  lassen."  Dieser  Vor- 
schlag schien  auch  dorn  Könige  über  die  größten  Schwierig- 
keiten hinwegzuhelfen;  so  erfolgte  am  9.  Juni  1730  die  Ver- 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


215 


Ordnung  wegen  des  von  sämtlichen  Kirchen  zum  preußischen 
Schulenbau  zu  gebenden  Beitrages.  Im  Sommer  1737  liefen  die 
Gelder  bei  der  Königsberger  Regierung  ein,  und  zwar  vom  re- 
formierten Kirchendirectorium  zu  Berlin  396  Th.  2  Gr.,  vom 
Churmärkischen  Amtskirchen- Revenuen -Directorium  2060  Th., 
aus  der  Churmark  1527  Th.  17  Gr.  und  von  der  Minden-Ravens- 
bergischen Regierung  44  Th.  20  Gr.  —  die  Clevesche  Regierung 
hat  wegen  der  Armut  ihrer  Kirchen  nichts  schicken  können.  — 
Bis  zum  1.  October  1737  waren  die  Collectengelder  von  den 
reformierten  und  lutherischen  Kirchen  der  gesamten  Lande  ein- 
gelaufen und  betrugen  4713  Thaler  12  Groschen.  Davon  sollten 
aber  dem  litthauischen  Departement  allein  zur  Erbauung  der 
festgesetzten  Schulen  3238  Thaler  gegeben  werden.  Für  das 
deutsche  Departement  blieben  also  1375  Thaler.  Da  zu  diesem 
die  polnischen  Ämter  gehörten,  wo  wegen  der  Armut  der  Leute 
schon  zum  Unterhalt  der  Lehrer  ein  Zuschuß  aus  der  königl. 
Casse  festgesetzt  worden  war,  hätte  dieses  Geld  vielleicht  zur 
Erbauung  der  Schulen  in  2  Amtern  gereicht.  Darum  verordnete 
der  König  auf  nochmaligen  Vorschlag  der  Schulcommission  an 
alle  Consistorien  und  Regierungen  sub  20.  October  1737:  „daß 
jede  königl.  und  adlige  Kirche  auch  von  den  Capitalien,  die 
nicht  zinsbar  ausgethan  werden,  1  Procent  beitragen  und  solches 
Geld  an  die  preuss.  Regierung  übersenden  soll."  Auf  diese 
Weise  wurde  ein  Fonds  beschaffen,  aus  dem  die  nötigen  Bau- 
gelder bestritten  werden  konnten.  Wie  die  Rechnungen  der 
Schulcommission  ergeben,  verfügte  dieselbe  am  1.  April  1738 
über  ein  Baucapital  von  8896  Thalern  4  Groschen.  —  Das  Bau- 
material wurde  unentgeltlich,  sogar  für  adlige  Schulen,  wenn 
der  betreffende  adlige  Einsasse  keine  eigene  Holzung  hatte,  aus 
den  königl.  Forsten  verabfolgt.  Es  konnte  und  sollte  nun  das 
"Werk  schnell  vor  sich  gehen.  Zu  dem  Zwecke  bestimmte  die 
Schulcommission,  wenn  die  Regulierung  in  einem  Amt  geschehen 
wäre,  sollten  von  dem  Untersuchungsprotocoll  drei  Abschriften 
gemacht  werden,  eine  samt  einem  Extract  für  die  Cammer  zur 
Assignation  des  Bau-  und  Brennholzes,  und  die  beiden  übrigen 


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216 


Das  VoJksschulwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 


für  den  Erzpriester  und  das  Hauptamt.  Sobald  nun  die  Cammer 
die  Holzassignationen  ausgestellt  hatte,  ließ  die  Commission 
sogleich  von  den  Revenuen  der  Collectengelder  das  Geld, 
a  15  Thaler  für  die  Schule,  gegen  Quittung  an  den  Erzpriester 
remittieren. 

Auch  für  die  Beschaffung  des  festgesetzten  Unterhaltes 
sorgte  die  Commission.  Zu  den  praestanda,  welche  die  Leute 
an  Schulgeld,  Calende  und  Acker  nach  den  princ.  regul.  für  die 
Schullehrer  zu  entrichten  hatten,  kam  noch  ein  gewisser  Zuschuss 
von  der  Kirche,  oder  wo  dieselben  unvermögend  waren,  aus  der 
königl.  Casse  hinzu.  Letztere  hatte  zu  diesem  Zweck  schon  im 
November  1735,  nachdem  die  litthauischen  Schuleinrichtungs- 
acten  eingelaufen  waren,  ein  Capital  von  40  000  Thaler  aus  dem 
preuss.  Extraordinariuni  ausgesetzt,  dessen  Zinsen  zur  Unter- 
haltung der  Lehrer  angewandt  werden  sollten.  Als  dann  der 
König  bei  der  Festsetzung  der  princ.  regul.  erfahren  hatte,  daß 
die  Zinsen  dieses  Capitals  für  den  genannten  Zweck  nicht  hin- 
reichen, fügte  er  am  29.  Juli  36  noch  10000  Thaler  hinzu  und 
bestimmte,  daß  dieses  Capital  als  mons  pietatis  zu  5  Procent 
sicher  untergebracht  werde.  Die  Schulcommission  schickte  noch 
in  demselben  Jahr  einen  Entwurf  ein ,  wie  diese  50  000  Thaler 
zinstragend  zu  vergeben  seien,  und  brachte  auch  eine  Com- 
mission in  Vorschlag,  welcher  die  Verwaltung  und  Verant- 
wortung dieses  Fonds  zu  übertragen  wäre.  Der  König  aeeep- 
tierte  ihre  Vorschläge  und  erließ  am  21.  Februar  1737  folgende 
Fundationsurkunde : 

„Wir  haben  aus  höchster  Königlicher  Gnade  und  Huld, 
Uns  dahin  wohlbedächtig  entschlossen,  zu  Salarirung  tüchtiger 
Schulmeister,  außer  denenjenigen,  so  bereits  bis  anhero  daselbst  ge- 
halten und  verpfleget  worden,  annoch  ein  jährliches  Quantum 
anzuwenden,  auch  zu  Etablirung  eines  sichern  und  beständigen 
Fonds,  dazu  ein  Capital  von  Ftinffzig  Tausend  Rthlr.,  dergestalt 
allergnädigst  herzugeben,  daß  solches  nun  und  zu  ewigen  Zeiten 
verordneter  maßen,  zu  Bauung  des  Reichs  Gottes,  und  zu  Be- 
förderung dieses  heylsamen  Endzwecks  unvermindert  aufbehalten, 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


217 


auch  zu  keinerley  anderen  Ausgaben,  sie  mögen  Nahmen  haben 
wie  sie  wollen,  als  zu  Ansetzung  und  Unterhaltung  dergleichen 
tüchtigen  Schul-Meistern  angewendet  werden  solle."  .  .  . 

„Was  die  Administration  dieser  50000  Thaler  und  der- 
selben Interesse  betrifft,  tragen  Wir  sowohl,  als  die  Reparation 
der  letzteren,  lediglich  Unserer  im  Königreich  Preußen  ver- 
ordneten Regierung  auf.  Umb  aber  das  Werk  so  viel  be- 
ständiger und  sicherer  zu  verfassen,  haben  Wir  unter  Direction 
vorbemeldeter  Regierung  annoch  eine  besondere  Cassam  aller- 
gnädigst  errichten,  auch  derselben  den  Nahmen  vom  Monte 
pietatis  beylegen  wollen,  bey  welcher  nicht  allein  die  würcklich 
Geheimen  Etats-  und  Krieges-Ministri,  denen  Wir  die  Respici- 
rung  der  geistlichen  Sachen,  zum  Departement  ertheilen,  vor- 
jetzo,  nahmentlich,  die  würcklich  Geheime  Etats-*  und  Krieges- 
Rähte  v.  Kunheim  und  Freyherr  v.  Bülow,  das  Praesidium 
fuhren,  sondern  auch  zu  Mit- Vorstehern  Unser  Preußischer  Advo- 
catus  fisci,  dann  zwey  Membra  aus  dem  Preußischen  Hoff-Gericht, 
wie  auch  aus  dem  Samländischen  Consistorio,  die  der  Rechten 
kündig,  und  Unsere  Preußische  Regierung  benennen  wird,  auch 
einer  von  Unseren  Commissions  -  Secretariis  zu  Führung  des 
Protocolls  und  Besorgung  der  übrigen  Expeditionen  zugegeben 
werden  sollen." 

Wie  anbefohlen,  brachte  Kunheim  das  Geld  in  diesem 
Jahre  sicher  unter,  so  daß  alles  vorbereitet  war,  um  das  Werk 
endgiltig  durchzuführen 4). 

Allein  es  fanden  sich  doch  noch  Schwierigkeiten ;  dieselben 
wurden  wohl  nicht  durch  die  Verhältnisse,  aber  durch  die  aus- 
führenden Personen  bereitet.  Die  einen  betrieben  das  Werk 
sehr  lässig,  besonders  die  Unterbeamten  ;  die  andern,  die  Adligen, 
zeigten  kein  Interesse  hierfür,  und  die  Staatsmaschine,  die 
Cammer  zu  Königsberg,  suchte  ebenfalls  die  Sache  zu  hinter- 
treiben. Während  die  polnischen  und  litthauischen  Beamten  den 
Bau  für  10—15  Thlr.  aufzuführen  übernahmen  und  auch  in  allen 


4)  Wie  die  Zinsen  dieses  Montia  p.  verteilt  wurden,  zeigt  der  Anhang. 
Altrr.  MoimtM.HcJirift  IM.  XXIII.  Hit,  3  n.  4.  13 


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218  Das  YolksMchulweaen  im  Königreich  Preußen  etc. 

Stücken  nach  dem  Anschlag  der  Commission  bauten,  machten 
die  Beamten  im  deutschen  Departement,  welche  an  der  Cammer 
einen  Hinterhalt  hatten,  neue,  kostspieligere  Anschläge.  Alles 
Vorstellen  der  Schulcommission  fand  bei  der  Cammer  kein 
Gehör,  und  die  Beamten  bauten  infolge  dessen  nicht  eher,  als 
bis  sie  das  geforderte  Geld  erhalten  hatten.  Obwohl  auch  dieses 
geschah,  ging  es  doch  mit  dem  Bau  sehr  langsam  vorwärts  trotz 
aller  nachhaltigen  Rescripte. 

Da  gab  ein  unscheinbarer  Vorfall  der  ganzen  Arbeit  einen 
kräftigen  Anstoß.  Prof.  Schulz  machte  im  Sommer  1738  eine 
Reise  nach  Deutschland  und  hatte  bei  dieser  Gelegenheit  in 
Berlin  den  König  gesprochen,  der  sich  natürlich  nach  dem 
Fortgang  der  Schularbeit  erkundigte.  Durch  diese  Unterredung 
veranlaßt  erließ  der  König  am  30.  August  ej.  a.  an  die  Regie- 
rung und  Cammer  zu  Königsberg  das  nachhaltige  Rescript:  „er 
will  im  künftigen  Jahr  seine  zum  Besten  des  Landes  und  Unter- 
thanen  gereichende  Absicht  und  Willensmeinung  vollstreckt  und 
ausgeführt  sehen,  sämtliche  sothane  Schulen  nicht  allein  erbaut, 
sondern  auch  mit  tüchtigen  Schulmeistern  besetzet  und  alles 
wohl  eingerichtet  finden."  Für  einige  Zeit  ging  nun  alles  im 
ganzen  Departement  gut  vorwärts.  Doch  schon  im  folgenden 
Jahr  begannen  die  alten  Schwierigkeiten  wieder.  Der  Beamte 
von  Pr.  Eylau  reichte  sogar  mit  25  Thlr.  beim  Bauen  nicht  und 
forderte  noch  12  Thlr.  Zuschuß;  der  von  Neuhausen  erklärte, 
daß  er  die  zu  Waldau  festgesetzte  Schule  eingehen  lassen  und 
die  betr.  Dörfer  zu  einer  andern  Schulsocietät  schlagen  wolle, 
obgleich  Geld  und  Holz  schon  angewiesen  waren,  da'  er  nicht 
wisse,  wer  Holz  anfahren  und  wo  die  Schule  stehen  solle.  Da 
kam  die  energische  Ordre  vom  29.  Mai  1739,  welche  über  alle 
Hindernisse  leicht  hinweghalf  und  das  Werk  endlich  seiner  Vol- 
lendung zuführte.  In  den  meisten  Amtern  ging  der  Schulenbau 
ernstlich  vorwärts  und  unter  beständigem  Rescribieren  der 
Cammer  und  Regierung  wurden  fast  alle  Schulen  noch  im  Jahr 
1739  fertig.  Nur  der  Adel  machte  noch  immer  Schwierigkeiten, 
wodurch  der  Bau  an  einigen  Orten  bis  1740  verschleppt  wurde. 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


219 


Dritter  Teil:  Die  Ausgangsperiode  von  1739—1743. 

Im  April  1739  kam  der  greise  Landesvater  nach  Preußen, 
um  das  Werk  in  Augenschein  zu  nehmen.  Als  er  das  ganze 
Land  durchreist  hatte,  fand  er,  daß  zu  wenig  Schulen  und 
zu  viel  Mängel  bei  den  bestehenden  vorhanden  wären.  Dem- 
zufolge traf  am  18.  August  1739  die  Ordre  ein,  daß  der 
Schulenbau  nicht  mehr  durch  die  Beamten  und  Geistlichen 
gefuhrt,  sondern  alles  von  den  Dörfern,  die  zu  einer  Schule 
geschlagen  sind,  besorgt  werde;  ferner,  daß  die  Erzpriester 
alle  Jahr  Schulvisitationen  abzuhalten  und  bei  Verlust  ihrer 
Visitationsgelder  vollständige  Berichte  Über  die  ganze  Schulver- 
fassung einzureichen  haben;  sodann,  daß  vorerst  in  Litthauen 
mehr  Schulen  angelegt  werden  sollen,  so  daß  die  dazu  ge- 
schlagenen Dörfer  höchstens  eine  halbe  Meile  entfernt  liegen; 
und  endlich,  daß  Sonnentag  eine  Revision  aller  eingerichteten 
Schulen  im  ganzen  Königreich  vornehme,  zugleich  eine  neue 
Untersuchung  für  die  noch  anzulegenden  Schulen  anstelle  und 
bis  zum  vollständigen  Effect  die  Arbeit  fortsetze. 

Im  September  1739  übernahmen  Schulz  und  Sonnentag 
diese  Schulrevision.  Die  litthauischen  Schulen  fanden  sie 
meistens  sehr  gut  erbaut;  auch  wegen  des  Unterhaltes  der 
Lehrer  hatten  sie  nur  selten  etwas  zu  corrigieren  und  einige 
kleine  Mängel  zu  beseitigen,  wie  die  Klage  der  Schulmeister  im 
Amt  Memel,  welche  nur  3  Achtel  Brennholz  und  24  Fuder 
Strauch  erhielten  und  deshalb  frieren  mußten.  Nachdem  die 
Revision  und  Untersuchung  geschehen  war,  conferierte  die 
Commission  mit  der  Cammer  zu  Gumbinnen  wegen  des  Anbaues 
von  noch  56  Schulen  in  Litthauen.  Dieselbe  acceptierte  die 
Vorschläge  der  Commission  und  forderte  die  königliche  Ge- 
nehmigung ein.  Als  dieselbe  im  April  1740  erfolgt  war,  ging 
man  an  die  Erbauung  der  noch  festgesetzten  Schulen,  die  auch 
im  folgenden  Jahr  ausgeführt  wurde,  so  daß  der  neue  König 
Friedrich  II.  sub  5.  December  1741  resolvieren  konnte,  „daß  es 
bei  den  bereits  vorhandenen  Schulen  in  Litthauen  bleiben  solle." 

15* 


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220  Das  Volksschulwesen  im  Königreich  PrcuBun  etc. 

Als  die  Revision  iu  Litthauen  gegen  das  Ende  des  Jahres 
1739  abgeschlossen  war,  nahm  die  Commission  dieselbe  Arbeit 
im  Königsberger  Departement  vor.  Zuerst  revidierte  sie  im 
Amt  Fischhausen,  wo  durch  die  Cammerräte  bei  der  Localunter- 
suchung  infolge  der  Abweichung  vom  generalen  Schulplan  zur 
größten  Confusion  und  zu  den  bittersten  Klagen  Anlaß  gegeben 
war.  Man  klagte  über  Entlegenheit  der  Schulen,  über  schlechte 
Wohnungen  und  die  notdürftigste  Subsistenz.  Durch  die  Re- 
vision wurde  alles  umgeschaffen  und  eine  bequeme  Verfassung 
hergestellt.  Doch  zu  ihrer  Durchführung  bedurfte  es  noch  eines 
schweren  Kampfes  mit  der  Cammer,  denn  die  hatte  jetzt  neuen 
Mut,  da  sie  die  eiserne  Hand  Friedrich  Wilhelms  I.  nicht  mehr 
spürte.  Doch  Kunheim,  der  im  August  1740  in  Berlin  persön- 
lich Über  das  Benehmen  der  Cammer  Beschweide  führte,  be- 
wirkte trotz  der  Renitenz  der  Cammer  die  glückliche  Durch- 
führung der  neuen  Einrichtung  in  Fischhausen.  Auch  in  den 
übrigen  Ämtern  wurde  die  Revision  fortgesetzt,  wobei  Sonnen- 
tag mit  bewunderungswürdigem  Fleiß  und  seltener  Ausdauer 
alle  Anstrengungen  ertrug  und  Tag  und  Nacht  reiste,  so  daß  er 
die  63  Cammerämter  im  Königsberger  Departement  im  Juni  1741 
vollständig  revidiert,  die  frühern  Einrichtungen  von  ihren 
Mängeln  befreit  und  noch  73  neue  Schulen  festgesetzt  hatte,  die 
auch  zum  Theil  nach  langem  verbitterndem  Drängen  bei  der 
Cammer  und  energischem  Einschreiten  gegen  den  Adel  bis  1743 
fertig  wurden. 

So  war  es  der  Schulcommission  gelungen,  die  hochedle 
Absicht  des  seligen  Königs  zu  verwirklichen.  Sie  hatte  ca.  400 
alte  Kirchschulen  eingerichtet  und  ca.  1200  Dorfschulen  die  für 
jene  Zeit  vortreffliche  Verfassung  verliehen.  Nun  konnte  die 
„Erkenntnis  Gottes"  gepflegt  werden  und  das  Wohl  der  Menschen 
gedeihen;  gegen  100  000  Kinder,  die  früher  ohne  Unterricht  in 
ihrer  Unwissenheit  aufwuchsen,  empfingen  jetzt  die  notwendigste 
Kenntnis  des  Christentums  und  während  vorher  öfters  kein 
einziger  Mensch  im  Kirchspiel  ein  Gesangbuch  oder  eine  Bibel 
hatte  und  darin  lesen  konnte,  außer  dem  Präzentor  und  Pfarrer, 


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Von  Dr.  Adolf  Koil. 


221 


waren  durch  die  väterliche  Güte  Friedrich  "Wilhelms  I.  Hunderte 
von  polnischen,  litthauischen  und  deutschen  Bibeln,  Gesang- 
büchern und  Catechismen  unter  das  Volk  verteilt  worden,  und 
Jung  und  Alt  fing  an  zu  lernen. 

So  hatte  Friedrich  Wilhelm  I.  den  Grund  und  Boden  für 
das  preußische  Volksschulwesen  geschaffen,  auf  dem  sein  Sohn 
und  alle  spätem  Nachfolger  zum  Segen  des  Landes  weiter 
arbeiteten. 


I.  Anhang. 


Speciflcation  der  sämtlichen  Könlgl.  Dorfschulen  im  Königs- 
bergischen und  Litthauischen  Departement. 


Hauptamt 

Kirchen 

Do  rfschulen 

Ausgaben  aua 
dem  Mono  pio- 

totis  (um 
Unterhalt  der 
Lehror. 

1.  Branden- 

Brandenburg 

Brandenburg.  Tengen 

burg 

Ludwigswalde 

Hafestrohm 

Sodrinen 

Perschke 

Kaigen 

Tharau 

adl. 

Padersort,  Perwilten 

Seeligenfeld 

adl. 

Lichtenhagen 

adl. 

Gollau 

Mühlhausen 

adl. 

Mansfeld 

adl. 

Kobbelbude 

Creuzburg,  Stadt 

Solniken,  Tieffenthal,  Ca- 

wern.  Liebnicken,  Mo- 

ritten 

Borchersdorff 

Fuchsberg 

Domnau,  Stadt  adl. 

Allen  au 

adl. 

Döllstädt 

adl. 

Schmodittcn 

Lampascii,  Althoff,  Nau- 

nienen 

Deutachwilten 

adl. 

• 

Friedland,  Stadt 

Heiurichsdorff 

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222 


Das  Volksschulweson  im  Königreich  Preußen  etc. 


Hauptamt 


2.  Balga 


3.  Bartensteiii 


Dorfschulen 


Abschwangen  a<U. 

Jeaau  adl. 

.Tergenau  adl. 

Stockheim  adl. 

Gr.  Sch wenau  adl. 

Steinbeck  und  filia 

Neuendorff  adl. 

Ottenhagen  ndl. 

Almenhausen  adl. 
Uderwangen 


Balga 


Heiligenbeil,  Stadt 

Grünau,  filia 

Passarie 

Waltersdorff 

Lindenau  adl. 

Eisenberg 

Zinten,  Stadt 

Eichholtz 

Tieffensee 

Höhenfürst 

Doutsch  Thierau 

Hermsdorff  und  filia 

Pellen 
Guttenfeld  adl. 
Bladiau 


Grünbaum 


Schweno 


Gr.  Lindenau 

Frisching,  Sovilten.  Trinck- 
heim 

Kahlholtz,  Tollendorff  .  . 

Wolitte  

Hoppenbrnch 
Carben,  Rosenberg, 

Schirten 


Hehfeld 
I  Vogelsang  . 
|  Schönlinde 

Nemritten 

Wolau 

Schönfeld  . 


Ausgaben  ans 
dem  Nonn  pie- 

tati»  sum 
Unterhalt  der 
Lehrer. 


a  7  Tb. 
6  ' 


Hauswalde 

Stolzenberg,  Schönwalde, 
Lauterbach  

Königsdorff,  Lauck 


8-13  Gr. 


7  Th. 


a  6  Th. 


Borcken  l  Spit  ahnen 

Bartenstein,  Stadt   !  Gr.  Kährten,    Damerow, 1 


Gollingeu 


adl. 


Liesken 


Siddauen 


13  Th.  15  gr. 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 

223 

Hauptamt 

Kirchen 

Dorfschulen 

Ausgaben  aas 
dorn  Mona  pie- 

tatia  tum 
Unterhalt  der 
Lebror 

4.  Pr.  Eylau 

Albrechtsdorff  adl. 
Kodnau  adl. 
Petershagen  adl. 
Peisten,  filia  adl. 
Hanshagen 
Eichhorn 

Konkeim 

i&  in. 

Schönbruch 

Poninken 

Buchholz  adl. 

Dexen 

Houssainen,  Jopprinnen 

Canditten  adl. 

Landsberg,  Stadt 

Glaudau 

Pr.  Eylau,  Stadt 

Mohvitten,  Poschloschen 

5.  Barten 

Barten,  Stadt 

Tenkmitten,  Freudenberg, 

Drengfurt,  Stadt 

Sansgarben  adl. 
Friedeberg  adl. 
Schwarzstein 
Blaustein  adl. 
Wenden  adl. 

Taberwiese,  Meisters- 
felde 

Fürstenau,  Marienthal, 
Wolfshagen 

Redkeim 
Rosenthal 

6.  Angerburg 

Angerbnrg.  Stadt 

Kruglankeu 
Kutten 

Kosengarten  adl. 
filia,  Doben 

Wensofken,  Wcnsken, 
Krzwinsken ,  Hansen. 
Kehl 

Possessern,  Sywens  Sie  wen 

Soltmahnen 
Jakunowen,  Kl.  Strengelu 
Masehnen 

Engelstein 

Prynowen ,  Brosowen, 
Wessolowen.  Gr.  Juga, 
Thiergarten 

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224  l>i«  Volk»sclnilw«;8eu  im  Königreich  Preußen  etc. 


Hauptamt 

— _  -  -  - — 

K  i  r  c  h  o  n 

Dorfschulen 

Ausgaben  au« 
dorn  Mona  pio- 

tati*  zum 
Unterhalt  der 
Lohrer. 

-  —  _,_ — 

Gurnen 

Zielacken,  Regellen 

l/Ulil  AUtJlJU« 

Urttn  i )  p( )  wie  i  *i  i    So  vtn  iiiTiPii 
i/ifiiiuiun  iwtii^  kjui xuiij jicii* 

JjinBKll 

filia  Buddern 

XKIULIU  Ii 

Grabowen 

ÜUtiiWIllhCU  ,      U  UXI1H1L- 

achen,  Duneyken  .... 

äl6Th.l0gr. 

7.  Lötzon 

Lützen,  Stadt 

v^l 'II  V»  IV4V1 1  VII ,        X  IV^ti  U  lll/JVV  J  J  , 

TTnftlri*n     TC1  WrrinriAi» 

l_l  ^J£tlt*~il ,      JV1.  VVlUlllIdl, 

^  '  q       1  f\  Yl  \."    1 1 

Mielken 

Ol  JlBU.ilACUHL'11,  J-jipiliSKei), 

JV1.   ivonopKen,  UKTOn- 

gien,  i ai Ken,  .\iarzino- 

woua,  w  i880vvaiten 

Gr.  Stürlack 

öturiacK,  Alerten  nenn 

Ridzöwen 

oogazowen,  .raproiken 

8.  Rastenburg 

Raatenburg,  Stadt 

IUUJJU  K,  lioUIlOII,  iJill^el.S- 

n c\Y fr   r*r: i  titi Ali  Tv  MMittAn- 

i- -1q  Inn  m  nti 

filia  Kosenthai 

l\  i  i^f*iitlml 

ItL'öt  Iii  UiU 

Beslack 

»v  iiKuuuurn.   x  uiiz,  wi- 

KU  lilUcJI 

Paris 

Gr.  Wollsdorf  adl. 

Schönflieas 

filia  Tolksdorff  adl. 

1  Larogarbon 

Gouocken 

Langheim 

ZandersdoriV 

Gudniken  adl. 

Schippenbeil,  Stadt 

Langendorff,  Stolzenfeld. 

Landskrone 

Löwenetein 

Kröligkeim 

Falkenau  adl. 

Rosenort 

DietrichsdorfT  adl. 

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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


L>25 


Hauptamt 


9.  Sehesten 


10.  Rhein 


Kirche 


Dorfschulen 


Klünenberg  adl. 
Lindenau  adl. 
Gr.  Schwansfeld  adl. 
Leuneburg  adl. 
Sehcsten,  Flecken 


Sensburg,  Stadt 


Aweydo 


Sorquitten 

Ribben 

Rosen 

Claussen 

Eckertsberg 


adl. 
adl. 


Arys,  Stadt 

•Schimonken 
Eichin  edien 
Nicolaiken,  Stadt 

Rhein,  Stadt 


Ausgfibon  aus 
dorn  Mon»  pi«- 

tatis  cum 
Unterhalt  der 
Lehrer 


Pfaffendorff,  Weissenburg, 
Reuschendorff,  Rudwan- 
gen,  Langenbruck,  Kres- 
tinowen,  Guzewen,  Snr- 
mowen,  Bmszewen  .  .  . 

Koschewen,  Proberg, 
Krummendorß',  Gra- 
bowen, Pohüschdorff 

Cierpienten ,  Crutinnen, 
Kelbuncken,  Macharen, 
Langendorff,  G Olingen, 
Peitschendorff  

Sontag,  Pustnicken 


Skomatzko,  Rosinsko 
Dzubiellen,  Dombrowken, 

Chmielewen,  Lyssuuen, 

Gregersdorff,  Cierspien- 

ten,  Glitten 
Strzelnicken ,  Pianken , 

Osciwilken  

Olschöwen,  Rutowkon 
Salbkeim.  Woznitzen 
Talten,  Schaden,  Eascen, 

Seibungen,  Kaniien 
Gneist,  Orlen,  Jrossen 

Löffken,  Riebenzahl.  Gr. 

Jauer,  Saltza,  Gr.  Notist, 

Sondren   

Slabowen,  Cerwanken. 

Skorupken  .   


25  Th.  15  gr. 
zusammen. 


ä  1  Th.  57  gr. 


50-7G-9. 


>    14«  Th. 


ä  5  Th. 


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226 


Das  Volksschulwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 


Hauptamt 


12.  Lyck 


13.  Oletzko 


Kirche 


Dorfschulen 


Angaben 
dem  Möns  pie- 

tatia  inm 
Unterhalt  der 
Lehrer. 


11.  Johannis- 
burg 


Rosinsko 
Bialla,  Stadt 
Kumilsko 


Dry  galten 
.Tohannisburg,  Stadt 


Grabnick 
Lyssowen 

Ostrokollen 


Lyck,  Stadt 


Maggrabowa 


Wielizken 
Kallinowen 


Kursunsken,  Sokollen 
Kosuchen,  Wlosten,  Lissen 
Rogmnillen ,  Thierowen. 
Ichsen,  Kowalewen, 
Jacuben,  Grunsee 
Rudden,  Oskeuken,  Mo- 
netheu,  Omuasen  .... 
Pilchen,  Sdorren,  Irzonken, 
Kallenzinnen,  Gr.  Kessel, 
Dietrichswald ,  Jasch- 
kowen  ,Przyro8t,Rosken , 
Hinterpagabienen  .... 

Krollowollen 

Stosnen,  Romanowen,  Kal- 
leschniken 

Dombrowken,  Wisch- 
nöwen,  Kaienzinnen, 
Bobren,  Popowen,  Hugo- 
korellen 

Gollubken ,  Gr.  Lasken, 
Sypytken,  Stazen 

Przykoppen ,  Ohelchen, 
Sordachen,  Neuendorff, 
Niekrassen,  Sutzken,  Sie- 
den, Monzcn,  Moldzien, 
Chrzanowen 

Krupinnen,  Jaschken,  Mo- 
zanen,  Legawen,  Gor- 
deiken,  Babken,  Kur- 
kowen,  Olschewen 

Kleschowen,  Seesken,  So- 
bollen,  Markofsken 

Milewen,  Marzinowen, 
Czinien,  Saborowen.  .  . 


►  184-  37-9. 


V  39-35-9. 


20—45-15 
zusammen. 


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Von  Dr.  Adoli  Keil. 


227 


Hauptamt 


Kirche 


Dorfschulen 


AtMgaben  »U« 
dem  Mona  pie- 
tatis  «um 

Unterhalt  der 
Lehrer 


Czichen 

Mierunsken 

Schareiken 
Schwentayno 

Widminnen 

Jucha 


Stradaunen 
filia  Gonsken 

14.  Neuhoff      Neuhoff adL  Erbamt 


15.  Orteisburg 


Fridrichowen 


Passenheim,  Stadt 


Theerwisch 
Reinswein 

Mensguth 


Dibowen  

Rogamen,  Sczuchten, 
Neudorff 

Plensken,  Borawsken,  Gar- 
baschen 

Sesken,  Moneten  

Gisen,  Grünheyde,  Dutken, 
Krziwen 

Wentowken,  Gr.  Gablick, 
Grondzen,  Juchoflasken 

Gorlen,  Gr.  Orzecho  wen, 
Pietroschken,  Sceci- 
nowen,  Gorloffken,  Ploff- 
zen 

Czykorren,  Ceyven,  Przy- 
dollen,  Kiewen,  Babken 
Gonsken   


Willamowen,  Klonalias, 
Liebenberg,  Jarinnen, 
Spalinen,  Puppen,  Cnr- 
wien,  Carpen,  Idunowen 

Grammen,  Schult zendorff, 
Gr.  Rauschken,  Seiesch- 
ken, Schwirgstein,  Wop- 
lies,  Narraiten,  Schön- 
felsdorff, Michelsdorf, 
Kuckuckswalde 

Ollschoffken,  Rudkowen 

Jelinowen,  Mingffen,  Mar- 
pöwen 

Woppendorff,  Raroi,  Sam- 
platen,  Seepanken 


a  5-38-14. 


►  a3rth.6  gl. 


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22H 


Das  Vulksschulwcsen  im  Königreich  Preußen  etc. 


Hauptamt 

-  ■■  —  

ft.ircne 

 . — 

tforiBcnuien 

AllNirn.boii  aus 

dom  Mona  pie- 

lÄll*  IUID 

Unterhalt  der 
.Uohrer. 

KnhhAltan 

Hansenben '  liultnwfiii 

T i  11  l'l  '/  1  Sl f  1 1  kp 1  1 

xvi.  j  cruvivu 

ßr    .T«riittori  Pifmiilfpii 

Srh  wniif  üyimti 

rvnilttll,  v/loCIllvllCLl, 

9  Th.  \ib  gr. 

Schön-Dameran 

Leunau,  Neukauknt 

Jablonken,  filia,  adl. 

Ortelabure.  Stadt 

Beitneradorff.  Rohmanen. 

ZjlülüUKrll  f       J  j*.MlIIlitimiIf 

&oAfiiifi+ vir»     Orn««  5\#*Vii- 

man  An 

10—  40  — 

16.  Neidenbnrg 

Jedwaben 

\ 

fjpmm*»n<1nrff  Omnlr fTscliP 

VTt^lllllJV^llUVJ  1  AI  •  V7IU  14 IVUOl'lIG 

>  24  Th 

Mühle  

MaUhnfpn  Nnrten  Neu- 

AltLloilUlcii,  ximiüii,  üüu 

hoff 

MM\J  MM. 

filia  Malga 

Maler* 

15  Th 

Skottau 

Neidenburg,  Stadt 

VF  1  £d^ZtL\J HO Ml j             ,                HCl  II • 

p  ASCII 

10  Th. 

Candien 

4  • 

Lahna 

4  • 

Muschaken 

Roggen,  Uleachen.  Pucha- 

Inwcn  Wfiltpnflnrflf 
iuv\  Uli,    ft  aiicuiiuiii  ... 

14  RH  zun 

Saberau 

Skudaipn      Krokan  Na- 

pierken 

Willenberg,  Stadt 

Sendrowen ,  Kutzburg, 

1 

Wesselowen  ,Przesdzank 

|G0-86. 

Baranowen,  Gr.  Pifnitz 

Montfitz,  Lasrhienen  .  . 

filia  Opalienciecz 

Opaliencziecz 

Groschlaffkeu  adl. 

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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


229 


Hauptamt 

Kirche 

Dorfschulen 

Ausgabe  atnt 
dem  Mona  pie- 

tati»  «um 
Unterhalt  der 
Lehrer. 

17.  Soldan 

ooiaau,  otaat 

Kischin,    Kirkau.  Pier- 

laffken,  Sacrau,  Hohon- 

dorff 

Kl.  Koslau 

Willemsdorff 

Heinrichsdorff 

■ 

Narzim 

Brodau 

Borchersdorff 

Skurpien 

Scharnau 

Schönwiese,  Niedekan 

ld.  Hohenstein 

Wittichwalde 

4-30. 

Manchenguth 

Adamsgut,  Heinnchsdorn 

11-37  zus. 

Hohenstein,  Stadt 

Lichteinen,  Knaschengut, 

1 13-35. 

Merken,  Schwirgstein  . 

Selleschen 

12-37—9. 

filia  Kurken 

5—15. 

Waplitz 

adl. 

Gardienen 

adl. 

Pätzdorff 

adl. 

Kirstendorff 

adl. 

Mühlen 

adl. 

Tannenherg 

adl. 

19.  Osterode 

Osterode,  Stadt 

Taffeibude 

Hirschberg 

Hirschberg 

Thierberg 

Thierberg 

Aman 

Arnau,  Thierau 

Schmuckwalde 

Theurnitz,  Bergfrier 

filia  Petersdorff 

Petersdorff 

Leipe 

Roschken 

Marien  felde 

adl. 

Geyerswalde 

adl. 

Reichenau 

adl. 

Crapelau 

adl. 

Saubersdorff 

adl. 

Dohringen 

adl. 

Osterwein 

adl. 

Gr.  Groeben 

adl. 

■ 
1 

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230  Das  Volkssclml wesen  im  Königreich  PreuBen  etc. 


Hauptamt 


Kirchen 


Dorfschulen 


AuHgithen  ru« 
dem  Mona  pie- 

tati«  cum 
Unterhalt  <W 

Lehrer. 


adl.  Amt 


21.  Dt.  Eylau, 
adl.  Amt 


22.  Schönberg, 
adl.  Amt 


23.  Marien  - 
werder 


Usdau 

Dzurdzan 

adl. 

lieselicht 

adf. 

Rauschken 

adl. 

Gruben 

adl. 

Seuuliiniipii 

adl. 

Koschelau 

adl. 

Oilgenburg 

adl. 

Marwald 

adl. 

Dölau 

adl. 

Hertzogswalde 

adl. 

Fredenau 

adl. 

Deutsch  Eylau 

Stadt 

adl. 

Sommerau  Stadt  adl. 

Finkenstein 

• 

Gr.Albrechtan 

f 

Beischwitz 

• 

Rosenberg  adl .  Stadt 

Langenau 

adl. 

tiUa  Goldan, 

» 

Marienwerder  Stadt 

Gransee,  Stadt 

Gr.  Nebrau 

Niderzähren 

Gr.  Krebs 

Riesenkirch 

Riesenwalde 

adl. 

Gr.  Jauersee 


Neuhöfen,  Grabau,  Com- 
pagnen,  Ellerwald,  Bal- 
drau,  Zieglack,  Kneberg 
Granseedorff,  Iren  kohl 
Kl.  Nebrau,  Schinkenberg, 
Weichselburg,  Canitzke, 
Stangendorff,  Rosenau 

Kl.  Krebs 


6-12-9. 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


231 


Hauptam  t 


Kirche 


Dorfschulen 


Auggfibpn  aus 
dem  Moni  pie- 
tatia  mm 

Unterhalt  der 
Lehrer. 


25.  Pr.  Marek 


26.  Liebstadt 


Neudorffchen  adl. 
Kl.  Tromnau  adl. 
Plaut  adl. 
Leistenau  adl. 
Radau  adl. 
Gr.  Tromnau  adl. 
Bischofswerder, 

Stadt  Conradswalde 
filia  Petrowitz 

Freystadt,  Stadt  Guningen 
Riesenburg,  Stadt  Gunten 
filia  Dakau  Wachsmut 


Liebemühl,  Stadt 


Bieberwalde 

fiiia  Pr.  Marek 

Muswalde 

Alt-Christburg 

Saalfeld,  Stadt 

Blumenau 

filia  Heüigenwalde 

Weinsdorff 

Schnell  walde 

Sonnen born 

filia  Venedig 

adl. 

Arensdorff 

adl. 

Joschkendorff 

adl. 

Wülmsdorff 

adl. 

Seegertewalde 

adl. 

Altstadt 

Sannau 

adl. 

Liebstadt,  Stadt 
fdia  Reich wald  adl. 


Bieberswalde,  Bogu- 
schöwen,  Zalewen, 
Altenhagen 
Tabern 
Pr.  Marek 
Kornellen,  Dennen 
Buchwalde,  Mortung 
Kuppen,  Sorbähnen 

Alt  Döllstädt 

Gerswald,  Schwaigendorff 

Weppers 

Reussen 


Alt  Bolitten,  Reichenthal 


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232 


Das  Volksschulwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 


27.  Mohrungen 


Aaseahe  aas 
dem  Mona  pio- 

tati«  zum 
Unterhalt  der 
Lehrer. 


Hertzogswalde 

Tonkpitifin 

iiiin.  Waltersdorff 

Silberbach 

• 

Herrn  onau 

Mohrungen,  Stadt 

Gcrijeiithal,  Guldenboden, 

Wiese,  Himmelpfort 

Lokken 

Hrukendorff  ^Venii?ken 

filia  Langguth 

Toniftrovnpii 

Eckersdorff 

Horn  Gu bitten 

Kah  lau 

tilia  Hagenau 

Mühlhausen,  Stadt 

Lohberg,  Lorap 

Schönberg 

filia  Munsterberg 

Schmauch 

Alt  Teschen,  Sommerfeld 

Dobem 

Alken 

Hermsdorff 

Gr.  Thierbach 

adl. 

Grünhagen 

adl. 

Hirschfeld 

adl. 

Bogehnen 

adl. 

Schönau 

adl. 

Marienfelde 

Rappendorff,  Brunsdorff, 

25  Th. 


4  Th. 


Stegen,  Lupeten,  Bunden 


Ja2Th.25  gr. 


Neumark  adl. 
filia  Caminden  adl. 
Herrendorf  adl. 
filia  Schlobitten  adl. 
Laucke  adl. 
filia  Ebersbach  adl. 
Dentschendorf  adl. 
Samroth  adl. 
Holland,  Stadt. 


Weskendorff,  Wesken- 
hoff,  Copiehnen,  Nenen- 
dorff 


Digitized  by  G 


Von  Dr.  Adolf  Keil. 


233 


Hauptam  t 

Kirche 

Dorfschulen 

Ausgaben  aus 
dem  Mona  pio- 

tntin  mm 
Unterhalt  der 
Lohrer. 

29.  Fisch- 

German 

Palmningken,  Rottehnen 

hausen 

Po  wunden 

Sobitten.  Willkaymen, 

Schmidehneu,  Gun- 

thenen 

Lockstedt 

Tenkitten 

Alt  Pillau 

Heil.  Oreutz 
Laptau 

Cuhinenen 


Medenau 


I 


90.  Schaaken 


Thierenljerg 
Fischhausen,  Stadt 


Schaaken 

Wargen 

Caymcn 


Kwluu 
Pobethen 

St.  Lohrentz 

Juditten 
Post  nicken 
Kunt /.cn 
fiüa  Sarken 


1  Gr.Dirschkeim,  Gr.Kuhren 
Transau,    Mulsen,  Nor- 

i    jelinen   8  Th. 

Ladkeim,  Drugehnen, 
Wickau,   Seefeld,  Pro- 
jerstieten 
Cragau 

Ziramerbude,  Marechenen, 

i    Blumenau   a  8  Th. 

Kl.  Dirschkeim 

Urnlacken   8  Th. 

Caspershöfen,  Geydau, 
Neuendorff 


Neuendorff,  Terpienen, 

Gallgarben,  Conradsvitt 
Bärwalde,  Korkehnen,  Po- 

jerstieten,  Margen 
Waughusen,  Bläcken, 

Mettkeim,  Seeseln.  Siel- 

keim,  Dunau 
Crantz,  Michelau 
Rantan,  Strobjehnen,  Rad- 

niken 

Pr.  Bat  tau,  Rauschen, 
Krahm 


Kuntzen  .  .  . 
'  Sarkau  .  .  .  . 
|  Pilkoppen 

Altpr.  Monntwchrift  Bd.  XX.III.  Htt.  3  n.  4. 


15  Th. 
15  - 
18  - 

16 


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234 


Da*  Volkwhulwesen  im  Konigroü  h  ProuBen  eto. 


■  - 

Hauptamt 

 ■ 

Kirchen 

Uorl  so  hu  Ion 

•lern  Moa«  pii>- 

tuti»  min 
InU.rhult  <1«t 
Lohr  er. 

01.  rseuniiu.seu 

^ueuimu 

oianiuii 

Schönwalde 

Kuickeiin,  Poggenpfuhl 

^  IUI  Ii  A  11  fUtf  1 

JvllU  J>pt;irtlJ<  Uli,      J-J*  Ir^l  1  1 »" II, 

Lauth 

Heiligemvalde 

ßogahnen 

Aman 

G  Th. 

i 

Tormitten,  Alzitt 

83.  Tapiau 


ft2.  Labiau  Laukischken 


Legitten 
Labiau,  Stadt 


Gilge 


Popelken 


Skaisgirren 


Tapiau,  Stadt 

Goldbach 

Cremitten 

Starkenberg 


4  Th. 
15  - 
10  - 


Gertlaaken 

AngstJigirron    2—24-12. 

Ky narien   9  Th. 

Heydenberg   5  - 

Promitten 

Sabugiuen,  Poppein,  Gon- 

tendorff,  Vordergros- 

fridrichsgrabeningken 
Hintergroal'riedrichgrabc- 
j  ningken. 

i  Nemonien  

Lauknen  

Petriken  

Alexen,  Lappiehnen, 

Korehlen,  Wit girren, 
i  Ditthenen 

Bud wethen,  dürsten,  Tra- 
i     koninken,  Gohimwi, 
Margelanken 

l 

Rolunnn,  Pregelswalde. 
I  Poinauden, 
Moterau,  Uderballen, 
i  Sohillenberg 
Pomedien 
Schh«>s  Cremitten.  ...    12  Th. 
Bijothen,  Warpinen 
Gauhiden 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


235 


H  a  uptamt 


Kirche 


Dorfschulen 


Auflguben  aus 
dem  Mona  pie- 

tati«  Elim 
Unterbilk  der 
Lohror 


24.  Gerdanen 


1.  Insterburg 


Paterswalde 
Grftnhayn 

Wehlan,  Stadt 

Petersdorff 

Kl.  Schönau 
Gr.  Engelau 

Allenburg,  Stadt 
Richischken 

Böttchersdorff  adl. 
Auclitten  adl. 
tilia  Schönwalde 
Pnschdorff  adl. 
Löwonhagen  adl. 

Gerdauen  adl.  Stadt 

Mohinenen 

Assaunen 

Molthenau  adl. 
Nordenburg 

adl.  Stadt 
Trempen  adl. 
DKmerowken  adl. 


Georgeuburg 


Bieberswalde 
Negussen,  Nickelsdorff, 

Poppendorff 
Gr.  Nuhr,  Kl.  Kühr,  Bnr- 
i  gersdorff 

Wilkendorff,  Taplacken, 
Damerau 

Hanswalde,  Friedrichs- 
dorff, Kl.  Engelau 
Allendorf,  Allenburg 
Aschlacken,  Waidlacken, 
Gr.  Ponnau 


Muldsssen 


Gerkienen 

Wandlacken,  Gr.  Sobroat, 
Kl.  Sobrost,  Löbeninken 

Gr.  Bajobren,  Ellerbruch, 
Hochlindenburg 


Pleinlanken,Starkeninken. 

Auxkallen,  Leipeniiiken. 

Budwetschen 
Astrawischken ,  Kii'lon- 

dorff,  Ihnsdorff.  Schön- 

linde 


GTh; 
4  Tb. 


16* 


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236 


Das  Volksschulwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 


Hauptamt 


Kirchen 


Dorfschulen 


Ausgaben  ho» 
«lern  Mona  jiie- 

tatta  «um 
Unterhalt  der 
Lehrer 


Aulowehnen 


Jodlaucken 
Kutten 
Didlacken 
Ischdaggen 

Judschen 

Saalau 

fiiia  Berschkallen 
Norkitten 

Pelleuinken 

Niebudzen 

Insterburg,  ev.  luth. 
Gemeinde 


ev.  reform 
Kattenau 


Malwischken 


Laukagallen.  Pilhvagallen: 

Ackmenischken,  Swai- 

nen,  Wasserlauken, 

Gerslauken 
Drmipincn,  Trepinen,  Pa- 

t  remschen  

Rutschen,  Draupgen,  En- 

kisken,  Baltruschatschen 
Schäppetschen,  Paballen. 

Austkallnen 
Campischkehmen  

Wersmeninken,  Gau- 

dischkehnien 
Gr.  Berschkurren,  Cubbeln, 

Kiaulkehmen 

Stohricken  

Lazaninken,  Wirballen, 

Peslau  


10  Th. 


r>  tu. 


G  Th. 


H  Th. 


a  Th. 


Kl.  Jägersdorff,  Obelisch- 

ken  

Sauskoppen,  Sziraudzen, 

Seslack,  Nainischken 
Springen,  Bracupönen, 

Pawösen   10  Th. 

Tamawischken ,  Powi- 

lischken  

Lenkaizen,  Kl.  Gedanken 

Kraupischkehmen  .... 
Pncalnenen,  Piraginen 
Kiaulacken,  Schilleuinken, 

Jentcutkampen,  See- 
kampen 
Pizinken,  Abschnitten, 

Smailensive,  Jodu- 

pchnen 


6  Th. 


6  Th. 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


237 


H  a  u  pt  a  m  t 


Dorfschulen 


Auftgaben  ans 
dem  Mona  pie- 


Unterhalt  der 
Lohrer. 


Enzuhnen  ev.  luth. 

ev.  refonn. 
Tollmingkehmen 

* 

Balleten 


I 
I 
■ 

Gawaiten 


Nemmersdorff 


Walterkehmen 


Wilhelmberg 

i 

ev.  reform. 
Darkolimen,  Stadt 

I 
f 

Giunbinnen,  Stadt 

I 

Bilderweitschen 


Szirgupoenen 


Plimballen,  Rauschen, 
Krauleidschea,  Sakal- 

lelen  

Gurdczen,  Willuhnen,Ben- 

I    nullen,  Bnxzen 

i 

Soginten,  Endrischken  . 
Didznlisohken,  Piklau, Lau- 

kischken,  Rominten. 

Taweln  

Jurgaitachen,  Rubaitechen 

Sodehnen,  Schwirdzen 
Cariotkehmen,  Gr.  Gudel- 

len,  Czicen  

Stonnpoenen,  Plawisch- 

ken  

Kianten 
Pruschillen 

Collatiscbken  

Zublauken,  Suskehmen, 

Kiaulischken 
Maiguniseliken,  Schesto- 

ken,   Ribbinnen,  Praa- 

lauken,  Mazutkehmen, 

Bndzesen,  Warelegen .  . 
Gudwainen,  Romoakeh- 

!  men  

Wilhelmsberg  

Gudwallen,  Pötzeln.  Hall- 
wischken   

Baltzkehmen  

Stannaitachen,  Waiwern, 

Zameitscben,  Thuren 
Daggessen,  Gud Wetschen. 

Nicelischken  

Sodenehlen,  Puspern, 

Äugst  upoenen 


6  Tb. 

{  6  Th. 
10  Th. 


10  Th. 


3  Th. 


»10  Th. 


10  Th. 


12  Th. 
6  Th. 


} 


8  Th. 


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238 


Das  Yolksschulwrsun  im  Königreich  Preufoii  etc. 


Hauptamt 


Kirchen 


2.  R&gnit 


Dubeninken 


AuMpahen  aas 
«lern  Mon«  pi*- 

tati»  mm 
Unterhalt  der 


"  j-20  Th. 


Stall  upoeucn 


Szabinen 

Kleschowen 

Mehlkehmen 

Szadweit  sehen,  ref.. 
Kirchenach  Gum- 
binnen  verlegt. 

Gerwischkehmen 


Stat.schausen,  Metschkru- 

pelmen,  Czarnen  . 
Paulischken,  "Wilpischken, 

Pischiken   8  Th. 

Enskehmen   ^ 

Knigstanien,  Wittgirren  . 

Wilkischken  

Dtimbelii,  Kickniden,  Sza- 

nimfin  

Szadweitschen ,  Neston- 
kehmen 


5 
5 

15 


Goldap,  Stadt 


Pillnpoem 


Göritten,  evan.  ref. 
Szittkehmen 


4  rth. 


Schirwindt 
Willuhnen 
Pillkallen,  Stadt 


Malewischken,  Pctsch- 

kehmen   3  Th. 

Kl.  Berrechkurren,  Gr. 
Berschkurren,  Czernin- 
ken 

Pibellen  

Jehrkischken,  Wilkait- 

schen,  Pietraschen, 

Skictachen  

Egglinischken,  Wikna- 

witachen  

Dupoenen,  Mazutscheu 
6  relbrm.  Dorfschulen 
Skaisgirren,  Wiszupönen  .  ,  j  12  rth. 

ref.  Ribbenischkcn 


I. 


21  rth. 


1 


8  rth. 


Kermuschienen,  Pirappen  \ 

Deunen  f*> 

Wingern ,  Warrakallen, 

Seillehnen,  Ascrutten 
Uschpiaupen,  Rudzen, 

Doblinzen,  Julien,  Kl. 

Warninken 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


239 


Hauptamt 


3.  Tilsit 


Kirche 


Lasdehnen 


Wischwill 


Wilkiacbken 
Zillen 


Ragnit.  Stadt 
filia  Lengwethen 


Heinrichswalde 


Joneykischke» 

Lappienen 
Kau  Rehmen 

Coadjuten 

Piktupoenen 
filia  Tauroggen 


Dorfsch  ulen 


AnMfraben 
dem  Mon«  pie- 

tati«  com 
Unterhalt  der 
Lohrer. 


10  rth. 


15  rth. 


Gr.  Wersineninken,  Jug- 

natsohen,  Ballupoenen, 

Angstutschen,  Wisba- 

rinnen  

Widkehmen,  Wezeninken, 

Alt  Lubölmen,  Gal- 

braschen,  Trapönen, 

Krakischken  

Kniwellen,  Kackzen,  Wa-  1  g  rtfl 

zeninken,  Skaisgirren  .  J 
Balaudzen,  Szlekken,  Tv- 

portcn,  Gigarn,  Czibir- 

ben,  Uzelksnen 
Paskalben,  Waidinnen, 

Sobersken,  Netzunen,      >10  rth. 

Unter  Eysseln  

Gmnenherg,  Puschkappen. 
Segvethen,  Skardu- 
pönen,   Kl.  Friedrichs- 
dorff 

Bartscheiten,  Leutenbude, 
Lindendorff.  Wolffsberg, 
Bogdohnen 
Elbinger  Neusäss,  Kutten- 
,    berg,  Powelninken 
Skören,  Sköpen,  Kaukeh- 
;    men,  Warekillen,  Leit- 
girren 

Zamaitkehmen,  Bittmesz- 
ken,  Augszkyken,  Tim- 
stern 

Culmenen,  Jonikaitcn, 

Lumpönen 
Tauroggen   15  rth. 


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240  Dh*  Volksscliulwesen  im  Königreich  Preiiflen  etr. 


Hauptamt 

Kirche 

Dorfschalen 

Ausgaben  ho» 
dein  Möns  pie- 

tatis  zum 
Luterbftlt  der 
Lehrer 

—  —   . 

Kallenincken 

—  —  ... . . 

filia  Inse 

5  rth. 

Tilsit,  Stadt 

Pogegen,  Lasdehnen,  Po- 

krnken,  Alt  Wagnothen, 

Bartken,  Karteninken, 

5  rth. 

II.  Anhang. 


Memei 


•Schakkuhnen 
Hlia  Karkel 
Russ 

Kinten 

Pröculs 


Werden 


Deutsch  Crottingcn 


Memel.  Stadt 


filia  Curwaiten 


Spuken,  Wieszaiten 

Czihe,  Skvrwilt,  Pokalnc, 
Schakunellen  


}» 


Tli. 


Gergekischken,  Maatzken,  1  n 

>  b  In. 


Staukischken,  Minge 

Dittauen,  Roken,  Stuttcn, 
Aglonen,  Dwvlen,  Schil- 
leninken,  Swenzeln, 
Grumbeln,  Sakuten 

Rankutten,     Peterleiden,  \\ 
Kukoraiten,  Martinnau-  / 
disch,  Heidekrug,   Pa-  ylti  Th 
schissen,  Jucnaten,  \ 
Uschieiken  |' 

Gergenkunken,  Gibbiszen. 
Karkelbeck,  Wallenen, 
Wittanten 

Plukeu,  Tnwzcl,  Jagszen,  \\ 
Darein.  Sudmanten,  I 
Dietzken,  Buddelkeim,  •  ( 
Kischken,  Schmelz  .  .  .  ' 

Curwaiten 


16  Th. 


Digitized  b^Qoögk 


Von  Dr.  Adolf  Keil.  24  t 


Specification  der  durch  die  Revision  festgesetzten  Schulen. 


Hauptamt 

Kirche 

Dorfschulen 

Au»  rtem 
Mon«  pietati» 
zum  Unterhalt 

<l»>r  Lohrer 
wird  gogobon: 

1.  Ragnit 

NSchirwindt 

8  Tb.  15  gr. 

Wüluhnen 

Kruszen,  Eggenischken.  . 

a  15  Tb. 

Pillkallen 

Schwarzeln,  Kartschu- 

a  lo  « 

Lasdehnen 

15  . 

Wischwill 

Uszballen,  Augsgirren  .  . 

a  lo  • 

U  Th.  80  gr. 

Budwethen 

Gerskullen 

Szillen 

13  Th.  (iO  gr. 

Ragnit 

Raudzen,  Bitthenen  .... 

a  15  Th. 

2.  Merael 

Schakuneu 

10  Th. 

Pröculs 

Gallezinnen,  Jahn  Snoten 

a  10  • 

Werden 

TT  —  1      •  ^  » 

15  • 

Deutach  Orot  titigen 

Pipirren 

Memcl 

Nidden,  Scbwnrzort  .... 

a  15  Tb. 

filia  Curwaiten 

3.  Tilsit 

Jotieykiscliken 

Gilkendorff 

Kankchmen 

> 

Ginnischken 

4.  Insterburg 

Georgenburg 

15  Th. 

Küssen 

Mingstinnen 

Didlacken 

15  Th. 

12  Tb.  12  gr. 

15  Th. 

Ischdaggen 

Florkehmen 

Norkitten 

10  Th. 

Pelleninkon 

10  . 

lnsterburg 

10  . 

Kraupischken 

Girrehnen,  Schupinnen  .  . 

a  15  • 

Nemmersdorf 

15  . 

Walterkehmen 

10  . 

Wilhelmsberg 

6  . 

1  Kl.  Kuttel  

7-15. 

Enzuhnen 

15  Th. 

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242 


Das  Yulks.M-huIwo.seii  im  KönigroinU  P reu  Ben  vir. 


Aas  dem 

Hauptamt 

Kirche 

Dorfsrlmlen 

Mon»  pietati* 
zam  UntwrhiUt 

der  Lehrer 
wird  gegeben: 

5.  Gumbiunen 

Szirgupoenen 

15  Th. 

Angerburg 


Lotzen 


Oletzko 


Lyck 


Szabinen 
MeUlkeUmen 
Gerwischkehmon 
Szitkehmen 

Benckheim 


Angerburg 


Kutten 


Gumen 

Ridzöwon 
Mücken 

Lotzen 

Widminnen 

Miemesken 
Czichen 

Stradatuien 
Wielitzkeu 
Marggrabowa 

Kallinowcn 

Lisaöwen 

Pissanitzen 

Lyck 


Kngallen  

Szimkuhnen   .  .  . 
Kl.  Berrschkurren 
Szauslcszuwcn  .  . 


Kerszken  .  . 
Kl.  Pillaken 
Miesschullen 
Ogonken .  .  . 
Sobiechen  .  . 
Wilkowen  .  . 
Zubinick 
Grodziüko 
Pila<ken  . 
Zielacken  .  . 


Kleschöwen  . 
Knicklumen 

Danowen  . 
Spieroten  .  . 

Kmiipen  . 


Orlowen,  Lippowen,  Ma- 

suchot'ken  

1  Bitkowen  

Borcken  

Gollnbien  

Plocicko  

Woynaaehen  

Zayden,  Dabrovskcn. 
Dopken  

Wiersbowen  

Borziniincu  

Skomento.  Skrzywen  .  .  . 
Gollubien,  Butzken,  Bar- 
tossen   


7  . 

15  . 

15  , 

11  7  V 
7  Th. 

lö  » 

10  . 
4  . 

:»  ;;7. 
8 

K>  Th. 

7  •-:*.». 

12-27. 
10  TU. 
19  . 
10  . 

8  . 

«  TU. 

0  rth. 
18  • 
15  • 
10  . 
10  • 


10 
10 


|43  TU.  32  gr. 
9  Pf.  pro 
Alle. 


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Von  Dr.  Adolf  Keil. 


•243 


Hauptamt 

Kirche 

Dorfschulen 

 ■  

Ann  «lern 
M<m»  pintilti» 
zum  Unterhalt 

iii<r  Lnbrer 
wird  gegob»u: 

Johanuisburg 

Rosinsko 

Y-v  •  « 

17—30. 

Johannisburg 

12  Ith. 

T          II                             "1  •  A.A. 

Jaschkowen,  Ribittwcn 

k  10  • 

Rhein 

W  lcolaiken 

ITT"  1 

13  • 

Schimmiken 

10  . 

Arys 

10  . 

Eckoraberg 

Juchlimmen,  Zastrosnen, 

f-9       •  1 

a  15  • 

Rhein 

Skoppen.  Weydicken, 

i 

t  r  *  \ 

a  10  ♦ 

Eichniedien 

in  balbkeim,  Zulage  a  .  . 

1  rth.  30  gr. 

Seheston 

Sensburg 

10  rth. 

Aweydo 

4  » 

Ribben 

G-tiO. 

Sehesten 

11  rth. 

Orteisburg 

Orteisburg 

Scedantzig  

1  zusammen 

Schön  Damerau 

Xeykeikutt,  Marzowen  .  . 

J53  Th.  20  gr. 

Neidenburg 

Willen  berg 

Gr.  Przesdzenek,  Gr.  Piw- 

nitz,  Leschinen,  Kepar- 

allTh.8gr. 

) 

Muschaken 

10  Th. 

Neidenburg 

Scherokopass 

Candien 

Napierken 

* 

Soldau 

BorcheredorfF 

Scurpien,  Zulage  

3  Th. 

Schernau 

2  > 

Osterode 

Osterwein 

Parwalcken  

15  • 

Hohenstein 

Hohenstein 

15  « 

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244  Das  Volksschulwesen  im  Königreich  Preußen  etc. 


Hauptamt 

Kirche 

Dorfschulen 

Aua  dem 
Mono  pietAtit 
zum  Int  erhalt 

der  Lehrer 
wird  gegeben: 

Liebetadt 

Waltersdorff 
Liebstadt 

Waltersdorff 
Sporteimen 

Pr.  Mark 

Schnellwalde 
Alt  Christburg 
Heiligen  walde 
Saalfeld 

Weppers.  Zulage  

Buchwalde,  Zulage  .... 

Alt  Döllstädt  

Sorbühnen,  Zulage  .... 

5  rth. 

1  • 

2  » 
8  • 

Balga 

Heiligenbeil 

Zuschuss  .... 

7  • 

Pobethen 
Rudau 

Kasniken  

Cranz  

10  . 
10  • 

Labiau 

Popelken 
Labiau 

Czerninken  

Neu  Hinderort  

15  . 
15  • 

Tapiau 

Kl.  Schönau 
Cremitten 
Paterswalde 
Petersdorff 

Dietrichs  walde  

Warginen  

Lindemlorff  

Weissensee,  Lieakeu, 
Skitten 

6  • 
6-85. 

Pr.  Eylau 

Dexen 

Rositten 

Brandenburg 

Gersehke 
Creutzburg 

Thierenberg 

Barton 

4  rth. 

Fischhausen 

Norgen 

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Johann  Albrecht  I.  yon  Mecklenburg,*) 

der  Schwiegersohn  des  Herzogs  Albrecht  von  Preussen,  in  seinen  Be- 
ziehungen zur  deutschen  Reformation  und  zum  Herzogtum  Preussen. 

Vortrag", 

gehalten  in  der  Königlichen  Deutschen  Gesellschaft  in  Königsberg  in  Pr. 

am  22.  März  1886 
von 

Dr.  Paul  Tschaekert, 

Professor  in  Königsberg  in  Pr. 

Je  länger  sich  die  Wissenschaft  mit  Herzog  Albrecht  von 
Preußen  und  seinem  Lebenswerke  beschäftigt,  desto  mehr  werden 
seine  unschätzbaren  Verdienste  um  sein  Land  und  damit  auch 
um  ganz  Preußen  anerkannt.  Aber  auch  alles,  was  ihn  persön- 
lich betraf,  darf  bei  uns  patriotisches  Interesse  beanspruchen, 
zumal  ja  über  den  edlen  Herrn  ein  unsagbar  tragisches  Greisen- 
alter gekommen  ist.  Je  trübseliger  seine  zweite  Ehe  mit  einer 
ihm  nicht  gleichgesinnten  braunschweiger  Prinzessin  war,  von 
1550—1568,  wo  beide,  fern  von  einander,  an  einem  Tage  starben, 
der  Herzog  in  Tapiau,  die  Herzogin  in  Neuhausen,  und  den 
Sohn  hinterließen,  der  mit  epileptischem  Erbteil  begabt  in 
Schwermut  verfiel  und  doch  im  Königsberger  Schlosse  sein 
trauriges  Leben  bis  auf  65  Jahre  brachte1):  um  so  lieber  ge- 
denken wir  der  glücklichen  und  erfolgreichen  Periode  des  Lebens 
und  der  Regierung  Albrechts,  wo  von  1526 — 1547  bei  dem  Auf- 

*)  Mit  Benutzung  von  F.  W.  Schirrmacher,  Johann  Albrecht  I. 
2  Teile.   775  und  403  Seiten.    Wismar  1885. 

1)  C.  A.  Hase,  Herzog  Albrecht  von  Preußen  und  sein  Hofprediger. 
V1879.)   S.  258.    889.  394-390. 


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•24  ü 


Johann  Albrecht  I.  von  Mecklenburg  etc. 


blühen  des  Herzogtums  und  der  Universität  die  edle  Frau  aus 
dem  dänischen  Königshause,  Dorothea,  in  glücklichster  Ehe  ihm 
zur  Seite  stand. 

In  dem  durch  die  degenerierten  Ordensritter  verwahrlosten 
Lande  hat  die  hohe  Frau  fast  21  Jahre  lang  als  Schöpferin 
edler  Sitte,  als  Mutter  des  Volkes,  als  Gönnerin  unserer  Hoch- 
schule gewaltet,  bis  ein  früher  Tod  sie  1547  Innnahm.  Alle 
Liebe,  mit  der  Albrecht  ihr  verbunden  gewesen,  konnte  er  nur 
auf  das  einzige  Kind  übertragen,  das  ihm  aus  der  kinderreichen 
Ehe  mit  Dorothea  übrig  geblieben  war,  auf  die  Prinzessin  Anna 
Sophia;  wem  er  sie  einmal  anvertraute,  mußte  ein  Fürst  nach 
seinem  Herzen  sein.  Dieser  fand  sich  unerwartet,  als  bei  der 
Hochzeit  im  Jahre  1550  hier  neben  der  Fürstentochter  der  junge 
fromme  ritterliche  Herzog  von  Mecklenburg  Johann  Albrecht  saß. 

Es  war  gerade  damals  eine  Zeit  hochgradiger  politischer 
Erregtheit  ;  fernab  vom  Kaiser  Karl  V.,  diente  die  Hochzeit  in 
Königsberg  zugleich  als  politischer  Congreß;2)  verwandte  und 
gleichgesinnte  evangelische  Fürsten  fanden  sich  zusammen,  um 
sich  gegen  den  nach  dorn  schmalkaldischen  Kriege  übermächtigen 
Kaiser,  der  zwei  gefangene  deutsch-evangelische  Fürsten  nicht 
freiließ,  zur  Wehr  zu  setzen;  der  thatkräftige  Küstriner  Mark- 
graf Johann  von  Brandenburg  hatte  dazu  auch  den  jungen 
Mecklenburger  Herzog  eingeladen;  in  diesem  fand  Albrecht  den 
rechten  Mann  für  seine  Tochter;  an  seinem  eigenen  Hochzeits- 
tage, am  24.  Februar  1550,  legte  er  ihre  Hand  in  die  des  jungen 
Fürsten.  Beide  Herzöge  haben  wie  Vater  und  Sohn  von  da  an 
in  innigem  Verkehr  mit  einander  gestanden.  Schon  das  ist 
Grund  genug,  sich  mit  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg 
genauer  bekannt  zu  machen.  Dazu  kommt  noch  ein  weiterer 
Anlaß,  indem  im  Jahre  1885  Professor  Schirrmacher  in  Rostock 
uns  eine  umfassende,  gelehrte  und  mit  Urkunden  reich  ver- 
sehene Geschichte  des  hochzuehrenden  Ahnherrn  des  mecklen- 
burgischen Herzogshauses  geschenkt  hat.    Da  jüngst  eine  Seiten- 

2)  F.  W.  Sehirrmacher,  Johann  Albrecht  I.  (1885.)    f.  Teil,  S.  70. 


> 


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Von  Dr.  Paul  Tschackert. 


linie  dieses  urevangeli sehen  Hauses  durch  eine  Mischehe  römisch- 
katholisch geworden  ist,  so  wird  ihr  gegenüber  das  Lebensbild 
Johann  Albrechts  zugleich  ein  recht  zeitgemäßer  Spiegel  für 
die  Gegenwart. 

Der  Bräutigam  zählte,  als  er  sich  verlobte,  25  Jahre.  Er 
war  am  22.  December  1525  in  Schwerin  geboren.    Seine  Er- 
ziehung hatte  er  seit  seinem  vierzehnten  Lebensjahre  an  dem 
Berliner  Hofe  unter  dem  evangelisch  gesinnten  Joachim  II.  und 
an  der  brandenburgischen  Universität  Frankfurt  a.  O.  genossen. 
Im  Kriegsjahr  1547  verlor  er  seinen  Vater,  der  auf  des  Kaisers 
Seite  stand.   Bei  dem  mecklenburgischen  Princip  der  Erbteilung 
war  der  junge  Herzog  als  der  älteste  von  fünf  Söhnen  nicht 
im  Stande,  diese  kaiserfreundliche  Politik  zu  ändern,  zumal 
seine  Mutter  streng  katholisch  blieb,   und  das  Mecklenburger 
Land  tief  verschuldet  war.   "Während  der  Katastrophe  von  Mühl- 
berg auf  der  Lochauer  Heide  am  24.  April  hielt  der  junge 
Herzog  neben  Karl  V.    Noch  im  Herbste  belehnte  dieser  daher 
ohne  Anstand  ihn  und  seine  beiden  ältesten  Brüder  auf  dem 
Reichstage  zu  Augsburg,  auf  demselben  Reichstage,  wo  der  sieg- 
reiche Kaiser  den  geknebelten  protestantischen  Ständen  einen 
halben  Katholicismus  im  „Augsburger  Interim"  aufdrängte.  Aber 
Johann  Albrecht  war  evangelisch  und  ein  Charakter  ;  in  Mecklen- 
burg wurde  daher  das  Interim  nicht  angenommen,  und  als  er 
sich  1550  mit  der  preußischen  Prinzessin  verlobte,  versprach  er 
ilir  ,,sie  bei  der  Wahrheit  der  Augsburgischen  Confession  zu 
lassen,  in  der  sie,  wie  er  selbst,  erzogen  sei."8) 

Am  Königsberger  Hofe  wünschte  man,  daß  die  Hochzeit 
noch  in  diesem  Jahre  stattfinde.  Allein  der  Bräutigam,  der  die 
Geschicke  des  Protestantismus  und  des  Vaterlandes  auf  dem 
Herzen  trug,  hatte  zum  Heiraten  noch  keine  Zeit;  erst  sollte 
die  wahre  Religion  und  des  Vaterlandes  Freiheit  und 
Frieden  hergestellt  werden.*)     Dieser  ideale  Standpunkt 

B)  F.  W.  Schirrmacher,  Johann  All  recht  I.  (1885),  I.  Teil,  S.  6. 
4)  F.  W,  Srhirrmacher,  a.  a.  O.  S.  41. 


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248 


Johann  Albrecht  I.  von  Mecklenburg  eto. 


trieb  den  jungen  Fürsten  zunächst  zur  Mitwirkung  bei  dem- 
jenigen Stück  deutscher  Geschichte,  als  deren  Held  gewöhnlich 
Churfürst  Moritz  von  Sachsen  gefeiert  wird,  als  derjenige 
Diplomat  und  Kriegsherr,  welcher  dem  unentwegten  Rechner 
Karl  dem  Fünften  alle  Vorteile  des  Schmalkaldischen  Krieges 
entwand  und  den  Protestantismus  staatsrechtlich  sicher  stellte; 
ja  von  mancher  Seite  wird  dieser  „Retter  des  Protestantismus" 
so  hoch  gepriesen,  daß  man  ihm  vergiebt,  was  er  1546  treulos 
verbrochen,  weil  ihn  doch  scheinbar  sechs  Jahre  später  die  That- 
sache  rein  wäscht,  daß  er  den  Passauer  Vertrag  erzwang  und 
dadurch  den  Augsburger  Religionsfrieden  vorbereitete.  Allein 
gerade  die  Handlungsweise  Johann  Albrechts  von  Mecklenburg 
wird  eine  thatsächliche  Korrektur  dieser  landläufigen  Ansicht 
über  Moritz  ;  wir  kommen  dabei  zu  der  Erkenntnis,  daß  Moritz, 
dieser  Meister  Staatsmann ischer  Intriguen,  weder  für  das  Recht 
der  Augsburgisehen  Konfession,  noch  für  die  Freiheit  Deutsch- 
lands das  Schwert  gezogen,  sondern  von  Mühlberg  bis  Sievers- 
hausen das  egoistische  Ziel  verfolgt  hat,  durch  Ausnützung  aller 
brauchbaren  Parteiverhältnisse  diejenige  dominierende  Stellung 
zu  erringen,  die  ihm,  wenn  er  nicht  32  jährig  gestorben  wäre, 
ermöglicht  hätte,  den  habsburgischen  Einfluß  aus  dem  deutschen 
Reiche  zu  verdrängen.  War  einmal  erst  die  Erfolglosigkeit  der 
Allerweltspolitik  des  Habsburgischen  Hauses  offenbar  geworden, 
warum  sollte  nicht  bei  vorkommender  Kaiserwahl  der  mächtige 
Wettiner,  der  Held  der  Staatskunst  und  der  Schlachten,  die 
deutsche  Krone  empfangen?  Nur  aus  solch  einem  Plane,  den 
der  wortkarge  Mann  mit  sich  herumgetragen  haben  mag,  läßt 
sich  das  Netz  von  Treulosigkeiten  erklären,  welches  er  ge- 
sponnen hat.  An  einer  Stelle  hat  es  Johann  Albrecht  durch- 
schaut, der  als  Fürst  von  Ehre,  als  Christ  mit  Gewissen,  als 
Deutscher  mit  Selbständigkeitsbewußtsein  im  Jahre  1552  in  den 
Krieg  gegen  den  Kaiser  gezogen  war.  Wäre  es  nach  ihm  ge- 
gangen, so  hätten  wir  den  Passauer  Vertrag  nicht  bekommen, 
wohl  aber  einen  besseren,  einen  sicheren  Religions-  und  Reichs- 
frieden, der  nicht,  wie  der  Augsburger,  durch  seine  verbittern- 


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Von  Dr.  Paul  Tsehackert. 


249 


den  Bestimmungen  die  Möglichkeit  des  dreißigjährigen  Krieges 
bereits  in  seinem  Schooße  trug.    Aber  Moritz  dachte  anders. 

Nach  dem  unglücklichen  Ausgange  des  Schmalkaldischen 
Krieges  galt  er  als  Verräter  des  Protestantismus,  zumal  da  er  für  die 
Befreiung  der  beiden  gefangenen  evangelischen  Fürston  nichts 
that.  Er,  der  jedesmal  einer  Partei  nur  soweit  beitrat,  daß  er  sich 
den  Zugang  zur  Gegenpartei  offen  hielt,  der  auch  den  Kaiser  nur 
benutzt  hatte,  um  zunächst  in  Xorddeutschland  die  dominierende 
Stellung  zu  erlangen,  er  sah  sich  jetzt  gezwungen,  die  Sympathie 
der  norddeutschen  protestantischen  Stände  wieder  zu  gewinnen. 
Durch  eine  neue  Treulosigkeit  wandte  er  sich  daher  gegen  den 
Kaiser,  der  ihn  doch  für  so  zuverlässig  hielt,  daß  er  sich  trotz 
aller  bösen  Gerüchte  nicht  entschließen  mochte  ihm  zu  miß- 
trauen. Nachdem  sich  Moritz  für  den  Fall  des  Mißlingens 
seines  Unternehmens  einen  festen  Rückhalt  in  Magdeburg  ge- 
schaffen, führte  er  seine  Reisigen  über  den  Thüringer  Wald 
nach  Süden  gegen  Augsburg,  um  gerade  durch  Einnahme  dieser 
berühmten  kaiserlichen  Stadt  den  Kaiser  in  Deutschland  um 
seine  ,, Reputation"  zu  bringen.  Unter  den  Fürsten,  die  sich  zu 
einem  Angriffskriege  gegen  Karl  V.  am  22.  Mai  1551  zu  Torgau 
und  am  5.  October  zu  Lochau  verbunden  und  sogar  die  Hülfe 
des  habsburgischen  Erbfeindes,  des  französischen  Königs  im 
Vertrage  zu  Friedewalde  in  Hessen  Anfang  des  Jahres  1552 
zugesichert  erhalten  hatten,  gehörte  begeistert  auch  Herzog 
Johann  Albrecht  von  Mecklenburg,  der  mit  600  Reitern  unter 
Moritz  Oberbefehl  focht.5)  Wir  denken  mit  Trauer  an  jenen 
Krieg,  in  welchem  sich  der  französische  König  als  sogenannter 
Reichsvikar  diejenigen  Städte  des  deutschen  Reiches  ausmachte, 
in  denen  nicht  deutsch  gesprochen  würde,  „des  villes  qui  no 
sont  de  la  langue  Germanique",  Metz,  Toul  und  Verdun,  woraus 
später  die  französischen  Provinzen  Elsaß  -  Lothringen  wurden, 
die    1870    zurückerobert  werden   mußten.")   Die  Hauptschuld 

5)  v.  Lau  genn,    Moritz   Herzog  mul  Churfürst  zu  Sachsen  (18-11), 
r,  S.  4G7.  474.  484  un«l  F.  W.  Schirrmacher,  a.  a.  0.    S.         147.  205. 

6)  v.  Langen  n.  a.  a.  0.   S.  485. 

Altrr.  Monatwcbrift  Bd.  XXIIL  Hft  13  u.  i.  17 


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250 


Johann  Alhrecht  I.  von  Mecklenburg  etc. 


aber  an  jenem  verzweifelten  Schritte  deutscher  Fürsten  trägt 
der  ausländische  Mann  an  der  Spitze  des  Reiches,  der  spanische 
König,  der  deutschen  Glauben  zertreten  und  deutsche  Fürsten 
gefangen  gesetzt  und  vielleicht  für  einen  Ungewissen  Tod  hinter 
spanischen  Mauern  aufgespart  hatte.7)  Seiner  spanischen  Un- 
treue gegenüber  schreckten  die  Verbündeten  nicht  zurück  vor 
dem  Versuche,  einen  Ausländer  mittelst  eines  andern  lahm 
zu  legen. 

Der  Feldzug  gelang  überraschend;  Moritz  zog  in  Augsburg 
als  Sieger  ein  und  der  Zugang  durch  das  Lechthal  nach  Tyrol, 
wo  der  Kaiser  weilte,  die  Ehrenberger  Klause  bei  Füssen,  ward 
am  18.  Mai  1552  erstürmt;  in  der  Nacht  des  folgenden  Tages 
floh  der  Kaiser  aus  Innsbruck;  gichtkrank,  trübselig,  hülflos 
ließ  er  sich  in  einer  Sanfte  auf  gebirgigen  Wegen  nach  Villach 
tragen,  um  der  sicheren  Gefangenschaft  zu  entgehen.  Als  Moritz 
am  23.  Mai  in  die  Hauptstadt  Tyrols  einritt,  war  er  Herr  der 
Situation  im  ganzen  deutschen  Reiche.  Alle  Welt  erwartete, 
daß  er  dem  Habsburger  einen  Frieden  abnötigen  würde,  welcher 
den  Protestantismus  und  die  Freiheiten  der  deutschen  Stände 
sicher  stellte;  die  Macht  dazu  hatte  er  unzweifelhaft.  Da  geschah 
das  Unerwartete;  er  ließ  sich  mit  dem  Bruder  des  Kaisers  auf 
Verhandlungen  ein,  und  diese  führten  am  2.  August  1552  zum 
Passauer  Vertrage,  in  welchem  Alles  —  auf  einen  Reichstag 
hinausgeschoben  wurde,  der  in  einem  halben  Jahre  zusammen- 
treten und  die  Religionssache  und  die  Gravamina  der  Stände 
verhandeln  solle. 

Dieser  Passauer  Vertrag  wird  gewöhnlich  als  die  von 
Moritz  erzwungene  Rettung  des  Protestantismus  gepriesen  und 
selbst  der  ausgezeichnete  Biograph  des  Churfürsten,  von  Langenn 
meint:  wenn  Moritz  nur  einen  Sondervorteil  gewonnen  hätte, 
so  würde  er  kein  reines  Andenken  in  der  Geschichte  haben; 
bei  diesem  Werke  könne  des  Baumeisters  ohne  Bitterkeit  ge- 
dacht werden.8)    Allein  wenn  wir  erwägen,  daß  Moritz  seine 

7)  v.  Langenn,  a.  a.  0.   S.  473. 

8)  v.  Langenn,  a.  a.  O.   S.  544. 


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Von  Dr.  Paul  Tsdiackcrt. 


251 


Fehde  gegen  den  Kaiser  fallen  ließ,  als  er  und  seine  Verbündeten 
noch  das  siegreiche  Schwert  in  der  Hand  hatten,  Karl  V.  aber 
in  Deutschland  machtlos  und  sein  Bruder  Ferdinand  von  den 
Türken  im  Osten  bedroht  war,  so  liegt  die  Vermutung  nahe, 
daß  er  Hintergedanken  hegte.  Es  mochte  ihm  noch  nicht  an  der 
Zeit  scheinen ,  den  Kampf  mit  den  Habsburgern  bis  zum 
Äußersten  zu  führen ;  gewonnen  hatte  er  ja  doch  schon  viel,  indem 
er  des  Kaisers  „Reputation"  gründlich  geschädigt  hatte;  die 
weitere  Ent Wickelung  konnte  er  abwarten,  zählte  er  doch  erst 
31  Jahre.  Daher  schwenkte  er  zunächst  wieder  einmal  in  das 
kaiserliche  Lager  ab  und  focht  zu  Gunsten  des  Königs  Ferdinand 
in  Ungarn  gegen  die  Türken.  Allein  nicht  bloß  der  wilde 
kampflustige  Albrecht  Alcibiades  von  Brandenburg  -  Kulmbach 
hielt  die  Passauer  Abmachung  „mehr  für  eine  Verräterei  als 
einen  Vertrag" ; 9)  auch  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg  dachte 
nicht  daran,  „sich  von  Moritz  in  das  Schlepptau  nehmen  zu 
lassen."  Er,  der  den  Feldzug  bis  Innsbruck  aus  idealen  Interessen 
mitgemacht  hatte,  weil  er  „keinen  andern  Weg  sah,  seine 
Unterthanen  und  sich  bei  reiner  göttlicher  Lehre  zu  erhalten," 10) 
sprach  in  Gemeinschaft  mit  den  anderen  Verbündeten  ein  jetzt  be- 
kannt gewordenes  Bedenken  aus,  das  dem  27jährigen  jungen 
Fürsten  alle  Ehre  macht.  Habe  man  sich  einmal  mit  dem  franzö- 
sischen Könige  verbunden,  so  dürfe  der  Vertrag  auch  nicht  ohne  ihn 
geschlossen  werden;  „ehe  wir  gegen  fürstliche  Treue  und  Glauben 
handeln,  eher  wollten  wir  an  Leib  und  Gut  Nachteil  erdulden." 
Materiell  vollends  gereicht  der  Vertrag  dem  papistischen  Teil  zum 
höchsten  Vorteil,  uns  dagegen  zum  äußersten  Nachteil.  Denn  die 
Hauptsache,  warum  dieser  ganze  Krieg  vorgenommen,  ist  mit 
keinem  Finger  angerührt.  Diese  Hauptursache  aber  ist  eine  doppel- 
seitige, einmal  die  religiöse,  die  Wahrheit  des  Wortes  Gottes 
gemäß  der  Augsburgischen  Konfession,  sodann  die  nationale, 
nämlich  die  Freiheit  des  Vaterlandes,  zumal  die  Abstellung  der 

9)  v.  Lange  nn,  a.  a.  0.  J.  S.  552. 

10)  F.  W.  Schirrmaclier,  a.  a.  0.   S  154.  —  Beteiligung  am  Fern- 
zuge.   S.  189. 

17* 


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252 


Johann  Alliwht  I.  von  Mecklenburg  etc. 


Gravamina  und  die  Freilassung  des  gefangenen  Landgrafen. 
In  Bezug  auf  die  religiöse  Seite  habe  der  Herzog  keine  Lust, 
über  die  wahre  Religion  weiter  disputieren  zu  lassen;  eine 
dreißigjährige  Erfahrung  habe  gelehrt,  wie  es  die  Gegner  mit 
der  Religion  meinen;  vollends  sich  die  evangelische  auf  ein 
halb  Jahr  vom  Kaiser  bewilligen  zu  lassen,  während  dem 
papistischen  Teile  seine  angeblich  „alte  Religion"  frei  gelassen 
werde,  —  eine  solche  „halbjährige  Religion"  erschien  ihm 
schmachvoll.  Sollten  Religion  und  Gravamina  erst  wieder  in 
die  "Weitläuftigkeit  eines  Reichstagen  kommen,  so  werden  wir, 
sagte  er,  „in  das  weite  Meer  gewiesen",  und  das  alles  „in  einer 
Zeit,  da  wir  noch  das  Schwert  in  der  Hand  haben".  Statt  all 
dieser  Weitläufigkeiten  verlangte  Johann  Albrecht,  daß  die 
wahre  Religion  gemäß  der  Augsburgischen  Konfession  ganz  rein 
und  klar  zugelassen  werde,  ohne  daß  von  Konzil  und  Kolloquium 
noch  die  Rede  sei;  er  verlangte  ferner  die  Zurückberufung  der 
durch  das  Interim  vertriebenen  evangelischen  Prediger,  die  Auf- 
hebung der  Jurisdiktion  der  Geistlichen,  die  Beobachtung  der 
goldenen  Bulle,  die  Erledigung  der  gefangenen  Fürsten  und 
noch  manches  andere,  was  uns  gegen  den  Papst  und  gegen  die 
spanische  Regierung  sicher  gestellt  hätte.11)  Aber  dem  edlen 
charaktervollen  Fürsten  fehlten  die  Mittel,  die  Politik  eines  Moritz 
erfolgreich  zu  durchkreuzen.  Enttäuscht  über  den  Ausgang  des 
Krieges  zog  er  im  September  1552  nach  Mecklenburg  zurück, 
um  wenigstens  im  eigenen  Lande  die  Reformation  energisch 
durchzuführen. 

Als  dann  Moritz  im  folgenden  Jahre  im  planvollen  politischen 
Interesse,  zur  Aufrechterhai tung  seiner  eigenen  dominierenden 
Stellung  in  Norddeutschland  die  Fehde  gegen  den  wilden 
Albrecht  Alcibiades  von  Brandenburg  -  Kulmbach  aufgenommen 
hatte  und  beide  zum  Kampf  auf  Leben  und  Tod  im  Hannöver- 


Ii)  Das  Bedenken  ist  gedruckt  bei  Schirr  macher  a.  a.  O.,  II.  Teil. 
S.  175—179.  Dazu  die  Darstellung  bei  Schirrmach  er  a.  a.  O.  I.  Teil. 
S.  l'JO-197. 


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Von  Dr.  Paul  Tschackert. 


253 


sehen  einander  gegenüber  standen,  eilte  der  edle  Johann  Albrecht 
in  die  Nähe  von  Burgdorf  und  Peine,  um  die  Fürsten  zu  ver- 
söhnen und  die  bevorstehende  schwere  Schädigung  der  protestan- 
tischen Streitkräfte  zu  verhindern.  Sie  wollten  aber  nicht  hören. 
Johann  Albrocht,  der  an  jenem  unglückseligen  9.  Juli  1553 
nicht  fern  von  Sievershausen  gewesen  war,  wo  der  siegende 
Moritz  die  tödtliche  Schußwunde  erhielt  und  G000  Todte  das 
Schlachtfeld  deckten,  ist  in  der  trübsteu  Stimmung  unverrichteter 
Sache  in  seine  Heimat  zurückgekehrt.12) 

Von  da  an  gehört  der  mecklenburgische  Herzog  ganz  seinem 
eigenen  Lande  an,  wo  unter  unsäglichen  Streitigkeiten  mit  seinen 
Brüdern,  den  partikularistischen  Ständen  und  besonders  mit  der 
oppositionellen  Stadt  Rostock  seine  feste  Hand  dringend  nötig 
war.  Unter  den  vielen  glänzenden  Leistungen  seiner  Regie- 
rung steht  die  Reformierung  und  neue  Fundierung  der  Landes- 
universität Rostock  im  Geiste  der  Wittenberger  und  wie  es 
scheint  ,  nach  den  Verhältnissen  der  Königsberger  Hochschule 
obenan,  so  daß  Johann  Albrecht,  der  feinsinnige  Freund  Melanch- 
thons,  als  der  zweite  Begründer  der  Rostocker  Universität  ge- 
feiert werden  muß.13)  Auf  die  Verhältnisse  des  deutschen 
Reiches  hat  er  nicht  mehr  eingewirkt;  dagegen  spielte  er  in  der 
Geschichte  der  deutschen  Ostseestaaten  eine  wichtige  Rolle. 
Abgesehen  von  seinen  mißlungenen  Versuchen,  das  Erzbistum 
Riga  als  Versorgungsstelle  für  einen  jüngern  Bruder  zu  erwerben 
und  so  Mecklenburgs  und  dadurch  Deutschlands  Einfluß  in  den 
baltischen  Ostseeprovinzen  aufrecht  zu  erhalten,  M)  nehmen  seine 
Beziehungen  zum  Herzogtum  Preußen  nicht  bloß  aus  lokalen, 
sondern  auch  aus  sachlichen  Gründen  unser  Interesse  in  Anspruch. 

Nachdem  die  hohe  deutsche  Politik  und  viel  Ärger  im 
eigenen  Lande  den  jungen  Fürsten  seit  1550  volle  fünf  Jahre 
beschäftigt  hatte,  konnte  er  endlich  an  seine  Vermählung  denken. 

12)  v.  Lauge  im,  a.  a.  O.  I.  äSO  AT.,  Schirrniarher,  a.  a.  O.  I.  230ff. 
18)  Schi  rr  mach  er,  a.  a.  O.  I.  854. 
11)  Sc  hirr  mach  er,  a.  a.  0.  I.  282  ft'. 


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251 


Johann  Allnvcht  I.  von  Mecklenburg  «tc. 


Sie  wurde  auf  den  Hochzeitstag  des  Schwiegervaters,  auf  den 
24.  Februar  1655  festgesetzt,  und  unser  Herzog  willfahrte  gem, 
die  Prinzessin  im  "Winter  selbst  nach  "Wismar  zu  bringen.  Die 
Trauung  fand  dort  am  festgesetzten  Tage,  am  Sonntage  Estomihi 
in  der  Hofkirche  statt.16)  Die  Ehe  war  mit  Kindern  gesegnet, 
und  wie  schon  seit  der  Verlobung  des  Mecklenburgers,  so  waltete 
seit  seiner  Vermählung  zwischen  ihm  und  dem  Preußenherzog 
ein  herzliches  Verhältnis,  bis  der  Tod  sie  schied.  Der  Schwieger- 
sohn sah  in  seinem  Schwiegervater  eine  Zierde  der  Christen- 
heit und  der  deutschen  Nation;16)  nichts  wichtiges  hat  er 
unternommen,  ohne  sich  von  dem  greisen  Herrn  Rat  zu  erbitten: 
dieser  wieder  wußte  sich  mit  Johann  Albrecht  einig  bis  in  die 
geheimsten  Bedürfnisse  des  religiösen  Gemütes.  Oft  ist  Johann 
Albrecht  mit  seiner  Gemahlin  und  seinen  Kindern  in  Königs- 
berg gewesen;  sein  ältestes  Söhnchen  ist  im  Alter  von  4  Jahren 
(1561,  2.  März)  auch  hier  gestorben;17)  Herzog  Albrecht  hin- 
wiederum gab  viel  auf  das  Wort  seines  Schwiegersohnes.  Als 
in  Folge  der  Osiandristischen  Streitigkeiten  hier  die  Zustände 
fast  unerträglich  wurden,  konnte  so  der  mecklenburgische 
Herzog,  der  eigens  deswegen  Anfang  1556  nach  Königsberg  ge- 
kommen war,  die  Abhaltung  der  Synode  von  Riesenburg  und 
den  ersten  "Widerruf  des  Hofpredigers  Funck  am  18.  Februar 
1556  daselbst  durchsetzen.18)  Ein  in  dieser  Angelegenheit  jüngst 
veröffentlichter  Brief  Funcks  zeigt,  daß  der  mächtige  Günstling 
des  Herzogs  sich  vor  dem  mecklenburgischen  Herrn  beugte. lfl) 
Daß  dann  bei  der  schlimmen  Entwickelung  der  politischen  Ver- 
hältnisse im  Herzogtum  Preußen  Johann  Albrecht  daran  dachte, 
sich  für  den  Fall  der  Minderjährigkeit  des  zukünftigen  Regenten 
Einfluß  zu  sichern,  wird  ihm  niemand  verdenken.    Die  heillose 

15)  Schirrmacher,  a.  a.  O.  I.  S.  263 ••■265. 

16)  Schirrmacher,  a.  a.  0.  I,  673. 

17)  Schirrmaoher,  a.  a.  O.  I.  753. 

18)  C.  A.  Hase,  Ilorzog  Albrechl.  von  Prcußrn  und  sein  Hofpmliger 
(1879),  S.  244  ff. 

19)  Schirrmacher,  a.  a.  0.  II,  300-^03. 


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Von  Dr.  Paul  Tschackert. 


255 


Wirtschaft  der  alten  und  der  neuen  Eäte  des  Herzogs,  zumal 
seitdem  der  falsche  Markgraf  von  Verona,  der  Schwindler  Skalich, 
von  1562  bis  1566  das  Vertrauen  desselben  hier  mißbrauchte, 
erfüllte  ihn  mit  Unwillen.20)  Er  hoffte  daher,  die  Mitbelehnung 
und  die  vormundschaftliche  Regierung  zu  erhalten.  Als  die  Dingo 
in  Königsberg  „zum  Brechen  reif"  waren,  setzte  er  im  Früh- 
jahr 1566  hier  durch,  daß  der  76jährige  Herzog  an  Stelle  des 
alten  Testaments  vom  Jahre  1541  am  14.  Mai  1566  ein  neues 
aufsetzte,  in  welchem  er  für  den  Fall  dos  Todes  seines  Sohnes 
Albert  Friedrich  aus  zweiter  Ehe,  neben  dem  Ansbacher  Mark- 
grafen Georg  Friedrich,  auch  seiner  geliebten  Tochter  Anna 
Sophie,  deren  Gemahl  Herzog  Johann  Albrecht  und  seinen 
Enkeln  aus  deren  Ehe  ihre  gebührende  Gerechtigkeit  vorbe- 
halten will.  Falls  Albert  Friedrich  unmündig  sterbe  und  Johann 
Albert  vom  Polenkönig  nicht  [als  Lehnsnachfolger]  anerkannt 
werde,  so  testiere  er  ihm  (ex  avita  dispositione)  die  Schlösser 
Memel,  Tilsit,  Ragnit,  Insterburg,  Georgenburg  und  Angerburg 
oder  als  Ersatz  dafür  600  000  ungarische  Goldgulden.  Bleibt 
aber  Albert  Friedrich  am  Leben,  so  soll  während  seiner  Un- 
mündigkeit nächst  dem  polnischen  Obervormund  und  Testamen- 
tarius  König  Sigismund  August  doch  noch  der  Herzog  Johann 
Albrecht  als  Nebenvormund  fungieren,  damit  alle  Stände 
bei  Recht  und  Gerechtigkeit  und  insbesondere  das  Land 
bei  der  Augsburg ischen  Konfession  erhalten  werde. 
Johann  Albrecht  empfing  damit  die  Aufgabe,  den  jungen 
Sohn  unsers  Herzogs  vor  der  Tyrannei  der  Regiments- 
räte und  das  Preußenland  vor  der  Polonisierung  zu  be- 
wahren.81) Aber  der  bald  darauf  im  Herbste  1566  erfolgte 
Königsberger  Justizmord,  durch  welchen  der  Hofprediger  Funck 
und  die  Räto  Schnell  und  Horst  am  28.  Oktober  1566  „mit  un- 
heimlicher Eile"  hingerichtet  wurden,  gab  den  deutlichsten  Be- 
weis, daß  nicht  der  Mecklenburger,  sondern  Polen  in  Königs- 


20)  Seil  irrin  ach  ur,  a.  a.  O.  I.  6ßtt. 

21)  Schirrmacher,  a.  a.  O.  I,  6fi4~<;ü5. 


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250 


Juhauti  AI  brecht  I.  von  Mi-cklenburg  etc. 


berg  Einfluß  besaß.  Johann  Albrecht  wurde  seitdem  durch  die 
Krone  Polen  von  jeglicher  Teilnahme  an  den  preußischen  Ver- 
hältnissen ausgeschlossen,  das  Testament  Albrochts  vom  Jahre 
1560  kassiert  und  der  greise  Herr  gezwungen,  unter  polnischem 
Hochdruck  1567  ein  neues,  das  letzte  aufzusetzen,  welches  für 
Johann  Albrecht  keinen  Vorteil  bot.  Er  hat  weder  Vormund- 
schaft, noch  Schlösser,  noch  Geld  empfangen;  ohne  in  die 
preußischen  Verhältnisse  eingreifen  zu  können,  mußte  er  viel- 
melir  noch  erleben,  daß  1573  der  junge  Herzog  in  Preußen  fünt 
Jahre  nach  dem  Tode  seines  Vaters  geisteskrank  wurde.  Gewiß 
mag  der  alte  Herzog  gewußt  haben,  warum  er  seinem  zur  Schwer- 
mut neigenden  Sohne  einen  Vormund  hat  geben  wollen,  wie  es 
sein  Schwiegersohn  war.22) 

Schon  drei  Jahre  darauf,  am  12.  Febr.  1576,  ist  auch  Jo- 
hann Albrecht  heimgegangen,  noch  in  der  vollen  Blüte  des 
Mannesalters,  50  Jahre  alt,  schied  or  —  es  sind  seine  eigenen 
"Worte  —  voll  Hoffnung  auf  das  Vaterland  droben  aus  dieser 
Welt,  die  ihm  so  viel  zu  schaffen  gemacht  habe.28)  So  lange 
wir  seinen  Lebensweg  verfolgen  können,  zeigte  er  sich  als  eine 
mannhaft  religiöse  Natur;  er  war  evangelisch  aus  Überzeugimg, 
begeistert  für  das  Wort  Gottes  als  das  höchste  Gut  und  Kleinod, 
aber  als  Freund  Melanchthons  allen  Lehrgegensätzen  abhold;24) 
als  warmer  Patriot  wollte  er  die  Freiheiten  der  deutschen  Nation 
gegen  hispanische  und  jesuitische  Politik  sicher  stellen;  als 
Landesfürst  edel,  umsichtig,  zu  schnellem  Handeln  bereit,  rast- 
los thätig,  war  er  auf  Mecklenburgs  Wohlfahrt  unter  unsäglichen 
Mühen  gewissenhaft  bedacht,  allem  Edlen  in  Kunst  und  Wissen- 
schaft zugeneigt,  mit  vielen  ausgezeichneten  Gelehrten  in  ver- 
trauensvollem Briefwechsel  nahe  verbunden,  als  Mensch  liebens- 
würdig, zumal  in  Familienverhältnissen,  voll  namenloser  Geduld 
gegen  seine  halsstarrige  altgläubige  Mutter,  voll  Opferwilligkeit 


22)  So  Schirrmacher,  a.  a.  O.  I,  676. 

23)  Sch  irrmach  c  r,  a.  a.  0.  1,  775. 

24)  Schirrmacher,  a.  a.  O.  I,  754    11,  303  ff.,  310,  311. 


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Von  Dr.  Taul  Tsehackert. 


257 


gegen  seine  intriguanten  Brüder,  —  Alles  in  allem  ein  Muster- 
fürst nach  dem  Herzen  Luthers,  unter  schwerem  Fürstenkreuz 
auf  der  Höhe  des  Herrschers  getragen  von  dem  Bewußtsein  um 
seine  landesväterliche  Verantwortlichkeit. 

Daß  gerade  dieser  Fürst  von  der  ßegierung  des  Preußen- 
landes ausgeschlossen  wurde,  war  damals,  an  sich  betrachtet, 
nicht  bloß  für  ihn  ein  Mißgeschick.  Heut  aber,  nach  Verlauf 
von  mehr  als  300  Jahren,  muß  die  Geschichtsbetrachtung  einen 
andern  Standpunkt  einnehmen.  Der  Herzog  von  Mecklenburg 
würde  dem  Churfiirsten  von  Brandenburg  den  Weg  nach 
Preußen  verlegt  haben.  Durch  dio  Ausschließung  Mecklen- 
burgs war  also  die  Möglichkeit  der  Belehnung  Churbrandenburgs 
mit  dem  Herzogtum  Preußen  und  damit  die  Voraussetzung  der 
Begründung  des  preußischen  Königtums  gegeben. 


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Zum  22.  April  1886. 

Ucbcr  Kants  Kritik  der  aesthctischcn  Urteilskraft.*) 

Von 

Hermann  Baumgart. 

Als  Ergänzung  der  „Kritik  der  reinen  Vernunft"  und  der 
„Kritik  der  praktischen  Vernunft"  und  gewissermaßen  als  ein 
verbindendes  Mittelglied  fügte  Kant  im  Jahre  1790  jenen  bei- 
den die  dritte  hinzu:  „Die  Kritik  der  Urteilskraft."  Be- 
stimmt er  in  der  ersten  die  Natur  und  die  Grenzen  des  Erkennt- 
nisvermögens, stellt  er  in  der  zweiten  das  durch  das  Vernunft- 
vermögen bestimmte  sittliche  Gesetz  fest,  so  ist  in  der  dritten 
der  Gegenstand  der  Untersuchung:  das  Wesen  uud  die  Wirk- 
samkeit des  „Gefühls",  als  eines  zwischen  jenen  beiden  stehen- 
den Vermögens,  zu  erkennen.  Der  Verstand  erkennt  die  Dinge 
nach  den  ihm  eingeborenen,  a  priori  gültigen  Gesetzen;  auf 
diesem  allein  beruht  die  Gewißheit  und  die  Allgemeingültigkeit 
unserer  Erkenntniß;  über  die  reale  Existenz  der  Dinge  erhalten 
wir  durch  ihn  keineswegs  Gewißheit.  Wie  den  so  erkannten 
Dingen  gegenüber  sich  unser  Begehr ungsvermögen  zu  ver- 
halten hat,  dafür  giebt  uns  die  Vernunft  das  unbedingt  ver- 

*)  Die  nachfolgende  Abhandlung  erhielt  ihre  Form  durch  die  Bestim- 
mung in  der  Kant-Gesellschaft  zu  Königsberg  bei  der  Erinnerungsfeier  von 
Kants  Geburtstag  am  22.  April  1886  vorgeh  sen  zu  werden.  In  Rücksicht 
auf  die  gebotene  Kürze  bei  der  Weite  des  Stoffes  erschien,  nachdem  das 
Thema  exponirt  war.  der  Uebergang  zur  Gesprächsform  räthlich,  wobei  Kant 
möglichst  mit  seinen  eigenen  Worten  redend  eingeführt  ist,  während,  wie 
es  nicht  anders  geschehen  konnte,  sein  Interlocutor  nur  aus  dem  Geist  und 
Sinne  seiner  Philosophie  sprechend  gedacht  ist.  Dennoch  konnte  auch  in 
dieser  Weise  vieles  nur  angedeutet  werden,  was  für  die  Mitteilung  im  Druck 
nicht  zu  ändern  war  ohne  das  Ganze  neu  zu  gestalten.  Die  nähere  Aus- 
führung und  Begründung  wäre  nur  in  einer  eventuellen  Fortsetzung  der 
begonnenen  Coutroverse  angänglich. 


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L'eber  Kant**  Kritik  der  aeathetischeu  Urteilskraft.    Von  II.  Baumgart.  259 

bindliche  Gesetz.  Wir  bemerken  nun,  daß  es  eine  dritte  Art 
giebt,  wie  wir  uns  zu  den  Dingen  verhalten,  wobei  wir  sie  weder 
mit  unserm  Verstände  zu  begreifen  suchen,  noch  sie  zu  dem 
Vernunftsgesetz  oder  zu  unserm  sittlich  bestimmten  Willen  in 
irgend  eine  Beziehung  setzen,  wobei  wir  aber  nichtsdestoweniger 
ein  ähnliches  Bewußtsein  haben  mit  sicheren  und  allgemein 
geltenden  Gesetzen  uns  in  Uebereinstimmung  zu  befinden  wie 
in  jenen  beiden  andern  Fällen.  Ohne  zu  erkennen  und  ohne 
uns  in  den  Besitz  irgend  welcher  Begriffe  gesetzt  zu  haben, 
fällen  wir  Urteile,  denen  wir  gleichwohl  eine  unbedingte  Ge- 
wißheit und  ewige  Geltung  zuschreiben,  und  indem  wir  die 
Gegenstände  solcher  Beurteilung  strengstens  von  dem  Gebiete 
absondern,  in  welchem  die  Vernunftgesetzgebung  herrscht,  vin- 
diciren  wir  ihnen  gleichwol  nicht  allein  eine  völlige  Freiheit 
von  allem  Zwange  des  Sinnlichen,  wie  sie  sonst  nur  in  jenem 
zu  erreichen  ist,  sondern  ein  dunkler,  aber  nur  um  so  mächtigerer 
Trieb  zwingt  uns  sie  als  mit  jenem  Reich  der  Freiheit  in  der 
innigsten  Verwandtschaft  stehend  uns  vorzustellen. 

Als  die  Gegenstände  einer  solchen  Beurteilung  unterscheidet 
Kant  das  Schöne  und  das  Erhabene:  das  Vermögen  ihrer  Beur- 
teilung nennt  er  die  „aesthetische  Urteilskraft. u  Die  Kritik 
dieses  Vermögens  und  die  Analysis  der  Erscheinungen,  die  diesem 
Vermögen  unterworfen  sind,  bildet  den  Hauptteil  seiner  „Kritik 
der  Urteilskraft." 

Dieses  Buch  ist  die  Grundlage  der  modernen  wissenschaft- 
lichen Aesthetik  geworden;  es  ist  bekannt,  wie  Schillers  ganzes 
Denken  und  Dichten  sich  im  engsten  Anschlüsse  daran  ent- 
wickelte. Bis  auf  den  heutigen  Tag  stehen  Kants  Sätze  im 
Mittelpunkte  der  Erörterung,  so  zwar,  daß  von  den  entgegen- 
gesetzten Seiten  sich  die  Angriffe  gegen  dieselben  richten :  hier 
eröffnete  Herder  den  Reigen  mit  fast  leidenschaftlicher  Polemik, 
und  von  dort  begann  Herbart  die  Opposition,  über  die  seine 
Anhänger  noch  bedeutend  hinausgegangen  sind.  Nach  den 
üblichen  Schlagworten  kennzeichnet  sich  die  eine  Richtung  als 
die  der  idealen,  die  andre  als  die  der  formalen  Aesthetik. 


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2<;<> 


Uehcr  Kants  Kritik  der  acsthotischen  UrteDskrall. 


Keiner  von  beiden  genügt  Kants  Lehre  vom  Schönen; 
während  sie  den  Anhängern  der  idealistischen  Aesthctik,  die  an 
die  objective  Existenz  des  Schönen  und  seine  Idendität  mit  dem 
Guten  und  Wahren  glauben,  als  viel  zu  formal  erscheint,  halten 
die  formalen  Aesthetiker,  die  über  Kant  hinausgehend  die  Rea- 
lität der  Dinge  geradezu  leugnen,  und  daher  das  Phänomen  des 
Schönen  lediglich  als  die  Wirkung  eines  reinen  Formenspioles 
betrachten,  die  Kantsche  Lehre  noch  für  bei  weitem  zu 
idealistisch. 

Denn  einerseits  erkennt  Kant  allerdings  der  Schönheit 
sowie  der  Erhabenheit  keine  selbständige  Existenz  zu,  sondern 
betrachtet  beide  nur  als  subjectiv  in  dem  Gemüthszustande  des 
die  Eindrücke  Empfangenden  vorhanden.  Wie  alle  Erkenntniß 
subjectiv  ist  und  uns  keineswegs  die  wirkliche  Beschaffenheit 
der  Dinge  an  sich  lehrt,  dennoch  uns  Gewißheit  gewährend,  weil 
die  Gesetze,  nach  denen  sie  verfahrt,  Gewißheit  enthalten:  so 
beruhe  die  Lust  am  Schönen  und  am  Erhabenen  ganz  allein  auf 
dem  Bewußtsein,  mit  welchem  die  Art  und  Weise  seiner  Beur- 
teilung das  Gemüth  erfüllt.  Ohne  den  Gegenstand,  der  uns  als 
schön  oder  erhaben  erscheint  nach  Begriffen  zu  bestimmen,  ohne 
ihn  nach  irgend  einem  Zwecke  zu  messen,  sondern  lediglich  in 
der  Vorstellung  oder,  wie  Kant  es  nennt,  mit  der  Einbildungs- 
kraft, seine  Theilo  zu  einem  Gesamtbilde  vereinigend,  werden 
wir  durch  ein  unmittelbar  gefälltes  Urteil  uns  seiner  Zusammen- 
stimmung mit  den  Forderungen  des  Verstandes  bewußt,  Forde- 
rungen, die,  nach  Kant,  der  Urteilskraft  durch  eine  unbewusste 
und  unmittelbar  sich  vollziehende  Reflexion  auf  die  überhaupt 
geltenden  Gesetze  des  Verstandes  immerfort  gegenwärtig  sind. 
So  kommt  das  zustande,  was  unter  einem  seltsam  paradox  klin- 
genden Ausdruck  in  der  Kritik  der  Urteilskraft  unaufhörlich 
wiederkehrt  und  den  Eckstein  des  ganzen  Systems  bildet:  ein 
Urteil,  welches  auf  Verstandeserkenntniß  reflectirend  Bezug 
nimmt  und  doch  ohne  alle  Begriffe  gefällt  wird,  das  ferner  eine 
Zweckmäßigkeit  zum  lebhaftesten  Bewußtsein  bringt,  ohne  doch 
irgend  einen  Zweck  dabei  ins  Auge  zu  fassen.    Die  bloße  Har- 


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Von  Hermann  Buumgart. 


201 


monie  der  durch  die  Einbildungskraft  gewonnenen  Vorstellung 
mit  dem  durch  jene  allgemeine  Reflection  ins  Bewußtsein  treten- 
den das  All  beherrschenden  Verstandesgesetze  erfülle  das  Gemüth 
mit  dem  Gefühl  einer  in  diesem  Urteile  gegebenen  Zweckmäßig- 
keit, einer  Zweckmäßigkeit  also,  die  in  der  Thätigkeit  der 
Urteilskraft  selbst  enthalten  ist,  nirgend  anders  ihren  Sitz 
hat.  In  dieser  Zweckmäßigkeit,  dieser  Harmonie  mit  dem  allge- 
mein gültigen  Erkenntnisgesetz  liegt  das  Princip  a  priori  der 
Urteilskraft  und  daher  die  allgemein  verbindliche  Gültigkeit  der 
Geschmacksurteile  übor  das  Schöne  und  Erhabene. 

Es  ist  leicht  zu  erkennen,  was  in  diesem  System  den 
Idealisten  Anstoß  giebt,  ja  sie  gelegentlich  zur  Empörung  bringt, 
da  sie  das  Wahre,  Gute,  Schöne  in  den  Eigenschaften  der  Dinge 
finden,  den  Ideen  desselben  daher  ein  von  Uranfang  her  ge- 
gebenes Dasein  zuschreiben  und  die  Lust  an  der  Wahrnehmung 
derselben  darauf  zurückführen,  daß  die  Erinnerung  oder  Ahnung 
derselben,  jedenfalls  die  Fähigkeit  ihrer  Aufnahme  eine  durch 
die  Erschaffung  der  Seele  mitgetheilte  Gabe  sei,  ein  Beweis  ihres 
göttlichen  Ursprungs. 

Allerdings  läßt  es  sich  nicht  leugnen,  daß  Kant  durch  sein 
System  zu  sehr  wunderbaren  Consequenzen  sich  führen  läßt: 
wenn  er  z.  B.  sehr  nachdrücklich  behauptet ,  daß  das  Natur- 
schöne einer  jeden  Art  des  Kunstschönen  weit  überlegen  sei; 
ferner,  daß  „das  Gefühl  fürs  Schöne  nicht  allein  vom  moralischen 
Gefühl  spezifisch  unterschieden  sei,  sondern  auch  das  Interesse, 
"welches  man  damit  verbinden  kann,  mit  dem  moralischen  schwer, 
keineswegs  aber  durch  innere  Affinität,  vereinbar  zu  sein 
scheine"  (S.  165);  oder,  daß  die  Kunst,  wenn  sie  das  Schöne 
der  Natur  nachahme,  nur  durch  ihren  Zweck,  niemals  an  sich 
selbst,  interessiren  könne."    (S.  169.) 

Andererseits  aber  wehren  sich  die  Formalisten  mit  aller 
Kraft  gegen  das  speculative  Element  in  Kants  System;  ihnen 
gilt  jede  Einmischung  eines  intellectuellen  oder  reflectirenden 
Elementes  in  das  rein  ästhetische  Urtheil  schon  als  eine  Ver- 
fälschung desselben  oder  doch  als  eine  seinem  Wesen  fremde 


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202 


Ueber  Kants  Kritik  der  ästhetischen  Urteilskraft. 


Zutliat.  Sie  wollen  dasselbe  aus  der  reinen  Perception  der 
bloßen  Formen  herleiten,  die  sie  auf  das  Strengste  von  allen 
Wirkungen,  welche  dieselben  iu  den  übrigen  Seelen  vermögen 
hervorbringen,  zu  sondern  bestrebt  sind.  Das  Wohlgefallen  am 
Schönen  sei  daher  auch  nicht  nach  den  Gegenständen  verschieden, 
sondern  es  sei  nur  ein  einziges  und  immer  dasselbe;  die 
Lust  an  dem  Einklänge  nach  gewissen  Grundverhältnissen  zu- 
sammenstimmender Formen. 

Es  giebt  einen  Punkt,  in  welchem  diese,  in  allem  Uebrigen 
von  entgogengesetzten  Seiten  ausgehenden  Angriffe,  dennoch  zu- 
sammentreffen. Beide  nämlich  legen  ihrer  Betrachtung  die  Be- 
schaffenheit des  Objectes  selbst  zu  Grunde,  das  Schöne  ist  ihnen 
eine  objective  Erscheinung,  der  nach  ihrer  Meinung  eine  ideale 
oder  formale  Zweckmäßigkeit  als  Eigenschaft  anhaftet.  Eine 
solche  sich  vorzustellen,  eine  objectiv  vorhandene  Zweck- 
mäßigkeit ohne  den  Begriff  eines  Zweckes,  ist  nach  Kant  „ein 
wahrer  Widerspruch. "  (S.  76.)  Die  Lustempfindung,  auf  der 
unser  Urtheil,  ein  Gegenstand  sei  schön,  beruht,  setzt  er  in 
„nichts  als  die  subjective  Zweckmäßigkeit  der  Vorstellungen  im 
Gemüthe  des  Anschauenden,  welche  wohl  eine  gewisse  Zweck- 
mäßigkeit des  Vorstellungszustandes  im  Subject  und  in  diesem 
eine  Behaglichkeit  desselben,  eine  gegebene  Form  in  die  Ein- 
bildungskraft aufzufassen,  aber  keine  Vollkommenheit  irgend 
eines  Objectes,  das  hier  durch  keinen  Begriff  eines  Zweckes  ge- 
dacht wird,  angebe'*  (ibid.)  Nun  scheint  freilich  Kant  an  einer 
Stelle  (S.  93)  dem  gegnerischen  Standpunkt  eine  Concession  zu 
machen,  wenn  er  den  Widerspruch,  daß  das  ästhetische  Urtheil 
auf  freier  Gesetzmäßigkeit  der  Einbildungskraft  beruhe,  während 
diese  doch,  obwohl  frei  produktiv  thätig,  an  eine  bestimmte 
Form  des  gegebenen  Objectes  gebunden  sei,  auf  folgende  Weise  zu 
lösen  sucht:  „es  ließe  sich  doch  noch  wohl  begreifen,  daß  der  Gegen- 
stand ihr  gerade  eine  solche  Form  an  die  Hand  geben 
könne,  die  eine  Zusammensetzung  des  Mannigfaltigen  enthält, 
wie  sie  die  Einbildungskraft,  wenn  sie  sich  selbst  frei  überlassen 
wäre,  in  Einstimmung  mit  der  Verstandesgesetzmäßigkeit  über- 


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Von  Hermann  Baumgart. 


2*33 


haupt  entwerfen  würde."  Damit  scheint  Kant  sich  auf  den 
Boden  der  Anerkennung  zu  stellen,  welche  die  Gegner  an  ihm 
vermissen,  daß  nämlich  das  Schöne  allerdings  im  Objecte  ge- 
legen, in  einer  bestimmten  Form  desselben  gegeben  sei.  Allein 
er  hat  nichts  Eiligeres  zu  thun,  als  diese  scheinbare  Concession 
sogleich  wieder  aufzuheben.  Die  Einbildungskraft  könne  gar- 
nicht  zugleich  frei  und  autonom  und  doch  von  selbst  gesetz- 
mäßig sein;  das  sei  ein  "Widerspruch:  das  Gesetz  gebe  allein 
der  Verstand.  Es  bleibt  also  dabei,  daß  nach  ihm  das  Schöne 
nur  insoweit  existent  ist,  als  es  durch  das  ästhetische  Urteil 
constatirt  wird,  und  daß  dieses  letztere  einzig  und  allein  in  der 
subjectiven  Uebereinstimmung  der  Einbildungskraft  „zu  der 
freien  Gesetzmäßigkeit  des  Verstandes",  die  durch  eine  unmittel- 
bar geschehende  Reflexion  im  Urteil  zum  Bewußtstein  gebracht 
wird,  bestände.  Ich  glaube  daher,  daß  Lotze  entschieden  Un- 
recht hat,  wenn  er  sagt:  „in  "Wahrheit  ist  für  Kant  doch  nicht 
die  Harmonie  der  Seelenkräfte  das  Schöne  selbst;  sie  ist  viel- 
mehr die  sich  selbst  genießende  ästhetische  Lust;  schön  ist  für 
ihn,  wie  für  den  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  der  Gegenstand, 
dessen  Einwirkung  auf  uns  diese  Lust  erzeugt."  Und:  „es 
sei  Kants  eigene  Meinung,  was  man  als  Bedenken  gegen  ihn 
angeführt  habe:  wenn  auch  das  Wohlgefallen  am  Gegenstand 
nur  die  harmonische  Thätigkeit  unseres  Innern  ist:  der  Grund, 
der  diese  Thätigkeit  anregt,  liegt  doch  in  dem  Gegenstande 
selbst",  das  eben  ist  Kants  Meinung  nicht,  sondern  das  grade 
Gegentheil,  und  man  wirft  sein  ganzes  System  über  den  Haufen, 
wenn  man  das  leugnet.  Er  hat  das  mit  einer  Deutlichkeit  aus- 
gesprochen, die  keinen  Zweifel  übrig  läßt.  So  an  folgender 
Stelle  (§  32  S.  143):  „Sagen:  diese  Blume  ist  schön,  heißt  eben 
so  viel,  als  ihren  eigenen  Anspruch  auf  Jedermanns  "Wohl- 
gefallen ihr  nur  nachsagen.  Durch  die  Annehmlichkeit  ihres 
Geruchs  hat  sie  garkeine  Ansprüche;  denn  Einen  ergötzt  dieser 
Geruch,  dem  Andern  benimmt  er  den  Kopf.  "Was  sollte  man 
nun  anders  daraus  vermuthen,  als  daß  die  Schönheit  für  eine 
Eigenschaft  der  Blume  selbst  gehalten  werden  müsse, 


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264  Ueber  Kants  Kritik  der  aesthetisehen  Urteilskraft. 

die  sich  nicht  nach  der  Verschiedenheit  der  Köpfe  und 
so  vieler  Sinne  richtet,  sondern  danach  sich  diese 
richten  müssen,  wenn  sie  darüber  urtheilen  wollen, 
und  doch  verhÄlt  63  sich  nicht  SO.  Denn  darin  besteht  eben  das 
Geschmacksurteil,  daß  es  eine  Sache  nur  nach  derjenigen  Be- 
schaffenheit schön  nennt,  in  welcher  sie  sich  nach  unserer  Art, 
sie  aufzunehmen,  richtet."  Ebendaher  erklärt  es  auch  Kant  für 
eine  Unmöglichkeit,  ein  objectives  Princip  des  Ge- 
schmackes aufzustellen;  ein  Satz,  der  mit  der  Annahme,  daß 
das  Schöne  im  Grunde  doch  in  den  Gegenständen  liege,  deren 
Einwirkungen  wir  erfahren,  ganz  unverträglich  ist.  Diese 
letzteren  ergeben  nach  Kant  an  und  für  sich  nichts  als  ein 
empirisches  Urteil  der  Lust  oder  Unlust;  das  allgemein  ver- 
bindliche, also  a  priori  gültige,  ästhetische  Urteil  allein  bringt  die 
Schönheit  hervor:  dieselbe  ist  ein  freier  Effect  der  harmonischen 
Thätigkeit  unserer  Seelenvermögen;  indem  wir  dieselbe  wahr- 
nehmen und  unsern  Vorstellungszustand  mit  Lust  empfinden, 
genießen  wir  das  durch  unser  Urteil  in  uns  erzeugte  Phänomen 
der  Schönheit,  das  zuvor  nicht  existirte  und  das  aufhört  zu 
existiren,  sobald  unsere  Urteilsthätigkeit  aufhört. 

Natürlich  fordert  das  scheinbar  Parodoxe  diese  Anschauungs- 
weise, deren  wahrer  Kern  nicht  leicht  zu  erkennen  ist,  den 
Widerspruch  der  Gegner  ebenso  heraus,  als  es  die  Anhänger 
dazu  antreibt  das  Anstößige  derselben  zu  mildern  oder  ihr  Vor- 
handensein bei  Kant  überhaupt  in  Abrede  zu  stellen.  Was  liegt 
näher  als  das  Zugeständniß,  daß,  um  jenes  harmonische  Zu- 
sammenstimmen der  Erkenntnißvermögen  überhaupt  möglich  zu 
machen,  sicherlich  um  es  thatsächlich  ins  Spiel  zu  setzen,  die 
Vorstellung  eines  angemessenen  Objectes  erforderlich  ist, 
dessen  Beschaffenheit  also  doch  nothwendig  eine  objectiv  be- 
stimmte und  bestimmbare  sein  muß.  Es  gehört  mit  zu  den 
vielfachen  Schwierigkeiten  des  Studiums  von  Kants  Kritik  der 
Urteilskraft,  daß  man  diesen  Schluß  unaufhörlich  verlangt  und 
erwartet,  und  in  dieser  Erwartung  durchaus  getauscht  wird. 
Kaum  daß  im  Ausdruck  er  vorübergehend  gestreift  wird:  wirklich 


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Von  Hermann  Baumgart.  265 


gezogen  wird  dieser  Schluß  nicht;  noch  viel  weniger  also 
kommen  die  ungemein  wichtigen  Consequenzen  zur  Ent- 
wickelung,  die  sich,  sobald  er  gezogen  ist,  nothwendig  an  ihn 
knüpfen  müssen. 

Ganz  besonders  durch  diesen  Umstand,  aber  keineswegs 
allein  durch  ihn,  wird  der  seltsame  Zustand  der  Erregung  ver- 
anlaßt, den,  wie  ich  vermuthe,  ein  Jeder  empfunden  haben  muß, 
der  sich  jemals  anhaltend  mit  dem  Studium  des  merkwürdigen 
Buches  beschäftigt  hat,  oder  dasselbe  auch  nur  versucht  hat:  ein 
Zustand,  in  dem  überzeugte  Beistimmung  mit  ebenso  über- 
zeugtem Widerspruch,  lebhafteste  Bewunderung  mit  Zweifel  und 
Mißbilligung  unaufhörlich  in  den  härtesten  Kampf  gesetzt 
werden. 

Hier  ist,  in  der  modernen  Aesthetik  wenigstens,  zum 
ersten  Male  ein  fester  Boden  für  bestimmte,  wissenschaftliche 
Erforschung  ihrer  Probleme  geschaffen  durch  die  scharfe  Unter- 
scheidung des  ästhetischen  Urteils  über  das  Schöne  von  der 
bloß  empirischen  Empfindung  des  Angenehmen  sowohl  als  von 
den  Urteilen,  die  uns  über  das  Nützliche,  das  Gute  unterrichten, 
oder  die  unsere  Erkenntniß  bereichern.  Der  Vermischung  des 
Schönen  mit  Nützlichkeitszwecken,  mit  lehrhaften  oder  moralischen 
Tendenzen  ist  hier  ein  für  allemale  in  der  Theorie  ein  Ende 
gemacht.  Hoch  erhoben  ist  das  Wesen  des  Schönen  über  das 
niedrige  Niveau  der  Ansicht,  daß  es,  lediglich  aus  der  Erfahrung 
und  Gewöhnung  sich  bildend,  nur  relative  Geltung  habe,  die 
nach  Zeiten  und  Völkern  und  Sitten,  ja  nach  Temperament,  In- 
dividualität und  Lebensalter  unaufhörlichem  Wandel  unter- 
worfen sei.  Die  ästhetische  Urteilskraft  ist  den  höchsten  Ver- 
mögen des  menschlichen  Geistes  ebenbürtig  beigesellt  und  ihrem 
Ausspruch  absolute  Gewißheit  und  ewige  und  allgemeine  Giltig- 
keit  zuerkannt. 

Dem  gegenüber  steht  nun  aber:  daß  dieses  System  vor 
Allem  die  Möglichkeit  einer  objektiven  Gesetzgebung,  also  einer 
fest  bestimmten,  durch  den  Verstand  zu  begründenden  Kritik  des 
Schönen,  ausschließt;  daß  es  ferner  sich  nicht  begnügt,  das  Schöne 

Altpr.  Mormtsuchritt  Bd.  XXIII.  Hft  3  u.  4.  18 


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Tebcr  Kantn  Kritik  der  aesthotisehen  l'rteilskrart. 


vom  Wahren  und  Guten  streng  zu  scheiden,  sondern  daß  es 
,jede  Affinität"  zwischen  seinem  Gebiet  und  dem  des  Guten 
wie  des  Wahren  leugnet;  daß  es  —  eins  der  schwersten  Be- 
denken —  die  subjectiven  Empfindungen  und  Gefühle  als 
rein  sinnliche  Vorgänge  auffaßt,  bei  denen  das  Subject  sich 
passiv  verhält,  und  die  als  pathologische  Zustände  jeder  Thätig- 
keit  der  höheren  Erkenntnißvermögen  und  namentlich  dem 
durch  die  praktische  Vernunft  bestimmten  Willen  als  Hinder- 
nisse im  Wege  stehen;  daß  es  demzufolge  „Reiz  und  Rührung" 
als  nicht  zum  Gebiete  des  Schönen  zugehörig  erklärt,  und  aus 
allen  diesen  Gründen  zusammen  das  Schöne  nicht  in  den  Ein- 
wirkungen der  Beschaffenheit  der  Dinge  erkennt,  sondern  allein 
in  dem  durch  die  Thätigkeit  der  Urteilskraft  bedingten  Vor- 
stellungszustande. 

Neben  allen  diesen  Bedenken,  denen  sich  noch  manche 
andere  hinzufügen  ließen,  ist  es  aber  ein  Bestandtheil  der  De- 
duction  dieses  ganzen  Systems,  und  zwar  grade  der  wesentlichste, 
der  Hauptpfeiler,  auf  dem  es  ruht,  der  einen  nicht  zu  besiegenden 
Zweifel  hervorruft.  Immer  aufs  Neue  kehrt  dieser  Theil  der 
Beweisführung  wieder,  in  unzähligen  Wiederholungen  wird  er 
für  jeden  neuen  Satz  als  Stützpunkt  in  Erinnerung  gebracht 
und  aufs  Neue  festgestellt,  ohne  daß,  wie  es  mir  wenigstens 
scheint,  es  der  formalen  Logik  gelänge  in  unserer  inneren 
Ueberzeugung  ihm  einen  Platz  zu  gewinnen.  Wir  sollen  im 
ästhetischen  Urteil  einer  Zweckmäßigkeit  uns  bewußt  werden, 
ohne  daß  doch  irgend  ein  Zweck  uns  dabei  ins  Be- 
wußtsein trete;  die  Einbildungskraft,  will  sagen  unser  Vor- 
stellungsvermögen,  welche  die  mannigfachen  Teile  des 
Gegenstandes  zu  einem  Ganzen  vereinigt,  soll  sich  mit  der  Re- 
flexion auf  die  Verstandesgesetze  in  uns  zu  einem  zu- 
sammenstimmenden Urteile  verbinden,  ohne  daß  doch  irgend 
ein  Begriff  dabei  in  Betracht  käme.  „Im  Gemtith"  soll 
diese  Zweckmäßigkeit  ohne  Zweck,  diese  Verstandes- 
mäßigkeit ohne  Begriffe,  zum  Bewußtsein  gelangen,  und  die 
Lust  an  diesem  Bewußtsein  der  harmonirenden  Thätigkeit  der 


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Von  Hermann  Bauragart. 


207 


Einbildungskraft  und  des  Erkenntnisvermögens  überhaupt,  nicht 
der  auf  irgend  ein  Object  gerichteten  Erkenntniß,  soll  die  eine, 
einzige,  immer  sich  gleichbleibende  Freude  am  Schönen  sein,  den 
tausend  und  abertausendfachen  Manifestationen  des  Schönen  gegen- 
über immer  qualitativ  die  gleiche,  höchstens  quantitativ  verschieden : 
das  bedeutet  doch  also,  von  den  Empfindungen,  die  durch  die 
Beschaffenheit  der  Dinge  in  uns  erzeugt  werden,  nicht  im 
mindesten  modificiert,  sondern  ein  ewig  sich  gleichbleibender 
Effect  in  dem  Zusammenwirken  der  Kräfte  unsres  geistigen 
Organismus.  Das  widerspricht  nicht  allein  aller  unsrer  Er- 
fahrung auf  das  Schroffste,  sondern  auch  der  Intuition,  die  uns 
von  dem  theoretischen  Verhältniß  dieser  Dinge  eigen  ist.  Beiden, 
dieser  Intuition  wie  unserer  Erfahrung,  ist  es  nicht  fremd,  daß 
es  ein  solches  „Lustgefühl"  in  unserm  „Gemüthe"  giebt, 
aber  wir  sind  weit  entfernt  es  mit  der  Freude  am  Schönen  für 
dasselbe  zu  halten.  Ein  solches  Lustgefühl  ist  es,  welches  die 
verstandesmäßige  Erkenntniß  des  Richtigen,  des  Wahren  be- 
gleitet: dieses  bleibt  immer  dasselbe,  mag  eine  Rechnung  zum 
stimmen  gebracht,  eine  mathematische  oder  physikalische  Auf- 
gabe gelöst,  eine  philosophische  Wahrheit  erkannt  oder  ein  neues 
Weltgesetz  gefunden  sein.  Diese  selbe  Lust  wird  uns  durch 
die  Anschauung  unmittelbar  zu  Theil,  wenn  uns  die  Re- 
sultate solcher  Erkenntniß  in  Figuren  und  Körpern  vor  Augen 
treten.  Hier  wäre  die  Zusammenstimmung  der  Vorstellungskraft 
mit  der  Verstaudesmäßigkeit,  welche  die  Kantische  Deduction 
verlangt,  vorhanden:  aber  freilich  im  Gegensatze  zu  derselben 
würde  sie  grade  auf  erkannte  Begriffe  gegründet  sein,  nur 
daß  dieselben  uns  so  völlig  geläufig  geworden  wären,  daß  wir 
ohne  sie  zu  „denken"  auf  sie  ,,zu  reflectiren"  vermöchten. 

Von  dieser  selben  Art  der  Freude  an  der  Ueberein- 
stimmung  des  Geschauten  mit  dem  Erkannten  ist  nach 
Kant  die  Freude  am  Schönen,  nur  daß  statt  des  „Erkannten" 
zu  setzen  wäre  des  ..der  Erkenntniß  Geraäßen",  auf  das  ohne 
Begriffe  die  Reflexion  in  der  Seele  gemacht  werden  soll. 

Hier  liegt,  nach  meinem  Erachten,  der  unaufgeklärte  Punkt 

18* 


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268  Ueher  Kants  Kritik  der  ästhetischen  rrteilskraft. 

m  Kants  Kritik  der  Urteilskraft,  der  uns  in  dem  ganzen  System 
nirgends  zur  völligen  Ruhe  und  Befriedigung  gelangen  läßt. 
Es  liegt  etwas  fast  mystisch  zu  Nennendes  in  diesem  von  Kant 
statuierten  Vermögen  der  „Urteilskraft",  das  uns  nur  in  seiner 
Wirkung,  nicht  in  seiner  Existenz  nachgewiesen  wird.  Fragt 
man,  wo  dasselbe  denn  nun  seinen  Sitz  hat,  so  kann  man 
aus  dem  System  nur  die  Antwort  entnehmen:  im  „Gemüth," 
oder  im  „Gefühl",  obwohl  diese  Frage  nirgends  eine  directe 
und  ausführliche  Beantwortung  findet.  Denn  im  „Gemüthe" 
oder  im  „Gefühl"  soll  ja  die  harmonische  Vereinigung  der  Thätig- 
keit  der  Einbildungskraft  mit  der  Reflexion  auf  das  Erkenntnis- 
vermögen stattfinden  und,  zum  Bewußtsein  gelangt,  die  „Lust" 
erzeugen;  und  zwar  die  Lustempfindung  des  Schönen  wenn  die 
Reflexion  auf  Verstandeserkenntniß  und  die  des  „Erhabenen" 
wenn  sie  auf  das  Vernunft gesetz  stattfindet,  beidemale 
„ohne  Begriffe"  von  der  einen  oder  dem  andern.  In  dieser 
Reflexion  auf  die  a  priori  geltenden  Principien  der  reinen  und 
der  praktischen  Vernunft  liegt  die  allgemein  verbindliche 
Geltung  der  ästhetischen  Urtheile  über  das  Schöne  und  das 
Erhabene. 

Was  haben  wir  uns  nun  nach  Kant  unter  diesem 
Vermögen  des  „Gemüthes"  zu  denken?  Ist  es  dem  Ver- 
standes- und  Vernunftvermögen  nebengeordnet,  steht  es  über 
oder  unter  ihnen?  Ist  es  selbständig  und  wie  jene  angeboren 
oder  entwickelt  es  sich  in  Abhängigkeit  von  jenen? 

So  viel  ist  sicher,  daß  jene  beiden  andern  Hauptvermögen 
in  völliger  Unabhängigkeit  von  den  Kräften  des  Gemüthes,  ja 
in  strengster  Scheidung  von  denselben  ihr  Geschäft  vollziehen, 
sowohl  die  reine  Vernunft  als  die  praktische.  Aber  nach  Kant 
begleitet  das  Gemüthsvermögen  mit  seiner  Bethätigung  die 
Thätigkeit  jener  beiden  andern  offenbar  nicht  allein  in  der  Weise, 
daß  es  in  der  Form  des  Bewußtseins  davon  Act  nimmt  und 
parallel  mit  der  Thätigkeit  jener  eine  Bewegung  in  sich  selbst 
hervorbringt,  welche  wir  Lust,  Wohlgefallen  nennen,  sondern 
es  muß  nach  Kant  schlechterdings  die  Fähigkeit  haben  die 


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Von  Hermann  Baumgart.  269 

Resultate  der  Thätigkeit  jener  beiden  Hauptvermögen 
in  sich  aufzunehmen  und  sie  festzuhalten.  Denn  wie 
sollte  es  sonst  im  stände  sein  auf  dieselben  zu  reflectiren.  An- 
geboren können  dem  „Gemüthe"  die  allgemeinen  Principien  der 
reinen  und  practischcn  Vernunft  nicht  sein;  denn  in  diesem  Falle 
müßten  sie  im  natürlichen  Gefühl  und  Begehren  unmittelbar  sich 
äußern,  wovon  das  Gegentheil  der  Fall  ist.  Es  bleibt  also  nichts 
anderes  übrig,  als  die  Annahme,  daß  das  „Gemüth"  je  länger  es 
die  Erkenntniß-  und  Vernunftthätigkeit  mit  seinem  Bewußtsein 
begleitet,  desto  mehr  zugleich  der  Gesetzgebung,  nach  welcher 
jene  beiden  arbeiten,  sich  bewußt  wird,  so  daß  es  nun  zwar 
nicht  selbst  nach  diesen  Gesetzgebungen  die  Arbeit  jener  zu 
thun  vermag,  aber  doch,  wo  es  etwas  von  dieser  Arbeit  gewahr 
wird,  die  Zugehörigkeit  derselben  sofort  zu  beurtheilen  vermag. 
In  der  That  braucht  Kant  nicht  selten  den  Ausdruck  von  einer 
„Denkthätigkeit"  des  Gemüthes.  So  in  der  Analytik  des 
Erhabenen:  (S.  110)  „Aber  was  das  Vornehmste  ist,  das  Un- 
endliche als  ein  Ganzes  auch  nur  denken  zu  können,  zeigt 
ein  Vermögen  des  Gemüthes  an,  welches  allen  Maßstab  der 
Sinne  übertrifft."  Oder:  „das  Unendliche  aber  dennoch  ohne 
Widerspruch  auch  nur  denken  zu  können,  dazu  wird  ein 
Vermögen,  das  selbst  übersinnlich  ist,  im  menschlichen  Ge- 
müth erfordert."  Und  an  einer  andern  Stelle  (S.  167):  „Die 
Vernunft  muß  an  jeder  Aeußerung  der  Natur  von  einer  dieser 
ähnlichen  Uebereinstimmung  ein  Interesse  nehmen;  folglich  kann 
das  Gemüth  über  die  Schönheit  der  Natur  nicht  nach- 
denken, ohne  sich  dabei  zugleich  interessiert  zu  finden."  Also 
„denken"  soll  das  Gemüth,  und  doch  sollen  ihm  „Begriffe" 
vollkommen  fremd  sein!  Aber  mag  man  den  Ausdruck  „denken" 
hier  auch  nur  für  uneigentlich  halten  und  darunter  eben  nur 
jene  „allgemeine  Reflexion  auf  die  Erkenntnißvermögen  über- 
haupt" verstehen,  so  bleibt  doch  auch  dieser  Begriff  gänzlich 
dunkel,  wenn  man  nicht  dem  Gemüthe  eine  der  Denkkraft 
wenigstens  analoge  Fähigkeit  zuerteilt,  Begriffe  aufzufassen, 
sie  wieder  zu  erkennen  und  darnach  ein  Urteil  zu  fällen,  was 


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270 


Ueber  Kants  Kritik  der  aestbetischen  Urteilskraft. 


wieder  dem  ganzen  System  widersprochen  würde,  und  worüber 
sich  in  demselben  keine  Aufklärung  findet. 

Ich  möchte  den  Versuch  wagen  diesen  Widerspruch  und 
mit  ihm  die  daran  sich  reihende  Kette  von  Schwierigkeiten 
aufzulösen,  weil  ich  glaube,  daß,  wenn  man  eine  Anzahl  der 
Kantsehen  Aufstellungen  als  Irrthümer  erkennt,  er  in  einem 
höheren  Sinne  zuletzt  doch  Recht  behält,  ja  daß  seine  Absicht, 
durch  die  „Kritik  der  Urteilskraft"  das  Gebäude  seines  Systems 
zu  krönen,  dann  erst  in  ihrer  ganzen  Herrlichkeit  erreicht  wird. 
Ich  würde  aber  den  Mut  zu  diesem  Versuche  nicht  haben,  wenn 
ich  nicht  die  Argumente  dazu  einem  ebenbürtigen  Genossen 
Kants  entlehnte,  mit  dessen  Geist  und  System  er  die  vielfachsten 
und  engsten  Berührungen  hatte,  dem  Kant  der  Griechen, 
Aristoteles. 

In  der  Auffassung  zweier  auf  dem  ästhetischen  Gebiet  in 
Betracht  kommender  Grundbegriffe  weicht  Kant  am  weitesten 
von  Aristoteles  ab:  in  der  Auffassung  des  Begriffs  der  subjectiven 
Empfindung  —  nti'^o^  — ,  und  des  Gefühls  der  Lust  —  r^oi'ij. 
Unter  r Empfindung"  versteht  Kant  zunächst  nur  die  bloße 
sinnliche  Wahrnehmung,  also  was  die  Griechen  Aisthesis  nen- 
nen. Von  dieser  objectiven  Empfindung  unterscheidet  er  die 
subjective,  die  durch  die  erstere  bewirkte  Bestimmung  des 
Gefühls  der  Lust  oder  Unlust,  und  nennt  diese  „Gefühl." 
Hier  bleibt  aber  eine  Lücke!  Der  sinnlichen  Wahr- 
nehmung, die  Kant  allein  Empfindung  nennen  will,  entspricht 
ein  Veränderungsvorgang  der  Seele,  dem  dann  erst  die 
Bestimmung  nach  Lust  und  Unlust  anhaftet.  Jene  Verände- 
rungsvorgänge sind  es,  die  wir  als  Empfindung  zu  be- 
zeichnen gewohnt  sind,  z.  B.  Liebe,  Zorn,  Furcht,  Hoff- 
nung, Mitleid,  Haß,  und  von  denen  wir  annehmen,  daß  sie  eben- 
sowohl berechtigt  sein  können  und  also  nothwendig  dem- 
gemäß zu  erstreben,  als  unberechtigt,  also  fehlerhaft  und 
zu  bekämpfen.  Nun  betrachtet  aber  Kant  jene  Veränderungs- 
vorgänge der  Seele,  die  die  Griechen  mit  nnih^  bezeichnen, 
indem  er  sie  „pathologische  Gefühle"  nennt,  ebenso  als  bloß 


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Von  Hermann  Baiungart. 


271 


sinnlich  wie  die  Sinnes-Empfindungen  selbst  und  ganz  ebenso 
faßt  er  die  Lust  auf,  wenn  sie  durch  äußere  Einwirkungen 
irgend  welcher  Art  erregt  wird.  Ganz  entgegengesetzt  betrachtet 
er  die  Lust  nur  in  dem  Falle,  daß  sie  dem  Bewußtsein  innerer 
Seelenzustände  entspricht,  welche  auf  ein  a  priori  geltendes 
Princip  Beziehung  haben.  Diese  Geringschätzung  der 
Empfindungsthätigkeit  an  sich  scheint  mir  der  Hauptquell 
seiner  Irrthümer  in  der  Kritik  der  Urteilskraft,  und  nicht  allein 
in  dieser,  zu  sein. 

Es  ließe  sich  hier  ein  contradictorisches,  mündliches  Ver- 
fahren zwischen  den  beiden  Philosophen  eröffnen,  das  vielleicht 
kürzer  zum  Ziele  führt.    Also  Aristoteles  würde  beginnen: 

A.:  „Mit  Unrecht  scheinst  Du  mir  die  Empfindungen.  — 
ich  meine  damit  das,  was  ich  selbst  /rciitog  nenne  —  in  denen 
das  erste  Leben  der  Seele  sich  äußert,  mit  dessen  Aufhören  sie 
selbst  wenigstens  im  Körper  zu  leben  aufhört,  so  tief  herabzu- 
setzen, daß  Du  sie  ganz  auf  die  Sinnenwelt  einschränkst  und 
ihr  jede  Verbindung  mit  dem  Logos  und  Nous  absprechen  willst. 
Ich  behaupte  im  Gegentheil,  daß  so  wie  der  Logos,  ohne  daß 
die  Aisthesis,  die  sinnliche  Wahrnehmung,  ihm  Vorstellungen 
zuführte,  welche  die  Phantasia  für  ihn  sammelt  und  aufbewahrt, 
niemals  sein  Geschäft  vollziehe  und  seine  Kraft  entwickeln 
könnte,  so  auch  der  Nous  seine  Aufgabe,  den  "Willen  zu  bestim- 
men, ohne  die  Empfindungsvorgänge  in  der  Seele  niemals  zu 
erfüllen  im  Stande  wäre,  und  daß  aus  diesem  Verkehre  der 
Empfindungen  —  der  Pathe  —  mit  dem  Nous  den  erste- 
ren  die  größten  Vortheile  erwachsen." 

K.:  „Wie  sollte  zwischen  dem  Reiche  der  Vernunft,  in 
welchem  Freiheit  herrscht,  und  dem  der  pathologischen  Ge- 
fühle und  Neigungen,  die  dem  Zwange  der  Sinnenwelt  unter- 
worfen sind,  ein  anderer  „Verkehr"  möglich  sein,  als  daß  die 
letzteren  durch  die  erstere  gedemütigt  und  niedergeschlagen 
werden!  Die  Triebfeder  der  sittlichen  Gesinnung  muß  von 
aller  sinnlichen  Bedingung  frei  sein.  Die  Vernunft  giebt  sich 
selbst  ihr  Gesetz,  das  alle  Gefühle  und  Neigungen  uuuaehsicht- 


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lieber  Kants  Kritik  der  acathetihcheu  Urteilskraft. 


lieh  verwirft.  Diesem  Gesetz  kann  gar  keine  besondere  Art  von 
Gefühl  als  vorhergehend  oder  zu  Grunde  liegend  angenommen 
werden.  Erst  im  Triumphe  des  Sieges  über  die  Empfindungen 
durch  das  moralische  Gesetz  wirkt  die  Vernunft  nun  ein  neues 
Gefühl  in  sich  selbst,  das  eben  deswegen  nur  ein  moralisches 
genannt  werden  kann:  es  ist  das  der  Achtung  vor  dem  Ge- 
setze! Dieses  Gefühl  der  Achtung  ist  aber  keineswegs  ein 
Gefühl  der  Lust.  Wäre  es  das,  wäre  es  pathologisch  und  also 
auf  den  inneren  Sinn  gegründet,  so  würde  es  vergeblich  sein, 
eine  Verbindung  desselben  mit  irgend  einer  Idee  a  priori  zu 
entdecken." 

A.:  „Halt,  lieber  Freund!  Ist  hierin  nicht  etwas  von  einer 
petitio  prineipii?  Zuerst  behauptest  Du,  keine  Empfindung,  kein 
durch  die  Sinnenwelt  erregtes  und  deshalb  also  pathologische« 
Gefühl  könne  über  die  Sinnlichkeit  hinausgehen;  dann  triffst 
Du  in  dem  Bezirk  der  Vernunft  gleichwohl  ein  „Gefühl"  an; 
anstatt  nun  zu  beweisen,  daß  dieses  Gefühl  mit  dem,  was  man 
sonst  Gefühl  nennt,  der  Gattung  nach  nichts  zu  thun  habe, 
so  daß  dieses  also  auch  niemals  aus  jenem  entstehen  könnte, 
widerholst  Du  einfach  die  Behauptung,  daß  die  Empfindungen 
für  immer  in  das  „sinnlich-pathologische"  Gebiet  eingeschlossen 
bleiben  müßten,  und  aus  diesem  Grunde  jenes  mit  der  Ver- 
nunft im  Verkehr  stehende  Pathos  von  einer  ganz  andern  Natur 
sein  müsse." 

K.:  „Sicherlich!  Das  ist  es  auch.  Was  Du  Pathos  nennst, 
hängt  immer  einem  Objecte  an,  und  ist  nothwendig  von  Ver- 
gnügen oder  Schmerz  gefolgt,  wie  Du  selbst  lehrst,  von  rfivvr^ 
oder  AtvrTf.  Das  Gefühl  der  Achtung,  von  dem  ich  rede,  ist 
nur  auf  die  Befolgung  des  Gesetzes  der  Pflicht  gegründet  und 
bringt  daher  nur  ein  moralisches  Interesse  hervor.  Wir 
stehen  unter  der  Disciplin  der  Vernunft,  deren  Verbindlichkeit 
wir  uns  keineswegs  als  eine  von  uns  selbst  schon  beliebte  oder 
beliebt  werden  könnende  vorzustellen  haben,  gleich  als  ob  wir 
es  dahin  jemals  bringen  könnten.  Es  ist  eine  stolze  Einbildung, 
wenn  wir  uns  anmaßen  gleichsam  als  Volontaire,  aus  Liebe  und 


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Vou  Hermann  Hauingart. 


273 


Zuneigung  zu  dem  Inhalte  der  Handlungen  in  Uebereinstimmung 
mit  dem  Gesetz  handeln  zu  wollen,  blos  aus  eigner  Lust  zu  dem. 
wozu  für  uns  kein  Gebot  nöthig  wäre." 

A.:  „Sehr  schön!  Ich  wäre  der  Letzte  das  zu  bestreiten! 
Man  soll  das  Gute  nur  um  des  Guten  willen  thun,  das  ayafröv, 
ort  aya&ovl  Ich  kenne  wohl  das  herrliche  „Pathos",  das  edle 
Feuer  der  Empfindung,  mit  dem  Du  diese  Lehre  vorträgst,  be- 
sonders von  der  überwältigenden  Stelle  an:  „Pflicht!  Du  erhabe- 
ner, großer  Name  u.  s.  f."  Nicht  allein  „Achtung"  für  Deine 
Person  und  Schätzung  für  Deine  Lehre,  sondern  Liebe  für  beide 
hat  mich  durchdrungen,  seit  ich  zuerst  Deine  Worte  vernahm. 

* 

Gewiss!  es  sei  der  Nous  der  Lenker  des  Begehrungsvermögens, 
dem  die  letzte  Entscheidung  allein  gebührt,  weil  allein  die  seinige 
die  unbedingt  sichere  ist.  Aber  wenn  Du  behauptest,  daß  „nie- 
mals ein  vernünftiges  Geschöpf  dahin  kommen  könnte,  alle 
moralischen  Gesetze  völlig  gern  zu  thun",  weil  das  die  Stufe 
der  Heiligkeit  wäre,  so  muß  es  doch  einen  Weg  geben  sich 
dieser  Höhe  anzunähern,  und  Du  selbst  bezeichnest  es,  wie 
ich  mich  erinnere,  als  eine  Pflicht  beständig  darnach  zu  streben, 
die  ehrfurchtsvolle  Scheu  vor  dem  Gesetz  in  Zuneigung,  die 
Achtung  in  Liebe  umzuwandeln.  Ich  müsste  mich  auch  sehr 
irren,  wenn  Du  nicht  Deinem  liebenswürdigen  Schüler  und 
Nachfolger  Schiller  es  längst  zugegeben  hättest,  daß  eine  ver- 
edelnde Cultur  der  ursprünglich  blos  sinnlichen  Empfindungen 
möglich  sei,  die  uns  jene  Stufenleiter  hinaufführen  könne,  daß 
durch  aesthetische  Erziehung  die  Neigung  wenigstens  auf  den 
Weg  zu  der  freiwilligen  Einstimmung  mit  dem  Willen  geführt 
werden  könnte,  so  daß  sie  ihm  Begleiterin  und  Stütze  würde, 
ohne  doch  je  an  seiner  Statt  der  Zügel  sich  anmaßen  zu  dürfen." 

K.:  „Mit  dieser  Einschränkung  habe  ich  es  ihm  ja  aus- 
drücklich zugestanden,  daß,  um  in  seiner  Sprache  zu  reden,  die 
Tugend  3ehr  wohl  von  den  Grazien  begleitet  sein  kann:  aber 
doch  nur  so,  daß  es  immer  nur  die  moralisch  gerichtete  Vernunft 
ist,  die  erst  durch  ihren  Einfluß  auf  die  Einbildungskraft  die 
Sinnlichkeit  mit  ins  Spiel  zieht.    In  dem  Hauptpunkt  fehlt  mir 


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274  l'ebor  Kant»  Kritik  der  ästhetischen  Urteilskralt. 

doch  bei  ihm  die  volle  Klarheit,  die  ich  verlange.  Es  klingt 
sehr  schön  von  der  aesthetischen  Cultur  reden  zu  hören,  die 
durch  ein  freies  Spiel  mit  den  Formen  der  Sinnlichkeit  Zugang 
zu  dem  Reiche  der  Freiheit  verschafft.  Aber  das  sind  bildliche 
Wendungen,  ebenso  wie  Dein  Verkehr  der  Pathe  mit  dem  Nous, 
die  keinen  strengen  Beweis  liefern.  Um  darin  fortzufahren, 
könnte  ich  sagen,  ich  sehe  da  wohl  einen  äußern  Friedensschluß 
zwischen  der  Sinnlichkeit  und  der  Vernunftfreiheit,  aber  keine 
innere  Verbindung.  Ich  bleibe  bei  meiner  Unterscheidung  der 
lediglich  sinnlichen  Empfindung  und  dem  ihr  entsprechenden 
pathologischen  Gefühle  und  des  moralischen  Gefühls,  das  seinen 
Ursprung  in  der  Moral  hat  und  von  jener  ganz  getrennter  Gat- 
tung ist." 

A.:  „Zur  rechten  Zeit  erinnerst  Du  mich  an  mein  Wort 
von  den  ndör^  und  dem  i*of  c.  Ich  sagte,  so  wie  der  Logos  ohne 
den  durch  die  Phantasia  ihm  zugeführten  Vorrath  von  Sinnes- 
wahrnehmungen, Aistheseis,  eine  leere  Form  bleiben,  niemals  in 
Thätigkeit  kommen  und  also  unentwickelt  bleiben  wurde,  so 
würde  ebensowenig  der  Nous  in  Thätigkeit  gesetzt  werden  und 
sich  entwickeln  können  ohne  die  Empfindungsbewegungen  der 
Seele,  die  ich,  wenn  ich  sie  absolut  als  Vorgänge  betrachte,  mit 
dem  Ausdruck  ndDo^  bezeichne,  mit  dem  Ausdruck  na^uma 
dagegen,  wenn  ich  die  einzelnen,  thatsächlich  so  oder  so  statt- 
findenden Empfindungen  ins  Auge  fasse.  Einer  jeden  Einwir- 
kung von  außen  her,  sei  es  durch  einen  Gegenstand,  sei  es 
durch  einen  Vorgang,  entspricht  eine  Veränderung  in  der 
empfindenden  Seele,  ein  ndihr^ia  derselben.  Wie  dieselben  nun 
auch  sonst  beschaffen  sein  mögen,  so  scheiden  sie  sich  in  zwei 
Gattungen,  sie  sind  entweder  wohlgefällig  oder  mißfällig,  von 
Lust  oder  Unlust,  rfiov^  oder  Aivnj,  begleitet;  sie  bestimmen 
daher  das  Begehrungsvermögen  entweder  positiv  oder  negativ, 
zur  diwh$  oder  qriyij,  zum  Streben  nach  einem  Ziele  oder  zur 
Abwendung  davon.  Diese  i€ttih\uaia  sind  an  sich  dem  uloyov 
tioQt'ov,  dem  vernunftlosen  Theil  der  Seele  zugehörig;  sie  sind 
verstand-  und  vernunftlos,  nicht  unvernünftig,  nur  ohne 


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Von  Hermann  Bauiugart. 


275 


Antheil  an  jenen  beiden,  nicht  ihnen  widersprechend.  Natürlich 
haben  nicht  allein  die  wirklichen  Dinge,  sondern  auch  ihre  Ab- 
bilder in  der  Phantasie  die  Kraft  die  Pathemata  hervorzurufen 
und  durch  sie  also  auch  das  Begeh rungs vermögen  in  Thätigkeit 
zu  setzen.  Mit  dem  Spiel  dieser  Kräfte  beginnt  das  Leben  der 
Seele  und  mit  demselben  gelangt  sie  zuerst  zur  Entfaltung. 
Sofort  aber  beginnen  alle  diese  Bewegungen  und  Reizungen 
nun  ihren  Einfluß  zu  üben  auf  die  beiden  Vermögen,  die  wir 
Beide  in  völliger  Uebereinstimmung  als  von  Anbeginn  in  ihr 
vorhanden  und  als  die  Gewähr  ihres  übersinnlichen  Wesens, 
ihres  göttlichen  Ursprungs  betrachten:  auf  den  Logos  und  auf 
den  Nous.  Indem  der  Logos  jenem  Spiele  zuschaut,  vergleicht 
er  nach  den  ihm  eingeborenen  Wahrheitsgesetzen  die  Bilder  der 
Dinge  und  erkennt  ihr  Wesen  entweder  als  wahrheitsgemäß  oder 
ihr  widersprechend,  als  richtig  oder  falsch.  Ebenso  beobachtet 
er  die  Pathemata  und  die  ihnen  folgenden  Begehrungsbestimmun- 
gen und  bejaht  sie  als  richtig  oder  verneint  sie  als  falsch. 
Dabei  befindet  er  sich  nun  entweder  mit  der  Empfindung  im 
Einklang,  dann  verstärkt  er  ihre  Entscheidung  durch  sein  Ge- 
wicht; oder  er  tritt  zu  derselben  in  Widerspruch,  dann  stellt 
er  mit  seinem  Einfluß  sich  ihr  entgegen.  Hat  er  nun  in  einem 
Falle  einmal  das  Uebergewicht  gewonnen  und  seinerseits  dem 
BegehrungsVermögen  die  Bestimmung  ertheilt,  so  wird  auch 
dieser  Vorgang  rückwirkend  von  einer  Veränderung  des  Empfin- 
dungsvermögens begleitet  sein.  Hier  aber  brauche  ich  Dir  nicht 
den  Beweis  zu  führen,  daß,  um  in  Deiner  Ausdrucksweise  zu 
sprechen,  es  a  priori  als  gewiß  angenommen  werden  muß:  diese 
einer  richtigen  Verstandesentscheidung  entsprechende  Empfin- 
dung kann  nicht  anders  als  wohlgefällig  sein.  Ich  selbst  nenne 
ein  solches  Pathos  einfach  ein  richtiges  —  6q!>6v  —  und  erkenne 
nach  meiner  Dir  bekannten  Lehre  als  ein  solches  dasjenige, 
welches  die  richtige  Mitte  zwischen  dem  zu  viel  und  dem  zu 
wenig,  zwischen  dem  Uebermaß  und  dem  Mangel,  —  hriQtioXi} 
und  *Um''/c  —  einhält.  Wenn  also  die  Empfindungen  von 
Hause  aus  freilich  ohne  Verstand  sind  —  aloya  — ,  so  ergiobt 


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276  Ueber  Kante  Kritik  der  aesthetischen  Urteüskrart. 

sich  hieraus,  daß  sie  doch  fähig  sind  Verstand  anzunehmen, 
sich  ihm  conforra  zu  modifizieren,  ihr  Uebermaß  abzuthun,  ihren 
Mangel  auszufüllen.  Denn  da  die  richtigen  Empfindungen 
wohlgefällig  sind,  der  Logos  aber  immer  gegenwärtig  ist,  um 
sein  verbesserndes  Geschäft  zu  betreiben,  so  ergiebt  sich,  da  man 
doch  naturgemäß  die  wohlgefälligen  Empfindungen  den  minder 
wohlgefälligen  vorziehen  wird,  daß  auf  diese  Weise  eine  Ge- 
wöhnung zu  den  richtigen  Empfindungen  eintreten  kann,  welche 
zuletzt  der  Seele  so  zu  sagen  zur  zweiten  Natur  wird.  Zwar 
wird  die  Oberaufsicht  und  in  vielen  Fällen  das  Superarbitrum 
des  Logos  niemals  entbehrt  werden  können,  aber,  worauf  es  mir 
hier  allein  ankommt,  der  Beweis  dürfte  doch  geführt  sein,  daß 
die  Empfindung  mit  dem  Logos  in  Verkehr  zu  treten  und 
seine  Gesetzgebung  wenigstens  zu  einem  Theile  in  sich  aufzu- 
nehmen fähig  ist.  Noch  einen  zweiten  Schluß  aber  möchte  ich 
hieraus  ziehen:  so  lange  die  Seele  im  Körper  lebt,  hört  sie  nicht 
auf  zu  empfinden;  kein  äußerer  Vorgang  kann  an  sie  heran- 
treten, und,  wie  wir  sehen,  auch  kein  innerer  in  ihr  sich  er- 
eignen, ohne  daß  ihm  eine  Empfindungsbewegung  entspräche. 
Daraus  ergiebt  sich,  daß  nicht,  wie  meine  Freunde  von  der  Stoa 
meinen,  der  beste  Zustand  der  Seele  der  ist,  in  dem  sie  am  wenig- 
sten empfindet,  sondern  vielmehr  der,  in  welchem  sie  am  meisten 
empfindet,  nur  vorausgesetzt,  daß  sie  alle  Empfindungen  zur 
Richtigkeit  zu  bringen  vermag.  Nicht  also  die  Empfindungen 
zu  unterdrücken,  sondern  sie  in  größter  Zahl  zu  erwecken  und 
rege  zu  halten,  aber  in  ihrer  reinsten  Gestalt,  im  richtigen  Maße, 
wäre  die  Aufgabe.  Es  ist  wie  mit  den  körperlichen  Kräften, 
welche  um  das  Leben  zu  erhalten,  Bewegung  verlangen  und 
Uebung  in  der  ihrem  "Wesen  angemessenen  richtigen  Weise; 
geschieht  das,  so  ist  das  Ergebniß  ein  Wohlgefühl,  welches 
zurückwirkend  wieder  die  gesund  erhaltende  Kraft  hat  jenes 
richtige  Gleichmaß  zu  bewahren.  —  Ich  kann  mir  nun  wohl  den 
näheren  Nachweis  ersparen,  daß  ein  ganz  ähnlicher  „Verkehr" 
zwischen  den  Empfindungen  und  dem  Nous  sich  noth wendig 
entwickeln  muß.    Wie  der  Verstand  ohne  die  Vorstellungen,  so 


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Von  Hermann  Baumgart. 


277 


würde  die  Vernunftkraft  ohne  das  Spiel  der  Empfindungen  und 
Begehrungen  ewig  eine  leere  Form  bleiben.  Die  erste  Anregung 
zu  ihrer  Bethätigung  wird  erst  durch  jenes  Spiel  hervorgerufen. 
Doch  ist  der  Kampf  zwischen  dem  Empfindungsbegehren  und 
der  Vernunftentscheidung  ein  viel  ernsterer,  ausgedehnterer  und 
heißerer,  denn  das  Princip  des  Guten,  welches  dem  Nous  ein- 
geboren ist,  tritt  in  sehr  vielen  Fällen  zu  der  vernunftlosen 
Empfindung  in  den  schroffsten  Gegensatz.  Hier  aber  bin  ich 
nun  endlich  an  der  Stelle  angelangt,  wo  ich  meine  den  Irrthum 
in  Deinem  Systeme  klar  legen  zu  können.  Die  Vernunft  frei- 
lich stellt  das  unbedingte  Gesetz  auf,  den  kategorischen  Im- 
perativ: aber  in  ihr  selbst  ist  nicht  die  Kraft  ihn  auszuführen. 
Was  die  beste  Legislative  ohne  Executive  ist,  das  sehen  wir 
an  den  zahlreichen  Weltweisen,  die  die  genaueste  Kenntniß  des 
Sittengesetzes  besitzen  ohne  doch  im  Handeln  es  ausführen  zu 
können.  Je  lebhafter  die  Empfindungen  und  in  Folge  dessen 
die  BegehniDgskräfte  in  Thätigkeit  sich  befinden,  desto  öfter 
ergeht  an  den  Anfangs  noch  unentwickelten,  dann  später  zu- 
nächst doch  auch  nur  erst  zuschauenden  Nous  die  Aufforderung 
seine  Entscheidung  dazwischen  zu  rufen,  bald  dann  kategorisch 
für  seinen  Befehl  den  Gehorsam  zu  fordern.  Aber  der  Kampf 
zwischen  der  Empfindung  und  der  ihr  entsprechenden  Neigung 
und  andererseits  dem  Vernunftgebot  ist  keineswegs  ein  solcher, 
der  nur  mit  der  Niederlage  der  einen  der  streitenden  Par- 
teien endigen  könnte.  Die  Empfindung  selbst  vermag  sich 
diesem  Gebot  zu  unterwerfen,  wie  ein  Kind  auf  die  Stimme  des 
Vaters  hörend  und  ihr  gehorsamend  (uianeff  uYLovarixdv  tov  TtaTQÖg.) 
Um  kurz  zu  sein,  schreite  ich  gleich  bis  zu  dem  letzten  Schlüsse 
vor:  so  kann  die  Empfindung  dazu  gelangen,  ebenso 
wie  das  Verstandesgesetz  auch  das  Vernunftgebot  in 
sich  aufzunehmen,  indem  sie  sich  gewöhnt,  nachdem 
sie  in  vielen  Fällen  der  Vernunft  gehorsam  das  rechte 
Maß  in  sich  selbst  erfahren  hat,  nun  unmittelbar  und 
von  selbst  dieses  rechte  Maß  zu  treffen,  sich  selbst- 
tätig richtig  zu  bewegen.    Eine  solche  Gewöhnung  kann 


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278 


l*eber  Kants  Kritik  der  aesthetischen  Urteilskraft. 


zur  festen,  ständigen  Haltung  werden,  zur  bleibenden  Gesinnung, 
zu  dem,  was,  wie  Du  weißt,  ich  mit  dem  Namen  des  „Ethos " 
bezeichne." 

K.:  „Ich  verstehe,  worauf  Du  hinauswillst!  Du  kannst  Dir 
das  Weitere  ersparen.  Du  willst  auf  diesem  Wege  den  Wider- 
spruch beseitigen,  den  Du  in  meiner  Definition  des  aesthetischen 
Urtheils  erblickst,  daß  darin  eine  Verstandes-  und  Vernunft- 
mäßigkeit ohne  Begriff  constatirt  werden  soll.  Du  ver- 
legst das  aesthetische  Urteil  in  die  einfache  Entscheidung 
der  Empfindung,  welche  durch  den  als  schön  beurteilten 
Gegenstand  erregt  wird;  in  der  Wohlgefftlligkeit  dieser 
Empfindung  soll  das  Urteil  liegen.  In  der  absoluten  Richtigkeit 
der  Empfindung  soll  also  die  Uebereinstimmung  mit  dem  aprio- 
ristischen  Princip  des  Verstandes  und  der  Vernunft  gegeben  sein. 
Wo  aber  bleibt  die  Allgemeingültigkeit  dieses  Urteils,  oder  vielmehr 
dieser  Empfindungsentscheidung,  ihre  allgemeine  Verbindlichkeit, 
auf  die  mir  Alles  ankommt?  Und  ferner,  wie  soll  es  möglich 
sein,  die  mit  ihr  verbundene  Lust,  also  die  Lust  am  Schönen, 
von  der  bloß  sinnlichen  Lust  zu  unterscheiden  ?  Wo  hörte 
das  Angenehme  auf,  wo  finge  das  Schöne  an?" 

A.:  „Ich  sehe,  in  der  Hauptsache  verstehen  wir  uns,  und 
auch  hierüber  werden  wir  uns  nun  schnell  verständigen.  Wie 
Du  das  aesthetische  Urteil,  so  erkläre  ich  diese  wohlgefällige 
Empfindungsentscheidung  über  das  Schöne  für  rein  subjectiv. 
Aber  mir  scheint  Deine  Deduction  der  Allgemeingültigkeit 
dieses  Urteils  nun  erst  recht  zur  Geltung  zu  kommen. 
Nicht  die  stärkste  und  heftigste,  sondern  die  richtigste  Em- 
pfindung ist  das  Maximum  (axQotarov),  dessen  die  Seele  hierin 
fähig  ist,  und  eine  solche  Bethätigung  der  Empfindung  erfüllt  sie 
mit  dem  Maximum  des  Wohlgefühls,  dessen  sie  fähig  ist;  denn 
es  ist,  ganz  wie  Du  es  ja  verlangst,  die  Wirkung  eines  voll- 
kommenen Zusammenstimmens  aller  obersten  Seelen- 
vermögen in  der  Thätigkeit  dieser  Empfindung,  ge- 
wissermaßen das  Bewußtsein  der  Erfüllung  der  höchsten 
Bestimmung  des  gesammten  seelischen  Organismus  in 


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Von  Hermann  Bnumgart. 


279 


diesem  Acte.  Eben  deshalb  bestreite  ich  auch  Deine  Auf- 
fassung der  Lust  als  einer  Folge  der  von  außen  erregten  Wahr- 
nehmung und  Empfindung,  der  Du  eine  lediglich  sinnliche  Natur 
zuschreibst.  Ich  habe  diese  Auffassung  dem  Plato  bestritten, 
der  die  Hedone  als  das  die  Ausfüllung  eines  Bedürfnisses  be- 
gleitende woldgefällige  Bewußtsein  definirt,  und  ich  will  meinen 
Beweis  hier  nicht  wiederholen.  Ich  betrachte  die  Lust,  die 
Hedone,  als  eine  Erscheinung  in  der  Seele,  die  ohne 
daß  die  Seele  in  irgend  einer  Thätigkeit  sich  befindet, 
in  ihr  nicht  eintreten  kann,  eine  Erscheinung  also,  die 
nur  als  Begleiterin  einer  Energie  auftritt,  aber  wie  die 
Blume  bei  der  zur  Vollkraft  gelangten  Pflanze,  wie  die 
Jugendblüthe  dem  zur  Reife  entwickelten  Organismus,  so 
sich  der  Energie  zugeseilt,  wenn  sie  in  ihrer  Art  eine 
vollendete  ist,  die  vorzüglichste  Art  der  Betätigung  an  dem 
vorzüglichsten  Gegenstande.  So  muß  es  also  ebenso  viele  Arten 
von  Freude  geben  als  es  Arten  von  Energien  giebt;  keine  einzige 
derselben  kann  also  jemals  an  sich  verwerflich  erscheinen,  selbst 
nicht  wenn  die  erregende  Energie  eine  sinnliche  ist;  vielmehr 
muß  eine  jede  dem  harmonischen  Gedeihen  des  Gesammt- 
organismus  höchst  förderlich,  ja  unentbehrlich  sein.  Verderblich 
und  zu  fliehen  wären  nur  die  falschen  Freuden,  die  eben  des- 
halb falsch  wären,  weil  sie  einer  unrichtig  ausgeübten  Energie 
an  einem  unwürdigen  Gegenstande  entsprächen.  Nach  dieser 
Theorie  also  gäbe  es  neben  den  den  Körper  betreffenden,  so- 
matischen, Arten  der  Hedone,  die  auch  ihre  volle  Berechtigung 
haben,  die  von  jenen  freilich  der  Art  nach  ganz  verschiedenen 
Erscheinungen  der  Hedone  an  der  Bethätigung  des  Logos,  des 
Nous  und  der  Aisthesis.  Ich  schweige  von  den  andern  und 
verweile  nur  bei  der  letzteren:  das  wäre  also  die  Lust  am 
Schönen. 

Ich  meine  hier  so  ganz  mit  Dir  zusammenzutreffen,  daß 
ich  garkeinen  Einspruch  mehr  erwarte.  Die  Aisthesis,  die 
Auffassungskraft  durch  die  Sinne,  wäre  das,  was  Du  die  Ein- 
bildungskraft nennst;  diese  müßte  die  vorzüglichste  sein  und 


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280 


lieber  Kants  Kritik  der  aesthetischen  Urteilskraft. 


an  dem  am  vorzüglichsten  dafür  geeigneten  Gegenstand  aus- 
geübt werden,  damit  die  Freude  am  Schönen  zu  stände  komme. 
Alles  kommt  nun  darauf  an  die  Frage  zu  beantworten:  welches 
ist  denn  nun  die  vorzüglichste  Auffassungskraft,  die 
njxtriorri  atath\a^  Dies  springt  sofort  in  die  Augen,  wenn 
man  beachtet,  daß  zwischen  dem  inneren  Empfindungsvorgang, 
dem  rcu&o^  und  der  äußern  "Wahrnehmungskraft  ein  Verhältniß 
der  "Wechselwirkung  stattfindet.  Freilich  werden  die  Em- 
pfindungsvorgänge erstlich  durch  das  allein  erregt,  was  die 
Aisthesis  der  Seele  von  den  Erscheinungen  und  Vorgängen  ver- 
mittelt. Nun  aber  existiren  sie  als  selbständige  Bewegungen  und 
erhalten  durch  den  Verkehr  mit  dem  Logos  und  dem  Nous,  der  un- 
ausgesetzt ihnen  offen  steht,  eine  ganz  veränderte  Natur,  ohne 
daß  sie  doch  ihre  ursprüngliche  und  engste  Verbindung  mit  der 
Aisthesis  jemals  aufzugeben  im  Stande  wären.  Aber  statt  daß 
sie  früher  der  Aisthesis  unterthan  waren  und  sich  nicht  zu 
bewegen  vermochten  außer  auf  deren  Veranlassung,  nehmen  sie 
umgekehrt  sie  jetzt  in  ihre  Dienste,  und  weisen  sie  an,  setzen 
sie  auch  in  den  Stand  dazu,  das  an  den  Dingen  und  Vorgängen 
aufzufinden  und  zusammenzufassen,  was  ihrem  eigenen  höheren 
Bedürfniß  entspricht.  Ein  Vorgang,  den  die  Erfahrung  des 
Lebens  täglich  bestätigt:  Der  in  seiner  Empfindung  ver- 
edelte Mensch  sieht  die  Dinge  und  Vorgänge  anders,  er  weiß 
mehr  darin  zu  entdecken,  sie  in  anderer  Weise  zu  verbinden, 
als  er  zuvor  es  vermochte.  Wir  fassen  die  Ursache  in  die  Be- 
zeichnung der  "Wirkung  zusammen,  und  nennen  ihn  aesthetisch 
gebildet.  Das  äußere  Organ  bildet  den  innern  Sinn,  dann 
aber  in  weit  höherem  Maße  noch  der  innere  Sinn  das  äußere 
Organ.  Hier  wäre  also  die  gesuchte  Zusammenstimmung  der 
Einbildungskraft  mit  den  Principien  a  priori  des  Verstandes 
und  der  Vernunft,  ohne  daß  Begriffe  dabei  ins  Spiel  kämen 
und  das  daraus  resultirende  aesthetische  Urteil:  einfach  gegeben 
in  der  richtigen,  d.  h.  denkbar  höchsten  Energie  der  Aisthesis 
im  Bunde  mit  den  Empfindungen." 

K.:  „Ich  kann  es  zufrieden  sein,  wenn  Du  Dir  alle  Mühe 


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Von  Hermann  Baumgart. 


281 


giebst,  Deine  Theorie  mit  meinem  System  in  Uebereinstimmnng 
zu  setzen.  Es  mag  also  auch  dem  aesthetischen  Urteil,  wie 
Du  es  Dir  vorstellst,  die  Allgemeingiltigkeit  a  priori  beiwohnen. 
Aber  begierig  bin  ich  zu  erfahren,  wie  es  mit  Deiner  Behauptung 
steht,  dass  auch  Du,  ganz  so  wie  ich.  es  Dir  als  ein  subjectives 
vorstellst.  Deine  ..Aisthesis",  auf  der  es  beruht,  bliebe  doch 
schlechterdings  an  die  objective  Beschaffenheit  der  Dinge  ge- 
bunden. Da  läge  also  das  Schöne  denn  doch  in  den  Dingen  und 
nicht  in  dem  beurtheilenden  Subjecte.*' 

A.:  „Mit  Nichten!  Es  scheint  nur  so.  Hier  erst  recht 
bin  ich  in  der  Lage  die  Richtigkeit  Deines  Satzes  völlig  zu  be- 
stätigen. Die  Dinge  und  Vorgange  müssen  eben  nur  die  Be- 
schaffenheit haben,  daß  sie  die  Möglichkeit,  die  Bereit- 
schaft —  die  di'vafiig  —  gewähren,  daß  die  Energie  der 
Aisthesis  sich  in  der  beschriebenen  vorzüglichsten  Weise  an 
ihnen  zu  bethätigen  im  Stande  sei!  Darin  beruht  ihrerseits  die 
„Vorzüglichkeit'',  die  sie  dazu  geeignet  macht  zur  Entstehung 
des  Schönen  mitzuwirken.  Dieses  letztere  aber  tritt,  ganz  wie 
Du  es  lehrst,  auch  nach  meiner  Ueberzeugung  nur  dadurch  in 
die  Welt,  daß  die  Energie  der  Aisthesis  sich  in  der  rechten 
Weise  dem  Dinge  gegenüber  bethätigt.  Die  Dinge,  die  wir 
schön  nennen,  erfreuen  nicht  an  sich!  Dadurch  unter- 
scheiden sie  sich  eben  von  den  sinnlich  angenehmen,  die 
das  allerdings  thun,  sondern  sie  schaffen  eben  nur  demjenigen, 
der  das  Vermögen  dazu  in  sich  entwickelt  hat,  die  Möglichkeit 
und  den  Anlaß  sich  zu  erfreuen! 

Aber  wenn  ich  Dir  hierin  völlig  beistimme,  so  muß  ich 
doch  sogleich  wieder  einen  neuen  Streitpunkt  bezeichnen :  Du 
leugnest  die  Möglichkeit  eines  objectiven  Princips  des  Schönen. 
Darin  liegt  sicherlich  viel  Wahres;  aber  das  Eine  ist  doch  von 
selbst  klar,  daß  jene  objective  Beschaffenheit,  welche  die 
Dinge  zu  Gegenständen  der  Freude  am  Schönen  geeignet  macht, 
sich  auch  objectiv  feststellen  lassen  muß  und  zwar  mit  der 
größten  Bestimmtheit!    Sollte  hierin  nicht  ein  großer  Vorzug 

Altpr.  Monatwchrift  Bd.  XXIIL  Hit  3  u.  4.  IQ 


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282  Ueber  Kante  Kritik  der  aesthetisohen  Urteilskraft. 

meiner  Anschauungsweise  vor  der  Deinen  liegen?  Hierüber  hätte 
ich  wohl  Lust  mit  Dir  eingehend  zu  disputiren. 

K.:  „Für  diesmal  laß  es  genug  sein.  Ueberdies  hast  Du 
mir  in  alledem,  was  für  mich  das  Wesentlichste  ist,  Recht  ge- 
geben. Olfen  gestanden  habe  ich  mich  um  das  Uebrige,  um  die 
Künste  mit  allem  ihrem  Raffinement,  Zeit  meines  Lebens  weniger 
gekümmert.  Euch  Griechen  lagen  diese  Dinge  ja  näher.  Wie 
ich  höre  haben  meine  Deutschen  sich  seit  meinen  Tagen  auch 
mehr  und  mehr  darauf  verlegt.  Mögen  sie!  Wenn  sie  das 
nur  nicht  vergessen,  was  vor  Allem  ihnen  einzuschärfen,  ich 
mir  zur  Aufgabe  meines  Lebens  gemacht  habe!" 


M.  H.!  Möchte  es  Allen  unvergeßlich  eingeprägt  sein, 
das  Vorbild  Kants  im  Denken  und  im  Handeln!  Möchte  er 
dem  ganzen  deutschen  Volke  das  sein,  was  —  wie  einmal 
Rosenkranz  in  einem  Briefe  an  die  Königsberger  Freunde 
Kants  schreibt  (am  22.  April  1849)  —  Kant  für  ihn  war:  das- 
selbe nämlich  was  einem  Katholiken  sein  Lieblingsheiliger 
ist!  Aber,  was  auch  kommen  möge,  des  Einen  sind  wir  sicher, 
daß  seine  Lehre  und  sein  Vorbild  unsterblich  fortleben  werden! 
Lassen  Sie  uns  dem  Andenken  unsers  großen  Mitbürgers  ein 
volles  Glas  weihen! 


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Bas  „propugnaculum  in  introitu  terre  Nattangie" 
der  Chronik  des  Dusburg  (pars  HI,  cap.  133). 

Von 

C.  Ileekherrn. 

"Während  des  Krieges,  welcher  zwischen  dem  Deutschen 
Orden  und  den  Preußen  in  Folge  des  im  Jahre  1261  begonnenen 
allgemeinen  Aufstandes  der  letzteren  mit  Erbitterung  und 
wechselndem  Erfolge  geführt  wurde,  erstürmte  der  Markgraf 
Dietrich  von  Meißen  im  Jahre  1272  eine  von  den  Preußen  ver- 
theidigte  Schanze  an  der  Grenze  Natangens,  vernichtete  dabei 
zugleich  die  Streitmacht  dieser  Landschaft  und  verheerte  diese 
darauf  so  gründlich,  daß  deren  Bewohner  sich  bald  dem  Orden 
wieder  unterwarfen.  Den  einzigen  zuverlässigen  Bericht  über 
dieses  Ereigniß  liefert  Dus bürg  und,  ihm  genau  folgend,  Jero- 
schin.  Da  diese  Chronisten  nun  aber  über  den  Ort,  an  welchem 
die  Schanze  gelegen,  deren  Erstürmung  so  wichtige  Folgen  nach 
sich  zog,  daß  unser  Interesse  an  diesem  Kriegsereignisse  erregt 
wird,  nur  solche  Angaben  machen,  daß  er  nicht  direct  festge- 
stellt, sondern  nur  durch  locale  Untersuchungen  und  Combination 
der  Nebenumstände  ermittelt  werden  kann,  so  soll  in  dem  Nach- 
stehenden die  Auffindung  des  Ortes  versucht  werden. 

Dieser  Versuch  ist  übrigens  schon  von  unsern  älteren 
Historikern  Schütz  und  Voigt  gemacht  worden.  Beide  er- 
zählen aber  Vieles,  was  offenbar  ihrer  Phantasie  entsprungen 
ist,  und  wovon  ihre  Quelle,  Dusburg,  nichts  weiß.  Ersterer 
macht  aus  der  Schanze  „eine  große  und  weitbegriffene  Festung** , 
welche  er,  durch  den  dort  befindlichen  Ort  Görken  verleitet,  an 

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284  Das  „propngnaciilnm  in  introitu  terre  Nattangie"  etc. 

die  Grenze  von  Pomesanien  verlegt ;  letzterer,  welcher  die  Kriegs- 
ereignisse dieser  Zeit  so  durcheinanderwirft,  daß  die  Kriegführung 
des  Ordens  als  eine  ganz  planlose  erscheint,  ist  unentschieden 
darüber,  ob  das  propugnaculum  eine  bei  Heiligenbeil  gelegene 
„AVehrburg"  oder  ein  zwischen  diesem  Orte  und  Brandenburg 
zu  suchender  „Verhau"  gewesen  sei.1)  Von  neueren  Forschern 
hält  v.  Winkler,  ohne  seine  Ansicht  näher  zu  begründen, 
den  Lateinerberg  bei  Heiligenbeil  für  die  fragliche  Schanze, 2) 
und  diesem  stimmt  Rogge  bei.8)  Die  drei  ersten  zu  wider- 
legen, ist  überflüssig,  weil  sie  ihre  dem  Berichte  Dusburg's 
offenbar  widersprechenden  Ansichten  durch  nichts  zu  stützen 
vermögen.  Rogge  dagegen  versucht,  seine  Behauptungen  zu  be- 
gründen, sie  sollen  daher  weiter  unten  genauer  erörtert  werden. 
Zunächst  aber  lassen  wir  Dnsburg  sprechen;  er  berichtet: 

Im  Jahre  1272  kam  Herr  Dietrich,  Markgraf  von  Meißen, 
mit  einer  Menge  von  Reisigen  in  das  Land  Preußen.  Nachdem 
er  sich  mit  dem  Landmeister  und  den  Ordensbrüdern  vereinigt 
hatte,  stieß  er  unvermuthet  (invenit),  als  er  die  Feinde  an- 
greifen wollte,  am  Eingange  (in  introitu)  in  die  Landschaft 
Natangen  auf  eine  Schanze  (propugnaculum),  besetzt  mit 
vielen  Bewaffneten,  welche  sein  Vordringen  verhinderten. 
Aber  zwei  Ordensritter,  die  Brüder  Dietrich  und  Günther 
von  Regenstein,  stellten  sich  an  die  Spitze  der  Ordensmann- 
schaft und  der  Reisigen  und  zerstörten  die  Schanze,  nachdem 
sie  alle  Vertheidiger  derselben  getödtet  oder  gefangen  genommen 
hatten.  Als  dieses  geschehen  war,  drang  der  Markgraf,  den 
Spuren  seines  Vaters  folgend,  wie  ein  unerschrockener  Löwe, 
welcher  sich  nicht  scheuet,  irgend  wem  entgegenzutreten,  mit 
dem  Heere  die  Landschaft  Natangen  betretend,  bis  zu  einem 
Markt  platze  (forum)  vor,  welcher  Gerkin  genannt  wird.  Hier 
blieb  er  drei  Tage  und  Nächte,  an  jedem  Tage  Natangen  unter 
Brand  und  Raub  durchstreifend.    Die  Zerstörung,  welche  er  an- 

1)  Gesch.  Preuß.  III,  315,  31G. 

2)  Zeitachr.  f.  d.  Gesch.  Ermlands  II,  653. 

3)  Altpr.  Monatsschr.  XIV,  588. 


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Von  C.  Beckherrn.  285 

richtete,  war  so  groß,  daß  die  Einwohner  sich  im  folgenden 
Jahre  dem  Orden  wieder  unterwarfen.  Nachdem  Alles  so  ver- 
laufen war,  kehrte  der  Markgraf  wieder  in  die  Heimat  zurück, 
jedoch  nicht  mit  der  ganzen  Zahl  der  Seinigen,  weil  zuerst 
bei  der  Erstürmung  der  Schanze  150  und  dann  bei  der  Ver- 
wüstung Natangens  50  von  seiner  Mannschaft  von  den  Preußen 
getödtet  worden  waren. 

Dieser  im  Ganzen  klare  Bericht  giebt  doch  in  Folge  seiner 
Knappheit  über  einige  wesentliche  Punkte  keine  directe  Aus- 
kunft. Zunächst  bleiben  wir  über  den  Ausgangspunkt  der 
Expedition  im  Dunkel;  da  wir  aber  das  erste  Operationsobject, 
nämlich  den  Marktplatz  Gerkin,  das  heutige  Dorf  Görken,  eine 
Meile  nordwestlich  von  Pr.  Eylau  gelegen,  kennen,  so  ist  uns 
auch  damit  ein  Anhalt  für  die  Ermittelung  der  Marschlinie  und 
des  Ausgangspunktes  gegeben.  Es  braucht  wohl  nicht  näher 
begründet  zu  werden,  daß  der  Markgraf  von  Meißen  seine 
reisige  Schaar  zunächst  nach  Elbing,  dem  damaligen  Haupt- 
hause des  Ordens  in  Preußen  und  Sitze  des  Landmeisters  ge- 
führt habe.  Von  hier  aus  stand  dem  weiteren  Vormarsche  die 
in  der  Nähe  des  Haffes  nach  Königsberg  führende  Etappen- 
straße zu  Gebote.  Diese  muß  auch  von  der  Kriegsschaar  des 
Markgrafen  benutzt  worden  sein,  denn  ein  directer  Vormarsch 
auf  das  in  der  Luftlinie  11  Meilen  entfernte  Görken  durch 
wenig  bekannte,  unwegsame  und  in  vollem  Aufstande  ihrer  Be- 
wohner befindliche  Gegenden,  in  denen  auch  nicht  eine  einzige 
Ordensburg  oder  Stadt  der  Expedition  einen  Rückhalt  gewährte, 
ist  bei  den  damaligen  Verhältnissen  unwahrscheinlich.  Selbst 
wenn  die  Schwierigkeiten,  welche  sich  einem  directen  Vor- 
marsche von  Elbing  aus  entgegenstellten,  zu  hoch  angeschlagen 
wären  und  der  Markgraf  diesen  wirklich  unternommen  hätte, 
so  würde  doch  dieser  Umstand  in  unserer  Untersuchung,  welche 
sich,  wie  weiter  unten  ausgeführt,  auf  die  Annahme  des  Aus- 
gangspunktes in  Balga  stützt,  zu  demselben  Resultate  führen; 
denn  die  beiden  Marschlinien  Elbing-Görken  und  Balga-Görken 
stoßen  in  einem  spitzen  Winkel  zusammen,  so  daß  sie  schon  in 


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286  Das  ,.propugnaculuni  in  introitu  terre  Nattangie"  etc. 

einiger  Entfernung  vor  ihrem  Vereinigungspunkte  nahe  neben 
einander  herlaufen.  An  der  erwähnten  EtappenstraBe  existirten 
damals  die  bischöfliche  Burg  und  Stadt  Braunsberg  und  die 
Ordenshäuser  Balga,  Brandenburg  und  Königsberg.  Auf  welchen 
dieser  Orte  hat  nun  der  Markgraf  seine  Unternehmung  gegen 
Görken  basirt?  Braunsberg  kommt  bei  dieser  Frage  von  vorn- 
herein als  Stadt,  und  zwar  als  bischöfliche,  nicht  in  Betrachtung, 
ebensowenig  die  Burg,  wenn  auch  beide  aus  der  Zerstörung 
durch  die  Preußen  im  Anfange  des  zweiten  Aufstandes  sich 
wieder  erhoben  haben  sollten.  Das  im  Jahre  1255  gegründete 
und  einige  Jahre  darauf  an  eine  andere  Stelle  verlegte  Ordens- 
haus Königsberg  hatte  seinen  Wirkungskreis  im  Samlande ;  seine 
Beziehungen  zu  Natangen  und  seine  Verbindungen  mit  dieser 
Landschaft,  welche  für  eine  von  dort  zu  unternehmende  Expe- 
dition in  diese  letztere  sehr  wichtig  waren,  konnten  bei  der 
kurzen  Zeit  des  Bestehens  dieses  Hauses  nur  sehr  mangelhafte 
sein,  denn  seine  Besatzung  war  entweder  mit  der  Unterdrückung 
des  Aufstandes  im  Samlande  vollauf  beschäftigt,  oder  hatte  auch 
feindliche  Angriffe  von  seinen  Mauern  abzuwehren.  Schließlich 
fällt  der  bedeutende  Umweg,  den  die  Truppen  des  Markgrafen 
zurückzulegen  hatten,  wenn  sie  ihr  Operationsobject  über  Königs- 
berg erreichen  sollten,  so  sehr  ins  Gewicht,  daß  dieser  Ort  als 
Operationsbasis  nicht  angenommen  werden  kann.4)  Branden- 
burg war  mit  geringeren  Anforderungen  an  die  Kräfte  der 
Truppe  und  mit  geringerem  Zeitverluste  zu  erreichen,  auch  lag 
es  dem  Operationsobjecte  am  nächsten;  aber  es  war  im  Jahre 
1266  von  den  Preußen  zerstört  und  erst  1268  in  Eile  wieder 
nothdürftig  aufgebauet  worden,  zur  Aufnahme  und  zum  Stütz- 
punkte einer  größeren  Heeresabtheilung  also  noch  sehr  wenig 
geeignet.  Bei  der  Besatzung  dieses  Hauses,  welche  nach  dem 
Wiederaufbau  gewiß  eine  ganz  andere,  als  die  frühere  wurde, 
darf  nur  eine  sehr  geringe  Kenntniß  der  Landschaft  Natangen 


4)  Perlbach  (Altpr.  Monatsschr.  XII,  115)  vermuthet  in  Königsberg 
den  Ausgangspunkt,  giebt  aber  keine  Gründe  dafür  au. 


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Von  C.  Becklierrn. 


2«7 


vorausgesetzt  werden.  Ein  wichtiger  Grund  für  die  Wahl 
Brandenburgs  zum  Auagangspunkte,  nämlich  die  Lage  des 
Ordenshauses  Kreuzburg  auf  der  Linie  des  Vormarsches  gegen 
Görken,  war  überdies  zu  jener  Zeit  hinfällig  geworden,  denn 
dieses  Haus  war  nach  längerer  von  Heinrich  Monte  geschickt 
geleiteter  Belagerung  der  Ausdauer  des  Feindes  im  Jahre  12(i5 
erlegen.  Von  den  oben  aufgezählten  Ordenshäusern  ist  also  noch 
Balga  in  Bezug  auf  den  in  Rede  stehenden  Zweck  zu  prüfen. 
Dieses  Haus  war  in  dieser  Gegend  Preußens  nächst  Elbing  das 
älteste,  geräumigste  und  mit  allen  zur  Kriegführung  notwen- 
digen Gegenständen  am  besten  ausgerüstete  militärische  Eta- 
blissement. Von  hier  aus  war  die  erste  Eroberung  "Warmiens, 
Samlands  und  Natangens  erfolgt  und  die  Erbauung  der  Kreuz- 
burg in  letztgenannter  Landschaft  bewirkt.  Auch  während  des 
ersten  und  während  des  zweiten  jetzt  noch  andauernden  Auf- 
standes der  Preußen  waren  Streifzüge  durch  diese  Landschaft 
von  Balga  aus  unternommen  worden,  so  z.  B.  der  im  Jahre 
1248,  welcher  mit  der  Niederlage  bei  Krücken  endigte,  der  des 
Jahres  1249  und  gewiß  noch  manche  andere,  welche  in  der 
Geschichte  nicht  verzeichnet  sind.  Die  angeführten  Umstände 
rechtfertigen  die  Annahme,  daß  bei  der  Besatzung  Balga's,  bei 
Anführern  und  Mannschaft,  eine  Kenntniß  der  localen  und 
sonstigen  Verhältnisse  der  Landschaft  Natangen  vorhanden  ge- 
wesen, wie  eine  solche  auf  den  andern  Ordenshäusern  nicht  zu 
finden  war,  und  welche  auch  durch  einen  Personenwechsel  in 
der  Besatzung  nicht  verloren  gehen  konnte,  weil  dieser  sich  doch 
immer  nur  theilweise  und  allmählich  vollzog.  Nach  allem  diesem 
kann  es  also  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  der  Markgraf  von 
Meißen  das  Haus  Balga  als  Operationsbasis  für  seine 
Unternehmung  auf  den  Rath  des  Landmeisters  gewählt  habe, 
denn  abgesehen  davon,  daß  es  das  von  Elbing  aus  am  leichtesten 
zu  erreichende  war,  fand  er  hier  Unterkunft  für  seine  Mann- 
schaft, Ersatz  für  Waffen  und  sonstiges  Kriegsmaterial,  Proviant, 
zuverlässige  Nachrichten  über  die  gesammten  Verhältnisse  Natan- 
gens, eine  praktikable  Verbindung  und  gut  unterrichtete  Führer. 


28« 


Das  ..propugnacuhun  in  introitu  terro  N'attangie"  etc. 


Nach  dieser  Feststellung  der  Operationsbasis  wird  es  an- 
gemessen sein,  daß  wir  uns  auch  noch  mit  dem  bereits  be- 
kannten engeren  Operationsobject,  dem  Marktplatze 
Görken,  beschäftigen.  Das  "Wort  forum,  Markt,  womit  Dus- 
burg den  genannten  Ort  bezeichnet,  findet  sich  in  derselben 
Anwendung  auch  in  einigen  alten  preußischen  Urkunden,  z.  B. 
in  einer  von  1287,  wo  ein  forum  Pogusanie,5)  und  in  einer 
andern  von  1326,  wo  ein  an  dem  Wege  von  Fischhausen  nach 
Medenau  gelegenes  forum  erwähnt  wird.  °)  Es  kann  demnach 
nicht  bezweifelt  werden,  daß  es  im  alten  Preußen  Orte  gab, 
welche  in  Bezug  auf  ihre  Einrichtungen  und  ihr  Verhältniß  zu 
den  übrigen  Ortschaften  des  Landes  der  Bedeutung  des  ge- 
nannten Wortes  entsprachen. 7)  Wir  übersetzen  das  Wort  forum 
gewöhnlich  einfach  durch  Markt  und  verstehen  darunter  einen 
öffentlichen  in  irgend  einer  Ortschaft  gelegenen  Platz,  auf 
welchem  Erzeugnisse  der  Landwirthschaft  und  der  Gewerbe 
feilgeboten  werden;  im  alten  Rom  aber  gab  es  neben  diesem 
Handelsforum  noch  ein  solches,  welches  zu  Volksversammlungen 
und  gerichtlichen  Handlungen  diente.  Welche  von  diesen  beiden 
Bedeutungen  dem  forum  Görken  beizulegen  sei,  muß  dahingestellt 
bleiben,  wahrscheinlich  diente  es  beiden  Zwecken.  Will  man 
einen  Nachdruck  darauf  legen,  daß  Dusburg  gerade  dieses  Wort 
zur  Bezeichnung  des  Marktplatzes  Görken  gebraucht,  während 
in  alten  Schriften  auf  derartige  Oertlichkeiten  auch  noch  ein 
anderes,  nämlich  mercatus,  angewendet  wird,8)  welches  nur  die 
Bedeutung  Handelsplatz  hat,  so  kann  man  auch  für  Görken  ein 


5)  Cod.  Warm.  I,  No.  77. 

6)  Matric.  Fischhus.  p.  39. 

7)  Ein  solcher  Markt-  und  Handelsplatz  war  auch  Truso  in  der  Um- 
gegend von  Elbing,  welcher  durch  Wulfstan's  Reisebericht  bekannt  geworden 
ist.  Dieselbe  Eigenscbaft  scheint  auch  Pr.  Mark  bei  Saalfeld  beizulegen  zu 
sein.   Vgl.  N.  Pr.  Prov.  M.  VI,  290  ff. 

8)  Vita  S.  Adalbert!  des  Erzbischofs  Brun.  Foris  projecti  veniunt  in 
mercatum,  ubi  confluxerat  unda  populorum.  Dieser  Marktplatz  scheint  im 
südwestlichen  Samlande  gelegen  zu  haben.  Zu  beuchten  ist  hier  dos  Zu- 
sammenströmen und  Treiben  einer  groBen  Volksmenge. 


I 

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Von  C.  Beckherrn. 


289 


Vorwiegen  der  politischen  und  gerichtlichen  Zwecke  annehmen.0) 
Immerhin  geht  aus  dem  Angeführten  hervor,  daß  Görken  einer 
der  bedeutendsten  und  wichtigsten  Orte  Natangens  gewesen 
sein  muß,  durch  dessen  Zerstörung  der  ganzen  Landschaft  große 
Nachtheile  zugefügt  werden  konnten.  Eine  feindliche  Heerea- 
abtheilung  durfte  darauf  rechnen,  hier  am  leichtesten  ihren 
Unterhalt  zu  finden,  und  von  hier  aus  die  ganze  Landschaft 
ausrauben  und  verwüsten  zu  können,  da  dieser  wichtige  Ort 
gewiß  mit  den  entferntesten  Punkten  der  Landschaft  durch  ver- 
hältnißmäßig  bequeme  "Wege  nach  allen  Richtungen  in  Verbin- 
dung stand.  Es  ist  demnach  einleuchtend,  daß  dieser  Ort  dem 
Markgrafen  von  Meißen  als  derjenige  bezeichnet  wurde,  dessen 
er  sich  zu  bemächtigen  hätte,  um  den  Zweck  der  Expedition 
am  schnellsten  und  sichersten  zu  erreichen. 

"Wir  stehen  nun  vor  der  Hauptfrage:  Wo  lag  das  von 
Dusburg  erwähnte  propugnaculum?  Nach  den  vorausgeschickten 
Ausführungen  kann  es  nur  westlich  von  Görken  gesucht  werden, 
und  zwar  in  dessen  Nähe,  denn  der  vonBalga  resp.  vonElbing 
gegen  Görken  in  Anmarsch  begriffene  Markgraf  stieß  zuerst  auf 
die  Schanze,  eroberte  sie  und  besetzte  dann  sogleich  diesen  Ort. 
Das  gegenwärtig  sehr  unbedeutende  Dorf  Görken  liegt  auf  der 
nordöstlichen  Absenkung  des  unter  dem  Namen  Stablack  von 
der  "Walsen  aus  der  Gegend  von  Piauten  in  nordöstlicher  Rich- 
tung bis  an  den  Pasmar  in  der  durchschnittlichen  Breite  von 
anderthalb  bis  zwei  Meilen  sich  erstreckenden  Höhenzuges.  Den 
Rücken  desselben  bilden  viele,  theils  zu  kleinen  Ketten  anein- 
andergeschlossene,  theils  ganz  isolirte,  sehr  steil  geböschte 
Hügel,  welche  absolute  Höhen  von  300  bis  688  Fuß  erreichen. 
Sein  Abfallen  nach  Nordwesten  hin  geschieht  sanft  und  ziemlich 


9)  Sollte  der  Name  des  Dorfes  Görken  etwa  zu  dem  des  urkundlich 
beglaubigten  altpreuflischen  Gottes  Curche  (Curcho,  Kurko,  Gurcho,  Gorcho) 
in  Beziehung  stehen  und  hier  ans  einem  ursprünglichen  Cultusorte  sich  ein 
Handelsort  auf  naturgemäßem  Wege  entwickelt  haben?  Beispiele  für  der- 
artige Vorgänge  liefern  viele  christliche  Kirchen  des  Mittelalters  mit  ihrer 
Kirmes. 


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290  1^  .,pro])iipnaculmn  in  introitu  torro  Nattangie"  etc. 

stetig,  auf  der  östlichen  und  nordöstlichen  Senkung  aber  treten 
steile  Ränder  auf,  welche  besonders  auf  letzterer  von  vielen  tief 
eingerissenen  Wasserlaufen  durchschnitten  werden.  Dadurch 
sind  hier  zahlreiche  Bergnasen  und  Plateauvorsprünge  gebildet 
worden,  welche  von  den  alten  Proußen  mit  Vorliebe  bei  der 
Anlegung  ihrer  Befestigungen  benutzt  wurden. 

In  geringer  Entfernung  westlich  von  dem  3800  Schritte 
südwestlich  von  Gurken  gelegenen  Dorfe  Pilzen  entspringt  der 
Kniewittbach,  fließt,  bald  ein  Ravin  mit  steilen  bis  zu  75  Fuß 
hohen  Rändern  bildend,  nach  Nordosten,  nimmt  rechts  ein  von 
Pilzen  ebenfalls  in  tiefem  Ravin  herunterkommendes  Rinnsal 
auf,  desgleichen  bei  Grundfeld  ein  anderes  links  von  Jerlauken 
her,  wendet  sich  dann  nach  Osten  und  ergießt  sich,  nachdem  er 
Görken  berührt  hat,  bei  Drangsitten  in  den  Pasmar.  Ebenfalls 
bei  Pilzen  seinen  Ursprung  nehmend,  zieht  sich  ca.  100  Schritte 
östlich  von  dem  schon  erwähnten  von  diesem  Orte  ausgehenden 
ein  zweites  Ravin  anfanglich  in  nördlicher,  dann  in  nordöst- 
licher Richtung  nach  Grundfeld  hinunter,  dessen  Rinnsal  dort 
in  den  Kniewittbach  fällt.  Auf  diese  "Weise  wird  von  dem 
hohen  rechten  Rande  des  Ravin s,  in  welchem  der  Kniewittbach 
fließt,  ein  kleines,  einen  isolirten  Bergrücken  bildendes  Stück 
abgeschnitten.  Dieser  Rücken  hat  nur  über  die  Landenge 
zwischen  den  beiden  Ravins  an  seinem  südwestlichen  Ende  von 
Pilzen  her  einen  praktikablen  Zugang,  welcher  aber  noch  durch 
eine  beide  Ravins  verbindende  Einsattelung  coupirt  wird.  Auf 
diesem  Ende  des  kleinen  isolirten  Rückens,  welches  auf  drei 
Seiten  von  den  soeben  erwähnten  Terraineinschnitten  um- 
schlossen wird,  erhebt  sich  über  den  hohen  und  steilen  Rändern 
der  Ravins  ein  Hügel  mit  den  Ueberresten  einer  alten  Schanze. 
Diese  hat  in  jüngster  Zeit  durch  Beackerung,  Kiesabstich  und 
anderweitige  Benutzung  durch  den  Besitzer  bedeutend  gelitten; 
im  Jahre  1879  konnte  aber  noch  ihre  Ausdehnung  und  ihre 
Form  im   Grundriß  und  Profil  festgestellt  werden.  10)  Die 

10)  Die  Angaben  über  die  GröJJe  und  Form  dieser  und  der  weiter 
unten  noch  zu  erwähnenden  Schanzen  beruhen  auf  Notizen  und  Croquis, 


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Von  C.  Beckherm. 


Schanze  bestand  aus  einem  geschlossenen  inneren  Werke  und 
mehreren  äußeren  "Wällen.  Ersteres,  ein  regelmäßiges  Rechteck 
von  75  und  50  Metern  Seitenlänge,  wurde  gebildet  von  vier  in 
gerader  Linie  aufgeworfenen  und  in  scharfem  rechten  Winkel 
zusammenstoßenden  Wällen,  deren  Stärke  nicht  festgestellt 
worden  ist,  deren  Höhe  aber  mindestens  15  Fuß  betragen  hat. 
Die  beiden  längeren  Fronten  waren  nach  Nordwesten  und  Süd- 
osten gekehrt.  Auf  dieser  letzteren  Seite  waren  vor  dem  Haupt- 
walle, mit  diesem  parallel,  noch  zwei  voreinanderliegende  Wälle 
aufgeworfen,  welche  sich  in  geringer  Entfernung  von  einander 
und  ebenso  vor  dem  Fuße  des  Hauptwalles  bis  an  den  etwas 
vorspringenden  Rand  des  südwestlich  gelegenen  Ravins  aus- 
dehnten, den  Hauptwall  auf  dieser  Seite  also  etwas  debordirten. 
Die  äußere  Böschung  des  äußeren  dieser  Wälle  stützte  sich  auf 
den  Rand  des  südöstlichen  Ravins.  Vor  der  nordwestlichen 
langen  Front  zeigten  sich  gleichfalls  noch  Reste  eines  parallelen, 
dem  Hauptwalle  dicht  anliegenden  Außenwalles,  welcher  größten- 
teils durch  Absturz  des  steilen  Ravinrandes  zerstört  zu  sein 
schien.  Die  beiden  kurzen  Fronten  des  geschlossenen  Haupt- 
walles waren  durch  keine  Außenwälle  verstärkt,  hier  vielmehr 
die  Hauptwälle  unmittelbar  auf  die  Ravinränder  aufgesetzt. 
Der  Lagerraum  des  Hauptwerkes  begriff  3750  Quadratmeter  in 
sich,  konnte  also  ca.  1850  Mann  als  Besatzung  aufnehmen. 
Diese  reichten  zur  Besetzung  sämmtlicher  Wälle  und  zur  Bildung 
einer  angemessenen  Reserve  vollkommen  aus. 

Folgen  wir  von  diesem  Schloßberge  aus  —  so  wird  die 
Schanze  von  den  Umwohnern  genannt  —  dem  Laufe  des  Knie- 
wittbaches in  der  Richtung  nach  seiner  Mündung,  so  treffen 
wir  nach  etwa  1000  Schritten  auf  dem  linken  Ufer  bei  dem 
Dorfe  Grundfeld  einen  zweiten  Schloßberg  an.  Bei  diesem 
Dorfe,  an  dessen  östlicher  Lisiere,  mündet,  wie  schon  oben  be- 
merkt, ein  von  Jerlauken  herkommender  unbedeutender  Bach 


welithe  der  Besitzer  von  Jerlauken,  Herr  Huhn,  der  Prussia  einzusenden  die 
Güte  hatte. 


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292  Da8  „propiignaculum  in  introitu  terre  Nattangie"  etc. 

in  den  Kniewittbach.  Die  Ravina,  in  denen  diese  beiden  Ge- 
wässer fließen,  sind  in  einem  Abstände  von  300  bis  400  Schritten 
von  ihrem  Vereinigungspunkte  durch  eine  schmale  Bodenein- 
senkung mit  einander  verbunden.  Auf  dem  in  dieser  "Weise 
abgeschnittenen  plateauartigen  Bachwinkel,  westlich  und  un- 
mittelbar neben  dem  Dorfe,  liegt  der  Schloßberg,  ein  Hügel, 
welcher  mit  einer  Schanze  gekrönt  ist.  Die  Kuppe  des  Hügels 
bildet  ein  plateauartiges  längliches  Oval,  auf  dessen  westlichem 
Ende  die  Schanze  errichtet  ist,  von  deren  Erhaltungszustand 
dasselbe  gilt,  was  darüber  schon  bei  der  von  Pilzen  bemerkt 
wurde.  Der  Grundriß  der  Schanze  von  Grundfeld  bildete  ein 
Quadrat  von  ca.  24  Metern  Seitenlänge,  ihre  Wälle  hatten  eine 
Höhe  von  mindestens  18  Fuß  und  stießen  ebenfalls  unter 
scharfen  rechten  Winkeln  zusammen.  Die  von  der  Schanze 
nicht  eingenommene  kleinere  östliche  Hälfte  der  Hügelkuppe 
schien  durch  leichte  Umwehrung  zu  einer  Vorburg  hergerichtet 
gewesen  zu  sein.  Den  Fuß  des  Hügels  umschloß  im  Süden  und 
bis  zur  Hälfte  auch  im  Osten  ein  in  flachem  Bogen  gezogener, 
von  dem  Kniewitt-  bis  zu  dem  Jerlauker  Ravin  sich  erstrecken- 
der Graben.  Dieser  schien,  nach  geringen  Ueberresten  zu 
schließen,  auf  seinem  inneren  Rande  einen  Wall  getragen  zu 
haben,  welcher  vermuthlich  sich  auch  um  den  nördlichen  Fuß 
des  Hügels  auf  dem  Rande  des  Jerlauker  Ravins  herumgezogen 
hat,  da  dieser  hier  nur  30  Fuß  hoch  ist.  Der  innere  Raum  des 
Kernwerkes  maß  576  Quadratmeter  und  konnte  250  bis  280  Mann 
aufnehmen,  welche  zur  Besetzung  seines  Walles  vollkommen, 
zur  Mitbesetzung  der  Vorburg  nothdürftig  ausreichten.  Zur 
gleichzeitigen  Besetzung  der  äußeren  Umwehrung  war  aber  eine 
sehr  zahlreiche  Mannschaft  erforderlich,  welche  allerdings  in 
dem  Räume  zwischen  Hügel  und  äußerem  Walle  genügenden 
Lagerraum  fand. 

Zur  Fortsetzung  unsrer  Untersuchung  verlassen  wir  nun 
den  Kniewittbach  und  begeben  uns  über  Jerlauken  zu  einem 
andern  kleinen  Bache,  welcher,  aus  der  Gegend  von  Sodehnen 
herunterkommend,  die  Landsberg-Kreuzburger  Landstraße  be- 


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Von  0.  Beckherrn. 


293 


gleitet  und  bei  dem  eine  Viertelmeile  nordwestlich  von  Grund- 
feld gelegenen  Dorfe  Schlauthienen  in  einen  größeren  Bach  fällt, 
welcher,  bei  Hussehneu  entspringend,  bei  Graventhien  in  den 
Pasmar  mündet.  UngefahröOO  Schritte  westlich  von  derVereinigung 
dieser  beiden  Bäche  bei  Schlauthienen  liegt  an  dem  südlichen 
Ufer  des  Hussehner  Baches  ein  dritter  Schloßberg.  In  einer 
Erweiterung  des  Kavins,  in  welchem  der  Bach  dahinfließt,  bildet 
der  südliche  ca.  40  Fuss  hohe  Band  einen  Vorsprung  in  der 
mittleren  Länge  von  60  und  Breite  von  50  Metern.  Die  frei- 
liegende breite  Seite  ist  nach  Nordosten  gewendet,  die  südöstliche 
Ecke  ist  abgerundet,  die  nordwestliche  läuft  in  einer  schmalen 
Zunge  bis  zum  Bache  aus.  Die  ehemalige  Befestigung  dieses 
Schloßberges  hat  vom  Zahne  der  Zeit  und  von  der  Hand  des 
Menschen  sehr  zu  leiden  gehabt.  Aus  den  geringen  übrig  ge- 
bliebenen Spuren  konnte  nur  noch  geschlossen  werden,  daß 
sowohl  der  nach  dem  Ravin  abfallende  Rand,  als  auch  die  sehr 
breite  Kehle  des  Vorsprunges  eine  leichte  Umwehrung  getragen 
haben  dürften.  Innerhalb  derselben  am  südöstlichen  Ende  schien 
ein  kleines  kreisförmiges  Kernwerk  mit  einem  Umfange  von 
ca.  35  Metern  gestanden  zu  haben.  Die  ganze  Befestigung 
mochte  etwa  1000  bis  1200  Menschen  Lagerraum  gewähren. 

Es  bleibt  nun  noch  die  Aufgabe,  zu  untersuchen,  ob  einer 
und  welcher  dieser  drei  Schloßberge  das  gesuchte  propugnaculum 
gewesen  sei.  Dusburg  sagt  klar  und  bestimmt,  daß  der  Mark- 
graf auf  seinem  Zuge  von  Balga  oder,  wenn  man  lieber  will, 
auch  von  Elbing  aus  nach  Görken  hin  unvermuthet  auf  eine 
Schanze  gestoßen  sei;11)  er  hat  also  von  der  Existenz  derselben 
vorher  keine  Kenntniß  gehabt.  Dieses  läßt  sich  bei  der  gründ- 
lichen Information  über  die  Zustände  und  Vorgänge  in  Natangen, 
welche  er  auf  Balga  erhalten  haben  mußte,  nur  dadurch  erklären, 
daß  die  Schanze  erst  kurz  vorher  von  den  Natangern  errichtet 
worden  ist.    Das  kann  nur  zu  dem  Zwecke  geschehen  sein, 


11)  Invenit  propugnacnlura.   In  venire  enthält  den  Begriff  des  Unver- 
motheten,  Zufälligen. 


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2f>4  Dfts  „propugnaculum  »n  introitu  terre  Nattangie"  ete. 

durch  dieselbe  den  Feind  in  seinem  Vordringen  von  Balga 
(oder  Elbing)  her  aufzuhalten  und  den  wichtigen  Markt- 
platz Görken  zu  decken,  12)  welcher  Absicht  allerdings  eine 
genaue  Kenntniß  des  Ausgangspunktes  und  Operationsobjects 
des  Feindes  vonseiten  des  Heerführers  der  Natanger  zu  Grunde 
gelegen  haben  muß.  Diese  zu  erlangen,  und  zwar  rechtzeitig, 
ist  dem  natangischen  Heerführer  sicherlich  nicht  schwer  ge- 
worden, denn  unter  den  zahlreichen  Preußen,  welche  sich  auf 
den  Ordenshäusern  theils  in  dienstlichen  Stellungen,  theils  als 
Gaste  aufhielten,  gab  es  gewiß  so  manchen  Spion  und  Verräther. 
Auch  die  Bewohner  "Warmiens,  welche  gleichfalls  Gelegenheit 
hatten,  manche  wichtige  Beobachtung  in  Bezug  auf  die  doch 
immer  einige  Tage  erfordernden  Vorbereitungen  zu  der  Expe- 
dition zu  machen,  werden  bei  ihrem  tiefen  Hasse  gegen  die 
Bedrücker  es  nicht  verabsäumt  haben,  dem  allgemein  als  Befreier 
angesehenen  Heerführer  der  Natanger  Heinrich  Monte  schleunigst 
darüber  Mittheilung  zu  machen.  Es  genügte,  wenn  er  über  den 
Plan  des  Feindes  etwa  eine  Woche  vor  dessen  Erscheinen  an 
der  Grenze  Natangens  unterrichtet  war,  um  die  Vorbereitungen 
zu  seinem  Empfange  treffen  zu  können;  die  zeitraubendste  der- 
selben, der  Bau  der  Schanze  bei  Pilzen,  konnte  mit  der  darin 
unterzubringenden  Mannschaft  bequem  in  vier  Tagen  ausgeführt 
werden.  Diese  Schanze  mußte,  wenn  sie  ihrem  Zwecke  ent- 
sprechen sollte,  erstens  auf  oder  nahe  bei  der  Marschlinie  des 
anrückenden  Feindes  liegen,  und  zweitens  mußte  sie  westlich 
von  Görken,  jedoch  nicht  zu  weit  davon  entfernt  errichtet 
worden  sein,  damit  bei  einer  etwaigen  Umgehung  vonseiten  des 
Feindes  diese  leicht  bemerkt  und  dem  Angriffe  auf  Görken  auf 

12)  Daß  diese  Schanze  keinem  dauernden,  sondern  nur  einem  vorüber- 
gehenden Zwecke  dienen  sollte,  darf  man  vielleicht  auch  aus  dem  Auadrucke, 
welchen  Dusburg  dafür  gebraucht  hat,  schließen.  Er  hat  für  die  verschie- 
denen Befestigungsanlagen  bestimmte  Bezeichnungen,  z.  B.  für  ein  passageres 
Werk  propugnaculum,  für  ein  permanentes  Castrum,  für  ein  Marachlager 
den  Plural  dieses  Wortes,  für  Verhaue  indagines.  In  einigen  wonigen  Fällen 
setzt  er  auch  Castrum  für  propugnaculum.  offenbar  ans  Unkenntnis  über 
die  Bestimmung  oder  Beschaffenheit  der  betreffenden  Befestigungen. 


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Von  C.  Beckherrn. 


295 


einem  andern  Punkte  zeitig  entgegengetreten  werden  konnte. 
Den  angegebenen  Zwecken  entspricht  am  meisten  Pilzen, 
weniger  Grundfeld  wegen  seiner  mehr  nördlichen  Lage, 13) 
während  Schlauthienen  ganz  außerachtzulassen  ist.  Daß  dieses 
sich  so  verhält,  wird  der  Blick  auf  eine  gute  Karte  (General- 
stabskarte) sofort  ergeben. 

Dusburg  berichtet  ferner,  daß  der  Markgraf  am  Eingänge 
in  die  Landschaft  Natangen  auf  das  propugnaculum  ge- 
stoßen sei,  und  daß  gleich  nach  Eroberung  desselben  das  Heer 
diese  Landschaft  betreten  habe.  Toppen 14)  konnte  bei  dem 
Mangel  an  Anhaltspunkten  die  Grenze  zwischen  Warmien  und 
Natangen  nur  in  ihrer  allgemeinen  Richtung  angeben,  hat  sie 
aber  in  seinem  Atlas  doch  so  gezogen,  daß  sie  ungefähr  Pilzen 
berühren  und  nicht  weit  von  Schlauthienen  (südwestlich)  vor- 
überziehen dürfte. 15)  Die  nordwestliche,  das  Dorf  Labehnen 
umziehende  Verlängerung  dieses  Grenzabschnittes,  welches  Dorf 
Toppen  mit  dem  in  der  Friedensurkunde  von  1249  genannten 
natangischen  Orte  Labegow  für  identisch  hält,  ist  als  feststehend 
zu  erachten,  nachdem  Perlbach  durch  eine  Urkunde  von  1394 
die  Identität  beider  Orte  nachgewiesen  hat. 10)  Dieselbe  Quelle 
nun,  aus  der  die  specielleren  Angaben  über  unsere  drei  Schanzen 
stammen  (vergl.  Anmerk.  10),  giebt  uns  ein  Mittel  an  die  Hand, 
diese  Grenze  auch  auf  der  Strecke  Schlauthienen-Pilzen  genauer 
festzustellen.  Verschiedene  Merkmale  nämlich  lassen  erkennen, 
daß  die  alten  Preußen  schon  vor  der  Ankunft  des  Deutschen 
Ordens  auf  den  Grenzen  der  Landschaften  Landwehren  errichtet 
gehabt  haben,  ob  zur  Verteidigung  oder  nur  als  feste  Grenz- 
marken, mag  dahingestellt  bleiben.  So  war  z.  B.  das  Samland 
vom  Witlande  nördlich  von  Witlandsort  durch  eine  Landwehr 


13)  Nähme  man  den  Anmarsch  des  Markgrafen  von  Elbing  her  an, 
so  würde  Grandfeld  gar  nicht  in  Betrachtung  zu  ziehen  sein. 

14)  Hist.  comp.  Geogr.  S.  19. 

15)  Auf  Voigt's  Burgenkarte  liegt  Pilzen  unmittelbar  an  der  Grenze 
innerhalb  Natangens. 

IG)  Altpr.  Monataschr.  XI,  2G4  No.  7. 


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206 


Das  „propugnaculura  in  introitn  terre  Nattangie"  etc. 


geschieden,  welche  sich  gegenwärtig  noch  als  mächtiger  Wall 
von  der  Stätte  der  ehemaligen  St.  Adalberts-Capelle  unter  dem 
Namen  Gardiene  quer  über  die  Halbinsel  bis  gegen  das  Half 
erstreckt.  17)  Es  liegen  ferner  ziemlich  sichere  Anzeigen  vor, 
die  jedoch  durch  weitere  Forschung  noch  vermehrt  werden 
müßten,  um  zu  einem  ganz  sichern  Resultate  zu  gelangen,  daß 
auch  die  Grenzen  zwischen  Barten,  Pogesanien  und  Sassen 
einerseits  und  Galindien  andererseits  schon  vor  dem  berührten 
Zeitpunkte  durch  Landwehren  markirt  waren.  Der  Orden  hat 
sie  streckenweise  in  die  befestigten  Linien  hineingezogen,  welche 
er  später  gegen  die  Einfalle  der  Litauer  anlegte.  Dem  ist  es 
zuzuschreiben,  daß  in  diesem  Theile  des  Landes  an  der  großen 
Wildniß  sich  ausgedehntere  und  bedeutendere  Spuren  der  alten 


17)  v.  Cohauaen  (Zeitschr.  f.  preuß.  Gesch.  u.  Landesk.  186«  S.  G13  ff.) 
hält  diesen  Wall  für  ein  von  den  Samländern  zu  einem  speciellen  Verthei- 
digungszwecke,  nämlich  gegen  den  auf  Samland  durch  den  Landmeister 
Heinrich  v.  Wida  zwischen  1242  und  1249  unternommenen  Angriff,  er- 
richtetes Werk.  Er  entnimmt  dieses  der  aus  Weyer's  Chronik  geschöpften 
Nachricht  bei  Hennenberger  (Erklär,  d.  Landtal'.  S.  413),  welche  folgender- 
maßen lautet:  ,.II.  v.  Wida  zoch  mit  grosser  Mannschaft  [im  Winter  über 
das  Haff]  auff  Samlandt,  aber  die  Samen  hatten  einen  starken  Hagen  von 
grossen  Beumen  und  Ricken  vom  Seestrande  an  bis  in  das  frische  Haff  ge- 
macht, den  durchhieben  die  Brüder,  sprengten  in  das  Landt,  raubten, 
branten  und  mordeten,  mitler  weil  samleten  sich  die  Samen,  machten  den 
Hagen  wieder  und  warteten  alda  dos  Meisters.  Die  Christen  aber  setzten 
freidig  in  die  Heyden,  und  wurden  auff  beyden  Seiten  viele  erschlagen, 
unter  des  durchhieben  etzliche  Christen  wiederumb  den  Hagen,  dadurch 
dränge  der  Meister  mit  dem  Hauffen,  aber  den  Raub  mußten  sie  lassen." 
Diese  Nachricht  enthält  aber  nicht  die  geringste  Andeutung  über  die  Auf- 
wertung eines  Walles,  spricht  vielmehr  nur  von  der  Herstellung  eines  Ver- 
haues aus  großen  Bäumen  und  von  Zäunen.  Es  ist  aber  sehr  wahrscheinlich, 
daß  dieser  Verhau  vor  dem  schon  vorhandenen  alten  Gren  z walle 
angelegt  und  auf  diesem  selbst  ein  Brustwehrzaun  errichtet  worden  sei,  wo- 
durch denn  eine  starke  verthoidigungsfähige  Grenz  wehr,  und  zwar  in  kurzer 
Zeit  entstanden  wäre.  Dieser  Punkt  ist  besonders  zu  beachten,  denn  die 
Samländer  konnten  unmöglich  über  Zeit  und  Ort  des  Angriffes  so  frühzeitig 
unterrichtet  sein,  daß  es  ihnen  möglich  gewesen  wäre,  außer  dem  Verhau 
auch  noch  einen  mindestens  Fuß  hohen,  30  Schritte  breiten  und  2700 
Schritte  langen  Wall  herzustellen,  zu  dem  die  Erde  nicht  einem  dem  Walle 
anliegenden  Graben,  sondern  anderweitig  entnommen  wurde. 


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Von  C.  Beckherrn. 


2i)7 


Landwehrwällo  erhalten  haben,  als  weiter  im  Innern,  wo  der 
Orden  keine  Veranlassung  hatte,  sie  zu  erhalten,  weshalb  sie 
schon  frühzeitig  der  hier  sicli  schneller  entwickelnden  Boden- 
cultur  erlagen.  Diese  Andeutungen  müssen  hier  einstweilen 
genügen,  weil  ein  näheres  Eingehen  auf  diesen  Gegenstand  zu 
weit  abführen  würde.  Nun  waren  im  Jahre  1879  noch  Bruch- 
stücke von  sogenannten  Längswällen  bei  den  Schloßbergen  von 
Pilzen  und  Schlauthienen  vorhanden,  welche  sämmtlich  eine 
Höhe  von  6  Fuß  hatten.  An  letzterem  Orte  durchsetzte  dicht 
unterhalb,  Östlich  des  Schloßberges,  ein  solcher  ca.  100  Meter 
langer  "Wall,  nur  dem  Bache  eine  Oeffhung  lassend,  das  dortige 
Ravin  in  der  Richtung  von  Nordwest  nach  Südost.  Auf  den 
höheren  Theilen  des  Terrains  schien  er  tiberall  dem  Pfluge 
erlegen  zu  sein,  in  seiner  Verlängerung  nach  Südosten  trat  er 
jedoch  in  dem  Ravin  des  Kniewittbaches  ca.  80  Meter  lang 
wieder  auf,  und  zwar  mit  derselben  Richtung  und  das  Ravin  von 
seinem  nordwestlichen  Rande  bis  zum  Ufer  des  Baches,  dem 
von  Pilzen  herabkommenden  gegenüber,  durchschneidend.  In 
seiner  ursprünglichen  Richtung  verlängert  gedacht,  würde  er 
dem  soeben  erwähnten  Ravin  vom  südwestlichen  Fuße  des 
Schloßberges  bis  zu  dessen  nach  Süden  vorspringenden  Ecke 
folgen.  Hier  trat  er  in  zwei  kurzen  Bruchstücken  an  der  daselbst 
befindlichen  Einsattelung  abermals  auf,  aber  mit  der  Richtung 
von  "Westen  nach  Osten.  In  Anbetrachtung  der  über  die  alten 
Landwehren  gemachten  Bemerkungen  dürfte  es  wohl  erlaubt 
sein,  diese  soeben  besprochene  als  einen  Theil  derjenigen  anzu- 
sehen, welche  die  Grenze  zwischen  den  Landschaften  "Warmien 
und  Natangen  bezeichnete.  Eine  Andeutung  über  das  Vor- 
handensein dieser  Landwehr  enthält  vielleicht  sogar  Dusburg's 
Bericht,  in  welchem  wir  lesen,  daß  der  Markgraf  am  Eingange 
in  die  Landschaft  Natangen  die  Schanze  angetroffen  habe, 
wörtlich:  „invenit  propugnaculum  in  introitu  terre  Nattangie."  18) 

18)  .Teroschin  schreibt: 

Im  was  gach,  er  was  gereit 
urloigis  an  di  viende  varn; 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIIL  Hft.  3  u.  4.  20 


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298  I)ns  „propngunculum  in  introitu  terre  Nattangie"  etc. 

Das  Wort  introitus  hat  die  eigentliche  Bedeutung  Eingang, 
Eintritt,  wird  aber  auch  örtlich,  also  im  Sinne  von  Thür,  Pforte 
und  dergl.  gebraucht,  mit  einer  solchen  Anwendung  verbindet 
sich  aber  unerläßlich  die  Vorstellung  eines  Raumes,  welcher  von 
einem  Gegenstande,  Mauer,  Wall  u.  s.  w.  umschlossen  ist,  worin 
allein  ein  solcher  Eingang  befindlich  sein  kann.  Wenn  nun 
Dusburg's  „introitus",  wie  auch  Jeroschin's  „inwege"  wirklich 
im  Sinne  von  Pforte,  Durchgang  u.  s.  w.  gebraucht  wäre,  wie 
es  in  der  That  der  Fall  zu  sein  scheint,  so  würde  dadurch  auch 
die  Existenz  einer  Landwehr  auf  der  Grenze  Natangens  be- 
glaubigt sein. Nach  allem  dem  muß  die  von  Töppen  gezogene 
Grenze  zwischen  Warmien  und  Natangen  als  richtig  anerkannt 

des  nam  er  au  sich  sundir  sparn 

den  meistir  und  der  brüdir  trucht 

und  nam  mit  in  di  zucht 

kegcu  Nattangin  in  daz  lant, 

an  des  inwege  er  sft  vant 

gebuwit  eine  vestin, 

di  da  allin  gestin 

di  invart  pflac  vorbitin, 

want  ei  von  den  diten 

gemannit  was  zu  grözir  wer. 
Das  „inwege"  scheint  hier  eine  Einschränkung  der  Passirbarkoit  der  Grenze 
auf  einen  bestimmten  Punkt  anzudeuten;  eine  offene,  kein  Hindern  iß  dar- 
bietende Grenze  konnte  auf  allen  Punkten  überschritten  werden. 

19)  Es  darf  hier  nicht  verschwiegen  werden,  daß  außer  den  Grenzen 
der  Landschaften  auch  die  der  kleineren  Territorien  durch  Landwehren 
markirt  gewesen  sein  müssen,  weil  letztere  in  Urkunden  an  solchen  Orten 
erwähnt  werden,  welche  von  den  uns  bekannten  Grenzen  der  Landschaften 
weit  entfernt  liegen.  So  in  einer  Urkunde  von  13G1  (Handfestb.  A.  199 
fol.  XXVI  d.  Staatsarch.  z.  Königsb.)  „dy  aide  lantwer"  zwischen  Saalau 
und  Lasenischken,  in  einer  anderen  von  1284  (Codex  dipl.  Pr.  II,  No.  6) 
„fossatum,  quod  Lantwer  vulgariter  nomiuatur"  zwischen  Braunsberg  und 
Kleinau,  ferner  in  zweien  von  1299  und  1305  (Cod.  dipL  Pr.  II  No.  60,  Ul 
No.  1)  „defensio  terre"  zwischen  Fischhausen  und  Bludau,  dann  wieder  in 
einer  von  1903  (Voigt,  Gesch.  Pr.  I,  482,  Anmerk.  4)  „locus,  quem  nos 
Lantwer  dicimus  in  vulgari"  zwischen  Altstadt  und  Königsee,  und  endlich 
von  1333  (Theilung  Samlands,  Altpr.  Monatsschr.  VII.  289)  „antiqua  fossata, 
que  eyn  Lantwer  dicuntur,  et  ille  locus  noininatur  in  prutenico  Rogarbi" 
zwischen  Rössen  und  Wiekau.  Daraus  könnte  vielleicht  der  Einwand  er- 
hoben werden,  daß  auch  tlie  zwischen  Schlauthienen  und  Pilzen  aufgefundene 


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Von  C.  Beckherrn. 


299 


werden,  20)  und  aus  ihrer  Lage  und  Richtung,  welche  durch  die 
nachgewiesene  Landwehr  noch  genauer  markirt  wird,  geht  her- 
vor, daß  der  Schloßberg  bei  Pilzen  die  fragliche  Schanze  sein 
muß,  denn  er  liegt  innerhalb  Natangens,  unmittelbar  an 
der  festgestellten  Grenze,  während  Grundfeld  weiter  im 
Innern  und  Schlauthienen  schon  außerhalb  Natangens,  in  "War- 
mien  liegt. 

Wenn  wir  auch  bei  Dusburg  bereits  genügende  Anhalts- 
punkte gefunden  haben,  um  die  gesuchte  Schanze  mit  einer  der 
drei  beschriebenen  identificiren  zu  können,  so  ist  es  zu  diesem 
Zwecke  zwar  nicht  erforderlich,  aber  doch  erwünscht,  auch  An- 
gaben über  ihre  Beschaffenheit  zu  haben.  In  diesem  Punkte 
läßt  uns  aber  Dusburg  im  Stich.  Man  kann  aus  seinem  Berichte 
höchstens  entnehmen,  daß  die  Schanze  kein  kleines  Werk  sein 
konnte,  weil  er  bemerkt,  daß  sie  mit  vielen  Bewaffneten  besetzt 
gewesen  sei,  welche  das  Vordringen  des  Markgrafen  verhinderten. 
Auch  die  Angabe  über  den  Verlust  von  150  Todten  nur  allein 
aus  der  Zahl  der  eigenen  Mannschaft  des  Markgrafen  bei  der 
Erstürmung  läßt  erkennen,  daß  diese  nicht  leicht,  die  Schanze 
vielmehr  ein  durch  Lage,  Größe  und  Bauart  starkes  Werk  ge- 
wesen sei.  In  dieser  Beziehung  hat  aber  Pilzen  unstreitig  den 
Vorrang,  während  Schlauthienen  ganz  in  den  Hintergrund  tritt. 

Landwehr  nicht  auf  der  Grenze  Natangens  gelegen,  sondern  die  eines 
kleineren,  unbekannten  Territoriums  bezeichnet  habe.  Für  diesen  Einwand 
würde  hier  aber  jeder  Anhaltspunkt  fehlen,  während  solche  für  das  Zusam- 
menfallen der  gedachten  Landwehr  mit  der  Töppenschen  Grenze  Natangens 
genügendennaßen  beigebracht  aind. 

20)  Bender  (Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  Ermlands  II,  378  ff.),  welcher  »ich 
bei  der  Bestimmung  der  Grenzen  der  alt  preußischen  Landschaften  mit  auf 
die  Kirchspielsgrenzen  stützt,  läßt  in  Folge  dessen  die  Grenze  zwischen 
Warmien  uud  Natangen  mit  der  jetzigen  östlichen  Grenze  des  Kreises 
Heiligenbeil  zusammenfallen.  In  vielen  Fällen  ist  bei  der  Abgrenzung  der 
Kirchspiele  sicherlich  auf  die  alten  Landschaftsgrenzen  Rücksicht  genommen 
worden,  in  vielen  aber  haben  locale  und  anderweitige  Verhältnisse  ebenso 
gewiß  ein  Verschieben  nach  einer  oder  der  andern  Seite  veranlaßt,  wie  solches 
bei  den  Grenzen  der  ursprünglichen  (kleineren)  Komtureien,  welche  Bender 
ebenfalls  zur  Bestimmung  der  Grenzen  der  Landschaften  heranzieht,  an 
einigen  Punkten  wirklich  nachweisbar  ist. 

20* 


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300  Das  r-proptignaenlnm  in  introitn  terro  Nattangie"'  etc. 

Das  Ergebniß  der  hiemit  abzuschließenden  Untersuchung 
ist  also:  Der  Schloßberg  bei  Pilzen  ist  als  derjenige  an- 
zusehen, welcher  dem  von  Dusburg  erwähnten  propug- 
naculum  hinsichtlich  des  Zweckes,  der  Lage  und  Be- 
schaffenheit überhaupt  und  im  Vergleiche  mit  den 
beiden  andern  beschriebenen  Schloßbergen  am  meisten 
entspricht.  Die  Verschanzungen  auf  dem  Schloßberge  bei 
Grundfeld  sind  der  regelmäßigen  Form  des  Kernwerkes  wegen 
walirscheinlich  ebenfalls  von  dem  Erbauer  der  Pilzener  Schanze 
während  des  zweiten  Aufstandes  angelegt  oder  verstärkt  worden, 
vielleicht  schon  vor  dieser,  vielleicht  auch  gleichzeitig  mit  ihr, 
und  zwar  als  Zufluchtsort  für  die  Familien  und  die  fahrende 
Habe  der  Krieger.  Der  Schloßberg  bei  Schlauthienen  dürfte  als 
befestigter  "Wohnsitz  eines  preußischen  Edelmannes  anzusehen 
sein.  Er  ist  wahrscheinlich  schon  bei  den  vorhergehenden 
Kriegszügen  zerstört  worden  und  hat  zur  Zeit  der  Unternehmung 
des  Markgrafen  in  Trümmern  gelegen.  Die  Schanze  von  Pilzen 
betreifend  muß  hier  noch  ein  Umstand  erörtert  werden,  welcher 
scheinbar  das  Resultat  der  Untersuchung  in  Frage  stellen  könnte. 
Diese  Schanze  wich  nämlich  durch  ihren  regelmäßigen,  in 
scharfen  rechten  Winkeln  gezogenen  Grundriß  von  den  alt- 
preußischen Befestigungsanlagen  ab,  welche  nur  regelmäßige 
elliptische  Umrisse  zeigen,  ferner  kreisförmige,  vierseitige  mit 
abgerundeten  Ecken,  oder  ganz  unregelmäßige,  welche  sich  der 
Formation  des  Terrains  anpassen.  Man  könnte  daher  leicht  ver- 
führt werden,  die  Pilzener  Schanze  als  ein  Werk  des  Ordens 
anzusehen,  welcher,  wenn  er  nicht  preußische  Befestigungen  um- 
änderte, neuen  Erdwerken  regelmäßige  eckige  Formen  gab.  Eine 
Erklärung  für  die  berührte  Abweichung  werden  wir  finden,  wenn 
wir  uns  erinnern,  daß  der  Erbauer  der  Pilzener  Schanze  kein 
Anderer  gewesen  sein  kann,  als  der  tüchtige  und  bewährte 
Heerführer  der  Natanger,  Heinrich  Monte. n)  Dieser  war  als 
Knabe  vom  Orden  nach  Deutschland  geschickt  und  dort  erzogen 


21)  Vgl.  Dnsbnrg  III,  89,  135. 


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Von  C.  Beckberru. 


301 


worden  22)  und  hatte  später  im  Umgange  mit  den  Ordensbrüdern 
auf  den  Ordenshäusern  in  Preußen  und  bei  deren  Kriegszügen 
Gelegenheit  gehabt,  sich  mit  jedem  Zweige  der  Kriegskunst 
und  mit  sämmtlichen  militärischen  Einrichtungen  des  Deutschen 
Ordens  vertraut  zu  machen.  Es  ist  daher  natürlich,  daß  er,  die 
Vorzüge  derselben  erkennend,  von  ihnen  nach  Möglichkeit  Ge- 
brauch machte,  als  er  an  der  Spitze  seiner  Landsleute  seinen 
ehemaligen  Lehrmeistern .  als  Feind  gegenüberstand.  Dafür 
hatte  er  z.  B.  schon  bei  der  Belagerung  Kreuzburgs  Beweise 
geliefert.  ") 

Zum  Schlüsse  noch  einige  Bemerkungen  über  die  Aus- 
führungen Rogge's,  welcher  den  Lateinerb erg  bei  Heiligen- 
beil für  das  propugnaculum  hält.  24)  Er  geht  zunächst  von  der 
Ansicht  aus,  daß  der  Lateinerberg,  also  das  propugnaculum 
Dusburg'8  das  preußische  Nationalheiligthura  gewesen  sei. 

Darauf  ist  zu  bemerken,  daß  Dusburg  in  seinem  Berichte 
diese  wichtige  Eigenschaft  der  eroberten  Befestigung,  wenn  sio 
dieselbe  besessen,  ganz  gewiß  hervorgehoben  hätte.  Im  Uebrigen 
ist  zu  vergleichen,  was  oben  auf  Seite  294  über  die  Bestimmung 
der  Schanze  gesagt  worden. 

Um  dem  Berichte  Dusburg's  in  Beziehung  auf  die  Lage 
zu  entsprechen,  nimmt  Rogge  an,  Natangen  habe  sich  bis  in  die 
Gegend  von  Heiligenbeil  erstreckt,  weil  ja  später  auch  der 
Orden  diese  Gegend  zu  Natangen  gerechnet  habe,  und  weil  die 
von  Töppen  gezogene  Grenze  nicht  sicher  begründet  sei.  Auch 
habe  schon  zur  Heidenzeit  ein  kleiner  Thoil  Ermlands,  in 
welchem  die  Orte  Haselau  und  Gedilgen  (Lateinerberg)  liegen, 
den  Namen  Natangen  geführt. 

Die  Töppensche  Grenzlinie  dürfte  nun  wohl  durch  die 
Ausführungen  auf  Seite  295—298  hinreichend  festgestellt  sein, 
und  die  Uebertragung  des  Namens  der  alten  Landschaft  Natan- 


22)  L.  c.  91. 

28)  L.  c.  89,  93,  118. 

21)  Altpr.  Muuatsschr.  XIV,  588. 


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302  Dm  „propugnaculum  in  introitu  terre  Natt«ngie"  etc. 

gen  auf  den  nördlichen  Theil  Ermlands  haben  Töppen15)  und 
Bender28)  genügend  erklärt.  "Was  das  altpreußische  Territorium 
Natangen,  das  spätere  Kammeramt  dieses  Namens  anbetrifft, 
welches  Rogge  aus  Urkunden  von  verhältnißmäßig  spätem  Datum 
(1320  und  1334)  nachweist,27)  so  ist  es,  die  Existenz  desselben 
zugestanden,  doch  schwer  glaublich,  daß  die  Preußen  in  diesem 
kleinen  in  unmittelbarer  Nähe  der  Etappenstraße  gelegenen  Ge- 
biete den  Bau  der  weitläufigen  Schanzen  des  Lateinerberges 
bei  Gedilgen  fast  unter  den  Augen  der  Besatzung  Balga's  un- 
bemerkt hätten  ausführen  können.  Allerdings  hält  Rogge  die 
vom  Markgrafen  eroberte  Schanze  für  eine  ältere  Anlage,  es  ist 
aber  oben  nachgewiesen,  daß  sie  erst  unmittelbar  vor  dem  An- 
griffe errichtet  wurde. 

Um  seine  Behauptung  auch  weiterhin  mit  Dusburg  in  Ein- 
klang zu  bringen,  bedarf  er  eines  Ortes  Görken  in  der  Nähe 
seines  propugnaculum.  Er  sagt  deshalb:  „Die  ganze  Gegend, 
um  die  es  sich  bei  uns  handelt,  hieß  Görken,  und  die  Lesart 
Cierkin  in  der  Hartknochschen  Ausgabe  weist  deutlich  genug 
auf  Schirten  (ganz  nahe  bei  Heiligenbeil)  hin." 

Diese  Behauptung  steht  in  ihrem  ersten  Theile  ganz  offen- 
bar im  Widerspruch  mit  Dusburg's  Angabe,  denn  dieser  spricht 
nicht  von  einer  ausgedehnten  Gegend,  sondern  von  einer  eng- 
begrenzten Ortschaft,  dem  Marktplatze  Görken.  Die  Herleitung 
des  Namens  des  Dorfes  Schirten  aus  der  Lesart  Cierkin  mag 
nicht  geradezu  zu  verwerfen  sein,  zumal,  wie  Rogge  nachweist, 
aus  der  ursprünglichen  Namensform  Scurbenite  die  spätere 
Skirtayn  entstand.  28)  Aber  steht  es  auch  fest,  daß  Hartknoch 
richtig  gelesen  hat?  Man  wird,  ohne  Hartknoch  zu  nahe  zu 
treten,  doch  wohl  Toppen  mehr  Vertrauen  schenken  dürfen. 

Ferner  lesen  wir  bei  Rogge:  „Es  ist  nicht  annehmbar,  daß 
damals  am  Zusammenflusse  der  Bahnau  und  Jarft  keine  Ansied- 


25)  Hist.  comp.  Geogr.  S.  200. 

26)  Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  Ermlands  II,  383  ff. 

27)  Altpr.  Monatuschr.  V,  123. 

28)  L.  c.  V,  126,  VI,  494  No.  101, 


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Von  C.  Beckherni. 


303 


lung  bestanden,  und  die  größte  "Wahrscheinlichkeit  spricht  dafür, 
daß  das  Heer  des  Markgrafen  vom  nachmaligen  Heiligenbeil  ans 
Natangen  verheert  habe." 

Hieraus  ist  ersichtlich,  daß  Rogge  außer  seinem  weiteren 
doch  noch  ein  engeres  Görken  nöthig  hat,  welches  er  nach 
Heiligenbeil  oder  Schirten  verlegt.  Zur  Probe  wollen  wir  nun 
die  Ansicht  Rogge's  zu  der  unsrigen  machen  und  das  propug- 
naculum  auf  den  Lateinerberg,  Görken  aber  nach  Heiligenbeil 
oder  Schirten  setzen.  In  diesem  Falle  konnte  der  Anmarsch 
des  Markgrafen  nur  von  Elbing  her  erfolgen.  20)  Er  marschirte 
dann  auf  der  Etappenstraße  zuerst  durch  sein  Operationsobject 
(Heiligenbeil,  Schirten)  hindurch  oder  ganz  nahe  daran  vorüber, 
ohne  eine  Ahnung  davon  zu  haben,  daß  er  sich  am  Ziele  be- 
fände, eroberte  das  propugnaculum  (Lateinerberg),  kam  nun  zur 
richtigen  Erkenntniß,  kehrte  nach  Görken  (Heiligenbeil)  zurück 
und  wendete  dann  abermals  um,  um  die  ganze  durch  Rogge 
vergrößerte  Landschaft  Natangen,  deren  entferntester  Punkt  erst 
nach  Zurücklegung  von  12  Meilen  zu  erreichen  war,  zu  durch-  ■ 
ziehen  und  gründlich  zu  verwüsten.  Und  das  alles  in  drei 
Tagen  und  größtentheils  mit  geschlossenem  Heere,  denn  eine 
Auflösung  desselben,  der  Zeitersparniß  halber,  in  kleinere  Streif- 
kommandos unter  Zurückhaltung  eines  angemessenen  Soutiens 
war  bei  der  von  Rogge  angenommenen  Ausdehnung  des  zu  ver- 
wüstenden Gebietes  ohne  äußerste  Gefährdung  der  Truppen 
nicht  ausführbar.  Ein  so  deutlich  ausgesprochenes  Ungeschick 
und  eine  so  planlose  Kriegführung,  wie  sie  sich  aus  Rogge's 
Annahme  bei  dem  Markgrafen  und  den  ihm  beigegebenen 
Ordensrittern  ergeben  müßte,  darf  man  aber  keineswegs  bei 
diesen  voraussetzen. 

Diese  Erörterung  der  Annahmen  Rogge's  dürfte  genügen, 
sie  als  unhaltbar  erscheinen  zu  lassen. 

29)  Nach  Balga  konnte  er  nicht  gelangen,  er  hätte  denn  die  stark 
besetzte  Schanze  auf  geringe  Entfernung  in  der  Flanke  und  im  Rücken 
lassen  müssen,  was  ganz  undenkbar  ist. 


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Die  Güter  Geduns 

von 

Adolf  Rogge. 

In  einer  Anmerkung  „Paul  Poles  Preuß.  Chronik"  *)  sagt 
Toeppen:  Merkwürdig  ist  die  Notiz  bei  Erwähnung  der  Güter 
Gedunes:  „Schirndinger  hat  itzt  die  gutter  zum  teil  und  Zcander 
'  von  Loden".  Ich  verstehe  sie  so:  „Zu  den  Gütern  Gedunes, 
deren  Handfeste  Pole  gekannt  zu  haben  scheint,  gehörte  auch 
Scurbenite,  nachmals  Schirten.  Poles  Schirndinger  soll  wohl 
den  Besitzer  von  Schirten  bezeichnen.  Gedune  besaß  aber  noch 
andere  Güter  wie  Pyalsede 2),  nachmals  Thomasdorf,  welche  an 
andere  Besitzer  gekommen  waren.  Der  von  Pole  angeführte 
Zcander  von  Löden  gehörte  möglicher  Weise  der  in  Braunsberg 
vorkommenden  Familie  Loyden  an." 

Diese  Ansicht  beruht  auf  einem  Irrthum,  welcher  offenbar 
durch  den  Namen  „Schirndinger''  veranlaßt  ist,  der  mit  „Schirten" 
gar  nichts  zu  thun  hat.  Moritz  Schirendinger  war  einer  der 
Edelleute,  welche  1512  den  Markgrafen  Albrecht  von  Anspach 
nach  Preußen  begleiteten8).  Schirndinger  ist  wohl  ein  Sohn 
oder  sonstiger  Verwandter  desselben,  der  nicht  auf  Schirten, 


1)  Script  rer.  Pr.  V.  S.  179  Anm.  1. 

2)  Muß  heiflen  „Pralsede". 

3)  Script,  rer.  Pr.  V.  S.  '6VJ. 


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Die  Güter  Oeduns.    Von  Adolf  Rogge. 


305 


sondern  gerade  auf  Thomasdorf  saß.  Richtig  ist  mithin  nur, 
daß  man  zu  Poles  Zeiten  noch  genau  wußte,  welche  Güter  Gedun 
verliehen  waren,  was  dann  später  in  Vergessenheit  gerieth. 
"Wie  wir  wiederholt  nachgewiesen  haben4),  wurden  1262  dem 
Preussen  Gedun  durch  den  Landmeister  Helmerich  v.  Wirzburg 
das  Dorf  Thomasdorf  (Pralsede)  und  das  Feld  Schirten  (Scurbenite) 
verliehen,  dessen  Grenzen  bei  dem  Flusse  Jarft  anfangen,  der 
die  gemeinsame  Grenze  dieser  Güter  bildet  und  sich  nach  Rehfeld 
(Sirbelauk)  hinunterziehen  sollten  6).  Die  genannten  Güter  können 
nicht  lange  im  Besitze  Geduns  oder  dessen  Erben  geblieben  sein, 
das  geht  selbst  aus  der  lückenhaften  Geschichte  hervor,  die  wir 
in  Folgendem  an  der  Hand  der  noch  vorhandenen  Urkunden 
zu  geben  gedenken. 

A.  Schirten. 

Das  Feld,  nachmalige  Dorf  Schirten,  zerfiel  in  mehrere 
Parzellen,  welche  verschiedene  Namen  trugen.  Diejenigen  der- 
selben, welche  sich  urkundlich  nachweisen  lassen,  führen  wir 
nach  einander  auf.  Das  urkundliche  Material,  mit  dem  wir 
unsere  Darstellung  belegen,  ist  größten theils  den  von  uns  „Alt- 
preußische Monatsschrift  VI  S.  467—508  und  VII  S.  97—139" 
veröffentlichten  Regesten  entnommen,  auf  die  wir  nur  durch 
Anfuhrung  der  Nummer  hinweisen  werden. 

a.  Geidaw. 

Zwei  Erbe  zu  Geidaw  wurden  den  15.  Januar  1289  dem 
Ordenstolken  Jacob  in  Balga  und  dessen  Bruder  Heinrich  vor- 
liehen. Vorher  waren  dieselben  im  Besitz  der  Brüder  Quesyge 
und  Samsange6)  gewesen.  Welche  Veränderungen  in  nächster 
Zeit  mit  diesem  Gnindstück  vor  sich  gegangen,  möge  die  nach- 
folgende Urkunde  bezeugen: 


4)  Altpr.  M.-Schr.  V.  S.  124  und  125.    XIII.  S.  2. 

5)  Mon.  Warm.  II.  S.  555. 

6)  Rogge  „das  Amt  Balga".   Altpr.  M.-Schr.  V.  S.  122.    Wir  bemerken 
bei  dieser  Gelegenheit,  daß  Gedau  mit  Gedilgen  nicht  identisch  ist. 


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306 


Die  Güter  Gcdiuis. 


„In  nomine  domini  Amen.  Ut  rei  geste  ambiguitate  qua- 
libet  propulsata  et  apud  presentes  et  apud  posteros  noticia  verior 
habeatur  Nos  frater  Ludderus  ordinis  hospitalis  beate  Marie  Mi, 
domus  Theutonicorum  generalis  Magister,  dei  gracia  natus  dux 
Brunswigii  constare  volumus  universis  presentem  paginam 
inspecturis,  quod  de  raaturo  fratrum  nostronim  consilio  et  assensu 
cum  fideli  nostro  Nicoiao  de  Gedaw  titulo  punctacionis  conveni- 
mii8  in  hunc  modum,  quod  ipse  Septem  mansos,  quos  ex  largicione 
fratris  Karoli  quondam  magistri  generalis,  sicut  in  hiis  desuper 
confectis  plenius  apparet,  in  carapo  Nathägyn  habuit,  nobis  et 
nostris  fratribus  libere  resignavit,  tradidit  et  donavit  nil  juris 
aut  inpeticionis  sibi  vel  suis  heredibus  in  eisdem  bonis  reservando. 
In  quorum  recompensam  dignam  prefato  Nicoiao  viginti  mansos 
in  campo  Growitin  7)  assignamus,  conferimus  et  donamus  predicta 
bona  ab  eodem  Nicoiao  et  suis  veris  heredibus  ac  legittimis  suc- 
cessoribus  Jure  colmensi  perpetuo  libere  et  hereditarie  possidenda. 
Item  tarnen,  quod  idem  Nicolaus  in  prenotatis  viginti  mansis 
de  quolibet  aratro  duas  mensuras,  unam  videlicet  tritici  et  aliam 
siliginis  ac  sui  posteri  domus  nostre  Balga  in  festo  —  Beati 
Martini  epi  singulis  solvant  annis.  Addicientes,  quod  hujus 
nostre  donacionis  pretextu  predictus  Nicolaus  et  sui  successores 
cum  equis  et  armis  in  terra  consuetis  ad  expediciones,  terrarum 
defensiones,  municiones  construendas  et  veteres  reformandas,  vel 
eciam  dirimendas,  contra  nostros  et  terrarum  nostrarum  quos- 
libet  invasores,  quocunque  et  quocienscunque  requisiti  fuerint 
servire  fideliter  tenebuntur.  In  quorum  vim,  evidenciam  pleniorem 
et  robur  firmitatis  perpetue  presentes  appensione  nostri  sigilli 
dedimus  communitas.  Date  Marienburgk  Anno  Dom.  M°ccc°xxx° 
quarto  in  octava  beatorum  petri  et  pauli  apostolorum  presentibus 
dilectis  nostris  fratribus  Conrado  Kesselhuyt  magno  commen- 
datore  et  provinciali  culmensi,  Theodorico  de  Aldenburgk  Mar- 
schalko,  Sifrido  hospitalario  et  commendatore  Elbingen,  Gunthero 
de  Schwartzburgk    Trappiere    et    commendatore  Kersburgen, 


7)  Gedau  Kirchspiels  Eichholz. 


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Von  Adolf  Rogge. 


307 


Ludolfo  Koningk  thesaurario,  Henrico  de  Muro  commendatore 
in  Balga,  Ruthero  de  Thalheym  commendatore  in  Brandenburgk, 
Henrico  nostro  cappellano,  Joanne,  canonico  "Warmiensi  et  plebano 
in  Frawenburgk  et  Hermanno  de  Konniata,  nostris  notariis 
et  aliis8)." 

Längere  Zeit  scheint  der  Orden  nun  Geidaw  genutzt  zu 
haben.  Wenn  1374  Gottfried  von  Linden  einem  gewissen 
Menning  sechs  Morgen  Wiesen  zu  Pobreyden  (Bregden)  verleiht 9), 
die  zuvor  Geidowen  gehört,  und  die  er  von  Ulrich  Fricke  10) 
gekauft,  so  kann  hier  nur  Nicolaus  Geidow  gemeint  sein,  der 
1330  nach  Growiten  übersiedelte. 

TJ  ms  Jahr  1429  scheint  dann  eine  Besitz  Veränderung  statt- 
gefunden zu  haben,  bei  der  man  wieder  auf  die  älteste  Ver- 
schreibung  von  1289  zurückgriff,  die  für  Otto  v.  Tiedemannsdorf 
vom  Hochmeister  Paul  v.  Rußdorf  bestätigt  wurde n),  Otto 
v.  Tiedemannsdorf,  der  1430,  wo  er  drei  Morgen  auf  der  Komp- 
wiese bei  dem  Reuschenhof  erhielt 12),  ausdrücklich  als  Besitzer 
von  Geidaw  genannt  wird,  war  auch  noch  im  Kammeramt  Zinten 
begütert.  So  erhielt  er  1435  eine  Verschreibung  über  drei  Hufen 
im  Felde  Maraunen  zu  preuß.  Recht  1S).  Er  scheint  danach  der 
Familie  Sparwin  entweder  direct,  oder  durch  Verschwägerung 
angehört  zu  haben.  Daß  er  zu  den  bedeutendem  Grundbesitzern 
des  Balgaschen  Gebietes  gehörte,  geht  schon  daraus  hervor,  daß 
er  mit  Lircho,  dem  Landkämmerer  von  Natangon  den  Gegenbrief 
Über  das  Schalbenkorn  21.  Februar  1442  unterzeichnete  Auf 

8)  Schwarzes  Hausbuch  des  Amt«  Balga  Fol.  126  vgl.  unsere  Regesten 
No.  17  und  24. 

9)  No.  &3. 

10)  Comthur  zu  Balga  4.  August  1361—7.  August  1369. 

11)  No.  49. 

12)  No.  51.  Die  Urkunde  ist  von  Jost  Strupperger.  Comthur  zu  Balga 
ausgestellt.  Zeugen:  Lephart  Preszbarger,  Hauscomthur,  Berthold  Erleboke 
Pt'crdemarschalk,  B.  Gerhard  v.  Wende,  Waldmeister  zum  Eisenberg,  Br.  Ditt- 
rich  v.  Wendenaw,  Fischmeistor,  Br.  Heinrich  Messinger  Compan,  Herr 
George,  unser  Caplan. 

13)  No.  53  vgl.  42. 

14)  Toeppen.   Acten  der  Ständetage  etc.   11.  S.  402. 


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308 


Die  Güter  Gertuns. 


dem  Landtage  zu  Marienburg,  welcher  noch  in  demselben  Jahre 
11.  October  stattfand,  begegnen  wir  bereits  dem  Sohne  des 
Vorigen,  Jorge  Tiedemannsdorf ,ö),  der  die  väterlichen  Güter  über- 
nahm und  1470  bereits  gestorben  war  Die  Ehefrau  desselben, 
Gertrud,  verkaufte  in  diesem  Jahre  die  Hälfte  von  Sparwienen, 
Hufen  zu  Dietrichsdorf  und  ihren  Antheil  an  den  Bauern 
zu  Leyden,  lauter  Sparwinsche  Besitzungen,  die  es  von  Neuem 
beweisen,  daß  die  Tiedemannsdorfs  der  alten  Preußen familie  der 
Sparwins  angehörten. 

Noch  1476  wird  ein  Jorg  Tiedemannsdorf  erwähnt,  jedenfalls 
ein  Sohn  des  Vorigen,  der  zu  Geidaw  noch  11  Haken  und  drei 
Gärten  in  Steindorf  erhielt 17),  danach  scheint  das  Geschlecht 
ausgestorben  zu  sein.  Das  schwarze  Hausbuch  bemerkt  aus- 
drücklich 1S):  „Schirtter  haben  diese  und  alle  Tiedemannsdorfsche 
gütter  ein:  Dieselben  scheinen  wieder  der  Herrschaft  angestorben 
zu  sein,  vielleicht  ums  Jahr  1501,  wo  Herzog  Albrecht  den 
Wilhelm  v.  Eppingen,  welcher  das  Dorf  Schirten  nach  Absterben 
seiner  Halbschwester  vorlangt,  vertröstet  und  ihm  das  Dorf 
„Wideraw"  verschreibt 19). 

b.  Vier  Haken  zu  Schirten 
wurden  1359  vom  Comthur  Hennig  Schindekopf  den  getreuen 
Preußen  Plaudewo  und  Velten  verliehen20). 

c.  Vier  Haken  im  Felde  Skirtayn 
verlieh  Martin  Truchseß  1482  an  Bartold  v.  Massenbach  2l). 

d.  Zwei  Hufen 

zwischen  Gedilgen  Trunkelin,  Grunwald  und  Schirten  werden 
vom  Comthur  Heinrich  Keuß  von  Plauen  1497  allen  Einwohnern 
des  Dorfs  Schirten  verschrieben22). 

15)  Ebendaselbst  S.  512. 
18)  No.  71. 

17)  No.  86. 

18)  Bei  No.  49. 
10)  No.  249. 
2m  No.  28. 

21)  No.  100. 

22)  No.  140. 


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Von  Adolf  Roggo. 


309 


e.  Monglys  oder  Candeyn 
Das  Stammgut  Geduns,  „eine  wüste  Feldmark,  dem  Orden  anheim 
gestorben4',  12  Hufen  groß,  wurde  1512  vom  Hauscomthur  Claus 
v.  Bach  an  die  Thomasdorfer  verkauft23)." 

f.  Drei  Grundstücke 
werden  1533  vom  Bischof  Georg  v.  Polenz  ausgethan  u). 

g.  Petersgut. 

Dasselbe  war  einst  vom  alten  Rathmann  Christoffel  v.  Schirten 
von  Claus  v.  Bach  gekauft.  Der  Bischof  Georg  v.  Polenz 
bestätigte  den  Kauf  1534  26). 

B.  Thomasdorf. 

Erst  164  Jahre  nach  der  Primordial- Verschreibung  des 
Gutes  erhalten  wir  durch  die  nachfolgende  Urkunde,  welche 
sich  im  Hausbuche  des  Gutes  Rossen  befindet,  eine  Nachricht 
über  dasselbe. 

„Handtveste  ober  den  Hoff  Thomasdorff." 
„Kundt  sey  allen,  die  desen  brief  sehen,  hören  oder  lesen, 
dz  Ich  Andrisz  von  Thomasdorf  habe  meinen  Leuten  zu  Thoms- 
dorf verkaufft  meinen  Hoff  daselbst  mit  dem  Acker  vnd  dem 
Walde,  der  darzu  gehört,  freye  erblich  ewiglich  zu  besitzen  zu 
demselbigen  Rechte,  alsz  ir  alden  Handtvesten  ausweisen,  aus- 
genommen den  walt  von  der  halben  hüben  bis  in  der  nehisten 
v  .  .  .  kegendeme  kurzen  stucke,  als  hierin  vorgerennist;  der 
Weyde  in  dem  "Walde  sullen  sie  was  sie  mögen  geniszen,  were 
is  auch  sache,  dasz  der  walt  vele  worden,  so  sollenn  sie  die 
nehisten  sein  in  zu  kaufen.  Des  sullen  sie  und  elire  nachkom- 
lingen  alle  Jahr  jherlich  zinsen  of  Lichtmessen  i.  m.  gewon- 
lieher  Münze  des  Landes.  "Wenn  sie  daz  nu  haben  gethan,  so 
sollen  sie  nicht  mehr  pflichtig  sein  zu  thun  von  des  Ackers 
wegen.    Gezeugen  sind  diese  nachgeschriben  erbar  Leute:  Lorentz 


23)  No.  104. 

24)  No.  189. 

25)  No.  19^. 


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310 


Die  Oüter  Geduns. 


von  Sparwien,  Niclosz  Hane  (?),  Jekel,  der  alte  Scholtz  von 
Tomszdorf,  Heinrich  Hesze,  Grosze  Albrecht,  Burger  zu  Heyligen- 
bil,  Borchard  von  Carben  und  andere  erbare  lute  viel.  Zu  merer 
gedechtnusse  habe  ich  Andress  vorgenanter  mein  Inge9iegel 
gehangen  an  diesen  kegenwortigen  brief,  der  gegeben  ist  zum 
Heyligenbil  in  der  Jahrzahl  Vnsersz  herrn  xiiijC  ihm  xxvj  Jahre 
am  Tage  S.  Matthie  des  Heiligenn  Apostilsz." 

Andreas  Thomasdorf,  der  Aussteller  obiger  Handfeste  ist 
uns  in  geschichtlichen  Urkunden  nicht  weiter  begegnet,  scheint 
aber  zur  Sippe  der  Sparwins  gehört  zu  haben,  welcher  der  erste, 
so  wie  nach  unserer  Vermuthung  auch  die  beiden  nächsten  Zeugen 
Niclosz  und  Hane*  angehörten.  Lorenz,  Hans  und  Nicolaus 
v.  Sparwin  waren  berühmte  Zeitgenossen16).  Wir  werden  in  dieser 
Vermuthung  um  so  mehr  bestärkt,  als  Lorenz,  ein  Sohn  des 
Nicolaus  Sparwien,  welcher  zuerst  1442  erwähnt  wird  und  früh 
starb,  einen  gleichfalls  früh  dahin  geschiedenen  Sohn  besaß, 
welcher  der  Erbe  eines  Antheils  von  Thomasdorf  war27). 

Dieser  Antheil  scheint  danach  in  andern  Besitz  tiber- 
gegangen zu  sein.  Am  20.  Januar  1540  kaufte  nämlich  Georg 
v.  Proeck  Thomasdorf,  „hiebe vor  Bischoffen  Thomasdorf"  genannt 
von  Caspar  v.  Scherentingen  und  Ursula,  des  jungem  Zander 
von  Loyden  Wittwe  für  1702 i/t  Mrk.  28).  Über  Caspar  v.  Scheren- 
tingen 29)  haben  wir  uns  bereits  früher  geäußert.  Wie  derselbe  in 
den  Besitz  des  Gutes  gekommen,  ist  nicht  zu  ermitteln. 

"Was  Sander  (Alexander)  v.  Loyden  anlangt,  so  gehörte 
derselbe  einer  ursprünglich  zu  Braunsberg  angesessenen,  aber 
auch  ausserhalb  des  Bisthums  begüterten  Familie  an,  in  welcher 
der  Vorname  Sander  stehend  gewesen  zu  sein  scheint.    Auf  den 


26)  v.  Mülverstedt.  Das  Geschlecht  v.  Sparwein  in  Preußen.  N.  Pr. 
Prov.  Bl.  a.  F.  IX.  S.  314.  ff.  und  Toeppen,  Akten  der  Ständetage  I.  u.  II., 
wo  das  Register  nähere  Auskunft  giebt. 

27»  v.  Mülverstedt  a.  a.  O.  S.  318. 

28)  No.  212. 

29)  In  Meckelhurgs  Adelsmatrikel  N.  Pr.  Prov.-Bl.  a.  F.  IX.  S.  145 
heißt  die  Familie  v.  Schirnding. 


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Von  Adolf  Rogge. 


311 


Ständetagen  1649/50  erscheint  ein  solcher  als  Vertreter  für 
Braunsberg80).  Ein  anderer,  wohl  der  Sohn  des  Vorigen,  starb 
ums  Jahr  1506  als  Bürgermeister  von  Braunsberg 81).  Dieser 
hatte  Barbara,  die  Tochter  des  Landrichters  Hans  v.  Proeck 
geheirathet  und  war  dadurch  der  Schwager  des  Hans  Schrande- 
keim,  Andreas  Sparwein  und  Jacob  v.  Baysen  geworden  ,2).  Ein 
Sohn  desselben  scheint  der  hier  erwähnte  jüngere  Sander  v.  Loyden 
gewesen  zu  sein,  der  vielleicht  durch  eine  Heirath  in  die  Familie 
Sparwien  zu  seinem  Besitz  in  Thomasdorf  gelangte.  Doch 
urkundlich  ist  hierüber  ebensowenig  etwas  festzustellen,  wie  über 
den  Namen  „Bischoffen  Thomasdorf'.  Da  dieser  Name  vor 
1540  nicht  vorkommt,  so  glauben  wir  kaum,  daß  derselbe  sich 
auf  die  älteste  Geschichte  des  Guts  bezieht  und  auf  die  Sage 
von  der  durch  Bischof  Anselm  umgehauenen  Curcho-Eiche  hin- 
weist, wollen  aber  nicht  unerwähnt  lassen,  daß  noch  heute  ein 
uicht  mehr  mit  Bäumen  bestandenes  Theilstück  von  Thomasdorf 
„Eichwald"  heißt. 

Nachdem  Georg  Proeck  ganz  Thomasdorf  erworben,  wurde 
das  Gut  wieder  getheilt,  durch  seinen  Sohn  Hans  aber  wieder  in 
eine  Hand  gebracht. 

Diesem  verkaufte  nämlich,  laut  Contract  d.  d.  Königsberg 
10.  Mai  1567,'3)  Friedrich  v.  Aulack  mit  Vorwissen  seines  Vaters 
und  seines  Bruders,  die  beide  den  Namen  „Caspar"  führten, 
seinen  halben  Theil  des  Dorfes  Thomasdorf,  15  Hufen,  wie  sein 
Vater  und  er  denselben  gebraucht,  gegen  3  Hufen  zu  Albrechts- 
dorf im  Pr.  Eylauschen  „die  Hans  Proyke  und  seine  Vorfahren 
von  dem  Melgedeinen  pfandweise  innegehabt  und  1500  Gulden 
(a  30  Groschen  preußisch).  Nach  Hans  v.  Proecks  Tode  kam 
Thomasdorf  in  den  Besitz  des  ältern  Sohnes  desselben  Martin, 


30)  Toeppen.   Acten  der  Standetage  PreuBens  IIL  S.  89,  137,  194,  232. 

31)  Mon.  Wann  I.  S.  154  und  194. 

32)  Rogge.   Die  Proyken.    Altpr.  Mon.-Schr.  XII.  S.  464  und  4öo. 

33)  Rossensches  Hausbuch  Fol.  87  No.  39.   Cf.  Rogge.   Die  Proyken. 
Altpr.  Mon.-Schr.  XII.  S.  4(i6. 


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312 


Die  Güter  Geanns. 


welcher  1626  ohne  männliche  Erben  starb.  Ob  Thomasdorf  auf 
einen  seiner  drei  Schwiegersöhne,  Johann  v.  Tettau,  Joachim 
v.  Below  oder  den  Burggrafen  Abraham  v.  Dohna  übergegangen  S4), 
ist  nicht  nachzuweisen.  Seit  langer  Zeit  ist  das  ehemalige 
Rittergut  ein  Dorf. 


34)  Roggc.   Die  Proyken.   1.  c.  S.  46G. 


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Insterburger  Kirchen-Nachrichten. 

Mitgetheilt  von 
Otto  Tan  Baren, 

Landgerichte-Präsident  in  Insterbnrg  1886. 

In  der  Registratur  der  Evangelisch-lutherischen  Kirche  zu 
Insterburg  befindet  sich  ein  altes  Aktenstück,  welches  auf  dem 
Deckelblatt  betitelt  ist: 

„Acta  Der  Deutsch -evangelischlutherischen  Kirche  zu 
Insterburg  Historische  Nachrichten  enthaltend.  Enthalt 
98  Folio." 

Ein  folgendes  Titelblatt  enthält  die  Ueberschrift: 

„Historische  Nachrichten   von  denen  unter  dem  Erz- 
priesterthum Insterburg  stehenden  Kirchen." 
An  das  Deckelblatt  ist  ein  blaues,  jetzt  schon  sehr  be- 
schädigtes   Etikett   (Aktenschwanz)    angeklebt,    welches  be- 
schrieben ist: 

„Acta  specialia  Mixta  Historische  Nachrichten  von  1644 
ab.  No.  1  Fach  XIII.  Litt.  A." 
Die  Eintheilung  der  Kirchen -Registratur  in  „Fächer"  und 
„Litterae"  ist  längst  nicht  mehr  vorhanden,  und  es  hat  Mühe 
gekostet,  das  erwähnte  Aktenstück  aus  der,  zur  Zeit  (1885) 
völlig  ungeordneten  „Registratur"  der  lutherischen  Kirche  heraus- 
zufinden. Dies  im  Uebrigen  gut  erhaltene  Aktenstück  hat  eine 
gewisse  Berühmtheit  erlangt,  weil  es  von  mehreren  Forschern 
der  Gesehichte  Insterburg's  als  Quelle  benutzt  worden  ist.  So 
hat  es  1848  dem  Verfasser  der  Aufsätze  „Ueber  Georgonburg 

Altpr.  Monat »achrilt  B.l.  XXIII.  Hft.  D  a.  4.  21 


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314 


Insterbnrger  Kirchen-Nachrichten. 


bei  Insterburg"  und  über  „Althof -  Insterburg"  F.  Zschocke1) 
vorgelegen;  ebenso  dem  Verfasser  der  „Historischen  statistichen 
Nachrichten  über  die  Stadt  Insterburg"  J.  A.  Kossmann  18442) 
und  dem  Verfasser  der  im  Besitz  des  Magistrats  befindlichen 
handschriftlichen  Chronik  der  Stadt  Insterburg  Dr.  Friedrich 
von  Kruse  1861.  Andere  Schriftsteller  und  Forscher  haben 
die  von  Zschocke  aus  dem  gedachten  Aktenstück  entnommenen 
Notizen  aufgenommen  und  benutzt;  so  X.  v.  Hasenkamp  in  seiner 
historischen  Abhandlung  „Ostpreussen  unter  dem  Doppelaar."3) 
A.  Rogge  erwähnt  das  Aktenstück  wiederum  in  seinem  Auf- 
satz „Der  Schreibkalender  des  Erzpriesters  Hahn."4)  Es  erscheint 
daher  an  der  Zeit,  den  Inhalt  dieses  wichtigen  Aktenstückes 
weiteren  Kreisen  zugänglich  zu  machen. 

Ueber  die  Einrichtung  des  Aktenstückes  ist  folgendes  vor- 
anzuschicken. 

Dasselbe  ist  angelegt  und  von  Blatt  1  bis  30  eigenhändig 
geschrieben  von  dem  Erzpriester  Benedictus  Friedrich  Hahn, 
welcher  von  1733  ab  erster  Prediger  an  der  lutherischen 
Kirche  in  Insterburg  und  Erzpriester  (Superintendent)  war.5) 
Er  hat  zunächst,  wie  er  es  über  die  erste  Seite  geschrieben: 

„Einige  Nachrichten,  welche  aus  den  Insterburgischen 
Alten  Kirchenrechnungen  in  Kirchensachen  extrahiret 
sind" 

zusammengestellt,  indem  er  auf  der  linken  gebrochenen  Seite  des 
ganzen  Bogens  eine  Kolonne  „Anno"  ausfüllte,  daneben  die  betr. 
Notiz  schrieb  und  auf  der  anderen  Seite  des  Bogens,  oder  auch 
zwischen  die  weitläuflig  geschriebenen  Notizen,  später  Zusätze 
machte.  Je  näher  die  Notizen  der  Lebenszeit  des  Erzpriesters 
Hahn  selbst  kommen,  etwa  vom  Beginn  des  18.  Jahrhunderts 


1)  Neue  Preuflische  Provinzialblätter  Bd.  6  S.  70.  Bd.  8  S.  321. 

2)  S.  19.  Anm.  S.  41. 

3)  Neue  PrunJ.  Prov.-Blatter  dritte  Folge  Bd.  7  S.  162  Anm. 

4)  Altprenß.  Monatsschrift  Bd.  20  S.  644. 

6)  Friedrich  Pastenaci,  Historische  Nachrichten  von  allen  im  König- 
reich PrcuJen  befindlichen  Kirchen  und  Predigern.    Königsberg  1757  S.  29. 


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Von  van  Riren.  315 

* 

an,  je  ausfuhrlicher  werden  sie  und  nehmen  zuletzt  die  Gestalt 
einer  Chronik  an,  die  auf  Grund  eigener  Erlebnisse  und  zu- 
verlässiger Nachrichten  sorgfaltig  und  im  Hinblick  auf  künftige 
Zeiten  zusammengestellt  ist.  Es  sind  zwischen  den  einzelnen 
Niederschriften  weite  Zwischenräume  gelassen  und  häufig  auch 
mit  anderer  Tinte  ausgefüllt.  Aus  der  Vergleichung  der  in  dem 
Aktenstück  enthaltenen  Notizen  mit  denjenigen,  welche  der 
Pfarrer  Eogge  aus  dem  Schreibkalender  des  Erzpriesters  Halm 
veröffentlicht  hat,8)  ergiebt  sich,  daß  letzterer  während  des 
siebenjährigen  Krieges  seine  persönlichen  Erlebnisse  kurz  und 
flüchtig  in  dem  Schreibkalender  vermerkt  und  aus  diesem  dann 
Eintragungen  in  die  „Historischen  Nachrichten"  gemacht  hat. 
Die  Kalendernotizen  sollten  die  Thatsachen  fixiren  und  das  Ge- 
dächtniO  unterstützen ,  die  Eintragungen  in  die  historischen 
Nachrichten  als  Chronik  dienen.  Beide  stimmen  nicht  immer 
wörtlich  tiberein ;  manche  Notizen  des  Kalenders  sind  weg- 
gelassen, manche  andere  Thatsachen  neu  hinzugefügt;  im  Ganzen 
aber  ist  das  "Wesentliche  vom  Inhalt  des  Aktenstücks  aus  dem 
Jahre  1757  bereits  durch  die  Veröffentlichung  des  Schreib- 
kalenders bekannt  geworden.  Der  Vollständigkeit  wegen  sind 
indeß  die  Eintragungen  des  Jahres  1757  nochmals  in  den  nach- 
stehenden Auszug  aufgenommen.  Auf  Blatt  2(>  hören  die  Ein- 
tragungen mit  dem  Jahre  1761  auf,  um  auf  Blatt  27  noch  ein- 
mal Notizen  über  das  Insterburger  Hofgericht  aus  den  Jahren 
1723  bis  1732  nachzuholen.  Blatt  28  enthält  eine  Zusammen- 
stellung des  Personals  und  der  Bezirke  der  9  Justiz-Collegia, 
in  welche  1751  die  8  Hauptämter  Ostpreußens  verwandelt  wurden. 
Blatt  29  enthält  eine  gleiche  Zusammenstellung  betreffs  der 
übrigen  Behörden  Ostpreußens  und  Blatt  30  bringt  noch  einmal 
Insterburger  Personal-Notizen  aus  den  Jahren   1738  bis  1749. 

Hier  endet  die  Thätigkeit  des  Erzpriesters  Hahn.  Seine 
Handschrift  ist  in  den  späteren  Jahren  immer  flüchtiger  und  nach- 
lässiger geworden,  und  die  Schrift  häufig  kaum  zu  entziffern. 


fi)  Altprenß.  Monatsschrift  B<1.  XX.  S.  641. 

21* 


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316 


Insterbnrger  Kirchen-Nachricbten. 


Es  folgen  nun  in  dem  Aktenstück  von  Blatt  31  bis  30 
schön  und  kalligraphisch  geschriebene  Abschriften  von  In- 
schriften der  Leichonsteine  aus  dem  16.  und  17.  Jahrhundert, 
welche  theils  in  der  Kirche,  theils  in  der  Begräbnißka pelle 
damals  aufgestellt  waren  und  werthvolle  Familien-Nachrichten 
für  die  darin  erwähnten  Adels-  und  Bürgerfamilien  enthalten. 

Von  Blatt  37  bis  48  folgt  eine  Beschreibung  der  lutherischen 
Kirche  zu  Insterburg,  ihrer  Decken-,  Wand-  und  Chorgemälde, 
ihrer  Leichensteine,  sowie  zweier  Leichensteine  auf  dem  Kirch- 
hof. Blatt  49  bis  52  enthält  eine  Abschrift  des  von  dem  Bürger- 
meister und  Rath  aufgestellten  Zustandes  der  Stadt  Insterburg 
im  Jahre  1763.  Blatt  53  bis  56  sind  einzelne,  unrichtig  ver- 
heftete Theile  einer  Abschrift  des  Privilegii  der  Stadt  Inster- 
burg vom  10.  Oktober  1583.7j  Auf  Blatt  57  bis  60  befindet  sich 
ein  von  dem  Ober-Kirchenvorsteher  Elias  Krampt!  aufgesetztes 
Kirchen-Inventar  vom  5.  April  1677;  Bl.  61.  62  die  Abschrift 
einer  Glocken-Ordnung  vom  6.  März  1724.  Von  Blatt  63  bis 
96  hat  der  zweite  Geistliche  der  lutherischen  Kirche  zu  Inster- 
burg Johnnn  Friedrich  Fokk  im  Jahre  1720  eine  Reihe  von 
Commissions- Untersuchungen,  Fragen,  Vorschlägen,  Berichten 
und  Bescheiden  gesammelt,  die  sich  auf  die  Aufbesserung  der 
zweiten  Predigerstelle  beziehen,  welche  durch  Neubildung  der 
Kirchen  zu  Pelleningken  und  Judtschen  in  ihrem  Einkommen 
geschmälert  worden  war. 

Das  Aktenstück  schließt  Blatt  97,  98  mit  einem  ..Extract 
aus  der  Jahresrechnung  des  Hauptamtes  Althof-Insterburg  vom 
Jahre  1686  bis  1687  die  Kirche  zu  Insterburg  betreffend." 

Im  Folgenden  sind  die  Aufzeichnungen  des  Erz- 
priesters  Hahn  auszugsweise,  soweit  sie  öffentliche  und  all- 
gemein wichtige  oder  interessante  Thatsachen,  Begebenheiten 
oder  Verhältnisse  betreffen,  wörtlich  wiedergegeben.  "Weg- 
gelassen sind  die  Stellen,  welche  sich  lediglich  auf  lokale  Zu- 
stände der  Stadt  und  Kirche,  Personalien,  Ausgaben  derselben 

7)  Insterburger  Stadtbuch  hn  Arcbiv  der  Stadt  I.  S.  1  vergl.  Koss- 
mann  Beilage  B.  S.  VI1L 


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Von  van  Baren. 


317 


u.  s.  w.  beziehen.  Die  Lücken  sind  mit  etc.  bezeichnet.  Die 
Schreibart,  die  Abkürzungen  des  Chronik-Schreibers  sind  bei- 
behalten. Charakteristisch  ist,  daß  er  alle  Zeichen  über  den 
Vokalen  iäöu  und  ü  in  der  Regel  wegläßt.  Die  Blattzahlen 
rühren  aus  einer  späteren  Zeit  her. 

1544  ist  die  Insterburgische  Kirche  die  einzige  gewesen  und 

Blatt 

hat  den  decem  von  9686  Hub.  22  M.  aus  13  Schulzen- 
ämtern gehoben. 

1589  in  den  vorgegangenen  48  Jahren  sind  von  unserer  Kirche 
als  matre  erbauet  11  Kirchen  neml. 

Gumbinen,  Kattenau,  Küssen, 

Stallupenen,  Pillupenen,  Szitkemen, 

Tolminkemen.        Gawaiten,  Szabinen, 
Nemersdorf,  Kraupischken 
1572  sind  in  einem  fürstlichen  abschiede,  welcher  im  Stadt- 
privilegio  allegiret  wird,  4  Huben  zum  Pfarr  und  2  Huben 
zum  Hospital  Acker  ausgemacht. 
1583  ist  das  Stadt  Privilegium  ertheilet  darin  auch  Kirch  und 
Hospital  prospiciret  ist  etc. 

1590  ist  die  Stadt  abgebrant  d.  19.  Julii  Kirchen  und  Schul- 
Gebäude  aber  unversehrt  geblieben  etc. 

1595  sind  nur  in  9  Kirchen  Pfarrherrn  gewesen  etc. 
1599  ist  die  Kirche  zu  Balleten  angelegt  und  zum  Bau  der 
Anfang  gemacht  etc. 

1601  u  in  folgenden  Jahren  wütete  die  Pest  des  ErzPriesters 
Gehalt  war  250  M. 

1602  ist  wegen  der  Pest  kein  decem  gefallen. 

1603  ist  die  Muldschensche  Kirche  angelegt  u  zu  bauen  an- 
gefangen etc. 

1604  ist  ein  Comes  palatinus  mit  fürstlichen  Fürschriften  wegen 
des  Schuldenrestes  angekommen,  hat  Reisegeld  bekommen 
4  M.  30  ,1  etc. 

Die  neue  Kirche  in  Muldschen  kostot  325  M.  43  ß  3  pf. 

1605  ist  eine  neue  Vermessung  gewesen  etc. 


HIB 


Iiistcrbur^er  Kirchon-Nadirichteu. 


1607  weil  d  Ertz  Priester  die  Zauper8)  vermöge  Contractu  ab- 
gegeben wird  ihm  60  M.  gezalt. 
Blatt  2.  1608  V*  Tonne  Bier  hat  gekostet  2  M.  30  ß.  etc.  die  Walter- 
kem'sche  Kirche  erbauet. 

1609  die  land  Kirchen  sind  von  der  matre  separiret  und  da  den 
letzteren  der  decem  bis  auf  ein  geringes  entgangen,  so  ist 
verordnet,  daß  sämmtliche  land  Kirchen  200  Marek  jährlich 
zum  Unterhalt  des  ErtzPr  u  Diaconi  contribuiren  sollen  etc. 

1610  bis  1612  ist  die  neue  Kirche  erbauet  etc. 

1613  ErtzPrioster  nutzt  die  Zauper  selbst,  sein  Gehalt  270  M.  etc. 
Blatt  3.  1618  ist  der  Glocken   Thurm    und   Kantzel    zu    stände  ge- 
kommen etc. 

1621  war  Pest  etc. 

1622  sind  erbauet  die  neue  Caplaney  das  Kaufmanns  Chor  das 
Altar  dazu  Christoph  Froedner  1000  M.  gegeben. 

1630  war  das  theuere  Jahr  da  1  Scheffel  Korn  10  M.  gegolten. 

1632  Dom  adv.  hat  der  Churfurst  Gevatter  in  Insterb.  gestanden 
vide  Taufbuch  etc. 

1637  ist  bey  Gelegenh  der  vom  ErtzPr  u  Schul  Collegen  abge- 
gebenen gravaminum  e.  Commission  gewesen.  Commissarii 
waren  Ahasverus  Brandt  Fabian  v.  Ostau  Friedr.  v.  Götzen. 
Der  Eeceß  ist  datirt  Inst  d.  12  Dec  1637  etc. 

1639  ist  der  Insterburgersche  Kirchen  Visitations  recess  er- 
richtet etc. 

Blatt  4.  I644  etc.    Die  Kirche  wird  angefangen  gemalt  zu  werden  etc. 

Der  Maler  der  die  Decke  gemalt  wohnte  in  Insterburg 
und  hieß  Michel  Zeigermann.  Hans  Menio  war  ihm  zu 
Hülfe  Westphal  aus  Königsberg  staffirte  die  Cantzel  etc. 
1645  etc.  Die  Decke  über  der  Taufe  wird  vom  Donner  be- 
schädigt und  reparirt.  Die  Pfeiler  in  der  Kirche  zu 
staffiren  kostet  262  M.  30  ß.  Für  das  Schnitzwerk  an  d 
8  Pfeilern  hat  Isaac  Awad  Bildhauer  aus  Königsb  bekommen 
148  M.  30  ß. 


8)  Das  Vorwerk  Zauper  bei  Althof. 


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Von  van  Raren.  319 

G  Friedrich  Dönhof  Camer  H  u  Oberster  beygesetzet. 

d  9.  Aug  ist  der  Zauper  abgetreten  an  das  Amt  u 
die  242  M.  jährlich  zu  geben  versprochen.  Die  Confirmation 
ist  datirt  Kön.  d  4ten  Sept  45  mit  Churf.  Fr.  W.  eigen- 
händiger Unterschrift  etc. 

1653  ist  wegen  der  Pest  kein  Jahrmarkt  gehalten  etc.  Blfttt  5- 

1654  etc.  Churfürst  Fr.  W.  hat  d.  d.  Köln  an  der  Spree 
d  23ten  Apr.  1654  der  Kirche  4  Scharwerkshuben  ver- 
schreiben lassen. 

1655  Ein  Kirchsitz  tragt  9  M. 

etc.  die  Witwe  Königin  v.  Schweden  Maria  Eleonora  logirt 
auf  dem  Schloß. 

1656  haben  die  Quartianer  die  Stadt  gebrandschatzt. 

1657  hat  H.  Ober  Stallmeister,  Pietre  de  la  Cave  60  m  an  die 
Kirche  für  den  Baumgarten  bezahlt.  Der  Krieg  hindert 
den  Jahrmarkt.    Die  Pest  komt  dazu  etc. 

1658  die  Pest  continuiret  etc. 

1659  etc.  Standgeld  pr  Jahrmarkt  ist  wegen  Pest  und  Krieg 
nicht  gefallen  etc.  Die  Schweden  hielten  ihren  Rückzug 
a.  Polen. 

1661  etc.  die  Pest  continuiret  etc.  Blatt  6- 

1678  das  Kirchen  Silber  wird  wegen  des  Schwedischen  Einfalls 
nach  Königsberg  in  Sicherh  gebracht  etc. 

1679  am  Neu  Jahrs  Tage  sind  18  000  Schweden  eingerückt  und 
haben  14  Tage  alles  herum  ausgezehrt.  106  M.  zu  Eichen 
am  Pregelstrom.  45  M.  für  Mundirung  9  Kirchenrechnung 
die  im  Schwedischen  wesen  weggekommen  etc. 

1680  das  Kirchen  Silber  ist  wieder  geholt.  Blatt  7. 

1681  das  Kirchen  Silber  wird  gestolen.  Die  Diebe  sind  in 
Königsberg  ertapt.  2  sind  eingebracht,  einer  entlaufen,  in 
der  Rechnung  wird  das  Silber  specificirt  u.  d.  Gewicht  an- 
gezeigt etc. 

1682  etc.  Es  wird  verordnet,  was  an  Zapfen-Geld  gegeben 
werden  soll  etc. 


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320  Insterburger  Kirchen-Nachrichten. 

1683  etc.  Den  Leuten  die  den  Kirchen  Dieb  zum  andernmal 
eingebracht  18  M. 

Die  Stadt  hat  ihr  erstes  Jubel  Jahr  celebriret  etc. 
1687  von  nun  an  wird  das  Zapfen  Geld  gezahlt  etc. 
1690  d  24  Julii  ist  die  Stadt  abgebrannt.    Kirche  und  Schul- 

gebäude  bleiben  unbeschädigt.   Zum  Andenken  wird  dieser 

Tag  gefeyret. 

1696  d  7ten  Oct.  ist  den  Inst.  Kirchen  Vorstehern  e  Amts- 
Protocol  gegeben  daß  sie  von  jedem  Knecht  in  der  Stadt 
Vorst,  u  Freyheit  20  gg  von  e  Magd  5  g  von  e  Amme 
20  g  Schenkin  20  g  fordern  sollen,  eben  das  wird  von 
dieson  Leuten  bey  Cölmern  gefordert.  Ein  Knecht  e 
Bauern  gibt  6  g  Magd  3  g  Hirthe  5  g  Losgänger  10  g 
widrigenfals  sollen  es  Vorsteher  ex  propr  zalen. 
8-  1704  logirt  Fürst  Czartorinsky  auf  dem  Schloß  etc. 

1709  etc.  Da  die  littsch.  Bauern  an  der  Pest  ausstarben  und 
Keine  Leute  waren  die  das  Getreyde  an  d.  K.  Vorwerken 
einsammieten,  werden  Leute  aus  Königb.  gesandt  vide  Inst. 
Taufb  1710  im  Aug. 

Das  Collegium  sanitatis  hat  verordnet,  daß  die  Litthauer 
in  Stobingen  od.  Tamowischken  so  lang  die  Pest  dauert 
ihre  sontägl  Versammlungen  anstellen  sollen  d  d  Inst 
d  19ten  Juni  1710. 

1712  d  16  Dec.  stellet  der  Insterb.  Magistrat  dem  Verweser 
Chrisoph  v.  Schlieben  vor  daß  sie  es  nicht  rathsara  achten 
durch  Zwangsmittel  die  Leute  zur  Kirch  zu  nöthigen,  es 
sey  genug  daß  die  Brantwein  Häuser  und  Handwerks 
Stuben  visitirt  würden.  2.  sie  protestiren  wider  die  Ein- 
führung des  Gesinde  decems. 
3.  etc. 

1714  etc.  Ein  patent  d.  d.  Berl.  von  25ten  April  beraubet  die 
pia  corpora  des  Juris  prioritatis.  Vorsteher  soll  die  gelder 
gleich  andern  ingrossiren  laßen.  Die  Ingrossation  soll 
gratis  geschehen. 

1717  war  e.  Commission.    Die  Kirchen  Vorsteher  repliciren  da- 


Von  van  Baren. 


321 


gegen,  daß  sie  sich  nicht  einlassen  könnten  in  Hachen 
dio  nicht  vom  Amt  u  Magistrat  conjunctim  abgemacht 
waren.    Inst,  d  10  Dec. 

1718  ist  die  Calende  der  Prediger  reguliret  und  als  etwas  ge-  Blatt 
wisses  bestätiget  worden.     Der  Decem  soll  gleichfalls  von 
allen  ohn  Unterschied  der  relig  bezalet  werden  u  die  K. 
Vorwercker  sollen   den   Gesinde  Decem   geben.  Berlin 

d  12ten  April  1718. 

d  Ilten  Sept.  (1720)  ist  publicirt  d  K.  resor.  von  der 
Reg.  daß  die  liegenden  Gründe  die  von  piis  corporibus  er- 
kauft worden  nicht  mehr  die  Immunität  genießen  sollen. 

Instcrb.  d  1  Aug.  1718  der  personal  Decem  soll  künftig 
von  Gesinde  Gesellen  u  dergleichen  beygetrieben  werden, 
weil  ihro  K.  Maj  d  15  Martii  und  13.  Julii  c.  diese  com- 
missorialiseho  Einrichtung  approbiret.  Ein  Gesell  soll 
15  g  e  Lehrjung  10  g  e.  Knecht  10  g  e.  Magd  6  g  geben. 

Königsb.  d  23  Oct.  Kirch  Vorsteher  werden  be- 
richtiget gemäß  Kirch  Ordnung  mit  "Wegnehmung  der 
Pferde  und  Wagen  gegen  morose  debenten  zu  verfahren. 

In  diesem  Jahre  sind  5  neue  Kirchen  fundiret. 

etc.  Nach  Pellen  (ingken)  sind  geschlagen  Gr  u  Kl 
Gerlaucken,  Laukogallen,  Kundern,  Jeschen,  Binkszonen, 
Storgallen,  Auxkallen,  Schillgallen,  Papuschinen. 

1719  die  10  Huben  zu  Streitlauken  u  10  H.  zu  Kl.  Gaudischkemen 
sind  in  diesem  Jahr  nach  Judschen  geschlagen. 

etc.  Nicolai  Höfchen  u  Kl.  Trakehnen  haben  vorher 
den  decem  nach  Ischd  (aggen)  bezalet,  seit  der  Commission 
aber  anno  1718  nach  Insterb.  In  diesem  Jahr  ist  der 
personal  decem  von  Gesellen  u  Gesinde  zu  zu  zalen  an- 
gefangen, in  der  Rechnung  ist  notirt  was  e.  jeder  geben 
soll  neml. 

ein  Kaufgesell  1  M.  ein  Handwercks  Ges.  10  g.  Kauf- 
junge 8  g.  Handwercksjunge  4  g.  Knecht  6  g.  Mittel- 
knecht 3  g.  Magd  4  g. 


322  Iiisterburger  Kirchen-Nachrichten. 

1720  in  diesem  Jahre  Laben  Ihre  K.  Maj.  die  Leib  Eigenschaft 
in  Preußen  gehoben  etc. 

1721  etc.  Berl.  d  19.  Martü  1721  werden  d.  Predigern  4  od. 
wo  der  Acker  schlecht  ist  6  Huben  frey  zu  lassen  oder 
anzuweisen  befolen. 

1722  sind  die  potabel  abgeschafft  d  d  Berl  d  10.  Nov.  da  bis- 
her 4  Kling  Seckel  herumgegangen,  so  werden  3  abge- 
geschafft.  Doch  wird  der  2te  für  das  Hospital  beybehalten 
Inst,  d  28.  Dec.  etc.  in  rechn  (ung)  ist  notirt,  daß  künftig 
nach  Thalern  soll  gerechnet  u  die  rubrique  soll  ist  gefallen 
in  rest  aufgeführt  werden  etc. 

1723  d  d  Berl.  d  20  Febr.  ward  die  Prediger  Calende  gehoben. 

etc.  e.  gedrucktes  Ed.  d.  Berlin  d  2te  Junii  23  ist 
publicirt  darin  verordnet,  daß  adeliche  Kirchen  sich  der 
Inspection  des  ErtzPr  unterwerfen  müssen. 

Berl.  d  23  Jan  ist  die  Fever  der  Marien  und  Apostel 
Tage  gehoben. 

Blatt  10.  1724  In  diesem  Jahre  ist  der  plan  nach  welchem  Fürsteher 
der  administration  des  piorum  Corp.  führen  sollen  ge- 
druckt etc. 

d  15.  Junii  1724  publicirt  H.  Commissarius  v.  Mans- 
berg  daß  d.  d.  Berl  d  17  Maj  Colonisten  die  auf  alte  Huben 
gesetzt  werden,  sofort  im  ersten  Jahre  geben,  die  aber 
auf  wüste  Huben  kommen  den  Decem  nicht  ex  debito 
geben  sondern  sich  in  Güte  mit  den  Vorstehern  einigen 
sollen. 

1725  Dem  Adel,  Colmern  u  Pred.  wird  verbothen  ihren  Brant- 
wein  in  der  Stadt  zu  verkaufen  etc. 

1727  etc.  der  Insterb.  Kirche  sind  die  Dörfer  Nauseden,  Kul- 
metschen,  Pooselischken  u.  Dwarischken  abgenommen  u 
nach  Gerwischkemen  geschlagen  Gr.  u  Kl.  Gerlauken  u 
Medukallen  sind  nach  Pelleninken  u  Jessen  nach  Ischdaggen 
geschlagen. 

1728  etc.  Berl  d  12ten  Julii  ist  der  verbothene  zweyte  Kling 
Seckel  wieder  nachgegeben  etc. 


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Von  van  Baren. 


323 


1730  etc.  d  28  Junii  1730  ist  das  reformations  jubilaeum  ge-  Blatt  11. 
feyret 

1732  Königsb.  d  1.  Jan.  32  Kirchen  Capitalia  sollen  nicht  ohne 
K.  Consens  angegriffen  u  ausgethan  werden. 

Inst,  d  8te  April  32  wird  e.  exemplar  von  den  1724 
publicirten  reglement,  nach  welchem  Kirchen  Vorsteher  in 
Litth.  die  administration  fuhren  sollen,  zugefertigt  cum 
man  dato  solches  bey  2  fl  Ung.  für  die  Successores  zu 
asserviren. 

Inst,  d  3  Martii  32  alle  memoralien  sollen  in  duplo 
u  die  privat  Sachen  auf  Stempel  Papier  durch  e  manda- 
tarium  geschrieben  eingereicht  werden. 

(Bl  30)  die  Königl.  ordre  daß  das  Hauptamt  mit  dem 
litt.  Hof  Gericht  combinirt  werden  soll  ist  datirt  Berl. 
d  19.  Maj  1732. 

Inst,  d  4  Julii  32.  Prediger  sollen  eine  registratur 
halten  u  für  jedes  feiende  rescript  1  fl.  zalen.  In  diesem 
Jahr  ist  das  Corpus  bonorum  der  Inst.  Kirche  gefertiget  u 
approbiret  etc. 

1733  etc.  Da  in  diesem  Jahr  der  adjunctus  eingesetzet,  welcher 
Dom.  rog.  s.  Probe  Predigt  gehalten  dorn  9  p.  Trin.  von 
Oberhof  Pr.  D.  Quand  introduciret,  so  in  dorn  X  p.  Tr.  s. 
Anzugs-Predigt  gehalten  so  hat  adj  die  22  rtl.  20  g.  für  die 
Vesper  Predigt  erhalten. 

1734  etc.    In  diesem  Jahr  ist  die  erneuerte  und  Erweiterte  Blatt  12- 
Verordn.  über  das  Kirch  u  Schulwesen  gedruckt  und  ein- 
geführet  etc. 

1735  ist  die  ref.  Kirche  fertig  geworden  u  inauguriret  wo  bey 
der  Etats  Ministre  v.  Bülow  in  Gegenwart  des  luth.  ministerii 
u  anderer  eine  Rede  gehalten. 

d  16te  Jan  hat  der  ErtzPr  adj.  Hahn9)  einen  Juden  von 
18  Jahren  getauft  er  hieß  Joh.  Bär  etc. 

1736  etc.    d  20  Oct.  dem  Adel  u  allen  Landleuten  ist  ver- 


f»)  Der  Verfasser  dieser  Nachrichten. 


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324 


lnsterhtn-ger  Kirchen-Nachrichten. 


bothen  victualien  u  Getreyde  zum  Wieder  Verkauf  zu 
kaufen. 

etc.  In  diesem  Jahr  ist  die  Veriniethung  der  Kirch- 
sitze auf  K.  Befehl  angefangen. 

1737  Berl.  d  5.  Nov.  37  ist  das  reglement  datirt,  wie  es  mit 
Introd.  der  Prediger  ratione  der  Kosten  u  Versorgung  der 
Witwen  gehalten  w.  soll. 

Blatt  13.  etc.  Vermöge  Verord.  d.  d.  Berl.  d.  26.  Aug.  37  müssen  alle 
Lichter  bey  dem  Altar  u  die  weiße  Casel  u  das  singen 
beym  heil.  Abendmahl  abgeschafft  werden.  König  Friedrich 
hat  1740  d  3.  Julii  alles  wieder  froygegeben. 

1738  etc.  Kön.  d  16  Nov.  38.  Prediger  können  bey  dem  Gebeth 
Verhör  zwar  mit  einer  Malzeit  aufgenommen  werden  Kost- 
bahre Gastmale  aber  dazu  ganze  Dorfschaften  gezogen 
werden,  bleiben  verbothen  etc. 

1739  etc.  in  e  gedruckten  Patent  v  15te  Jnnii  39  ist  verordnet 
daß  Kein  Prediger  von  den  öft'entl.  Kirchen  Buße  Thuenden 
nichts  u  von  d.  Früh  Kinder  nicht  mehr  Taufgeld  nehmen 
soll  als  sonst  erlaubt  ist  etc. 

K.  d.  15.  Sept.  Prediger  dürfen  nur  Bier  zu  ihrer 
Nothdurft  Keinesweges  aber  zum  Verkauf  brauen.  Das 
Branntwein  brennen  wird  gentzlich  untersagt. 

In  diesem  Jahr  ist  die  Insterburgische  Prediger  Witwen 
Cassa  errichtet  etc. 

1740  etc.  d  1  April  hat  die  Gumb.  Cammer  an  alle  Beamte 
rescribiret,  daß  diejenigen  welche  wüste  Huben  bebauen, 
die  noch  nie  contribuiret  haben,  so  lange  von  decem  frey 
sind  als  die  Freyjahre  dauern  diejenigen  aber,  welche 
wegen  e.  Baues  od.  Brandes  freyjahre  genießen,  müssen 
den  vollen  decem  bezalen  etc. 

1742  etc.  K.  d.  7.  Sept.  e.  jeder  junger  Mensch,  sobald  er  das 
löte  Jahr  erreichet,  er  sey  ad  sacra  gewesen  oder  nicht 
soll  den  personal  decem  bezalen. 

Der  schreckliche  kalte  Winter  welcher  schon  im  Oct. 
eintrat  hat  alle  Übst  Bäume  ruinirt  etc. 


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Von  van  Baron. 


325 


1743  ist  das  gedruckte  reglement  wegen  Erhaltung  der  Schulen  Blatt  14. 
auf  dem  platten  Lande  publiciret  d  2  Jan.  etc. 

1744  etc.  Dom.  6  p.  Tr.  war  e.  starke  Ueberschwemmung. 

1745  Berk  d  30  Martii,  für  Hurkinder  soll  nichts  mehr  an  Tauf-  Blatt  15. 
geld  genommen  werden  als  für  andere.    Die  Hur  soll  auch 

zu  Keinem  Gewissen  Beicht  Geld  angehalten  werden  etc. 

K.  d  22  Sept.  45.  Prediger  und  Schul  Bediente 
sollen  bey  dem  diesjährigen  Miswachs  an  Rogen  sich  bey 
Hebung  der  Calende  und  Schul  Getreyde  begnügen  mit 
der  Hälfte,  stat  der  andern  Hälfte  soll  ihnen  nach  Mas- 
gebung  des  Schul  reglements  §  6  vor  1  Scheffel  Roggen 
V4  Gerst  vergütet  werden. 

1746  dem  Kriegs  R  Mühlpfort  als  Beamten  in  Georgenburg 
wird  verwiesen  daß  er  des  Pfarrers  Knecht  daselbst 
arretiren  lassen,  da  doch  des  Predigers  Gesinde  nicht  unter 
der  Amts-Jurisdiction  stehe,  u  Kein  periculum  in  mora 
vorhanden. 

Die  zwistigkeiten  zwischen  der  Insterb.  u  Nor- 
kittenscheu  Kirche  sind  beygeleget.  Lotztere  hat  die 
Dörfer  Abschruten  u  Kosaken  an  Insterb.  retradirot  und 
stat  der  praecipirten  41  rtl.  25  rtl.  bezalet. 

1747  der  d  9te  u  13te  Dec.  entstandene  unerhörte  Wind  hat 
die  Kirch  Gebäude  fast  gantz  abgedecket  u  13  Scheunen 
umgerissen. 

d  11.  Febr.  rescribirt  die  Reg.  daß,  bei  Hofe  d 
25  Dec.  1746  nach  dem  Vorschlage  des  Kriegs-  u  Dom 
Directorii  beschlossen  worden,  daß  Keine  Witwen  Häuser 
ferner  sollen  erbauet  werden  sondern  daß  die  Prediger 
eine  Kasse  zu  ihrem  Unterhalt  sowie  bey  dem  ref.  an- 
legen die  Miethsgelder  aber  v  d  Kirch  Kassen  bezalet 
werden  sollen. 

1749  hat  der  Hof  declarirt  daß  er  bey  Besetzung  von  Prediger-  Blatt  16. 
stellen  selbst  disponiren  u  daher  jedesmal  wissen  wolle, 
wie  hoch  die  Pfarre  rendiren  könne.    Inst.  d.  29te  Junii 
etc.    Ein  gedrucktes  Edict  vom  14te  Oct.  befielet  daß  alle 


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326 


Insterbnrger  Kirchen-Nachrichten. 


Landes  Kinder  auf  einheimischen  nniv.  studiren  sollen, 
ist  d  2te  Mai  1750  renovirt  etc. 

d.  d.  Berlin  d  23te  Dec.  49  ist  verordnet  e.  gedr.  Edict 
welcher  Gestalt  in  ansehung  der  auf  Univers,  sich  befin- 
denden unwürdigen  Stipendiaten  verfahren  werden  soll  etc. 
1750  hat  die  Viehseuche  binnen  6  Wochen  das  Horn  Vieh  so 
angegriffen  daß  in  der  Stadt  Kaum  der  lOte  Theil  im 
Durchschnitt  übrig  geblieben. 

Fast  den  gantzen  Sommer  war  es  Kalt  u  regnete. 
Die  Niedrigung  stand  bis  zum  Sept.  unter  Wasser. 

etc.  d.  d.  Berlin  d  15  Jun.  50  ist  das  militar  Con- 
sistorial  reglement  u  Kirch  Ordn.  des  Feld  ministerii 
publicirt. 

d  4  Oct.  50  ist  die  Instruction  für  das  luth.  Ober 
Consistorium  gedruckt  Ueber  100  Stück  litth.  Bibeln  auf 
dem  Lande  unterzubringen  vertheilt. 
Blatt  17.  1751  der  Groß  Cantzler  v.  Cocceji  welcher  in  allen  K.  Ländern 
das  Justitz  Wesen  geändert,  hat  das  litth.  Hof  Gericht, 
alle  Haupt  Aemter,  das  Saalfeltsche  Consistorium  gehoben 
u  die  Justitz  Collegia  eingerichtet  etc. 

in  diesem  Jahre  hat  das  Consistorium  die  Conduiten 
Listen  dem  ErtzPr.  zu  fertigen  anbefolen. 

im  Julio  hat  sich  abermal  das  Viehsterben  eingestellt. 
1752  etc.  d  26t.  Febr.  ist  die  Leiche  des  Oberst  v.  Buchholtz 
hier  durchgebracht  auf  einen  Schlitten  nach  Trempen  hin, 
sie  ist  zwar  nicht  in  der  Kirche  oder  sonst  abgesetzt, 
dennoch  aber  eine  Stunde  beläutet,  u  die  Kirche,  Prediger 
u  Schule  haben  ihr  accidens  erhalten. 

d  13  Febr.  ist  die  Leiche  des  hier  verstorbenen  Ge- 
neral Maj.  v.  Stosch  in  das  Gewölbe  des  Abends  bey- 
gesetzt.  d  24  Febr.  geschahen  die  exequien  u  das  parade 
Sarg  ward  mit  60  Fackeln  bis  zur  Kirche  gebracht  u  das 
erste  Sarg  mit  der  Consol  hineingesetzt,  er  ist  gestorben 
d  9ten  Febr. 

d  14  Febr.  communicirte  des  Consistorium  e.  Reseript 


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Von  van  Baren.  327 

vom  28.  Jan.  1752  denen  Predigern  zu  publiciren  daß  das 
Fest  Mariae  Verkündigung  wenn  es  in  der  Woche  zwischen 
Dom.  Judica  u  Palm,  u  also  kurz  vor  Ostern  einfalt  Dom. 
palm.  eingezogen  werden  solle  etc. 

Im  iunio  und  Julio  sind  abermal  über  120  Stück 
Rind  Vieh  gefallen,  mehren  Theils  vom  angekauften  u  an- 
gekrankten  Vieh  etc. 

1752  im  Nov.  ergehet  e  ordre  an  die  Post  Amter,  daß  Kirchen 
u  Schul  Sachen  nicht  porto  frey  seyn  sollen. 

1753  war  es  im  Martis  u  April  fast  beständig  Somer  "Wetter.  Blatt  18. 
Vom  5ten  bis  10  Maji  war  April  Wetter  Tag  u  Nacht 

kalt,  des  Nachts  Frost.    Von  Pfingsten  bis  ultimo  Julii 
hat  es  fast  täglich  geregnet. 

d  12  Julius  geschah  ein  Donnerschlag  man  leutete  u 
trommelte,  aus  H.  Tierbachs  Brauhause  stieg  ein  Rauch 
auf,  wurde  Gottlob  gedämpft. 

1754  etc.  d.  ed.  d  18  Julii  1731  soll  jährlich  Dom  2  p.  Ep. 
verlesen  werden,  daß  niemand  außer  Land  ohne  Erlaubniß 
reisen  soll.  Seit  Anfang  Dec.  hat  es  beständig  gefroren. 
Der  Schlittenweg  dauerte  bis  am  Ende  des  Martii.  Das 
Eis  ging  den  5.  u  6.  April  ohne  Regen  ab.  Der  April 
war  warm.    Bis  Ostern  war  trocken  Wetter. 

Es  ist  ein  langer  Faschinen  Damm  am  Pregel  zur 
Bedeckung  der  Althöfischen  Aecker  bis  zur  Capelle  gelegt. 
Der  Berg  an  der  Capelle  ist  der  gestalt  eingefallen  daß 
der  Weg  eingegangen  u  das  Thor  an  dem  Schloßplatz  ver- 
legt ist. 

1755  etc.  Der  Frost  stellte  sich  vorge  Weihnachten  ein,  con- 
tinuirte  bis  Ostern,  d  3te  Ostertag  brach  das  .Eis.  Wir 
hatten  viel  Schnee,  im  Febr.  war  die  Kälte  am  strengsten 
doch  sind  hier  nicht  wie  anderswo  Menschen  erfroren. 
Bis  zur  Hälfte  Junii  war  es  heiß,    darauf  folgte  Regen. 

d  13.  Sept.  starb  der  Quartus  Collega  Bliesener. 
d  1  Nov.  hat  ein  gewaltig  Erdbeben  Lisbon  zerstört 
in  Hispanien  Holland  England  Teutschland  Schweiz  Mai- 


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Insterburger  Kirchen-Nachrichten. 


land  u  in  der  Afr.  Barbarey  Erschütterung  verursachet. 
Hie  hat  man  außer  einige  Erhebung  des  Wassers  an 
einigen  Orten  nichts  bemerket.  Im  Herbst  hat  es  oft  ge- 
regnet u  vor  d.  31  Deo.  hat  man  K.  Frost  gemerket. 
Blatt  10.  i75f,  etc.  vom  19ten  Oct.  bis  6.  Nov.  war  trockener  Frost  u 
großer  Wasser  Mangel. 

Domm  11)  p  Tr.  war  Dankfest  wegen  des  Sieges  bey 
Loboschütz. 

Im  Nov.  hat  ein  jeder  von   seiner  Hufe  gewisse 

rationes  an  Gehrde10)  zum  Magazin  nach 

Ragnit  u  Königsberg  müssen  von  einer  Hube 

2  Sehe  darauf  folgte  die  2te  Lieferung,  auch  in 

Tilse  und  Lik  sind  Magazine  angelegt. 

d  19.  Nov  ist  zwar  viel  Schnee  gefallen  aber  der 
Wasser  Mangel  continuiret  etc.  d  4  Dec.  war  horrible 
Kälte  d  16.  17. 

1757  bis  medio  febr.  war  starker  Frost  und  Schnee  u  großer 
Wasser  Mangel  besonders  bey  den  Mülen.  d  24ten  Febr. 
ging  das  Eis.      Seit   d  20  Febr.   war  es  recht  warm. 

Medio  Febr.  ward  hier  ein  Heu  Stroh  u  Korn  Ma- 
gazin eingerichtet.  Die  Preußen  zaleten  für  1  Schock 
Stroh  27a  rtl.  für  1  Stein  Heu  377-  g.  für  1  Sch.  Korn 
75  g. 

d  6.  Martii  starb  der  General  v  Langermann  u  ist 
in  s.  Gütern  beygesetzt. 

d  31.  Martii  marschirte  das  Manteuffelsche  Infanterie 
Regiment  hier  durch  in  die  Cantonirungs  Quartiere  auf 
D.  Dörfern. 

d  1  April  starb  der  alte  Sünder  adelicher  Gerichts- 
schreiber Hofgerichts  R  Falck. 

d  2  April  ist  der  General  v  Plathen  angekommen  der 
das  Langermansehe  Dragoner  Regiment  erhalten. 

10)  Ein  großer  runder  Tintenfleck  verdeckt  hier  die  Schrift  auf  vier  Zeilen 
theilweise. 


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Von  van  Baren. 


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d  2  April  ist  auch  d  H  FeldMarschall  v.  Lehwalt 
angekommen. 

d  1  April  sind  3  Esq  vom  Platenschen  Reg  in  Can- 
tonirangs  Quartiere  gerückt. 

d  3ten  ist  das  Canitzsche  Infanterie  Reg  durch 
marschirt. 

d  13  April  hat  man  angefangen  den  baufälligen 
Thurm  an  unserer  Kirche  abzunehmen. 

d  löten  nam  man  den  Knopf  ab  darin  nichts  als  ein 
verfaultes  Papier  1  Achtehalber  ein  6ser  u  1  Drey  Polker 
gofunden  worden. 

Im  April  ist  die  Pr  Feldbäckerei  am  Schloßplatz  an- 
geleget. 

d  19  Maj  war  Siegesfest  wegen  der  d  6ten  hujus 
bey  Prag  erfochtenen  Sieges. 

Das  Lewaldsche  Infanterie  und  das  Platensche  Dra- 
goner Regiment  schoß  Victoria  bey  Georgenb.  item  das 
Manteuffelsche  und  Sidowsche  Regiment  u  24  Canonen. 
Die  Bürgerschaft  vor  dem  Thor. 

d  6  Juniis  fing  die  Preußische  arme  an  zu  campiren 
von  der  Stadt  bis  Wachsenhöfchen  u  bis  nach  Krau- 
pischken  zu. 

d  5  Julii  ist  alles  Kirchen  Silber  wie  auch  Kirchen 
u  Schul  Gelder  ans  Justiz  Collegium  eingesandt,  auch 
29  rtl  30  g  die  für  Karwach  gesamlet  waren. 

d  2  Julii  bis  zum  4ten  ist  Memel  von  denen  Russen 
belagert. 

d  8  Julii  sind  4  Bataillions  Musq  u  5  Esc.  Cavallerie 
nach  Welau  aufgebrochen. 

d  lOten  folgte  die  Avantgarde  dahin. 

d  Ilten  folgte  die  gantze  Pr.  Armee  nachdem  in  den 
Tagen  zuvor  der  proviant  abgeführt  wordern. 

d  2ten  August  früh  brachten  um  6   Uhr  die  Pra.  Blatt  20. 
schwartze  Husaren  einige  Wagen  mit  18  blessirten  Russen, 
die  bey  Kattenau  in  einem  Charmutzel  gefangen  waren. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIII.  Hft  8  a.  4.  22 


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Insterburger  Kirchen-Nachrichten. 


d  7ten  Aug.  hat  H  D.  Blanck  in  der  Dantziger 
Rede  die  Russische  Flotte  angetroffen,  welche  aus  26  Krie- 
gesschiffen 3  Fregatten  u  paquet  Bohten  bestanden.  Das 
Admiral  Schiff  hatte  3  Verdecke  fahrte  95  Canonen  u 
800  Man. 

Die  meisten  bemittelten  Leute  insonderheit  Weiber 
u  Kinder  flüchteten  nach  Königsberg,  die  Furcht  war  un- 
aussprechlich. 

d  9ten  Abends  zeigten  sich  die  Russischen  Vorposten 
bey  Piraginen,  charmutzirten  mit  unseren  Husaren 
in  der  Nacht  retirirte   sich   das  gantze  Corp  Preussen 
welches  bei  Althof  campiret  hatte. 

d  lOten  erschien  die  Russische  K.  Arme  die  der 
Feld  M  v  Apraxin  selbst  führte  vor  der  Stadt  an  120  000 
Man.  Das  Ministerium  uud  Mogistrat  ging  des  Morgens 
entgegen  trafen  aber  die  Kosacken  schon  am  Thor  an. 
worauf  auch  Kaimucken  folgten. 

d  Ilten  wird  die  Huldigungs  Predigt  und  die  Hul- 
digung in  unserer  Kirche  vorgenommen. 

Der  Feld  Marschall  u  die  hohe  Generalität  speiseten 
Mittags  in  der  Widdern.  Die  vornehmsten  waren  Diro 
Exc.  dH.  Feld  Marschal  v  Apraxin,  Printz  Gallizin,  v  Lepu- 
chin,  Pannin  v  Waimarn  Basquer  Romanzoff  Levonthoff 
Sagrofsky  Liewen  Dolgoruckky  Monteuffel  der  Oesterrei- 
chische General  en  Cheff  Andrae  über  30  Personen  von 
Range  u  viel  andre. 

d  12ten  Aug.  muste  eine  Dank  Predigt  gehalten  wer- 
den wegen  des  unschädlichen  Ueberganges  der  Stadt. 

Nach  der  schrecklichen  Dürre  die  10  Wochen  con- 
tinuiret  hatte  erfolgte  d  20ten  Aug.  ein  Regen. 

d  13  Aug.  als  Kein  Gräselein  mehr  vorhanden  war 
rückte  das  Haupt  Quartier  bis  Georgenburg  eodem  traf  die 
Sibilskische  Arme  ein  u  campirte  auf  dem  Berge  zwischen 
der  Stadt  u  dem  Höfchen  des  Förster  Wachsen.    Sie  be- 


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Von  van  Haren. 


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stand  etwa  a  16000  Man.    ich  nahm  Abschied  von  den 
H.  Feld  Marschal. 

d  15  Aug.  zog  das  Corp  durch  die  Stadt  samt  der 
Bagage. 

Bey  Georgenburg  sind  2  Bauern  gefangen  u  ihrer  11 
sind  die  Fingern  abgehauen  weil  sie  Gewehr  gehabt. 

d  lßten  rückte  die  Arme  von  Georgenb.  bis  Stärke- 
ninken.  d  20ten  rückte  sie  fort  und  ließ  einige  Bagage 
nach  Tilse  gehn. 

Da  alle  Bauern  geflüchtet  u  manche  aus  dem  Walde 
feureten  wurden  die  irregulaire  Völcker  in  den  "Wald  zu 
gehn  comeudirt. 

d  24ten  rückten  die  R.  bis  hinter  Plebischken. 

d  2(>ten  sind  sie  über  den  Strom  gegangen.  Das 
Preußische  Corp  reterirte  sich  immer  näher  zu  ihrer  armee. 

d  28ten  Abends  Kommen  viel  Commandos  mit  Wagen 
die  gantze  Stadt  war  in  allen  Gassen  besetzt  ea  ward  stets 
getrümmelt.  niemand  wüste  was  es  bedeute,  alles  war 
in  Furcht. 

d  29ten  passirten  Ochsen  durch. 

d  30ten  lieferten  die  Preußen  den  R.  früh  eine  Sehlagt, 
die  Proußen  mußton  sich  zuletzt  aus  schuld  einiger  Offi- 
ciren  reteriren  u  ihre  canonen  in  stiebe  lassen. 

d  31  schössen  die  R.  Trouppen  Victoria  auf  der 
Walstat  hinter  Norkitten. 

d  1  Sept.  bin  ins  R.  Lager  gefordert  ein  Paar  bles- 
sirte  Officiren  zu  berichten. 

d  2t  en  u  3ten  sind  über  2000  blessirte  hierdurch  nach 
Tilse  gebracht.  Einigo  blieben  hier  Nacht.  Die  Leiche 
des  Gen.  Lepuchin  v.  Sibirn  wird  durch  100  Kosacken  in 
e.  Preußischen  Pulverwagen  fort  gebracht.  150  gefangene 
Preußen  mehrentheils  vom  Lewaltischen  Reg  u  Manteuflel- 
schen  werden  zwischen  Kosacken  fortgeführt. 

d  4ten  werden  noch  einige  100  dergleichen  u  in  son- 

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Insterbnrger  Kirchen-Narliricliten. 


derh  vom  Sidowschen  Regt  fortgeschlept.  Die  Frühpredigt 
wird  gehindert  u  in  der  Recht  Predigt  war  große  Störung. 

Die  blessirten  haben  an  der  Zauper  unter  den  Linden 
die  Nacht  im  Regen  zu  gebracht. 

Die  arme  hatte  Über  500000  Pferde.  Diese  hüteten 
alles  ab. 

Blatt  21.  d  12ten  Sept.  retournirte  die  arme  vom  Kampfplatz 

durch  Insterb.  ohne  Spiel.  Die  Kosacken  u  Kaimucken  zogen 
um  die  Kirche  hemm,  campirten.  alles  wird  abermal 
abgehütet  die  Scheunen  zum  andern  mal  spoliirt.  Nie- 
mand behielte  Handvol  Heu  u  Stroh.  Das  Vieh  blockte 
jämmerlich. 

d  I5ten  complimentierte  ich  d  H  Gen.  FeldM.  bey 
Althoff  wegen  seiner  retour. 

d  16ten  complimentirte  ich  zum  Namens  Tage  der 
Kayseriii  da  alle  Officire  u  Leute  vom  Range  im  Zelt  des 
FeldM  waren.  Um  12  Uhr  schickte  mir  der  Gen.  Feld- 
Marschall  durch  H.  General  v.  Waimarn  50  goldene  Rubel. 

H.  Bürgermeister  Tennig  H.  Raths  V.  Brück  u 
Fröhlich  wurden  als  Geißel  mit  genommen. 

d  17ten  rückte  die  R.  Arme  bis  Seslacken. 

d  18tcn  zeigten  sich  wieder  Pr.  Husaren. 

d  19ten  kam  der  Obrist  Lieutenant  v.  Gersdorf  u 
convocirte  die  Prediger  u  Magistrat,  wir  musten  uns  in 
Georgenb.  vor  d.  Hertzog  v.  Holstein  stellen,  der  uns 
befal  dem  Pr.  Feld  Marsch,  v  Lewald  entgegen  zu  reisen. 

d  20ten  u  21ten  habe  ich  den  H.  Feld  M.  v.  Lewald 
in  Georgenb.  gesprochen.  Die  gantze  Preußische  Arme 
avancirt  bis  Georgenburg. 

d  21  nehmen  800  Preußen  Quartier  in  der  Stadt. 

d  22  Die  Russen  avanciren  bis  Zillen  die  Preußen 
nach  Aulowenen. 

d  22  In  Insterburg  wird  wieder  ein  Magazin  angelegt 
wegen  Menge  der  Wagen  Konnte  Niemand  reisen. 

d  24  ist  ragnit  abgebrant. 


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Von  van  Baren. 


333 


d  27  die  Preußen  haben  bisher  unterschiedliche  R. 
Gefangene  gebracht. 

d  28  ward  H.  Camer  Präs.  Domard  u  Kriegsrath 
v.  Wegner  nach  Tilse  gerufen  nachdem  die  R.  über  die 
Memel  gegangen. 

d  30ten  ist  die  Pr.  Bäckerei  aus  Welau  hier  ange- 
langet u  Über  100  Man  vom  Königsb.  Garnison  Reg. 
v.  Putkamer  die  800  Man  v.  Manteufelschen  sind  wieder 
ausmarchirt. 

d  4  Oct.  der  Jahrmarkt  ist  schlecht,  weil  Kein  Maitz 
vorhanden  Kann  Keiner  mer  brauen.  Die  Gumbinner 
liefern  Bier  a  5  g  pro  St. 

d  7ten  die  Bäckerei  nach  Tilse  gebracht  unterwegons 
kam  contra  ordre  u  ward  im  Schloß  wieder  angelegt. 

den  16ten  ist  Berlin  vom  üsterr  Gen.  Hadduk  ge- 
brantschatzt  mit  200  000  rthl. 

den  20ten  wird  die  Feldbäckerei  abgefahren. 

Von  nun  an  ist  die  Pr.  Arme  in  unterschiedlichen 
Colonnen  nach  u  nach  nach  Pommern  gegangen. 

Die  Insterburgische  Geißel  kommen  a  der  R.  Arme 
zurück. 

d  21  haben  über  500  Cosacken  über  die  Memel  bei 
Tilse  gesetzt  u  Vieh  fortgeschlcpt.  Das  Heidekrugische 
Kirchspiel  a  72  Dörfer  ist  weggebrant. 

d  29  ist  die  Compagnie  v.  Putkamerschen  Regiment 
ausmarchirt.    Stadt  und  Land  war  nun  ohne  alle  Bedeckung. 

d  28  Nov.  früh  um  8  Uhr  starb  der  hiesige  Diaconus 
Pilgrim. 

d  24  Dec.  starb  der  ref.  Inspector  H  Jacob  Tamnau 
u  ist  d  30  begraben. 
1768  d  12ten  der  Rückzug  der  R.  erneuert  das  Schrecken  Alles 
wird  theuer. 

d  13ten  ist  Tilse  von  R.  wieder  besetzt. 

d  14ten  Die  Tilseuer  Post  brachte  nichts  als  e  R. 
Zettel  den  niemand  lesen  konnte. 


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lii8»erljur^»*r  Kircheii-NacliriohUn. 


d  22ten  Jan  haben  die  R.  Königsb.  u  Pillau  occupirt. 

d  24ten  Am  Geburthsfest  des  Königs  v.  Pr.  hat  die 
academie  gehuldiget. 

d  25ten  erhielt  die  Gumb.  Camer  ordre  nach  Königsb. 
zu  kommen. 

d  29.  Jan.  von  nun  an  ist  das  Kirchen  Gebeth  nach 
Ii.  Vorschrift  geändert. 

Für  verunglückte  Prediger  haben  dio  hiesige  Syno- 
dales 50  rtl  collegirt. 

d  3ten  Febr.  ging  der  R.  Brigadier  v.  Hartrois  hie- 
durch  in  Gumbinnen  das  Directorium  zu  führen. 

d  4ton  ist  in  Gegenwarth  des  IL  Lieutenants  v.  Robock 
der  Eyd  denen  aus  der  Inspection  abgenommen  die  vor- 
her nicht  gehuldiget  es  wurden  nur  Leute  von  Distinction 
admittiret. 

Das  Land  soll  140  000  Albrechts  Thaler  Contribution 
u  Insterb.  16400  rtl  37  g  4  pf. 

nachgehens  sind  diese  in  Reichsthaler,  verwandelt. 

d  27ten  April  sind  über  400  Pferde  samt  Husaren  u 
einige  Curassirs  u  Infanteristen  hier  gewesen  u  d  folgenden 
Morgen  weiter  zur  Weichsel  marchirt.  Der  Haber  wird 
rar  u  2  fl  für  e.  Scheffel  bezalet.  sonst  haben  wir  Kein 
Durch  Marche  gehabt  u  wenig  Kriegs  Völker  mehr  gesehn. 

d  19  Maj  hat  es  nach  langer  Dürre  zum  erstenmal 
geregnet.  Die  Noth  war  unbeschreiblich  weil  für  das  Vieh 
nichts  wachsen  konte,  doch  dauerte  der  sanfte  Regen  nur 
wenig  stunden.  Die  Kälte  Wind  u  Witterung  continuirten.  etc. 

d  12  Dec.  ist  das  Ritterfest  St  andr.  gefeyert  u  ge- 
predigt worden.  Die  Predigten  an  Ritterfest  sind  hernach 
nicht  mehr  anbefolen  noch  gehalten. 

Die  disjährige  Contribution  des  Landes  war  1  Million 
Spec.  Th.  von  der  Stadt  war  6545  rtl  84  g  12  pf.  collegirt. 

Der  4te  Theil  ist  bey  dem  letzten  Termin  erlassen 
daß  also  nicht  Spoc.  sondern  Reichsthaler  genommen  sind. 


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Von  van  Baren. 


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1769  etc.  d  19ten  Jan.  sind  250  R.  Stückknechte  durch  mar- 
chirt.    sie  blieben  bis  d  21te  etc. 

d  4ten  Martins  Nachmittag  um  2  Uhr  ist  e.  Bataillion 
Infanterie  eingerückt  ohne  Spiel  es  waren  etwa  200  Man 
recrouten  sie  besetzten  weder  Wache  noch  Thore. 

d  7ten  kamen  noch  etwa  300  Man  dergleichen  Mann- 
schaften mit  Spiel  u  in  Piraginen  in  andern  Dörfern  lagen 
dergleichen  Leute,    item  kam  1  Canone  u  Pulverwagen. 

d  lOten  sind  die  Wachen  besetzt  und  verbothen 
Nachts  ohne  Laterne  zu  gehen. 

d  12ten  sind  diese  Mannschaften  in  unterschiedlichen 
kleinen  Colonnen  fort  marchiret. 

Da  der  General  en  Cheff  v.  Fermor  nach  Petersburg 
gegangen  hat  H.  Gen  Lieutn.  Frolow  Bagrejews  comendiret. 

d  Ilten  lief  scharfe  ordre  ein  daß  auf  Erfordern  des 
Cheffs  einem  jeden  Corps  Pferde,  Wagen  u  was  erforderlich 
ist  geliefert  werden  solle  bey  Strafe  der  Coufiscation  aller 
Güter  u  Leibes  u  Lebens. 

d  13  martii  ist  Fähnrich  Michel  Rastoflow  auf  hies- 
sigem  Kirchhof  begraben,  etc. 

d  19  sind  Ihro  Excell  v.  Fermor  wieder  in  Königsb. 
angekommen  u  mit  canonen  salutiret. 

d  21  ist  der  Major  v  Strik  der  die  letzte  Wagen  ab- 
gewartet von  hier  gegangen. 

d  24  Martii  war  schrecklicher  Sturm. 

d  12  April  hat  mir  die  fr.  Rittmeistern  Arnoltin  einen 
schönen  Wagen  mit  beschlagenen  Sielen  geschenkt. 

Viel  Mundirungs- Wagen  passiren  nach  d.  Weichsel 
das  Magazin  wird  zu  Wasser  weggebracht. 

d  21  sind  1000  Pferde  angekommen. 

d  13  Maj  ist  H.  Cantor  Schultz  früh  tod  im  Bette 
gefunden  ist  am  Stichfluß  gestorben. 
1759  d  8  Aug.  ist  H.  Probst  Wolf  in  Gumbinnen  an  ins  Leib 
getretenen  Podagra  gestorben. 

d  16  Aug.  ist  H.  Hein  als  Cantor  introduciret. 


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Insterburger  Kirchen-Nachrichten. 


Die  Pflaumbäume  die  sich  vor  einem  Jahr  übertragen 
und  doch,  nichts  zur  Reife  gebracht,  sind  voller  dürrer 
Aeste  und  haben  wenig  Früchte.  Man  hat  Keine  Kirschen 
noch  Nüsse  gesehen,    auch  wenig  Obst. 

d  26  Sept.  hat  die  Gumb.  Camer  den  ruin  des  Fa- 
schinen Dams  an  der  Kirche  u  die  ruinen  an  dem  Ca- 
pellenBerge  untersuchen  lassen. 

d  15  Sept.  sind  einige  100  Stück  Pferde  u  Knechte 
hin  verlegt. 

d  19ten  steht  der  Strom  und  ist  schrecklicher  Wasser 
Mangel  dass  Keine  Müle  geht. 

d  15  Dec.  Da  die  Russischen  Staatsfeste  gefeyert 
werden,  so  ist  der  Bußtag  verlegt. 

1760  d  1  Jan.  muste  ein  eingetretenes  versiegeltes  Paket  von 
allen  Predigern  vor  der  Predigt  eröfnet  werden  u  verlesen 
werden  dadurch  jeder  Rubel  von  3  fl  18  g  bis  4  fl  6  g 
erhöhet  wurde.    Die  viel  rubel  hatten,  wurden  also  reicher. 

d  7ten  sind  14  Cosaquen  in  der  Vorstadt  einlogiret, 
einer  führte  2  Camele  bey  sich. 

d  12ten  werden  500  Ochsen  durchgeführt  nach  u  nach 
sind  bis  8000  Ochsen  durchgezogen  u  in  den  Aemtern  zur 
Ausfutterung  vertheilet,  in  der  Stadt  sind  über  500  Pferde 
ausgefuttert. 

Die  Preußische  u  Rußische  Kriegesgefangne  werden 
nach  einer  gewissen  Taxe  ausgewechselt. 

Bis  zum  28ten  Martii  ist  noch  starker  Frost,  viel 
Schnee  u  Schlittenweg. 

d  3—7  Aprü  starker  Frost,  d  9ten  geht  das  Eis. 
d  21ten  ist  der  letzte  Schnee  verschwunden  u  die  Erde 
offen  geworden,  im  Frühjahr  bis  den  3ten  Mai  ist  eine 
ungeheure  Menge  Hochwasser  auf  d  "Wiesen  gewesen. 

Die  Russische  Völker  ziehen  u  kommen  in  kleinen 
Haufen,  daß  man  nicht  klug  daraus  wird  noch  wissen  kann, 
ob  sie  hin  oder  zurückgehen,  noch  wie  stark. 


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Von  von  Baren. 


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Die  Stadt  zalet  3723  rtl  24  g  Contribution  von  allem 
Gelde  Silber  u  Zinn,  von  den  capitalien  bis  8  pro  Cent. 

d  25  Mai  geht  die  Blüthe  Zeit  an,  die  Bltithknospen 
an  Kirschen  u  Pflaumen  u  die  Meisten  von  Birnbäumen 
sind  erfroren  daher  auch  in  Litthauen  Keine  Kirsche  u 
Pflaume  gesehen  worden. 

d  31  die  Russische  Einquartirten  u  die  ausgefütterten 
Pfeerde  gehen  zur  arme. 

Im  Maj  Junio  bis  zum  7  Julii  ist  Kein  regen  gefallen 
d  7ten  entsteht  das  erste  Gewitter.  In  der  bisherigen  Vieh- 
seuche sind  von  der  Stadt  Heerde  an  1200  Stück  Rind 
Vieh  gefallen,  u  ist  auf  dem  Lande  auch  wenig  geblieben, 
noch  im  Julio  ist  wegen  der  Dürre  schlecht  Graß  insonder- 
heit laßt  sich  das  Sommer  Getreyde  schlecht  an.  Man 
siebet  Keine  Kirsche  noch  Pflaume.  Die  Hertzkirschen- 
bäume item  Spanische  sind  gantz  ausgegangen  es  zeigen 
sich  sehr  wenig  Bim  u  wenig  Aepfel.  a  Keine  Johans- 
beeren  in  Königsb  u  Elbing  sind  dergleichen  Früchte. 

d  20ten  ist  regen  der  anhält. 

Seit  dem  28  Julii  bis  an  Ende  Aug.  ist  fast  beständig  Blatt  24. 
Regen  u  Donner  Wetter  gewesen  der  Hagel  hat  viel  ver- 
wüstet. Die  Gerste  geht  an  Ende  Aug.  erst  recht  auf  die 
meiste  ist  schon  vertrocknet  u  kan  nicht  einmal  zu  Futter 
gebraucht  werden.  Das  Grummet  verfaulet.  Das  wenige 
Getreyde  ist  wurmstichig. 

d  8  Sept.  bis  hieher  continuirt  der  Regen. 

d  11  Sept  wird  publicirt  dass  das  bisherige  teutsche 
Geld,  das  so  algemein  war  das  man  das  Polnische  u 
Preußische  nicht  mehr  sähe,  heruntergesetzt  sey  u  nach 
dem  1  Jan.  nichts  mehr  gelten  solle.  Dis  war  härter  als 
die  schwerste  Contribution. 

Das  Gesinde  ist  übermüthig  u  theuer  die  waren,  pp. 
D.  9  Oct.  Kam  H.  Governeur  v  Korf  hier  an  besah  die 
Kirche,  frühstückte  bei  H  ...  .  Tierbach  reisete  um  12  Uhr 


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Inaterburger  Kirchen-Nachrichten. 


vergnügt  nach  Gumbinnen  nachdem  er  sich  in  unserer 
Kirche  alles  zeigen  lassen. 

Das  Pfd.  Kaffe  Bohnen  kostet  50  g. 

Der  starke  Regen  verdirbt  die  wenige  Gerste  viel 
Heu  verfault  ungehauen. 

d  13  Oct.  Die  R  Pfeerde  werden  wieder  durchge- 
bracht zur  Ausfutterung. 

Domin  21  p  Tr.  muste  eine  Dankpredigt  gehalten 
werden  wegen  der  Occupirung  der  Stadt  Berlin  von  R  u 
Oestreichern. 

Der  Regen  hat  bisher  continuiret. 

Am  Capellen  Berg  wird  ein  Faschinen  Dam  u  Ein- 
fassung des  Berges  vorgenommen  nachdem  der  Weg  so 
schmal  geworden,  daß  das  Thor  eingehen  u  am  Schloß  ver- 
legt werden  müssen. 

Die  Bürger  bekamen  für  jedes  Schock  Faschinen  60  g 
da  das  Wasser  hoch  u  der  Weg  schlecht  geht  alles  schwehr 
von  statten  zumal  Menschen  u  Pferde  rar. 

d  20  Dec.  geht  das  Eiß  d  25  Sturm  regen  u  Ueber- 
schwemmung. 

1761  Jan.  der  Weg  ist  grundlos.    Die  Posten  gehen  unordentlich. 

d  7  Jan.  nach  langem  gewaltigen  Sturm  u  Regen 
friert  es. 

Seit  einigen  Tagen  kamen  R  u  Cosaken  mit  ausge- 
hungerten Pferden. 

d  23  Jan.  ist  d  H.  Brigadir  Zernikow  angekommen 
der  hin  u  wieder  hindurch  gut  comando  gehalten  hernach 
von  d  Preußen  bei  Posen  gefangen  ist. 
Blatt  26.  d  15  Febr.  ist  Postmeister  Drewis  arretirt  wegen  ge- 

stolene  Postgelder. 

d  7  bisher  große  Ueberschwemmung. 

Die  Russ.  Völcker  sind  in  allen  Städten,  Dörfern  u 
Höfen  zerstreuet.    3 — 31  warm  trocken  Frülingswetter  etc. 

d  6  Maj  dem  Tractament  am  Staatsfest  bey  dem  H. 
Brigadier  Czeripow  beygewonet. 


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Von  van  Baren. 


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d  22  Maj  ist  Brigadier  Czeripow  abgegangen  mit  den 
hier  gewesenen  Soldaten. 

Hier  wird  e.  großes  Magazin  angelegt  n  vieles  aus 
Königsberg  gebracht.  Die  Kaufleute  Blank  Tierbache  u 
Urbani  haben  sich  übernommen,  hier  eine  große  Menge 
Haber  zu  liefern  u  dafür  den  in  Königsb  befindlichen 
Russischen  Haber  anzunehmen  welchen  sie  verkaufen. 

d  7  Junii  bey  der  fruchtbaren  "Witterung  bekommen 
die  Bäume  wieder  starken  Trieb  zum  "Wachsthum  nach 
manchen  schlechten  Jahren  etc. 

(d  21  Jim).  H.  Baron  von  Eulenburg  ist  von  s.  Gütern 
arretirt  in  Klötz  geschlossen  nach  Petersburg  gebracht 
wegen  beschuldigter  unehrerbietigen  Reden  ist  aber  pardo- 
nirt  u  aus  Petersburg  dimittirt. 

Julius  1761  das  Korn  u  Heu  ist  gut  gerathen  und 
auch  eingeerntet. 

Die  Stadt  soll  von  1563  Mans  Köpfe  von  der  Wiege 
bis  zur  Krücke  2  Rubel  pro  Kopf  zalen.  niemand  ist 
eximirt.  es  macht  3126  Rubel.  Prediger  für  ihre  Person 
sind  frey. 

General  Totleben  ist  in  Pommern  arretirt  wird  nach 
Petersburg  gebracht,  wie  er  sein  Leben  daselbst  so  bald 
geendet  ist  nicht  bekannt  etc. 

Sept.  Es  ist  schön  u  heiß  Erntwetter  gewesen,  die 
Gerst  ist  schlecht  gerathen,  "Weizen  u  Korn  desto  besser. 
Es  sind  viel  Nüsse,  gering  Birn  u  ziemlich  viel  Aepfel 
zur  Reife  gekommen. 

d  14.  15  Sept.  ist  es  plötzlich  kalt  geworden,  daß  es  Blatt 
gereift,  nachher  nach  einigem  Regen  u  Sturm  blieb  es 
schön  trocken  "Wetter.    Das  Magazin  wird  vermehrt  auf 
dem  Schloß. 

October  bisher  sind  Ochsen  u  Pferde  durchgebracht 
zur  armee. 

D.  H.  Major  Kudrin  hier  bisher  sehr  gute  Manszucht 
gehalten  u  die  im  "Winter  einquartirten  im  Sommer  stets 


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Insterburger  Kücheu-Nacliricliten. 


ziehende  Cosaken  sind  u  durch  ihre  Hetmanns  (?)  von  ex 
cessen  abgehalten.  "Wo  sie  aber  sind,  fordern  sie  auch 
Essen  sind  aber  mit  Erbsen  und  Cartoffeln  zufrieden  etc. 

Hier  schließen  die  chronologisch  geordneten 
Notizen  des  Erzpriesters  Hahn. 

Die  Fortsetzung  der  Kirchen  Nachrichten  findet 
sich  im  Anschluß  an  einen  Auszug  der  Aufzeichnungen  des 
Erzpriesters  Hahn,  und  offenbar  als  eine  Abschrift  aus  den 
Notizen  desselben  in  seinen  Schreibkalendern,  von  anderer 
Handschrift  in  einem  mit  Papier  durchschossenen  Exemplar 
des  "Werkes  von  Friedrich  Pastenaci  (Historische  Nach- 
richten von  allen  im  Königreich  Preußen  befindlichen  Kir- 
chen und  Predigern.  Königsberg  bei  J.  F.  Driost,  1755) 
hinter  Seite  18.  Diese  Fortsetzung  lautet  wörtlich 
u.  vollständig  wie  folgt: 

1762  Den  19ten  Jan.  hat  Magistrat  und  die  Bürgerschaft  den 
23ten  Jan.  haben  Prediger  Cronbediente  etc.  den  Huldi- 
gungseid an  Peter  HI  vor  dem  Altar  abschweren  müßen. 
Der  Eid  ist  von  mir  in  praes.  des  Lieuten.  Bensings  ab- 
genommen. 

d  2ten  Febr.  c.  ist  das  6wöchige  Geleut  wegen  Ab- 
sterben der  rußischen  Kayserin  Elisabeth  angefangen. 

d  17ten  Febr.  sind  180  preußische  Gefangene  v  Trep- 
tau  Über  Memel  hierher  gebracht  sie  waren  vom  Knobloch- 
schen  Regiment.  Der  Capitain  hieß  Kleist.  56  haben 
communicirt  7  haben  im  Lazareth  berichtet 

d  19ten  große  Ueberschwemung  bei  schrekl.  Sturm  auf 
der  Freiheit  mußte  man  mit  Kähne  fahren. 

d  23ten  Febr.  wurden  die  gefangene  Pr.  aus  der  Ves- 
per auf  den  Markt  berufen  wer  ruß.  Dienste  nehmen  wolte, 
es  ist  keiner  vorgetreten.  Ich  habe  für  sie  eine  Collecte 
gehalten.  Den  9ten  Martii  sind  sie  nach  Schlesien  unter 
e.  Esq.  als  Freygelassone  von  Rus.  gebracht. 

d  lOten  Martii  sind  die  Cosaken  ins  fürstl.  verlegt. 


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Von  van  Baren. 


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d  9ten  n  lOten  ward  für  ankommende  ruß.  Regimenter 
Brod  gebaken. 

d  Ilten  Martii  marsch irte  das  2te  ruß.  Grenadier  Regi- 
ment durch  mit  Spiel  und  Gepäk. 

d  18ten  Martii  ward  die  Gedächtnis  Predigt  über  den 
Tod  der  Kayserin  Elisabeth  gehalten  über  Kr.  44.  12 — 14 
u  das  Geleut  sistirt. 

d  23ten  Martii  früh  um  7  ist  H.  Caplan  Gartz  ge- 
storben. 

d  6ten  April  haben  diejenige  huldigen  müßen,  welche 
die  Termine  versäumt  hatten. 

Den  ganzen  April  hindurch  war  es  heiß  u  trocken  daß 
es  stäubte. 

Das  Deputat  Holz  soll  nicht  mehr  geflößet  werden 
sondern  wie  sonst  angefahren  werden,    ist  hernach  gehoben. 

d  28ten  Maji  seqv.  friert  es  9  Grad  der  ausgeschla- 
gene Wein  u  Blüte  u  eingesetzte  Früchte  verderben  es  ist 
in  der  ganzen  Gegend  keine  Kirsche  gefunden  Pflaumen 
u  etwas  Obst  war  in  meinem  u  wenigen  anderen  Garten 
in  den  meisten  nichts  Spanische  Hollunder,  Linden  u  andere 
Bäume  haben  garnicht  geblüht.  Der  "Wind  kam  fast  ständig 
aus  Ost  u  Nordost. 

d  lten  Junii  verdarb  ein  abermaliger  Frost  die  Banm- 
früchte  u  Blumen. 

d  Gten  Julius  in  voriger  Nacht  um  12  kam  ein  bla- 
sender Courier  mit  Friedensnachrichten  u  von  der  Rück- 
gabe Preußens  an  unseren  König. 

Preußische  Werber  heben  junge  Leute  aus. 

d  11  Julius  ward  der  Friede  publicirt.  H.  Justiz  Rath 
Heidenreich  zu  Pferde  war  Herold.  Die  Grosbürger  saßen 
zu  Pferde.  Vor  dem  Rathhause  stand  die  Bürgerschaft  im 
Gewehr.  1  Tambour  2  Postillione  2  Trompeter  ließen  sich 
hören.  Die  Proclamation  geschah  vor  dem  Rathhause  und 
in  unterschiedenen  Orten  der  Stadt. 

d  25ten  solte  das  Friedensfest  gefeyert  und  die  von 


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Insterburger  Kirchen-Nachrichten. 


beyden  Höfen  im  Druk  emanirte  Patente  verlesen  werden 
und  waren  Illuminationes  bestelt. 

d  16ten  Julius  Abends  lief  Nachricht  vom  Tumult  in 
Petersburg  ein  u  daß  die  Russen  d  16ten  Abends  nach 
Ankunft  e.  Couriers  die  Festung  Friedrichsburg  wieder 
occupirt  hätten.  Die  preuß.  "Werber  eilen  mit  den  Rekruten 
so  gut  sie  können  davon. 

d  25ten  ward  statt  des  Friedensfestes  ein  ruß.  Patent 
des  Gouverneurs  "Wojakoff  abgelesen,  worin  wir  nach  wie 
vor  für  Rußen  erklärt  werden. 

d  27ten  schwehren  die  Cosaken  der  Kayserin. 
d  17ten  Aug.  sind  40  östreichische  Kriegsgefangene 
officier  einquartirt  der.  Zahl  nach  u  nach  vermehrt  werden 
—  es  war  der  H.  General  Feldwachtmeister  Baron  v.  Biela 
2  Obersten  4  Capitaine  2  Rittmeisters  4  Capit.  Lieuten. 
16  Ober  Lieuten.  11  Unter  Lieut.  1  Fähnrich. 

d  22ten  Aug.  ist  endlich  die  Friedens  -Danckpredigt 
gehalten  über  E.  45  v.  7.  Es  ist  keine  Erbse  im  Lande 
reif  geworden.  Mehlthau  u  "Würmer  haben  alles  verzehrt. 
"Weitzen  Korn  Gerst  Haaber  sind  sehr  gut  gerathen.  Im 
Septbr  1762  ziehn  sich  die  Russen  nach  u  nach  in  kleine 
Corps  fort  nach  Russland. 

den  7ten  u  8ten  marchiren  Curassire.  Die  Preußen 
werben  stark. 

den  9ten  ist  ein  Cavallerie  Regiment  Curassier  durch- 
gegangen mit  8  Standarten.  Darnach  5  Regimenter  Infan- 
terie General  Romappe  zieht  ab.  Die  Generale  v  Nemeni- 
kow  u  Follerlop,  v  Essen  etc.  kommen.  Letzterer  war  den 
12ten  in  der  Kirche.  Die  Russen  campiren  auf  der  Alt- 
höfschen  Wiese,  den  lOten  sind  die  6  Infanterie  Regi- 
menter aufgebrochen.  Den  9ten  Abends  beneventirte  ich 
den  H.  General  Feldmarschall  von  Soltikoff  er  hatte  viel 
Pferde  u  Jagdhunde. 

d  19ten  gegen  11  Mittag  kam  ein  Regiment  Cür.  mit 
klingendem  Spiel.    Die  Predigt  mußte  abgekürzt  werden. 


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Von  van  Buren. 


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Den  20ten  gingen  sie  ab.  Den  21ten  Sept.  um  12  Uhr 
kam  das  schönste  Regiment,  es  waren  Curassiers  Leute 
Pferde  u  Montur  waren  vortrefflich,  alle  hatten  grüne  Feld- 
zeichen auf  den  Hüthen.    Gelbe  Pferdedecken. 

d  23ten  hat  sich  das  Regiment,  welches  theils  in  der 
Stadt,  theils  auf  den  Dörfern  Quartier  hatte,  auf  dem  Markt 
wieder  versammelt  u  ist  fortgezogen  Alle  Truppen  lebten 
für  ihr  Geld  u  es  geschahen  keine  Excesse.  Die  Musik 
war  schön,  des  Morgens  und  Abends  ward  gespielt,  aus 
meines  Herzens  Grund,  der  lieben  Sonne  Licht  etc.  Manche 
Weibsleute  sind  unter  ihnen  gegangen,  manche  sind  ge- 
salbt und  gekrönt,  an  der  Grenze  haben  sie  manche  im 
Strom  ersäuft. 

den  7ten  Nov.  die  hier  u  anderswo  sich  noch  befin- 
dende rußische  Ofnciers  u  Gemeine  brechen  auf,  wozu  ein 
doppelter  Tumult  in  Königsberg  Gelegenheit  gegeben.  Das 
rußische  Magazin  in  Königsberg  ist  den  20ten  Nov.  an 
unsern  König  verkauft. 

Die  Bürgerschaft  muß  eine  bestimmte  Zahl  Recruten 
liefern,  an  die  Königl.  Armee  Ihro  Königl.  Magest&t  ver- 
langen 5000  Last  Korn  und  Mehl.  900  Last  sind  davon 
in  dem  rußischen  Magazine. 
1762  Jezzo  roullirt  kein  ander  Geld  als  russische  V»  V*  7«  7** 
wie  auch  Düttchen  2  gr.  1  gr.  und  ß  auch  preußische  Die 
preuß.  75  von  1757  werden  nirgends  genommen;  Ob  es 
gleich  nicht  friert,  so  ist  doch  kein  Waßer,  auch  im  Strom 
reicht  es  nicht  zu.  Korn  hat  gegolten  3  fl  12  gg  Weizen 
ebensoviel,  Gerst  2  fl  Haber  1  fl  6  gg  in  Insterburg.  Die 
Kaufleute  haben  erweiterte  Grenzen  des  Marktplatzes  ge- 
setzt, darin  es  erlaubt  ist,  Getreide  zu  kaufen. 

den  17ten  Dec.  die  Stadt  liefert  wieder  10  Recruten 
200  Mann  vom  Lande  werden  hier  in  Empfang  genommen. 

den  25ten  wird  es  heftig  kalt  früh  8  Grad  Abends  13Va. 

den  26ten  15  Grad  d.  27ten  u  28ten  10  Grad  die  Baro- 
meter stehen  schrecklich  hoch  bei  hellem  Wetter. 


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Insterburger  Kirchen-Nachrichten. 


Pastenaci  1763  Im  Frühjahr  ist  der  Faschinen  Damm  hinter  der  Schule 
u  meinem  Garten  erhöhet. 
1764  den  2ten  war  im  ganzen  Lande  eine  allgemeine  Haus 
Visitation. 

Dem  schreckl.  Holtzmangel,  den  der  impassalbe  Weg 
verursachet,  wird  durch  den  Frost  abgeholfen,  der  mit  dem 
Anfang  des  neuen  Jahres  eingetreten,  nachdem  es  vorher 
einige  Tage  gewaltig  gestürmt.  Der  Frost  hat  nur  bis  zum 
13ten  gedauert,  den  22ten  Febr.  stieg  der  Frost  bis  4  Grad 
den  12 — 14ten  Mart  hat  H.  D.  Bock  u  Justizk.  v.  Essen 
eine  fatale  Commission  gehalten  wider  die  unschuldigen 
Schul  Collegen. 

d  17ten  Martii  sind  die  Meierschen  Dragoner  von 
Pieragienen  u  den  20ten  die  Plathenschen  Dragoner  in 
Cantonirungs  Quartier  gerückt. 

d  24ten  Martii  deutete  des  Abends  um  10  die  Sturm- 
glocke u  Trommel  eine  Feuers  Gefahr  an  die  Gangens 
Knecht  durch  die  Laterne  im  Holzstall  angerichtet.  Es 
ward  Gottlob  gelöscht. 

d  16ten  Maj  sind  die  Platensche  Dragoner  zur  Revue 
nach  Merael  aufgebrochen. 

Vom  7ten  Junio  an  sind  die  Sechser  von  1763  bis 
auf  4  gg  heruntergesetzt  u  alles  übrige  Geld  soll  in  die 
Münze  geliefert  werden. 

Im  Julio  wird  der  Faschienen  Damm  hinter  meinem 
u  dem  v  Bergschen  Haus  und  bis  zum  Holtzgarten  gemacht 
den  6ten  Sept.  wird  die  Arbeit  geschlossen. 

den  23ten  Jul.  ist  die  Structur  der  neuen  Orgel  in 
der  Kirche  aufgerichtet  d  26ten  der  Principal  angerichtet. 

d  24ten  mein  Dielenzaun  u  2  Thorwege  fertig  gewor- 
den, von  der  2ten  rußischen  Contribution  sind  mir  3  rthl 
61  gg  statt  70  rthl  vom  Magistrat  retradirt  in  abgesetztem 
rußischem  Gelde. 

d  löten  Jul  brannte  der  Schornstein  im  Ausstinschen 
Hause  der  Orgelbauer  arbeitet,  ruhe  an  mein  Stall. 


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Von  van  Baron. 


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d  1  Aug.  hat  Meister  Pancritius  den  Altar  bekleidet. 

d  7ten  Aug.  gegen  3  entstand  eine  starke  Eilung  Blitz 
u  Donner  u  dauerte  10  Minuten  riß  viel  Scheunen  u  Bäume. 

d  Ilten  erschoß  sich  ein  Dragoner  wegen  verweiger- 
ten Trauschein.  Arbeitsleute  mußten  ihn  begraben.  In 
diesen  Monath  hat  man  angefangen  den  Strom  von  Steinen 
zu  reinigen.    Die  Saderschen  Mousquetiere  mußten  arbeiten. 

d  25ten  Sept.  war  Feuer  im  Lipschen  Hause  an  der 
Capelle,  es  ward  gestürmt  doch  Gott  half  bald 
ist  ein  Bürgerhaus  für  den  General  g3kauft. 

d  30ten  Octbr.  "Wein  ist  nicht  reif  geworden  der 
Herbst  war  naß  u  kalt  Obst  Nüße  Pflaumen  sind  gut  Ge- 
treide und  Heu  ziemlich. 

d  Ilten  Nov.  Abends  entstand  der  große  Brand  in 
Königsberg. 

d  7  Dec  ist  ein  desertirter  Dragoner  an  einen  Pfahl 
gehangen. 

1765  den  Ilten  Jan.  brannte  Bings  stall  nahe  an  meinem  in  der 
Nacht  um  11  die  Gefahr  war  groß.  Die  Funken  spielten 
über  Kirch  und  Thurm  Gott  half. 

den  20ten  Maj  ward  wegen  eines  brennenden  Schorn- 
steins gestürmt. 

Im  Julio  hat  Hr.  Kirchen  Vorsteher  Kühn  mit  colligir- 
ten  Gelde  die  Kirche  ausgeweißet. 

Das  Dach  und  Balken  sind  reparirt. 

Die  Stadt  Cämmerey  hat  hinter  meinen  Garten  einen 
Gang  zum  Wasser  erhöhen  u  pflastern  lassen. 

d  17ten  Julii  1765  erschien  der  K.  Pr.  Tabaks  Ver-    S.  8& 
pachtungs  Contract  nach  welchem  die  Pächter  11  Tonnen 
Geldes  an  Ihro  Maj  zahlen. 

1766  d  9  Febr.  ist  in  der  Kirche  zum  Bau  der  hiesigen  ref. 
Schule  eine  Collecte  gehalten. 

Die  Viehseuche  grassiret  an  einigen  nahen  Orten  e. 
g.  in  Sterkeningken  läßt  wenig  übrig. 

Altpr.  Monut -.schrill  B  l.  XXIII.  Tlft.  8  n.  4.  23 


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Instcrlmrger  Kirchen-Nachrichten. 


d  27  Febr.  Cantor  a.Tilse  Harte  die  neue  Orgel  revidirt. 

Es  ist  viel  Schnee  aber  seldechte  Baun. 

d  16ten  April  ist  das  Amts  Vorwerk  Maigunischken 
eingeäschert  u  weil  man  den  Thorschlüssel  nicht  finden 
können  alles  Vieh  u  Pferde  verbrannt,  nichts  gerettet  u  der 
Gärtner  mit  den  seinen  verbrannt. 

Der  April  ist  sehr  heiß. 

d  25ten  Maj  haben  französische  financiers  die  Accise 
Einrichtung  geändert  u  viel  neues  angefangen. 

d  9ten  Juny  ist  die  Stube  im  Hinterhause  mit  neuen 
Balken  u  mit  einer  neuen  Deke  versehen.  Der  neue  Kachel- 
ofen in  meiner  Stube  kostet  25  rtl  u  ist  der  Ofen  in  der 
Hinterstuben,  u  Bakofen  gesetzt.  Das  Korn  ist  gut  ge- 
rathen  konnte  schon  medio  Julii  gehauen  werden.  Gerst 
ist  nicht  sonderl.  Erbsen  gut.  Kirschen  gut,  viel  Aepfel 
wenig  Birnen  keine  Pflaumen  u  Nüße. 

Das  Stempel  Papier  u  Postwesen  und  die  Freyheit 
Spiel  zu  halten  wird  erhöhet. 

Der  Canal  von  Angerburg  ist  nicht  fertig. 

d  14ten  Novbr.  kam  das  erste  Bauholz  u  ein  Kahn 
mit  3  Last  Korn  aber  nur  an  die  Nase. 

d  18ten  stand  der  Pregel. 

Der  Sommer  und  Herbst  war  trocken. 

im  Nov.  Decbr  friert  es  Wasser  im  Strom  wegen  des 
Vieh  Trinkens  und  Malens  war  bis  Novbr  1767  große  Noth. 

Im  Jahre  1819  forderte  die  Königliche  Regierung  zu  Gum- 
binnen  durch  die  im  littauischen  Amtsblatt  abgedruckte  Verfü- 
gung auf 

in  jeder  Stadt  die  Merkwürdigkeiten  derselben,  welche 
für  die  Nachkommen  von  Interesse  und  Nutzen  sein 
könnten,  aufzuzeichnen. 

In  Folge  dessen  stellte  der  damals  an  der  lutherischen 
Kirche  zu  Insterburg  fungirende  Superintendent  August 


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Von  van  Bareu. 


347 


Friedrich  Heydemann11)  Nachrichten  zusammen,  welche  er 
als  eine  Fortsetzung  von  „A.  E.  Hennig  Topographisch- 
historischer Beschreibung  der  Stadt  Insterburg  1794a, 
jedoch  als  zuverlässiger  als  diese  letztere  bezeichnet  „weil  sie 
die  gegenwärtige  Zeit  betreffen". 

Diese  „Chronik  von  Insterburg"  ist,  von  seiner  Hand- 
schrift geschrieben  und  in  Abschrift,  ebenfalls  im  lutherischen 
Kirchenarchiv  vorhanden  und  lautet  wörtlich,  wie  folgt: 

Am  lOten  May  1780  verloren  4  Wirthe  auf  der  Vorstadt 
ihre  Scheunen  und  Stallungen  durch  ein  entstandenes  Feuer. 

Am  5ten  July  1783  traf  ein  Blitzstrahl  den  lutherischen 
Kirchen  Thurm,  zerschmetterte  einige  Pfeiler  im  Thurm,  einen 
Balken  in  der  Kirche,  und  fügte  der  Orgel  einen  bedeutenden 
Schaden  zu. 

In  eben  diesem  Jahre  und  demselben  Monath  den  28ten 
Juny  brannten  in  der  Vorstadt  in  einer  Zeit  von  4  Stunden 
12  Ställe  und  11  Scheunen  ab. 

Im  Jahr  1803  wurde  auf  dem  Kirchenthurm  eine  neue,  von 
dem  Uhrmacher  Siede  zu  Darkehmen  verfertigte  Uhr  aufgesetzt. 

Am  4ten  September  180G  Morgens  um  4  Uhr  traf  ein  Blitz- 
strahl eine  Scheune  vor  dem  Obermühlen thor,  und  brannten 
31  Scheunen  ab. 

Im  Jahr  1806  nach  der  unglüklichen  Schlacht  bey  Auer- 
städt  sammelten  sich  hier  viele  von  ihren  Regiementern  ver- 
sprengte preuß.  Militair-Personen  und  nach  der  Schlacht  bei  Pr. 
Eylau  am  öten  Februar  1807  war  hier  der  Sammelplatz  der 
Russischen  Truppen.  Die  zu  den  Lazarethen  eingenommene 
Privat  Häuser  das  ganze  Schlos,  sämtliche  Schulgebäude  und  die 
reformirte  Kirche  waren  mit  kranken  Russen  so  überfüllt,  daß 
zu  einer  Zeit  sogar  fiOOO  Gemeine  und  Unterofficire  und  870  Offi- 
cire  in  denselben  lagen.  Der  größte  Theil  derselben  ist  gestor- 
ben, und  außerhalb  der  Stadt  begraben.    Die  Anzahl  derselben 


11)  starb  am  23  October  1842. 

23* 


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348 


Insterburger  Kirchen-Nachrichten. 


kann  aber  nicht  angegeben  werden,  weil  die  Russen  keine  Todten- 
Register  gehalten  haben. 

Dadurch  entstand  auch  bei  den  Einwohnern  eine  Krankheit 
die  Pestartig  war,  die  Sterblichkeit  bey  derselben  war  um  2/a 
stärker  als  sonst,  ja  es  starben  einige  Hänser  beinahe  ganz  aus. 

Am  17ten  Juny  1807  nach  der  Schlacht  bey  Friedland  strömte 
von  den  Russen  eine  so  große  Menge  in  die  Stadt,  daß  wenigstens 
4000  Mann  sich  in  derselben  befanden,  welche  aber  durch  einen 
blinden  Lerm  aufgeschreckt  in  wenigen  Mienuten  die  Stadt  ver- 
ließen. 

Am  18ten  Juny  Abends  wurde  eine  Deputation  der  Bürger- 
schaft nach  Bubainen  an  den  Französischen  General  Beaumont 
abgeschickt,  um  Schonung  für  die  Stadt  zu  bitten.  Einzelne 
Husaren  waren  Nachmittags  in  die  Stadt  gekommen  recognos- 
cirten  ob  Russen  darin  wären,  und  achoßen  in  die  Fenster 
und  Häuser.  Beaumont  gab  dem  General  Cambaceres  200  Mann 
Husaren,  diese  eilten  Abends  11  Uhr  in  die  Stadt,  um  sie  zu 
schützen  100  Mann  blieben  auf  dem  Markte  stehen,  die  übrigen 
vertheilten  sich  in  die  Häuser,  wo  sie  Essen  und  trinken  in 
Vorrath  fanden  und  requirirten  von  den  einzelnen  Einwohnern 
Wäsche  und  Leinen  und  was  ihn  sonst  anstand  und  gefallig  war. 

In  dieser  Nacht  vom  18ten  bis  19ten  Juny  mußte  die  Stadt  , 
ohne  was  einzelne  verlohren  hatten,  noch  baar  Geld  zahlen 

1.  an  einen  Husarren  von  Cambaceres .    20  rtl 

2.  an  einen  Unterofficir  100  rtl 

3.  an  Cambaceres  selbst   1000  fried'or 

4.  an  dessen  Adjudanten  50  frd'or 

5.  „       „     Lieutenant  20  do. 

6.  den  Fourier  10  Ducaten 

7.  an  Tüchern  und  "Waaren  ans  den 

Kramläden   2329  rtl  52  gr 

8.  an  Lebens  Bedürfhißen  und  andere 

verschiedene  Gegenstände  die  dem 

Cambaceres  geliefert  werden  mußten    9652  rtl  2  gr  1 V8 

9.  an  den  General  Grouchy     ....    200  fried'or 


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Von  van  Baren. 


34y 


10.  an  einen  Commandern-  eines  Husaren- 

Antachements  80  fried'or 

11.  an  mehreren  franzosischen  Militairs 

und  nahmentlich  an  den  Rittmeister 
Boyer  vom  Cambaceres'schen  Re- 

giement   1200  rtl 

Die  ganze  Summe  der  Requisitionen  beträgt    63  650  rtl  und 
zwar  ...    10  927  rtl  liquide 
und  ...    52  725  rtl  iliquide 
welche  blos  Cambaceres  erhalten  hat.    So  theuer  kam  der  fran- 
zösische Schutz  zu  stehen! 

Am  19ten  Juny  traf  der  Marschall  Ney  mit  12  000  Mann 
ein,  einige  1000  blieben  hier,  die  übrigen  wurden  in  die  um- 
liegende Gegend  verlegt. 

Aus  der  Königl.  Salz  Kasso  wurdo  baar  1868  rtl  21  gr 
41/«  pf.  an  Salz  —  134 
Tonnen  französisches 
43  Tonnen  englisch  Stein 
und  384  Tonnen  Liverpool  Salz 
in  Beschlag  genommen  und  nachher  verkauft. 

Aus   dem   Depositorio  des   Königl.  Oberlandes -Gerichts 

wurden  genommen  baar  1125  rtl 

aus  der  Salarien-Casse  desselben  151  rtl  30  gr 

und  aus  dem  Depositorio  des  Königl.  Stadtgericht  14.336  rtl, 
und  kleine  Summen  aus  der  Kämmerei,  Kirchen,  Armen  und 
Hospitals-Casse.  Der  Verlust  würde  jedoch  noch  bedeutender 
geworden  seyn,  wenn  man  nicht  aus  Vorsicht,  schon  den 
größten  Theil  der  Kassen  Bestände  nach  Memel  fortgeschikt  hätte. 

Die  Stadt  sendete  zwar  Abgeordnete  nach  Königsberg  an 
den  Französischen  Intendanten  Grafen  Daru  um  wenigstens  das 
Vermögen  der  Unmündigen  zurückzuerhalten,  das  größtenteils 
in  Documenten  im  Depositorio  des  Stadtgerichts  gelegen  hatte, 
p.  Daru  versprach  mehr  als  die  Abgeordneten  zu  bitten  wagten 
und  —  hielt  nicht  Wort. 


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350 


Insterburger  Kirchen-Nachrichten. 


Späterhin  wurden  diese  Documenta  und  Gelder  durch  den 
Pariser  Frieden  zurückgewonnen.  Die  Franzosen  zogen  in  be- 
deutenden Abtheilungen  durch.  Ein  Korps  von  10000  Mann 
vom  Bernadotte'schen  Corps  bivouaquirte  beim  Pangerwitzer 
Kruge  auf  dem  Berge,  und  blieb  vom  19ten  bis  zum  28ten  Juny, 
dadurch  litten  aber  sowohl  die  Einwohner  der  Stadt  in  der  Nähe 
des  Lagers  als  auch  die  umliegenden  Dörfer,  denn  alles  wurde 
genommen  was  zu  einem  bivouaque  gehört.  Thüren,  Fenster, 
Stühle,  Banken,  Spiegel,  Betten  und  Hausgeräth,  was  sie  fanden, 
und  ihnen  anständig  war.    Es  gefiel  ihnen  alles  was  sie  sahen. 

Das  bivouaq  glich  einer  hübschen  Stadt,  die  wie  durch 
einen  Zauberer  in  wenigen  Stundon  entstanden  war. 

Die  Ordnung  in  diesem  Lager  war  gut;  überhaupt  betrugen 
sich  die  Franzosen  im  Jahr  1807  als  Feinde  besser  als  im 
Jahr  1812  wo  sie  als  Alliirte  erschienen.  Im  ersteren  Jahre 
waren  sie  wirkliche  Franzosen,  das  heißt  artig,  freundlich  und 
wirklich  menschlich  wenn  gleich  geld-  und  raubgierig;  im  letztern 
aber  waren  sie  höchst  brutal,  nichts  war  ihnen  gut  genug  und 
sogar  bei  der  Retirade  im  Dezember  1812  machten  sie  Präten- 
sionen, die  der  übermächtigste  Sieger  sich  nicht  erlauben  wird. 

Die  ganze  Summe  des  hier  durchgegangenen  französischen 
Militairs  wird  etwa  30000  Mann  betragen. 

Die  letzten  gingen  den  24ten  July  ab.  Die  große  Menge 
der  Franzosen  hatte  unter  allen  Gattungen  von  Vieh  eine  große 
Verwüstung  angerichtet.  Zu  diesen  Kriegs  Uebel  gesellte  sich 
noch  eine  Viehseuche.  Es  sind  ausser  dem  geraubten  und 
requirirten  Rind -Vieh  noch  mehr  als  1000  Stk.  umgekommen. 


Am  8ten  Januar  1809  marschirte  das  Dragoner-Regiement 
v.  Esebeck  welches  hier  in  Garnison  gestanden,  nach  Riesenburg 
in  das  neue  Standtquartier  und  am  12ten  rückten  zwey  Esqua- 
drons  vom  Litthauischen  Dragoner  Regiment  als  Besatzung  hier  ein. 

Am  29ten  März  1809  wurde  das  hiesige  Stadtgericht  vom 
Magistrate  getrennt.    Am  24ten  Juny  1810  wurde  an  dem  in 


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Vou  van  Baren. 


351 


dor  Nacht  vom  lüteu  auf  den  Ilten  Dezember  1809  eingestürzten 
alten  Rathhause  der  Grundstein  zum  neuen  Gebäude  und  in 
selbigen  nachstehende  Nachrichten  gelegt.  (Weggelassen.) 

Am  29ten  März  1812  wurde  das  Kreis-Justiz-Amt  Inster- 
burg,  welches  seinen  Siz  in  Georgenburg  gehabt  nach  der  Stadt 
verlegt. 

In  diesem  Jahre  wurde  die  so  genannte  große  Schule  in 
eine  höhere  Bürgerschule  umgewandelt. 

Krieges  und  Tagesbegebenheiten  in  diesem  Jahr. 

1812.  d  7ten  Juny  Kam  von  dem  Landhofmeister  v.  Auerswald  der 
Auftrag  an  den  Magistrat:  Die  schleunige  Einleitung  zur 
Erbauung  der  französischen  Bakofon  zu  treffen,  an  dem 
nehmlichen  Abend  um  6  Uhr  traf  der  französische  Com- 
missaire  Lievre  nebst  Maurer  und  Zimmerleute  zur  Er- 
richtung von  18  Bakofen  ein. 

den  8  und  9ten  geschahen  bedeutende  Requisitionen  zum  Bau, 
an  Eisen,  Bretter,  Kessel  und  andere  Materialien. 

d  lOten  Kam  die  Nachricht,  daß  13  000  Mann  und  2000  Pferde 
in  und  um  Insterburg  einrücken  wärden,  auch  erschienen 
die  ersten  französchen  Fußvölker. 

d  Ilten  waren  kleine  Ein-  und  Durchmärsche. 

d  12ten  Kam  der  General  Quartier  Meister  vom  Prinz  Eckmuehl- 
schen  Corps  mit  der  Nachricht,  daß  der  Prinz  selbst  ein- 
rücken würde,  er  blieb  aber  in  Georgenburg. 

d  13ten  marschirten  Truppen  ein  und  durch. 

d  14ten  Kam  Marschall  Davoust  Prinz  Eckmühl  nach  Insterburg, 
um  die  Backofen  in  Augenschein  zu  nehmen,  als  er  auf 
die  Frage,  warum  solche  noch  nicht  fertig  seyn,  die  Ant- 
wort erhielt,  es  fehle  an  Ziegeln,  erwiderte  er: 

ich  sehe  ja  aber  noch  hier  eine  ganze  Reihe  Häuser 
stehen,  warum  werden  die  nicht  dazu  gebraucht? 
Doch  waren  die  18  Bakofen  in  3  Tagen  fertig,  sie  standen 
damals  auf  dem  Platze  wo  jetzt  das  Schauspiel-Haus  steht. 

d  löten  ging  eine  große  Menge  Truppen  und  viel  Geschütz  durch. 


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352  Insterbnrger  Kirchen-Nachrichten. 

d  16ten  rükte  die  französische-kaiserliche  Garde  ein. 

den  17ten  Kam  Napoleon  um  5  Uhr  Nachmittags  an,  ritt  gleich 
aus,  besah  die  Feldbäkkerey  und  das  äußere  Terrain  und 
logirte  im  v.  Bilzingsloe  wen 'sehen  Hause. 

Die  Franzosen  bivouacquirten  hinter  den  Gärten  der 
Freiheit,  Vorstadt  und  bey  Althoff  Insterburg.  Alle  Zäune 
in  der  Gegend  wurden  in  wenigen  Minuten  abgebrochen 
und  zum  bivouaq  gebraucht  auch  aus  den  Häusern  wurden 
Gerätschaften  mit  Gewalt  genommen. 

den  18ten  Ritt  Napoleon  geführt  von  dem  Kaufmann  Johann 
"Weiss  durch  die  Vorstadt  nach  Neudorff  ins  Lager,  musterte 
die  daselbst  stehenden  Truppen  und  die  bey  Insterburg  und 
fuhr  Nachmittags  um  2  Uhr  nach  Gumbinnen. 

d  19ten  Ging  die  Garde  nach  Gumbinnen,  es  kamen  aber 
6000  Mann  sächsische  Truppen  an,  und  erhielten  Quartier 
und  noch  mehrere  riikten  ein  und  aus.  Eine  Esquadron 
von  Preuß.  Dragoner  aus  Wehlau,  unter  Commando  des 
Major  v.  Raeumer  so  wie  2  Kompagnie  Musquetiere  gingen 
durch  nach  Padrojen. 

d  20ten  waren  kleine  Ein-  und  Durchmärsche. 

d  21ten  gingen  die  Sächsischen  Truppen  weg  und  es  blieb 
ziehmlich  ruhig. 

d  22ten  Kam  die  kaiserliche  Kriegs-Casse  unter  Bedeckung  der 
Preuß.  schwarzen  Husaren.  Gegen  Abend  rükte  ein 
Bataillon  Preuß.  Mousquetier  v.  3.  Ostprß.  Infantrie  Re- 
giement  ein. 

d  23ten  rükte  um  2  Uhr  morgens  die  einquartirte  Infantrie  aus, 
um  8  Uhr  dagegen  4  Französische  Infantrie  Regimenter 
ein,  empfingen  Lebensmittel  und  gingen  um  10  Uhr  weiter 
nach  Gumbinnen. 

d  24ten  Morgens  ging  die  französische  Kriegs-Casse  ab,  bald 
darauf  kamen  einige  Proviant- Wagen  futterten  und  gingen 
weiter.    Mehrere  Französische  Train- Wagen  kamen  an. 

d  25ten  rükten  2  Compagnie  Preuß.  Füselier  ein. 

d  26ten  Kamen  2  Compagnieen  Französische  Infantrie. 


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Von  van  Baren. 


353 


d  27ten  des  Morgens  gingen  sämtliche  Französische  und  auch 
die  2te  Compagnie  Preuß.  Infantrie  weg  es  kam  aber  ein 
Regiment  französische  Infantrie,  nachher  Cuerassire  und 
andere  Cavallerie  an,  kleine  Pulks  von  5—10  bis  15  Mann 
ließen  sich  einquartiren  (Croaten  und  Pandnren)  18  russische 
Unterthanen  wurden  von  3  preußische  Dragoner  escortirt 
und  als  Gefangene  eingeliefert. 

Ueber  Lieferung  von  300  Hemden,  300  Bettlaken 
72  wollene  Decken,  100  Handtücher  100  Servietten  zum 
Lazareth  über  948  rtl  an  Werth,  wurde  zwischen  dem 
Landrath  Burchardt  und  der  Requisitions-Commission  der 
Contract  abgeschlossen. 

d  28ten  um  8  Uhr  Morgens  rükten  21  Proviant  und  andere 
Wagen  mit  204  Pferden  bespannt  ein  und  den  29ten 
wider  aus. 

d  29ten  Kamen  20  Wagen  mit  Pferde  an. 

d  30ten  gingen  die  20  Wagen  ab,  es  kamen  aber  einige 
90  Wagen  mit  Ochsen  bespannt,  empfingen  Brod  und 
gingen  weiter.  3  Kompagnien  französischer  Infantrie  er- 
hielten Quartier  und  es  wurde  bekannt  gemacht,  daß  sämt- 
liche Militair  Personen  sich  den  Morgen  darauf  aus  der 
Stadt  entfernen  sollten. 

d  lten  July  Morgens  ging  sämtliches  Militär  weg,  es  kamen 
aber  einige  Officire  an  und  blieben  hier. 

d  2ten  rükte  eine  Esquadron  Pariser  Husarren  ein,  und  erhielt 
sowie  einige  Fußvölker  Quartier. 

d  3ten  gingen  sie  ab,  es  kamen  aber  einige  1000  Mann  fran- 
zösischer Infanteristen. 

(1  4ten  marschirte  die  Infanterie  ab,  es  waren  aber  kleine  Ein 
und  Ausmärsche. 

d  6ten  desgleichen. 

d  6ten  erschienen  früh  Morgens  mehrere  Wagen  mit  Lebens- 
Mittel,  eine  Menge  Pulverwagen  ging  durch  imgleiclien 
eine  Compagnie  Portugisischer  Infantrie  und  2  Esquadrons 
nach  Tammowischken,  die  Officire  blieben  hier. 


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354  lu.sterlmrgur  Kirchou-Nachrichteii. 

d  7ton  waren  von  Morgens  ab  kleine  Emquartirungen  und 
Durchmärsche  um  5  Uhr  Nachmittags  riikto  ein  Regie mont 
Infanterie  zum  Quartier  ein.  Die  Liquidationen  der  fran- 
zösischen Requisitionen  etc.  wurden  angefertigt. 

d  8ten  Morgens  ging  die  Infanterie  weg,  Cavallerio  durch  ein 
Bataillon  Infanterie  erhielt  Quartier,  mehrere  Train  Wagen 
machten  halt  und  die  Einquartirung  wurde  starker. 

d  l>ten  gingen  die  Train  Wagen  und  die  Infantrie  weg  es 
kam  andere  Infanterio  und  Cavallerie,  viele  gingen  durch, 
noch  mehrere  aber  erhielten  Quartier  gegen  Mittag  wurde 
die  Einquartirung  stärker. 

Der  Prinz  Wilhelm  von  Hessen  kam  mit  einem 
Gefolge  an,  und  logirte  bey  Friedrich  Weiss. 

d  lOten  ging  der  Prinz  Wilhelm  weiter. 

Ein  Regiemont  Infantrie  ging  des  Morgens  um  2  Uhr 
mit  klingenden  Spiel  durch  es  folgte  Cavalerie  und  einige 
30  Mammeluken. 

d  Ilten  viole  Ein  und  Durchmärsche  auch  Pulverwagen,  die 
Einquartirung  war  stark. 

d  12ten  noch  stärk  Durchzüge  und  schwer  Geschütz. 

d  13ten  14ten  15ten  wie  die  Tage  vorher  und  800  Mann 
Infanterie  zum  Quartir. 

d  16ten  gingen  die  800  Mann  ab,  500  Mann  Holländische  Truppen 
kamen  und  blieben.  Der  General  Denzel  fuhr  ab,  nach 
Gumbinnen.  In  den  übrigen  14  Tagen  dieses  Monaths  war, 
da  die  Militär  Straße  über  Labiau  von  Königsberg  nach 
Tilsit  angelegt  wurde  so  ziemliche  Ruhe,  da  die  Durch- 
märsche und  transporte  aufhörten. 

d  lten  Aug.  kamen  300  Mann  Cavallerie  aus  umliegender 
Gegend  hier  an,  und  blieben  5  bis  6  Tage. 

d  8ten  Ging  das  Communications  Commando  vom  Litth.  Dra- 
goner Regiment  ab,  ein  Officir  und  5  Mann  vom  Leib- 
husarren Regiement  kamen  hier  an. 

Es  kam  die  Nachricht,  daÖ  ein  Corps  feindlicher  russi- 
schen Truppen  ins  Herzogthum  Warschau  eingerükt  wären. 


Voii  vim  Baren. 


355 


Vom  Platz  Commandanten  wurden  die  nöthigen  Arrange- 
ments getroffen.  600  Gewehre  von  der  Armee  gekommen 
wurden  nach  Königsberg  gebracht. 

d  (Jten  Ging  die  am  lten  August  angekommene  Cavallerio  nach 
Königsberg  und  nicht  zur  Armee  auch  kam  die  Nachricht, 
daß  das  russische  Corps  sich  zurückgezogen  hätte, 

d  lOten  wurden  circa  300  blessirte  und  andere  französische  kranke 
Truppen  ins  Lazareth  gebracht,  es  mußten  200  Bettstelle 
geliefert  werden. 

d  13ten  meldeten  Privat  Kachrichten  den  Andrang  der  Russen. 
Die  seit  d  16ten  July  in  Garnison  gestandenen  500  Mann 
holländische  Truppen  gingen  nach  Drengfurth. 

d  14ten  gingen  die  seit  d  22ten  Juny  hier  gewesene  113  Mann 
Preuß.  Mousquetier  ab,  gegen  Abend  wurden  150  russische 
Gefangene  eingebracht  und 

d  löten  weiter  transportirt.    Von  da  ab  immer  Ruhe. 

d  30ten  Aug.  rükto  die  Cavallerie,  welche  am  9ten  Aug.  abge- 
gangen, wider  ein  und  blieb  in  Cantonement. 

d  Ilten  Septbr.  gingen  von  den  Cavalleristen  gegen  200  Mann 
zurük  nach  Königsberg 

d  12ten  wurden  ungefähr  100  Mann  von  den  im  Lazareth  ge- 
wesenen Infanteristen  nach  Königsberg  transportirt. 

d  17ten  Ging  der  Prinz  v.  Würtemberg  zurük. 

Vom  Septbr.  bis  December  war  nichts  bemerkens- 
werthes,  am  13ten  December  wurden  über  800  Mann  ge- 
fangene Russen  eingebracht,  unter  welchen  sehr  viele 
Kranke  waren,  die  als  sie  am  löten  weiter  transportirt 
werden  sollten,  nicht  im  Stande  waren  zu  gehen.  Sie  Ingen 
auf  dem  Markte  und  wurden  da  sie  kaum  so  viel  Kraft 
hatten  aufzustehen,  gemißhandelt  um  mitzugehen.  Ein  Ein- 
wohner stellte  dem  französischen  Officir  diese  Unmensch- 
lichkeit mit  dem  Beifügen  vor,  daß  er  diese  kranke  doch 
vor  dem  Thore  würde  hülflos  liegen  lassen  müßen,  in  der 
Stadt  aber  doch  für  sie  gesorgt  werden  würde,  worauf  er 
antwortete  was  soll  ich  mit  ihnen  machen/  wer  nimmt  sie 


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356 


lusterburger  Kirchen-Nachrichten. 


mir  ab?  ich  war  die  Gegenrede.  —  Schaffen  Sie  mir  eine 
Quittung  der  Behörde,  daß  ich  sie  krankheitshalber  habe 
zurüklassen  müssen,  sagte  der  Franzose.  Diese  wurde 
ihm  vom  Magistrat  ertheilt  und  es  blieben  54  Mann  zurük, 
die  bey  den  Bürgern  untergebracht  und  von  ihren  bald 
darauf  nachfolgenden  Brüdern  wider  aufgenommen  wurden, 
worüber  der  Kaiser  Alexander  der  hiesigen  Bürgerschaft 
eine  Belobung  ertheilt  hat. 

d  14ten  Decbr.  fing  die  Retirade  der  Franzosen  an,  und  dauerte 
bis  zum  22ten  fort. 

d  20ten  rükte  die  Garde  ein,  das  Cavallerie  Depot  ging  den 
21ten  ab  und  die  Garde  den  24ten  in  diesen  Tagen  wurde 
die  Stadt  von  allen  Franzosen  außer  den  kranken  leer  und 
es  war  in  der  Stadt  ruhig. 

Seit  dem  Juny  1812  bis  Ende  des  Jahres  sind  4087 
französische  und  Alliirte  Truppen  um  Insterburg  begraben 
worden. 

d  25ten  Decbr.  des  Morgens  um  8  Uhr  zeigten  sich  einzelne 
Kosacken  in  der  Stadt,  gleich  darauf  erschienen  150  Mann 
Bussen  unter  Coramando  des  Major  Ivanowic  Kuszirou, 
welche  bis  12  Uhr  Mittags  blieben  und  nach  "Wehlau  gingen. 
Zur  Beruhigung  der  Einwohner  ward  von  den  russischen 
Truppen  eine  Proclamation  des  Kaisers  Alexander  vertheilt, 
welche  mit  den  "Worten  anhebt: 
Gute  Nachbaren  und  Freunde. 

Zugleich  ward  strenge  gebothen:  daß  niemand  fran- 
zösische Militair  Personen  und  Sachen  verbergen  dürfe. 

Dies  gäbe  zu  manchen  tragischen  mit  unter  auch 
lächerlichen  Vorgängen  Anlaß. 

Eine  alte  beinahe  70jährige  Frau  brachte  2  große 
französische  Chausseur  am  Rokschosse  geführt  den  Kosa- 
ken zu. 

Die  Magazin  Vorräthe  wurden  von  den  Russen  in 
Beschlag  genommen,  das  Lazareth  abgefordert  und  150 
Kranke  als  Gefangene  weggeführt. 


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Von  van  Baren. 


357 


Eine  Deputation  der  Stadt  unter  Begleitung  der  Ko- 
saken und  eines  Dollmetschers  fuhr  dem  commandirenden 
General  Lieutenant  Jeloweisky  entgegen  konnte  ihn  aber 
nicht  antreffen. 

Den  26ten  und  27ten  waren  kleine  Durchmärsche  der 
Russen. 

d  28ten  ging  die  Proklamation  des  russischen  Generals  von  Witt- 
genstein daß  Preußen  und  Küssen  Freunde  wären  ein. 

d  29ten  meldete  ein  Preuß.  schwarzer  Husar,  welcher  von  TUse 
aus  Patrouille  gemacht  hatte  und  durch  Kosacken  ver- 
sprengt worden,  daß  das  Macdonalt'sche  Corps  in  der 
Gegend  um  Tilse  sey.  Das  lte  Leibhusaren  Regiment  sey 
über  Tilse  nach  Gumbinnen  gegangen,  und  große  Ab- 
theilungen des  ganzen  Corps  seyen  zu  erwarten.  Auf  diese 
Nachricht  ging  der  Cosacken  Ofncir  Szumkow  welcher  mit 
11  Mann  seit  einigen  Tagen  hier  gewesen  gleich  ab, 
kam  aber 

d  30ten  mit  der  Nachricht  wider  daß  das  Macdonalt'sche  Corps 
sich  über  Labiau  nach  Königsberg  gezogen  hätte  und 
mehrere  1000  Russen  zu  erwarten  seyn. 

d  31ten  Abends  gingen  die  Kosacken  eilend  nach  Norkitten, 
weil  man  schießen  gehört  haben  wollte  kamen  aber  ohne 
besondere  Nachricht  zurük. 

Unter  den  flüchtigen  Franzosen  die  im  Dbr.  hier 
durchgingen,  waren  der  König  von  Neapel  Joachim  Murat, 
der  Vice  König  von  Italien  Eugen,  Davoust-Eckmühl. 
Ney  in  einem  pollnischen  Schlitten  mit  2  Pferden,  er  gab 
selbst  den  Pferden  aus  seinem  Schnupftuch  Hafer  zu  fressen, 
das  ganze  Fuhrwerk  mit  Pferden  war  nicht  5  rtl  wertb. 

Die  Retirade  der  Franzosen  war  so  eilig,  daß  manche 
50  bis  60  rtl  für  einen  Schlitten  bis  nach  Königsberg  gaben, 
und  der  Zustand  der  Franzosen  so  jämmerlich,  daß  den 
mehresten  Nasen,  Ohren,  Backen,  Hände  und  Füße  erfroren 
waren  und  sie  in  den  possirlichsten  Kleidungen  vermummt, 
bey  dein  großen  Elende,  doch  beinahe  Lachen  erregten. 


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358  Iiisterlmrgfr  Kirchen-Nachrichten. 

am  lten  Januar  1813 
Ging  des  Abends  die  Nachricht  ein,  daß  die  preußischen 
Truppen  2  Monathe  Neutral  bleiben  würden,  eine  Conven- 
tion zwischen  Preußen  und  Russen  geschlossen  und  beide 
zusammen  in  Tilsit  eingerükt  wären 

Macdonald  mit  den  Franzosen  aber  nach  Königsberg 
gegangen  sey. 

d  2ten  Ging  ein  russischer  Ofneier  nach  Gumbinnen,  um  den 
Hettmann  der  Kosacken  aufzusuchen. 

d  3ton  rükte  Nachmittags  um  27a  Uhr  ein  Cosackenpulk  von 
800  Mann  unter  Kommando  des  Obersten  Bajabanzikow  ein 
und  erhielt  Quartier. 

d  4ten  waren  starke  Ein  Märsche.  Mehrere  Pulks  Cosacken, 
gingen  durch,  Infanterie  wurde  einquartirt,  und  die  Ar- 
tillerie war  angekommen. 

G  eneral  Graf  Ururk,  General  der  Jäger  Woronzow  der 
Hettmann  der  Kosacken  Platow  und  andre  mehr  waren 
anwesend,  es  waren  überhaupt  starke  Heerzüge. 

d  5ten  ging  sämtliches  Militair  und  auch  die  Generale  ab,  nur 
Szumkow  blieb  zurük;  bedeutende  Durchmärsche  und 
400  Kosacken  in  Quartier. 

d  6ten  Kamen  3  russische  Schlitten  mit  Licht  Arack  etc.  an, 
Durchzuge  sowie  d  7ten  8ten  und  9ten. 

d  lOten  General  Lieutenant  Martinow  und  Gen  M.  Grekow  wur- 
den einquartiert  200  Cürassier  unter  Commando  des  Major 
Chrinow  erhielten  Quartier 

d  Ilten  gingen  die  Cuerassiere  ab,  Durchmärsche 

d  12ten  die  am  lOten  angekommen  und  den  Ilten  abgegangene 
Officire  kamen  zurück,  ihrentwegen  wurde  eine  Tanz  Ge- 
sellschaften arrangirt. 

d  13ten  Durchmärsche  und  150  Bagage-Wagen. 

d  14ten  löten  IGteu  17ten  18ten  Durchmärsche  und  Einquar- 
tirungen  nicht  stark. 

d  litten  wurden  einige  100  französische  und  alliirte  Truppen  als 
Gefangene  eingebracht  und  d  19ten  weiter  transportirt. 


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Von  van  Baren. 


350 


<1  20ten  starke  Durchmärsche  von  Infantrie  Cavallerie  und  Ar- 
tillerie viele  blieben. 

d  21ten  mehrere  Regiementer  Infanterie  und  Cavallerie  gingen 
durch. 

d  22ten  sämtliches  Militair  ab, 
d  23ten  1500  Kosacken  durch 

d  26  Febr.  1813.  ertranken  bey  der  Überfahrt,  indem  die  Pregel- 
brücke  durch  Eisgang  wegegangen  war  10  Rekruten.  Im 
Jahr  1813  hat  die  Stadt  einige  00  freiwillige  Jäger  und 
zwar  lauter  Cavalleristen  gestellt  und  ausgerüstet  die  Eltern 
gaben  ihre  Kinder  gerne  und  nur  sehr  wenige  Ausnahmen 
fanden  statt.  Nach  hergestellten  Frieden  kehrten  diese 
jungen  Vaterlands- Vertheidiger  unter  allgemeinen  Jubel 
zurück. 

Die  Anzahl  derer  welche  in  den  beiden  Kriegs  Jahren 
1813  und  1815  unter  den  Waffen  gestorben  sind,  übersteigt 
kaum  die  gewöhnliche  Mortalität. 

Im  Jahr  1815  wurde  eine  neue  Straße  am  Militair 
Lazareth  und  von  dem  Polizey  Director  Czarnowsky  neben 
dem  Garten  des  Gastwirth  Riedel  ein  neuer  Garten  ange- 
legt, und  der  "Weg  mit  Weidenpappeln  bepflanzt. 

Den  löten  May  1816  wurde  das  Intendantur  Amt  nach 
der  Stadt  verlegt. 

Im  Jahr  1816  wurde  die  im  vorigen  Jahr  angefangene 
neue  Belegung  des  Kirchenthurms  mit  Blech  vollendet, 
d  Gten  Januar  1817  brannten  auf  der  Vorstadt,  ohne  daß 
man  weiß,  wie  das  Feuer  ausgekommen  2  Ställe  ab. 

d  6ten  Dezember  1817  verloren  aber  mals  zwey  Elgen- 
thümer  auf  der  Vorstadt  ihre  Ställe. 

Die  Casornen  am  Schlosgarten  wurden  im  Jahr  1817 
von  dem  Justizrath  Lindenau  Kriminalrath  Hassenstein 
Postcommissarius  Hering  und  Gutsbesitzer  Wager  in  Did- 
lacken  für  1100  rtl  zum  Behuf  eines  zu  erbauenden  Com- 
medien  Hauses  gekauft. 

Durch  den  Orcan  am  17ten  Januar  1818  wurden  12 


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360 


Inaterbnrger  Kirchen-Nachrichten. 


Scheunen  ganz  umgestürtzt  und  jedes  Gebäude  mehr  oder 
weniger  beschädigt. 

Am  14ten  März  1818  entstand  auf  der  Vorstadt  in  der 
Morgenstunde  wider  ein  Feuer  wodurch  4  Wirthe  ihre 
Scheune  und  Stallungen  verloren. 

Auch  sind  im  innern  der  Stadt  2  Ställe  abgebrannt, 
jedoch  seit  dem  großen  Brande  im  Jahr  1690  in  der  Stadt 
kein  einziges  Haus  in  die  Asche  gelegt. 

Das  auf  der  Stelle  der  ehemaligen  Kaserne  am  Schloß- 
garten  neu  erbaute  Commedien  Haus  wurde  im  Jahr  1818 
soweit  fertig,  daß  am  1  Januar  1819  das  erste  Schauspiel 
gegeben  werden  konnte.  Baumeister  waren  der  Maurer 
Mstr.  Schiel  und  der  Zimmer  Mstr  Girkor.  Der  Regie- 
rungs  Rath  Kohlhoff  leitete  den  Bau. 

Im  Jahr  1819  ist  die  Volkszahl  5094  Seelen  gewesen. 
Die  Plätze  auf  welchen  die  Ziegelscheune  vor  dem  Ziegel- 
thore  unweit  der  Windmühle  früher  gestanden  sind  im 
Jahr  1819  am  12ten  Februar  in  einzelnen  Parzelen  öffent- 
lich verkauft  worden. 

Kaufmann  Döhring  und  Heyne  haben  ihre  Parzelen 
noch  in  diesem  Jahr  bebaut 

Im  Jahre  1798  um  Johanni 
-       «     1801  im  Juny 
*      «     1818  d  8ten  July 
ist  der  König  von  Preußen  im  Jahre  1807  der  russische 
Kaiser  Alexander 

d  2ten  Januar  1819  die  verwittiwe  mßische  Kaiserin 
d  loten  Juny  1814 
d  29ten  November  1815 
d  29ten  Februar  1819 
die  regierende  russische  Kaiserin  hier  gewesen. 


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Kritiken  und  Referate. 

Alterthunisgesellschaft  Prussia  in  Königsberg  1886. 

Sitzung  vom  22.  Januar.  Der  Vorsitzende  eröffnet  die  Sitzung  mit 
Worten  der  Erinnerung  an  das  zu  Anfang  des  Jahres  verstorbene  Ehren- 
mitglied Friederici,  Realschuldirektor  a.  D.  Hierauf  hielt  Major  Beck- 
herrn einen  Vortrag  über  das  propugnaculum  in  introitu  terrae  Natangiae 
des  Dusburg  (III,  133).  Nach  dem  Berichte  Dusburg's  kam  im  Jahre  127*2 
der  Markgraf  Dietrich  von  Meißen  mit  einem  Kreuzfahrerheere  nach  Preußen, 
vereinigte  sich  dort  mit  den  Ordenstruppen  und  unternahm  dann  einen  Ver- 
heerungszug in  die  Landschaft  Natangen.  Am  Eingange  in  diese  Landschaft 
stieß  er  unvermuthet  auf  eine  Schanze,  besetzt  mit  vielen  Bewaffneten, 
welche  sein  weiteres  Vordringen  verhinderten.  Er  erstürmte  diese  Schanze, 
tödtete  deren  Besatzung  und  nahm,'  was  davon  noch  am  Leben  geblieben 
war,  gefangen  und  drang  dann  bis  zu  dem  Marktplatze  Görken  vor,  woselbst 
er  drei  Tage  und  Nächte  hindurch  verblieb,  während  dieser  Zeit  die  ganze 
Landschaft  durch  Brand  und  Raub  verwüstend.  Diese  Verwüstung  war  so 
gründlich  und  wirksam,  daß  die  Einwohner  sich  bald  dem  Orden  wieder 
unterwarfen.  Darauf  kehrte  der  Markgraf,  welcher  bei  der  Erstürmung  der 
Schanze  150  und  bei  der  Verwüstung  des  Landes  50  seiuer  eigenen  Reisigen 
eingebüßt  hatte,  wieder  in  die  Heimath  zurück.  Dieser  Bericht  giebt  keine 
direkte  Auskunft  über  die  Lage  der  erstürmteu  Schanze,  euthält  aber  doch 
genügende  Anhaltspunkte,  um  dieselbe  ermitteln  zu  können.  Dieses  wird 
von  dem  Vortragenden  versucht,  indem  er,  von  dem  in  dem  Berichte  an- 
gegebenen engeren  Operationsobjekt,  dem  Marktplatze  Görken,  ausgehend, 
nachweist,  daß  der  Markgraf  als  Operationsbasis  das  Ordenshaus  Balga  ge- 
wählt habe.  Hierdurch  ist  die  Marschlinie  des  Heeres  des  Markgrafen  fest- 
gestellt, auf  welcher  oder  in  deren  Nähe  die  Schanze  zu  suchen  ist.  In 
geringer  Entfernimg  westlich  von  Görkon,  in  der  Nähe  der  Marschlinio 
liegen  bei  den  Orten  Pilzen,  Gruudfeld  und  Schlauthienen  drei  Schloßberge. 
Die  bei  dem  erstgenannten  Orte  befindliche  dieser  altpreußischen  Befestigungs- 
anlagen bezeichnet  der  Vortragende  als  das  von  Dusburg  erwähnte  propugna- 
culum, indem  or  die  Uebereiustimmung  derselben  in  Bezug  auf  Zweck, 
Lage  und  Beschaffenheit  mit  deu  Andeutungen  in  Dusburg's  Bericht  darlegt. 
Zum  Schlüsse  widerlegt  er  dann  noch  dio  von  einigen  Forschern  aufge- 
stellten Behauptungen,  wonach  das  fragliche  propugnaculum  auf  den  Lateiner- 
Altpr.  MoniiUsclirHt  Bd.  XXIII.  Hft,  8  u.  4. 


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362 


Kritiken  und  Referate. 


berg  bei  Heiligenbeil  zu  verlegen  sei.  Zur  Orientirung  über  die  Lage  und 
Beschaffenheit  der  erwähnten  Schloßbergo  dienton  ausser  der  Generalstabs- 
karte (Sektion  Pr.  Eylau)  auch  drei  von  Herrn  Rittergutsbesitzer  Huhn  auf 
Jerlauken  der  Prussia  gütigst  eingesandte  Croquis. 

Darauf  folgte  der  Vortrag  des  Herrn  Hauptmann  Epbraim:  Die 
französiscbe  Kolonie  in  Königsberg.  Zunächst  giebt  der  Vortragende  eine 
Uebcrsicht  über  die  Verbältnisse  der  Reformirten  in  Frankreicli  vor  und 
nach  der  Aufhebung  des  Edikts  von  Nantes,  schildert  deren  Verfolgungen 
und  Leiden  und  ihre  Gefahren  auf  der  Flucht  und  geht  dann  auf  ihre  Auf- 
nahme und  Ansiedelung  in  Preußen,  insbesondere  in  Königsberg,  ein.  Hier 
kamen  die  ersten  Refugies  im  Jahre  1686  an  und  wurden  meistens  auf  der 
.Schloßfreiheit,  namentlich  auf  dem  Damme  des  Schloßteiches,  der  jetzigen 
Französischen  Straße,  angesiedelt.  Es  waren  meistens  Kaufleute  und  Hand- 
werker, unter  diesen  Letzteren  am  zahlreichsten  vertreten  die  Perrücken- 
macher, dann  Uhrmacher,  Steinschneider,  Seidenmanufakturisten ,  Strumpf- 
wirker, Schneider  und  Hutmacher.  Außerdem  kamen  noch  einige  adlige 
Offiziere,  einige  Juristen  und  ein  Chirurg.  Nachdem  im  November  1686  der 
erste,  vom  Kurfürsten  ernannte,  französische  Prediger  Abraham  Boullay 
du  Plessis  hier  eingetroffen,  auch  zwei  Vorsteher  gewählt  worden  waren, 
wurde  am  ernten  Adventssonntage  nach  Uebereinkommen  mit  der  deutsch- 
roformirten  Gemeinde  in  deren  Beetsaale  in  der  Schule  am  Schiefen  Berge 
der  erste  französische  Gottesdienst  gehalten.  Hier  blieb  der  Versammlungs- 
ort der  Gemeinde  bis  173G.  Da  bis  zum  Jahre  1608  die  Kolonie  auf  240 
Personen  angewachsen  war,  so  wurde  nun  noch  ein  zweiter  Prediger,  Jean 
Tannay,  angestellt  und  170G  die  Oberraarscballei  am  Schiefen  Berge  für 
4000  Thlr.  angekauft,  und  zum  Gottesdienste  eingerichtet.  Im  Jahre  1733 
wurde  der  Grundstein  zu  der  jetzigen  Kirche  gelegt,  deren  Einweihung  1736 
erfolgte,  und  zwar  in  Gegenwart  des  Königs,  weicher  zu  dem  Bau  12,000  Thlr. 
beigesteuert  hatte.  Ln  siebenjährigen  Kriege  wurde  sie  von  den  Russen, 
1807  von  den  Franzosen  und  1813  abermals  von  den  Russen  als  Lazareth 
benutzt.  1739  wurden  die  beiden  Predigerhäuser  neben  der  Kirche  erbaut 
und  1736  das  Wittwenhaus  in  der  Laudhofmeisterstraße  erworben  und  1756 
das  in  der  Jägerhofstrasse.  Der  an  der  Kirche  gelegene  Begräbnißplatz 
wurde  1812  vor  das  Königsthor  verlegt.  Mit  der  Einführung  des  deutschen 
Gottesdienstes  wurde  bereits  im  Jahre  lbl7  begonnen. 

Zum  Schluß  erfolgte  die  Vorlage  der  Acccssionen  für  das  Prussia- 
Museum  durch  den  Vorsitzenden  Dr.  Bujack.  Zur  vergleichenden  Abthei- 
lung der  prähistorischen  Sammlung  kamen  6  thönerne  Beigefäße,  theils  ge- 
henkelte, theils  ungehenkelte,  eine  ebenfalls  thönerno  gehenkelte  Lampe, 
eine  Glasröhre  mit  einem  Thierkopf  aus  römischen  Gräbern  in  der  Rhein- 
provinz, ein  auf  der  Drehscheibe  gearbeitetes  kugelförmiges  Gefäß  aus  der 


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Alterthumsgcsellschaft  Prussia  188C.  3ß3 

• 

Zeit  nach  der  Völkerwanderung  aus  derselben  Gegend,  sämmtlich  angekauft. 
Für  die  Abtheilung  der  Gegenstände  ans  dem  Mittelalter  wurde  eine  thönerne 
Kanne  aus  dem  13.  Jahrhundert ,  eine  kleine  Thonfigur  einer  Heiligen  mit 
dem  Modell  einen  Gebäudes  in  der  Hand  aus  der  Rheinproviuz  und  ein  aus 
einem  Stück  getriebener  eiserner  Helm  in  Kugelform  mit  Spitze  und  mit 
Gesichts-  und  Nackenschirm,  in  Altpreußen  gefunden,  erworben.  Die  Sektion 
der  Gegenstände  der  Renaissance  -  Zeit  wurde  vermehrt  durch  eine  silberne 
Spottmänze  aus  dem  Reformationszeitalter,  ein  glasirtes  Thongefäß  aus  dem 
17.  Jahrhundert  und  durch  eine  grosse  Geldkassette  aus  Holz  mit  künst- 
lerisch gearbeiteten  Eisenbeschlägen,  ein  Geschenk  des  Hofapotheker  Hagen. 
Zu  den  Gegenständen  des  18.  und  19.  Jahrhunderts  kamen  ein  Kronleuchter 
aus  Glas,  geschenkt  von  Maler  Schenk  zur  Vervollständigung  eines  schon 
im  Prussia  -  Museum  vorhandenen .  ein  Majolika  -  Seidel  mit  Zinndeckel ,  in 
welchem  eine  Münze  auf  Ludwig  XV.  eingelassen  ist,  eine  messingene 
Büchse  zu  holländischem  Tabak  mit  einem  Bilde  auf  die  Schlacht  bei  Torgau 
1760,  Stockkrücken  aus  Berliner  Porzellan,  Glas  und  Bronze  als  Pendant  zu 
einer  in  Gypa  abgegossenen  Stockkrücke  des  Fürsten  Hardenberg,  eine  kleine 
Theekanne  aus  Fayence,  letztere  geschenkt  vom  Hauptlehrer  Matthias, 
zwei  Helme  unseres  Ostpreußischen  Kürassier-Regiments  um  18*20  und  1850. 
geschenkt  vom  Rittmeister  v.  Gröben.  Für  die  Bibliothok  schenkte  Oberst 
v.  Lessei  die  Geschichte  des  5.  Ostprenßischen  Infanterie-Regiments  No.  41, 
Pfarrer  emerit.  Hoff  mann  Frankenberg's  Europäischen  Herold  von  1705, 
Hübner's  reales  Staats-Zeitungs-Conversations-Lexikon  von  1717  und  ausser 
der  Reinhardschen  Ausgabe  des  neuen  Testaments  von  1728  zwei  Luther- 
bilder aus  dem  18.  Jahrhundert,  ferner  ein  Geber,  der  nicht  genannt  Bein 
will,  die  Berliner  Zeitung  vom  Jahre  1812;  für  die  Urkunden  -  Sammlung 
schenkte  Gymnasiast  Petrenz  eine  Verleihung  von  14  Hufen  zu  Aulu- 
wöhnen  und  von  14  Hufen  zu  Allischken  (beide  Kr.  Insterburg)  an  Albrecht 
König  durch  den  Hochmeister  Winrich  von  Kniprode  anno  1376,  und  die 
verwittwete  Frau  Willert  eine  Verschrerbung  zu  l'/j  Hufen  in  dem  Dorfe 
Rosignaiten  bei  Wargen  noch  »/t  Hufe  vorfindliches  Uebermaß  an  Ambrosius 
Siege  durch  den  Herzog  Albrecht  anno  1563  und  eine  Yerschreibung  von 
Gut  und  Hof  Brasuicken  im  Kammeraint  Wargen  zu  Cöllmischen  Rechten 
an  den  Fiscal  und  Hofgerichtsrath  Bernhardt  Thege  durch  den  Kurfürsten 
Georg  Wilhelm  anno  1640. 

(Ostpr.  Ztg.  v.  19.  Febr.  1886.  No.  42.  (Beil.)] 


24* 


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Mittheilungen  and  Anhang. 


Mitteilung  über  einige  von  Sohirrmacher  jüngst  veröffentlichte 
ttrleffe  von  und  an  Herzog  Albrecht  von  Preossen 
und  über  einen  Brief  des  Hofpredigers  Funok  an  Johann  Albreoht  I. 

von  Mecklenburg. 

Von  P.  Tgc  Ii  ackert. 

In  der  wichtigen  Urkundonsammlung,  welche  F.  W.  Schirrmacher 
in  dem  zweiten  Teile  seines  Werkes  über  „Johann  Alhrecht  I.,  Herzog 
von  Mecklenburg"  (Wismar  1885)  veröffentlicht  hat,  befinden  sich  auch 
mehrere  Briefe  aus  der  Korrespondenz  des  Herzogs  Albrecht  an  diesen 
seinen  Schwiegersohn.  Da  Sohirrmacher  seiner  sehr  dankenswerten  Publikation 
kein  Register  beigegeben  hat,  stehen  dieso  auf  Preußen  bezüglichen  Doku- 
mente, wie  manches  andre  des  wichtigen  Inhaltes,  in  Gefahr,  übersehen  zu 
werde».  Ans  diesem  Grunde  soll  an  dieser  Stelle  auf  sie  besonders  auf- 
merksam gemacht  werden.    Es  sind  folgende: 

1.  (Sehirrmacher  No.  23.)  1550.  27.  (24?)  September,  dat.  Neu- 
haus. Herzog  Albrecht  von  Preußen  an  Johann  Albrecht  von 
Mecklenburg. 

Dieser  Brief  bezieht  sich  auf  die  Fürstenverschwörung  zur  Aufrecht- 
erhaltung der  Augsburgischen  Konfession  und  zur  Befreiung  der  gefangenen 
Fürsten.  Der  Herzog  bezieht  sich  im  Eingänge  auf  zwei  Schreiben  Johann 
Albrechts  an  ihn.  „Ich  hab  .  .  .  aus  dem  ersten  ersehen,  daß  E.  L.  mit 
uns  einig,  der  Handel  nicht  offensive  angefangen  besonders,  da  es 
jhe  nicht  änderst  sein  kondt,  für  ratsamer  ansehen,  der  Defension  erwartet 
werde."  ....  Der  Herzog  zweifelt  nicht,  „daß  es  Gottes  Werck  ist,  und 
seine  Ehre  betriflt;  er  wird  dazu  rechte  Moaß,  Zeit  und  Gelegenheit  geben  .  . . 
und  alles  segnen".  (Schirrmacher,  II,  S.  74.) 

2.  (Schirrmacher  No.  28.)  1550.  Nov.  28.  Neustadt.  Herzog 
Johann  Albrecht  an  Herzog  Albrecht  von  Preußen. 

Johann  Albrecht  fürchtet,  daß  der  Kaiser  rüste,  um  im  Frühjahr  1551 
„die  Christen  und  ihre  Mitgenossen  zu  verfolgen."   (II,  S.  90.) 

3.  (Schirrmacher  No.  29.)  15  50.  Dec.  1.  Güstrow.  Herzog 
Johann  Albrecht  von  Mecklenburg  an  Herzog  Albrecht  von 
Preußen. 

Johann  bespricht  alle  ihn  betreffenden  Angelegenheiten  mit  dem 
Adressaten  in  traulicher  Offenheit  (II,  91—93.) 


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Mitteilung  über  einige  von  Schirrmachor  jüngst  etc. 


3Ü5 


4.  (Schirrmacher  No.  38.)  1551.  Januar  25.  Güstrow.  Herzog 
Johann  Albrecht  von  Mecklenburg  an  Herzog  Albrecht  von 
Preussen. 

Johann  Albrecht  bittet  den  Adressaten  um  Äußerung  in  Betreff  des 
ausländischen  Bündnisses  (mit  Frankreich  und  England).    (II,  120—121.) 

5.  (Schirrmacher  No.  55.)  1551.  Dec.  25.  Königsberg.  Herzog 
Albrecht  v.  Preußen  an  Herzog  Johann  Albrecbt  v.  Mecklenburg. 

Der  Brief  bezieht  sich  auf  persönliche  Verhältnisse  und  alle 
wichtigen  politischen  Vorgänge  der  damaligen  Zeit.  „Der  Antwort  von 
dem  Könige  von  Frankreich  wollen  wir  auf  E.  L.  Erbieten  erwarten." 
(H,  148.)  Die  Innigkeit  des  Verkehrs  zwischen  dem  Herzog  Albrecht  und 
seinem  Schwiegersöhne  zeigt  sich  z.  B.  in  seiner  Nachschrift  zu  diesem 
Briefe:  „Nachdem  denn",  schreibt  Herzog  Albrecht,  „in  jetzigen  Fährlich- 
keiten  wohl  von  nöten,  daß  man  betet,  so  haben  wir  eine  kurze  Forma 
stellen  lassen,  wie  wir  in  unsorm  Fürstentum  zu  beten  befohlen;  schicken 
E.  L.  solches,  damit  dieselbe  zusehe,  ob  diesfalls  etwas  zu  viel  oder  zu 
wenig  geschehe. 

In  Gleichnis  übersenden  wir  auch  E.  L.  etliche  Disputation  es, 
welche  unser  Theologus  Andreas  Osiander  disputiert  und  ein 
Büchlein,  das  er  jetzo  ausgehen  lasset;  bitten,  E.  L.  wolle  solches 
lesen  und  durch  Ihre  Theologen  übersehen  lassen.  Auch  ob  diesfalls  etwas 
zu  viel  oder  zu  wenig  geschehen,  uns  ihr  Bedenken  mitzuteilen."    (II.  150.) 

6.  (Schirrmacher  No.  58.)  15  5  2.  Jan.  19.  Schwerin.  Herzog  Johann 
Albrecht  von  Mecklenburg  an  Herzog  Albrecht  von  Preußen. 

Nachdem  durch  Moritz  von  Sachsen  das  Unternehmen  gegen  Karl  V. 
aus  einem  defensiven  zu  einem  offensiven  umgestaltet  worden  war,  bei  dem 
sich  auch  Johann  Albrecht  vo  :  Mecklenburg  beteiligte,  weil  er  keinen  andern 
Weg  zur  Aufrechterhalt  ung  der  Augsburgischen  Konfession  und  der  Freiheit 
Deutschlands  sah,  wendet  er  sich  an  seinen  Schwiegervater  und  bittot  auch 
ihn  um  Beteiligung,  obgloich  dieser  schon  einem  mecklenburgischen  Gesandten 
erklärt  hatte,  „sich  in  das  Offensiv  werk  nicht  einzulassen."  (II,  S.  157.) 
Johann  Albrecht  schreibt  ihm,  „die  Bequemlichkeit  mit  dem  Franzosen  und 
sonsten  allenthalben  (sei)  vor  der  Thür,  die  nicht  leicht  also  wiederkommen 
wird"  (S.  158)  und  „daß  das  Kriegsvolk,  so  vor  Magdeburg  gelegen  und 
jetzo  in  Duringen  leith  (Thüringen  liegt)  länger  nicht  kann  aufgehalten 
werden.    Herzog  Albrecht  „wolle  die  600  Pferde  zuordnen."    (S.  159.) 

7.  (Schirrmacher  No.  59.)  1552.  Febr.  8.  Königsberg.  Herzog 
Albrecht  von  Preußen  an  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg. 

Bezieht  sich  auf  den  Streit  des  Markgrafen  Johann  von  Brandenburg- 
Ktistrin  und  des  Churfürsten  Moritz  von  Sachseu.  Herzog  Albrecht  will 
sich  nicht  von  dem  Küstriner  Markgrafen  trennen ;  sie  beide  wünschen  kein 


36(5  Mittheilungen  und  Anhang. 

Offensiv-,  sondern  nur  ein  Defensiv-Bündnis.  Johann  Albrecht  möge  für 
die  Beilegung  des  erwähnten  Streites  Sorge  tragen.   (II,  159—161.) 

8.  (Schirrmncher  No.  118.)  1556.  Januar  81.  Königsberg. 
Johannes  Funck  an  Herzog  Johann  Albrecht  von  Mecklenburg. 

Funck  erbietet  sich  zur  Zurückziehung  seiner  Irrtümer.  (II,  S.  300—303.) 

Anmerkung:  Der  Brief  No.  88  bei  Schirrmacher  ist  wohl  nicht  an 
Herzog  Albrecht  von  Johann  Albrecht  geschrieben;  denn  es  fehlt  der  pietäts- 
volle und  persönlich  -  freundliche  Ton ,  welcher  sonst  zwischen  beiden 
Männern  waltet. 


Magister  Johannes  Malkaw 

aus  Strafiburg  a.  d.  Drcwenz  in  WestprcuJJen, 
ein  reformfreundlicher  katholischer  Priester  sur  Zeit  des  grossen 

abendländischen  Sohismas. 
Mitteilung  nach  Haupt  von  P.  Tschackert. 

In  der  „Zeitschrift  für  Kirchengeschichte",  herausgegeben 
von  Brieger,  Band  6,  Seite  323—381)  und  580—585,  macht  Dr.  Hermann 
Haupt  auf  einen  westpreußischen  katholischen  Geistlichen  des  Mittelalters 
aufmerksam,  welcher  bisher  fast  unbekannt  war:  er  heißt  JohannesMalkaw, 
stammte  aus  Straßburg  an  der  Drewenz*)  und  hat,  unter  Beibehaltung  des 
katholischen  Dogmas,  für  die  Reformation  der  Sitten  in  der  herunter- 
gekommenen Kircho  während  des  großen  abendländischen  Schismas  gewirkt. 
Er  verdient  also  neben  und  vor  dem  reformfreundlichen  Borringer  eine 
besondere  Beachtung  in  der  Vorgeschichte  der  Reformation  auch  des  Preußen- 
landes, obgleich  seine  Wirksamkeit  meist  außerhalb  Preußens  lag. 

Die  Hauptquelle  für  Malkaw's  Leben  und  Wirken  ist  eine  Verteidigungs- 
schrift, welche  er  im  Gefängnis  der  straßburgischen  Inquisition,  die  ihn  hatte 
festnehmen  lassen,  im  Jahre  1391  abgefaßt  hat  und  welche  sich  in  der 
Kartbibliothek  zu  Kolmar  im  Elsaß  (Hs.  No.  29,  foL  86a.-ll7b.)  befindet. 
Dr.  Hermann  Haupt  hat  sie  entdeckt  und  Bruchstücke  aus  ihr  bei  Brieger 
a.  a.  0.  S.  365  —  889  mitgeteilt.  Eine  streng  asketische  Persönlichkeit, 
wollte  Malkaw  in  den  Karthäuser-Orden  treten,  verließ  deshalb  die  Kulmer 
Diöcese  (unter  dem  Bischöfe  Wicbold  1363—1389)  und  tauchte  seit  1388  am 
Rhein,  in  Köln,  Koblenz,  Mainz,  Straßburg,  Basel,  auf.  aber  nicht  als  Mitglied 
des  Karthäuser-Ordens,  dessen  Strenge  sein  schwacher  Körper  nicht  aus- 
gehalten zu  haben  scheint,  sondern  als  Magister  und  Priester,  hauptsächlich 
damit  beschäftigt,  die  Anhänger  des  französischen  Gegenpapstes  Clemens  VII. 

*)  Er  nennt  sich:  „Magister  Johannes  de  Prussia  presbyter"  und  „Johannes 
de  Prussia,  clericus  Culmensis  diocesis,  sacerdotum  indignissimus,  filius  Nicolai 
Malkaw  de  eivitate  Strasberg  in  Prussia"  bei  Brieger  a.  a.  O.,  Seite  365. 


I 

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Magister  Johannes  Malkaw  etc.  307 

und  die  Lasterhaftigkeit  der  katholischen  Geistlichen  zu  bekämpfen.  Besondei-s 
gegen  die  Unzucht  der  Mönche  richtete  sich  sein  gewissenhafter  Eifer  um 
Hebung  der  Sittlichkeit.  Wie  zn  erwarten  war,  fand  der  heftige  Mann  viel 
Gegner,  zumal  er  durch  seine  Redegewandtheit  bei  dem  niederen  Volke  viel 
Anklang  fand.  Seine  Gegner  setzten  daher  durch,  daß  der  ihnen  gefährliche 
Mann  von  der  Straßburger  Inquisition  1391  gefänglich  eingezogen  wurde; 
in  dem  bischöflichen  Schlosse  zu  Benfeld  zwischen  Kolmar  und  Schlettstadt 
legte  man  ihn  in  Ketten.  Da  er  in  der  Lehre  orthodox  katholisch  war, 
ließ  man  ihn  frei.  Wahrscheinlich  ist  Malkaw  darauf  in  seiner  Heimat  dem 
deutschen  Orden  als  Priesterbruder  beigetreten,  aber  (nach  dem  Konzil  von 
Pisa,  wo  der  Orden  auf  die  Seite  Alexanders  V.  trat)  wieder  ausgeschieden 
und  Mitglied  des  Benedictiner-Ordens  geworden.  Im  Jahre  1414  finden  wir 
ihn  wieder  in  Streit  mit  der  Inquisition  verwickelt,  diesmal  aber  in  Köln; 
diese  Sache  kam  sogar  vor  den  Legaten  des  Papstes  Gregor  XII.,  Kardinal 
Johann  Dominici  von  Ragusa,  nach  Konstanz,  welchem  Malkaw  eine  Ver- 
teidigungsschrift übersandt  hatte.  Auf  Grund  derselben  entschied  der  Kardinal 
günstig  für  Malkaw.  Von  1416  an  verschwindet  der  kühne  orthodoxe  Sitten- 
prediger aus  der  Geschichte.   

Universitäts-Chronik  1886. 

(Fortsetzung^) 

31.  März.  Phil.  I.-D.  v.  Max  Reichel  aus  Drongfurt :  Beiträge  zur  Geschichte 
der  Politik  Katharinas  von  Medici.  Kgbsbg.  in  Pr.  Hartungsche 
Buchdr.    (64  S.  8.) 

5.  Apr.   Med.  I.-D.  v.  Hermann  Wölpe  (a.  Wirballen  in  Russld.),  prakt.  Arzt: 

Untersuchungen  über  die  Oxvbnttersäuro  des    diabetischen  Harns. 

Leipzig.    Dr.  v.  J.  B.  Hirschfeld.   (3  Bl.,  23  S.  8.) 
17.  Apr.   Med.  I.-D.  v.   Gregor  Natanson  a.  Swenciany  (Gouvern.  Wilna): 

Über  das  Verhalten  des  Blutdruckes  in  den  Canillaren  nach  Massen- 

umsohnürungeu.  Kgsbg.  i.  Pr.  Gedr.  bei  E.  Erlatis.   (2  Bl.,  41  S.  8.) 
12.  Mai.   Mod.  I.-D.  v.  Friedrich  Hutu  (a.  Treptow  a.  R.),  prakt.  Arzt: 

Beitrag   zur  Kenntniss   der   sympathischen  Nervenlasern.  Kgsbg. 

Hartungsche  Buchdr.    (31  S.  1  Tat".  8.) 
15.  Mai.  Lectiones  cursor.  qua«  ven.  et  cons.  ord.  philos.  .  .  .  Joannes  Bahts 

Phil.  Dr.   Ueber  dio  Fortschritte  der  Astronomie  im  XIX.  Jahrhundert. 

Ad  doc.  facult.  rite  impetr.  .  .  .  habebit  indic.it  Carolus  Pape  Phil.  Dr. 

P.  P.  O.  Ord.  Phil.  h.  t.  Dec.  Regim.  Pr.    Typ.  Lenpoldianis. 
Nro.  114.   9lmtl.  3$<rjci<bnifi  b.  $crfona(3  u.  b.  Stubircnbcn  .  .  .  f.  b.  6omm.« 

Sem.  1886.    ftömoflbrrft.    ftartungfetje  Siudjbr.    (36  S.  8.)   [88  (7  tfjcol., 

6  jur.,  28  mcb.,  47  plnl.)  Toc,  4  Scctorot,  4  Sprad)«  u.  ©rcrcitienmftr.; 

871  Stilb.  (244  Sbcol.,  112  Sur.,  267  3Rcb.,  248  u.  10  j.  fcbr.  b. 

Sorlcf.  bercd>t.] 

11.  Juni.  (a.  d.  III.  Id.  Jun.)   Theol.  I.-D.  v.  Carolas  Franklinas  Arnold, 

Philos.  Dr.,  Gvmn.  Guil.  Magister:  Quaestionum  de  compositione  et 
fontibus  Barnabae  Epistolae  capita  nonnulla.  Regimonti.  Ex  offic. 
Härtung.  (34  S.  8.) 
24.  Juni.  PhU.  I.-D.  v.  Gustar  Myska  (aus  Kamionkon  i  i  Ostpr.)  De 
antiqiiiorum  historicorum  Graecorum  vocabulis  ad  rem  militarem  per- 
tinentibus.    Regim.  ex  oliie.  Harluiigiana.    (2  Bl.,  71  S.  8.) 


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368  Mittheilungen  und  Anhang. 

„Acad.  Alb.  Regim.  1886  II."   Retractntiones  criticne  H.  Jordani  Diw.  edit« 

ad  celebr.  diel».  XXVI  m.  Junii  III  m.  Julii  piam  memoriam  viror. 

III.  v.  d.  Groeben,  v.  Kospoth.  Oelmann,  v.  Rhod,  v.  Tettau  et  clariss. 

feminae  Geelhaar  e  gente  Wulff.    Regim.  prostat  in  aedibus  Har- 

tungianis.    (8  S.  4.) 
29.  Juni.    Phil.  I.-D.  v.  Johannes  Schobert  (aus  Dreischweinsköpfen,  Kr. 

Danzig):  Ueber  die  Integration  der  Differentialgleichung 

-i-       ~-  k2U  =  0  für  Flächenstücke,  die  von  confocalen  Ellipsen 

und  Hvperbeln  begrenzt  werden.  Danzig.  A.  \V.  Kafemann.  (57  S.  8. 
m.  1  Taf.  in  Fol.) 


Altpreussische  Bibliographie  1885. 

(Nachtrag  und  Fortsetzung.) 

Arnoldt,  Dr.  C.  Franklin,  die  neu  entdeckte  ..Lehre  d.  zwölf  Apostel"  [Ztschr. 
f.  Kirchenrecht.  XX.  S.  407- 38.  J  Die  Didache  u.  die  apostol.  Väter. 
[Ebd.  S.  489—54.1 

(Banitz]  Arendt,  Prof.  Dr.  Rud.,  Antwort  auf  d.  off.  Brief  des  Hrn.  Dr.  Carl 

Bänitz  .  .  .    Nebst  eingeflocht.  krit.  Bemerkgn.  als  Beitrag  z.  Gesch. 

d.  Schulbücherfabrikat.  Hamb.  n.  Lpz.  Leop.  Voss.  (57  S.  gr.8.)  — 50. 
Vcdherrn,  SRajor,  ber  Scttfo&bcrg  bei  9?cu«;\ud>a  (m.  Sfiw)  (St^äbcr.  b.  «Itt^gef. 

$ruffia  1888/84.    S.  8—9.1  Crbcnöftaud  »äöfod  (m.  3  autogr.  £af.) 

l<Sbb.  S.  75-85.  f.  Slltpr.  <Won.  XXI.  637-649.1 
Wtntdc.  $rof.  Dr.  Scrt^olb,  bie  Xci*mirthid)aft.   ?rofti|d)e  Anleitung  j.  Hnlage  o. 

JciAen  unb  beren  9hu}g.  b.  ftifcf)*  u.  Ärcböjudjt.    9Rit  80  in  b.  £ert  gebr. 

Slbbitb.   8crl.   ?arcn.   (VIII,  120  S.  fl.  8.)  1.75. 
^ujarf,  Dr.,  baS  ©räberfelb  ju  ftotbebube,  Är.  ©oftap  (m.  ^eidinung).  [SfcgSber. 

b.  SUtthögcf-  ^ruffio  1883/84.    S.  20-29.J   Xer  prcu&.  Sanbtag  in  ttgSbg. 

im  3.  1594.    Jßbb.  ®.  36-48.  (f.  eud)  Altpr.  Mon.  XXII,  472  -  85.)] 

Ucb.  b.  Crbenöitabt  Siedenburg  u.  üb.  b.  «crf.  b.  ©efd).  berfelb.  %>ul  ©rego« 

rooiuö.    [<Jbb.  S.  53—70].    einige  Sonbroebren  im  Är.  SlUcnftcin,  Crtcteburg 

u.  fleibenburg  (m.  3cidmung).    [(£bb.  ®.  85—92.] 
(Chodowleckl)  Aus  Daniel  Chodowiecki's  Künstlermappe.    98  Handzeichngn. 

u.  Aquarelle  in  Facsimiledruek  nach  d.  Original,  im  Besitz  des  Hrn. 

J.  C.  D.  Hebich  in  Hamburg.    Mit  kurz,  biogr.  Ahriss.    Berl.  Amsler 

u.  Ruthardt.  Angez.  von  M.  L.  in:  Repertor.  d.  Kunsttci&sensch.  IX.  Bd. 

S.  243—44. 

Dewitz,  üb.  d.  Vereinigung  der  Spermatozoon  mit  dem  Ei.    f Archiv  f.  d. 

gesmte  Physiol.    Bd.  XXXVII.  Hft.  5  6.] 
Diercks,  Gust.,  Spanisches.    [Magaz.  f.  d.  Litt.  d.  In-  u.  Ausl.  1885.  No.  48.] 
2>tmid),  $rof.  Dr.  ftrj.,  ©aöparo  Gontarini.  1483-1542.    gine  Monographie. 

flraunäberg.  »Jktcrä  $d)b.  (G.  Äutfdjforo.)   (XVII,  880  S.  gr.  8.)  16.— 
 Hec.  [fciftor.  ^afjrb.  b.  ©örrcS^cfeUf*.  VI.  SBb.  ©.  124-146.  289-300. 

614-623.   öiftor.  ^tfar.  <R.  ft.  17.  93.  514—515.] 
^oerapfe,  ©.,  ©iencr  Cpcmobcnbe.    |Die  ©egenroart.   28.  SBb.  91r.  43.1 
Xorabrotoefi,  ©nmn.-Scbr.  Dr..  Stubicn  j.  ©etdj.  b.  Sonbaufteilung  bei  b.  flolonifa« 

tion  b.  ©rmlanbö  im  XIII.  3at)rb.  f©tmm.'93er.)  2Jtaun§bcrg  (26  o.  4). 
3>orfjettung.  lanbroirtbjdjaftl.,  f.  b.  öftl.  ^rooinjen  b.  pr.  Staats.   $?rög.:  ®.  Jtrcifo. 

22.  ^abrg.   Rönigöb.  SBencr  in  Gomm.  Hiertelj.  baar  n.  n.  1.— 
Dorn,  Prof.  Dr.  Ernst,  Experimentelle  Bestätigung  des  Satzes,  dass  beide 

Electricitäten  in  gleicher  Menge  entwickelt  werden,  für  Pyroelectrici- 

taet.    [  Poggendorffs  Annalen  d.  Phvs.  u.  Chein.    N.  F.  'Bd.  XXVI. 

S.  328  -  33t.]   Einige  Vorlesungsversuche  [Ebd.  331-334.]  Kachtrag 

LEbd.  S.  644.J 


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Altpreussiscke  Bibliographie  1885. 


369 


Dorr,  Oberl.  Dr.  Roh.,  Beiträge  zur  Einbardsf  rage  [Neu.  Archiv  d.  Gesellsch. 

f.  ält.  dtsche  Geschichtskunde.    X.   S.  211—305.    Mit  Nachwort  von 

H.  v.  SvbeL  S.  1)05-  307]    Römisch.  Glasgefäss  vom  Neustädter  Feld 

bei  Elbing.    [Vhdlgn.  d.  Berlin.  Ges.  f.  Anthrop.  etc.  Sitzg.  v.  IG.  Mai 

1885.  S.  180—82.]   «Koch  e.  Wort  üb.  b.  mutbrnnfel.  Vage  ber  Siefarbömüblc. 

JStltpr.  3tg.  o.  1.  Jcbr.  1885.    9ir.  27. J 
$ulf,  ?llb.(  b.  ^rrgang  b.  Scbend  Jeftt.   3n  gefcbicbtl.  Sluffaffung  bargcftellt.  2.  21)1. 

55er  SReffiaägang  unb  bic  ©rbebung  ans  Strcu.v    3JIU  c.  SJorroort  oon  Wob. 

3d>n>ciebcl.    Stuttgart.  Xicfc.  iXUI.  302  3.)  4.- 
I* bei,  Pfarrer,  fur^e  öefeb.  b.  ctjang.  ©emeinbc  (ftraubenj...  ©rauben*,  Stötbe.  —.50 
£bcl,  $fr.  $>einr.  9tb,olb.  ©Inlf.,  Petition  um  3ulaffung  ber  Grroaebjcncntaufc  .  .  . 

ÄömgSb.,  Schubert  u.  Sctbcl.  (16  3.  8.)  —.50. 
Ehlert,  L.,  From  the  tone  world:  a  serits  of  essays  translated  from  the 

German  bv  Helen  D.  Tretbar.    New- York,  C.  F.  Tretbar.  1  sh. 
 Rol>ert  Schumann  and  his  school :  an  essav.  transl.  bv  Helen  D.  Tretbar. 

Ebd.  --.25  c. 

(*f)m<fe,  2anbri(f)tcr ,  bie  ouögcftorb.  u.  ouofterbenb.  Jljicrc  Cftprcufocnö.  Vortrag. 

^nfterburg.  Süilhclmt.  (19  3.  4.) 
fftdjcnborff,  3of.  *rbr.       -I"*  b.  Seben  e.  SaugeniAtd.   SNoocUc.    9Jlit  38  $>clio« 

graoürcn  nad)  Originalen  o.  ®rot  Johann  u.  <*bm.  ftanolbt.   2cipv  1886 

(85)  3lmelang  (87'  3.  gr.  4.)  geb.  m.  ©olbfebn.  25.—,  feine  Sludg.  35.— 
Eichhorst,  Prof.  Dir.  Dr.  Herrn.,  Handb.  d.  speciell.  Pathologie  u.  Therapie  .  .  . 

2.  nmgearb.  u.  verm.  Aufl.    "Wien.   Urban  u.  Schwarzenberg.    1.  Bd. 

(VIII,  561  S.  gr.  S.)    2.  Bd.  (VIII,  626  S.)    3.  Bd.  (VIII,  608  S.) 

4.  Bd.  (VI,  684  S.  ä  10.-) 

—  —  Manuale  di  esame  fisico  delle  malatti  interne:  tradnz.  del  dott.  A.  Bianchi. 

Facs.  11-13  (Parte  I.  p.  481-512,  parte  II.  p.  1-112.) 

 Trattato  di  Patologia  e  Terapia  speciale.    Milano— Napoli.  Leon.  Val- 

lardi.  2  vol.  40.— 

—  —  lieber  die  Wärmestrahlung  d.  menschl.  Haut  unt.  gesund,  u.  krank- 

haft. Verhältnissen.    [Wiener  medicin.  Wochenschrift  No.  41]  Ree. 
|Dtsch.  Littztg.  No.  1.  3.  25.  32.  38.) 

| Eitting]  die  Bauten  von  Elbing.    [Centralbl.  d.  Bauverwaltg.  Nr.  41.] 

Alfter,  Vubro.,  bic  ^abrcdofmlg.  b.  Hercind  f.  Socialpolitif  im  Ctt.  1884.  |Sd>mol» 
lerd  ^oljrb.  f.  ©efe&gcb.  IX.  ^abrg.  3.  285—291.]  Der  Entwurf  e.  Post- 
sparkassengesetzes vor  d.  Reichstage  |.Tahrbb.  f.  Nationalökon.  u.  Sta- 
tistik N.  F.  X.  Bd.  S.  39:i— 411.  |  Die  Fabrikinspectionsbcriehte  u.  d. 
Arbeiterschutzgesetzgebung  i.  Dtschld.  [Ebd.  11.  Bd.  S.  393  -451.] 

Erdmann,  Oskar,  Lamprechts  Alexander  und  die  Hilde-Kudrun-dichtung 
[Ztscbr.  f.  dtsche  Piniol.  XVII.  Bd.  S.  226-27.]  Zur  Kudrun  [Ebd. 
8.  226-27.]    Ree.  [Ebd.  S.  127-28.  212-44.] 

tfriA,  ^rcm.-Sicut,  ©efeb,.  b.  7.  Oftpr-  3nf.«9tegmM  8t.  44  o.  1860-1885.  Tic 
fämmtl.  Anlagen  bcorb.  ».  3cf.>2ieut.  Xoeppen.  «Kit  Sitbilb,  4  Sfijj.  u. 
3  $län.    »crlin,  Mittler  u.  Sobn.  (VII,  339  u.  220  3.  gr.  8.)  10.- 

(frtnlonb.  eine  ^rebigt  »on  Dobian  »irfotoofi  [^aftoralblott  f.  b.  Xiöcefe  6rnv 
lanb.  9?r.  4.|  Xüincmarf  u.  ßrmlanb.  [iSbb.  6.J  3um  4tcn  Gentcnarium  b. 
crmlänb.  VifoVfr  3ol)d.  »on  fcofen,  genannt  SantUicu«  [6bb.  11.)  Epigram- ' 
mata  de  civitatil)us  Warmiae  omni  mense.  [(Sbb.  7.[  Webet«  M.  C?r* 
baunng«biid)cr  in  (Srmlb.  roäbrb.  b.  18.  ^obrb.  [Isbb.  9.|  Ginc  SRaricnprcbigt 
bed  Garbinald  $ofiu«.  [6bb.  8.)  JWiecrllcn  j.  ermlonb.  ©ef*.  [ebb.  3.) 
Tic  Statuten  b.  ^ricftcrbrubcrfcbaft  \,  Slllcnftcin  o.  3.  1517  Hat.)  flSbb.  4.] 
Tic  Statuten  unb  SKatrifcl  ber  i<rieftcrbruöer)Aait  in  SBormbitt.  |ttbb.  10.] 
SDlcifter  ^bomod  S»crncr,  Xomcuftod  o.  Crmlanb  u.  $rof.  b.  Iftcol.  in  i'cipj. 
u.  feine  Stiftungen.    £ao  Jcftamcnt  bcffelbcn  o.  2.  Tecbr.  1498.    |libb.  5.] 

Falkcnhcim,  Ueber  Ersatzmittel  der  Digitalis.  [Dtsch.  Archiv  f.  klin.  Me- 
dicin. XXXVI.  1.  2.] 


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370 


Mittheilungen  und  Anhang. 


Falkson,  Dr.  R.,  Znr  Lehre  vom  Ganglion  (Ueherbein),  nebst  e.  kurz.  An- 
hange üb.  d.  fungöse  Sehnenscheidenentzündung.  (Archiv  f.  klin.  Chi- 
rurgie. 32.  Bd.  S.  58  -86.] 

JWdjfr,  <pfr.  in  Cucbnnu,  bic  Hcalqunlität  ber  ftrd)l.  Scmlnft  in  Cftpr.  [&>.  ©c 
meinbebl.  fix.  17.] 

[Flach,  Johannes)  Die  akademische  Oarriere  der  Gegenwatt.  2.  verh.  Aufl. 
Leipz.  Friedrich  (63  S.  8.)  1.— 

—  —  Der  deutsche  Professor  der  Gegenwart.    2.  Aufl.  Lpzg.  Unflad  (VIII, 

259  S.  8.  m.  Portr.  d.  Verf.)  4.50. 

—  —  Peisistratos  u.  seine  literarische  Thätigkeit.    Tübingen.  Fues.  (42  S. 

gr.  8.)  1.20. 

 flgape.   «lltgriednfäe  floocHen.   2p*.  ftriebrid).  (249  S.  8.)  3.— 

Flanss,  R.  v.,  Auszüge  n.  d.  Kirchenbüch,  d.  benachbart.  Kirchspiele  Witt- 
gendorf, Heuckewalde  im  Zeitzer  Kreise.  Gr.  Aga  im  Fürstenthum 
Keuss  j.  L.,  Pölzig  und  Dobitschen  im  Herzogth.  Sachsen -Altenburg. 
[Vierteljahrsschrift  f.  Herald.,  Sphragist.  u.  Gcneal.  XIII.  Jahrgang. 
S.  296-310.]  ©cfd).  roeftpr.  Hilter,  f^tfdjr.  b.  l)iftor.  SereinS  f.  b.  Äcg.« 
58c,v  Woricinncrber.  19.  fcft.  S.  21-60.)  t\ut  ©efd).  b.  Stobt  £t|d).(St)lcu. 
[©bb.  61-77.] 

ffrorftcr.  ©corge,  Stnfidjten  oom  SRUberrbcin.   3Xit  Ginlcitung  von  Alberner  Äaben. 
127  S.  gr.  16.  [58ibliotf)cf  f.  Äunft  u.  SBifffnfa-  9Jr.  14.  «pj.  Wrutfncr.]  .30. 
Springet,  Mob.,  ©eorg  gorftcr  unb  S.  Hh  Sömmcrtttg  [Springer ,  Stob.,  $ffao3 
j.  Ärttif  u.  $f)t!of.  u.  jur  ©octbe-Sitt.   SRinben  i.  20.,  »rund  $crl.  gr.  8. 
S.  182—198.] 

tfragr,  bic  polnifdjc,  in  SBcjug  auf  ^reufeen  u.  b.  btfdic  Neid).  Tborn,  Samberf. 
(68  S.  gr.  8.) 

Fragstein,  Reg.-Baumstr.  v.  (Pillau),  der  Elbing-oberländ.  Canal,  m.  Zeichngn. 
auf  Bl.  28  —30  im  Atlas.  [Ztschrift  für  Bauwesen.  Jahrg.  XXXV. 
Sp.  63— «I.) 

Fran*,  Dr.  J.,  Cometen -Beobachtungen  auf  d.  Sternwarte  in  Kgsbg.  f  Astron. 

Nachrichten  No.  2616. J    Beobachtung  von  W.  Struve's  256  weiten 

Doppelsternen  mit  d.  königsberger  Heliometer.  [Ebd.  No.  2649—50.] 
Srtaucnhcfin.    2öod)cnfd)rift  für  5raucn,3'ücrcfien.   ^c^-  DOn  tfrau  5>odjb,cim» 

Sdjroaftn.   52  9lrn.  a  1  %  gr.  4.    2öbou  2Beftpr.  Sfrjcqcr.  Shcrteljabrl. 

baar  1.— 

Frlcke,  Lehr.  Dr..  die  elektrische  "Wasserzerlegung  im  Beisein  v.  Schwefel- 
säure —  eine  Täuschung.  (Progr.  d.  Realprogvmn.)  Direchau.  Hopp. 
(S.  3-9.  4.) 

Friedeberg,  Alex.,  Beiträge  z.  Statistik  der  Fractnren.   I.-D.  Würzburg. 

(54  S.  8.  m.  1  Taf.) 
tfrieberirt,  SJir.,  !luö  ber  oftpr.  ftranjofenjett.   [Sfegäbcr.  b.  «Ittbögcf.  $ruffia  f. 

1883/84.  S.  3-8.] 

Friedrich,  Cand.  Paul,  die  hebräisch.  Conditionalsätze.    I.-D.  Königsb.  1884 

(Lpzg.  Fock  1885.)  (VIII.  109  S.  gr.  8.)  1.50. 
ffrifdjbier,       5Jcrbrc<hcr*9l5tl>|cl.   ISluö  b.  3t|d)r.:  ,,«m  Urbäbrunncn".   4.  Sabrg. 

JBb.  IL  §ft.  9.]    (4  S.  gr.  8.)   Hinterpommersche  Idiotismen,  (s.  VIII. 

75.)  |  Korrespondenzblatt  d.  Vereins  f.  niederd.  Sprachforsch.  Hft.  IX. 

No.4.J  Zum  niederdeutschen  Liederbuch  (s.  IX,  77)  (Ebd.  Hl't.X.  No.  2.] 
ftroelid),       ©efd)id)te  b.  ©rauben  jer  Rretfcb  ...  2.  »ufl.  $ft>.  I.  Eanjig,  Äofeinonn. 

188-1  (IV,  372  3.  gr.  8.)  -  .  .  .  93<mb  n.  2>U  $cit>  u.  Äulturgcfdudjtc . .  . 

Gbb.  1885.  (2  »t.,  322  S.  gr.  8.)  9.- - 
Gaedeke,  Dr.  Arnold,  Wallensteins  Verhandlungen  mit  d.  Schweden  und 

Sachsen  1631  —  1634  .  .  .  Frankfurt  a.  M.  Rütten  u.  Loening.  (XII, 

347  S.  gr.  8.)  7.- 

Garbe.  The  Srauta  Sütra  of  Apastamba  belonging  to  the  Black  Yagur  Veda, 
with  the  Oommentarv  of  Rudradatta  edit.  by  Dr.  Rieh.  Garbe,  Prof. 
Facs.  X-XU.  Vol.  II.  p.  385-699.  Calcutta. 


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Altprcussische  Bibliographie  1885.  371 


(.arbc.   Ree.  [Dtsche  Lit.  Z.  No.  16.  29.J 

Gatz,  Josef,  pract.  Arzt,  Zur  Casuistik  der  Ovariotomie.  I.-D.  Oreifswald. 
(31  S.  §.) 

ftebauer.  Superint.  Dr.,  T>.  Äaiferbenfmal  bei  Liebenau.  (Sine  Erinnerung  ctuö  b. 
©amlcnbe.  [Svgäber.  b.  SUttbägcf.  fyruffta.  3.  70-75.J 

»etncinbeblatt.  coang  §r3g.  d.  öerm.  öilöbergcr.  40.  3abrg.  52  9?rn.  a  '/3  58g.  4. 

Weorgfne  ...  53.  ^abrgang.  (©umbinnen.  Stcrjct.) 

©cr|,  2R.,  Äalenbarj  ftro(crofto'<ßruffi  croangiclitfi  na  rof  188G.  Äönigöbg.  Wartung. 
(160  3.  8.)  -.75. 

—  —  ®ojelo  Setfo.  .  .  Sityen.  oon  Miefen.  4. 

«efrfjicfjtc  be$  2.  Dftpr.  ©rcnab.«9icgimentä  9lr.  3.  2  Zt)lt.  ...  .  tn.  »iel.  flunftbcil. 

Berlin.  Mittler  u.  Sobn.    1.  oon  ^rcm.-2ieut.  3.  ScdVr  (XII,  424®.  gr.  8.) 

2.  oon  fcouptm.  o.  X>.  «.  JJautU  (XV,  693  3.) 
»ctoerbeblmt  f.  b.  $roo.  Oft«  u.  SQeftpr  rcb.  d.  31.  So*.  3abrg.  1885.  I2$fte 

Ä  i'/s      8*  4-   Ägäbg.  Äod)  &  Weimer.  4.— 
Giese,  Dr.  Paul.    Krit.  Bemerkgn.  zu  Martial.    (Beil.  z.  Progr.  d.  Rcalg.  z. 

St.  Johann.)  Danzig.  Wedel.  (12  S.  4.) 
«Jagatt.   £cr  Äulurfftmpfer.   3t?cbr.  f.  öffentl.  Slngelobtn.   §räg.  o.  Ctto  ©lagau. 

6.  Sabril.  24  £?tc  gr.  8.  «crlin.  Gjrpebitbn.    SBicrtelj.  3.— 
Glosrau,  Gustav,  Ree.  [Dtsche  L.  Z.  26.  28.  38.] 

©oerth.  £ir.       bic  2ebrfunft.   drin  ftübrer  f.  Scbrer  u.  Sebrcrinncn.  .  .  .  Seipjig. 

ftltndborbt.  (IX.  H55  3.  gr.  8.)  4.50. 
«olbfdjmibt,  Mcbr.  f.  b.  gefeinte  $>blorcd)t.    $rög.  x>.  ©eb.  ^uft.«».  tyrof.  Dr. 

«.  «olbfrfiwibt  ...  31.  8b.  91.  ^.  16.  SBb.  4  £fte.  Stuttg.  ßnfe.  12.- 
©ol$,  ftr.,  Aber  bie  mobemc  ^b^nologie.  fXtfdjc  Äunbfdjau.  1 1.  ^afjrfl.  2.  u.  3.  $ft.] 
ttolfc  $rof.  Dr.  2b-  ftrb.  o.  b.,  tfaubnrirtbfcbaft.  I.  ibeil.  [fcbbcb.  b.  polit.  Ccfono« 
mie.  £r«g.  d.  3<l)önbcrg.  2.  SufC.  »b.  II.  3.  1—148.1 

Nachrichten  üb.  d.  Familie  der  Grafen  und  Freiherren  T.  d.  Goltz. 
In  2  Abthoilgn.  .  .  zsgestellt  v.  Frdr.  Frhr.  v.  d.  Goltz. . .  Strassbg. 
R.  Schultz  &  Comp.  (526  u.  193  S.  Lex.  8.) 
(Gottsched]  Crelzenach,  Prof.  Wilh.,  ein  ungedruckter  Brief  Gottsched'»  an 
Grimm  über  seine  Unterredungen  mit  Friedrich  d.  Gr.  [Berichte  üb. 
d.  Vhdlg.  d.  kgl.  aächs.  Ges.  d.  Wiss.  zu  Lpzg.    Philol.-hist.  Ol.  III. 
S.  308-318.] 

Ellinjrer,  Georg,  der  Einfluss  d.  Tartuffe  auf  d.  Pietisterey  der  Frau 
Gottsched  u.  deren  Vorbild.  [Archiv  f.  Lit  erat  urgeseb.  13.' Bd.  4.  Hft. 
$ricbricb  ber  ©rofcc  unb  Wottfdieb.  [2>ie  «renjboten.  9lr.  50.  35b.  IV. 
®.  517-529.] 

Wrabotoefn,  ftru),  bo3  ^Stornieren  bei  ben  Dlob  Ugabjuä  (X>ajafcn)  u.  Dt  XonomS 
in  ©üboft'Sorneo.  [Xai  SluSlcmb.  58.  Scujrg.  6  154—157.] 

»rau.  $rof.  Er.,  bie  lulhcrife^c  Jfirchc  in  Hmerifa.  »ortrag.  [öoongcl.  Äirdjcn^tg. 
Sir.  41.  42.] 

•tebt,  bie  Äicfer  auf  b.  ^öb^nfanbboben  ber  2ud)(cr  §aibe,  nach  Stanbort,  SJeftanb 
unb  ftorm.   [3tfcbr.  f.  gorft»  u.  ^agbroefen.  17.  3<U)rg.  7.  $ft.] 

«regorotttua,  fterb.,  bic  ^nfcl  (Sapri.  3bn0c  oom  SRittelmecr.  2.  ?luft.  2pjg.  iBrotf» 
bau«.  (VI.  R3  3.  12.)  1.80. 

—  —  il  libro  dei  doenmenti  della  cittä  di  Orvieto.  [Archivio  Btorico  per  le 

Marche  e  per  TUmbria  Fase.  VI.]  3ioei  ontife  SBronjen.  [91orb  u.  ۟b. 
XXXIV.  9Jb.  3.  9—13.]  Die  Münzen  Alberichs,  des  Fürsten  u.  Sena- 
tors der  Römer.  [Stzgsbor.  d.  philos. -philol.-hist.  Cl.  d.  Akad.  d.  W. 
z.  München.  Hft.  I.  S.  27—45.]  Das  Urfunbenbud)  ber  Stobt  Drrieto. 
[^tfebr.  f.  oügem.  ©cf<bv  Gultur«,  *it.«  u.  Äunftgefcbicbtc.   9tr.  6.  3.435—441] 

ftrtfft,  (Snmn.'Xir.,  ^rof.  Xr.  Cmil,  Hu$roabl  ouä  I).  SRartin  2utberd  Stbriftcn  in 
unoeränb.  Sprocbfornt  m.  SJcmerfgn.  üb.  biefclbe.  2.  Mufl.  ©crlin.  ffieibmann. 
(VIII,  212  3.  gr.  8.)  2.40. 

Grossmann ,  Adolf  (Neumark  in  Westpr.)   Schillers  .»Klage  der  Ceres"  als 


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372  Mitteilungen  und  Anhang. 

Schullectüm  (eine  Erwiderung.)  [Neue  Jahrbb.  f.  Pädagogik.  132.  Bd. 
S.  194-197.1 

Grttnhagen,  Prof.  Dr.  A..  Lehrbuch  d.  Physiol.  f.  akad.  Vorlesgn.  u.  z.  Selbst- 
studium. Bogrund.  v.  Rud.  Wagner,  fortgof.  v.  Otto  Funke,  neu  hrsg. 
7.  neu  bearb.  Aufl.  Lief.  4—7.  Hamb.,  Lpzg.  Leop.  Voss.  1.  Bd. 
VII  u.  S.  481—683  u.  2.  Bd.  S.  1-4  52.)  a  3.  - 

 Notiz.  [Arohiv  f.  d.  gesammte  Physiologie  d.  Menschen  u.  d.  Thiere. 

86.  Bd.   10-12.  Hft.) 

Grysanowski,  Dr.  Ernst,  e.  Wort.  z.  Verständigung  üb.  d.  Viviscctionsfrago. 
Hannover.  Schmorl  u.  v.  Seefeld.  (III,  66  S.  8.)  —.50. 

Gnttstadt,  Dr.  Alb.,  Krankenhaus-Lexicon  f.  d.  Königr.  Preussen.    Die  An- 
stalten f.  Kranke  .  .  .  Hrsg.  v.  k.  stat.  Bureau.  In  2  Thcilen.  Berlin. 
Verl.  d.  k.  stat.  Bnr.  1885-86.  (VI,  888  u.  VI,  277  S.  gr.  8.) 
-  Ree  (Dtsche  L.-Z.  10.  19.  34.  41.] 

Hacker,  Heinr.,  fgl.  99au«3ufpcct.  in  SRaricnrocrbcr.  Webet  roeftpr.  5öof|nI)äufcr  in 
norbifdjcm  jnpuö.  (9lbbr.  a.  b.  $\tiü)v.  b.  btft.  SJercind  in  OTaricnroerber.) 
SWittljcUunftcn  b.  2Scftprcu»ifd)cti  Slvdjitcctcu«  u.  Ingenieur  «Screino.  fceft  4. 
©.  83-49  gr.  8] 

Hagen,  Geh.  Ob.-Bauratli  L.,  die  Seehäfen  in  den  Provinzon  PreiiRsen  und 
Pommern.  II.  Der  Hafen  zu  Memel.  [Ans:  „Ztschr.  f.  Bauwesen."] 
Berlin.    Ernst  u.  Korn.    25  S.  Imp.  4.)  5. — 

Hafens,  Dr.,  (Danzig)  zur  Gastrotomie.  [Berl.  klin.  Wochenschr.  20.  Jahrg. 
No.  7.J 

Hahn,  Prof.  Dr.  F.  G.,  d.  Städte  d.  norddeutsch.  Tiefebene  in  ihr.  Bex.iehg. 
z.  Bodongestaltnng.  [Forschungen  z.  dtschn.  Landes-  u.  Volkskunde  . . . 
hrsg.  v.  Prof.  Rieh.  Lehmann.  1.  Bd.  Stuttgart.  Engelhorn.  S.  93—168. 
gr.  8.]  2.- 

Hahnrloder,  Gymn.-Oberl.  Prof.  Ernst.  Bestimmung  d.  richtig.  Verhältnisses 

von  Beitrag  u.  Aussteuer  bei  Sterbekassen.    (Gymn.-Progr.)  Meseritz. 

Matthias.  (S.  3—10.  4.) 
HnlUnir,  C.,  (Memel)  Adolf  Friedrich  Graf  v.  Schack.    [Herrigs  Archiv  f.  d. 

Studium  d.  neuer.  Sprachen  u.  Litt.    74.  Bd.  S.  1— 32.| 
Uamagid  (Zcitschr.  in  hebr  Sprache.)   Red.:  D.  Gordon.  30.  Jahrg.  52  Nrn. 

a  c.  2  Bg.  Fol.)    Lyck  (Wiehe.)  haar  n.  12.— 
^fltjtantt'd  >b-  @ec,  Scbcn  u.  Jöcrfc  in  acorbn.,  flemeinfafet.  Slusjugc  bureb  $obß. 

eioaffcn.    2Kit  fcamaim'ö  ($>oltfcbn.')5Mlbmis.   3  Sbcilc  in  1  $b.  ©ütcrölo^. 

»ertelömann.  (172,  256  u.  320  S.  8.)  4.- 
 Hufifprüdjc  üb.  Unterricht  u.  (Srjtebunfj.  [Nheiniicbc  SBlätt.  f.  erjicbunfl  u.  Un» 

ierrid^t.  59.  3af)rfl.  6.  §ft.] 
5i3Jalj,  ^ob.    ®corg    Hamann  ber  SKaguö  auä  Horben.     [flird)!.  SDlonatöfdjr. 

4.  ^abrg.  6.  $ft.] 

Hantel,  «eorfl,  „flafjlberßcr  Strünbaut",  ein  Sicbcrfranj  oon  baltifdjen  ©eftaben. 
eibinfl  bei  Stetnb.  Äüf)n. 

fc<nt*ralcnbcr,  ermlänbifcbcr  f.  1886.  30.  3<»brg.  &r%  t>.  Julius  Vöhl,  SBraunä« 
berg.  §une.    (109  ®.  8.)  -.50. 

 für  b.  ^rootnjcn  Cftpr.,  Söcftpr.,  Bommern,  ftofen  «•  ©djlefien  f.  b.  3- 1886. 

I8.$abrfl.  Jborn.  üombetf.  (180  ©.  12.)  —.50. 

Hecht,  Dr.  Max,  orthograph.-dialekt.  Forschungen  auf  Grund  attischer  In- 
schriften. [10.  Jahresber.  d.  k.  Wilh.-Gymn.]  Königsberg.  (Lpzg. 
Fock.)    87  S.  4.)  1. —  [Jahresbericht  d.  Wilh.-Ovmn.] 

^eibenbflin.  Mub.,  tote  SBiotfcction.  Öctpjiß.  Srcitfopf  u.  Nortel.  1884.  (VI,  98  3. 
gr.  8.)  2.— 

Heidler,  H.,  Choralgesänge  f.  Pianoforte  oder  Harmonium  bearb.  Hft  1.  II. 

fol.  Königsberg.  Jacnbowski.  i\  2. — 
Hein  icke,  Oberl.  Dr.,  De  graecis  adverbiis  loci.  (Hohcustoiner  Gymn.-Progr.) 

Osterode.  (S.  1-5.  4.) 


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Altpreussische  Bibliographie  1885.  373 


Hendewerk,  Karl  Ldw.,  zur  christlichen  Ethik  u.  Dogmatik.  Gesammelte 
Schriften,  hrsg  v.  Julius  Freund.  (Fortsetzung.)  (h.  Jahrbuch  XIV, 
S.  276  f.)  [Jahrb.  d.  Vereins  f.  wissensch.  Pädagogik.  XVII.  Jahrg. 
S.  251-808.] 

Mennig,  Arthur,  Beiträge  z.  Casuistik  der  perforireuden  Augenverletzungen. 

1.  -D.  Greifswald.  (28  S.  8.) 

Herbnrt's,  Joh.  Frdr.,  sämmtl.  Werke  in  chronol.  Reihenfolge  hrsg.  v.  Karl 
Kehrbach.   2.  Bd.  Lpz.  Veit  &  Co.  (XXIX,  612  S.  gr.  8.)  12.- 

—  —  sämmtl.  Werke  hrsg.  v.  G.  Hartenstein.  2.  Abdr.  4.  Bd.  Schriften  zur 

Metaph.  2.  Tbl.  Hamburg.  Voss.  (XII,  514  S.  gr.  8.)  Subscr.-Pr.  4.50. 
Einzelpr.  6.— 

Flügel,  0.,  einige  Missverstdnisse  des  Dr.  Dittes  betr.  d.  Metaph.  n.  Psvchol. 

Herbarts.    [Ztschr.  f.  d.  exakte  Pbilos.    Bd.  XIV.  S.  48-67.1 
Jftcc,  fccinr.,  bic  Sei)«  fcerbartö  d.  b.  mfdrt.  Seele,  m.  £>.'ö  eigen.  SBort.  j^eft. 

»ernbg.  SBocmeifter  (VIII,  74  5.  gr  8.)  1.20. 
»olbfdimiM,  Cv,  §erbart«3tller  u.  unf.  SKcligionö'Sdmle.  föübifA.  Sitbl.  2!).] 
Sallwllrk,  Dr.  E.  v..  Handel  u.  Wandel  d.  pädug.  Schule  H.'s;  e.  hist.-krit. 

Studie.    Langensalza  Beyer  &  Söhne.  (IV,  64  S.  gr.  8.)  —80. 
Thilo,  üb.  H.'s  Verhalt,  bei  d.  Gotting.  Katastrophe  i.  J.  1837  (als  Anh.  z. 

e.  Besprechg.  v.  Ernst  Laas.  Idealisni.  u.  Positivism.    Thl.  II,  S.  71.) 

[Ztschr.  f.  exakte  Philo.-*.  XIII.  404—412.]  Die  verraeintl.  Vnichtg.  d. 

Ethik  H.'s  durch  Hrn.  Dr.  Fr.  Dittes.    [Ebd.  XIV,  1  —48.  | 
Ufer,  Chr.,  Vorschule  der  Pädagogik  H.'s.  3.  A.  Dresden.  Blevl  &  Kämmerer. 

(XI,  96  S.  gr.  8.)  1.50. 
Wesendonck,  H.,  die  Schule  Herbart-Ziller  u.  ihre  Jünger  vor  d.  Forum  der 

Kritik.    Wien.  A.  Pichler's  Wwe.  &  Sohn.    (178  S.  gr.  8.)  2.50. 
SJiefmcr,  6b.,  §.*3  ^äbagocut  bargeft.  in  itjr.  ©ntroictlg.  u.  Slmuenbg.  Wernburg. 

»aemeifter.  1886(85)  (iV,  195  3.  gr.  8.)  2.40. 
Wolfemann,  d.  Pädagogik  dos  J.  J.  Rousseau  n.  J.  B.  Basedow,  vom  Herbart- 

Ziller'sch.  Standpkte.  vglich.  u.  beurth.    Hannov.  C.  Meyer.  1.60. 
gerbet'*  f&mmtl.  'Werfe  bräg.  ».  Scrub.  Supban.   25.  2Jb.  »erlitt.  Selbmann. 

(XX,  690  3.  gr.  8.)  23.  »b.  (XIV,  587  6.)  a  4.- 

—  —  ausgerollte  ffierfe  l)räg.  o.  »ernb-  3up^an.   2.  »b.    SluügeroSljlte  X>ichtgn. 

2.  »b.  »olföliebcr  bjög.  o.  «arl  Wcblid).    6bb.  (388  3.)  4.— 

 Söerfr.  2.  2l)cil.  Gib  ic.  b,rög.  t.  Wambel.    Stuttg.  Spcmann.  V.  8.  2.50. 

 Gin  »rief  fccrbciö  (an  ©raf  3of.  öuftad)  ©örfc  d.  d.  SBcimar  b.  25.  San.  1781.) 

mitgetb.  u.  Subro.  ©eiger.    [$ie  ©cgctiroart.  44.] 

—  —  Zu  den  „Briefen  H.'s  an  C.  A.  Böttiger  hrsg.  v.  Rob.  Boxberger." 

[Archiv,  f.  Diteraturgesch.  13.  Bd.  4.  Heft.] 
Garne«,  SMorilj,  $>crber  (m.  Skj.  auf  91.  §aum'ö  Berber.  [£>ie  ©egenroart  48.] 
Jpa»m,  !H.,  Sperber  nad)  fm.  2cb.  u.  fn.  SÜcrf.  bargeft.    2.  (3d)Iu&«)»b.  »erlin. 

©ärtner.   (XV,  864  3.  gr.  8.)  20.—  (cplt.  35.—) 
fcüffcr,  ihrof.  Dr.  fcerm.,  (Srinnergn.  an  Stbiller  m.  biöb.  ungebr.  {Briefen  o.  Berber, 

SdjiUer  u.  ©oetbc.  [$cutfd)c  Shtme.  X.  ^abrg.  9H«i      Sunt.  ©•  203—221. 

285—320.]  aud)  fepor.   »rcölau.  Jrcroenbt.  (54  3.  gr.  8.) 
Rickhoff,  Th.  v.,  Herder  u.  die Darstellg.  d.Littgesch.  (Progr.  d.  Landesgvmn.) 

Fellin.  1884.  (31  S.  4.) 
cdjaefet'«,  3ob.  Söilb-,  ©efdj.  b.  btfd).  Sit.  b.  18.  ^abrfj.  in  überfttbtl.  Ilmriff.  u. 

biogr.  3d)ilbcrgn.  2.  um.  ?lufl.  b^t}-  »•  Dr.  <£rj«  SRundcr.  %  Sluög.  in 

10  §ftn.  2pj.  Sßcigel.  a  -50.  $>ft.  8.  3oft.  «Aottfr.  J&ftbet.  3.509-597.  8. 
Schüller,  H.  (Plauen)  Herder  u.  Geliert.    (Neue  Jahrb.  f.  Phüol.  u.  Päd. 

Bd.  132.  S.  328-332.] 
Hermann,  Prof.  Dr.  L.,  e.  Wirkg.  galvan  Ströme  auf  Organismen.  (Pflüger's 

Archiv  f.  d.  ges.  Physiol.  37.  Bd.  Hft.  9/10.]    Ergebnisse  einiger  in 

Dissert.  veröfftl.  Untersuchungen.  [Ebd.]  9Bilb.  o.  3§ittid).  ©ebäd)tniörebe. 

[Jtbg.  fcartg.  3-       (1.  »eil.)  45.  (1.  »eil.)] 


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374  Mittheilungen  und  Anhang. 


Herweg,  Otto,  Kleinigkeiten  aus  d.  mathem.  Untricht.  Beil.  z.  Progr.  d. 

Gvmn.  zu  Culm  i.  Wpr.    Leipz.  Teubner.  (52  S.  4.) 
Hesse,  Otto,  üb.  d.  linear,  homogen.  Substitutionen,  durch  w.  die  Summe 

der  Quadrate  von  vier  Variabein  transfonnirt  wird  in  die  Summe  der 

Quadrate  der  vier  snbstituirteu  Variabeln.   Aua  den  hintlass.  Papier. 

mitgeth.  v.  F.  Casparv.    [Journal  f.  d.  r.  u.  angew.  Math.  99.  Bd. 

S.  110-127.] 

Heynacher,  Gymn.-Oberl.  Dr.  Max,  Lehrplan  d.  latein.  Stilistik  f.  d.  Klaas. 

Sexta  Ins  Secunda.    Paderborn.  Scböningh.  (28  S.  8.)  —30. 
 Ree.  [Philol.  Rundschau  8.  11.  34.  10.  47. J 

Hilbert,  Dr.  Rieh.,  Partiello  Hypertrichosis  neben  angeborn.  Ichthyosis 
circumscripta,  (in.'  Tafel  X.  Fig.  3—4.)  [Virchow's  Archiv  f.  pathol. 
Anat.  n.  Pliysiol.  99.  Bd.  S.  569—  71. j  Zur  Kenntnis*  der  Xanthopio 
[Archiv  f.  Äugenheilkde.  15.  Bd.  3.  u.  4.  Hft.]  Zur  Physiol.  der 
Retina  [Prlügler's  Archiv  f.  d.  ges.  Physiol.  37.  Bd.  S./4.  Hft.)  Bei- 
träge z.  Kenntuiss  der  postembryonal.  Entwickig.  der  Augen  der 
Säugethiere.  [Memorabihen  hrsg.  v.  Fr.  Bete.  N.  F.  5.  Jahrg.  Hft.  4.] 
Das  Verhalten  der  Farbenbliuden  gegenüb.  d.  anormal.  Dispersion. 
[Kl.  Monatshlätt.  f.  Augheilkdo.  23.  Jahrg.  Mai.] 

Hildebrandt,  Ed..  Aquarelle.  N.  F.  4.  Serie.  (5  Chromolith.  g  .  Fol.)  Berl. 
Mitscher.  In  Mappe  baar  50.—  einz.  Bl.  ä  12.— 

Hlpler.  Septilium  B.  Dorotheao  Montoviensis  anetore  Joanne  Marienwerder 
nunc  primum  edit.  opera  et  studio  Dr.  Franc.  Hipler  Tractatus 
IV-VII.  Cap.  1-6.  [Analecta  Bollandiana  Tom.  IV.  Fase.  2.  3. 
S.  207  -  251.  Cap.  7-28  cf.  3citfar.  f.  b.  ©ef$.  u.  «Ittböf.  Grmlanbö 
1877.  S.  148—  18;J.] 

Hippel,  %\).  ©I.  o.,  Uc6.  b.  ß&c  3Rit  ©tnleitg.  u.  Mnm.  bfäg-  u.  Soft.  Wölben* 
hcu«r.  mt  Jpippcl'ä  (^oljf^n.Oöitbniä.  (296  S.  gr.  16.)  [Äeclom'ä  Uni» 
ocrfal-3«Wiotbc!.  9lr.  1959-60]  oeb.  -80. 

Hirsch,  Prof.  Dr.  Aug.  Biogr.  Lexikon  d.  hervorragend.  Aerzte  .  .  .  hrsg. 
Lfg.  15-26.  J2.  Bd.  III,  S.  273-712;  3.  Bd.  S.  1-432.)  Wien. 
Urban  &  Schwarzenberg  a  1.50. 

—  —  Jahresber.  üb.  d.  Leistgn.  u.  Fortschr.  in  d.  ges.  Medic.  19.  Jahrg.  .  . 

Ber.  f.  d.  J.  1884.   2  Bde.  a  8  Abth.  Berlin.  Hirschwald.  37.— 

—  —  Jahresber.  üb.  d.  Leist,  u.  Fortschr.  in  d.  Anat.  u.  Physiol  

Ber.  f.  d.  J.  1884.  Ebd.  (III,  205  S.  hoch  4.)  9.50. 
 Deutsche  Vierteljahrsschrift  f.  öffeutl.  Gesdhtspfl.  ...  17.  Bd.  Braun- 
schweig.   Vieweg  &  Sohn. 

—  —  Acute  Infectious-Kraukhtn.   [Jahresber.  üb.  d.  Leist,  u.  F.  in  d.  ges. 

Med.  19.  Jahrg.  Bd.  II.  Abth.  1.] 
Hirsch,  Prof.  Dr.  Ferd.,  d.  erst.  Anknüpfgn.  zw.  Brundeubg.  u.  Russland 
mit.  d.  Grossen  Kurf.  (Beil.  z.  Progr.  d.  Königstädt.  Realg.)  Berlin. 
Gaertner.  (32  S.  4.)  1.— 

—  —  Mittheilgn.  aus  d.  hist.  Litt.  .  .  .  red.  v.  Ferd.  Hirsch.    13.  Jahrg. 

(4  Hfto.)  Berl.  Gaertner  6.— 

—  —  Die  Armee  des  Gross.  Kurf.  u.  ihre  Unterhaltg.  währd.  d.  J.  1660—66. 

[$>i|tor.  i]t\d)T.  91.  g.  17.  SBb.  ®.  229  -75.]  Bvzant.  Gesch.  im  Mitttelalt. 

[Jahresberichte  d.  Geschichtswissensch.  IV.  Jahrg.  S.  201-  207. J  Ree 

[Mitthlgn.  a.  d.  hist.  Litt.  u.  s.  w.] 
Hirsch,  Dr.  Frz.,  Gesch.  d  deutsch.  Litt.  .  .  .  Lfg.  17—24.  (Schi.)  Leipz. 

Friedrich.  (3.  Bd.  S.  129-778.  gr.  8.)  a  1.— 
 Das  Magaz.  f.  d.  Litt.  d.  In-  u.  Auslds.    54.  Jahrg.   62  Nrn.  gr.  4. 

Viertelj.  4.- 

 Scborcr'ö  5cmilicnbtott.    Cinc  iUuftrirte  3tför.    6.  33b.  (52  9lm.  a  21/, 

biö  3  ».  gr.  4.)   Skrlin.  Sdjorcr.  SBtertelj.  2.— 
 Stoffelbe.   ©domHuäg.  1.  3abtg.  3uli  1885  -  Juni  1886.    12  fcftt.  ebb. 

(I.  Vit-  152  @.  gr.  8.)  a  -75. 


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Altpreussische  Bibliographie  1885. 


375 


$irfdj,  7sva\\],       Cpfer  oon  Äomcrun.  [Sd)orcr3  ftamitienblatt.  6. 5Bb.  9lr.  5.]  Der  $err 

im  Damcucoupee.  [6bb.  47.]  (sine  3d)önr>ctt  auS  b.  ©roftmutterjcit.  [(£bb.  52.] 
Hirsch,  Dr.  Rieh  ,  üb  sehriitl.  Uebgn.  beim  UntrHit  in  d.  fremd.  Sprachen. 

(Beil.  z.  Progr.  d.  Doi-otheenstädt.  Realg.)    Berl.  Gärtner.  (28  S.  4.) 
Sirfdjfclb,  (Hüft.,  <Scbüd)tnit$rcbc  ouf  flarl  ^üpprity,  fleb-  ain  10.  8pr.  1885  uor  b. 

©eoar.  ©cfeüfd).  ju  Äoniaöb.   Äflöbg.  fcübncr  &  SJtatj  in  Gomm.  (20  ®. 

ar.  8.)  -80. 

—  —  Paphlagonisehe  Felsengräber,  e.  Beitrag  z.  Kunstgesch.  Kleinas.  Mit 

7  Tat",  u.  9  Abbild,  i.  Text.  [Ans:  „Abhdlgn.  d.  k.  pr.  Akad.  d.  Wiss. 
zu  Berlin.4*]  Berl.  Dümmler.  (52  S.  gr.  4.)  cart.  6.—  Der  Standpunkt 
uns.  heut.  Kenntnis  d.  Geogr.  d.  alt.  Kulturländer,  inshes.  der  Balkan- 
Halbinsel,  Gricchenlds.  u.  von  Kleinas.  [Geogr.  Jahrb.  X.  Bd.  S.  401 
bis  444.]  Das  Gebiet  von  Aperlai,  e.  Beitr.  z.  bist.  Topogr.  Lykiens. 
(Arrhäol.  epigraph.  Mitthlgn.  aus  Oesterr.-Ungarn.  Jahrg.  IX.  S.  11)2 
bis  201.]  Untnebm.  b.  Ocfterretchcr  in  Kleina)".  [Dtfcb,.  Kunbfd)«u  XI,  ftabrg. 
fcft.  8.  S.  817-318.]  Ree.  [Dt.  L.  Z.  3ö.] 
Hirschfeld,  Otto.  Abhanden,  d.  archäol.  epigr.  Seminars  d.  Universit.  Wien, 
hrsg.  v.  O.  Benndorf  u.  0.  Hirsch  fei  d.  V.  (80  S.  gr.  8.)  5  .— 

—  —  Arrhäol. -epigr!  Mitthlgn.  aus  Oesterr.  hrsg.  v.  O.  Benndorf,  0.  Hirsch* 

feld,  E.  Bonnann.    9.  Jahrg.    Wien.    Gerold's  Sohn.  9.— 

—  —  la  diffusum  du  droit  latin  dans  l'Empire  Romain,  traduit  par  H.  Thtdenat. 

[Bulletin  epigraphujue  5.  annee.  p.  57—65.]- 

—  —  u.  Schneider.    Bericht  üb.  e.  Reise  in  Dalmatien.    Mit  3  Taf.  u. 

21  Abbild,  i.  Text.     [ArchäoL-epigr.  Mitthlgn.  aus  Oesterr.-Ungarn. 

IX.  Jahrg.  S.  1— 84.  |  auch  separ.  Wion,  Gerold's  Sohn  (84  S.  gr.  8.)  2.  — 

2bcob.  SRommfcn'S  Köntifdjc  Äaifcraefd)id)tc.  [Die  «Ration.  2.  3ab,rg.  9tr.  24.] 

Antrittsrede  in  d.  öffentl.  Sitzung  v.  2.  Juli  1885.   [Sitznngsber.  d. 

Kg),  pr.  Akad.  d.  W.  z.  Berl.  XXXIII.  S.  623-626.]  JZuui  Monumeu- 

tum  Ancvranum.  [Wiener  Studien.  Ztschr.  f.  class.  Philol.  7.  Jahrg. 

S.  170- 174 J  Ree.  [Dt.  L.  Z.  49.  -  Berl.  philol.  Wochenschrift  26.] 
i>obred)t,  9Hcr,  3n>ifeb,en  pubica  unb  ^Jalmorum.   9Jier  9iopeUen.   3tatl)enoro,  §aafe. 

(212  5.  8.)  3.  -  geb.  4.  - 
Vobredjt,  Mrtb-,  Sri*  Äannad)cr.    fciftorifdjer  Koman.    2  S3bc.    SBcrlin.  $crfc. 

(XII,  385  u.  490  S.  8.)  9.  - 
Dötting,  ®.,  ?ir.  in  ^oblaufcn,  ber  ©enerabSefcbeib  b.  Äirdjen«»iiittttion  b.  ^nfter« 

butfliid).  9(mtsi  u.  3-  1638.  Vortrag.  Stifterbg.  3Siüjelmi.  (13  S.  4.) 
Huffinann,  E.  T.  A  ,  Meister  Martin  der  Küfner.  Lond.  Bell  &  Sons. 
 Cuntes  fantastiques;  trad.  par  X.  Marmicr,  et  prec^des  d'une  notice 

par  le  tradueteur.    Nouvelle  edit.,  augincntee  d'une  etude  sur  les 

Contes  fantastüjues  d'Hoffmann,  par  Theoph.  Gautier.    Pai-is,  Char- 

pentier  et  Cie.  (X,  456  p.  18.)  3  fr.  50  c. 
Holder- Kgger,  O.,  Reise  nach  Nordtrankr.  u.  Belgien  1883.  [Neu.  Archiv 

d.  Ges.  f.  ält.  dt.  Geschk.  X.  Bd.  S.  213- -28.  J   Aus  Hdschrftn.  (Beü. 

z.  französ.  Reiseber.)  [Ebd.  S.  369-74.] 
Holtz,  Roh.  (aus  Vandsburg  i.  Wpr.)   Drei  Fälle  von  genuiner  Atrophia 

nervorum    opticorum   aimplex  progressiva  bei  Geschwistern.  L-D. 

Greifsw.  (3(5  S.  8.) 

%otn,  Supermt.,  Kiffiondprcbigt  beim  ^abreäfeft  b.  ßntbaltfrtd.-^ercini  üb.  Sid)ter 

7,  20.  21.  [Sluö  „i<oftoralbibliotl)."J  ©otba  edjloe&mann.  (8  3.  gr.  8.)  -  30. 
Hnrwltz,  Adolf,  üb.  Relationon  zw.  Classenzahlen  binär,  nuadrat.  Formen 

von  negativ.  Dotertninante.  [Mathem.  Annalen.  25.  Bd.  S.  157—196. 

vgl.   Berichte  üb.  d.  Verhdlgn.  d.  K.  sächs.  Ges.  d.  W.  z.  Leipz. 

Maihem.-phys.  Ol.  1884.  I  II.  S.  193-97.]  Einige  allgem.  Sätz.  üb. 

Rauincurven.  [Ebd.  S.  287— 92.1  Zusatz  zu  der  Note  p.  287.  [Ebd. 

27.  Bd.  S.  161.]  Ueb.  einigo  besond.  homogene  lineare  Differential  gleich  gn. 

[Ebd.  Bd.  26.  S.  117-26.]  Ueb.  d.  Klassenzahlrelationen  u.  Modular- 


376  Mittheilungen  und  Anhang. 

correspondenzen    primzahliger  Stufe.    [Berichte  üb.  d.  Yhdlgn.  d. 

K.  sächs.  Ges.  d.  W.  z.  Leipz.  Math.-phys.  Cl.  1885.  I.  II.  S.  222-40.] 

Ueb.  d.  Anzahl  der  Classen  quadrat.  Formen  v.  negativ.  Determinante. 

Auszug  aus  e.  von  Ad.  llurwitz  an  Kronecker  gericht.  Briefe.  [Journal 

f.  d.  r.  n.  angew.  Mathem.  Bd.  99.  S.  105—08/) 
Hutecker,  Wilh.,  üb.  d.  falsch.  Smerdis.  Kbg.  Härtung.  (73  S.  8.) 
Huth,  Cand.  med.  Fr.,  Beitrag  z.  Kenntniss  d.  sympath.  Nerven.   Aus  d. 

anatotn.  Institut  in  Kgbg.  Vorgelegt  v.  F.  Merkel.    [Nachricht,  v.  d. 

K.  Ges.  d.  W.  .  .  .  z.  Gotting.    No.  4.    S.  183.) 
3ilC0bi,  Vir-  5-  (Sborn)  Srijleiermaayr'«  Stetig,  ju.  b.  ^ubcn.  [Etfä.-coangel. 

mttcr.    X.  Safcrg.    S.  793-805.] 
Jacobson,  J.,  Beziehgn.  d.  Verändergn.  u.  Krkhtn.  d.  Sehorgans  zu  Allgemein- 

leideu  u.  Organerkrankungen.  Leipz.  Engelmann.  (IX,  138  S.  gr.  8.)  3.  — 
—  —  Albrecht  v.  Graefe's  Verdienste  um  d.  neuere  Ophthalmologie.  Aus 

s.  Werken  dargeat.    Berl.  Peters.    (2  Bl.,  374  S.  gr.  8.)  6.  — 
 Berichtigung.    [Graefe's  Arch.  f.  Ophthalmol.    37.  Jahrg.    Abth.  1. 

5.  301  -304 J 

Jacob),  C,  [Dzg.J  Zu  Catullus.    [Philologus  Bd.  44.  S.  178-182.1  Ree. 

[Philolog.  Kundschau  Nr.  23.    Worhensohr.  f.  klass.  Piniol.  22. 
Jacob»).       9<cc.    [3citf<^r.  f.  %tyilo).  u.  p^ilof.  Äritif  «  fr  87.  SBb.  S.  113-15. 

120-  24.    S.  332-34.] 
r\(ißiel*fi,  $0lt.)ri<9t.  3-,   Die  Ucberljaubnabme  b.  SBcttclei  u.  tyre  33cfämpfuna,. 

3.  Hufl.  üeip».  Xuncfer  &  öumblot.    (IV,  72  S.  gr.  8.)    1.  20. 
JaflUfr,  ©uft.,  Xic  ^uben  ^olenä  u.  SitljauenS.  [«uö  »Heu  SBclttym.  16.  ^rg.  Jan. 

6.  101- 104.  J 

^ttp.  2.       X.  R[r.  Xioflctian  u.  f.  Stetig,  in  b.  ©efä.  [3eit|d)r.  f.  öligem,  ©efeb., 

Ruiturs  2itt.»  u.  Äunftgefd).   2.  §ft.    6.  112-123.] 
Jentesch,  Dr.  Alfr.  (Kgsbc.)  Beitrüge  z.  Ausbau  d.  Glacialhypothese  in  ihr 

Anwendg.  auf  Norddeutschld.  [Jahrb.  d.  k.  pr.  geolog.  Landeeanstnlt 

u.  Bergakad.  z.  Berl.  f.  d.  J.  1884  S.  438-524.  Taf.  XXVII.  XXVIIIa 

u.  XXVIII  b.] 

Jpgchonnek,  Frdr.,  de  nominibus  quae  Graeci  perudibu«  domesticis  indiderunt. 

Diss.  inaug.  Kgsbg.  1885.  (Koch  &  Reimer  (65  S.  gr.  8.)  baar  n.  1.50. 
Jefter,     ß-,  btc  tlcinc  ^agb.  .  .  .  5.  Sl.  noUfto.  umgearb.  o.  Cb.'Jyörft.  D.  o.  Kiefen» 

tbal.   2fg.  11.  12.    2pj.    »rodbauS.   (X,  3.  G8J)  -822  gr.  8.)   a  1.- 
^oljtt,  $rof.  Dr.  in  ©Otting.  3ur  SJcftimmg.  b.  Urfunbcnbcgriffcä.  [8eitfd)r.  f.  b. 

gcf.  6trofrcd)töu)iffcn|(b.    VI.  SBb.  S.  1-87.) 
Jordan,  H.,  quaestiones  Theognideae.    Kgsbg.  Härtung.   (16  S.  gr.  4.)  1.50. 
 svmbolae  ud  historiam  religionum  italicarum  alterae.  ebd.  (Schubert  <&  Seidel). 

'(16  S.  gr.  4.)  -  30.    (1.  u.  2.  :  2.  30.) 
 Topographie  d.  Stadt  Rom  im  Alterthum.  1.  Bd.  2.  Abth.  Mit  5  Taf. 

Abbild,  n.  1  Plan.  Berl.  Weidmann.  (V,  487  S.  gr.  8.)  8.  -  (1. 1.  u.  2. :  14.)  — 
 Ree.  [Dt.  L.  Z.  5.  19.  40.] 

3orban.  mit).,  Scftfpiel  j.  lOOjfibr.  frier  b.  «rüber  3af.  u.  ©ity.  ©rimm.  granffurt 

a.  3R.    Jorban'S  Selbftuerl.  (21  S.  8.)  —  50. 

 Xie  Sebalbö.  Slomon  a.  b.  ©egenroart.  2  3*bc.  Stuttgart.  Xtfd)c  Scrlagdanft. 

(303  u.  316  S.  8.)  10.  -  geb.  12.  - 
oinacfoljn,  Dr.  phil.  (Siegfricb,  geb.  1845  14.  3uni  ju  SXarienburg,  5Hca[gtim.»2eb,r. 

in  Berlin,  t  1882  27.  »oo.J,  ©cfdud)tc  b.  $rcufc.  ScamtcntbumS  vom  «nfg- 

b.  15.  ^flbrljfi.  biö  auf  b.  ©egcniu.  I.  «b.  Berlin  1874.  ^uttfammer  &  SHüblbrcaU 
(X,  292  S.  gr.  8.)  II.  »o.  1878.  (XIV,  384  S.)  III.  »t>.  1884.  (XII,  412  S.) 

Jung,  SUer.  Xic  §arfc  uon  Xtöcatbcriuc.  Skfcnntmfic  c.  Xid)ter^t)ilo|"opbcu.  2  Sbbe. 
Seipx.  Merl.  Silfj.  griebridj.  (IX,  28-1  S.;  2  »[.,  235  S.  gr.  8.)  10.  - 
Karl  Gutzkows  Briefe  au  Alex.  Jung.  Autoris.  Publikation.  [Magazin 
f.  d.  Litt.  d.  In-  u.  Auslandes  Nr.  1.  2.  3.    34.  35.  39.] 

Druck  vou  B.  LeupolU  in  Königsberg  in  Pr. 


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Miinzfunde  aus  Ost-  und  Westpreussen 


A.  Aus  der  Umgegend  von  Danzig. 

No.  1.  1  Abbasiden-Münze,  unter  dem  Chalifen  al- 
Saffah  in  Kufa  im  Jahre  133  (=  760/1  n.  Chr.)  geprägt.  Mit 
den  gewöhnlichen  Legenden. 

No.  2.  1  Abbasiden-Münze  unter  Harun  al-Kaschid 
oder  dessen  Vorgänger  al-Hadi. 

Av.:  wie  auf  No.  10.  Umschr.:  „Im  Namen  Gottes" 
u.  s.  w.  „in  al-Abbasia  im  Jahre  170"  (=  786/7  n.  Chr.) 
Rev.:  im  Felde  über  dem  Glaubenssyrabol  steht  „gut"  (d.  h.  an 
Gehalt  und  Gewicht) ;  unten,  ganz  verwischt,  ist  zu  lesen  ,  jezid" 
(=  der  Statthalter).  —  Die  Schrift  ist,  wie  auf  den  Münzen 
ilieses  Prägeortes,  klein  und  undeutlich. 

No.  3.  1  Abbasiden-Münze,  „geprägt  in  al -Muham- 
media (d.  i.  al-Rai)  im  Jahre  188"  (=  804  n.  Chr.)  Unten  im 
Rev.,  unter  dem  Symbol,  der  verwischte  Name  Obeid. 

No.  4.  1  desgleichen,  ein  kleiner  Dirhem  aus  der  „Stadt 
des  Heils  (—  Bagdad)  vom  Jahre  190"  (=  805/6  n.  Chr.),  also 
unter  Harun  al -Raschid.  —  Auf  dem  Rev.  steht  nur  der 
zweite  Theil  des  Symbolums. 

No.  5.  1  Abbasiden-Münze,  unter  demselben  Harun 
gescldagen  in  al-Muhammedia  im  Jahre  192       807/8  n.  Chr.) 

AUpr.  MonfttHHchrilt  Bd.  XXI1L  llft,  r,  u.  «.  2"> 


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378 


Münztunde  aus  Ost-  und  Westpreuflen. 


No.  6.  1  Abbasiden-Münze,  von  Harun  al-Raschid. 
„geprägt  in  der  Stadt  Nissabür  im  Jahre  193  (=  808  n.  Chr.). 
Der  Revers  hat  nach  dem  Symbolum:  „von  dem,  was  befahl 
(zu  prägen)  der  Diener  Gottes,  Harun,  Fürst  der  Gläubigen." 
Darunter  der  Eigenname  Hammuja.  Selten. 

No.  7.  1  Abbasiden-Münze  vom  Chalifen  al-Amin, 
=  von  193—198  der  Hedschra  Regent  (--=  808—813  n.  Chr.). 
Die  Schrift  ist  schönes,  altes  Kufisch. 

Av.:  im  Felde,  wie  bei  No.  10.  Umschr.:  „Im  Namen 
Gottes  wurde  dieser  Dirhem  geprägt  in  der  Stadt  des  Heils 
(=  in  Bagdad)  im  Jahre  196"  (d.  h.  =  811/2  n.  Chr.). 

Rev.:  „Mein  Herr  ist  Gott. 

Muhammed  ist  der  Gesandte  Gottes; 

(Diese  Münze  ist)  eine  von  denen,  die  zu  schlagen  befahl 

der  Diener  Gottes  al-Amin 
Muhammed,  Fürst  der  Gläubigen. 
al-Abbas." 

Randschrift  wie  auf  No.  10.  —  Abbas  hatte  die  Aufsicht 
über  die  Münzhöfe  unter  Amin ;  das  „mein  Herr  ist  Allah"  war 
Amin's  Wahlspruch. 

No.  8.  1  kleine  Aghlabiden-Münze,  von  Ibrahim  II. 
(von  261—289  =  874—901  n.  Chr.)  in  Nordafrika. 

Av. :  erster  Theil  des  Glaubenssymbolums ;  Umschrift  die 
Koranstelle:  „Muhammed  (ist)  der  Gesandte  Gottes;  er  sandte 
ihn  mit  der  rechten  Leitung  und  wahren  Religion,  um  sie  über 
alle  Religionen  zu  erheben."  Rev.:  „Aghlab";  dann:  „Muham- 
med (ist)  der  Gesandte  Gottes1';  darunter  „Ibrahim".  Von  der 
Umschrift  ist  nur  der  Anfang:  „im  Namen  Gottes  ward  geprägt 
dieser  Dirhem"  vorhanden ;  die  Fortsetzung  mit  dem  Namen  des 
Prägeortes  und  der  Jahrzahl  von  dem  zu  kleinen  Schröding 
nicht  gefaßt.  Nach  einem  ähnlichen  Stück  war  al-Abbasia 
wahrscheinlich  der  Prägeort  und  eins  der  letzten  siebenziger 
oder  ersten  der  achtziger  Jahre  des  dritten  Jahrhunderts  der 


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Von  Dr.  Wolnboro. 


379 


Hedschra  das  Zeitdatum  (=  ist  anzunehmen  als  runde  Zahl: 
280  =  893  n.  Chr.). 

No.  9.  1  Abbasiden-Münze  vom  Chalifen  Muktafi 
billah. 

Av.:  wie  auf  No.  10,  außer  daß  die  Umschrift  besagt:  „Im 
Namen  Gottes  ward  dieser  Dirhem  geprägt  in  Nessibin  im  Jahre 
293"  (=  905/6  n.  Chr.).  Der  Stadtname  Nessibin  ist  schwer 
zu  lesen,  weil  die  Buchstaben  zusammengeflossen  sind. 

Rev.:  wie  auf  No.  7,  außer  daß  unter  dem  Glaubens- 
symbol nur  der  Name  des  Chalifen  al  Muktafi  billah  steht. 

No.  10.  1  Samaniden  -  Münze  von  Ahmed,  Sohn 
Ismail' s. 

Avers  im  Felde: 

„Kein  Gott,  außer 
Allah  allein; 
er  hat  keinen  Genossen." 
Umschrift,  (innerer  Kreis):  „Im  Namen  Gottes  ward  dieser 
Dirhem  geprägt  in  al-Schaseh  im  Jahre  299"  (d.  i.  der  Hed- 
schra;  —   911/12  nach  Christus.)    Das  Einheitszahlwort  kann 
auch  als  „sieben"  gelesen  werden. 

Äußere  Umschrift,  in  sehr  rohen  Zügen,  die  Stelle  aus 
Korän  30,  3.  4:  „Gottes  war  die  Herrschaft  vordem  u  wird  ihm 
nachmals  sein;  alsdann  werden  die  Gläubigen  der  göttlichen 
Hilfe  sich  erfreuen." 
Revers  im  Felde: 

„Gotte."  (sei  Lob!) 
„Muhammed 
ist  der  Gesandte  Allah's; 
al-Muktadir  billah;  (=  Name  des  Chalifen,) 
Ahmed,  Sohn  Ismails."  (=  Name  des  Samanidenfürsten.) 
Umschrift,  (sehr  defekt):  „Muhammed  ist  der  Gesandte 
Gottes,  er  sandte  ihn  mit  der  rechten  Leitung  und  wahren 
Religion,  um  sie  über  alle  Religionen  zu  erheben,  wenn  auch 
die  Vielgötterer  widerstreben.'' 

25* 


380 


Münzfunde  aus  Ost-  und  WestpreuBen. 


Der  Münzhof  al-Schasch  ist  das  heutige  Taschkend. 

No.  11.  1  Samaniden-Münze,  in  al-Schasch  im  Jahre 
317  (=  929  n.  Chr.)  geprägt.  Im  Rev.  der  Name  des  Chalifen 
al-Muktadir  billah  und  des  Samanidenfürsten  Nassr,  Sohn 
Ahmed's. 

No.  12.  1  seltene  Samaniden-Münze  aus  Muham- 
me dia  vom  Jahre  330  (—  941/2  n.  Chr.).  Der  obere  Theil  des 
Av.  ist  verwischt;  unter  dem  Symbol,  in  ganz  kleiner  Schrift, 
steht:  „und  der  Sieg  (ist)  nahe."  Auf  dem  Rev.,  nach  dem 
zweiten  Theile  des  Symbolums,  ist  zu  lesen  der  Chalifenname 
„al-Mutakki  lillahi",  darunter  der  Name  des  Samaniden- 
fürsten „Nassr,  Sohn  Ahmed's." 

No.  13.  1  Saman  iden-Münze,  wie  No.  10;  von  „Nuch"  (I.), 
„Sohn  Nassr's"  II.  (~  unten  im  Rev.;  darüber  „al-Mus- 
takfi  billah",  =  der  Chalifenname,)  „geprägt  in  Samarkand 
im  Jahre  340"  (=  951/2  n.  Chr.). 

No.  14.  1  ältere  Osmanen-Mtinze,  vom  Sultan Murad II. 
Av. :  in  demTughra:  „Murad,  Sohn  Muhammed's  825"  (—  1421/2 
n.  Chr.).    Rev.:  „Lange  daure  seine  Herrschaft! 

Münze  von  Brusah." 

No.  15.  1  neuere  Osmanen-Münze,  vom  Sultan  Mah- 
mud II. 

Av.:  „Der  Sultan 
Mahmud,  Sohn  Abd-ul-Hamid's,  Chan. 
Lange  daure  seine  Regierung!    Geprägt  in 
Konstantinia.  1223."  (=  Jahr  des  Regierungsantrittes.) 
Rev.:  „Sultan  über  die  beiden  Festländer",  (= Asien  u.  Europa,) 
„Beherrscher  der  beiden  Meere"  (=  des  Schwarzen  und  des 

Mittelmeeres,) 
„Der  Sultan,  Sohn  (des) 
Sultans." 

Über  dem  letzten  Worte  „Sohn"  (im  Rev.,  dritte  Zeile) 


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Von  Dr.  Wolsborn. 


381 


steht  die  Zahl  17;  diese  bezeichnet  das  Prägejahr  nach  dem 
Beginn  der  Regierung  =  1240,  also  —  1824/6  n.  Chr. 


Bemerkungen  zu  diesen  15  arab.  Münzen: 

Sämmtliche  vorbeschriebene  Münzen  sind  von  gutem  Silber, 
denn  sonst  hätten  sie  nicht  so  lange  in  der  Erde  sich  erhalten 
können. 

No.  10  und  15:  von  der  Größe  eines  alten  8  Gutegroschen- 
stücks von  Friedrich  II.,  nur  nicht  so  stark. 

No.  1  und  9:  von  Größe  und  Stärke  eines  jetzigen  Mark- 
stücks. No.  2,  3,  7,  12:  groß  wie  ein  Markstück,  aber  dünner. 
No.  4:  groß  und  stark  wie  ein  jetziges  50  Pfennigstück. 
No.  13:  kann  auf  die  Fläche  eines  preußischen  Thalerstücks  mit 
dem  Bilde  des  Königs  Wilhelm  I.  (aus  den  60ger  Jahren) 
deckend  gelegt  werden ;  der  Hand  des  Thalerstücks  ragt  dann 
hervor.  Der  Dirhem  ist  aber  weit  dünner.  No.  11:  etwas 
größer,  No.  5  und  6:  etwas  kleiner,  als  ein  Markstück. 

No.  8:  von  der  Größe  eines  Nickelfunfpfennigstücks,  aber 
dünner.  No.  14:  so  groß  und  stark  wie  ein  jetziges  Silber- 
zwanzigpfennigstück. No.  15:  mit  hervorragendem  Rande,  wie 
bei  jeder  andern  deutschen  Silbermünze.  Alle  übrigen  Münzen 
sind  ohne  Rand;  es  sind  eigentlich  nur  stärkere  oder  dünnere 
Silberblechstücke,  auf  welche  man  einen  Münzstempel  ziemlich 
unvollkommen  abgedrückt  hat;  fein  und  genau  gerundet  sind 
sie  nicht.*) 

Obige  arabische  ganze  Münzen  (No.  1 — 15)  (Dirhem's) 
sind  in  den  Jahren  1850  bis  1880  in  der  Umgegend  von  Oliva, 
Conradshammer,  Zoppot,  und  in  der  Nähe  des  dortigen  See- 


*)  Da  die  Millimeterskala  von  Mionnet,  die  von  Münzkennern  von 
Fach  allgemein  benutzt  wird,  in  weiteren  Kreisen  doch  nicht  bo  bekannt 
sein  dürfte,  als  zu  erwarten  wäre,  so  habe  ich,  um  den  jetzt  lebenden 
Lesern  verständlich  zu  sein,  bei  Bestimmung  der  Grolle  der  Münzen  solche 
Münzsorten,  die  jetzt  noch  im  Gebrauch  sind  oder  bis  vor  Kurzem  es  noch 
waren,  zur  Vergleichung  herangezogen. 


382 


Münzfuwle  aus  Ost-  und  Westprenßeu. 


Strandes,  ferner  bei  Set.  Albrecht  (im  Walde  oder  an  der  alten 
Radaune)  gefunden  nnd  von  Herrn  J.  N.  Pawlowski,  Haupt- 
lehrer in  Set.  Albrecht,  gesammelt  worden  und  noch  in  seinem 
Besitze.  Die  genannten  Ortschaften  liegen,  um  einen  bedeu- 
tenderen Mittelpunkt  und  allgemein  bekannten  Ort  zu  nennen, 
im  Umkreise  vonDanzig.  Die  durchschnitten  vorgefundenen 
Stücke  (halbe  Dirhem's)  wurden  eingeschmolzen. 

Herr  Geheimer  Hofrath  Professor  D.  Stickel  in  Jena, 
Direktor  des  dasigen  großherzoglichen  orientalischen  Münz- 
kabinets,  dem  ich  die  ganzen  Dirhem's  zusandte,  hat,  da  ich  im 
Lesen  jener  kufischen  Schrift  nicht  bewandert  bin  und  nicht 
genug  Arabisch  verstehe,  die  Freundlichkeit  gehabt,  jene  für 
unsere  Provinz  äußerst  wichtigen  Münzfundstücke  zu  entziffern. 
Er  schreibt  in  Bezug  auf  dieselben:  „die  Münzen  sind  zum 
Theil  selten,  und  verhältnißmäßig  gut  erhalten,  wenn  auch  bei 
einigen,  wegen  der  winzig  kleinen  und  zusammengeflossenen 
Schrift,  die  Entzifferung  ziemlich  schwierig  war.  Ohne  lang- 
jährige Erfahrung  und  Übung  würde  man  nicht  zum  Ziele 
kommen.  Wünschenswerth  wäre,  daß  die  Stücke  nicht  zerstreut, 
sondern  in  einer  Sammlung  sicher  aufbewahrt  würden.  Die 
Abbasiden-Münze  aus  Nissabur  (No.  6)  kenne  ich  nur  noch  in 
dem  einen  Exemplare,  das  ich  in  meinem  „Handb.  z.  morgönl. 
Mzkde."  (I.  S.  101)  erwähnt  habe  und  das  Lindberg,  Lettre 
sur  quelques  medailles  cufiques  (Kophag.  1830)  auch  abgebildet 
hat.    Das  hiesige  Kabinet  besitzt  1  Exemplar  davon." 

Daß  sie  ächt  sind,  geht  wohl  aus  den  Bemerkungen  des 
Herrn  Geh.  Hofraths  Stickel  mehr  als  zur  Genüge  hervor. 

Zu  diesen  Münzfunden  in  der  Nähe  von  Danzig  ist  noch 
Folgendes  von  Wichtigkeit  zu  erwähnen:  im  Jahre  1722  wur- 
den bei  dem  Dorfe  Stegen  auf  der  Danziger  Nehrung  (zwischen 
Danzig  und  dem  Seebade-Orte  Kahlberg  gelegen,)  am  Seestrande, 
also  nicht  weit  von  dem  Fundorte  der  obigen  kufischen  Münzen, 
17  Stück  ganze,  unversehrte  arabische  Dirhem's  aus  der  Zeit 
vor  und  nach  dem  Jahre  800  n.  Chr.,  mit  kufischer  Schrift, 
gefunden,  die  Kehr  (ein  Schleusinger)  beschrieben  und  abge- 


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Von  Dr.  Wolsborn. 


38  * 


bildet  hat  in  seinem  Buche  „Monarchiae  asiatico-saracenicae 
statns"  etc.  (Lpz.,  1724.  4°).  Diejenigen,  welche  er  ungenügend 
oder  irrthümlich  entziffert  hat,  sind  über  ein  Jahrhundert  später 
von  Prof.  Nesselmann  in  Königsberg  nun  unzweifelhaft  erklärt 
worden. 

Um  zu  beweisen,  wie  häufig  arabische  (kufische)  Dirhem's, 
ganze  imd  zerschnittene,  aus  der  Zeit  Harun  al  Raschid's  in 
den  Küsten-  und  Binnenländern  unseres  Ostseebeckens  gefunden 
werden,  will  ich.  dor  Funde  im  russischen  Reiche  zu  geschweigen, 
nur  auf  folgende  Funde,  die  nicht  allgemein  bekannt  sein  dürften, 
aufmerksam  machen.  Für  die  Kultur-  und  Handelsgeschichte 
der  Ostseeländer,  wie  für  die  Bestimmung  der  alten  Handels- 
straßen und  für  die  Zusammenstellung  einer  Fundkarte  der 
betr.  Länder  (die  ich  für  Ost-  und  "Westpreußen  demnächst  her- 
auszugeben beabsichtige,)  sind  die  folgenden  Notizen  von  nicht 
zu  verachtender  Bedeutung. 

Melanges  de  Numismatique,  publies  par  F.  de  Saulcy 
Anatole  de  Barthelemy  et  Eugene  Hucher.  (Le  Maus,  1875.) 
T.  I.  page300:  ,,Lors  des  fouilles  entreprises  depuis  1871,  dans 
Tile  de  Biorkö,  sur  le  lac  Melare,  a  l'endroit  que  l'on  considere 
comme  l'ancienne  ville  de  Birka,  M.  Stolpe  a  decouvert,  dans 
des  especes  de  Kjoekkenmoeddings,  un  grand  nombre  d'ob- 
jets  appartenant  au  dernier  äge  de  fer,  et  parmi  ces  objots,  89 
monuaies  coufiques  entieres  et  360  brisees,  Ia  plupart 
de  l'an  893  ä  l'an  967  de  Jesus-Christ  et  une  monnaie 
byzantine  de  Constantin  X.  et  Romain  II.  (948—959). 
Une  nouvelle  trouvaille  faite  en  1873,  a  donne  encore  107 
monnaies  coufiques  de  la  meine  epoque. 

Le  resultat  de  ces  decouvertes  a  ete  publie  dans  differentes 
brochures  parues  a  Stockholm  depuis  trois  ans.  La  description 
des  monnaies  coufiques  a  ete  faite  par  M.  le  professeur  C.  J.  Torn- 
berg.    (Öfversigt  af  Kongl  Vet-Akad.  Törh.,  1872  et  1873.) 

Wenn  wir  No.  14  und  15  (als  aus  neuerer  Zeit),  unberück- 
sichtigt lassen,  so  sind  obige  Münzen  aus  den  Jahren  nach 
Christus:  *)  750,  2)  786,  8)  804,  4)  805,  r')  807,  •)  808,  ^  811, 


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384  Münzfunde  aus  Ost-  und  West prou Ben. 

8)  893,  »)  906,  ,0)  911,  »)  929,  l2)  941,  ")  951,  umfassen  also 
einen  Zeitraum  von  genau  200  Jahren. 


Hermann  Dannenberg,  Die  deutschen  Münzen  der 
sächsischen  und  fränkischen  Kaiserzeit,  (mit  1  Karte  und  61  Tff. 
Abb.  Berlin,  "Weidmann,  1876),  erwähnt  unter  den  50  Funden 
aus  Norwegen,  Schweden,  Dänemark,  Rußland,  Holstein,  Meck- 
lenburg, Pommern,  "Westpreußen  etc.  nicht  wenige,  die  unter 
anderen  Münzen  namentlich  auch  Samaniden-  imd  Abbasiden 
enthielten  aus  der  Zeit  970  bis  1070  n.  Chr.  (S.  26  Agg.)  Vergl. 
auch  Hildebrand  in  seiner  „Anglosaksiska  mynt",  wo  allein 
64  in  unserer  Zeit  gemachte  Funde  beschrieben  werden. 


No.  16.  1  kleine  JErzmünze  aus  der  Stadt  Phlius 
(0kiol'£)  in  Achaja  (aus  der  Zeit  circa  200  v.  Chr.,  nach  dem 
Urtheil  Sachverständiger).  Größe:  noch  etwas  kleiner,  aber 
dicker,  als  ein  schwedisches  öörstück.  Av.:  die  hintere  Hälfte 
eines  Stierleibes,  ohne  den  Kopf,  (von  den  Vorderfüßen  an). 
Rev. :  ein  großes  griech.  O.  (=  Oltov$).  Vergl.:  Poole:  Cata- 
logue  of  Greek  coins  in  the  British  Museum.  Central  Greece. 
(London,  1884.)  Tf.  3,  No.  11.  12.  13.  15.  u.  p.  17-19.  - 
Tf.  10,  No.  1-4.  7.  u.  S.  61  Agg.  -  Tf.  24,  No.  20:  es  sind 
da  griechische  Münzen  abgebildet  und  beschrieben,  aus  der  Zeit 
480 — 371  v.  Chr.,  auf  denen  man  einen  Ochsenkopf,  auch  „fore- 
part  of  boar"  (Vordertheil  eines  Ebers),  größere  und  kleinere 
Münzen  von  Tanagra  (aus  der  Zeit  456  —374  v.  Chr.)  mit  dem 
Vordertheile  eines  springenden  Bosses,  oder  dem  Hintertheile 
eines  Bosses,  sieht;  auf  mittelitalischen  Münzen  erblickt  man 
den  Kopf  eines  Bosses  (Catalogue  of  the  Br.  Mus.  Italy.  S.  52: 
und  S.  148:  „forepart  of  boar"  auf  Münzen  von  Venusia;  und 
von  Paestum  (S.  276.  279.).  —  Die  Sammlung  des  verstorb. 
Crignon  de  Montigny,  Catalog  No.  183,  hat  eine  Silbermünze 


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Von  Dr.  Wolsborn. 


385 


von  Phlius  (Achaja),  Av.:  0ytEL4,  retrograde;  taureau  cornupete 
k  gauche;  Rev. :  2£fii.\,  autour  d'une  roue  ä  quatre  rayons 
inscrite  dans  un  carre  creux.  (Siehe:  Melanges  de  Numis- 
matique,  publies  par  F.  de  Saulcy  et  Anatole  de  Barthelemy. 
Tome  III.  Paris,  Rollin.  1882.)  S.  453.  Phlius,  Hauptstadt 
der  kleinen  Landschaft  Phleiasia.  (kaum  3  □-Meilen)  auf  dem 
Berg  Kolossos,  mit  gutem  Wein  und  einem  Tempel  des  Gany- 
med  und  der  Hebe. 

No.  17.  1  Ptolemäer-Münze.  Größe:  eines  Zweimark- 
stücks, und  noch  einmal  so  dick,  als  ein  solches;  Metall:  Kupfer. 
Av.:  Jupiter  Ammon;  Rev.:  2  Adler  stehen  auf  einem  Blitz. 
Vergleiche:  Eckhel,  Doetrina  nummorum.  (Wien,  1792.  4°. 
8  Bände.)  IV.  1 — 2(5;  aus  diesen  Zeilen  ist  ersichtlich,  daß 
Ptolemäus  I.  bis  Ptol.  IX.  auf  dem  Rev.  ihrer  Münzen  nur 
1  Adler  auf  dem  geflügelten  Blitze  haben  (aquila  insistens  ful- 
mini);  die  Münzen  der  jKleopatra  -}•  Ptolemäus  VIII. j,  und  der 
[Kleopatra  j  Ptolemäus  IX. j  (Cleopatra  =  mater  Ptolemaeorum 
VIH.  u.  IX.)  haben  2  Adler,  insistentes  fulmini;  eine  andere 
Reihe  der  Münzen  dieser  Kieopatra  hat  1  Adler.  —  L.  Beger, 
Thesaurus  Brandenburgicus.  (Coloniae  Marchicae,  1G9G.  fol., 
3  Bde.)  I,  2G1  ff. :  Zeichen  und  Abkürzungen  auf  den  Ptole- 
mäermünzen;  aquila,  auf  den  Ptolemäermünzen,  —  infantiae 
nutrix,  imperii  auspicium,  (nach  Suidas);  Andere  geben  darüber 
andere  Erklärungen  über  diesen  aquila  K(Q(trvo([('>Qo^,  u.  II,  33. 
34.  Über  die  Adler  auf  den  Ptolemäermünzen  vergl.:  Vaillant, 
Historia  Ptolemaeorum  ad  üdein  numismatum.  (Amstrd.,  1701. 
fol.)    p.  24.  25. 

No.  18.  Desgl.  1  Ptolemäer-Münze;  wie  die  vorige; 
Rev.:  in  der  Umschrift,  rechts  und  links  von  den  Adlern. 
Spuren  einiger  griechischen  Buchstaben  wie  bei  der  vorigen 
Münze;  links  scheint  gestanden  zu  haben:  //  T 'V/  E  31^4  I  OY, 
rechts:  K^tEOII  /Tl^'/S]  beide  Münzen  in  Ägypten  geprägt. 
Vergl.:  L.  Müller,  Monnaies  de  l'ancien  Afrique.  (Suppl. 
Copenhague,  1874.    8°.)    I.  S.   137  flg.,  wo  Ptolemäermünzen 


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386 


Münziunde  ans  Ost-  und  WestpreuBen. 


(ähnliche)  beschrieben   werden;   und  Reginald  Stuart  Poole, 
Catalogue   of  Greek   coins.    The  Ptolemies,  kings   of  Egypt. 
(London,   1883;  mit  32  sehr  genauen  und  deutlich  gedruckten 
Tafeln  Abb.)    Nur  wenige  Münzen  dieser  Sammlung  sind  mit 
2  Adlern  auf  der  Bückseite  abgebildet,  so  Tff.  5,  7.  10.  2.  6. 
26,  7.  8.  i).  28,  «.  7.  —  Unsere  beiden  vorliegenden  Ptolemäer- 
mtinzen  passen  genau  in  der  Größe  zu  Tf.  20,  g   ------  jPtole- 

maeus  X.  Soter  IT.  -f  Cleopatra  III.,'  117—111  v.  Chr. 
(S.  104  —  109.)  „Head  of  Zeus  Ammon,  diademed  (und  ohne 
Umschr.,  wie  unsere);  Rev.:  links:  T1TOAEMAIOY;  two  eagles 
1.  on  thunderbolt;  in  front:  cornucopiae  single;  rechts:  KAKO 
HAT PAS.il  Nach  den  Abb.  in  Vaillant  ist  keine  einzige  • 
Münze  der  Ptolemäer  mit  2  Adlern  im  Revers.  —  C.  Stüve, 
Münzen  der  Ptolemäer.  (Programm  Gymn.  Osnabr.  1862)  giebt 
in  diesem  Programm  ,, Bemerkungen  zu  den  Münzen  der  Ptol." 
d.  h.  zu  einer  Sammlung  von  nahezu  5000  ägypt.  Münzen. 
S.  12 :  ,.Was  die  Erzmünzen  angeht,  so  sind  die  bildlichen  Dar- 
stellungen auf  ihnen  eben  nicht  viel  mannichfaltiger,  als  auf 
den  Gold-  und  Silbermünzen.  Auf  der  Rückseite  schon  wir 
stets  den  Adler  auf  dem  Blitz;  und  nur  zuweilen,  um  eine 
Doppelherrschaft  anzuzeigen,  2  Adler  neben  einander.  Es  ist 
der  Adler  des  Jupiter,  und  schon  von  Alexander  dem  Großen,  , 
in  Folge  eines  ihm  gewordenen  Auguriums  bei  der  Gründung 
Alexandrien^,  auf  seine  Münzen  aufgenommon."  S. 
münzen  wurden  von  den  Ptolemäern  in  sehr  großer  Zahl  geprägt, 
weshalb  dieselben  auch  in  allen  Cabineten  häufig  genug  sich 
vorfinden.  Dies,  sowie  die  auffallende  Größe  und  Schwere  ein- 
zelner Stücke,  erklärt  sich  einestheils  aus  dem  Reichthum  Cy- 
pern's  an  Kupfer,  anderntheils  aus  dem  hohen  Werth  desselben 
unter  den  Ptolemäern.  Denn  während  das  Verhältniß  des  Silbers 
zum  Kupfer  z.  B.  bei  den  römisch-campanischen  Münzen  1  :  180, 
in  Latium  und  Sicilien  1  : 250,  in  der  spätem  Kaiserzeit  1 :  125 
war,  verhielt  es  sich  in  Ägypten  wie  1  :  60.  S.  Mommsen, 
Gesch.  des  röm.  Münzwesens.    S.  215.  197.  80.  835.  42. 

Ferner  vergl.:  C.  W.  Huber,  Les  monnaies  des  Ptolemees 


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Von  Dr.  Wolsborn. 


387 


des  cabinets  de  Munich,  Gotha  et  Berlin.  Derselbe:  Numis- 
matique  egyptienne.  Derselbe:  Numismatique  antique  de 
TEgypte.  (II.  1870.)  —  Die  städtische  Münzsammlung  in  Mes- 
sina (im  Museum,  Schublade  No.  41,)  enthält  Bronzemünzen  der 
Ptolemäer.  (Siehe:  Melanges  de  Numismatique.  Tome  III.,  S.  319.) 
—  Auf  Münzen  aus  Calabria,  mit  griechischer  Inschrift,  erblickt 
man,  wie  auf  den  Ptolemaennünzen,  im  Av.:  Zeus;  im  Rev.: 
2  Adler,  (nach  rechts  schauend,)  stehend  auf  einem  Blitz.  Siehe: 
A  Catalogue  of  the  Greek  coins  in  the  Brit.  Museum.  Italy. 
(London,  1873.  S.  221,  No.  1—6.)  —  „Fulmen  alatum"  im  Rev. 
deutet  auf  Cultus  des  Jupiter  —  sagt  Beger  (Thesaurus  Pala- 
tinus.    Hoidelbergae,  1685.  fol.;  S.  223.) 

No.  19.    1   jAugustus  und  AgrippaJ ,  geprägt  in  Ne- 

mausus  (in  Gallia  Narbonensis),  heute  =  Nimes.  Av.:  die  Kopf- 
bilder des  Augustus  und  des  Agrippa;  einer  nach  rechts,  der 
andere  nach  links  schauend;  über  diesen:  BIP;  unter  dem  Kinn 
eines  jeden  der  beiden  Köpfe:  P  P  ----  perraissu  proconsulis, *)  oder 
andere:  =  pater  patriae,  also  hier  patres  patriae;  unterhalb  der 
Kopfbilder  steht:  DIVI-F.  Rev.:  ein  Crocodil,  mit  geöffnetem 
Rachen  vor  einer  Palme;  oben,  zu  beiden  Seiten  der  Palme, 
je  ein  kranzartiger  Kreis,  in  welchem  ein  kleinerer  Kreis  mit 
einem  Punkt;  unter  diesen  Kränzen,  zu  beiden  Seiten  der  Palme: 
COL  und  NEM.  ,,In  postica  parte  crocodilus  palmae  alligatur 
ob  Aegyptum  captara;  litterae  COL.  NEM.  indicant,  Nemausi 
hunc  nummum  percussum;"  cf.  Laur.  Beger,  Regum  et  Impe- 
ratorum  Rom.  numismata,  (Col.  1700.  fol.)  tab.  16,  No  3  und  4, 
wo  die  Abbildung  einer  ganz  ähnlichen  nemausinischen  Münze 
derselben  Imperatoren.  „Le  classement  historique  des  as  de  la 
colonie  de  Nemausus,  aux  deux  tetes  d'Octave- Auguste  et 
d'Agrippa  et  au  revers  du  crocodile  devant  le  palmier"  et  cetera, 
sagt  Lenormant,  II,  p.  217,  und  p.  218,  daÜ  sie  stammen 
aus  dem  Jahre  739  a.  u.   =   15  v.  Chr.    Metall:  M\  Größe: 

*)  So  erklärt  Lenormant,  La  inonnaie  dans  l'antiquitö.    (Paris,  1878.) 
II,  page  218. 


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Münzfiiudo  aus  Ost-  und  Westpreußen. 


etwas  größer,  als  ein  Nickelzehnpfennigstück;  Dicke:  so  dick, 
wie  zwei  über  einander  gelegte  Nickelzehnpfennigstücke. 

No.  20.  1  dasselbe;  Av.:  undeutlicher,  als  bei  No.  19, 
Rev.:  ganz  undeutlich. 

Zu  No.  19  und  20  vergl.:  W.  Fröhner,  Le  crocodile  de 
Nimes.  (Paris,  1872.  8°.)  Der  Reconsent  dieser  Schrift  (in 
Melanges  numismatique s,  par  F.  de  Saulcy,  Anatole  de 
Barthelemy,  Eugene  Hucher.  (Le  Mans,  Tome  I..  1874 — 75) 
sagt  S.  140:  „le  crocodile  est  le  type  des  monnaies  coloniales 
en  bronze  de  Nimes.  Les  bronzes  coloniaux  de  Nimes  sont  tres- 
communs."  Vergl.:  Eckhel,  Doctrina  nummorum.  (Wien, 
1792.  4°.)    I,  p.  69.  70. 

No.  21.  1  Erzmünze  der  ital.  Colonie  Paestum.  Größe: 
die  eines  Sechspfennigstücks  von  Friedr.  Wilh.  IV.  (von  1858); 
noch  einmal  so  dick,  wie  dieses.  Vergl.:  A  Catalogue  of  the 
Greek  coins  in  the  British  Museum.  Italy.  (London,  1873.) 
S.  280.  [30]  No.  57.  58.  Av.:  ein  wilder  Eber;  unter  ihm  ein 
S;  unter  dem  Strich  am  untern  Rand  scheint  PAE  (=  Paestum) 
zu  stehen.    Rev.:   .  ARTV  )  Andere  Exemplare  haben:  LARTV 

C  COMIN  [  C  COMI  TT  VIR,  auch  IUI  VIR;  die 
TT-  VIR    J  Inschrift    dieser    Münze    ist  im 
Index  VII.  (S.  428  f.),  als  unter  ,,remarkable  inscriptions  and 
legends"  gehörig,  angeführt:  und  wieder  im  Index  V.  unter 
Roman  Magistrates'  namesu  angegeben.     Was  sie  Wort  für 
Wort  bedeutet,  ist  nicht  gesagt. 

Unsere  Münze  ist  nach  dem  Urtheil  Sachverständiger 
circa  aus  der  Zeit  des  Augustus,  (30  v.  Chr.  —  14  n.  Chr.)  — 
Paestum  war  im  Alterthum,  nach  Virgil,  Ovid7  Ausonius  und 
Martialis,  berühmt  wegen  seiner  Rosen  und  Rosengärten,  („rosae 
Paestanae;  rosaria  Paesti.") 

No.  22.  1  athenische  Münze;  ziemlich  abgegriffen. 
Av. :  Gorgonenkopf ;  Rev.:  Pallas  AGE (nicht  ABH)\  aus  ziemlich 
später  Zeit,  aber  wohl  noch  vor  Chr.;  vergl.:  Beger,  Thesaurus 


Von  Dr.  Wolsborn. 


389 


Brandenburgicus.  (Col.  Marchicae  1696,  fol.)  I,  p.  470,  wo 
mehrere  Münzen  abgebildet  sind,  auf  denen  auf  der  Rückseite 
yf&E  steht. 

Größe:  die  eines  10 pfennigstücks,  aber  dicker;  Metall:  JE. 

Vergl.:  Cavedoni,  Osservazioni  sopra  la  antiche  monete 
di  Atene.  (Modena,  1836.  S.  27:  „testa  di  Medusa  co'  suoi 
serpenti.") 

L.  Beger,  Thesaurus  Palatinus.  (Heidelbergae,  1685.  fol.; 
(ein  sehr  seltenes  Buch.)  S.  258;  und  Poole,  Catalogue  of  the 
Greek  coins  in  the  British  Museum.  Central  Greece.  (London, 
1884)  wo  Münzen  mit  dem  Gorgonenhaupt  abgebildet,  sind,  so 
Tf.  7,  «  io  auf  Münzen  von  Koroneia  (aus  den  Jahren  550  bis 
480  v.  Chr.)  und  auf  größeren  Münzen  von  Eretria  (Tf.  22,  1-3 
u.  s.  w.,  aus  der  Zeit  700  —  480  v.  Chr.),  S.  119.  Das  Gor- 
gonenhaupt findet  sich  auch  auf  etrurischen  Münzen;  vergl.: 
A  Catalogue  of  the  Greek  coins  in  the  British  Museum.  Italy. 
(London,  1873)  z.  B.  S.  2.  6. 

No.  23.  1  sehr  verwitterte  athenische  Münze,  wie  es 
scheint,  aus  der  Kaiserzeit;  etwas  Weiteres  läßt  sich  nicht  be- 
stimmen. Größe:  ein  wenig  größer,  als  ein  10  pfennigstück, 
auch  dicker;  Metall:  JE. 

No.  24.  1  Kaiser  Aurelian,  (regiert  von:  270—275  n.  Chr.) 
in  Alexandrien  (Aegypt.)  geprägt.  Metall:  JE-,  Größe:  etwas 
kleiner,  als  ein  lOpfennigstück ;  aber  ziemlich  so  dick,  als  wenn 
man  3  solche  Stücke  über  einanderlegt. 

Av. :  „Aureliani  caput  diademate  cinctum;  Umschrift: 
AVRELIANVS.  Rev.:  ein  schreitender  Adler;  weiter  ist  Nichts 
zu  erkennen.  Vergl.:  Laur.  Beger,  Regum  et  Imperatorura  R. 
numismata.  (Col.  March.  1700.  fol.)  tab.  63,  No.  5.  und  L.  Beger, 
Thesaurus  Brandenburgicus.  (Col.  March  I.  II.  III.  1696.  fol.) 
II,  752.  758.  759.  760,  wo  viele  Münzen  dieses  Kaisers  abge- 
bildet sind.    Ferner:  Beger,  Thesaurus  Palatinus.  S.  347.  351. 

No.  25.  1  barbarisirter  Tetricus  =  ein  Gegenkaiser 
des  Aurelian.   —   Metall:  JE.    Größe  und  Stärke:   die  eines 


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1 

1 
l 
I 

I 

390  Münzl'unde  au»  Ost-  und  WestpreuJen. 

Sechspfennigstücks  von  Friedr.  "Wilh.  IV.  (aus  1858).  Av.:  da 
Haupt  des  Kaisers,  nach  rechts  schauend,  mit  einer  sehr  spitzer 
Nase;  mit  gezackter  Krone.  Von  der  Umschr.  sind  nur  einige 
Buchstaben  schwer  zu  erkennen.  Rev.:  ist  nur  deutlich  zu  er- 
kennen eine  Figur,  wie  das  Stück  einer  Säule  anzusehen. 

Die  Münze  ist  als  barbarisirtes  Stück  gut  erhalten,  bei 
der  Prägung  sind  am  Rande,  an  zwei  Stellen,  Metallstücke  ab- 
gesprungen. 

Vergl.:  Beger,  Th.  Br.  Tl.  753  und  Beger,  Regum  etc. 
tab.  G2,  No.  9.  16.  und  Beger,  Thes.  Palatinus.  348. 

t^ie  häufig  die  Münzen  von  Aurelien  und  Tetricus  (Vater 
und  Sohn),  auch  die  von  Gallienus  gefunden  werden,  ergiebt 
sich  unter  anderen  aus  dem  Funde,  der  am  30.  August  1873 

i 

bei  La  Blanehardiere,  Gemeinde  Beaufay  (Sarthe)  gemacht 
worden  ist;  man  fand  da  in  2  Thongefäßen,  50  Centimeter 
von  der  Oberfläche  des  Bodens,  römische  Münzen,  im  Ganzen 
8578  Stück:  darunter  47  Aurelian,  3G28  Tetricus  (Vater),  1813 
Tetricus  (Sohn);  vergl.  Melanges  numismatiques,  par 
F.  de  Saulcy,  Anatole  de  Barthelemy  et  Eugene  Hucher.  (Tome 
I,  Le  Mans,  1875.)  S.  194.  215.  201.  426  Agg.  Daß  man  in 
Frankreich  so  viele  Stücke  gefunden  hat,  wird  erklärlich,  wenn 
man  bedenkt,  von  welchen  Provinzen  er  Kaiser  war.  Tetricus 
war  Statthalter  von  Aquitanien,  nahm  die  Kaiserwürde  an,  be- 
herrschte einige  Jahre  lang  Gallien,  Spanien  und  Britannien; 
ist  hernach  von  Aurelian  im  Triumphe  in  Rom  aufgeführt 
worden. 

No.  26.  1  Kaiser  Constantin  d.  Gr.  (306—337  n.  Chr.) 
oder  unter  seinen  Söhnen  geprägt  (337—361  n.  Chr.).  Metall: 
M;  Größe:  die  eines  20pfennigstückes,  etwas  stärker. 

Av.:  Der  Kaiser  im  Helm;  Umschrift:  verwischt.  Rev.: 
urbs  Roma  d.  h.  die  säugende  Wölfin;  darüber  2  Sterne;  cf. 
Beger,  Regum  etc.  tab.  65,  No.  1,  wo  eine  ähnliche  Münze 
abgebildet  und  beschrieben  ist;  und  Eck  hei,  Doctr.  numm.  8,97 
„lupa  gemellos  lactans,  superne  duo  astra."  E.  schreibt 
diese  Münze  dem  Kaiser  Constantin  zu. 


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Vou  Dr.  Wolsborn. 


391 


No.  27.  1  Kaiser  Valens.  Metall:  Kupfer;  Größe  und 
Stärke,  wie  ein  Nickelfünfpfennigstück.  Av.:  „Valens  imperator 
cum  diademate  baccato  et  gemmata  fibulä;  D.N.VALEN  — 
S.P.F.AVG."  Rev.:  „Imperator  captivum  trahens,  sinistra  la- 
barum."  Umschr. :  „GLORIA  RO  —  MANORVM."  Unter  der 
Figur:  TRP  =*=  tribunitiä  potestate;  cf.  Laur.  Beger,  Regum  et 
Imperatorum  R.  numismata.  (Col.  1700.  fol.)  tab.  67,  No.  24. 
20.  und  derselbe:  Thesaurus  Brandenburgicus,  (Col.  1696.  fol. 
1—4.)  II,  p.  827,  No.  3  und  4,  wo  Münzen,  in  den  meisten 
Theilen  dieser  ähnlich,  abgebildet  und  beschrieben  sind;  und  B., 
Thesaurus  Palatinus,  p.  383;  desgl.:  Eckhel,  Doctr.  numm.  8, 
153.  154.    Valens:  364—378  n.  Chr. 

No.  28.  1  Kaiser  Justinus  I.  (Constantinopel ;  518 — 527 
n.  Chr.)  Av. :  Kopfbild  des  Kaisers,  mit  Diadem;  Umschrift: 
von  der  ursprünglichen  Umschrift:  D  N  IVSTINVS  P  P  AVG 
sind  nur  die  letzten  8  Buchstaben  zur  Prägung  gekommen. 
Rev. :  an  einer  Säule  ein  Stern ;  neben  der  Säule  eine  knieende 
Figur,  (undeutlich  geprägt;)  über  Säule  und  Figur  ein  Strich, 
über  welchem  zu  lesen  ist:  N  0.  Größe:  um  eine  Kleinigkeit 
kleiner,  als  ein  preußischer  Thaler,  auch  ebenso  stark;  Metall: 
Kupfer. 

„Justinus  Thrax,  utroque  parente  ignobilis,  sed  militiä  et 
verä  pietate  clarus,  quippe  qui  haereticos  ejecisse,  orthodoxos 
revocasse,  eoncilium  Chalcedonense  defendisse  memoratur;  Justi- 
nianum  imperii  consortem  sumsit;"  cf.  Beger,  Thesaurus 
Brandenburgicus,  (Col.  1696,  fol.)  II,  p.  850,  No.  9  und  10,  wo 
Gesicht  des  Kaisers  und  die  Umschrift  genau,  wie  auf  vor- 
liegender Münze;  die  Rückseite  ist  bei  Beger  anders,  hat  aber 
auch  2  Sterne. 

Vergl. :  Sabat  ier.  Description  generale  des  monnaies 
byzantines.    (Paris,  1862.)   t.  I,  S.  162,  20—22  und  Tf.  10,  4. 

Vergl.  noch  Eckhel,  Doctr.  numm.  8,  206—7;  p.  207  be- 
schreibt er  Münzen  dieses  Kaisers,  mit  anno  primo  und  duo 
astra,  und  sagt:  ,  jam  nunc  anni  imperii  monetae  aeneae  inscribi 


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392 


Münzfunde  aus  Ost-  und  Westpreuflen. 


incipiunt,  praecipue  üli,  in  cujus  medio  sunt  majoris  formae 
litterae  I,  K,  M." 

No.  29.  1  Kupfermünze  von  [Justin  II.  -|  Sophia} 
-  505 — 578  n.  Chr.  Größe  und  Stärke:  die  eines  neuen  Zwei- 
pfennigstückes. Die  Münze  ist  wohl  erhalten;  da  aber  das  Ge- 
präge ziemlich  roh  ist,  so  sind  die  einzelnen  Figuren  und  Zeichen 
nicht  deutlich  genug  erkennbar.  Av.:  2  Figuren  in  ganzer 
Leibesgröße  stehen  neben  einander;  die  zur  Linken  trägt  in  der 
rechten  Hand  eine  Kugel,  auf  der  ein  Kreuz  sichtbar  ist.  Rev.: 
wie  auf  andern  Münzen  jener  Zeiten  z.  B.  ein  großes  M(=fir), 

A  A 

K  X 

daneben     ^  oder  blos  N  und  Ziffern,  wie  X,  II,  ^  zu  sehen 

NT 

sind;  so  hier:  Vergl.:  L.  Beger,  Thes.  Br.  II,  855  und 

Eckhel,  Doctr.  numm.  8,  217.218:  „anno  addito  vario  numero 
(X,  XX)."    IM  =  p'  =  40. 

Vergl.:  Sabatier,  Description  generale  des  monnaies  by- 
zantines.    (Paris,  1862.)    I,  S.  22G. 

No.  30.  1  Mauritius  Tiberius  (582-602  n.  Chr.) 
Metall:  Kupfer;  Größe:  die  eines  jetzigen  Pfennigs,  etwas  stärker. 

Av.:  Brustbild  des  Kaisers,  nach  links  schauend;  mit 
Diadem;  in  seiner  Rechten  hält  er  eine  Kugel  mit  Kreuz. 
Umschr.:  unleserlich,  bis  auf  PPAVG.  Sie  muß  vollständig 
heißen  (nach  andern  Exemplaren,):  DNfTYWRI  und  TIBPPAVG 
(  --  Dominus  Noster  u.  s.  w.)  Rov. :  ein  großes  K;  neben  und 
unter  diesem:  R  A  venn  =  Ravenna;  so: 

Die  Münze  ist  untadelliaft  erhalten. 

Vergl.  Beger,  Th.  Br.  II, 853.  Eckhel, 
D.  n.  8,  219.  220. 

Sabatier,   J.,   Description  generale 
des  monnaies  byzantines.    (Paris,  Rollin  et  Feuardent.  1862.) 
tome  I,  S.  45.  83.  211. 


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Von  Dr.  Wolsborn. 


Arkadius  (395—408)  übernahm  die  alten  Ausdrücke  PFAVG 
=  pius,  felix  Augustus;  Leo  I.  (457 — 474)  zuerst,  und  in  der 
Folgezeit  die  übrigen  Kaiser,  setzte  statt  PF:  PERPETWS 
(PERPET,  PERP,  PPAVG),  obwohl  PFAVG  nebenbei  auch 
noch  vorkommt.  Vergl.:  Sabatier,  a.  a.  0.  I,  74.  163.  159.  160. 
161.  —  I,  236—248.  250  und  Tff.  24—26.  (namentlich  Tf.  25,  6.) 

No.  31.  1  Kupfermünze  von  jHeraclius-j  Heraclius 
Constantinus  -{-  Martina!  =  Heraklius  I.  =  Vater;  Herakl. 
Const.  —  Sohn;  Martina  =  zweite  Gemahlin  des  Heraklius  I.; 
610-641  n.  Chr. 

Größe  und  Stärke:  ein  wenig  kleiner  und  dünner  als  ein 
vormaliges  3  pfennigstück. 

Av. :  3  Brustbilder,  von  denen  das  erste  und  dritte  kleiner 
sind,  als  das  mittlere;  über  den  Häuptern  haben  sie  alle  3  je 
ein  Kreuz.  Rev.:  im  Felde  ein  großes  M  =  (/iE),  darüber  ein 
Kreuz,  darunter  ein  dicker  Strich;  unter  dem  Strich:   RA;  an 

A 

dem  linken  Schenkel  des  M  n     Neben  dem  rechten  Schenkel 

o 

des  M  eine  V;  unter  dieser  V  noch  eine  II;  unter  dieser  II 
noch  eine  I  =*  VIII. 

Vergl.  No.  27  und  Beger,  Th.  Br.  II,  854—856  und 
Eckhel,  Doctr.  numm.  8,  217.  218.  219:  „in  imo  RAVEN" 
und  224. 

Die  Buchstaben  auf  derlei  Münzen  bedeuten,  nach  Eckhel: 
/  =  Jesus,  K  —  Konstantinus,  M  =  Maria,  oder,  was  auch 
Eckhel  schon  statuirt,  und  jetzt  die  herrschende  Meinung  ist: 
/,  K,  M  =  „notant  denarium  decimum,  vicesimum,  quadrage- 
simum".  Siehe:  Eckhel,  Doctr.  numm.  8,  508.  —  Heraklius  I., 
610—613  allein;  614—641  mit  seinem  Sohne  Heraklius  Con- 
stantinus, den  er  zum  Mitregenten  annahm;  Heraklius  II.  Con- 
stantinus, geb.  3.  Mai  612,  =  Sohn  des  Heraklius  I.  und  der 
ersten  Gemahlin  des  Heraklius  I.,  der  Eudoxia,  (die  f  612,  den 
13.  August);  Heraklius  heirathet  die  Martina  zu  Anfang  des 
Jahres  613,  welche  ihren  Stiefsohn  Herakl.  II.  Const.  vergiftet 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIIL  RTL  5  u.  0.  26 


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394 


Münziünde  aus  Ost-  und  WestpreuBeu. 


(641).  Vergl.:  Sabatier,  a.  a.  O.  I,  4.  259—288  und  Tff. 
28 — 31:  „bustes  diademes  et  de  face  des  trois  augustes;  Martine 
est  a  la  droite  d'Heraclius;  Rev.:  M,  surmonte  d'une  croix; 

A 
N 

ANNO  VIII.;  ä  l'exergue:  RA;U  so:  N 

RA 

No.  32.  1  Kupfermünze  =  No.  31,  von  {Heraklius  I., 
~|-  Martina,  ihrem  Stief-Sohn  Heraklius  Constantinusjj 
610-641  n.  Chr. 

Größe  und  Stärke:  die  eines  10  Centimesstücks  von  Napo- 
leon III. 

Av. :  3  Figuren,  in  Leibesgröße ;  die  erste  und  dritte  sind 
gleich  groß  und  kleiner,  als  die  zweite;  auf  den  Häuptern 
Diademe;  in  den  Rechten  halten  sie  Kugeln,  auf  denen  oben 
ein  Kreuz  zu  sehen  ist.  Die  Umschrift,  wie  gewöhnlich  in  jener 
Zeit,  in  schlechten  und  zum  Theil  verwilderten  Buchstaben, 
giebt  in  10  Buchstaben  Überreste  der  Namen  Martina  und  Herakl. 
Constant.;  der  erste  Name  der  3,  Herakl.  I.,  ist  bei  der  Prägung 
zerdrückt  worden.  Kev.:  im  Felde  ein  großes  .1/  (=  iir),  dar- 
über ein  Kreuz;  unter  den  2  kleineren  Schenkeln  des  .1/  ein 
großes  r  (=  yduuu)  ;  unter  dem  i\J  ein  dicker  Strich.  Zu  den 
Seiten  des  31  und  unter  dem  Striche  Spuren  von  Buchstaben 
oder  Zeichen,  die  bei  der  Prägung  gleichfalls  zerdrückt  sind. 

Die  Münze,  wie  auch  No.  26.  27.  28.  29.  30.  31.,  ist  sehr 
gut  erhalten. 

Vergl.,  wie  bei  No.  31.  30.,  Beger  undEckhel  a.  a.  Ott. 

No.  33.  1  Kaiser  Johann  I.  Zimisces,  (Constantinopel; 
969—975  n.  Chr.) 

Av.:  ein  Christusbild,  (bis  zu  den  Knieen  reichend)  mit 
langem  Haupthaar  und  Heiligenschein ;  vor  sich  die  Heilige 
Schrift.  Rev.:  ein  Kreuz  mit  4  gleichen  Balkentheilen  über 
der  ganzen  Münznäche  ist  deutlich  zu  sehen;  in  den  4  Winkeln 


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Von  Dr.  Wolsborn. 


395 


des  Kreuzes  barbarisirte  griechische  Buchstaben,  über  dem  linken 
Kreuzschrägbalken  (im  Winkel):  JC;  daneben,  rechts  (im  Winkel): 
XC;  unter  dem  linken  Kreuzschrägbalken  (im  Winkel):  Nl;  da- 
neben, rechts:  KA  =  'lyoovi  XQiotos  via<£  — 


auf  Münzen  aus  klass.  Zeit,  =  ?);  obwohl  die  Buchstaben  sehr 
entstellt  und  in  einander  genossen  sind,  ist  allerwahrscheinlichst 
NIKsi  zu  lesen. 

"Vergl.:  Beger,  Thes.  Brand.  II,  p.  864;  der  Av.  dieses 
Münzbildes  ist  dem  unserer  vorliegenden  Münze  gleich;  und 
Beger,  Thes.  Palatinus,  S.  414.  415. 

Beger  sagt:  „Johannes  Zimisces  effigiem  Christi  in  ad- 
versa  numismatis  primum  signavit".  —  Das  NIKA  kommt  schon 
auf  unteritalischen  Münzen,  wie  auf  denen  von  Taren t,  (über 
dem  Zweigespann  des  Neptun,)  vor;  vergl.:  Melanges  de  Nu- 
mismatique,  publies  par  F.  de  Saulcy  et  Anatole  de  Barthe- 
lemy.  (Tome  HI,  Paris,  Rollin,  1882.  S.  439.);  auf  Münzen  aus 
Pandosia  steht  im  Rev.  bei  einem  Pan  NIKO  (vergl.:  A  Cata- 
logue  of  the  Greek  coins  in  the  Brit.  Museum.  Italy.  (London, 
1873.  S.  371.)  —  Desgl.  auf  andern  Münzen  aus  christlicher 
Zeit,  z.  B.  auf  einer  Münze  von  Tancred,  (f  1112)  (geprägt 
in  Antiochia,)  unter  dem  Querbalken  eines  lateinischen  Kreuzes ; 
über  diesen  Querbalken  ist  ebenfalls,  wie  auf  unserer  Münze,  zu 
lesen:  B;  siehe  G.  Schlumberger,  Les  principautes  franques 
du  Levant.  (Paris,  Leroux,  1877.  8°.,  S.  15.)  und  Sabatier, 
Description  generale  des  monnaies  byzantines.  (Paris,  1862.) 
II,  Tf.  52,  18.  und  S.  190,  20.  Tf.  58,  14—19;  59,  1.  2.  I,  86, 
No.  44.  und  Tf.  1,  44.  —  Romanus  II.,  959 — 963;  Nicephorus 
Phocas,  963 — 969;  des  Rom.  II.  Sohn:  Job.  Zimisces,  969 — 975, 
todtete  seinen  Vorgänger. 


'  hpQv$  XQtarog  viAq.    (C  =,  wie  auch 


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390 


Münzi'umle  au«  Ost-  und  Westpreußen. 


No.  34.  1  desgleichen.  Av. :  wie  auf  No.  33.  Rev.: 
ein  Kreuz,  wie  auf  No.  33 ;  in  den  2  "Winkeln  über  den  beiden 
Kreuaquerbalken  die  barbarisirten  griechischen  Buchstaben  (aber 
deutlicher  als  auf  No.  33.)  IC  XC;  in  den  beiden  Winkeln  unter 
den  beiden  Querbalken  des  Kreuzes:  Nl  KA  -  Vi/ffüfy  Y^/arot,* 
vr/.u.  Von  No.  33.  34.  35.  Metall:  Kupfer;  Größe:  die  eines 
vormaligen  Dreipfennigstücks. 

No.  35.  1  desgleichen.  Av.:  ein  Christusbild  mit  Hei- 
ligenschein ;  Haupt  und  Heiligenschein  der  Christusfigur  ist  von 
größerer  Dimension  als  bei  No.  34.  und  33.,  und  das  ganze  Bild 
reicht  nur  bis  zur  Brust.  Rev.:  ein  Kreuz,  von  dem  der  größte 
Theil  des  obcrn  senkrechten  Balkens  bei  der  Prägung  weg- 
geschnitten ist,  auf  3  Altarstufen  stehend ;  zwischen  der  obersten 
Altarstufe  und  den  beiden  Schrägbalken  stehen  in  2  Zeilen 
4  mal  3  griechische  Buchstaben;  so: 


Zu  diesen  Nummern  vergl.:  Beger,  Thes.  Br.  n,  p.  864. 
863.  850.  867.  855.  857:  „imago  Christi  librum  Evangeliorum 
praeferens".  Eck  hei,  Doctr.  nuram.  8,  250.  272.  273.  Zu 
No.  34:  Beger,  Thes.  Br.  II,  851  steht  auf  einer  Münze  des 
.Tustinian:  NIKO;  und  Eck  hei,  Doctr.  nuram.  8,  250  hat  auf 
Münzen  des  Kaisers  Joh.  Zimisces:  NICA.  Zu  No.  35:  Christus 
wird  auf  Münzen  jener  Zeit  auch  genannt  „rex  regnantium", 
vergl.  Beger,  Thes.  Br.  II,  864. 

No.  36.  1  sog.  „Wendenpfennig",  aus  der  Zeit  der 
Ottonen. 

Herrn.  Dannenberg,  Die  deutschen  Münzen  der 
sächsischen  und  fränkischen  Kaiserzeit.    (Berlin,  Weide- 


B  AS  IL  E  (YS) 
BASILE(LIS) 


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Vou  Dr.  Wolshorn. 


397 


mann,  1876;  mit  1  Karte  und  61  Tafeln  Abb.)  S.  488  —  496 
fuhrt  12  Sorten  derselben  auf. 

S.  488  —  490:  „Man  begreift  unter  diesem  Namen  eine 
Klasse  von  Münzen,  welche  als  gemeinschaftliches  Kennzeichen 
auf  beiden  Seiten  einen  hohen  Rand  zeigen,  und  deren  In- 
schriften nur  aus  wenigen  Buchstaben,  untermischt  mit  bloßen 
Strichen,  bestehen,  ganz  verschieden  von  den  eigentlichen  Nach- 
münzen, deren  sinnlose  Inschriften  entweder  wirklich  nur  durch 
einander  geworfene  Buchstaben  oder  doch  solche  Zeichen  tragen, 
welche  offenbar  nach  der  Absicht  des  Stempelschneiders  Buch- 
staben vorstellen  sollten.  —  Am  ausführlichsten  hat  über  sie 
Köhne  (III,  359,  und  Mem.  St.  Pet.  III,  467)  gehandelt.  —  Es 
ist  nicht  der  mindeste  Grund  vorhanden  zu  der  Annahme,  daß 
namentlich  Wenden  diese  ältesten  Münzen,  und  insbesondere 
diese  mit  Otto's  Namen,  verfertigt  hätten.  —  Es  ist  ziemlich 
ausgemacht,  daß  sie  in  den  Ländern  der  Elbe,  und  zwar  wohl 
zum  Verkehr  mit  den  slawischen  Völkern,  geschlagen  worden 
sind.  Dafür  sprechen  sowohl  die  Funde,  als  die  wenigen  In- 
schriften, welche  man  auf  solchen  Münzen  gefunden  hat.  — 
Ihr  Alter  wird  ohngefähr  bezeichnet  durch  die  Jahreszahl  970 
als  Anfang  und  1060  —  70  als  Ende."  Vergl.  dazu:  Taf.  59, 
No.  1325  —  Taf.  60.  No.  1361.  Metall:  Silber.  •  Größe  und 
Stärke:  die  eines  goldenen  Fünffrankstücks,  oder  die  eines 
20 pfennigstücks,  oder  genau,  wie  bei  Dannenberg,  (a.  a.  0.) 
z.  B.  No.  1343.  1347.  Av.  und  Rev.:  im  Felde  ein  mit  einem 
Kreis  eingefaßtes  gleicharmiges  Kreuz;  in  den  Winkeln  des 
Kreuzes  je  ein  kleiner  Kreis  oder  Ringel,  so:  oo:  als  l'mschrift 
dienen  abwechselnd  Striche  und  Ringel,  so:  lolll;  bei  Dannen- 
berg (a.  a.  O.)  Tf.  59,  No.  1325  —  Tf.  60,  No.  1361,  wo  ähn- 
liche, aber  keiner  sowie  der  obige.  Nach  D.'s  Urteil,  (der  die 
obige  Münze  wie  die  vorige  in  Augenschein  genommen,)  ist  sie 
eine  Nachprägung  von  No.  1374. 

No.  37.    1  desgl.,  wie  No.  36. 

Größe:  genau  wie  Dannenberg  (a.  a.  0.)  No.  1330,  der 
diese  Münze  auch  sonst  gleicht,  nach  D.'s  Urteil. 


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398 


Münzfumle  aus  Ost-  und  Westpreußen. 


No  38.  1  sehr  häufig  vorkommender  Ottonischer 
Denar  oder  eine  „Adelheidsmünze"  von  Kaiser  Otto  LH. 
und  seiner  Großmutter  Adelheid. 

Größe:  die  eines  vormaligen  Silbergroschens  von  Friedr. 
Wilh.  IV.,  nur  ein  klein  wenig  dünner.    Metall:  Silber. 

Vergl.  Hermann  Dannenberg,  Die  deutschen  Münzen 
der  sächs.  und  fränkisch.  Kaiserzeit.  (Berlin,  Weidemann, 
1876;  mit  1  Karte  und  61  Tafeln  Abb.)  S.  450—456  (mit  Tafel 
52,  No.  1164 — 1170)  handeln  von  den  „Adelheidsmünzen".  D. 
sagt:  „Keine  Münzsorte  ist  in  den  Funden  stärker  vertreten, 
als  die  mit  diesem  Namen  bezeichnete,  oder  genauer  diejenige 
Art,  welche  auf  dem  Av.  den  Namen  und  Titel  eines  Königs 
Otto,  auch  Oddo,  auch  mit  Kopfbild,  auf  dem  Rev.  ein  Kirchen- 
gebäude mit  hinzugefügtem  ATGAHLHT  (oder  ähnlich,)  zeigen. 
Dieser  Otto  =  Kaiser  Otto  HI.;  sie  sind  in  Sachsen  zu  Hause, 
wegen  des  Silbers  in  den  Harzbergwerken;  Prägezeit:  zwischen 
991  und  995  n.  Chr.,  unter  Otto  HI.;  Prägeort:  mit  ziemlicher 
Sicherheit  Magdeburg;  Adelheid  =  Athelheidis,  Adeleida,  Ade- 
lais, Adelas  u.  s.  w.  =  die  berühmte  Adelheid,  Wittwe  des 
Kaisers  Lothar  H.  und  Gemahlin  Otto's  des  Großen." 

Av.:  ein  gleicharmiges  Kreuz,  im  Felde,  in  einen  Kreis 
eingefaßt;  in  3  Winkeln  des  Kreuzes  ist  noch  zu  lesen:  U.O.  S. 
Rev.:  ein  Kirchengebäude,  in  rohen  Strichen,  (im  Felde;)  Um- 
schrift, soviel  von  ihr  noch  leserlich  ist:  TT  *i*  E3-  In  dem 
ganzen  Buche  von  D.  ist  unter  den  1383  Abb.  keine,  welche 
der  vorliegenden  Münze  genau  entspräche;  auch  die  Umrisse 
des  Kirchengebäudes  finden  sich  in  den  Abb.  bei  D.  ganz  anders, 
als  bei  dieser  Münze.  Die  Größe  der  Münze  entspricht  genau 
der  in  Abb.  No.  1390.  Nach  D.'s  Urteil  ist  obige  Münze  eine 
Nachprägung  von  No.  1167. 

No.  39.  1  Kupfermünze,  der  Zeit  des  lateinischen 
Kaiserthums,  wohl  irrig,  zugeschrieben.  Latein.  Kaiserthum: 
1204 — 1261.  Größe:  die  eines  vormaligen  Dreipfennigstücks. 
Av. ;  Christus,  mit  Heiligenschein,  das  Bibelbuch  in  seiner 


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Von  Dr.  Wolsborn. 


399 


Linken  vor  sich  haltend.  Rev.:  ohne  Umschrift;  im  Felde  ein 
Kreuz  mit  2  längeren  senkrechten  und  2  kürzeren  Schrägbalken; 
an  dem  Punkte,  wo  die  4  Balken  sich  treffen,  ist  wieder  ein 
kleineres  Kreuz  eingelegt,  so:  X  ;  zu  den  Seiten  des  großen 
Kreuzes  größere  und  kleinere  erhabene  Punkte  (Kugeln)  und 
arabeskenartige  Verzierungen.  Vergl.:  Gr.  Sehl  u  mberger, 
Numismatique  de  l'Orient  Latin.  (Paris,  Leroux,  1878.  4°.)  Zu 
Av.  und  Rev.:  Tf.  I,  No.  13  und  15.  Der  Größe  nach  paßt  die 
Münze  genau  auf  No.  15;  ob  Rev.  mit  Umschrift,  (wie  No.  15), 
oder  ohne  Umschr.  (wie  No.  13.),  ist  nicht  mehr  zu  sehen,  da 
der  Rand  der  Münze  und  ein  Theil  des  Feldes  abgescheuert  ist. 
Die  Form  der  Punkte  (Kugeln)  am  Kreuz  stimmt  genau  zu 
No.  13.  —  Schi,  sagt  weiter,  pag.  20 — 22:  Av.:  „Büste  du 
Christ,  avec  le  nimbre  crucigere,  tenant  les  Evangiles  de  la 
main  gauche,  entre  les  sigles  Cl  et  EX."  Rev.:  „Croix  latine, 
ornee  ä  chacune  de  ses  extremites  de  quatre  globules,  un  gros 
et  deux  petits,  portant  au  centre  quatre  rayons,  formant  une 
seconde  petite  croix  recroisant  la  premicro.  Celle-ci  a,  en  outre, 
pour  base  des  ornements  en  fleurons.  Appartenant,  selon  touto 
probabilite,  a  une  epoque  posterieure  et  tres-vraisemblablement 
au  regne  de  Baudoin  II.  du  Bourg,  1118—1131,  conite  d'Edesse, 
roi  II.  de  Jerusalem  (p.  G3  und  64.)"  —  Sie  werden  gefunden 
namentlich  bei  Beiruth,  Aleppo  und  selbst  bei  Bagdad  (p.  22). 
—  S.  22 :  „Elles  sont  tres-souvent  surfrappees  sur  dos  •  types 
primitifs,  le  plus  souvent  tout  a  fait  meconnaissables;  parfois, 
cependant,  ce  sont  d'anciens  types  imperiaux,  appartenant  aux 
empereurs  des  dixieme  et  onzieme  siecles.  En  voici  une  sur 
laquelle  apparaissent  des  traces  evidentes  de  la  lögende  de 
Michel  VII.  Parapinace  qui  fut  empereur  a  Byzance  de  1071 
a  1078  (gravee,  pl.  I,  15.)  Comparez  cetfce  piece  surfrappee 
avec  la  monnaie  du  meme  Michel  VII.,  gravee  dans  Sabatier 
(pl.  51,  8.)" 

Vergl.:  Sabatier,  Description  generale  des  monnaies  by- 
zantines.  (Paris,  1862.)  II,  S.  235 :  .,on  ne  connait  jusqu'  ici 
aueune  monnaie  certaine  des  empereurs  latins;  mais  on  peut 


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400 


Münzfunde  aus  Ost-  und  Westprenfcn. 


attribuer  avec  assez  de  probabilite  les  cuivres  anonymes  suivants, 
dont  presque  toujours  une  face  porte  l'image  du  Christ  en  buste, 
debout  ou  assis,  et  l'autre  cöte  une  croix  plus  ou  moins  ornee 
et  posee  quelquefois  sur  le  croissant." 

No.  40.  1  silbern.  Brakteat,  aus  Fulda  oder  der  Elb- 
gegend, (vielleicht  Magdeburger  Land,)  aus  dem  Anfang  des 
13.  Jahrh.  Av.:  eine  Bischofsgestalt,  in  sehr  undeutlichen  Um- 
rissen. Größe:  genau  die  eines  Einmarkstücks.  Metall:  sehr 
dünnes  Silberblech. 

No.  41.  1  desgl.  silberner  Brakteat,  aus  Fulda  oder 
Hersfeld,  aus  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jahrh.  Av.:  ein  Bischof 
in  sitzender  Stellung,  mit  seinen  Insignien.  Größe:  genau  die 
eines  Einmarkstücks.    Metall:  sehr  dünnes  Silberblech. 

No.  42.  1  deuts che,  silberne,  nicht  seltene  Medaille, 
aus  der  Zeit  um  1550  n.  Chr.  Av.:  Brustbild  des  Heilandes, 
nach  links  schauend,  mit  bis  auf  die  Schultern  langendem  Haupt- 
und  vollem  Barthaar;  en  haut  relief;  die  Medaille  ist  mit  einem 
hervorragendem  Rande  eingefaßt;  an  der  Seite  des  links  schauen- 
den Gesichts  steht:  "CT  —  ?,tir  -  Ijeschu',  und  in  gleicher  Reihe 
recht«  am  Rand :  N  —  einem  verkehrt  gestellten  lat.  Z  j  z 1  oder  N  n  ; 
aber  nach  der  Buchstabenform  auf  dem  Rev.  zu  schließen,  ist  es 
"  |ein  hebräisches  Ajin;i  also  die  vier  getrennten  Buchstaben 
in  einem  Worte  gelesen,  ergiebt:  =  [je-sehu-a    —  Jesus.1 

Rev.:  liest  man  folgende  hebräische  Buchstabon,  in  fünf  Zeilen 
ungleichmässig  vertheilt: 

in  Wörter  abgetheilt: 
rnpa  |maschiach|  =  (Messias,) 

^ImälSch     j  -  König.j 

KS  |bä  =  'kommt! 

>  =         Oritra  |  beschalöm  |  =-  f  in,  mit  Frieden, ; 

|  me-adam  \  =  |  von  einem  Menschen , 
VTWy  =  TP^ttg  'asijätho    |  =  |sein  Thunj 


rrm 


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Von  Dr.  Wolsborn. 


401 


oder  zu  lesen  (was  bessern  Sinn  giebt):  'v^fe?  1  asujatho  !  = 
seine  Entstehung.  |  rad.:  nbr  =  facere. 

Offenbar  verstand  der  Medaillengraveur  nicht  hebräisch, 
daher  sind  die  Buchstaben:  ",  *i,  und  */2,  N  untereinander  leicht 
zu  verwechseln. 

Es  ist  zu  vennuthen,  daß  diese  Medaille  bei  Taufen  dem 
Täufling  zum  Geschenk  gemacht  wurde.  Obgleich  ich  ziemlich 
viele  Bücher,  die  über  Münzen  und  Medaillen  handeln,  nach- 
gesehen habe,  so  fand  ich  sie  doch  nirgends  erwähnt  oder  be- 
schrieben. Größe:  wie  ein  Thaler  Friedrich's  des  Großen,  von 
1786,  aber  halb  so  stark. 

No.  43.  1  spanische  Silbermünzo,  aus  dem  spanischen 
Amerika,  wahrscheinlich  aus  der  Zeit  Philipp  III.  oder  IV.  Die 
Münze  ist  durch  den  Gebrauch  sehr  abgeschliffen;  Av.:  un- 
leserlich; Rev.:  erkennbar  ein  Krückenkreuz  mit  Rosen  (?)  in 
den  Winkeln.     Größe  und  Stärke:   die  eines  20 -Pfennigstücks. 

Vergl. :  A.  Heiss,  Descripcion  general  de  las  monedas 
hispano-christianas  desde  la  invasion  de  los  Arabes.  (Madrid, 
1865 — 69.  4°;  mit  204  Tafeln  Abb.;  ohne  Beschreibung)  wo 
öfters  Münzen  mit  Krückenkreuzen  abgebildet  sind,  aber  von 
all  den  abgebildeten  Münzen  gleicht  nicht  eine  genau  der  vor- 
liegenden. Philipp  III.  =  151)8-1621 ;  Philipp  IV.  =  1621 
bis  1665. 

No.  44.  1  südindischer  Fanam  (Silber).  Form  und 
Größe:  oval;  fast  so  groß,  wie  die  kleinste  mir  bekannte  Münze, 
ein  silbernes  schwedisches  5Örstück;  man  könnte  sagen  schlecht- 
hin: so  groß,  wie  ein  Wassertropfen  oder  wie  eine  getrocknete 
gelbe  Erbse;  Stärke:  noch  eine  Kleinigkeit  stärker,  als  ein 
Markstück  am  Rande  (9  mim.)    Av. :  eine  Figur  in  Eigestalt 

—  2  verschlungene  C,  so:  ^£  =  Carl,  Charles  IL,  1640  bis 

1685,  König  von  England.  Rev.:  man  sieht  eine  Menschen- 
gestalt, vom  Kopf  bis  in  die  Mitte  des  Leibes;  das  Haupt  be- 
deckt ein  altmodischer  Cylinderhut  von  der  Mode  im  Anfange 
unseres  Jahrhunderts,  d.  h.  mit  breiten  Krämpen  und  von  diesen 


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402 


Münzfunde  aus  Ost-  und  Westpreußen. 


ab  aufwärts  breiter  werdend;  in  beiden  Händen  hält  die  Figur 
je  einen  Stab,  der  nach  oben  dicker  wird,  also  in  Gestalt  einer 
Keule.  Die  Menschengestalt  =*  Gott  (Götze)  Swami.  König 
Karl  II.  von  England  ließ  solche  Fan  am  (so  heißen  diese 
Münzen)  für  die  Präsidentschaft  und  Stadt  Madras,  auf  der 
Ostküste  des  südl.  Vorderindien^  prägen.  —  Man  bedenke:  ein 
christlicher  König  läßt  Münzen  mit  heidnischen  Götzenbildern, 
in  Verbindung  mit  seinem  Namen,  prägen!  In  dieser  Art  der 
Abscheulichkeit  giebt  er  Ludwig  XIV.  von  Frankreich,  seinem 
Zeitgenossen,  der  auf  Münzen  und  Medaillen  ,,rex  Christian issi- 
musu  sich  zu  nennen  beliebt,  nichts  nach. 
Die  kleine  Münze  ist  gut  erhalten. 


Bemerkungen  zu  den  vorbeschriebenen  Münzen: 

"Wie  die  Dirhem's  (No.  1  —  15),  so  sind  auch  diese  Num- 
mern (16—44  -  29  Stück)  in  den  Jahren  1850—1880  in  der 
Umgegend  von  Oliva,  Conradshammer,  Zoppot,  in  der  Nähe  des 
dortigen  Seestrandes,  in  und  um  Set.  Albrecht,  und  auf  dein 
nahen  Capellenberge,  an  der  alten  Radaune  —  um  einen  größeren 
Ort  als  Mittelpunkt  zu  merken:  in  der  Umgegend  von 
Danzig,  nach  der  See  zu,  —  gefunden  und  von  Herrn 
J.  N.  Pawlowski,  Hauptlehrer  in  Set.  Albrecht,  gesammelt 
worden.  Ihre  Ächtheit  werden  die  Herren:  Prof.  Dr.  v.  Sallet, 
Direktor  des  K.  Münzkabinets,  in  Berlin;  Dr.  Menadier,  I.  Assi- 
stent im  genannten  Münzkabinet;  Gerichtsrath  Herrn.  Dannen- 
berg, Verfasser  des  werthvollen  Buches  ,rDie  deutschen  Münzen 
der  sächsischen  und  fränkischen  Kaiserzeit;1'  (Berlin,  1876.)  in 
Berlin;  Adolf  Weyl.  Sachverständiger  in  Münzangelegenheiten. 
Münzen-  und  Medaillenhändler,  Herausgeber  der  „Berliner 
Münzblätter",  in  Berlin,  —  der  Wahrheit  gemäß  bestätigen 
können.  Die  Überzeugung  der  Ächtheit  und  ihres  Fundes  an 
den  oben  genannten  Stellen  bei  Danzig  (Set.  Albrecht)  wird 
jedem  Unpartheischen  aus  der  Beschreibung,  speciell  aus  den 
Citaten,  unschwer  einleuchten.    Denn  daß  sie  vereinzelt  gefun- 


V« »ii  Dr.  Wolsborn. 


403 


den  worden  sind,  kann  nicht  als  Beweis  gegen  ihre  Ächtheit 
(wie  dies  ein  junger  Professor  hier  thun  wollte,)  nur  theoretisch 
angeführt  werden.  Vereinzelte  Münzen  und  Alterthumsfun  d- 
gegenstände  kommen  gerade  in  den  beiden  Provinzen  Preuüen, 
speciell  in  der  Nähe  Elbing's  vor.  G.  Schlumberger,  Les  Prin- 
cipautes  Franques  du  Levant.    (Paris,  Leroux,  1877.)  sagt 

pages  3.  4.:  ,,N'est-il  pas  curieux  de  decouvrir  aux  rives 
du  Jourdin,  sous  les  decombres  d'Edesse  ou  de  Jerusalem,  dann 
les  ruines  de  ces  glorieux  chäteaux  du  Karak  des  Chevaliers  ou 
de  la  Pierre  du  Desert,  placees  eomme  des  sentinelles  perdues 
a  l'entree  de  l'immense  Asie,  un  humble  denier,  une  vulgaire 
obole,  frappes  dans  quelque  obscure  seigneurie  des  bords  de  la 
Loire  ou  des  vallons  de  Bretagne,  ä  Gien,  a  Guincamp,  ou  sur 
le  flanc  des  Pyrenees,  ä  Melgueil  ou  ä  Morlaas-de-Bearn?  Quelle 
histoire  emouvante,  bizarre,  presque  toujours  tragique,  pourraient 
raconter  ces  petites  pieces  laides  et  mal  frappees  qui  du  beau 
et  lointain  pays  de  France  sont  venues  terrainer  leur  destinee 
sous  les  debris  de  quelque  forteresso  de  terre  sainte  pour  repa- 
raitre  apres  huit  siecles  d'oubli  et  etre  vendues  par  le  brocan- 
teurs  indigenes  aux  touristes  de  Londres  ou  de  New -York! 
Quelle  longue  et  penible  odyssee  que  celle  de  ces  petites  pieces 
apportees  dans  rescarcelle  du  pauvre  olerc  ou  du  chevalier  de 
fortune!  De  (juel  drame  final  elles  temoignent  bion  souvent 
lorsque,  retrouv^es  en  nombre  au  pied  de  quelque  vieille  ruine, 
elles  viennent  raconter  un  de  ces  faits  d'attaque  subite  etc. 

Tantöt  on  les  retrouve  isolees,  tantot,  et  le  plus  sou- 
vent, en  nombre  considerable.4' 

"Was  hier  von  den  abendländischen  mittelalterlichen  Münzen, 
die  man  im  Morgenlande  fand  und  noch  findet,  gesagt  wird, 
kann,  umgekehrt,  auch  von  den  griechischen,  römischen  und 
morgenländischen  Münzen,  die  man  bei  uns,  im  Abondlande,  im 
Gebiete  der  Ostsee,  findet,  behauptet  werden. 

Die  Bemerkung  über  die  GröÖenangabe  bei  den  ersten 
15  Münzen  gilt  auch  hier. 


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404 


Münzfuwlf  uns  Ost-  nwl  WwfprcnBen. 


Die  Reihenfolge  obiger  29  Münzen  ist  nach  den  Zeiten, 
denen  sie  angehören,  geordnet;  demgemäß  umfassen  sie  den 
Zeitraum  von  circa  200  v.  Chr.  bis  c.  1<>80  n.  Chr.,  also  im 
Ganzen  etwa  1880  Jahre. 

Als  seltene,  in  Ost-  und  Westpreußen  wohl  noch  nicht 
dagewesene,  Funde  müssen  die  Münzen  der  byzantinischen 
Kaiser,  die  ägyptischen  und  griechischen  Münzen  hervor- 
gehoben werden. 

Berlin,  im  Februar  1886. 

Dr.  E.  Wolsborn, 

Pfarrer  emer. 


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Zu  „Peter  v.  Dusburg  und  das  Chronicon  Olivense." 

Zur  Entgegnung. 
Von 
W.  Fuchs. 

Im  Jahrgange  1884  dieser  Zeitschrift  p.  621 — 636  hat  der 
Bibliothekar  zu  Halle  Dr.  M.  Perlbach  meine  in  Heft  2  und  3 
desselben  Jahrganges  erschienene  Arbeit  über  „Peter  von  Dus- 
burg und  das  Chronicon  Olivense"  einer  anscheinend  recht  ein- 
gehenden Kritik  gewürdigt.  Meine  in  dieser  Arbeit  ausge- 
sprochene Ansicht,  daß  der  erste  Teil  von  Peter  v.  Dusburgs 
Cronica  Terre  Prussie  fast  ausschließlich  auf  die  von  einem  un- 
bekannten Verfasser  herrührende  Ordensgeschichte,  welche  in 
die  ältere  Chronik  von  Oliva  eingeschoben  ist,  und  in  zweiter 
Linie  auf  den  sogen.  Bericht  des  Hm.  Hermann  v.  Salza  zurück- 
gehe, hat  Herrn  Perlbachs  Beifall  nicht  gefunden,  der  1871  in 
seiner  Göttinger  Dissertation  „Die  ältere  Chronik  von  Oliva", 
die  der  meinigen  Auffassung  entsprechende,  1861  zum  ersten 
Male  von  Hirsch  bei  der  ersten  Ausgabe  der  Chronik  geäußerte 
Ansicht  bekämpft  und  jene  kurze  Ordensgeschichte  für  ein  aus 
Jeroschin  und  Dusburg  compiliertes  Werk  des  14.  Saec,  her- 
rührend von  demselben  Verfasser  wie  die  ganze  Olivaer  Kloster- 
chronik, erklärt  hatte.    Wenn  ich  nun  auch  ohne  Bedenken 


406  Zu  .,Poter  v.  Dusburg  und  das  Chronicon  Oliveuse." 

zugebe,  daß  ein  Teil  der  von  P.  meiner  Abhandlung  —  einer 
Erstlingsarbeit  —  gemachten  Vorwurfe  zutreffend  ist,  so  muß 
ich  doch  von  vorneherein  konstatieren,  daß  Herr  P.  zahlreiche 
und  gerade  die  gewichtigsten  meiner  Gründe  und  Beweise  mit 
vornehmer  Ruhe  einfach  ignoriert  hat;  Herr  P.  handelt  nach 
berühmten  Mustern ;  vornehme  Gelehrte  schweigen  das,  was  nicht 
in  ihren  Kram  paßt  und  was  noch  dazu  von  einem  unbekannten 
Autor  kommt,  einfach  tot. 

Dies  allein  hätte  mich  noch  nicht  zu  einer  Erwiderung 
veranlaßt,  da  diejenigen  Kenner  der  preußischen  Geschichte, 
welche  nicht  nur  Recensionen  sondern  auch  die  denselben  zu 
Grunde  liegenden  Arbeiten  zu  lesen  und  zu  prüfen  gewohnt  sind, 
auch  ohne  mein  Zuthun  erkannt  haben  würden,  daß  es  Perlbach 
eben  nur  gelungen  ist,  eine  Reihe  von  Fehlern  in  meiner  Arbeit 
aufzudecken,  keineswegs  jedoch,  das  Resultat  derselben  als  durch- 
aus falsch  zu  erweisen,  und  noch  viel  weniger,  seine  gänzlich 
unhaltbare  Ansicht,  daß  die  Ordensgeschichte  im  Chron.  Oliv, 
wesentlich  auf  Jeroschin  beruhe  und  Mitte  Saec.  XIV  abgefaßt 
sei,  aufs  neue  zu  erhärten. 

Der  offenbar  gehässige  und  spöttische  Ton  des  Artikels 
jedoch  —  ich  verweise  nur  auf  den  Schluß  des  Aufsatzes  und 
den  gänzlich  unmotivierten  Ausfall  gegen  meinen  Lehrer  —  zwingt 
mich  zu  einer  kurzen  Entgegnung,  die  ich  leider  aus  Gründen 
persönlicher  Natur  erst  jetzt  erscheinen  lassen  konnte.  — 

Die  beiden  Beweise,  welche  ich  dafür  angeführt,  daß  die 
auf  Schritt  und  Tritt  zu  beobachtende  Uebereinstimmung  zwischen 
der  Ordensgeschichte  des  Chron.  Oliv,  und  Jeroschin  in  umge- 
kehrter "Weise,  wie  Perlbach  es  will,  nämlich  durch  Benutzung 
der  Ordensgeschichte  seitens  Jeroschins  zu  erklären  sei,  hat  P. 
nicht  anerkennen  können.  Triumphierend  bemerkt  er  (Altpr. 
Monatschrift  p.  631)  zu  meiner  (und  Webers)  allerdings  unrichti- 
gen Bemerkung  p.  208/9  „Jäger  konnten  doch  wohl  nicht  Ordens- 
ritter werden"  „sie  wissen  das  besser  als  der  Ordenspriester 
Nicolaus  von  Jeroschin,  scheinen  aber  von  Halbbrüdern  oder 


Von  W.  Fuchs. 


407 


dienenden  Brüdern  nie  etwas  gehört  zu  haben.  Es  ist  also 
garnicht  nötig  anzunehmen,  daß  hier  ein  Mißverständnis  Jero- 
schins  aus  den  Worten  der  Chronik  ,fratribus~^in  Balga  existen- 
tibus'  vorliegt."  Perlbachs  Folgerung  ist  jedoch  falsch,  es  bleibt 
immer  die  Notwendigkeit,  die  betr.  Stelle  im  Chron.  Oliv,  so 
zu  übersetzen,  wie  Weber  und  ich  es  wollen  und  damit  auch 
die,  ein  Mißverstehen  dieser  Stelle  durch  Jer.  anzunehmen.  Es 
wird  sogar  jetzt  das  Mißverständnis,  welches  Jeroschin  passierte, 
viel  erklärlicher:  konnten  Jäger,  wie  ich  irrthümlich  angenom- 
men, nicht  Mitglieder  des  Ordens  werden,  so  war  es  viel  unbe- 
greiflicher —  als  im  entgegengesetzten  Falle  —  daß  Jeroschin 
die  Worte  der  Chronik  ,dimissis  duobus  venatoribus  fratribus  in 
Balga  existentibus  valedicens  omnibus  cum  suis  ad  propria  reme- 
avit*  in  so  eigentümlicher  Weise  übersetzte,  daß  eine  thatsäch- 
liche  Unwahrheit  herauskam.  Das  fällt  nun  fort  und  es  bleibt 
nur  sein  Mißverstehen  dieser  Stelle,  welche  ja  allerdings  durch 
die  Häufung  von  drei  Participien  leicht  Veranlassung  zu  seiner 
falschen  Uebersetzung  geben  konnte;  denn  daß  in  der  Chronik 
die  Stelle  falsch  übersetzt  wird,  wenn  man  die  Worte  ,fratribus 
in  Balga  existentibus*  zu  dem  vorangehenden  venatoribus  und 
nicht  zu  valedicens  zieht,  das  wird  ohnehin  jedem  Unbefangenen 
einleuchten ;  es  wird  aber  noch  gesichert  durch  die  Parallelstelle 
Chron.  Oliv.  685,  wo  es  von  König  Ottokar  heißt  „valedicens 
fratribus  cum  suis  ad  propria  remeauit."  Daß  nun  andererseits 
niemand  glauben  wird,  der  Verfasser  der  Olivaer  Chronik  hätte, 
als  er  —  nach  Perlbach  —  Jeroschin  kompilierte,  dessen  Angabe : 

„di  beide  brüdre  wurdin 

sint  in  dem  dütschin  ordin" 
in  der  Weise  übersetzen  können,  daß  gerade  ein  so  zweifelhafter 
Sinn  herauskommt,   scheint  mir  auch   sicher,    und  habe  ich 
in  meiner  Dissertation  p.  206  gerade  darauf  als  einen  Haupt- 
grund meiner  Annahme  bereits  hingewiesen. 

Zu  der  zweiten  Stelle  Jer.  6359-64,  Chron.  681,  welche 
ich  zum  Beweise  für  die  Abhängigkeit  der  Chronik  von  Jer. 
herangezogen,  da  Jeroschin  hier  statt  der  Angabe  Dusburgs,  es 


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408 


Zu  „Peter  v.  Dusburg  und  das  Cbronicon  Oliveuae." 


seien  in  Sartowitz  150  Frauen  „cum  parvulis"  gefangen,  die 
abweichende  hat^  daß  dieselben  „sundir  ire  barin"  gefangen 
seien,  was  ich  aus  dem  Mißverstehen  der  Worte  in  der  Chronik 
exceptis  parvulis  erklärte  (p.  209),  bemerkt  nun  Perlbach,  er 
sehe  nicht  ein,  warum  Jer.  aus  der  Chronik  diese  Aenderung 
entnommen  haben  müsse.  Nun  finden  wir  doch  aber  einen  von 
Perlbach  selbst  nachgewiesenen,  auf  Schritt  und  Tritt  zu  beob- 
achtenden Zusammenhang  der  beiden  Quellen  mit  häufigen  wört- 
lichen Anklängen:  Ist  da  eine  solche  Annahme  nicht  geradezu 
geboten?  Kann  dagegen  Perlbachs  Vermutung,  Jer.  hätte  diese 
abweichende  Notiz  in  dem  verlorenen  Gedicht  des  Hochmeisters 
Luther  v.  Braunschweig  über  d.  hl.  Barbara  gefunden,  zur  Gel- 
tung kommen? 

Jedenfalls  ist  es  Perlbach  keineswegs  gelungen,  diese  beiden 
Gründe  für  die  Annahme  direkter  Benutzung  der  Ordensgeschichte 
seitens  Jeroschins  zu  entkräften ;  eine  große  Keihe  anderer  Gründe 
für  diese  Annahme  der  Superiorität  der  Olivaer  Ordensgeschichte 
ergiebt  sich  bei  genauer  Vergleichung  des  Textes  derselben  mit 
dem  von  Jer.  und  Dusburg;  ehe  ich  jedoch  daran  gehe,  eine 
kurze  und  übersichtliche  Zusammenstellung  der  charakteristischen 
Originalnotizen  und  Abweichungen  Olivas  zu  veranstalten,  aus 
welchen  sich  jene  weiteren  Gründe  ergeben,  will  ich  vorweg 
kurz  auf  die  von  P.  so  nachdrücklich  hervorgehobenen  „selt- 
samen und  mit  unserer  sonstigen  Kenntnis  im  Widerspruch 
stehenden  Dinge"  (p.  624)  eingehen,  welche  ein  Zeitgenosse,  für 
den  ich  ja  den  Verfasser  der  Olivaer  Ordensgeschichte  halte,  un- 
möglich hätte  berichten  können. 

1.  Wenn  P.  auf  p.  624  unter  diesen  seltsamen  Dingen  auch 
den  Umstand  anführt,  daß  Ohron.  Oliv.  (p.  676)  berichtet,  Hono- 
rius  III  hätte  dem  Hm.  Herman  v.  Salza  die  Freiheit  gegeben, 
Ringe  an  seinen  Fingern  zu  tragen  —  was  durch  Mißverstehen 
der  betr.  Stelle  bei  Dusburg  zu  erklären  sei  —  so  hat  P.  nur 
vergessen  anzumerken,  daß  das  Wort,  auf  welches  es  hiebei  an- 
kommt, ,amiu!is'  nicht  in  allen  Codices,  sondern  nur  in  A.  u.  L. 
so  überliefert  ist,  während  die  Codd.  Saec.  XVII  die  —  meiner 


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Von  W.  Puchs. 


401) 


Meinung  nach  richtige  —  Lesart  annalo  haben.1)  Diese  letztere 
läßt  einen  durchaus  richtigen  Sinn  zu,  und  wir  werden  nach 
Annahme  derselben  in  der  ganzen  Stelle  des  Chron.  Oliv,  eben- 
falls nur  eine  Bestätigung  der  urkundlichen  Nachricht  finden, 
daß  der  H.  M.  vom  Papste  als  Symbol  seiner  fürstlichen  Würde 
den  Bing  erhielt  (Dusb.  I,  6  „in  signum  hujus  principatus  domi- 
nus papa  annulum  ei  optulit.") 

2.  Perlbach  bemerkt  ferner  p.  624  „Den  1245  verstorbenen 
Bischof  Christian  von  Preußen  bezeichnet  unser  Chronist  p.  676 
als  ersten  Bischof  von  Culm  in  prophetischer  Voraussicht,  daß 
ihn  ebenso  der  älteste  Catalog  der  Culmer  Bischöfe  50  Jahre 
später  nennen  wird."  Dieser  Umstand  allein  also,  daß  50  Jahre 
später  im  Culmer  Bischofskatalog  Christian  ebenso  genannt  wird, 
genügt  Herrn  Perlbach,  der  sich  rühmt,  daß  er  sein  Urteil  nie 
praejudiciere,  während  ich  immer  gleich  voraussetze,  was  erst 

1)  Daß  es  wohl  zulässig  ist,  hie  und  da  die  durch  Codd.  Saec.  XVII 
überlieferten  Lesarten  denen  der  älteren  Codd.  vorzuziehen,  beweist  der  in 
meiner  Dissertation  bei  Erörterung  des  Handschriftenmaterials  hervorge- 
hobene Umstand,  daß  diese  jüngeren  Handschriften,  so  nachlässig  sie  auch 
angefertigt  und  so  wenig  bessere  Lesarten  sie  daher  auch  bieten,  doch  keines- 
wegs als  —  wenn  auch  nur  indirekte  —  Ableitungen  eines  der  vorhandenen 
älteren  Codd.  anzusehen  sind.  Findet  sich  doch  auf  p.  G81  ein  Beispiel 
davon,  daß  uns  die  jüngeren  Codd.  eine  zwar  verderbte,  aber  noch  an  das 
Original  erinnernde  Lesart  bieten,  während  die  älteren  eine  Aenderung  vor- 
genommen haben:  Codd.  B.  6.  schreiben  ,per  Lithwinos  missus4  welches 
letztere  Wort  an  der  Stelle  ganz  unverständlich,  offenbar  durch  das  originale 
,  occisus4  zu  ersetzen  ist,  aus  welchem  es  durch  flüchtiges  Lesen  des  viel- 
leicht undeutlich  geschriebenen  Wortes  corrumpiert  wurde;  die  Codd.  Saec.  XV 
haben  statt  dessen  das  dem  Sinne  nach  allerdings  richtige  Wort  ,interfectus4 
das  natürlich  aber  niemals  Veranlassung  zu  der  Corruptel  ,missus4  geben, 
also  nicht  original  sein  konnte.  Dies  eine  Beispiel  beweist  zur  Genüge,  daß 
die  jüngeren  Codd.  nicht  abhängig  von  den  älteren  sind,  sondern  —  wahr- 
scheinlich noch  durch  Vermittlung  von  Zwischengliedern  —  auf  das  allen 
gemeinsame  Original  zurückgehen.  Uebrigens  zeigt  die  an  der  oben  er- 
örterten Stelle  offenbar  falsche  Lesart  von  Cod.  A.  „qui  (st.  quod)  in  digi- 
tis  suis  anulis  posset  uti"  deutlich,  daß  auch  hier  eine  Corruptel  vorliegt; 
zudem  ist  es  auch  ganz  erklärlich,  daß  durch  Schuld  eines  Abschreibers  aus 
dem  ursprünglichen  annnlo  infolge  des  Gleichklangs  der  vorhergehenden 
Worte  digitis  suis  die  Form  anulis  entstehen  konnte,  während  das  umge- 
kehrte viel  weniger  erklärlich  wäre. 

Altpr.  Monatwchrift  Bd.  XXIII.  Hit.  6  u.  6.  27 


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410  Zu  „Peter  v.  Dusburg  und  das  Chronicon  Olivenae." 

zu  beweisen  sei,  zum  Beweise  dafür,  daß  jene  Bezeichnung  vom 
Culmer  Bischofskatalog  abhängig  und  nicht  vor  1260  gebraucht 
und  geschrieben  sein  kann;  die  Anm.  68  meiner  Arbeit,  in 
welcher  ich  ganz  ausführlich  eine  andere  Erklärung  dafür  ge- 
geben, hält  natürlich  P.  der  Beachtung  nicht  für  wert. 

3.  Weiter  rechnet  P.  zu  den  ganz  seltsamen  Dingen,  welche 
der  alte  Chronist  berichtet,  auch  den  Umstand,  dass  er  die 
Burg  Nessau  1226  für  den  D.  Orden  erbaut  werden  läßt,  welcher 
von  da  aus  5  Jahre  lang  die  Preußen  bekämpft,  während  die 
Schenkungsurkunde  der  Burg  erst  von  1230  datiert  (Pr.  Urk. 
nr.  76).  „Wahrscheinlich  haben  die  Ritter  dort  vier  Jahre  zur 
Miete  gewohnt"  bemerkt  P.  höhnisch.  P.  hätte  statt  dessen 
lieber  auf  eine  Erörterung  resp.  Widerlegung  meiner  Erklärung 
p.  243/44  eingehen  sollen;  ich  habe  daselbst  darauf  hingewiesen, 
daß,  da  dem  alten  Chronisten  wohl  nur  das  Jahr  1226  als  das 
der  ersten  Verleihung  von  Land  etc.  an  den  Orden  (Urkunde 
Kaiser  Friedrichs  II.  v.  J.  1226)  und  zugleich  als  das  der  ersten 
Sendung  von  Ordensrittern  nach  Preußen,  sowie  ferner  das 
Jahr  1231  als  das  des  Weichselübergangs  und  der  Gründung 
von  Thorn  sicher  bekannt  waren  —  ich  halte  dies  bei  einem 
erst  ca.  30  Jahre  nach  diesen  Ereignissen  schreibenden  Chro- 
nisten des  13ten  Säe.  für  durchaus  nicht  wunderbar  —  es  auch 
ganz  natürlich  erscheinen  muß,  wenn  er  das  erst  vier  Jahre 
später  erfolgte  Eintreffen  Hermann  Balks  und  die  Occupiertmg 
von  Nessau  durch  die  Ordensritter  ebenfalls  auf  das  erste  dieser 
beiden  Jahre,  1226,  zurtickverlegte  und  demgemäß  die  Ritter 
noch  5  Jahre  lang,  bis  1231,  mit  den  Heiden  kämpfen  ließ. 

4.  Als  durchaus  nicht  schwerwiegend,  und  bei  einem  Ver- 
fasser von  der  Art  unseres  alten  Chronisten,  der  eben  kurz  vor 
1260  wohl  größtenteils  nach  mündlicher  Tradition  oder  aus 
persönlicher  Kenntnis  herausschrieb,  ganz  erklärlich,  erscheint 
mir  endlich  die  von  Perlbach  p.  625  so  hervorgehobene  —  von 
mir  übrigens  weder  jetzt  noch  früher  geleugnete  —  Verwirrung 
in  der  Chronologie,  die  ich  leider  nicht  ebenso  wie  Herr  P.  zu 
den  Dingen  rechnen  kann,  die  einem  zeitgenössischen  Chronisten 


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Von  W.  Fuchs. 


411 


„unmöglich  passieren"  können;  noch  weniger  Gewicht  lege  ich 
auf  einen  solchen  Irrtum,  wie  die  Verwechselung  des  Legaten 
Opizo  von  Mezanum  mit  dem  Legaten  Wilhelm  von  Modena; 
den  großen  Irrtum  hingegen  in  Betreff  der  beiden  Bogleiter 
Ottokars  von  Böhmen  gebe  ich  jetzt  auf  zu  erklären  und  zu 
rechtfertigen;  auch  diese  Stelle  —  welche  von  einem  Markgraf 
von  Mähren  und  Oesterreich  spricht,  während  Ottokar  selbst  Herr 
der  beiden  Länder  war  —  in  dem  ganz  offenbar  durch  späteren 
Zusatz  veränderten  Passus  über  Ottokar,  ist  jedenfalls  inter- 
poliert; in  meiner  Dissertation  p.  219  habe  ich  ausführlich 
darauf  hingewiesen,  daß  an  dieser  Stelle  die  spätere  Interpolation 
dadurch  zur  Evidenz  verraten  ist,  dass  eine  Randbemerkung, 
welche  die  ursprünglichen,  durchaus  unverdächtigen  kurzen  An- 
gaben der  alten  Chronik  über  Ottokars  Zug,  durch  viel  zu  große 
unhistorische  und  wahrscheinlich  aus  Dusburg  entnommene  An- 
gaben (,supra  LX  millia'  Begleiter  Ottokars)  erweiterte,  von 
einem  Abschreiber  des  Originals  an  eine  falsche  Stelle,  näm- 
lich hinter  die  den  Satz  —  wie  gewöhnlich  in  der  Ordens- 
geschichte —  schließende  Jahreszahl  gesetzt  wurde;  Perlbach 
nimmt  in  seiner  Becension  hie  von  in  seiner  von  mir  schon  oben 
charakterisierten  Manier  nicht  die  geringste  Notiz,  unterläßt  es 
aber  natürlich  nicht,  gerade  die  Stelle  über  den  Zug  Ottokars 
ganz  besonders  zum  Beweise  dafür  heranzuziehen,  daß  der  Ver- 
fasser der  Chronik  kein  Zeitgenosse  sein  könne.  Freilich  hatte 
ich  nun  in  meiner  Dissertation  p.  477,  trotzdem  daß,  wie  schon 
bemerkt,  gerade  an  dieser  Stelle  die  spätere  Ueberarbeitung  der 
Chronik  so  klar  zu  Tage  liegt,  dennoch  in  dem  Bestreben,  von 
dem  vorliegenden  Texte  soviel  als  möglich  zu  retten,  versucht, 
für  die  schon  von  Töppen  u.  A.  als  auffallend  hervorgehobene 
Stelle,  welche  unter  den  Begleitern  Ottokars  einen  besonderen 
Markgraf  von  Mähren  und  Oesterreich  aufführt,  eine  Erklärung 
zu  geben,  die,  wie  ich  jetzt  gern  zugebe,  nicht  stichhaltig  ist; 
es  bleibt  eben  nichts  übrig  als  auch  die  Worte  (Chron.  Oliv.  685) 
„et  ducem  Austrie  et  marchionem  Morauie"  auf  Rechnung  des 
Interpolators  zu  setzen. 

27» 


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412  Zu  „Peter  v.  Dusburg  und  das  Chronicon  Olivense." 

Damit  wäre  erledigt,  was  P.  unter  Rubrik  4  seiner  Recension 
über  den  Stand  der  „Kenntnis  der  erzählten  Thatsachen  in 
unserer  Chronik"  gegen  meine  Ansicht  vorzubringen  hat;  seine 
Ausführungen  unter  No.  1  „Zeit  der  Abfassung"  (p.  622)  bieten 
nichts  Wesentliches;  aus  denen  über  No.  2  „Ort  der  Abfassung" 
möchte  ich  nur  hervorheben,  daß  P.  meint:  „Am  meisten  scheint 
er  [der  Verf.  der  Oliv.  Ordensgeschichte]  in  Culm  zu  Hause  zu 
sein;"  ich  habe  gegen  diese  Annahme  nichts  einzuwenden,  wenn 
ich  auch  nicht  glaube,  daß  die  von  P.  (p.  623)  dafür  vorge- 
brachten Belege  zum  Beweise  ausreichend  sind.    Unter  No.  3 
„Person  des  Verfassers"  erklärt2)  P.,  daß  der  Verfasser  der 
Ordensgeschichte  im  Chron.  Oliv,  vielleicht  der  Probst  eines 
(1267  in  Culm  urkundlich  erwähnten)  Cisterzienserinnenconvente 
sei,  „da  er  in  Culm  Bescheid  weiss  und  polnisch  verstanden  zu 
haben  scheint;"  gerade  eben  so  gut  könnte  er  aber  auch  einem 
der  anderen  vor  1260  schon  in  Preußen  existierenden  Orden 
z.  B.  dem  der  von  Perlbach  erwähnten  Predigerbrüder  in  Culm 
angehört  haben;  daß  diese  in  der  Olivaer  Ordensgeschichte  nicht 
gemannt  werden,  ist  doch  kein  Beweis  dagegen,  denn  diese 
kurze,  die  Ereignisse  dürr  heruntererzählende  Chronik  erwähnt 
überhaupt  nur  p.  676  den  Cisterzienserorden  als  denjenigen, 
welchem  der  Bischof  von  Preussen  Christian  angehörte.  Perl- 
bachs Schlussatz:  „Ein  positives  Resultat  scheint  mir  hier  nicht 
möglich"  ist  durchaus  zutreffend ;  in  dieser  richtigen  Erkenntnis 
habe  ich  daher  in  meiner  Dissertation  es  unterlassen  auf  diese 
Frage  weitläufig  einzugehen   oder   gar  wie  P.  es   thut,  aus 
gänzlich  unzureichenden  Gründen  die  Autorschaft  jenes  Probstes 
zu  conjicieren;  daß  man  sich  hier  mit  einem  non  liguet  be- 
gnügen muß,  lag  eben  klar  zu  Tage.  —  Unter  No.  5  „Quellen 
der  alten  Ordensgeschichte"  tritt  P.  meiner  Annahme  entgegen, 
der  Anfang  der  Ordensgeschichte   „über  die   Gründung  des 
Ordens,  beruhe  nicht  auf  der  „Xarratio  de  primordiis  etc."  son- 

2)  Diese  Erklärung  ist  jedoch  nur  fingiert;  P.  kommt  später  zu  seiner 
alten  Ansicht  zurück,  dal  der  Verf.  der  Ordensgeschichte  der  der  ganzen 
Chronik  von  Oliva  sei. 


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Von  W.  Fuchs.  413 

■ 

dem  einer  Ableitung  derselben,  was  ich  aus  den  abweichenden 
Formen  Accaron  und  Pathoviensis  folgerte.  Mag  es  nun  auch 
dahingestellt  bleiben,  ob  diese  Formen  so  „leichte,  rein  ortho- 
graphische" Aenderungen  sind  —  namentlich  bei  Accaron  statt 
Accon  scheint  mir  dies  nicht  zutreffend  — ,  die  auch  der  Ver- 
fasser unserer  Chronik  hätte  vornehmen  können;  vergleicht  man 
die  Narratio  selbst  mit  dem  Bericht  unserer  Chronik,  so  findet 
man  in  letzterem  ja  ebenso  wie  in  allen  den  übrigen  die  Ordens- 
gründung erzählenden  Chroniken  (cf.  meine  Dissertation  p.  231) 
die  Verwechselung  der  in  der  Narratio  richtig  auseinanderge- 
haltenen Fakta  der  Hospitalsstiflung  um  1190  und  der  Ordens- 
gründung um  1198,  im  Uebrigen  eine  wesentlich  verkürzte 
Wiedergabe  desselben  Berichtes;  derselbe  ist  derartig  zusammen- 
gedrängt, daß,  wenn  sonst  nichts  dagegen  spräche,  eine  Ab- 
hängigkeit desselben  von  dem  Dusburgschen,  zwar  ausführliche- 
ren, aber  ebenso  falschen,  wohl  angenommen  werden  könnte, 
was  ich  hiemit  gerne  zugeben  will;  doch  ist  der  ganze  Passus 
für  sich  betrachtet  weder  für  Perlbachs  noch  für  meine  Ansicht 
zum  Beweise  heranzuziehen. 

Unter  No.  6  von  dem  „Zwecke  unserer  Ordensgeschichte" 
behandelt  nun  P.  den  Schlußsatz  der  Chronik  „  .  .  .  .  tota  Pru- 
sia  fidem  suscepit"  und  den  vorausgehenden  Abschnitt,  wonach 
der  Comthur  von  Königsberg  1256  ,,omnes  reliquos  Pratenos 
fidei  subjugavit"  und  kommt,  da  es  doch  feststehe,  daß  die  drei 
östlichen  Landschaften  erst  infolge  und  nach  dem  großen  Preußen- 
aufstande, nämlich  1274 — 83,  unterworfen  wurden,  zu  dem  Re- 
sultat, daß  gerade  diese  Stellen  den  überzeugendsten  Beweis 
gegen  meine  Annahme  böten,  daß  die  Ordensgeschichte  vor 
1260  geschrieben  sei.  Ich  muß  gestehen,  daß  mir  dieser  Schluß 
unverständlich  ist;  man  könnte  zunächst  manches  zur  Erklärung 
dieser  —  wörtlich  genommen  —  unrichtigen  Bemerkung  des 
alten  Chronisten  anführen,  so,  daß  die  Bewohner  dieser  drei  öst- 
lichen Landschaften  Nadrauen,  Schalauen,  Sudauen  wohl  größere 
Zugehörigkeit  zu  den  Litthauern  als  zu  den  Preußen  hatten, 
daher  vielleicht  von  dem  Verfasser  der  Ordensgeschichte  garnicht 


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414  Zu  „Peter  v.  Dusburg  und  das  Chroniron  Olivense." 

zu  letzteren  gerechnet  wurden;  doch  sieht  man  hievon  ab,  so 
ist  es  mir  immer  noch  völlig  unerfindlich,  woher  man  einen 
solchen  „Unsinn"  eher  einem  Chronisten  des  14.  Saec,  welcher 
die  Unrichtigkeit  einer  solchen  Bemerkung,  wenn  nicht  aus 
eigner  Kenntnis  so  doch  aus  den  deutlichen  Angaben  seiner  — 
nach  Perlbach  —  ja  so  genau  benutzten  Originale  Dusburg  und 
Jeroschin  ersehen  mußte,  zutrauen  soll,  als  einem  zeitgenössischen 
Chronisten,  welcher  etwa  1258  aus  irgend  einem  Grunde  sein 
Werk  abbrach.  Er  sah  die  Macht  des  Ordens  und  die  Christia- 
nisierung des  Landes  nach  scheinbar  endgiltiger  Besiegung  der 
westlichen  Stämme  in  stetem  Wachsen,  sah  die  ersten  siegreichen 
Angriffe  auf  die  östlichen  Grenzgaue  und  glaubte  sein  Werk 
über  die  Eroberung  des  Landes  Preußen  dadurch  zu  krönen, 
daß  er  dieselbe  als  vollständig  abgeschlossen  hinstellte.  Welche 
Veranlassung  aber,  fragen  wir  vergebens,  konnte  der  Verfasser 
der  Chronik  von  Oliva  um  1350  haben,  eine  solche  —  durch 
die  blutigen  Aufstände  grausam  widerlegte  —  Behauptung  gegen 
die  Angabe  seiner  beiden  Vorlagen,  Dusburg  und  Jeroschin,  auf- 
zustellen? Nun,  Herr  Perlbach  denkt  anders  darüber,  nach  ihm 
(p.  629)  ist  „auch  dem  eingefleischtesten  Anhänger  der  Theorie 
von  dem  Alter  der  Ordensgeschichte  in  der  Chronik  von  Oliva 
durch  diese  Stelle  klar  geworden,  daß  wir  in  ihr  nur  ein  dürfti- 
ges Excerpt  aus  der  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  haben."  Hiefür 
sprechen  nun  nach  Perlbach  namentlich  auch  die  Bezeichnung 
Christians  als  Bischof  von  Culm,  und  ferner  die  Benennung  der 
Gebietiger  des  Ordens  als  magister  provincialis,  magister  gene- 
ralis. Daß  die  erstere  Bezeichnung  auch  ganz  anders  erklärt 
werden  kann,  wie  ich  es  in  meiner  Dissertation  gethan,  daß  dies 
jedoch  von  Perlbach  einfach  ignoriert  ist,  darauf  ist  schon  oben 
hingewiesen  worden;  und  was  jene  auf  das  14.  Saec.  passende 
Benennung  der  Gebietiger  anbetrifft,  so  habe  ich  ebenfalls  bereits 
in  meiner  Dissertation  p.  227  Anm.  48  —  wenn  auch  in  anderem 
Zusammenhange  —  geltend  gemacht,  daß  stilistische  Eigentüm- 
lichkeiten innerhalb  der  alten  Ordensgeschichte  sehr  wohl  durch 
die  Annahme  zu  erklären  seien,  daß  der  um  1350  schreibende 


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Von  W.  Fuchs.  415 

Olivaer  Chronist  jenes  in  Oliva  aufbewahrte  Manuskript  nicht 
im  Original  in  sein  Werk  einfügte,  sondern  es  zu  dem  Zwecke 
abschrieb  und  dabei  einige  stilistische  Aenderungen  vornahm.  — 
P.  fährt  p.  629  in  seiner  Polemik  gegen  mich  fort,  indem  er 
nochmals  auf  die  verwirrte  Chronologie  hinweist;  hinsichtlich 
dreier  von  mir  p.  211 — 216  für  Interpolationen  erklärten  Stellen 
macht  es  sich  Herr  Perlbach  recht  leicht  und  dekretirt  einfach: 
„Es  liegt  auch  nicht  der  mindeste  Grund  vor,  die  drei  von 
F.  211—216  ausgemerzten  Stellen  für  spätere  Interpolationen  zu 
halten."  Herr  P.  halt.es  eben  für  ganz  überflüssig,  meine  für 
jene  Ausmerzung  angeführten  Gründe  irgenwie  zu  prüfen.  Ich 
habe  p.  213—14  recht  ausführlich  zunächst  darauf  hingewiesen, 
daß  in  dem  Abschnitt  der  Chronik  p.  684  ,Tunc  deus  —  suo- 
rum  in  Olyua'  der  Verfasser  desselben  in  ganz  anderm  Stile 
und  viel  weitschweifiger  spricht  als  der  der  übrigen  Teile  der 
Ordensgeschichte;  im  Gegensatz  zu  der  streng  objektiven  Dar- 
stellung der  Ordensgeschichte  spricht  er  hier  von  sich  selbst  in 
erster  Person,  beruft  sich  auf  alte  Klosterbrüder  von  Oliva  als 
Zeitgenossen  und  Kenner  des  Lebens  Swantopolks;  ferner  springt 
es  in  die  Augen,  daß  dieser  Abschnitt  die  übrige  Erzählung 
störend  unterbricht,  und  gerade  hier  finden  sich  eine  Reihe 
ziemlich  auffallender  stilistischer  Uebereinstimmungen  mit  der 
Klosterchronik;  endlich  ist  es  wohl  sehr  bemerkenswert  (cf.  m. 
Dissert.  Anm.  32)  daß  der  sonst  stets  als  ,dux'  bezeichnete  Swan- 
topolk  hier  zwei  Mal  als  ,princeps'  figuriert.  Ich  überlasse  es 
unbefangener  Beurteilung,  ob  diese  Gründe  wirklich  in  ihrer 
Gesamtheit  hinfällig  und  der  Erwähnung  nicht  wert  sind. 

In  diesen  eben  besprochenen  Abschnitt  fallen  die  beiden, 
für  einen  vor  1260  schreibenden  Zeitgenossen  allerdings  nicht 
möglichen  Stellen  über  Jacob  von  Lüttich  und  über  den  Ausgang 
Swantopolks;  bezüglich  der  ebenfalls  interpolirten  Stelle  über 
Wilhelm  von  Modena  ist  auf  meine  Dissertation  pag.  215  zu 
verweisen,  wo  ich  als  Grund  für  meine  aus  anderen  Gründen 
gebotene  Annahme  der  Interpolation  die  fast  wörtlich  gleiche 
Fassung  der  Nachricht  von  der  angeblichen  Papstwürde  Wilhelms 


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4ir> 


Zu  ..Pet*r  v.  Dusburg  und  das  Chronieon  Olivense." 


von  Modena  mit  der  in  jenen  eben  erörterten  Abschnitt  fallen- 
den üher  Jacob  von  Lüttich  angegeben  habe. 

Hiebei  sei  beiläufig  bemerkt,  daß  ich  nicht  einsehen  kann, 
warum  der  Königsberger  Ordenspriester  Dusburg  nicht  jenes  in 
Oliva  aufbewahrte  interpolirte  Exemplar  der  alten  Chronik  be- 
nutzt haben  sollte,  gleichgütig  ob  im  Original  oder  in  einer 
Abschrift  davon  (cf.  Perlbach  p.  630).  — 

Bezüglich  des  zweiten  Teiles  meiner  Dissertation,  d.  h.  einer 
genauen  Vergleichung  der  einzelnen  Abschnitte  der  Ordens- 
geschichte mit  denen  Dusburgs  giebt  nun  zwar  Herr  P.,  wenn 
auch  sehr  reserviert,  zu,  daß  die  bei  derselben  von  mir  erwiesene 
Berührung  der  Chronik  mit  Dusburg  enger  sei,  als  er  1871  an- 
genommen, tadelt  dann  jedoch  auf  das  Schärfste,  daß  ich  in 
meinen  bei  jener  Vergleichung  angewandten  Schlüssen  fort- 
während das  „berüchtigte  argumentum  ex  silentio"  angewandt, 
welches  „der  leitende  Gesichtspunkt  der  ganzen  Untersuchung 
geworden  sei.  Ob  diese  Behauptung  Perlbach's,  so  wie  die  auf 
der  folgenden  Seite  p.  633,  daß  bis  auf  zwei  Stellen  der  Ordens- 
geschichte —  von  diesen  giebt  auch  P.  zu,  daß  sie  „materiell 
Neues"  bieten  —  alle  andern  Abweichungen  des  Chron.  Oliv, 
von  seinen  Quellen  Peter  v.  Dusburg  und  Jeroschin  „aus  der 
Natur  des  Excerptes  stammen",  richtig  ist,  wird  sich  aus  der 
jetzt  folgenden  kurzen  Zusammenstellung  der  charakteristischen 
Abweichungen  und  Originalnotizen  der  Olivaer  Ordensgeschichte 
ergeben.  Ich  bemerke,  daß  P.  mir  bei  der  Gelegenheit  vor- 
geworfen, daß  das  „Verhältnis  ausführlicher  Darstellung  zu  einem 
Excerpt  mir  ein  Rätsel  bleibt"  und  mir  daher  zur  Lösung  des- 
selben die  Vergleichung  des  „neunbändigen  Voigt  mit  dem 
kleinen  Heinel"  anempfiehlt.  Ich  hoffe  durch  die  folgende  Zu- 
sammenstellung darlegen  zu  können,  daß  ich  mich  bei  jener 
Untersuchung  im  zweiten  Teile  meiner  Dissertation  doch  auch 
anderer  Beweise  als  derer,  „ex  silentio"  bedient  habe  und  daß 
das  so  abfallige  Urteil  Perlbach's  nur  dadurch  ermöglicht  ist 
daß  er  die  triftigsten  meiner  Gründe,  die  zum  Teil  schon  von 


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Von  W.  Fuchs. 


417 


Toeppen,  Hirsch  und  L.  "Weber  vorgebracht  sind,  mit  vornehmer 
Nichtachtung  zu  behandeln  geruht  hat.  — 

Die  wichtigsten  Abweichungen  der  Ordensgeschichte  von 
Dusburg  (und  Jeroschin)  sind  folgende: 

1)  p.  241 8)  Der  Verf.  der  Olivaer  Ordensgesch.  berichtet 
ausdrücklich,  daß  die  Berufung  des  Deutschen  Ordens 
durch  Herzog  Konrad  v.  Masovien  auf  den  Rat  des  Bischofs 
Christian  (der  hier  auch  primus  episcopus  Culmensis  genannt 
wird,  cf.  oben  und  Anm.  68  meiner  Dissertation)  erfolgt  sei, 
während  Dusburg  denselben  nur  unter  den  Zeugen  der  Schen- 
kungsurkunde, also  in  einem  späteren  Abschnitte  nennt  und  im 
Uebrigen  den  Herzog  seine  Entschließung  ganz  allein  fassen 
und  den  Würdenträgern  seines  Reiches  nur  ankündigen  läßt. 
Daß  nun  der  Verf.  der  Oliv.  Klosterchronik,  welcher  um  1350 
nach  Dusburg  und  Jeroschin  —  wie  Perlbach  will  —  eine  kurze 
Geschichte  der  Eroberung  Preußens  durch  den  Orden  schrieb, 
da  die  Geschichte  seines  Herzogs  Swantopolk  ihn  nötigte,  des 
Ordens  zu  gedenken,  seine  bestimmte  Angabe  von  der  Mit- 
wirkung des  Bischofs  Christian  nur  auf  Grund  jener  Erwähnung 
desselben  unter  den  Zeugen  hätte  machen  können,  erscheint  mir 
schwer  glaublich;  sehr  erklärlich  dagegen,  warum  Dusburg  trotz 
seines  Sammeleifers  diese  Notiz,  wenn  er  sie  in  der  alten  von 
ihm  benutzten  Ordensgeschichte  fand,  fortließ;  zu  seiner  Zeit, 
in  welcher  der  Orden  in  beständigem  Streit  mit  Polen  hin- 
sichtlich der  Schenkungen  Herzog  Konrads  lebte,  mußte  es  dem 
den  Ordensinteressen  blind  ergebenen  Priester  daran  liegen,  den 
Herzog  seine  Berufung  des  Ordens  und  nachfolgende  Schenkung 
an  denselben  ganz  aus  freier  Entschließung,  ohne  Mitwirkung 
der  Kirche  unü  nur  gedrängt  durch  die  von  den  Preußen  dro- 
hende Gefahr  ausführen  zu  lassen. 

2)  p.  242.  Bei  Oliva  fehlt  in  der  Schenkungsurkunde  die 
Anwartschaft    auf  Preußen,    welche  Dusburg  dem  Orden  ge- 


3)  Anm.    Ich  citiere  bei  jeder  Nummer  die  Seitenzahl  der  Altpr. 
Monateschrift  von  1884,  in  welcher  meine  Dissertation  erschien. 


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418 


Zu  „Peter  v.  Dusburg  und  das  Chronicon  Olivense." 


währt  werden  läßt.  Daß  min  der  um  1350  schreibende  Olivaer 
Klosterchronist  diese  so  wichtige  Bestimmung  von  der  Schen- 
kung der  zu  erobernden  Länder  aus  seinen  „Originalen''  Dusb. 
und  Jer.  nicht  übernahm,  ist  nach  Herrn  P.  zu  erklären  — 
durch  flüchtiges  Excerpieren! 

3)  p.  250.    Jer.:  Doch  bleib  di  burc  vil  manchin  tac  ligin 

da,  als  si  e  lac. 

Dusb.:  manente  castro;  dagegen 
Chron.  Oliv.:  Castrum  cum  oppido  transtulerunt.  4) 

4)  p.  260.    Die  Angabe  des  Chron.  Oliv,  „principis  

Mazouie  Cuiauie  Cracouie  et  Wratislaviae"  stimmt  mit  der  ur- 
kundlichen Uberlieferung;  Dusburg  dagegen  macht  aus  dem 
princeps  Cracouie  et  Wratislaviae  einen  „dux  Cracovie  et  de 
Wratislavia  dux  Henricus",  also  zwei  Personen;  bei  Jeroschin 
ist  derselbe  Fehler  zu  finden,  nur  stehen  hier  sogar  die  beiden 
Namen  nicht  ein  Mal  neben  einander.  Meine  Ausführungen  in 
der  Dissert.  p.  260  sind  wohl  dahin  zu  berichtigen,  daß  es  nicht 
nur  wahrscheinlich,  sondern  ganz  sicher  ist,  daß  in  der  ange- 
führten Stelle  die  beiden  letzten  Worte  auf  eine  Person  zu  be- 
ziehen sind,  das  Wörtchen  „et"  zwischen  Cracouie  und  Wra- 
tislaviae beweist  dies  zur  Genüge.  Es  ist  nun  bei  dieser  Stelle 
auch  recht  erklärlich,  wie  ein  gedankenloser  Chronist  von  der 
Art  Dusburgs,  wenn  er  in  seinem  Originale  die  Worte  „Mazouie 
Cuiauie  Cracouie  et  Wratislaviae"  las  und  das  „et"  vielleicht 
noch  übersah  aus  den  drei  Personen  seines  Originales  vier 
machen  konnte,  worin  ihm  Dusburg  folgte.  Die  umgekehrte 
Annahme,  daß  Dusburgs  oder  gar  Jeroschins  falscher  Bericht 
an  dieser  Stelle  Veranlassung  zu  dem  richtigen  des  angeblichen 
Compilators  jener  beiden  gegeben  haben  sollte,  ist  nicht  recht 
einleuchtend. 


4)  A  um.  Hier,  wie  auch  weiter  unten  bei  einigen  Nummern  beschränke 
ich  mich  auf  Gegenüberstellung  der  betr.  Angaben  unserer  drei  Quellen  und 
auf  Anfuhrung  der  Seitenzahl  meiner  Dissertation,  in  welcher  die  fraglichen 
Abschnitte  ausführlich  genug  behandelt  sind. 


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Von  W.  Fuchs. 


410 


6)  p.  430.  Anm.  98.  Originalnotiz  der  alten  Chronik,  daß 
beim  Zuge  gegen  Balga  auch  „artifices  und  currificesa  gewesen 
seien.  Daß  der  Oliraer  Klosterchronist,  als  er  —  nach  Perl- 
bach —  um  1350  aus  Dusb.  und  Jer.  sich  eine  kurze  Ordens- 
geschichte kompilierte,  da  die  Geschichte  seines  Herzogs  öwan- 
topolk  ihn  nötigte,  des  Ordens  zu  gedenken,  um  eine  solche 
Angabe  machen  zu  können,  noch  andere  Quellen  herangezogen 
habe,  erscheint  wieder  kaum  glaublich. 

6)  p.  433.  Oliva  (680)  erzählt  den  unrühmlichen  Ent- 
schluß der  Bitter,  Balga  vor  den  Angriffen  der  Feinde  zu 
räumen;  Dusburg  schweigt  hiervon  gänzlich,  obgleich  gerade  in 
diesem  Abschnitt  (Dusb.  III.,  23)  der  Zusammenhang  beider 
Quellen  bei  gleichem  Fortgange  der  Handlung  und  wörtlichen 
Anklängen  unverkennbar  ist;  Jeroschin  erwähntes  erst  50  Verse 
später  in  der  Dusburgs  Cap.  25  und  26  entsprechenden  Erzäh- 
lung vom  Kreuzzuge  Ottos  v.  Braunschweig.  Wollte  man  nun 
dennoch  annehmen,  der  Olivaer  Klosterchronist  hätte  diese  An- 
gabe nach  Jeroschin  gemacht,  so  wäre  es  mir  wenigstens  uner- 
klärlich, wie  derselbe  Autor,  der  nach  solchen  kleinen  Zügen  in 
einer  seiner  beiden  Quellen  herumsuchte,  deren  ausführliche,  ein 
ganzes  Capitel  füllende  Erzählung  von  dem  Bau  der  Schnicken- 
burg  auslassen  konnte,  welcher  gerade  zwischen  der  ersten  Er- 
wähnung der  Bedrängnis  der  Ordensritter  in  Balga  und  der 
zweiten  von  ihrem  Entschluß,  Balga  zu  verlassen,  berichtet  wird. 
Daß  dieser  Bau  der  ,.Schnickenburga  zweifellos  gänzlich  un- 
historisch und  nur  durch  die  lächerliche  Oompilationsmethode 
Dusburgs  entstanden  ist,  wie  wir  weiter  unten  sehen  werden, 
ändert  nichts  an  meiner  obigen  Behauptung,  wirft  aber  wieder 
ein  klares  Licht  auf  das  Verhältnis  von  Dusburg  zur  Olivaer 
Ordensgeschichte;  wie  merkwürdig  ist  doch  der  Umstand,  daß 
der  Perlbachsche  Ausschreiber  Dusburgs  bei  den  Kürzungen 
seines  Originales  häufig  so  geschickt  verfahrt,  daß  er  aus  der 
falschen  Angabe  desselben  eine  richtige  macht!  —  Außer  Herrn 
Perlbach  wird  mir  übrigens  hier  wohl  auch  Jeder  zugeben,  daß  aus 
dem  Fehlen  jener  Notiz  von  dem  feigen  Entschluß  der  Ritter 


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420 


Zu  ..Petor  v.  Dilsburg  und  das  Chronicon  OHvcnse.'4 


bei  Dusburg  zu  folgern  ist,  letzterer  hätte  hier  wieder  aus 
Tendenz  etwas  dem  Orden  Ungünstiges  verschwiegen.  — 

7)  p.  433.  Oliva  680:  „et  aliud  propugnaculum  edificauit 
Scharndo." 

Dusb.  III,  23  (Jer.  folgt  ihm  wörtlich)  „et  aliud  propug- 
naculum in  monte  Scrandonis'  edificauerunt. 

Daß  hier  bei  Vergleichung  der  zum  Teil  wörtlich  überein- 
stimmenden Erzählung  von  der  Gründung  der  beiden  feindlichen 
Burgen  in  unsern  drei  Chroniken  sich  die  Posteriorität  Dusburgs 
und  Jeroschins  zur  Evidenz  ergiebt,  das  ist  zur  Genüge  1884 
von  mir  (Altpr.  Monatsschr.  433)  auseinandergesetzt  worden: 
Grund  genug  für  Herrn  Perlbach,  diese  meine  Ausführungen 
wieder  einfach  in  seiner  Recension  zu  ignorieren. 

8)  p.  435.  Bei  Oliva  fehlt  vollständig  der  Bau  der  fabel- 
haften Schnickenburg,  der  ein  ganzes  Capitel  Dasburgs  und 
Jeroschins  fällt;  schon  Toppen.  Hirsch  und  Weber  haben  darauf 
hingewiesen,  daß  diese  Geschichte  nur  eine  andere  —  auf  dem 
sogen.  Berichte  des  Hochmeisters  Hermann  v.  Salza  beruhende 
(cf.  Weber  p.  32)  —  Tradition  der  Geschichte  vom  Bau  der 
Mühle  bei  Balga  ist,  welchen  Dusburg  bereits  entsprechend 
Oliva  in  seinem  Cap.  21  erzählt  hatte;  seiner  einfältigen  Com- 
pilationsmethode  gemäß  ging  er,  wenn  er  eine  Zeit  lang  seiner 
einen  Quelle  gefolgt  war,  immer  wieder  auf  die  andere  zurück, 
alles  nachholend,  was  er  aus  derselben  noch  nicht  ausgeschrieben, 
so  daß  es  ihm  eben  leicht  passieren  konnte,  daß  er  eine  und 
dieselbe  Geschichte  in  etwas  anderer  Färbung  zwei  Mal  erzählte. 
So  bekommt  er  es  denn  auch  fertig,  nachdem  er  die  Bedrängnis 
der  Ritter  in  Balga  am  Schlüsse  von  Cap.  23  mit  den  Worten 
geschildert  hatte:  „sie  quod  extra  Castrum  non  audebat  aliquis 
de  cetero  comparere"  diese  selben  belagerten  Ritter  fröhlich  und 
vergnügt  eine  neue  Burg  in  unmittelbarer  Nähe  Baigas  erbauen 
zu  lassen;  wenn  er  dann  sein  Cap.  25  mit  den  Worten  beginnt 
„Hoc  tempore  sicut  aqua  frigida  sicienti  venit  ....  in  subsi- 
dium  fratribus  in  gravi  necessitatio  articulo  constitutis",  so  ver- 
rät er  dadurch  nur  zu  deutlich,  daß  die  beiden  auf  Oliva  be- 


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Von  W.  Fuchs.  4*21 

ruhenden  Cap.  23  und  25  störend  von  Cap.  24  unterbrochen 
werden.  5)  Da  wir  die  Art  der  Achtung,  welche  Herr  Perlbach 
den  Gründen  seiner  Gegner  zu  zollen  pflegt,  bereits  genügend 
kennen,  darf  es  kaum  noch  erwähnt  werden,  daß  er  auch  in 
diesem  Falle,  wo  es  sich  mit  seltener  Klarheit  zeigt,  nicht  nur, 
daß  Dusburg  kompilierte,  sondern  auch  wie  er  es  that,  meine 
diesbezüglichen  Ausfuhrungen  (p.  436  cf.  Anm.  104 — 107)  mit 
vornehmem  Stillschweigen  übergeht.  (Auch  1871  Aeltere  Chronik 
p.  30—31  schweigt  P.  von  Jeroschins  V.  5260  ff.) 

9)  p.  441.  Chron.  Oliv.  p.  681  hat  die  Notiz,  daß  Volkwin 
und  seine  Ritter  durch  die  Littauer  gefallen  seien,  und  zwar 
60  an  der  Zahl,  während  Dusburg  nur  „plures"  und  Jeroschin 
„wol  vh-zic"  sagt;  Dusb.  ist  an  dieser  Stelle  auffallend  kurz, 
weniger  Jeroschin,  der  jedoch  die  Littauer  der  Chronik  „heidin" 
nennt.  "Wenn  nun  Perlbach  diese  Abweichung  durch  Benutzung 
Jeroschins  seitens  der  Chronik  erklären  will,  indem  im  Saec. 
XIV.  die  generelle  Bezeichnung  „heidin"  für  Littauer  durchaus 
Üblich  war  und  somit  der  Verfasser  der  Olivaer  Klosterchronik 
wissen  konnte,  daß  mit  den  „heidin"  die  Littauer  gemeint  wären, 

5)  Anm.  Der  einzige  Versuch,  welchen  Dusburg,  dem  doch  wohl  eine 
Ahnung  davon  aufging,  daß  seine  Darstellung  nach  seinen  zwei  Quellen 
hier  unverständlich  bleiben  müßte  machte,  die  Angaben  dieser  beiden  Quellen 
zn  vereinigen,  besteht  darin,  daß  er  von  der  Mühle  sagt,  sie  sei,  extra 
paludem  (welcher  Balga  umgab)  von  der  Schnickenburg  dagegen,  sie  sei 
ante  pontem  (seil,  pahidis)  angelegt,  was  Ewald  (cf.  m.  Dissert.  p.  435 
Anm.  106—107)  bewogen  hat,  die  Anlage  der  Schnickenburg  als  historisch 
anzunehmen.  Abgesehen  davon  aber,  daß  die  Anlage  einer  Burg  inner- 
halb des  Balga  umgebenden  Sumpfes,  also  in  größter  Nähe  der  Hauptburg 
herzlich  schwer  erklärlich  ist,  hätte  Dusburg,  um  diese  Angabe  glaublich  zu 
machen,  doch  mindestens  nicht  —  nach  der  Oliv.  Ordensgeschichte  —  be- 
richten müssen,  daß  die  in  Balga  eingeschlossenen  .Ritter  die  Burg  garnicht 
verlassen  konnten;  ein  auch  noch  so  primitiver  Burgbau  erfordert  Zeit  und 
im  Angesicht  des  belagernden  Feindes  Zersplitterung  der  —  in  diesem 
Falle  eben  schon  sehr  geschwächten  —  Streitkräfte.  Zum  Ueberflusse  aber 
wird  auch  diese  Schnickenburg  weiter  garnicht  erwähnt  und  durch  den  An- 
fang seines  Cap.  25  zeigt  ja  Dusburg  mehr  wie  deutlich,  was  von  der  Er- 
zählung zu  halten  ist ;  daher  hat  auch  von  sämmtlichen  neueren  Forschern 
nur  der  auf  Dusburg  nnbedingt  schwörende  Ewald  sie  als  historisch  ge- 
nommen. 


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422  Zu  „Peter  v.  Dasburg  and  da«  Chronicon  Olivenue." 


so  erscheint  mir  die  umgekehrte  Erklärung  schon  an  sich  min- 
destens ebenso  natürlich  und  noch  umsomehr  geboten,  als  sich 
bei  Oliva  die  —  mit  den  Angaben  in  den  päpstlichen  Bullen 
tibereinstimmende  —  originale  Zahl  50  findet. 

Wenn  nun  doch  im  Chron.  Oliv,  neben  dieser  originalen 
Angabe  sich  die  specielte  Bezeichnung  „Litwinos"  findet,  er- 
scheint es  viel  natürlicher,  auch  anzunehmen,  diese  Notiz  sei  zu 
einer  Zeit  geschrieben,  wo  die  Littauer  eben  noch  nicht  die 
Heiden  waren,  also  im  13ten  Saec,  wo  man  noch  andere  Heiden, 
nämlich  die  preußischen  Stämme  zu  bekämpfen  hatte,  und  Je- 
roschin  sei  es  gewesen,  welcher  diese  spezielle  Bezeichnung 
„Litwinos"  in  die  generelle  „heidin"  umwandelte,  weil  letztere 
eben  zu  seiner  Zeit  durchaus  üblich  war;  eine  solche  Umände- 
rung ist  bei  einem  Chronisten,  welcher  eine  kurze  und  dürftige 
Quelle  in  sein  viel  größeres  "Werk  verarbeitet  ganz  erklärlich; 
weniger  würde  eine  solche  es  sein  in  dem  umgekehrten  Falle, 
den  Perlbach  annimmt,  daß  ein  Chronist  sich  aus  einem  größeren 
"Werke  einen  dürftigen  Auszug  macht;  welchen  Grund  hatte  der 
ebenfalls  im  Saec.  XIV.  schreibende  Olivaer  Klosterchronist  die 
zu  seiner  Zeit  ganz  übliche  Bezeichnung  „heidin' 4  umzuändern, 
wenn  er  sie  in  seinem  „Originale"  Jeroschin  fand? 

10)  pag.  444.  Chron.  Oliv.  681  fehlt  die  unrichtige  An- 
gabe Dusburgs  und  Jeroschins,  daß  Papst  Innocenz  IV.  im 
Jahre  1243  auf  die  Klage  des  (bereits  1239  verstorbenen)  Hoch- 
meisters Herman  v.  Salza  den  Legaten  Wilhelm  von  Modena 
nach  Preußen  geschickt  habe ;  wiederum  findet  sich  hier  also  die 
merkwürdige  Erscheinung,  daß  in  der  angeblichen  Compilation 
aus  Dusburg  und  Jeroschin  durch  Auslassen  und  Kürzen  beim 
Excerpieren  gerade  das  Unrichtige  in  der  Erzählung  Dusburgs 
und  Jeroschins  fortgefallen  ist! 

Daß  der  Olivaer  Klosterchronist  über  die  Person  des  Hoch- 
meisters H.  v.  Salza  bessere  Nachrichten  gehabt  haben  sollte, 
als  seine  kurz  vor  ihm  schreibenden  „Originale",  die  Ordens- 
priester Dusburg  und  Jeroschin,  erscheint  mir  wieder  ganz 
unglaublich,  obschon  dies  wieder  das  böse  argumentum  ex  silentio 


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Von  W.  Fuchs. 


423 


ist;  also  müssen  wir  es  allein  dem  schon  mehrfach  bewunderten 
Glücke  dieses  Compilators  zuschreiben,  daß  er  durch  Kürzen 
beim  Excerpieren  wieder  einen  groben  chronologischen  Fehler 
seiner  beiden  Vorlagen  beseitigte. 

11)  p.  445.  Die  Erzählung  im  Chron.  Oliv.  681  halt  sich 
von  der  tendenziös  falschen  (ct.  Lohmeyer  Gesch.  v.  O.-  u. 
W.  Pr.  I2  79)  Darstellung  Dusburgs  und  Jeroschins  frei,  wonach 
Swantopolk  die  Preußen  zum  Aufstande  aufgereizt  und  sich  zu 
ihrem  „capitaneus  et  dux"  gemacht  hätte ;  Chron.  Oliv,  berichtet 
dagegen  nur  —  ohne  Zweifel  der  historischen  "Wahrheit  gemäß 
—  daß  die  Preußen  die  günstige  Gelegenheit  der  Beschäftigung 
des  Ordens  durch  Swantopolk  benutzt  hätten,  um  auch  ihrerseits 
loszubrechen.*)  Herr  P.  wird  natürlich  nicht  anstehen,  auch 
diese  Abweichung  „aus  der  Natur  des  Exeerptes"  zu  erklären 
und  wir  können  dann  nur  wieder  anerkennen,  wie  trefflich  der 
Klosterchronist  beim  Excerpieren  die  Fehler  seiner  Vorlagen  zu 
beseitigen  verstand. 

Ferner  fehlen  nun  hier  die  beiden  (aus  Hohenlohe  Cap.  5 
stammenden)  Angaben  Dusburgs  und  Jeroschins  vom  Tode  Con- 
rads von  Dortmund  und  der  4000  Christen;  daß  sich  solche 
positive  und  hoch  bedeutende  Angaben  [wenn  sie  auch  vielleicht 
in  Wirklichkeit  etwas  übertrieben  sein  mögen],  zu  denen  die 
meisten  von  Dusb.,  Jer.  und  Chron.  Oliv,  gemeinsam  erzählten 
kleinen  Einzelheiten  in  gar  keinem  Verhältnis  stehen,  ein  späte- 
rer Compilator  entgehen  Hess,  erscheint  mir  einfach  unglaub- 
lich, —  obschon  dies  wieder  das  berüchtigte  „argumen- 
tum ex  silentio"  ist. 

12)  p.  448.  Im  Chron.  Oliv.  p.  682  findet  sich  eine  total 
abweichende  Darstellung  der  Belagerung  von  Sartowitz  durch 
Swantopolk.    (Die  viel  ausführlicheren,  mit  zahlreichen,  charak- 

6)  Anm.  (cf.  m.  Dissert.  p.  461.)  Auch  Chron.  Oliv.  682  gesteht  der 
alte  Chronist  zwar  offen  den  Treubruch  Swantopolk«  ein  (.forte  mutatis  con- 
dicionibus')  hat  jedoch  nicht  die  tendenziöse  und  falsche  Nachricht  Dusburgs 
und  Jeroschins,  daß  Swantopolk  die  Preußen  aufgereizt,  gesammelt  und  an- 
geführt hätte. 


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424  Zu  ..Peter  v.  Dusburg  und  das  Chronicon  Olivense." 

teristischen  Einzelnheiten  ausgeschmückten  Angaben  Dilsburgs 
und  Jeroschins  an  dieser  Stelle  stammen  aus  Hohenlohe  Cap.  7.) 
Dusburg  und  Jer.  erzählen  eine  Reihe  von  so  positiven  und 
wichtigen  Begebenheiten,  daß  es  unfaßbar  ist,  wie  der  Olivaer 
Klosterchronist,  der  doch  oft  auch  tibereinstimmend  mit  Dusburg 
ganz  unwesentliche  Dinge  in  seiner  Ordensgeschichte  berichtete, 
diese  verhältnismäßig  so  wichtigen  Begebenheiten  hätte  weg- 
lassen können:  allerdings  wieder  ein  „ argumentum  ex  silentio." 

13)  p.  465.  Chr.  Oliv.  683  fehlt  die  falsche  Angabe  Das- 
burgs (und  Jer.)  HI,  69  ,de  Castro  antiquo.'  Auch  hier  also 
wieder  hat  der  Klosterchronist  von  Oliva  das  Glück  gehabt, 
durch  sein  flüchtiges  und  kürzendes  Excerpieren  die  falsche 
Notiz  seiner  Vorlage  zu  einer  richtigen  zu  machen! 

14)  p.  467.  Oliv.  683  hat  die  richtige  Jahreszahl  der 
"Wiedererbauung  Christburgs,  welche  bei  Dusb.  III,  63  und  Jer. 
fehlt.  P.  giebt  hiefür  die  Erklärung,  daß  „Christburg  in  Pome- 
sanien  liegt,  in  welcher  Landschaft  die  Ordensgeschichte  auf- 
fallend Bescheid  weiß.41  Ich  muß  gestehen,  daß  mir  diese  „auf- 
fallende" Kenntnis  der  Landschaft  Pomesanien,  welche  Herr  P. 
bei  dem  Olivaer  Klosterchronisten  —  denn  den  hält  er  ja  für 
den  Verfasser  der  alten  Ordensgeschichte  —  entdeckt  haben  will, 
keineswegs  aufgefallen  ist,  und  da  Herr  P.  Beweise  dafür  nicht 
vorbringt,  hingegen  sehr  bald  die  weitgehendsten  Folgerungen 
darauf  aufbaut,  so  muß  man  wohl  annehmen,  daß  diese  Behaup- 
tung aufgestellt  sei,  um  gewisse  sonst  nicht  ganz  gut  erklärliche 
Dinge  dadurch  plausibel  zu  machen;  aber  Herr  P.  präjudiciert 
ja  nie  irgend  etwas  erst  zu  Erweisendes;  das  thun  nur  solche 
„historische  Studien  treibende  Geschichtsfreunde,  die  mitunter 
durch  geniale  Combinationen,  z.  B.  über  Völkerverwandtschaften, 
die  Mitwelt  überraschen  und  auch  der  preußischen  Geschichte 
von  Uphagen  an  nicht  gefehlt  haben"  (cf.  Perlbach,  Altpr. 
Monatschr.  1884  p.  636.)  Perlbach  fahrt  wenige  Reihen  nach 
obiger  Behauptung  von  der  Kenntnis  Pomesaniens  seitens  des 
Klosterchronisten  fort:  „Pipins  Sohn  hatte  1260  von  Bischof 
Albert  von  Pomesanien  die  Güter  erhalten,  seine  Nach- 


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Von  W.  Fuchs. 


425 


kommen  waren  unserm  Chronisten  wohl  bekannt,  daher 
stammte  seine  Kenntnis  vom   Gründungsjahr  Christ- 

burgs,  daher  auch  "  und  dann  weiter:  „Von 

Mattos  Nachkommen  hat  er  natürlich  auch  die  grausame  Todes- 
art Pipins  erfahren.' '  Das  Staunen  darüber,  wie  Herr  Perlbach 
dazu  kommt,  ohne  eine  Spur  von  Beweis  —  aufler  jener  obigen 
Behauptung  —  alles  dies  mit  kategorischer  Sicherheit  zu  be- 
haupten, wird  noch  größer,  wenn  man  erwägt,  daß  wir  von  dem 
Verfasser  der  Klosterchronik  von  Oliva  nichts  anderes  sicher 
wissen,  als  daß  er  ein  hoher  Würdenträger  des  Klosters  Oliva 
gewesen!  Aber  Herr  P.  mußte  hier  schon  in  dieser  Weise  argu- 
mentieren, da  er  sich  sonst  doch  wohl  auf  eine  Widerlegung 
dessen  hätte  einlassen  müssen,  was  ich  p.  468—70  bei  Be- 
sprechung der  Niederlage  des  Ordens  bei  Crücken  und 
der  sich  daran  schließenden  Ereignisse  gegen  Perlbachs  Ansicht 
von  der  Posteriorität  unserer  Ordensgeschichte  vorgebracht  hatte. 
Daß  in  diesem  Abschnitte  zwischen  Chron.  Oliv.  683  und  Dus- 
burg III,  66  ein  auffallender  Zusammenhang  stattfindet,  ist  bei 
den  wörtlichen  Uebereinstimmungen  garnicht  zu  bezweifeln; 
jedoch  fehlt  bei  Oliva  jede  Spur  von  den  Angaben  Dusburgs 
und  Jeroschins  über  den  Marschall  Botel,  über  den  von  der  Er- 
gebung abratenden  Comthur  Johann  von  Balga  und  endlich  über 
die  gräßliche  Marter,  welche  Dusburg  an  einem  der  Ritter  voll- 
zogen werden  läßt,  während  dieselbe  Marter  nach  Oliva  (677 
also  an  einer  viel  früheren  Stelle)  der  Preuße  Pipin  durch  die 
Ritter  zu  erleiden  hat.  In  meiner  Dissertation  p.  469  nun  habe 
ich  bereits  darauf  hingewiesen,  wie  bei  Annahme  der  Superiori- 
tät  Dusburgs  es  ganz  unerklärlich  wäre,  „daß  sein  Compilator" 
(ein  hoher  geistlicher  Würdenträger)  alle  die  Züge  der  Erzählung 
wegläßt,  welche  die  Christen  entschuldigen  oder  ihr  Martyrium 
hervortreten  lassen  konnten,  dagegen  ihnen  den  Vorwurf  macht, 
daü  sie  an  der  Hilfe  Gottes  verzweifelnd  sich  ohne  Verteidigung 
ergaben.  Dieser  letzte  herbe  Tadel,  von  dem  sich  in  den  „Ori- 
ginalen" Dusburg  und  Jeroschin  nicht  nur  keine  Spur,  sondern 
anstatt  desselben  Entschuldigungen  finden,  dürfte  wohl  in  der 

Altpr.  MonatMchrift  Bd.  XXIII.  Hit  5  u.  ü.  28 


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426  Zu  „Peter  v.  Dusburg  und  dsw  Chronicon  Olivense." 

That  bei  dem  Olivaer  Klosterchronisten  als  ebenso  unerklärlich  er- 
scheinen, wie  das  Fehlen  der  Geschichte  von  der  entsetzlichen 
Marterung  eines  Ritters,  und  das  Vorkommen  derselben  Marter- 
geschichte an  anderer  Stelle,  wo  aber  nicht  ein  Ritter,  sondern 
der  Preuße  Pipin  sie  erleidet.  Bei  der  umgekehrten  Annahme 
nun,  daß  die  Olivaer  Ordensgeschichte  Original,  Dusburg  der 
Ausschreiber  derselben  ist,  läßt  sich  alles  auf  das  Bequemste 
lösen  und  erklären.  Der  Ordenspriester  Dusburg  konnte  natür- 
lich nicht  den  Tadel  der  Ritter,  welchen  er  in  seinem  Originale 
ausgesprochen  fand,  wiedergeben,  er  mußte  das  wenig  rühmliche 
Verhalten  der  Ritter  zu  entschuldigen  suchen  und  brachte  daher 
die  Erzählung  hinein,  daß  wenigstens  einer  der  Ritter,  Johann 
von  Balga,  von  der  Ergebung  abgeraten,  daß  die  Niedermetzelung 
der  Christen  eigentlich  nur  eine  Folge  des  Treubruchs  der 
Preußen  gewesen  sei  etc.  Endlich  konnte  Dusburg  lüebei  auch 
die  Gelegenheit  geboten  erscheinen,  um  die  entsetzliche  Marter- 
geschichte anzubringen,  welche  er  sich  aus  der  Lektüre  der 
alten  Ordensgeschichte  wohl  gemerkt  aber  natürlich  sich  ge- 
hütet hatte,  an  derselben  Stelle  und  in  derselben  Fassung  an- 
zubringen, da  er  doch  als  Ordenspriester  unmöglich  von  den 
Rittern  eine  solche  Schandthat  erzählen  konnte.  Daß  nun  die 
Martergeschichte  an  diese  Stelle  nicht  hingehört,  verräth  Dus- 
burg wieder  selbst  durch  seine  ungeschickte  Compilations- 
methode:  Nachdem  bereits  die  Niedermetzelung  „Aller"  erzählt 
ist,  fährt  er  fort:  ,Inter  istos  quidem  frater  sie  martirium  fuit 
passus!'  "Weshalb  gerade  hier  an  einem  beliebigen  Ritter  jene 
gräßliche  Marter  vollzogen  wird,  erzählt  uns  Dusburg  nicht;  bei 
Oliva  muß  sie  der  Preuße  Pipin  erdulden,  der  einer  der  gefähr- 
lichsten Feinde  des  Ordens  gewesen  war.  Doch,  daß  Dusburgs 
Darstellung  unhistorisch  ist,  giebt  Herr  P.  wohl  zu,  da  er  ja  zu 
erzählen  weiß,  daß  dem  Verfasser  der  Klosterchronik  die  Todes- 
art Pipins  von  dessen  Nachkommen  in  Pomesanien  erzählt  wor- 
den ist;  auch  weist  er  darauf  hin,  daß  der  Stoff  —  einer  solchen 
Martergeschichte  —  gewissermaßen  in  der  Luft  lag,  da  Wigand 
v.  Marburg  sie  um  1345  von  einem  Rigischen  Kaufmann  erzählt. 


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Von  W.  Fuchs.  427 

Ich  muß  nun  bei  meiner  schon  1884  geäußerten  Ansicht  bleiben, 
daß  die  Annahme,  ein  hoher  geistlicher  Würdenträger,  wie  der 
Verf.  der  Olivaer  Klosterchronik,  hätte  um  1350  gegen  die  An- 
gabe seiner  „Vorlagen"  Dusburg  und  Jeroschin  eine  solche  grau- 
sige Schandthat  der  Ritter,  verübt  an  einem  Preußen,  erzählen, 
dagegen  dieselbe  Schandthat,  verübt  von  den  Preußen  an  einem 
christlichen  Ritter,  also  ein  unerhörtes  Martyrium  des  letzteren, 
weglassen  können,  durchaus  verwerflich  ist;  vielmehr  sind  die 
beiden  abweichenden  Darstellungen  der  Olivaer  Ordensgeschichte 
richtig  und  bei  der  ersten  geht  schon  aus  ihrem  Charakter  her- 
vor, daß  sie  zu  einer  Zeit  entstanden  sein  muß,  als  bei  der  noch 
herrschenden  gegenseitigen  Wuth  und  Erbitterung  der  beiden 
kämpfenden  Parteien  den  Chronisten  kein  beschämendes  Gefühl 
bei  Schilderung  einer  so  nichtswürdigen,  von  christlichen  Rittern 
begangenen  That  überkam.  Es  braucht  kaum  noch  bemerkt  zu 
werden,  daß  auf  diese  Argumentation  Herr  P.  wieder  kein  Wort 
der  Entgegnung  hat.  —  Beiläufig  möchte  ich  hier  auf  das  ein- 
gehen, was  Herr  P.  (633)  hinsichtlich  meiner  Ausführungen  über 
die  frühen  Heiraten  im  Mittelalter,  —  wodurch  ich  es  wenigstens 
als  möglich  hinstellen  wollte,  daß  dem  Verfasser  der  alten  Ordens- 
geschichte noch  die  Ururenkel  jenes  Pipin  bekannt  gewesen  sein 
könnten  —  bemerkt.  Webers  und  meiner  Behauptung,,  daß  in 
rohen,  kriegerischen  Zeiten  die  Leute  frühzeitig  heiraten,  daß 
demgemäß  die  Ururenkel  jenes  Pipin  schon'  vor  1260  existiert 
haben  und  dem  Verfasser  der  Ordensgeschichte  bekannt  gewesen 
sein  könnten  —  wobei  ich  mich  übrigens  sehr  reserviert  ausge- 
sprochen hatte  —  tritt  Perlbach  mit  dem  Hinweis  auf  die  ur- 
kundlich beglaubigten  Genealogien  einiger  fürstlichen  Familien 
entgegen,  wonach  56—58  Jahre  zwischen  dem  Tode  des  Ahn- 
herrn und  der  Geburt  seines  Ururenkels  liegen!  Ich  glaube  nun, 
daß  man  bei  Schlüssen  auf  die  Culturzustände  der  alten  Preußen 
statt  der  die  Genealogien  der  fürstlichen  und  christlichen  Fami- 
lien jener  Zeit  überliefernden  Quellen  bosser  die  Zustände  zum 
Vergleiche  heranzieht,  welche  sich  uns  heute  bei  den  in  ähnlich 
einfachen  Verhältnissen  wie  die  Preußen  vor  600  Jahren  leben- 

28* 


428 


Zu  ,,Peter  v.  Dasburg  und  das  Chronicon  Olivense." 


den  Landleuten  zeigen;  und  wer  deren  Sitten  und  Gewohnheiten 
kennt,  wird  zugeben,  daß  bei  diesen  von  der  Cultur  wenig  be- 
rührten Leuten  der  Fall,  daß  Männer  im  Alter  von  20  Jahren 
heiraten,  durchaus  keine  Seltenheit  ist,  daß  daher,  was  schon 
Weber  behauptet  (cf.  meine  Dissertation  p.  216  und  254/55)  der 
um  1231  getötete  Häuptling  Pipin  sehr  wohl  bereits  erwachsene 
Enkel  gehabt  haben  kann,  die  ihrerseits  nach  ca.  25  Jahren 
Enkelkinder  haben  konnten. 

16)  p.  470.  Chron.  Oliv.  683  erzählt,  daß  die  Bitter  von 
Christburg  es  gewesen  seien,  welche  die  Niederlage  bei  Cruecken 
erlitten,  während  Dusb.  und  Jer.  sagen:  „Der  Meister  sendete 
Ritter  aus,  welche  sich  mit  denen  von  Elbing  und  Balga  ver- 
einigten. Diese  Originalnotiz  und  Abweichung  Olivas  von  Das- 
burg und  Jeroschin  erklärt  sich  dann  sehr  leicht,  wenn  wir  in 
der  alten  Ordensgeschichte  bei  Oliva  das  Original  erblicken;  da 
die  Christburger  Ritter,  wenn  sie  gegen  Natangen  zogen,  wohl 
den  "Weg  über  Elbing  und  Balga  nehmen  mußten,  konnte  sich 
Dusburg  leicht  auch  die  Mitwirkung  der  Ritter  von  Elbing  und 
Balga  eonstruieren;  bei  dem  umgekehrten  Falle  aber  ist  es  wieder 
nicht  recht  erfindlich,  wie  der  Compilator  Dusburgs  dazu  kam, 
dessen  Ritter  von  Elbing  und  Balga  fortzulassen,  dagegen  aus 
dessen  „multos  fratres  et  armigeros"  die  Ritter  von  Christburg 
zu  machen  —  wenn  man  nicht  wieder  zur  Erklärung  dafür  jene 
ominöse  Bekanntschaft  des  Klosterchronisten  mit  der  Landschaft 
Pomesanien  gelten  lassen  will. 

17)  p.  471.  Dusb.  III,  67  (und  entspr.  Jer.)  erklären,  die 
Preußen  hätten  sich  ,,wiederum  den  Brüdern  unterworfen"; 
Oliv.  683/84  „veraciter  ac  irrefragabiliter"  und  kurz  vorher  nach 
dem  Friedensschlüsse  mit  Swantopolk,  die  Unterwerfung  habe 
„usque  in  presentem  diem"  gedauert,  während  Dusb.  nur  sagt 
„et  terra  Prussie  in  pace  quievit"  Jer.  „und  Pruzinland  began, 
darnach  in  vride  stan."  Beide  letztere  Chronisten  erzählen  gleich 
darauf  aber  wieder  von  neuen  Kämpfen  und  dann  sehr  bald  den 
furchtbaren  Aufstand  vom  J.  1260  an  etc.,  während  die  „Olivaer 
Ordensgeschichte  mit  der  Versicherung  abbricht:  .  .  .  tota  Prus- 


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Von  W.  Fuchs. 


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sia  fidem  suscepit  in  qua  manet  constanter  et  laudabile  de  die  in 
diem  suscipit  incrementum."  Diese  beiden  Stellen  bilden  für 
alle  Anhänger  der  „Theorie  vom  Alter  der  Ordensgeschichte"  die 
beste  Stütze.  Die  Beantwortung  der  Frage  nun,  wie  der  Kloster- 
chronist von  Oliva,  der  sich  einen  kurzen  Auszug  aus  Dusb.  und 
Jer.  anfertigte,  um  die  Geschichte  des  Herzogs  Swantopolk  durch 
die  Erzählung  der  Kämpfe  mit  dem  Orden  zu  vervollständigen, 
dazu  kommen  konnte,  gegen  die  ihm  notwendig  bekannte  histo- 
rische Wahrheit  und  gegen  die  Angaben  seiner  sonst  ja  so  ge- 
treu benutzten  „Originale"  Dusb.  und  Jer.  jene  Sätze  hinzu- 
schreiben, hat  sich  Herr  P.  sehr  leicht  gemacht  dadurch,  daß 
er  beide  Sätze  zusammen  behandelt,  dann  aber  gerade  den  wich- 
tigsten Passus  des  einen  ders3lben  gänzlich  zu  erörtern  vergißt. 
Perlbach  sagt  p.  634,  man  müsse  den  letzten  Passus  nur  richtig 
erklären,  ihn  nicht  „von  der  räumlichen  Ausbreitung  des  Evan- 
geliums in  Preußen,  sondern  von  der  Vertiefung  des  christlichen 
Glaubens  unter  den  Bekehrten"  verstehen  —  hierüber  mit  Herrn 
P.  zu  streiten  wäre  nutzlos  — ;  ein  flüchtiger  Leser  nun  würde 
sich  vielleicht  mit  dieser  Erklärung  ganz  zufrieden  geben,  indem 
er  dabei  übersähe,  daß  P.  den  Satz  der  Chronik  (684):  „Postea 
terre  predictorum  Prutenorum  subjectae  fratribus  permanserunt 
usque  in  presentem  diem"  einfach  garnicht  erklärt  hat; 
er  hält  ohne  Zweifel  seine  1871  gegebene  (auf  Rethwisch  be- 
ruhende) Erklärung  für  ausreichend,  daß  der  Klosterchronist 
eben  zu  einer  Zeit  schrieb,  wo  man  den  furchtbaren  um  1260 
ausbrechenden  allgemeinen  Aufstand  der  Preußen,  sowie  die 
weiteren,  erst  1295  endgiltig  niedergeschlagenen  Aufstände  der- 
selben für  eine  „unbedeutende  Episode",  deren  Erwähnung  nicht 
notwendig,  halten  konnte.  Diese  Aufstände,  besonders  aber  der 
erste  um  1283  beendete,  brachte  aber  den  Orden  an  den  Rand 
des  Abgrundes,  vernichtete  fast  alle  Früchte  der  vorangegange- 
nen 30jährigen  Kämpfe  und  Mühen  und  daher  bleibe  ich  auch 
heute  noch  bei  der  treffenden  Erklärung  Webers  „Niemand 
aber"  —  hier  wollen  wir  zusetzen  „der  eines  unbefangenen  Ur- 
teils fähig  ist"  —  wird  sich  einreden  lassen,  daß  jene  Worte 


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430  Zu  ..Peter  v.  Dusliurg  und  das  Chroniron  Oliven.se." 


(.  .  .  .  „usque  in  presontem  diem")  zu  einer  anderen  Zeit  ah  vor 
dem  großen  Aufstande  von  1260  geschrieben  sein  können.  Herr 
P.  eifert  so  sehr  gegen  das  argumentum  ex  silentio.  Hier  nun 
liegt  ein  Beweis  gegen  seine  Aulfassung  vor,  dessen  positive 
Geltung  nichts  zu  wünschen  übrig  läßt:  klar  und  deutlich  steht 
im  Chron.  Oliv.,  das  die  Bekämpfung  der  Preußen  bis  zum  Jahre 
1256  etwa  erzählt,  zu  lesen  ,,Postea  terre  predietorum  Pruteno- 
rum  subjectae  fratribus  permanserunt  usque  in  presentem  diem"; 
um  1260  brach  der  furchtbare,  allgemeine  Aufstand  der  Preußen 
aus,  welcher  eine  Zeit  lang  den  Orden  auf  einige  wenige  Städte 
und  Burgen  beschränkte  und  erst  1283  niedergeschlagen  war: 
Also,  sollte  man  meinen,  muß  jene  Stelle  vor  1260  geschrieben 
sein.  Aber  Herr  P.  dekretiert  mit  Rethwisch  einfach,  dieser 
blutige  Aufstand  und  die  folgenden  bis  zum  Jahre  1295  seien 
eine  unbedeutende  Episode  gewesen,  die  man  ums  Jahr  1348 
schon  vergessen  haben  konnte,  und  der  Erwähnung  nicht  mehr 
für  wert  hielt,  —  und  ist  von  der  Stichhaltigkeit  dieses  Grundes 
so  überzeugt,  daß  er  es  in  seiner  Recension  meiner  Arbeit  gar- 
nicht  mehr  für  nötig  hält,  darauf  zurückzukommen.  Uebrigens 
bleibt  es  bei  dieser  Erklärung  von  Perlbach  (nach  Rethwisch) 
—  abgesehen  davon,  daß  sie  auf  der  ohne  Frage  falschen  Vor- 
aussetzung beruht ,  der  große  Preußenaufstand  hätte  Mitte 
Saec.  XIV  schon  für  eine  unbedeutende  Episode  gehalten  werden 
können  —  auch  noch  immer  unerfindlich,  was  bei  dem  um  1348, 
zu  einer  Zeit  also,  wo  Niemand  mehr  an  die  Möglichkeit  einer 
neuen  Erhebung  der  Preußen  dachte,  schreibenden  Kloster- 
chronisten von  Oliva  diese  Versicherung  sollte,  daß  die  Preußen 
unterworfen  geblieben  seien  bis  auf  den  heutigen  Tag  und 
,veraciter  ac  irrefragabiliter'  sich  dem  Glauben  ergeben  hätten? 
Ist  dagegen  die  Olivaer  Ordensgeschichte,  wie  ich  annehme,  vor 
1260  abgefaßt,  so  steht  sie  —  kurz  nach  der  Erzählung  des 
Friedensschlusses  —  ganz  am  richtigen  Platze;  der  Orden  hielt 
die  vor  ca.  zehn  Jahren  erfolgte  Unterwerfung  der  westlichen 
Stämme  der  Preußen  und  ihre  Annahme  des  Christenthums  für 
gesichert  und  wurde  durch  den  Aufstand  um  1260  furchtbar 


Von  W.  Fuchs. 


431 


bitter  enttäuscht  und  überrascht,  wie  die  furchtbaren  Schläge 
beweisen,  die  er  gerade  zu  Anfang  des  Aufstandes  zu  erlei- 
den hatte. 

18)  p.  477.  Anra.  157.  Chron.  Oliv.  685  fehlt  bei  sonst 
fortlaufender  Uebereinstimmung  mit  Dusburg  und  Jeroschin  deren 
Notiz,  daß  Königsberg  auf  dem  Platze  erbaut  sei,  der  jetzt  Alt- 
stadt heiße.  Oliva  sagt  nur  ,,ubi  situm  est  Castrum  Kungisberc". 
Freilich  konnte  vor  1260  von  einer  „Altstadt"  in  Königsberg 
noch  nicht  die  Rede  sein.  Das  Fehlen  dieser  Notiz  ist  um  so 
charakteristischer,  als  die  Olivaer  Ordensgeschichte  an  dieser 
Stelle  gerade  mit  sonst  nicht  häufiger  Breite  ganz  geringfügige 
und  selbstverständliche  Dingo  (collecto  exercitu,  preparatis  Om- 
nibus necesarijs)  erzählt.  Daß  nun  der  Dilsburg  und  Jeroschin 
excerpierende  Klosterchronist  auch  gerade  wieder  diese  Orts- 
angaben seiner  „Originale'1  (auch  die  Bezeichnung  des  Berges 
„Tuwangste"  fehlt),  bei  seiner  Kürzung  derselben  fortlassen 
mußte !  Die  Notiz  von  der  Erbauung  Königsbergs  auf  dem  jetzt 
Altstadt  genannten  Platze  hätte  ja  keinen  Zweifel  lassen  können, 
daß  wir  „es  mit  einer  Arbeit  des  14.  Saee."  zu  thun  haben. 

Man  wird  mir  bei  unbefangener  Beurteilung  des  Erörterten 
zugeben,  daß  in  dem  zweiten  Teile  meiner  Dissertation  sich  denn 
doch  noch  einige  Notizen  mehr,  als  Herr  P.  zugesteht,  finden, 
welche  gegen  Dusburg  und  Jeroschin  „materiell  Neues"  bieten; 
es  kommt  eben  nur  darauf  an,  was  man  hierunter  versteht  ;  man 
wird  ferner  zugestehen,  daß  Perlbach  auch  einige  recht  triftige 
positive  von  mir  vorgebrachte  Gründe  einfach  ignoriert  hat,  nicht 
nur  die  so  perhorrescierten  „argumenta  ex  silentio";  was  nun 
diese  betrifft,  von  denen  ich  ja  einige  wieder  ohne  Scheu  vor- 
gebracht habe,  so  verlange  ich  ja  durchaus  nicht,  daß  das  eine 
oder  andere  derselben  für  sich  allein  schon  als  irgendwie  con- 
cludent  angesehen  werden  soll;  ich  glaube  nur,  daß,  wenn  man 
bei  der  Olivaer  Ordensgeschichte  immer  wieder  und  wieder  die- 
selbe Argumentation  anbringen  kann;  „Es  ist  doch  kaum  glaublich, 
daß  der  Chronist  gerade  wesentliche  und  positive  Angabeu  Dus- 
burgs  und  Jeroschins  sollte  weggelassen  haben,  während  er  kleine, 


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432 


Zu  „Peter  v.  Dusburg  und  das  Chronicon  Olivens«." 


unwesentliche  Züge  derselben  wiedergiebt  oder  „Es  ist  doch 
merkwürdig,  daß  so  häufig  bei  dem  Olivaer  Chronisten  durch 
Kürzung  seiner  Originale  gerade  etwas  Richtiges  aus  der  falschen 
Notiz  jener  beiden  wird";  so  glaube  ich  eben,  daß  aus  der  Summe 
dieser  . argumenta  ex  silentio"  denn  doch  wenigstens  ein  sehr 
schwerwiegender  Wabrscheinlichkeitsbeweis  herauskommt.  Das 
Gewicht  desselben  wird  nun  noch  durch  ganz  andere  —  bisher 
nur  teilweise  berührte  —  von  Perlbach  aber  natürlich  wieder 
einfach  totgeschwiegene  Gründe  erhöht;  ich  meine  die  in  meiner 
Dissertation  dafür  vorgebrachten  Beweise,  daß  Dusburg  in  ganz 
kopfloser  Weise  den  ersten  Teil  seines  Werkes  aus  zwei  von 
einander  unabhängigen  Quellen  mit  abwechselnder  Benutzung 
derselben  kompiliert  habe.    Es  sind  dies  folgende: 

a)  cf.  m.  Dissert.  v.  1884  p.  253  Anm.  79.  Hier  habe  ich 
darauf  hingewiesen,  daß  obgleich  die  Ueberschrifl  von  Dus- 
burg III,  7  lautet:  „De  destructione  duorum  castrorum  (entspr. 
Jeroschin),  dennoch  sowohl  bei  Dusburg  als  bei  Jeroschin  nur 
von  der  Zerstörung  einer  Burg  gesprochen  wird,  während  die 
Zerstörung  der  Burg  des  Pipin  nicht  erwähnt  wird,  mithin  die 
Ueberschrift  von  Dusburgs  (und  Jer.)  Cap.  7  falsch  ist,  was 
sogar  Ewald  aufgefallen  ist,  so  daß  hier  wohl  Dusburg  deswegen 
die  Zerstörung  der  Burg  des  Pipin  fortließ,  weil  er  für  dessen 
Ende  einer  von  dem  Berichte  der  Olivaer  Ordensgeschichte  ganz 
abweichenden  Tradition  folgte,  während  er  die  Inhaltsangabe 
nach  dem  für  den  ersten  Teil  des  Abschnitts  benutzten  Olivaer 
Berichte  anfertigte.  —  Ein  ganz  ähnliches  Beispiel  ist  der  schon 
oben  erwähnte 

b)  Bau  der  Schnickenburg  cf.  p.  435/36  und  Anm.  106 
außer  meinen  obigen  Ausführungen. 

o)  cf.  m.  Dissert.  p.  454/55.  Der  sogen.  Bericht  des  Hm. 
Hermann  v.  Salza  erzählt,  daß  sechs  Brüder  aus  Meißen  und 
Oesterreich  „mit  XXX  pferden"  gekommen  seien;  Oliva  be- 
richtet, daß  der  Herzog  von  Oesterreich  als  Hilfe  gesendet 
„XXX  sagittarios  expeditos;  Dusberg  vereinigt  die  beiden  An- 


öigitizedtoy  Goegte 


Von  W.  Fuchs. 


433 


gaben  und  sagt  XXX  sagittarios  equites!"  —  Sehr  treffend  ist 
auch  folgendes  Beispiel: 

d)  cf.  p.  466.  Während  nach  dem  mit  Dusb.  Cap.  59  und 
Jer.  Übereinstimmend  erzählten  Kreuzzug  des  Markgrafen 
„Allant"  und  der  Verlegung  Cnlms  die  Olivaer  Chronik  in  der 
Schilderung  der  Kämpfe  gegen  die  Preußen  fortfahrt,  berichtet 
Dusburg  von  Priedensunterhandlungen  mit  Swantopolk,  obgleich 
er  Ende  des  Cap.  56  nach  Oliva  doch  bereits  den  Friedens- 
schluß erzählt  hat.  L.  Weber  p.  39  (Preußen  vor  500  J.)  hat 
hiefür  eine  treffende  Erklärung  gegeben,  die  ich  acceptierte: 
„Ebenso  deutlich  ist  die  Fuge  der  Einschiebung  bei  Dusburgs 
Cap.  60  zu  erkennen.  Er  ist  in  Cap.  55  mit  Hohenlohe  bis  zu 
dessen  Cap.  19  gekommen,  geht  dann  in  den  4  folgenden  Ca- 
piteln  auf  Oliva  über  und  ist  nun  ebenso  gezwungen,  um  nichts 
von  seinem  Stoff  zu  verlieren,  Hohenlohes  Cap.  20  wiederzugeben. 
Freilich  wird  der  Zusammenhang  dabei  völlig  unverständlich, 
denn  er  muß  nun  hier  von  Friedensverhandlungen  erzählen, 
während  nach  Cap.  56  bereits  Frieden  gewesen  wäre,  und  sucht 
die  Gegensätze  nur  durch  die  Ueberschrift  einigermaßen  zu  ver- 
söhnen". (De  diversis  tractatibus  et  parlamentis  Swantopolci.) 
Man  sollte  meinen,  daß  doch  auch  diese  für  meine  Ansicht 
sprechenden  Gründe  der  Beachtung  resp.  Widerlegung  wert  ge- 
wesen wären;  Herr  P.  ist  nicht  dieser  Meinung;  hatte  er  doch 
schon  1878  in  der  Jenaer  Litteraturzeitung  No.  231  bei  seiner 
Anzeige  von  Webers  Werk  „Preußen  vor  500  Jahren"  ohne 
sich  auf  eine  Kritik  der  Gründe  Webers  einzulassen,  von  seinem 
hohen  Piedestale  herab  das  abfallige  Urteil  geäußert:  „Dieser 
ganze  Abschnitt  über  die  ältesten  Quellen  hätte  ohne  Schaden 
fortbleiben  können!4'  Zum  Beweise  übrigens  dafür,  wie  treffend 
bereits  Weber  das  Verhältnis  Dusburgs  zu  Oliva  und  dem  sogen. 
Bericht  des  Hm.  Hermann  v.  Salza  gekennzeichnet  hatte,  ver- 
weise ich  nur  auf  die  in  meiner  Dissertation  Anm.  144  wieder- 
gegebene, von  P.  aber  natürlich  auch  nicht  beachtete  Erklärung 
Webers  p.  38  und  39.  — 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  nur  noch  kurz  der  in  meiner 


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434  Zu  „Peter  v.  Dnsburg  und  das  C'hronicon  Olivense." 

Dissertation  zum  Beweise  gegen  Perlbachs  Annahme  von  der 
Einheit  der  ganzen  Chronik  von  Oliva  vorgebrachten  Gründe  und 
zwar  nur  der  beiden  wichtigsten,  Erwähnung  thun  (cf.  p.  228 
bis  29),  namentlich  erstens  der  Thatsache  (welche  bereits  Hirsch 
hervorgehoben  hatte),  daß  in  der  Olivaer  Ordensgeschichte  sich 
von  denen  der  Chronik  ganz  abweichende  Angaben  über  Swan- 
topolks  Sohn  Mestwin  finden,  und  zweitens  der,  daß  die  Chronik 
in  keiner  Weise  Bezug  nimmt  auf  die  in  ihr  enthaltene  Ordens- 
geschichte. Daß  Herr  P.  auch  hierauf  mit  —  Schweigen  ant- 
wortet, ist  selbstverständlich;  dieselbe  Achtung  schenkt  Herr 
P.  meinen  Ausführungen  p.  460,  wonach  bei  seiner  Annahme, 
der  Verfasser  der  Chronik  von  Oliva  hätte  ,,als  ihn  die  Geschichte 
seines  Herzogs  Swantopolk  nötigte,  des  Ordens  zu  gedenken", 
sich  eine  kurze  Geschichte  desselben  aus  Jer.  und  Dusb.  kom- 
piliert, es  doch  mindestens  nötig  wäre ,  daß  die  Abschnitte  über 
die  Kämpfe  des  Ordens  mit  Swantopolk  in  dieser  Ordens- 
geschichte besonders  hervorträten;  nun  ist  aber  gerade  das 
Gegenteil  der  Fall;  wie  wir  oben  sahen,  fehlen  gerade  in  Betreff 
Swantopolks  eine  Reihe  wichtiger  und  charakteristischer  Be- 
gebenheiten, welche  Dusburg  und  Jer.  ausführlich  schildern; 
auch  bricht  die  Ordensgeschichte  ja  nicht  mit  dem  Ende  der 
Kämpfe  gegen  Swantopolk  ab,  sondern  führt  die  Erzählung 
bis  1256.  — 

Diese  kurze  Entgegnung,  welche  fast  nichts  bietet,  was 
nicht  bereits  in  meiner  Dissertation  1884  vorgebracht  war,  hatte 
nur  den  Zweck,  zu  zeigen,  welcher  Methode  sich  Herr  Perlbach 
bei  Bekämpfung  seiner  Gegner  bedient;  ich  hoffe,  daß  dieser 
Zweck  erreicht  ist. 


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Nachträge  zu  Albcrts  und  Dachs  Gedichten 

von 

Johannes  Holte 

in  Berlin. 

Für  die  Geschichte  der  Königsberger  Dichterschule,  deren 
Erzeugnisse  inmitten  so  vieler  unerfreulicher  unbedeutender  oder 
verfehlter  Leistungen  der  lyrischen  Dichtung  des  17.  Jahrhun- 
derts auf  unsre  Beachtung  und  Anerkennung  vollen  Anspruch 
machen  dürfen,  sind  innerhalb  der  letzten  zehn  Jahre  zwei 
wichtige  Publikationen  erschienen:  die  umsichtige  und  fleißige 
Auswahl  aus  Simon  Dachs  Gedichten,  welche  H.  Oesterley 
1877  für  den  Stuttgarter  literarischen  Verein  besorgt  und  mit 
einem  schätzbaren  Verzeichnis  aller  auffindbaren  in  Einzel- 
drucken verstreuten  Dichtungen  sowie  mit  einer  Biographie 
vermehrt  hat,  sodann  der  von  L.  H.  Fischer  mit  großer  Sorg- 
falt und  Sachkenntnis  für  Braunes  Sammlung  deutscher  Literatur- 
werke  des  10.  und  17.  Jahrhunderts  (Halle  1884)  veranstaltete 
Neudruck  von  Heinrich  Alberts  Arien  und  Musikalischer 
Ktirbshütte.  Da  in  diesen  Blättern  noch  nicht  auf  die  letztere 
Arbeit  hingewiesen  worden  ist,  will  ich  dieselbe  wenigstens  mit 
ein  paar  Worten  den  Lesern  vorstellen. 

Fischer  hat  von  den  acht  Heften  der  Arien  tiberall  die 
ersten  Drucke  zu  Grunde  gelegt  und  die  Abweichungen  der 
späteren  Ausgaben  in  Fußnoten  verzeichnet.  Die  in  seiner  um- 
fangreichen Einleitung  niedergelegten  Untersuchungen  über  das 
Verhältnis  der  verschiedenen  Drucke  zu  einander  lassen  alle  bis- 
herigen Angaben  hierüber  als  ungenügend  erscheinen.    Das  erste 


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436  Nachträge  zu  Alberta  und  Dachs  Gedichten. 


Heft,  mit  welchem  im  Jahre  1638  die  zwei  Jahre  zuvor  von 
Dach,  Albert  und  Roberthin  zur  Pflege  der  Dichtkunst  gestiftete 
Vereinigung  zum  ersten  Male  vor  ein  größeres  Publikum  trat, 
enthält  25  Lieder;  die  kleinere  Hälfto  derselben  (12)  rührt  von 
Dach,  5  von  Roberthin,  4  vom  Herausgeber  her,  der  auch  die 
Melodien  zu  sämtlichen  lieferte.  Ähnlich  bleibt  das  Zahlen- 
verhältnis in  den  folgenden  bis  1650  erschienenen  Heften ;  unter 
der  Gesamtzahl  von  191  Gedichten  fällt  Dach  der  Hauptanteil 
von  120  Nummern  zu,  neben  Albert  und  Roberthin  erscheinen 
dann  auch  jüngere  Talente,  welche  sich  jener  Vereinigung  an- 
geschlossen hatten :  Adersbach  mit  8  Gedichten,  Kaldenbach  mit 
3,  Christoph  "Wilkau,  Michael  Behra  und  Georg  Mylius  mit  je 
2,  seit  1645  auch  Titz  mit  5,  Johann  Sand,  J.  D.  Koschwitz 
und  Johann  Gamper  mit  je  einem  Gedicht.  Es  haben  also 
nicht  alle,  welche  uns  als  Mitglieder  der  Königsberger  Dichter- 
vereinigung genannt  werden,  Beiträge  zu  dieser  Publikation 
geliefert;  es  fehlen  z.  B.  Valentin  Thilo,  Christian  Rose,  Bal- 
thasar Voidius,  Albert  Linemann,  von  andern  weniger  bedeu- 
tenden Namen  ganz  zu  schweigen.  Die  Dichter  unterzeichnen 
sich  entweder  mit  ihrem  vollen  Namen  oder  mit  ihren  Initialen 
oder  mit  einem  selbstgewählten  Pseudonym,  meist  einem  Ana- 
gramm,  so  Chasmindo  für  Simon  Dach,  Barchedas  für  Adersbach, 
Berrintho  für  Roberthin.  Wenn  zwei  Nummern  (IV  24  und 
V  20,  vgl.  Einleitung  S.  XX,  Anm.)  die  Unterschrift  ,Celadon* 
tragen,  so  ist  wohl  nicht  mit  W.  v.  Dettingen,  Über  Georg 
Greninger  (Straßburg  1882  S.  1 1)  an  Georg  Greflinger  zu  denken, 
der  allerdings  ebenfalls  diesen  Beinamen  gebrauchte,  denn  Gref- 
linger hielt  sich  zwar  mehrero  Jahre  in  Dan  zig  und,  wie  ich 
nächstens  im  Anzeiger  für  deutsches  Altertum  nachweisen  werde, 
vorübergehend  auch  in  Thorn  auf,  aber  von  einer  Anwesenheit 
in  Königsberg  und  von  einer  Verbindung  mit  den  dortigen 
Poeten  ist  nichts  bekannt.  Ungedeutet  bleiben  die  Unterschriften 
P.  S.  unter  einem  und  C.  V.  M.  unter  drei  Gedichten;  sollte 
mit  der  letzteren  etwa  der  bei  Fischer,  Einleitung  S.  XXXII 
genannte  Christoph  Martini  gemeint  sein? 


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Von  Johannes  Bolte. 


437 


Auch  über  die  Lebensschicksale  und  die  schriftstellerischen 
Leistungen  der  Mitglieder  des  ganzen  Dichterkreises  erhalten 
wir  Aufschluß  in  der  Einleitung,  welche  dabei  die  bisher  be- 
kannten biographischen  Nachrichten  durch  Mitteilungen  aus  den 
Königsberger  Sammlungen  von  Leichenreden  des  17.  Jahrhun- 
derts ergänzt.  Zu  den  wertvollen  Nachweisen  ihrer  "Werke, 
auch  der  lateinischen  und  deutschen  Gelegenheitsgedichte,  wird 
spüreifrige  Specialforschung  wohl  noch  einiges  Neue  entdecken 
und  nachtragen  können. 

Der  Stoff  kreis  der  Albertschen  Arien  ist  kein  eng  begrenzter. 
Den  Anfang  der  einzelnen  Hefte  machen  geistliche  Dichtungen, 
dann  folgen  Gesellschaftslieder  meist  von  frischer  und  lebendiger 
Natürlichkeit,  es  wird  die  Schönheit  der  Natur,  des  Frühlings 
gepriesen,  das  Lob  der  Freundschaft  gesungen,  die  Geliebte  und 
der  Wein  gefeiert.  Erst  in  den  späteren  Heften  nimmt  die 
eigentliche  Gelegenheitspoesie,  die  seit  dem  Beginne  des  Jahr- 
hunderts in  so  bedrohlichem  Maße  wuchernden  Hochzeits-  und 
Leichencarmina,  einen  größeren  Raum  ein.  Von  den  ernsteren 
Dichtungen  der  Königsberger  gilt  überhaupt,  was  Scherer  von 
Dach  sagt:  ,Seine  geistlichen  Gesänge  neigen  sich  der  Betrach- 
tung des  Todes  zu,  aber  er  malt  ihn  nicht  in  grellen  Farben, 
sondern  nur  in  leichtem  Umriß;  und  nicht  die  Furcht  ist  seine 
Muse,  sondern  eine  sanfte  Schwermut,  die  nicht  ungern  in  das 
Jenseits  blickt.'  Die  Munterkeit  der  weltlichen  Lieder  bleibt 
immer  in  den  festgezogenen  Grenzen  der  bürgerlichen  Ehr- 
barkeit, die  beiden  heitren  Trinklieder  I  25  und  VIII  22  bleiben 
ohne  Namen  und  sind  vielleicht  aus  andern  Dichtern  entlehnt, 
und  Opitz'  berühmter  Preis  des  Weines  ,Ich  empfinde  fast  ein 
Grauen4  wird  durch  eine  nachfolgende  etwas  philiströse  Parodie 
gleich  in  eine  andre  Beleuchtung  gerückt.  Von  Opitz  sind 
übrigens  noch  zwei  andre  Gedichte  mit  Melodien  Alberts  ver- 
sehen aufgenommen,  aus  dem  Holländischen  übersetzt  Aders- 
bach drei  Gedichte  (II  7.  IV  12.  V  11),  darunter  zwei  von 
Kamphuyzen,  französischen  Vorbildern  sind,  abgesehen  von 
Opitz'  Weinlied,  11  Nummern  (I  6.  IH  15.  25.  V  12.  VII  20  bis 


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438 


Nachträge  zu  Albert«  und  Dachs  Gefliehten. 


25.  VIII  21)  entnommen,  welche  Adersbach,  Boberthin  und 
Dach  übersetzten. 

Da  Alberts  Melodien  dem  Textabdrucke  nicht  beigegeben 
werden  konnten,  hat  der  Verleger  eine  ,Musikbeilage'  erscheinen 
lassen,  enthaltend  eine  von  Robert  Eitner,  dem  Herausgeber 
der  Monatshefte  für  Musikgeschichte,  besorgte  und  mit  Klavier- 
begleitung versehene  Auswahl  von  15  Melodien.  Vielen  Freun- 
den der  älteren  Literatur  wird  es  erwünscht  sein,  hier  von 
Dachs  ,Anke  van  Tharow',  von  seinem  Freundschaftsliede  (,Der 
Mensch  hat  nichts  so  eigen')  u.  a.  die  Weisen,  in  denen  sie  des 
Dichters  Zeitgenossen  liebgeworden  sind,  kennen  zu  lernen. 

Einige  Nachträge  zu  seiner  Einleitung  hat  Fischer  selbst 
schon  seither  veröffentlicht.  In  dieser  Monatsschrift  Bd.  XXII 
S.  606 — 617  handelte  er  über  die  in  den  Arien  enthaltenen 
Dichtungen  Roberthins,  in  den  Monatsheften  für  Musikgeschichte 
teilte  er  weitere  Nachrichten  über  Johannes  Stobaeus  mit,  von 
den  deutschen  Gedichten  des  J.  P.  Titz  bereitet  er  eine  binnen 
kurzem  erscheinende  vollständige  Ausgabe  vor.  Es  wäre  zu 
wünschen,  daß  auch  andre  an  diesen  Forschungen  regen  Anteil 
nehmen.  Was  mir  gelegentlich  in  letzter  Zeit  aufgestoßen  ist, 
will  ich  im  Folgenden  kurz  zusammenfassen,  wobei  ich  ein  paar 
in  der  Deutschen  Literaturzeitung  1885  (8)  268  f.  gemachte 
Bemerkungen  nicht  wiederhole. 

Zum  Verzeichnis  der  Ausgaben  füge  ich  einen  Nachdruck 
hinzu,  welcher  im  Leipziger  Meßkataloge  (bei  Gottfried  Grossens 
Erben)  der  Ostermesse  1648  erwähnt  wird:  ,POetisch-Musica- 
lisches  Lustwäldlein,  das  ist,  Arien  oder  Melodeyen  Geist-  und 
Weltlicher  Lieder  zum  singen  und  spielen  gesetzt,  von  Heinrich 
Alberten.  Christiana  in  Norwegen,  bey  Christian  Castuben,  in 
fol.'  Eine  spätere,  1665  zu  Leipzig  in  zwei  Teilen  8°  erschie- 
nene Auflage  der  von  Ambrosius  Prof e  veranstalteten  Sammlung 
(=  Alberts  Arien  1—6.  vgl.  Fischer,  Einl.  S.  XXXIV)  citiert 
G.  H.  von  Meusebach  im  Serapeum  1870,  161.  Ferner  müssen 
viele  Stücke  aus  den  Arien  Alberts  aufgenommen  sein  in  eine 
mir  zur  Zeit   nicht  erreichbare  ähnlich  betitelte  Sammlung: 


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Von  Johannes  Bolte. 


439 


»Poetisches  Lust-Gärtle  in ,  Darinnen  schöne  anmuthige  Ge- 
dichten, lustige  Lieder,  zur  Anleitung  guter  Tugend  vnd  hoff- 
lichen  Sitten.  Aus  etlichen  der  vornehmsten  Deutschen  Poeten- 
Bücher  vnd  Schrifften  mit  fleiß,  gleich  als  in  einem  Reuch- 
Büschlein  zusammen  gebunden.  Vnd  gedruckt  im  Jahr  1646. 
317  S.  12°  und  Register*.  *)  Es  ist  noch  nicht  hinreichend  be- 
achtet, wie  viele  Dichtungen  bekannter  Autoren  des  17.  Jahr- 
hunderts, wie  Opitz,  Rist,  Greflinger,  Finckelthaus,  Mühlpforth, 
Voigtländer,  Goring,  David  Schirmer,  Schoch,  in  die  Lieder- 
sammlungen dieser  Zeit  und  daraus  wieder  teilweise  als  namen- 
lose Volks-  und  Gesellschaftslieder  in  neuere  Anthologien,  ich 
nenne  nur  Des  Knaben  Wunderhorn  und  Hoffmanns  von  Fallers- 
leben Gesellschaftslieder,  übergegangen  sind.  Es  wäre  verwun- 
derlich, wenn  bei  einem  so  beliebten  und  verbreiteten  Buche  wie 
Alberts  Arien  nicht  derselbe  Fall  eingetreten  sein  sollte. 

Aus  Alberts  Arien  entnahm  Benjamin  Neukirch  die  Ge- 
dichte Dachs,  welche  er  seinem  Werke  ,Herrn  von  Hoffmanns- 
waldau  und  andrer  Deutschen  auserlesener  und  bißher  unge- 
druckter 1—7  1725*  einzuverleiben  für  wert  befand.  Es  sind 
folgende : 

4,  330  Mein  urtheil  widerräth  es  mir  =  Albert,  Arien  II 
16.  Oesterley,  Dach  S.  434. 

4,  332  Wer  fragt  darnach  =  Albert  I  25,  aber  hier  anonym, 
vgl.  Oesterley  S.  19.  Herder,  Arnim  und  Brentano,  Wilh.  Müller 
teilen  dies  Trinklied  ebenfalls  Dach  zu. 

5,  25  Leßbia,  mein  Leben  =  Albert  II  17.  Oesterley  S.  436. 
5,  27  0  Du  vormals  grünes  feld  =  Albert  IH  18.  Oester- 
ley S.  414. 

5,  30  Auff,  ihr  meine  göldne  Seiten!  —  Albert  IH  14. 
Oesterley  S.  444. 

5,  32  Soll  denn  mein  junges  leben  =  Albert  I  15.  Oester- 
ley S.  427. 

*)  Vgl.  v.  Meusebach  in  Serapeum  1870,  14«  und  161.  H.  Hayn, 
Bibliotheca  Germanorum  erotica3  S.  178  (1885).  Arnim  und  Brentano,  De« 
Knaben  Wunderhorn  hrsg.  von  Birlinger  und  Crecelius  2,  889  (1876). 


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440 


Nachträge  zu  Alberts  und  Dachs  Gedichten. 


5,  218  Wohl  dem,  der  sich  nur  läßt  begnügen  =  Albert 
II  9.  Oesterley  S.  433. 

Dagegen  ist  ein  3,  165  f.  abgedrucktes  Hochzeitsgedicht 
für  Franz  Heinrich  Bröyer,  das  die  gleiche  Unterschrift  S.  D. 
trägt,  keinesfalls  von  Simon  Dach  verfaßt,  sondern,  wie  eine 
Anspielung  auf  eine  Leipziger  Brunnenfigur  des  Herkules  zeigt, 
von  einem  Leipziger  Poeten. 

Unter  den  Königsberger  Studenten  mußte  das  Vorbild  des 
Professors  Dach  und  seiner  poetischen  Genossen  anregend  wirken. 
Deutlich  verrät  seinen  Einfluß  ein  1645  zu  Königsberg  erschie- 
nener Gedichtband  des  Tangermünders  J.  C.  Finx*)  der  al* 
Erzieher  der  jungen  Adligen  von  Taubenheim-Rechenberg  auf 
Sipthinen  dort  verweilte  und  nebenbei  allerlei  adlige  Gönner 
ansang.  Diese  glattfließenden,  aber  inhaltsleeren  Gelegenheits- 
machwerke, denen  ein  paar  ebenso  dürftige  Schäfergedichte  an- 
gereiht sind,  zeigen  einen  unselbständigen  Nachahmer  Dachs, 
der  bei  allen  möglichen  Gelegenheiten  als  ,unser  Sternen-Dach' 
(vgl.  Alberts  Arien  I  22)  angerufen  und  gepriesen  wird.  Seinen 
Ton  ,Edler  Pregel,  dessen  Fluß'  benutzt  Finx  häufig  (Bl.  A  iij  a. 
B  iij  b.  G  inj  a.  G  vij  b),  einmal  beginnt  er  ganz  wie  Dach: 
,Wolauff,  ihr  meine  güldne  Seiten,  WolaufF,  du  Laute,  meine 
Lust'  (Bl.  C  viij  a,  vgl.  Alberts  Arien  III  14).  In  der  Widmung 
redet  er  nach  Konrad  von  Burgstorif,  dem  bekannten  Minister 
Georg  Wilhelms  und  des  großen  Kurfürsten,  auch  Andreas 
Adersbach  an. 

Zwanzig  Jahre  später  veröffentlichte  ein  früherer  Königs- 
berger Student  zu  Nürnberg  seine  poetischen  Produkte  unter 
dem  Pseudonym  Constans  Holdlieb**);  sein  wahrer  Name  ist 

•)  ^  |  Joa,.himb.Chn8toph.Fi»»n.  |  Pr^cher  |  EHREN-  ,  Prei». 

(Buchdrnckerzeichen  mit  der  Inschrift  :  QVIS  CONTRA  NOS.)  |  Königsberg.  | 
Gedruckt  bey  Pasche  Mensen.  |  In  Verlegung  Martin  Hallerfords.  |  Im  Jahr 
Christi  1645.  |  77/8  Bogen  8°. 

**)  Gesechste  |  Tugend-  |  und  |  Laster-Rose,  i  oder  |  Jungfräulicher  | 
Zeitvertreiber,  [  Worinnen  |  Allerhand  schöne  neue  j  Poetische  Lieder  in  be- 
kandte  |  Melodeyen  versetzet,  |  So  |  In  folgende  Sechs  Zehen  or-  |  deutlich 


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Von  Johannes  Bolte. 


in  der  Unterschrift  der  Widmung  ,P.  C.  B.  Han.  Stud.'  ver- 
borgen und  dürfte  sich  mit  Hülfe  der  Königsberger  Universitäts- 
matrikel ermitteln  lassen.  Wichtig  ist  folgende  Stelle  der  Wid- 
mung: ,diese  schlechte  und  unwürdige  Teutsche  Gedichte  . .  . , 
welche  ich  bey  sonst  vorfallender  Gelegenheit,  vor  etzlichen 
Jahren,  meistenteils  aber  auf  der  Hohen-Schul  zu  Königsberg 
in  Preußen,  auch  anderer  Orten  in  Pohlen,  als  dazumahlen  ein 
junger  Studiosus  zu  Pappier  gebracht*.  Auch  bei  Holdlieb  finden 
sich  zahlreiche  Anklänge  an  Alberts  Arien,  so  in  einer  Nach- 
ahmung von  HE  18  ,0  du  Göttin  dieser  Erden'  auf  S.  44;  die- 
selbe Melodie  ist  noch  acht  andern  Gesängen  (S.  59.  63.  65.  89. 
112.  126.  136.  176)  zu  Grunde  gelegt;  dreimal  (S.  16.  103.  166) 
verwendet  er  Alberts  Weise:  ,Liebe,  die  du  mich  besessen* 
(==  Arien  III  30),  ja  er  entblödet  sich  nicht,  Alberts  Parodia 
auf  Opitz'  Weinlob  ,Ich  empfinde  gar  ein  Grauen,  Bachus,  daß 
ich  für  und  für  bin  gesessen  neben  dir{  (Arien  I  20)  vollständig 
und  wörtlich  unter  seine  eigenen  Machwerke  aufzunehmen,  ohne 
die  Entlehnung  anzudeuten. 

Freilich  hatte  gerade  dies  Lied  schon  andre  zur  Bewun- 
derung, zur  Nachahmung  und  zum  Plagiate  gereizt.  1643  läßt 
in  Moscheroschs  Soldatenleben  *)  der  Doktor  auf  die  Aufforderung 
Philanders,  einen  selbstverfertigten  Gesang  anzustimmen,  fünf 
Strophen  hören,  welche  nichts  anderes  als  das  Opitzische  Original 
zu  der  eben  erwähnten  Arie  Alberts  sind.  ,Aber',  fügt  der  Er- 
zähler hinzu,  ,ich  war  dem  Doktor  auch  hier  vber  sein  Schul- 
Sack  kommen  vnnd  in  die  Karten  gesehen  vnd  wüste,  daß  auch 
nicht  er,  sondern  Herr  Opitz  selbsten  diesen  Gesang  gemacht 
hatte*.    Opitz  selbst  war  bekanntlich  durch  eine  Ode  Ronsards 

verabfasset  und  mit  schö-  |  nen  Kupffern  gezieret  sind  |  von  Constans  Hold- 
lieb. |  zu  finden  bey  Jobann  Hoffmann.  Kunst-  |  bändlern  in  Nürnberg,  1665.  | 
1  Bogen  -f-  204  S.  12°.  —  S.  184  steht  eine  Bearbeitung  vou  Voigtländers 
.Neulich  ich  hörte,  wie  sich  beschwerte'.  Serapenm  1870,  163.  vgl.  H.  Hayn, 
Bibl.  Germ,  erotica2  S.  821.  —  Fach  Goedeke,  Grundriss  *  2,  519  wäre  Seb. 
Seelmann  der  Verfasser. 

*)  Gesichte  Philanders  von  Sittewal t,  ander  Teil,  6.  Gesicht;  in  der 
Ausgabe  von  Bobertag,  Stuttgart  [1883]  S.  297  f. 

Altpr.  Monatwobrift  Bd.  XXIIL  Hft  5  n.  6.  29 


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442  Nachträge  zu  Alberts  und  Dachs  Gedichten. 

1  son  laquais  (II  18  =  Oeuvres  completes  de  P.  de  Ronsard, 

ed.  par  P.  Blanchemain  1857  —  1866  2,   162)  augeregt,  die  er 

1624  im  Buch  von  der  Deutschen  Poeterey  als  Anhang  des 

5.  Kapitels  (S.  26  im  Hallenser  Neudruck  von  1876)  auf  freie 

Weise  verdeutschte.    Zur  Veranschaulichung  des  Verhältnisses 

mag  hier  die  erste  Strophe  des  französischen  Textes  nebst  den 

entsprechenden  Versen  von  Opitz  folgen: 

/.  Tay  l'esprit  tout  ettnuye  1.  Ich  empfinde  fast  ein  grawen 

Z>*  avoir  trop  estudie  Das  ich,  Plato,  für  vnd  für 


Ein  gesessen  vber  dir; 

Es  ist  zeit  hienauß  zue  schawen. 

Vnd  sich  bev  den  frischen  queUen 


Les  Phenomenes  d'Arate: 
II  est  tetnps  que  je  m'esbate 
Et  que  faille  «u.r  champs  jouer. 
Bons  dieux!  qui  voudroit  lauer  In  dem  grünen  zue  ergehn, 

Ccux  qui,  collez  mr  un  livre.  Wo  die  schönen  Blumen  stehn, 

ÜT  ont  jamais  soucy  de  vi  vre?  Vnd  die  Fischer  uetze  stellen. 

2.  Worzne  dienet  das  studieren, 
Als  zue  lauter  vngemach? 
Vnter  dessen  laufft  die  Bach 
Vnsers  lebens  das  wir  fuhren.  .  .  . 

Kaum  von  einem  andern  Gedichte  dieser  Zeit  lassen  sich 

so  viele  Nachahmungen  nachweisen  wie  von  dieser  Ode  von 

Opitz.    1640,  also  zwei  Jahre  nach  Alberts  Umdichtung  erscheint 

bei  der  Hochzeit  des  Königsberger  Pastors  Georg  Mylius  unter 

den  Gratulanten  neben  Dach,  Kaldenbach  und  andren  auch  ein 

nur  mit  J.  V.  Ii.  D.  B.  unterzeichneter  Freund  mit  einer  ,Nach- 

öhmung  H.  Opitzeu  Bachus-Liedleins4  *) : 

Ihr  empfindet  gar  ein  grawen,  Vnd  nach  frischen  Liebes  quellen 

MYLI,  daß  ihr  für  vnd  für  Ewre  Füße  zu  ergehn, 

Seid  gesessen  ohne  Zier,  Da  die  schönen  Nymphen  stehn, 

Ewre  zeit  ist  vmbzuschawen ;  j  Welchen  man  pflegt  nach  zustellen.. .. 

Der  Schlesier  Heinrich  Held,  welcher  in  Königsberg  und 
Frankfurt  a.  0.  den  Universitätsstudien  obgelegen  hatte,  benutzte 
1643  in  Deutscher  Gedichte  Vortrab,  Frankfurt  a.  0.  S.  121 
dasselbe  Gedicht  zur  Darstellung  eines  der  Liebeständeleien 
Üeberdrüs8igen: 


*)  In  einem  Sammelbande  ,Königsberger  Hochzeitsgedichte  1631  bis 
16414  auf  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin  (Yf  6823  nr.  8  a). 


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Von  Johannes  Bolte. 


443 


Ich  empfinde  nun  ein  grawen, 
Das  ich,  Liebste,  für  und  für 
Bin  gesessen  neben  dir, 
Es  ist  Zeit  ins  Buch  zuschawen  .  .  . 

In  gleichem  Sinne  ist  eine  wahrscheinlich  in  Danzig  ent- 
standene Parodie  des  lebensfrohen  Liedersängers  Georg  Gref- 
linger  (Seladons  beständige  Liebe.  Frankfurt  a.  M.  1644  S.  3) 
gehalten,  nur  daß  er  gleich  mit  der  zweiten  Strophe  anhebt: 

Worzu  dient  das  freye  Leben 
Als  zu  lauter  Vngemach  .  .  . 

Auch  der  Leipziger  Gotfried  Finckelthaus  geht  in  einem 

,Er  entsaget  der  Liebe*  tiberschriebenen  Stücke  seiner  Lustigen 

Lieder  (Lübeck  1648  Nr.  59)  von  derselben  Stimmung  aus: 

Ich  empfinde  fast  ein  Grawen, 
Daß  ich,  Liebe,  für  vnd  für 
Bin  gewesen  eigen  dir. 
Es  ist  Zeit  einmal  zu  schawen, 
Was  doch  meine  Bücher  machen, 
Die  ich  lange  nicht  gesehen: 
Alles  sol  beyseite  gehen 
Von  den  süßeu  Liebessachen. 

Endlich  variiert  der  Gubener  Johann  Franck,  ein  Freund 

Heids  und  Dachs  Schüler,  das  Opitzische  Thema:  Aufforderung 

zum  heiteren  Lebensgenüsse,  1648  in  einem  siebenstrophigen, 

vom  Cantor  Johann  Weichmann  komponierten  Liede  *),  gleich 

Greflinger  die  Eingangs verse  weglassend: 

1.  Worzu  dient  Melancoliren, 
Freunde  last  das  trauern  nach, 
Wolt  ihr  den  durch  Vngemach 
Ewrer  Jahren  lentz  verlieren, 
Könt  ihr  den  durch  euer  grämen 
Dis  bekommen  was  euch  fehlt, 
Kan  dis  das  ihr  euch  so  quehlt, 
Auch  ein  gutes  Ende  nehmen? 

Nur  eine  abgekürzte  Fassung  von  Francks  Lied  ist  die 


*)  Joh.  Weichmann,  Sorgen-Lägerin  Das  ist  Etliche  Theile  Geistlicher 
vnd  Weltlicher  zur  Andacht  vnd  Ehren-lust  dienende  LIEDER.  Erster 
Theü.  Königsberg,  In  Verlegung  Sei.  Peter  Händeis  Witwen.  Im  Jahr  1648. 
Nr.  14.  —  vgl.  H.  Jentsch  im  Neuen  Lausitzischeu  Magazin  53,  12  (1877). 


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44-1 


Nachträge  zu  Albert«  und  Dachs  Gedichten. 


von  F.  W.  v.  Ditfurth  in  seinen  Deutschen  Volks-  und  Gesell- 
schaftslied ern  des  17.  und  18.  Jahrhunderts  1872  S.  280  aus 
einer  alten  Handschrift  mitgeteilte  dreistrophige  Dichtung. 

Ich  komme  noch  einmal  zurück  auf  die  beiden  andern  von 
Holdlieb  benutzten  Arien  Alberts.    Dieselben  finden  sich  in 
ähnlicher  Fassung  schon  in  einem  rasch  beliebt  gewordenen  Schäfer- 
roman vom  Jahre  1632:  Jüngst-  erbawete  |  Schäfferey,  |  Oder, 
Keusche  ]  Liebes  -  Beschreibung,  |  Von  der  |  Verliebten  Nimfen  i 
AMOENA,  |  Vnd  dem  |  Lobwürdigen  Schäffer  |  AMANDUS, 
Besagten  beyden  Amanten,  |  so  wol  zu  bezeigung  höchstthulicher 
Dienstfertigkeit,  als  zu  Versicherung  ge-  [  neigter  Gunstgewogen- 
heit !  vbersetzet,  |  Durch  |  A.  S.  D.  D.  ;|  Leipzig,  |  In  Verlegung 
Eliae  Rehefelds,  Buchhändl.  |  Im  Jahr  1632.  |  12  Bogen  8°.  Der 
Verfasser,  welcher  die  Vorrede  ,Datum  In  der  schönen  Amoena 
Behausung  zu  N.    Im  Jahre  1632.    G.  C.  V.  G.  [  A.  S.  D.  D. 
sonst  Schindschersitzky  geheißen'  unterzeichnet,  giebt  sich  als 
ein  Cavalier  und  ein  eifriger  Anhänger  von  Opitz  zu  erkennen, 
wie  schon  Bobertag,  Geschichte  des  Romans  2,  1,  104  f.  gesehen 
hat.    Seine  Erzählung,  welche  nicht  mit  der  glücklichen  Ver- 
einigung des  Amandus  und  der  Amoena,  sondern  mit  einem 
schmerzlichen  Abschiede  von  der  kaltsinnigen  Nymphe  endet, 
hat  er  mit  einigen  Liedern  des  Helden  durchflochten,  welche 
jedenfalls  zur  Beliebtheit  des  "Werkes  viel  beitrugen.    1641  urteilt 
J.  G.  Schottelius  ,Teutsche  Sprachkunst'  im  Verzeichnis  der 
häufig  angeführten  Bücher  über  dasselbe  höchst  anerkennend: 
,parvus  libellus,  sed  elaborati  stylt  poetici'f  nachdem  schon  163S 
Logau  in  einem  Epigramm  De  Amoena  Pastorali  innominati 
sed  amicissimi  Autoris  (I  5  —  I  1,  3  Edit.  1654)  Musa,  Venus 
und  Charis  aufgefordert  hatte,  einen  frischen  Lorberkranz  für  das 
rühm  würdige  Werk  seines  Freundes  zu  flechten.  Eine  ganze  Reihe 
von  Ausgaben  folgte  der  ersten:  Leipzig,  Elias  Rehefeld  1635; 
Leipzig,  Tobias  Rehefeld  und  Martin  Richter  1641;  Erstlich  ge- 
druckt zu  Leipzig,  1642;  Leyden,  Franz  Heger  1642;  ebenda 
1645,  205  S.   16°;  Amsteldam,  Bey  Ludwig  Elzevieren  1652, 
214  S.  16ü;  ebenda  1659,  214  S.  16°;  als  »Schauplatz  der  Ver- 


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Von  Johanne«  Boke. 


445 


liebten'  Hamburg,  Johann  Naumann  1661  und  ebenda  1669. 
1  Bl.  +  283  (nicht  273)  S.  12°  (hier  auf  S.  2-237).  Alle  diese 
Ausgaben,  welche  größtentheils  auf  der  Berliner  Bibliothek  vor- 
handen sind,  wiederholen  das  Original  von  1632  getreu;  mehr- 
fach verändert  ist  dagegen  der  Text  in  einem  Königsberger 
Abdrucke,  welcher  auch  Melodien  zu  den  meisten  Liedern  bringt: 
Musicalische  |  Neu-erbauete  Schäfferey,  |  Oder  Keusche  liebes-  [ 
beschreibung  |  von  |  Der  verliebten  Nymfen  |  AMAENA  1  Vnd  | 
Von  jhrem  lob-würdigem  Schäffer  |  AMANDVS.  |  Auffs  neue 
tibersehen,  etwas  in  der  ge-  |  bundenen  Rede  corrigiret,  mit 
unterschiedlichen  |  Sententien'  und  Sprüchwörtern  vermehret,  vn| 
die  darin  befindende  Oden  mit  neuen  Melodien,  |  nach  anbegehren 
etlicher  Musicalischen  j  Freunde,  beseelet.  |  von  |  Einem  sonder- 
lichen Liebhaber  der  |  Teutschen  Poesie,  und  der  edlen  |  Mu- 
sike,  [  Nebenst  angehenckter  kurtzen  An-  |  leitung,  wie  man  an- 
muthige  Teutsche  |  Brieffe,  nach  heutigem  Gebrauch,  recht 
zier-  |  lieh,  und  kurtz  stellen  könne.  ||  Königsberg,  bey  Peter 
Händeln,  |  Gedruckt  durch  Pasche  Mensen.  |  3  Bl.  4-  307  S.  8°.  *) 
Das  Druckjahr  ist  nicht  aus  der  unter  der  Vorrede  stehen- 
den Jahreszahl  1641,  welche  aus  dem  zu  Grunde  gelegten 
Leipziger  Drucke  von  1641  einfach  mit  herübergenommen  ist, 
zu  ersehen,  sondern  aus  dem  Verzeichnis  der  Leipziger  Oster- 
messe 1645  Bl.  D3b,  wo  die  Königsberger  Ausgabe  angeführt 
wird.  Über  den  Urheber  dieser  Bearbeitung  verstatten  die  über 
den  eingestreuten  Melodien  stehenden  Initialen  G.  N.  eine  Ver- 
mutung. Ich  glaube  nicht  sehr  fehlzugehen,  wenn  ich  dieselben 
auf  den  Dichter  Georg  Neumark  beziehe,  der,  ein  geborener 
Thüringer,  um  diese  Zeit  in  Königsberg  studierte  **).  Ein  Mit- 
glied des  eigentlichen  Königsberger  Kreises  war  der  Verfasser 
jedenfalls  nicht;  sonst  hätte  er  wohl  die  von  Albert  schon  1640 
bearbeiteten  Lieder  in  der  von  diesem  beliebten  Gestalt  und 
Melodie  wiederholt,  statt  neue  Änderungen  zu  treffen. 

*)  Der  verheiBene  Briefsteller  fehlt  im  Berlmer  und  auch  in  mehreren 
andern  Exemplaren. 

**)  R.  Wegner,  Aufsätze  zur  Literatur.   Berlin  1882. 


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446 


Nachträge  zu  Albert«  und  Darb»  Gedichten. 


Albert  hat  nämlich  in  das  dritte  Buch  seiner  Arien  zwei 
lyrische  Stücke  aus  dem  Schäferroman  von  Amoena  und  Amandus 
aufgenommen,  das  eine  nur  mit  leichten  Veränderungen  des 
Ausdrucks  und  deshalb  ohne  Namensunterschrift;  das  andre  trägt 
dagegen  seine  Initialen,  und  mit  Recht.  Denn  statt  einer  ziem- 
lich äußerlichen  und  leeren  Lobpreisung  der  weiblichen  Reize 
hat  der  Umdichter  (sit  venia  verbo!)  den  im  lateinischen  Motto 
angedeuteten  Gegensatz  zwischen  leiblicher  Schönheit  und  schöner 
Seele  hineinzubringen  und  damit  die  Dichtung  in  eine  höhere 
Sphäre  zu  rücken  verstanden.  Und  mag  uns  Modernen  auch  das 
allgemeine  Lob  der  /Tugend'  an  der  Geliebten  etwas  schematisch 
oder  altmodisch  vorkommen,  so  entschädigt  Albert  uns  doch 
gleich  darauf,  indem  er  ein  lebendigeres  Bild  derselben  entrollt: 
still,  züchtig  und  demütig,  so  schildert  er  vor  allem  die  Gefeierte. 
"Wer  aufmerksam  die  unten  neben  einander  abgedruckten  Gedichte 
vergleicht,  wird  darüber,  wer  der  grössere  Dichter  zu  nennen 
sei,  mit  mir  wohl  einer  Meinung  sein.  Ich  füge  in  den  An- 
merkungen noch  die  Varianten  der  Neumarkschen  Ausgabe  von 
1645  bei.  Beiläufig  bemerkt  sind  dieselben  Lieder  aus  dem 
Romane  auch  in  ein  Liederbuch  aus  der  zweiten  Hälfte  des 
17.  Jahrhunderts  tibergegangen,  wie  schon  v.  Meusebach  im 
Serapeum  1870,  161  und  164  bemerkt  hat;  dasselbe  ist  betitelt: 
,Tugendhaffler  Jungfrauen  und  Jungengesellen  Zeit-Vertreiber. .  . . 
Durch  Hilarium  Lustig  von  Freuden-Thal.  Gedruckt  im  gegen- 
wärtigen Jahr',  und  die  in  Betracht  kommenden  Nummern 
daraus  sind  13  und  170. 


Schäfferey  von  Amoena  und  Amandus 
1632  Bl.  Mvjb. 

1.  Liebe,  die  Du  mich  besessen, 

Die  Du  mir  das  Hertz  entwandt, 
Die  Du  mich  zwangst,  zu  vergessen 
Meine1)  Sinnen  vnd  Verstand, 
Jetzt  gehabe  Dich  nu  wol, 
Ich  bin  Frewd  vnd  Freyheit  voll. 


1)  Meiner. 


Heinrich  Albort,  Arien  HI,  30  (1640). 
Erulet  ä  casto  pcctore  ranm  Amor! 

1.  Liebe,  die  Du  mich  besessen, 
Die  Du  mir  das  Hertz  entwandt, 
Die  Du  micli  zwangst  zu  vergessen 
Alle  Klugheit  vnd  Verstand, 
Gute  Nacht  gehab  dich  wol! 
Ich  bin  Frewd'  vnd  Frevheit  voll. 


Von  Johannes  Bolte. 


447 


2.  Ich  bin  deinem  Joch  entnommen, 
Der  so  strengen  Dienstbarkeit,' 
Mein  Gemüthe  ist  3)  entkommen, 
Deiner  Bittersüssigkeit. 
Liebe,  nu8)  gehab  dich  wol, 
Ich  bin  Frewd  vnd  Freyheit*)  voll. 

8.  Du  Cupido,  magst  nu  schawen, 
Wo  du  einen  finden  kanst, 
Der  dir  wil  sein  Hertze  trawen, 
Biß  du  deinen  Bogen  spannst. 
Liebe,  nu  gehab  dich  ')  wol, 
Ich  bin  Frewd  vnd  Freyheit  volL 

4.  Vnd  die0)  Göttin  meiner  Sinnen, 
Schönste,  die  ich  mir  erkiest, 
Die  ich  muste  lieb  gewinnen, 
Die  du  ich  gewesen7)  bist. 
NU  gehab  dich  mehr  als8)  wol, 
Ich  bin  Frewd  vnd  Freyheit  voll. 

b.  Du  wirst  mich  nicht  mehr  ergetzen 
Mit  eim'9)  süssen  Liebeskuß, 
Weilen  ich  mich  10)  mit  dir  letzen, 
Vnd  dich  nu  entmeiden  n)  muß, 
Schönste  Dam,  gehab  dich 12)  wol, 
Ich  bin  Frewd  vnd  Freyheit  voll. 

6.  0  du  Haar,  als  Gold,  gewunden, 

Daß  du  meinen  schwachen  Sinn 
Hast  ans  Liebes-Joch  gebunden, 
Weil  ich  nu  entknüpftet  bin, 
Als  gehab  dich  mehr  als13)  wol, 
Ich  bin  Frewd  vnd  Freyheit  voll. 

7.  Ich  kan  dich  nu1*)  nicht  mehr  küssen, 

O  du  Wollen- weiche16)  Hand, 
Weil  ich  werde  meiden  müssen 
Mein  geliebtes  Vaterland. 
Nu  gehab  dich  mehr  als  wol, 
Ich  bin  Frewd  vnd  Freyheit  voll. 


2.  Ich  bin  deinem  Joch  entnommen. 
Der  so  schweren  Dienstbarkeit, 
Mein  Gemüht  ist  schon  entkommen 
Deiner  Bitter-Süssigkeit : 

Liebe,  nun  gehab  dich  wol! 

Ich  bin  Frewd  und  Freyheit  vol. 

3.  Du,  Cupido,  magst  nun  schawen 
Wo  du  einen  finden  kanst, 

Der  dir  wil  sein  Hertz  vertrawen, 
Da  du  deinen  Bogen  spannst, 
Liebe,  nun  gehab  dich  wol! 
Ich  bin  Frewd  vnd  Freyheit  vol. 

4.  Vnd  du,  Göttin  meiner  Sinnen, 
Schönste,  die  ich  mir  erkiest, 

Die  ich  muste  lieb  gewinnen, 
Die  mein  all  gewesen  ist, 
Nun  gehab  dich  mehr  als  wol! 
Ich  bin  Frewd  vnd  Freyheit  vol. 

5.  Mich  sol  nun  nicht  mehr  ergetzen 
Deiner  falschen  Liebe  Kuss 

Weil  ich  mich  jetzt  mit  dir  letzen 
Vnd  von  dannen  scheiden  muß, 
Falsches  Lieb,  gehab  dich  wol! 
Ich  bin  Frewd  vnd  Freyheit  vol. 


2)  Gemüh'  ist  gantz.  3)  Süsses  Lieb.  4)  Wollust.  5)  leb  indessen. 
6)  du.  7)  verwesen.  8)  gehabe  dich  nur.  9)  dem.  10)  Weil  ich  mich  nun. 
11)  Vnd  hinfüro  meyden.  12)  Allerschönste,  lel>e.  13)  gehabe  dich  nur. 
14)  nun.    15)  Alabaster. 


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448 


Nachtrage  zu  Alberts  und  Dach»  Gedichten. 


8.  Vnd  jhr  hellen  Augen-Sonnen, 

Die  jhr  meine  finster  macht, 
Ich  bin  ewrem  Plitz  entronnen, 
Zum  Beschluß  vnd  guter  Nacht 
Wündschc  ich18):  Gehabt  euch  wol. 
Ich  bin  Frewd  vnd  Freyheit  voll. 

i 

9.  Nu  bin  ich  von  Noth  entbunden, 

Freyheit  ist  mein  Eigenthum. 
Meine  tieffe  Liebes-Wunden 
Hat  geheilt  der  Keuschheit  Ruhm.  , 
Liebe  nu,  wer  wil  vnd  sol, 
Ich  bin  Frewd  und  Freyheit  voll. 

10.  So  lafl  dir  nu  diß  gefallen") 
Liebste,  daß  ich  dir  nu18)  bin 

Beygethan 10)  mit  Hertz  vnd  Sinn. 
Vnd  wirff  deineGnaden-Strahlen90) 
Auff  den  jenen21),  der  jhm  sunst-) 
Nichts  mehr  wündscht,  als  deine 

Gunst. 

11.  Welchen  dieser  Schönheit  gaben, 
Diese  Augen2"),  dieser  Mund, 

Nicht  zu  Lieb1  bewegen34)  kunt, 
Muß  ein  steinern  Hertze35)  haben, 
Ja  muß*5)  von  lauter  Stein 
Vnd  gantz  Deamantin27)  seyn  . 


6.  Vnd  jhr  hellen  Augen-Sonnen, 
Die  jhr  meine  finster  macht, 

Ich  bin  ewrem  Plitz  entronnen, 
Zum  Beschluß  vnd  guter  Nacht 
Wünsch'  ich  nun:  Gehabt  euch  wol! 
Ich  bin  Frewd'  vnd  Freyheit  voll. 

7.  Jetzt  bin  ich  von  Noht  entbanden, 
Freyheit  ist  mein  Eigenthumb, 
Meine  tieffe  Liebes-Wunden 

Hat  geheilt  der  Keuschheit  Ruhm. 

Liebe  nun  wer  wil  vnd  sol, 

Ich  bin  Frewd  und  Freyheit  vol. 


Schäfferev  von  Amoena  und  Amandus 
1032  Bl.  Fja. 

1.  0  du  Göttin  dieser  Erden! 
O  du  Ymus  meiner  Zeit! 
Deiner  grossen  Treffligkeit 
Mag  ja  nichts  vorglichen  werden, 
Deiner  Himniels-Schönheit  Pracht 
Dich  zu  einer  Göttin  macht. 


Heinrich  Albert,  Arien  III,  18  (1640\ 

Gratior  est  venicns  t  jndcro  corpore 
Virtus. 

1.  0  Du  Göttin  dieser  Erden, 
O  du  Venus  vnsrer  Zeit, 
Deiner  grossen  Treffiicheit 
Mag  ja  nichts  verglichen  werden. 
Vnd  dein  Himmels  werther  Pracht 
Dich  mit  Recht  zur  Göttin  macht. 


16)  Wünsch'  ich  euch.  17)  nun,  meine  Wonne.  18)  Wolgefallen  daß 
ich.  19)  Dir  verpflicht.  20)  deiner  Gnaden  Sonne.  21)  Zu  dem  jengen. 
22)  sonst.  23)  Strahlen.  24)  erweichen.  25)  Hertz  von  Demand.  2G)  Ja 
muß  seyn.    27)  Gantz  vnd  gar  verstocket. 


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Von  Johannes  Bolte. 


44<> 


2.  Deiner  Schönheit  müssen  weichen 
Alle  Damen  in  der  Welt, 

Keine  dir  die  Wage  !)  helt, 
Dir  ist  weit  nicht  zu  vergleichen 
Helena,  der  Damen  Zier. 
Venus  selbst  erschrickt  vor  dir. 

3.  Deine  vnerschöpffte a)  Tugend, 
Vnd  dein  goldgemengtes  Haar, 
Welches  erst  mein  Fallstrick  war, 
Deine  Löbligkeit  der  Jugend, 
Deine8)  Alabaster-Hand 

Hat  mein  Hertz  dir  zugewandt. 

4.  Deine  helle  Augen-Sonnen4), 
Deine  grosse  Freundligkeit, 
Sarapt  der  zarten  Höffligkeit, 
Haben  mir  das8)  Hertz  genommen"). 
Es  hat  deine  Himmels-Zier 7) 

Mich  zu  Lieb*)  verpflichtet  dir. 

5.  Drumb,  O  Göttin  meiner  Seelen9), 
Ich  kan  nn  nicht  ferner  Dir, 

0  du  Bildnis  aller  Zier, 
Meino  keusche  Lieb'  verholen  w). 
Ich  muß  nur11)  bekennen  frey, 
DaiJ  ich  dein  Gefangner  sey. 

6.  Weil  ich  dir  nu  bin  verbunden, 
Schönste,  weil  du  obgesiegt, 

Vnd  mir  also  zugefügt, 
Diese  tieffe  Liebes-Wunden. 
Als  wil  ich  dir  jederzeit 
Auffzudienen  seyn  bereit. 

7.  Daß  ich  weder 12)  trink'  noch  esse, 
Daß  ich  durch  die  gantze  Zeit 

Bin  in  steter  Trawrigkeit, 
Daß  ich  mein  fast  selbst  vergesse, 
Üiß  hat  deiner  Schönheit  Macht 
Einzig  mir  zu  wege  bracht, 


2.  Ihrer  hellen  Augen  Strahlen 
Gläntzen  gleich  der  Sternen  Liecht, 
Phebus,  halt'  ich,  könne  nicht 
Seinen  Himmel  schöner  mahlen 
Als  vns  jhr  Gesichte  weiset 

Daß  der  Schönheit  Reichthumb  preiset. 

3.  Was  die  Mutter  aller  Sachen 
Jemals  hat  ans  Licht  gebracht, 
Dran  sie  jhrer  Weißheit  Macht 
Vns  hat  wollen  wissend  machen, 
I«t,  was  dieso  Nymphe  führt 
Die  so  herrlich  ist  geziert. 

4.  Milch  und  Blut  sind  jhre  Wangen, 
Purpur  ist  der  rothe  Mund, 

Ihre  Zähne  machen  kunt 
Edler  Perlen  Pracht  vnd  Prangen, 
Vnd  kein  Schnee,  kein  Elfenbein 
Kan  den  Händen  gleicher  seyn. 

5.  Doch  vor  allen  andern  Gaben 
Muß  voraus  der  Tugend  Liecht, 
Daß  so  Göttlich  auß  jhr  bricht, 
Seinen  Ruhm  vnd  Vorzug  haben, 
Die  hier  auß  bedachtem  Raht 
Diren  Sitz  genommen  hat. 


1)  Gleichheit.  2)  Götter-gleiche.  3)  Die  weiss'.  4)  Deiner  Augen 
klare  S.  5)  meiu.  (i)  gewonnen.  7)  Götter  Zier.  8)  zur  Gunst.  9)  ö  Labsal 
meinem  Hertzen.  10)GantzverheleumeineSchmertzen.  11)  nun.  12)  fast  nichts. 


450 


Nachträge  zu  Alberts  und  Dachs  Gedichten. 


8.  Achmöcht' ich  die  Gnaderlangen,  |      6.  Ihre  Stillheit,  Zucht  vnd  Sitten 


Schönste  Dam  l8),  daß  ich  aus  hold 
Auch  I4)  nur  einmal  küssen  solt' 
Deine  w)  Rosen-rothe  Wangen, 
Nichtes  könt  mir  w)  lieber  seyn, 
Als  ein  süsser  Kuß  allein. 

9.  "Weil  das  Wild  lebt  in  den  He3'den, 
Weil  in  ungepflegter  Lufft 
Echo  dem  NarcUms  rufft, 
Weil  die  Schäffer  werden  weyden, 
Sol  mein  Hertz  bestendig  dir, 
Schönste,  bleiben  für  und  für. 


Vnd  der  Demut  hohe  Zier 
Gläntzcn  allem  Zierrath  für: 
Was  die  Keuschheit  hat  erstritten 
Ist  der  Preiß  so  jhr  gebührt, 
Vnd  die  Krone,  die  sie  führt. 

7.  Wer  ein  solches  Lob  verlangen 
Vnd  vor  Schön  geacht  sein  wil, 
Muß  zu  förderst  fromm  vnd  still, 
Weit  von  Hoffart,  Stoltz  vnd  Prangen, 
Nur  auff  Tugend  seyn  bedacht 
Vnd  sie  vben  Tag  und  Nacht. 

H.  A. 


Zum  Schluß  will  ich  noch  auf  einige  nicht  in  Alberts 
Arien  stehende  und  auch  von  Oesterley  nicht  verzeichnete  Ge- 
legenheitsgedichte Dachs  eingehen.  Von  den  Dachianis  der 
Berliner  Bibliothek  hat  Oesterley  die  drei  großen  Sammelbände 
Yi  851  benutzt,  wenn  er  auch  nur  bei  den  Stücken,  welche  in 
Breslau  nicht  vorhanden  waren,  einen  Verweis  auf  dieselben 
für  nötig  hielt.  Verstreut  an  andern  Orten  finden  sich  noch 
ein  paar  Nummern.  So  in  der  schon  angeführten  Sammlung 
von  Königsberger  Hochzeitsgedichten  von  1631  —  41  (Yf  6823 
in  4°),  die  auch  Gedichte  von  Adersbach,  Caldenbach,  Calow, 
Heinr.  Held,  Linemann,  Chr.  Rose,  Val.  Thilo,  Titz,  Weichmann, 
"Wilkau  u.  a.  enthalt.  Ich  führe  die  Nummern  von  Oesterley's 
Verzeichnis  auf:  129  ,Der  Herbst  gibt',  311  ,Gehabt  euch  wol;, 
677  ,Machet  euch  herzu',  681  ,Ob  ich  meine  Glut',  919  ,Wie? 
daß  bey  Euch',  1032  ,Cupido  dulcis,  expedi',  1068  Fattimur?  an 
laeta',  1077  ,Gens  ad  auream',  1086  ,Hanc  tibi,  quam  ducis',  1193 
,Quisqui8  es,  Ausonias',  1211  ,Seu  coelo,  Kepplere1,  1224  est: 
ruenti',  1244  TiW«  tftov  noxl  düi^a. 

Ein  andrer  Band  (Vol.  panegyricum  HL  in  Fridericum 
Guilelmum  Electorem  —  St  5892)  bewahrt  die  Nummern  546  rKind 
nur  neulich  erst',  855  ,Was  will  der  helle'  und  1133  ,ATon  auro*. 


13)  Edles  Bild.    14)  Euch.    15)  Vnd  die.    16)  Nicht*  mir  könte. 


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Von  Johannes  Bolte. 


451 


Unbekannt,  waren  dagegen  bisher  zwei  an  den  kurftirst- 
liehen  Rat  Martin  Friedrich  Seidel*)  in  Berlin  (1621—1693) 
gerichtete  Gedichte.  Derselbe  hatte  schon  1644  auf  der  Univer- 
sität Frankfurt  a.  0.  mit  Johann  Frank  und  Heinrich  Held 
einen  Bund  zur  Pflege  der  Poesie  geschlossen,  wovon  noch  ver- 
schiedene Gedichte  Franks  Zeugnis  ablegen.  Später  mußte 
diese  Liebhaberei  einer  andern  weichen.  Er  begann  eifrig  für 
die  Geschichte  seiner  Heimat  zu  sammeln:  Aktenstücke  poli- 
tischen Inhalts,  juristische  Entscheidungen,  Porträts  und  Briefe 
berühmter  Männer,  Flugschriften  und  Kuriositäten,  ein  Material, 
das  er  selber  nur  zu  einer  größeren  Publikation,  den  Icones  et 
elogia  virorum  aliquot  praestantium  1670  (1751  von  Küster  er- 
neuert), ausnutzte,  und  das  später  in  viele  Hände  verstreut 
wurde.  Auch  über  sein  eigenes  Leben  legte  er  eine  Sammlung 
von  Aktenstücken  an,  welche  nach  seinem  Tode  an  den  durch 
seine  Arbeiten  zur  Gelehrtengeschichte  bekannten  Professor 
Henning  "Witte  in  Riga  geschickt  werden  sollte;  doch  scheint 
dies  unterblieben  zu  sein.  In  diesem  jetzt  der  Berliner  Biblio- 
thek gehörigen  Bande  (Mscr.  Boruss.  Fol.  200)  sind  nun  die 
beiden  erwähnten  Gedichte  Dachs  eingeklebt.  Wie  man  aus 
den  Anfangsworten  beider  ersieht,  hatte  der  Sohn  des  branden- 
burgischen Ministers  den  Königsberger  Professor,  dessen  Be- 
kanntschaft er  jedenfalls  schon  1639  bei  einem  längeren  Auf- 
enthalte in  Königsberg  gemacht  hatte,  ausdrücklich  darum  ge- 
beten, ihm  zu  seiner  Hochzeit  zu  gratulieren  und  ihm  bei  dem 
Tode  seiner  ersten  Frau  ein  poetisches  Trostwort  zuzurufen; 
das  mag  nach  unsren  Anschauungen  wunderlich  erscheinen,  ver- 
stieß aber  nicht  gegen  die  Sitte  seiner  Zeit,  welche  auf  die  Ge- 
legenheitscarraina  hohen  Wert  legte. 

Auff  Liebreiche  |  Heyraht  |  Herrn  Martin  Friedrich  Seidels  | 


*)  Am  genausten  giebt  G.  G.  Küster,  Geschichte  des  Alt-Adelichen 
Geschlochts  derer  von  Seidel  1751  S.  29—40  Nachricht  über  den  merk- 
würdigen Mann,  dem  ich  gelegentlich  eine  eingehendere  Darstellung  zu 
widmen  denke. 


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452 


Nachträge  zu  Alberte  und  Dachs  Gedichten. 


beyder  Rechten  Licentiaten,  Churfl.  Bran-  |  denburg.  Hoff- 
Cammer  Gerichts  und  Con-  |  sistorial  Raths,  etc.  |  Vnd  |  Jungfer 
Martha  Sophien  Kohlin,  etc.  |  Von  Königsberg  aus  Preußen  , 
übersendet  |  Simon  Dach.  J  1649.  |  24.  "Winter- Monat.  II 
druckt  zu  Berlin,  bey  Christoff  Runge.  |  2  bl.  4°. 


1.  Freund,  anietzt  hcmüht  mich 

nicht, 

Irgends  ümb  ein  Lust-Gedicht, 
Nun  die  Glocken  trawrig  klingen: 
Vnaer  Churfürst  grämet  sich 
Vnd  sein  hohes  Hanf,  und  ich 
Solte  Frewden -Lieder  singen? 

2.  Zwar  mir  sagt  Latonen  Sohn, 
Daß  Parnass  und  Helicon 
Hefffcig  sey  bestürtzet  worden, 
Vnd  daß  stracks  auf  lange  Zeit 
Allgemeine  Trawrigkeit 

Sey  beliebt  vom  Götter-Orden. 

3.  Amor  habe  sich  zuletzt 
Di*  sem  trotzig  widersetzt, 

Vnd  sich  sehr  beschwert  befunden: 
Vrsach:  er  hatt'  andern  Sinn, 
Liebe  wäre  nio  vorhin 
An  Gesetze  noch  gebunden. 


4.  Aber  durch  Mercur  sey  bald 
Allenthalben  angestalt, 
Daß  er  Music,  Tantz  und  Frewden, 
Als  zur  Straff,  und  zum  Verdruß 
Auff  so  schnell  gemachten  Schluß 
Bey  der  Liebe  solte  meyden. 


5.  Wehrtor  Bräutgam,  halt  zu  gut, 
Gott  vermehr  in  eurh  die  Glut, 
Vnd  mach  ewer  viel  auff  Erden! 
Seyd  von  Gnüg  und  Segen  reich, 
Ewer  Same  müsse  gleich 

Dem  Gestirn  am  Himmel  werden: 

I 
\ 

6.  Ich  wil  alle  Kunst  und  Zier 
,  Deinem  Vater  und  auch  dir, 

Weil  icn  lebe,  schuldig  bleiben: 
Aber  dieser  trübe  Stand 
Macht,  daß  meine  schwache  Hand 
Nichte  als  Klage  weiß  zu  achreiben. 


I 


7.  Welcher  wil,  als  wie  er  soll, 
Ihm  und  seinen  Sachen  wol, 
Vnd  kan  jrgend  Frewde  fassen? 
Mir  kära  es  zu  sawer  an, 
Nein,  ich  wüst  auff  einmal  dann 
Mich  zu  lieben  und  zu  hassen. 


Fletus  Amicorum,  |  In  luctuosissiraum  |  Obitum  |  Foeminae  • 
singulis  sui  sexus  Virtutibus  ac  Dotibus  |  Celeberrimae  |  Marthae 
So-  |  phiae,  Andreae  Kohlii,  \  Icti  &  Vice  Cancellarii  Marchici 
Filiae,  |  Martini  Fridrici  Seide-  |  Iii,  Consiliarii  Brandenburgici 
Uxoris  singulariter  |  dilectae  &  eheu!  primo  Matrimonii  anno 
unico  filiolo  re-  |  licto  defunetae.  |  (December  16*60). 


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Von  Jobannes  Bolte. 


453 


1.  Vnd  du  hast  das  Vertrawen, 
Herr  Seidel,  auch  zu  mir, 

Ich  könn  ein  Denckmal  bawen 
Der  Liebsten  deiner  Zier? 
Hab  ich  zu  meinen  Sachen 
Die  Hoffnung  selbst  doch  nicht, 
Ohn  daB  mir,  was  zu  machen, 
Es  auch  an  Zeit  gebricht. 

2.  Doch  bistu  hoch  zu  preisen, 
Daß  du  kein  besser  Pfand 

Der  Trew  Ihr  wilst  erweisen, 
Als  eine  weise  Hand: 
Denn  was  kau  sonst  bestehen 
Ohn  unsre  Kunst  allein? 
Die  Last  der  Mausoleen 
Geht  mit  den  Jahren  ein. 


I      3.  So  bald  der  Weiflheit  Güte 
Dein  Leyden  zwingen  kan, 
Nimm  wieder  dein  Gemüthe 
Und  greiff  dich  selber  an, 
Mein  Werck  ist  unvonnöthen, 
Such  keinen  fremden  Reim, 
Die  Künste  der  Poeten 
Sind  stets  bey  dir  daheim. 

4.  Sing  wie  bey  Ihr  die  Tugend 
Der  zucht  und  Frömmigheit 
Mit  angenehmer  Jugend 
Geführt  so  schönen  Streit, 
Ihr  Unschuld,  Art  und  Leben, 
Und  was  auff  gleichen  Schlag 
Der  Himmel  Ihr  gegeben, 
Kein  Tod  entreissen  mag. 


B.  Dass,  wenn  nun  mit  den  Jahren 
Der  Sohn,  dein  Auffenthalt, 
Begierd  hat  zu  erfahren 
Dir  Anmuth  und  Gestalt: 
Dein  Lied  Sie  an-zu-schawen 
Ihm  darstell  also  wol, 
Als  kein  Antherm1)  Sie  hawen, 
Kein  Zeuxis  mahlen  soll. 

Simon  Dach. 


Ein  drittes  ebenfalls  bis  jetzt  noch  nicht  erwähntes  "Werk 
Dachs  vermag  ich  durch  die  Freundlichkeit  des  Herrn  Dr. 
L.  H.  Fischer  nach  einer  Abschrift  von  Herrn  Dr.  R.  Reicke 
mitzuteilen.  Das  Original  befindet  sich  auf  der  "Wallenrodtschen 
Bibliothek  in  Königsberg  R.  R.  15.  fol.  (24). 

Abschieds-Liedchen  |  Bey  |  dem  Seeligen  aber  den  Hinter- 
lassenen  sehr  schmertzlichen  Hintritt  |  aus  dieser  Welt  |  der 
weiland  viel  Ehr-  und  Tugendsamen  |  Fr.  Elisabeth,  gebohrnen 
Pärsinn,  |  Seel.  |  Herrn  Thomas,  Jennicken  etc.  |  hinterlassenen 
"Witwen  |  geschrieben  |  von  |  Simon  Dachen  |  Vnd  in  fünff  Stim- 

1)  Nach  der  alten  Lesart  beiPlinius,  Hist.  nat.  36,  11  für  Archermos 
von  Chios. 


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454 


Nachträge  zu  Alberte  und  Dachs  Gedichten. 


raen  zu  singen  gesetzet  |  von  |  Johann  Weichmann  Cantore  der 
Alttenstadt.  |  Königsberg  |  gedruckt  durch  Johann  Reusnern  \ 
1652.   17.  Mey.  (2  Bl.  fol.    Mit  Noten.    Partitura  a  5). 


1.  Meines  Lebens  Ziel  ist  hier, 
GOTT  der  HERR  wird  kommen, 
Meine  Seele  soll  von  mir 
Werden  weggenommen, 
Wie  ein  Faden  leicht  zerreiBt, 
Wenn  man  pflegt  zu  weben, 
Vnd  ein  altes  Kleid  zerschleiBt, 
Endet  sich  mein  Leben. 


4.  Da  Du  mich  der  Leibes- Last 
8elig  wirst  entbinden, 
Vnd  die  wahre  Himmels-Rast 
Lassen  dort  empfinden, 
Wo  VerdruB  Gefahr  und  List 
Auch  nicht  sind  zu  nennen, 
Vnd  Du  GOTT,  giebst  was  Du  bist 
Gründlich  zu  erkennen. 


2.  Meine  Monden  sind  an  Zahl 
Klein  und  groß  an  Leiden, 
GOTT,  Du  weiBt  dich  meiner  Qual 
Gründlich  zu  bescheiden, 

Pflag  mein  Auge  nicht  in  Pein 
Stets  zu  Dir  zu  thränen, 
Vnd  nach  Deiner  Hülff  allein 
Aengstig  sich  zu  selinen? 

t 

3.  Ist  ein  Wächter,  welcher  steht 
Auff  der  Thürne  Zinnen, 

Froh,  wenn  er  der  Morgenröht 
Endlich  noch  wird  innen, 
Frewt  ein  Tagelöhner  sich, 
Wenn  der  Tag  sich  neiget, 
Ich  nicht  minder  frewe  mich, 
Nun  mein  Tod  sich  zeiget 


5.  Jetzt  kommt  mir  nicht  schrecklich 

vor 

Meiner  Sünden  wegen 

LaB  sich  vor  dem  Todten-Thor 

Alles  grawen  legen, 

Führ  mich  durch  das  finstre  Thal 

Zu  der  rechten  Sonnen, 

Zeig  mir  in  dem  Himmels- ShI 

Alle  deine  Wonnen. 

6.  Kinder,  Freunde,  lebet  wol! 
Habet  meiner  Schmertzen, 
Aber,  wie  ein  Christ  thun  sol, 
Mit  bescheidnem  Hertzen: 

Sehnt  euch  nach  des  Himmels  Zier, 
Werdet  gram  der  Erden, 
Also  werdet  ihr  zu  mir 
Auch  gesamlet  werden. 


Aus  dem  Nachlasse  des  1698  als  Professor  in  Tübingen 
verstorbenen  Christoph  Kaldenbach  besitzt  die  Tübinger  Uni- 
versitätsbibliothek verschiedene  Originaldrucke  von  poetischen 
Erzeugnissen  des  Königsberger  Dichterkreises.  Unter  den 
Dachianis  finden  sich  mehrere  noch  unbekannte,  deren  Titel  ich 
nach  den  mir  freundlichst  zur  Verfugung  gestellten  Aufzeich- 
nungen von  Herrn  Dr.  L.  H.  Fischer  mitteile.  Ich  gebe  sie  in 
der  von  Oesterley's  Register  verwandten  alphabetischen  Reihen- 
folge: 


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Von  Johannes  Bolte. 


455 


1.  Ach  wie  verkehrt  es  sich  so  sehr,  9  Strophen  zu  10  Zeilen. 
Sign.  Dk  XI  312  a.  8».  ,Hertzliches  Beht-Liedt  |  Mit  welchem  |  Zu  Gott 
dem  1  Allmächtigen  bey  diesem  wei-  |  chen  vnd  verkehrten  Winter-  |  Wetter 
nmb  Abwendung  |  allerhand  Straffen  |  Hertzlich  vnd  iuniglich  |  schreyen  | 
Die  Armen  Knaben  der  |  Thum -Schulen  Königs-  |  berg  in  Preußen.  |  In  der 
Melodey:  |  An  Wasserflüssen  Babylon,  etc.  |  1648.  18.  Hornung.  |  Gedruckt 
bey  Pasche  Mensen.'  —  Am  Schlüsse :  ,Dem  Kneiphöfischen  Pauper- 1  Hause 
zu  gut  geschrieben  |  Von  j  Simon  Dachen'.  —  Bey  Oesterley  S.  342  f.  nach 
einer  Abschrift  ohne  Quellenangabe  abgedruckt. 

2.  Ihr  Preussen  auff  Vnd  kommt  zu  hauff.  .Preussiches  |  Büß 
vnd  Beht  Lied  |  Welches  |  Meinem  hertzlieben  Vaterlande  |  bey  gegenwertigem 
Beht  Tage  |  des  1647.  Jahrs  1  . . .  in  die  gewöhnliche  Weise:  |  Ach  Gott  mein 
Herr,  wie  groß  vnd  ||  schwer,  sind  mein  begangne  Sünden  etc.  |  Zu  singen,  | 
Geschrieben  ]  Ich  |  Simon  Dach.  —  Oesterley  verzeichnet  im  Register  Nr.  501 
nur  einen  Abdruck  im  Frankfurter  Gesangbuch  1693. 

3.  Selig  Ewigheit,  Lohn  der  Himmels  -  Erben ,  17  Str.  zu 
6  Zeilen.  Zum  Begräbnis  der  Frau  Sophie  Schimmelpfenning,  geb.  Schwartzin, 
1656,  10.  bis  17.  Hornung.  ,Auff  der  seligen  Frawen  selbst  eigenes  Begehren 
bereit  1649,  1.  Herbstmonat  geschrieben'.  Königsberg,  J.  Reusner.  2  Bl.  4°. 
Unten  abgedruckt. 

4.  So  hastu  vnsre  Zähren,  12 Str.  zu  8  Zeilen.  ,Hertzliches  |  Dank- 
Liedt,  |  Welches  |  Gott  dem  Allerhöhesten  |  für  dieses  angenehme  vnnd  von  j 
dem  gantzen  Lande  gewünschte  l  Winter- Wetter,  in  der  Me-  |  lodey:  |  Selig 
ist  der  Gepreiset,  der  Gott  |  vor  Augen  hält,  etc.  |  Auß  Inniglicher  Andacht  | 
singen  |  Die  Armen  Schüler  der  |  Kneiphöfischen  Schiden  zu  |  Königsberg,  | 
Im  1648.  Jahr  [  1  Mertz.  |  Gedruckt  bey  Paschen  Mense.' 

5.  Wer  nun  doch  seine  Faust  so  schnell  und  fertig  hätte. 
Dk  XI  9  a.  Hochverdientes  Ehrengedächtniß  für  Johann  Arnd  von  Goldstein 
und  seinen  Sohn  Gustaf?  Friedrich,  "f  1653,  30.  Mai  und  4  Brachmonat. 
Königsberg,  J.  Reusner.  7  S.  folio.  —  Das  in  Oesterleys  Register  Nr.  982 
verzeichnete  Sterbeliod  auf  dieselben  Personen  in  7  Str.  zu  6  Versen:  ,Wo 
wil  es  hin  mit  meinem  Hertzen'  befindet  sich  gleichfalls  in  Tübingen. 

6.  Wolt  iemand  in  mich  dringen,  11  Str.  zu  8  Versen.  Zur 
Hochzeit  von  Chr.  Tinctorius  und  Regina  Scharff  geb.  Schimelfeng.  1653 
IX  Cai  Sept.  in  Dk.  H  26  fol. 

7.  Cum  versus  facili  dares  Camaena.  Zur  Dichterkrönung  von 
Balthasar  Voidius  1654.  Ebenda. 

8.  Excipe  gratanti  placitura  Borussia  vultu,  77  Hexameter. 
An  Gabriel  de  la  Gardie,  Gouverneur  von  Livland,  1650  VlI.  Id.  Mart. 
Ebenda. 

9.  Hercultu»  solem  lassat  Uo,  Sirius  almo$,  158  Hexameter. 
Wie  No.  6. 

10.  Magne,  Poetarum  sublimi  pectinc  maior,  6  Distichen.  Wie 

Nr.  8. 


45ß 


Nachträge  zu  Alberte  und  Dachs  Gedichten. 


Es  folgt  nun  der  Text  des  unter  Nr.  3  angeführten  Geist- 
lichen Liedes,  in  welchem  Dach  nicht  ohne  Glück  einen  höheren 
Flug  als  gewöhnlich  zu  nehmen  versucht: 


1.  Selig'  Ewigheit, 
Lohn  der  Himniels-Erben, 
Derer  Hertzeleid 

Die  in  Sünden  sterben. 
Bild  doch  dich  allein 
Immer  mir  recht  ein. 

2.  Laß  mir  nichts  dein  Wort 
Aus  dem  Hertzen  lcncken. 
Sondern  fort  und  fort 

Mich  an  dich  gedencken: 
Sey  mein  Tritt,  mein  Gang 
Vnd  mein  Lebens-Zwang. 

3.  Hast  du  dich  gesellt 
Wol  zu  meinen  Sinnen, 
Nichts  in  dieser  Welt 
Wird  mein  Hertz  gewinnen: 
Denn  was  gleicht  allhier 
Deiner  hohen  Zier? 

4.  Deinen  rechten  Stand 
Würdig  auszusprechen, 
Wird  uns  Witz  und  Hand 
Zung  und  Mund  gebrechen: 
Hior  hat  Wissenschafft 
Weder  Art  noch  K rafft. 

5.  GOtt  von  Angesicht, 
Wie  Er  ist,  erkennen. 
Durch  das  grosse  Licht 
Seiner  Liebe  brennen: 
Sprechen:  Meine  Ruh, 
GOtt,  bist  einig  Du. 

6.  Vber  alle  maß 
Gnügsain  sein  gemessen, 
Ihn  ohn  unterlaß 

hi  die  Arme  schliessen: 
Vnd  sich  spiegeln  gantz 
Nur  in  seinem  Glantz. 


7.  Aller  Wünsche  Macht, 
Aller  Weißheit  Gaben, 
Aller  Hoheit  Pracht 

Allen  Reichtimm  haben: 
Nirgends  sehn  Verdruß 
In  dem  Vberfluß. 

8.  Aller  Väter  Schar 
Vnd  die  lieben  Seinen 
Sprechen  immerdar: 
Nirgends  über  weinen. 
Ohn  Gefahr  und  Pein 
Vnd  ohn  Kranckheit  seyn. 

9.  Seine  Stimm  empor 
Mit  den  Engeln  schwingen 
Vnd  in  vollem  Chor 
Vnserm  Schöpffer  singen: 
Heilig  bist  du,  GOtt, 

O  HERR  Zebaoth. 

10.  Vnd  diß  aUes  zwar 
Nicht  nur  lange  Zeiten, 
Hundert  tausend  Jahr, 
Die  zu  letzt  verschreiten, 
Nein  ohn1  End  und  Zeit 
Vnd  in  Ewigheit. 

11.  Dieses  und  was  mehr, 

i 

<    Vber  Menschen  Zungen, 
Vns  in  kein  Gehör 
In  kein  Hertz  gedrungen, 
Wohnt,  du  Himmels-Zier 
Ewigheit,  in  dir. 

12.  Solt'  icli  nicht  allhie 
Gern  umb  dich  ertragen 
Armut,  Blosse,  Müh, 

Hohn  und  Kranckheit  Plagen? 
Ja  die  höchste  Noht 
Biß  in  meinen  Tod? 


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Von  Johannes  Bolte. 


457 


13.  GOtt.  der  du  bereit 
Warst  für  uns  zu  sterben, 
Bloß  der  Ewigheit 

Heil  uns  zu  erwerben : 
Dieses  theure  Gut 
Kostet  dir  dein  Blut. 

14.  La«  hie  meinen  Leib 
Wol  gezüchtigt  werden, 
Schlag,  haw,  brenn,  zerreib 
Ihn  zum  Klößlein  Erden, 
Nur  die  Seel'  entgeh 
Ewig  ihrem  Weh. 


15.  Keiner  Wollust  Schuld 
Steige  mir  zu  Hertzen, 

Daß  ich  deine  Huld 
Wolf  hierumb  verschertzen, 
Ewig  auch  dazu 
Meiner  Seelen  Ruh. 

16.  Täglich  tödt  in  mir 
Meiner  Lust  beginnen, 
Keiner  Welt  begier 
Komme  mir  zu  Sinnen, 
Hire  falsche  Lust 

Sey  mir  Gram  und  Wust. 


17.  Laß  mich  nirgends  hin 
Ans  der  Vnschuld  wandten 
Vnd  mir  in  dem  Sinn 
Wercken  und  Gedancken 
Schallen  jederzeit 
Selig'  Ewigheit! 


Als  Ergänzung  zu  dem  oben  S.  445  über  Georg  Neu  mark 
Bemerkten  mag  endlich  auf  den  in  zwei  Liedern  seines  Fort- 
gepflanzten musikalisch  -  poetischen  Lustwaldes  (Jena,  G-eorg 
Sengenwald  1657)  erkennbaren  Einfluß  von  Alberts  Arien  hin- 
gewiesen werden,  auf  den  mich  noch  Herr  Dr.  Fischer  auf- 
merksam macht.  Im  Lustwald  1,  55  steht  ein  schon  1652  in 
Neumarks  Poetisch  -  musikalischem  Lustwäldchen  (Hamburg, 
J.  Naumann  S.  74)  veröffentlichtes  Schäferlied:  ,Es  fieng  ein 
Schäfer  an  zu  klagen4,  das  stark  an  Alberts  schon  1642  gedruckte 
Arie  V  17  erinnert.  Ebenso  hat  Neumark  im  Fortgepflanzten 
Lustwald  1,  1  Alberts  bekannten  Choral  ,Gott  des  Himmels  und 
der  Erden'  (Arien  V  4)  paraphrasiert.  Man  vergleiche  nur 
folgende  Strophen  mit  einander: 


Albort  1642. 

2.  Gott,  ich  dancke  Dir  von  Hertzen, 
Daß  Du  mich  in  dieser  Nacht 
Für  Gefahr,  Angst,  Noht  vnd 

Schmertzen 
Hast  behütet  vnd  bewacht, 
Daß  des  Lösen  Feindes  List 
Mein  nicht  mächtig  worden  ist 


Neumark  1667. 

1.  Ich  danke  dir,  mein  Gott,  von 

Hertzen, 

Dass  du  mich  die  vergangne  Nacht 
Für  allem  Unfall.  Noht  und  Schmertzen 
Durch  deinen  Engel  hast  bewacht, 
Und  mich  mit  deiner  Hand  bedekket, 
Daß  mich  kein  Uugehewr  erschrekket. 


Altpr.  MonaUschrift  Bd.  XXIII.  Hit.  6  u.  G. 


30 


Nachlese  zu  Heinrich  Alberts  Gedichten. 


Von 
H.  Fischer 

in  Berlin. 


In  der  Einleitung  zu  meiner  Ausgabe  der  Gedichte  des 
Königsberger  Dichterkreises  *)  versprach  ich,  diejenigen  Gedichte 
Heinrich  Alberts,  welche  nicht  in  dessen  Arien  enthalten  sind, 
zu  veröffentlichen.  Dieses  Versprechen  erfülle  ich  im  Folgenden. 
Leider  bleibt  die  Nachlese  unvollständig:  das  von  mir  Einleitung 
S.  IX  verzeichnete  Gedicht  Alberts  „Ihr,  hochberühmter  Schütz, 
habt  zwar  durch  eure  Lieder",  das  sich  im  Besitz  "W.  von  Maitzahns 
befand,  ist  vom  British  Museum  erworben  und  mir  daher  vor- 
läufig unzugänglich.  Daß  bei  weiterem  sorgfaltigen  Nachforschen 
sich  vielleicht  noch  einige  Gedichte  Alberts  auffinden  lassen,  ist 
nicht  unmöglich :  für  derartige  Sammlungen  ist  eben  immer  nur 
eine  bedingte  Vollständigkeit  zu  erreichen.  "Was  in  Danzig, 
Königsberg  und  Breslau,  den  Hauptfundstätten  für  die  Dich- 
tungen des  Königsberger  Dichterkreises,  an  Albertschen  Ge- 
dichten vorhanden  ist,  habe  ich  wohl  ermittelt.  Dank  sei  der 
gütigen  Unterstützung  der  Bibliotheksverwaltungen! 


i)  Vgl.  Hft.  5/6  S.  435  ff.  desselben  Bandes  dieser  Monateschrift. 
*)  Epithalamia  in  honor.  nupt.  Christophori  Mehlichs,  Chymiae  et 
Phannaceuticae  studiosi  cum  Catharina  Hakin,  Johannis  Göbeis,  Pharmaco- 


1.*) 


Einsmals  war  betrübet  sehr, 
Da  der  Wind  die  grünen  Wälder 


Von  den  Blättern  weggenommen, 
Da  der  Mäder  abgemeyt 
Alle  Blumen  von  der  Heyd' 

Vnd  der  kalte  Herbst  war  kommen. 


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Nachlese  zu  Heinrich  Alberts  Gedichten.    Von  L.  II.  Fischer  459 


2.  Drumb  sie  sich  mit  jhrer  Horde 
Hoch  auff  einen  Hügel  stellt, 
Sah'  ob  jrgends  in  dem  Feld 

Wo  ein  Fewer  blicken  werde 
Bey  den  Schäfern  vnd  Schäfrinnen, 
Da  sie  mit  der  Herde  bleib', 
Vnd  da  auch  jhr  kalter  Leib 
Möcht'  erwärmet  werden  können. 

3.  Dies  Cupido  ward  erfrewet, 
Dachte  bey  sich  selbst:  wolan! 
Schäfrin  dießmahl  solstu  dran 

Die  Du  mich  allzeit  geschewet, 
Welche  nimmer  kunte  bringen 
Zu  der  süssen  Liebes  Brunst 
Meines  Bogens  beste  Kunst, 
Sol  jetzt  meine  List  bezwingen. 

4.  Zu  Mirtillus  er  sich  faude, 

Zu  dem  Schäfer  voller  Schmertz, 
Dessen  hochbetrübtes  Hertz 

Stets  in  Liebes  Fewer  brandte 

Von  der  Dclia  entzündet, 

Die  mit  jhrer  Augen  glantz 
Auch  der  Sonnen  stralen  gantz 

An  der  Schönheit  vberwindet. 

B.  Rieff  jhm  zu  mit  grossen  Frewden : 
Schäfer  habe  guten  Muth, 
Es  sol  alles  werden  gut, 
Vnd  dein  Schmertz  dein'  Angst  vnd 

Leiden 

Sol  sich  jetzt  auff  einmahl  enden, 
Folge  mir;  vnd  siehe  da, 
Deine  schöne  Delia 

Wird  sich  gäntzlich  zu  dir  wenden. 

6.  Stellt'  jhn  vnter  einen  Häuften 
Dürres  Strauchs,  vnd  drauff 

behend 


Delia  so  gantz  verblendt, 
Daß  sie  stracks  hub  an  zu  lauffen 
Nach  dem  Fewer,  so  jhr  eben 

Daucht'  ein  rechtes  Fewer  sein, 
Da  sie  bey  verhofft'  allein' 
Hirer  kälte  rath  zu  geben. 

7.  Der*)  Mirtillus  heimlich  lachte: 
Hielt  die  beyden  Armen  auff, 
Drein  sie  selbst  mit  schnellem  lauff 

Seine  Schäferin,  sich  machte, 
Meinte  noch  sie  sey  beim  Fewer, 
Wüste  nicht,  daß  sie  im  Arm' 
Eines  Schäfers  ward  so  warm, 
Wüste  nichts  vom  Abenthewer. 

8.  Biß  Cupido  nun  verstünde, 
Daß  es  jetzt  wer  außgericht, 
Worauff  er  mit  fleiß  gedieht, 

Daß  das  kalte  Hertz  begunto 

Dieser  Schäfrin  zu  erhitzen 

Von  Mirtillus  heisser  Flamm, 
Vnd  er  beyde  nun  zusamm 

Sah'  in  gleicher  Liebe  schwitzen; 

9.  Scheid  er  weg.  Bald  kunte  sehen 
Delia  bey  wem  sie  war, 

Wer  sie  so  erwärmet  gar. 
Vnd  weil  jhr  so  wol  geschehen, 
Wil  sie  stets  beym  Schäfer  bleiben, 
Daß  er  hab  zu  eigen  sie, 
Ihre  Schäflein  und  jhr  Vieh' 
Auch  zu  seiner  Heerde  treiben. 

10.  Findet  euch  drumb  bey  einander 
Heut'  0  Hirten  Companey! 
Ewre  PfeifFen  bringt  herbey, 
Last  euch  hören  eins  vmbs  ander 
Diesem  Liebes  paar  zu  Ehren. 

Wünschet,  daß  auch  jhre  Heerdf 


polae  Löbenicensis  relicta  vidna  lG'iO,  19  Nov.  styl.  nov.  Mit  Gedichten 
anderer  (Georg  Loth,  Daniel  Becker,  Peter  Schilling,  Simon  Dach).  Breslauer 
Stadtbibl.  Ink.  11,  2.    (Oesterley,  Dach  Register  No.  942). 
*)  Im  Original  fälschlich:  Des. 

80* 


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4G0 


Nachlese  zu  Heinrich  Alherts  Gedichten. 


Jmmer  jmmer  grösser  werd' 
Vnd  sich  jährlich  mag  vennehren! 

Heinrich  Albert. 


2*) 

DER  den  Himmel  hat  gebawet 
Vnd  die  gantze  weite  Welt, 
Der,  was  vnser  Aug  anschawct 
Alles  führet  und  erhelt, 
Hat  durch  seine  grosse  Macht 
Auch  die  Lieb  herfür  gebracht. 
12.] 

Von  Gott  kombt  die  Kirnst  zu  lieben. 

Wer  sie  schreibt  der  Venus  zu, 
Wird  sich  selber  nur  betrüben, 

Oder  wer  der  Flammen  Ruh 
Sucht  ins  Hymenei  Saal 
Wird  betrogen  überall. 

[3.] 

Gott  hat  sich  ja  selbst  gekehret 
Anfangs  aller  Liebe  voll 

Zu  vn8  Menschen,  die  er  lehret 
Wie  vnd  was  man  lieben  sol, 

Einem  jedem  Er  mit  Fleiß 

Seinen  Theil  zu  finden  weiß. 

Laß  die  Anschlag  vnd  das  Dichten 


Aller  Menschen  fahren  hin: 
Gott,  der  kan  alleine  richten 

Vnser  Hertz  vnd  vnsern  Sinn, 
Wie  Er  es  hat  außersehn, 
Also  muß  es  doch  geschehn. 

[5.] 

Liebe  darumb  ohn  verziohen 
Der  nur  jmmer  lieben  kan: 

Wer  wü  Gottes  Ordnung  fliehen, 
Wird  gar  übel  lauifen  an, 

Seine  Freude  wird  zu  letzt 

Nur  in  Spot  vnd  ^Schmach  versetzt. 
[6.] 

Einer,  der  sein  gantzes  Leben 
In  Vnkeuschheit  zugebracht 

Vnd  den  Lüsten  hat  ergeben, 
Ist  zu  lieben  nie  bedacht, 

Was  er  meynt  das  Liebe  sey, 

Ist  nur  lauter  Teuffoley. 

[7-1 

Aber  wer  die  Tugend  üben 
Vnd  das  Beste  finden  wü, 

Der  wird  eine  Seele  lieben 

Vnd  sich  halten  fromm  vnd  still, 

Solch  ein  Leben  halt  ich  gleich 

Auch  dem  halben  Himmelreich. 

Heinrich  Albert. 


3.**) 

Der  grosse  Baw-Herr  wil  den  Himmel  nicht  allein 
So  herrlich  vnd  so  schön  Geschmücket  lassen  seyn, 
Daß  da  in  hoher  Pracht  viel  tausend  Lichter  stehen, 
Die  umb  den  Erden-Creiß  fort  fort  herumb  her  gehen; 
Er  schafft  on  vnterlaß  auch  Lichter  dieser  Welt, 

*)  Jacobo  Schiein  ducenti  Gatharinam,  Reinholdi  Vogt  filiam  1634. 
Mit  Gedichten  anderer  (Albert  Liuemanu,  Val.  Thilo,  Simon  Dach).  Breslauer 
Stadtbibliothek  Ink.  11,  2.   (Oesterley,  Dach  S.  94). 

1)  Im  Original  ist  „vnd"  fälschlich  doppelt  gesetzt. 

**)  Auf  die  Hochzeit  Albert  Linemanns  und  Anna  Gericke  1635, 
29.  Octob.  unter  den  Gedichten  der  Freunde  (C.  Wilkau,  Simon  Dach, 
Johannes  Gericke).  Breslauer  Stadtbibliothek  Jnk.  11,  2.  (Oesterley,  Dach 
Register  No.  446). 


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Von  L.  H.  Fischer. 


461 


Die  er  zu  seinem  Lob  erwecket  vnd  auffstellt.  . 

Difl  ist  das  Hobe  Volck,  daß  Volck  der  Pierinnen, 

Die  nicht  anff  Eytelkeit  gewendet  jhre  Sinnen, 

Die  sich  in  Wissenschafft  geübet  Tag  vnd  Nacht, 

Vnd  mit  Studiren  nur  die  Jahre  zu  gebracht, 

Die  müssen  Lichter  seyn,  vnd  so  für  allzumalen 

Mit  jhrer  edlen  Kunst  ein  gantzes  Land  bestrahlen. 

Schawt  vnsern  Breutigam!  Der  vor  derzeit  so  gar 

Sich  vns  entt zogen  hat',  vnd  endlich  kommen  war 

Biß  an  den  Himmel  selbst,  daß  er  da  bey  den  Sternen 

Deß  grossen  Meisters  werck  nur  möchte  recht  erlernen 

Wie  er  von  jlinen  ist  erleucht  vnd  angezündt, 

Daß  seine  Künste  nun  so  klar,  als  Sterne  sind! 

So,  daß  ein  Jedermann,  so  wol  bey  vns  in  Preussen 

Als  sonst  in  aller  Welt  jhn  wird  vnsterblicb  heissen. 

Jtzt  werden  innerlich  auch  Flammen  Dim'  erweckt 

Vom  keuschen  liebes  Fewr,  durch  GOtt  selbst  angesteckt, 

Die  Flammen,  welche  sonst  gar  fern  von  Frowd'  vnd  Lachen, 

Wo  Gegen-Flammen  nicht  sie  immer  scheinend  machen; 

Die  hier  sind  albereit:  Seht  an  die  Jungfraw  Brawt! 

Wie  gläntzet  jhr  Gesicht!    Wie  schimmert  jhre  Haut! 

Das  machet,  daß  jhr  Hertz  in  gegen  Liebe  brennet; 

Vnd  daß  man  kaum  an  Ihr  noch  Irdisches  erkennet 

Daß  thut  der  Tugend-schein,  der  seine  klarheit  woist, 

Vnd  hier  soin  helles  Licht  auß  jhren  Augen  proißt. 

0  aller  liebster  Stern!  den  GOtt  euch  zu  geführet 

Geehrter  Breutigam,  der  Euch  allein  gebühret 

Zu  scheinen  Tag  vnd  Nacht,  der  immer  vmb  Euch  steht 

Vnd  Euch  nach  hertzenswunsch  bald  auff-  bald  vnter-  geht. 

Glück  zu  dem  liebes-Paar!  GOtt  wol'  Euch  solcher  massen 

Durch  seinor  Gnaden  Glantz  auch  ferner  Leuchten  lassen 

Daß  ewer  Nähme  so  die  Welt  bescheinen  mag 

Durch  Kind  vnd  Kindes-Kiud  biß  an  den  Jüngsten  Tag! 

Heinrich  Albert. 


4.*) 

Der  128.  Psalm  Davids 
zu  singen  vnterlegt  der  Weyse:  Du  plus  douz  &c. 
  Antonij  Boesset  a  5. 

■)  Auf  Christoff  Starcken  und  Anna  Dorotheen,  Christian  Walter 


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462 


Nachlese  zu  Heinrich  Alberte  Gedichten. 


1. 

Wer  auff  Gottes  Wegen 
Vnsträflich  einher  geht, 
Demselben  Glück  vnd  Segen 
Zu  seinem  Willen  steht: 
Die  Arbeit  deiner  Hand 
Sol  dich  gar  reichlich  nähren, 
Vnd  dir  vollauff  bescheren; 
GOtt  wird  in  deinem  Stand' 
Ohn  Ende  dich  vermehren. 

2. 

Gleich  dem  guten  Reben 
Wird  dir  dein  Ehgcmahl 
Gewünschte  Früchte  geben: 
Daß  Kinder  vberal 
Vmb  deinen  Tisch  herumb 
Wie  die  Oel  Zweiglein  stehen, 
So  muß  es  dem  ergehen, 
An  welchem  vmb  vnd  vmb 
Nur  Gottes  Furcht  zu  sehen! 

seinem  goliebten  S 


8. 

Vnd  des  HErren  Segen 
Aufl  Zion  wird  auff  Dich 
Gleich  wie  ein  güldner  Regen 
Abtrieften  mildiglich: 
Daß  du  solt  allezeit 
Jerusalems  Glück  schawen, 
Auch  Kindes  Kinder  bawen. 

!    Vnd  GOtt  in  Sicherheit 

i 

Vnd  Friede  Dich  vortrawen. 

Angehongter  Wunsch. 

Daß  nun  solche  Gaben 
Auch  Braut  vnd  Bräutigam 
Von  GOtt  stets  mögen  haben, 
Dabey  an  Gutt  vnd  Stamm 
Sich  mögen  für  vnd  für 
In  seiner  Furcht  außbreiten; 
Wünscht  man  von  allen  seiten, 
Biß  GOtt  Sie  selbst  von  hier 
i    Zur  Ewigkeit  wird  leiten. 

iegerVater  zu  Ehren  von 

Heinrich  Alberten. 


6.*) 

Vber  dem  betrübten,  doch  seligen 
Absterben 
des  Woll  Ehren vesten  Groß  Achtbaren 
vnd  Hochgelahrten 
Hn.  Michael  Adersbachon, 
Ihrer  Churfl.  Durchl.  zu  Brandenburg  in  Preussen 
wolverdienten  Rahts  vnd  Secretarii,  wie  auch  Ihrer  Königl. 
Majest&tt  in  Pohlen  vnd  Schweden  der  Waldwahren 
getrewen  Factorcn, 
Welcher  den  25.  Decembr.  dieses  zu  End  lauf- 


Tochter,  Hochzeit  1640,  16.  Januar  hinter  Dachs  „Amor  macht  sich  dieser 
Tage".  Kgl.  u.  Uuivers.  Bibl.  zu  Königsberg  Pb  112.  Qu.  No.  100  [Oesterley. 
Dach  Register  No.  33). 

*)  Kgl.  u.  Univers.  Bibl.  zu  Königsberg  S.  151  H  fol.  No.  187. 


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Von  L.  H.  Fischer. 


463 


fanden  1640.  Jahres  in  hertzlicher  Andacht  vnd  Anrnf- 
fung  seines  Erlösers,  selig  von  hinnen  geschieden,  vnd  den 
81.  dessen  in  sein  Erbbegräbniß  allhier  im 
Kneiphoff  bograben, 
Bezeuget  sein  schuldiges  Mitleiden 
mit  diesem 
SONNET: 

DEin  Leid,  0  Königsberg,  vnd  deinen  Schmertz  zu  singen, 
Muß  ich  mein  armes  Spiel  in  solchem  Trawer-Thon 
Als  vormals  nio  geschehn  (es  ist  der  Sünden  Lohn, 
Den  GOtt  vns  zugeschickt)  mit  Wehmath  lassen  klingen: 
Wird  dir  der  grimme  Todt  die  Häupter  wiederbringen, 
Die  Du  verlohren  hast?  sie  sind  einmal  davon 
Die  Weisen  dieser  Stadt.   0  weh!  des  Landes  Krohn' 
Ist  auch  dahin  gerafft!  mein  Spiel  muß  gantz  zerspringen, 
Weil  vnser  Churfürst  vns,  der  thewr'  vnd  wehrte  Heidt 
Von  GOtt  genommen  ist.    Ich  weiß  die  gantze  Welt 
Tragt  Leid  vmb  Hin  wie  wir,  in  trawrigen  Geberden. 
Des  Fürsten  trewer  Raht,  Herr  Michel  Adersbach, 
Legt  jetzt,  sich  auch  zur  Rhue,  folgt  seinem  Fürsten  nach; 
Fährt  GOtt  noch  weiter  fort,  wie  wird  es  mit  vns  werden? 

  Heinrich  Albert. 

6.*) 

Klag-  vnd  Trost -Lied 
Bey  Hoch-Adelicher  vnd  Ansehnlicher  Leich-Bestattung 
des  HochEdlen,  Gestrengen,  Vesten  vnd  Mannhafften  Herren 
ANDRES  VON  KREYZEN, 
des  Herzogthumbs  Preussen  Wolverdienten 
Land -Hoffmeisters  vnd  Regiments- 
Raths,  auf  Weßlienen,  Wolffs  vnd 
Wesselshoffen  &c.  Erbsassen, 
Welcher  Im  Jahr  Cliristi  1G41  den  4.  Jauuarij 
Abends  gegen  4  Uhr  sanfft  vnd  seelig  entschlaffen,  vnd 
den  11.  Aprilis  selbigen  Jahres  in  die  Kirche 
in  Löbenicht  Christlich  zur  Erden 
beygesetztet  wordon. 


EDles  Hattpt,  du  Trost  im  Lande, 
Du,  des  Fürsten  Schmuck  vnd  Zier! 
Billich,  billich  weinen  wir, 


Daß  des  rauhen  Todes  Bande 
Dich  in  jhre  Macht  bestricket, 
Vnd  von  hinnen  weg  gerücket. 


*)  Kgl.  u.  Univere.  Bibl.  zu  Königsberg  S  151  II  fol.  No.  187. 


464 


Nachlese  zu  Heinrich  Alberta  Gedichten. 


2. 

Vnsre  Wunden  stehn  noch  offen; 
Als  der  thewr  vnd  werthe  Heidt 
Vnser  Churfürst  ward  gefallt, 
Welcher  Fall  vns  hart  getroffen; 
HülfF  vnd  Heyl  möcht'  vns  entsagen 
Würden  wir  noch  mehr  geschlagen. 

3. 

Weh,  dem  Apffel-Biß  der  Schlangen ! 
Der  des  strengen  Todes  Macht 
Hat  in  diese  Welt  gebracht. 
Weyl  die  Sünd  vns  hält  gefangen, 
Müssen  wir  anch  nun  dor  Erden 
Vnserm  Vrsprung,  älinlich  werden. 


4. 

Wie  der  Rauch  nicht  kan  bestehen 
Wann  ein  Windchen  jhn  anficht! 
Wie  ein  Gl  aß,  das  bald  zerbricht: 
So  mufi  auch  der  Mensch  vergehen. 
Wie  die  BW  vnd  Blumen  fallen: 
Also  geht  es  mit  vns  allen. 

5. 

Doch  batt  GOtt  ein  ander  Leben 
Vns  aus  Gnaden  zugesagt; 
Da  vns  keine  Noth  mehr  plagt, 
Da  wir  stets  in  Frewden  schweben. 
Dahin  sollen  alle  Frommen 
Stracks  nach  Dircm  Tode  kommen. 


6. 

Lasst  vns  nur  gedultig  harren! 
Vnsern  Schmertzen,  vnsrer  Pein 
Wird  noch  wol  zu  rathen  seyn. 
Vnd  dieß  Haupt,  so  wir  verscharren, 
Wird  nach  diesen  Jammer-Tagen 
Dort  die  Ehren -Krohne  tragen. 

Heinrich  Albert. 


7.*) 


0 


Du  Zier  und  Licht  der  Preussen, 
Muß  denn  dich  des  Todes  Macht 
Auch  aus  unserm  Mittel  reissen? 
Kunte  deiner  Lieder-Pracht 
Dieses  grimmen  Würgers  wüten 
Nicht  in  etwas  noch  begüten? 


Nein :  Kein  Lied,  kein  schönes  singen, 
Das  zwar  Menschon  hier  ergetzt, 
Kan  den  bittern  Tod  bezwingen; 
Allen  er  sich  widersetzt: 
Lässt  sich  weder  Stimm  noch  Seiten, 
Und,  was  künstlich  ist,  bestreiten. 


*)  Aus:  Poetice  germanica  Seu  de  ratione  scribendi  carminis  Teu- 
tonia Libri  Duo,  Cum  Dispositionum  Carminumque  varii  argumenta  farra- 
gine,  pro  exercendo  Stylo  Poetico:  Autore  et  Collectoro  Christophoro  Calden- 
bachio,  EL  Poes,  ac  Historiarum  in  Acad.  Tubingensi  P.  P.  Norimbergae, 
Sumptibus  Michaelis  &  Joh.  Friedr.  Endterorum,  Anno  Salutis  MDCLXXIV. 
S.  90:  Epicedion  Musici  nempe  Johannis  Stobaei  Capellae  electoralis  Bran- 
denburg. Magistri. 


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Von  L.  H.  Fischer. 


465 


Billich  Bind  die  Mosen-Kinder, 
Vater,  itzt  umb  dich  betrübt, 
Und  Apollo  selbst  nicht  minder, 
Der  so  hefftig  dich  geliebt ; 
Klagen,  seufftzen,  winseln,  weinen, 
Dafl  du  sie  verlässt,  die  deinen. 


Deine  Grabstätt  zu  verehren 
Bringt  man  Palmenzweige  dar; 
Lässt  viel  Klage-Lieder  hören 
Hier  bei  deiner  Todten-Bahr: 
Und  was  dir  die  Musen  reichen, 
Ist  ein  Crantz  von  Lorbeer-Sträuchen. 


Fama  kömbt  mit  vollem  schreyen, 
Wirfflt  uns  deine  Lieder  zu, 
Hier  dein  Leben  zu  verneuen; 
Ob  der  Leib  gleich  geht  zu  Ruh. 
Deine  Kunst  und  gute  Lieder 
Geben  dich  uns  ewig  wieder. 

Scripsit  Regiomonti,  14.  Sept.  1646.   Hcinricus  Alberti. 


8.  *) 

Christliches  Lob-  vnd  Danck-Lied, 
Auff 

den  Hochzeitlichen  Ehrentag 
des  Ehrnvesten,  Achtbahrn  vnd  Wolweisen 
Herrn  Lorentz  Gilgenen 
Churfürstlicher  Stadt  Löbenicht  Wolverordneten  Rahts- 

Verwandten, 

Mit 

der  Ehr-  vnd  Viel  Tugendsahmen  Jungfrawen 
ELISABETH, 
Des  weyland 
Ehrenvesten,  Kunstreichen  vnd  Vornehrageachten 
Herrn  Heinrich  Römermans,  Churfl.  Durchl.  zu  Brandenb. 
in  Proussen  bestalten  Chirurgi,  Eholeiblichen  Tochter, 
Aus  dem  Psalmbuch  des  Königs  vnd  Propheten  Davids  vom  Herrn  Breutigain 

selbst  erwehlet,  vnd  verfertiget 
von 

Heinrich  Alberten. 
Königsberg,  gedruckt  durch  Johann  Reusnern.   Den  25.  April  1650. 


*)  Kgl.  u.  Univers.  BibL  zu  Königsberg  Pa  128  I  No.  29. 


Nachlese  zu  Heinrich  Alberte  Gedichten. 


466 

1.  Ihr  Knechte  Gottes,  seid  bereit 
Den  HErren  hoch  zn  preisen, 
Von  nun  an  biß  in  Ewigkeit 
Solt  jhr  Ihm  Danck  erweisen: 
Singt  seines  Nahmens  Lob-Gesang 
Biß  jhr  den  Lauff  gewonnen 
Vom  Auffgang  biß  zum  Niedergang 
Des  grossen  Lichts  dor  Sonnen! 


2.  Der  HErr  ist  hoch,  vnd  seine 

Macht 

Ist  über  alle  Heyden, 
Sein'  Ehre  geht  durch  Hirn  eis  Pracht 
Die  auch  die  Wolcken  kleiden. 
Wer  ist,  der  vnserm  Gotte  kan 
Gleich  hoch  gesetzet  werden? 
Vnd  der  nur  sieht  das  Niedrig'  an 
Im  Himmel  vnd  auff  Erden. 


8.  Der  ans  dorn  Staub'  vnd  Koht'  erhebt 
Den  Armen  vnd  Geringen, 
Daß  Er  bey  Fürsten  sitzt  vnd  lebt, 
Vnd  Völckern  Raht  kan  bringen. 
Der  fruchtbar  macht,  auff  die  man  hie 
Wil  als  vnfruchtbar  weisen, 
Daß  Frewden-voll  im  Hause  Sie 
Mufl  Kinder-Mutter  heißen. 

H.  A. 


Zum  Schluß  möge  es  mir  gestattet  sein,  auch  zu  meinem 
Verzeichnis  der  Albertschen  Tonsätze  (S.  IX  meiner  Ausgabe) 
eine  Notiz  hinzuzufügen.  Nach  No.  3  ist  einzuschalten:  3^ 
Klag-  und  Trostlied  bey  Leich-Bestattung  des  Herren  Andres 
von  Kreyzen:  „Edles  Haupt,  du  Trost  im  Lande"  Königsberg 
1641  fol.  in  2  Stimmen.  (Kgl.  u.  Univers.-Bibl.  zu  Königsberg 
S  151  fol.  H  No.  187.)    Vgl.  das  oben  mitgeteilte  Gedicht. 


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Das  Projekt  des  Königs  Friedrich  Wilhelms  in., 
neben  der  Universität  Königsberg  eine  katholisch- 
theologische Facultät  zu  errichten. 

Aktenmäßige  Darstellung 
von 

Prof.  Dr.  Tsehaekert  in  Königsberg.*) 

Zu  den  wenig  bekannten  Seiten  in  der  Geschichte  der 
Königsberger  Hochschule  dürfte  ihr  Verhältnis  zum  römischen 
Katholicismus  gehören.  Da  mir  nun  bei  dem  Durchsuchen  von 
Königsberger  Universitäts- Akten  eine  Urkunde  in  die  Hand 
gekommen  ist,  in  welcher  auch  der  damals  76  jährige  Senior 
der  philosophischen  Facultät  „I.  Kant"  als  Mitglied  des  Univer- 
sitäts-Senats neben  seinen  Kollegen  das  Gutachten  unterzeichnet, 
welches  die  vom  Könige  Friedrich  Wilhelm  IH.  gestellte  Frage, 
ob  bei  dieser  Universität  eine  katholisch-theologische  Facultät 
errichtet  werden  solle,  beantwortet:  so  dürfte  die  Mitteilung 
dieser  Urkunden  nicht  unnötig  erscheinen. 

Um  sich  aber  von  vornherein  über  den  Inhalt  derselben 
ein  richtiges  Urteil  zu  bilden,  wolle  man  nicht  blos  erwägen, 
daß  das  durch  die  Teilung  Polens  an  Preußen  gekommene 
„Süd-  und  Neu-Ostpreußen"  wesentlich  katholisch  war  und  in 
Königsberg  die  nächste  Universität  hatte,  sondern  auch,  daß 
der  Katholicismus,  welchen  man  „neben"  der  Universität  dulden 

*)  Aus  einem  Aktenstück  im  Schranke  der  theol.  Facultät  in  Königs- 
berg, betitelt  „Wegen  Errichtung  eines  Bildungs-Instituts  für  katholische 
Theologen  neben  der  lutherischen  Facultät  zu  Königsberg.  1800."  Lit.  A.  1. 1. 


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408 


Das  Projekt  des  Königs  Friedrich  Wilhelms  HL  etc. 


wollte,  der  nicht-jesuitische  war.  Denn  diese  ganze  Angelegen- 
heit spielt  im  Jahre  1800;  zwischen  1773  und  1814  gab  es  aber 
keinen  Jesuitenorden  in  der  katholischen  Kirche.  — 

Unter  dem  3.  Febr.  1800  hatte  der  König  Friedrich  Wil- 
helm III.  von  dem  akademischen  SenatT  zu  dem  I.  Kant  ge- 
hörte, ein  Gutachten  über  die  Frage  gefordert,  ob  und  wie 
„neben"  der  Universität  Königsberg  eine  katholisch-theologische 
Facultät  errichtet  werden  könne.  Diese  Kabinetsordre  lautete 
folgendermaßen. 

[Copia.]  Von  Gottes  Gnaden  etc.  Unsern  etc.  Die  Acqui- 
situm von  Süd-  und  Neu-Ostpreußen  macht  es  nothwendig,  daß 
für  die  Bildung  der  jungen  katholischen  Theologen  aus  jenen 
Provinzen  auf  eine,  nicht  nur  am  mindesten  kostspielige,  son- 
dern zugleich  auch  zweckmäßigste  Art  gesorgt  werde.  Es  ist 
daher  in  Vorschlag  gebracht,  bei  der  dortigen  Universität  zwei 
katholische  Lehrer,  nämlich  einen  Professor  der  Theologie  und 
einen  Professor  des  katholischen  Kirchenrechts  anzustellen  und 
denselben  das  Recht  beizulegen,  die  sogenannten  akademischen 
Würden  in  der  Theologie  zu  ertheilen. 

Es  versteht  sich  übrigens  von  selbst,  daß  diese  katholische 
Professores  Theol.  nicht  eigentlich  Mitglieder  des  akademischen 
Corporis  sein  können,  sondern  ein  ganz  neues,  neben  der 
eigentlichen  Universität  existirendes  Bildungsinstitut  für  katho- 
lische Theologen,  welche  letztere  nun  zugleich  den  Unterricht 
der  eigentlichen  Universitäts-Professoren  von  der  philosophischen 
Facultät  mit  genießen  können,  ausmachen  würden,  und  daß  diese 
katholische  Professores  Theol.  zugleich  die  Doctorwürde  der  katho- 
lischen Theologie  zu  ertheilen,  werden  bemächtigt  werden  können. 

Ob  nun  gleich  bereits  eine  ähnliche  Einrichtung  bei  der 
Universität  Halle  in  Ansehung  der  reformirten  Professoren  Statt 
findet,  und  die  Ausführung  dieser  Idee  also  keinen  Schwierig- 
keiten unterworfen  zu  sein  scheinet:  so  wollen  wir  doch  zuvor 
Euren  gutachtlichen  Bericht  darüber  gewärtigen.    Sind  etc. 

Berlin  den  3.  Februar  1800. 
Auf  Sr.  Kgl.  M.  Allergn.  Specialbefehl.  Massow. 


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Von  Prof.  Dr.  Tschackert. 


469 


Am  11.  März  1800  hatten  sich  Rector  etc.  und  Senat 
schlüssig  gemacht  und  übersandten  mit  einem  Anschreiben  vom 
13.  März  ihre  Antwort.  Das  Anschreiben,  welches  mit  der 
eigenhändigen  Unterschrift  Kant's  und  der  andern  Senatsmit- 
glieder etc.  versehen  ist,  trägt  die  Adresse 
„Au  Roi 

zum  Departement  Sr.  Excellenz  des  wirklichen  ge- 
heimen Staats-  und  Kriegsminister,  auch  Oberburg- 
grafen Freiherrn  von  Ostau." 
und  lautet,  wie  folgt: 

Allerdurchlauchtigster,  Großmächtigster  König, 
Allergnädigster  König  und  Herr! 
Wir  überreichen  in  der  Beilage  Ew.  Königl.  Majestät 
Allerunterthänigst  das  Rescript  d.  d.  Berlin  den  3.  Februar  c.  — 
betreffend  die  Einrichtung  eines  Bildungs-Instituts  für  katho- 
lische Theologen  neben  dieser  lutherischen  Universität  —  nebst 
unserer  untertänigsten  Antwort  d.  d.  Königsberg  den  11.  März. 
In  tiefster  Unterthänigkeit  sind  wir 

Ew.  Königl.  Majestät 
Königsberg  den  13.  März.  aUerunterthänigste 
Rector,  Cancellarius,  Director  und  Senat  der  Universität, 
Eisner,  Holtzhauer,  J.  E.  Schulz,  Graef,  Schmalz  D,  Metzger, 
h.  t.  Rector, 

I.  Kant,    Reusch,  Kraus. 

Die  Hauptsache  für  uns  ist  nun  eben  die  als  „Beilage" 
hinzugefügte  Antwort  vom  11.  März  1800.    Sie  lautet: 

Allerdurchlauchtigster  etc. 

Zur  allergehorsamsten  Befolgung  Ew.  K.  Maj.  allergnädig- 
sten  Befehls,  wegen  eines  hier  zu  errichtenden  Lehrinstituts  für 
katholische  Theologen  neben  der  hiesigen  lutherischen  Univer- 
sität unsern  gutachtlichen  Bericht  abzustatten,  verfehlen  wir 
nicht,  unsre  unvorgreif liehe  Meinung  dahin  zu  äußern,  daß, 
wenngleich  ein  solches  Institut  von  dem  in  Halle  befindlichen, 
für  die  reformirte  Kirchenpartei  bestimmten,  sehr  verschieden 
ist,  doch  im  ganzen  wider  die  Sache  selbst,  nach  den  in 


470 


Das  Projekt  des  Königs  Friedrich  Wilhelms  III.  etc. 


Ew.  K.  Maj.  Allergnädigstem  Rescript  angezeigten  Mo- 
dalitäten und  Einschränkungen,  nichts  erhebliches 
einzuwenden  sein  dürfte.  "Wir  wagen  es  daher,  blos  einige 
nähere  Bemerkungen  über  einen  und  den  andern  besondern 
Umstand  Ew.  Kgl.  Maj.  höchstem  Ermeßen  und  Verfügung  an- 
heimzustellen. 

Der  akademische  Senat  hofft  und  setzt  es  vertrauensvoll 
voraus,  daß  bei  Besetzung  der  Lehrerstellen  des  neuen  Instituts 
auf  geschickte,  duldsame  und  verträgliche  Männer  werde 
Rücksicht  genommen  werden. 

Da  die  katholischen  Studiosi  Theologiae  die  Vorlesungen 
der  Lehrer  der  philosophischen  Facultät  besuchen  sollen,  so 
würden  sie  eben  so,  wie  alle  andere  Studiosi  bei  der  Universität 
immatriculirt  werden,  auch  in  allen  Civilsachen  unter  dem  foro 
derselben  stehen  und  nach  den  Universitätsgesetzen  für  Studi- 
rende  behandelt  werden,  welches  auch,  indem  sie  dadurch  gleiche 
Rechte  mit  den  andern  Studiosis  erhalten,  fast  nothwendig  wäre, 
um  etwanige,  im  Gegenfall  sich  leicht  ereignende  Kollisionen 
zu  verhüten. 

Was  den  Gerichtsstand  anbetrifft,  an  den  die  katholischen 
Professoren  der  Theologie  zu  weisen  wären,  so  überläßt  der 
akademische  Senat  es  lediglich  Ew.  Majestät  höchstem  Ermeßen 
und  weitern  Anordnung. 

Wenn  Ew.  Königl.  Majestät  in  Höchstdero  Rescript  es 
schon  zu  bestimmen  geruht  haben,  „daß  die  katholischen 
Professoren  nie  Mitglieder  des  Senats  werden  können", 
so  erkennt  der  Senat  hierin  Ew.  K.  Maj.  weise  Fürsorge  für 
die  statutarische  Erhaltung  der  Universität  mit  der  dankbar- 
lichsten  Verehrung,  findet  sich  jedoch  auch  hierbei  veranlaßt-, 
allerunterthänigst  zu  bemerken  und  darauf  anzutragen,  daß  sie 
nach  den  Statuten  dieser  Universität  auch  nie  Mitglieder 
einer  Facultät,  auch  nicht  der  philosophischen  Facultät 
werden  können;  daß  sie,  außer  den  ihnen  angewiesenen 
Lehrstunden  für  die  katholische  Theologie  und  für  das  katho- 
lische Kirchenrecht,  keine  andre  Vorlesungen  der  eigent- 


_Digitize€Ü>y-4»»ögft: 


Von  Prof.  Dr.  Tschackert. 


471 


liehen  Universitätsprofessoren  in  der  Philosophie, 
Mathematik,  Physik,  Geschichte,  der  deutschen,  latei- 
nischen, griechischen  und  orientalischen  Sprachen 
nebenbei  halten,  noch  auch  academische  Lehrerwürden 
in  irgend  einer  Facultät  erhalten  können. 

Da  wahrscheinlich  bei  den  theologischen  Disputir- 
übungen  und  den  Promotionen  zur  theologischen  Doctor- 
würde  manche,  hier  ungewohnte  und  deshalb  auffallende  Ritual ia 
statt  finden  dürften,  so  dürfte  es  den  katholischen  Professoren 
selbst  angenehmer  sein,  daß  ihnen  dazu  besondere  Oerter 
oder  Sääle  angewiesen  würden. 

Auch  wäre  in  unserm  pflichtmäßigen  Vorstellen  unter- 
tänigst zu  bemerken,  daß  der  stiftungsmäßigen  Regel  nach,  für 
katholische  Studiosos  weder  Stellen  im  Convictorio  noch  sonst 
andre  Stipendia  bei  der  Academie  bestimmt  sind. 

Der  academische  Senat  getröstet  sich  der  allergnädigsten 
Erlaubnis,  bei  etwa  besondern  Umständen,  die  sich  bei  Errich- 
tung des  Lehrinstituts  ergeben  sollten,  Ew.  Kgl.  Maj.  seine 
etwanige  Bedenklichkeiten  allerunterthänigst  darlegen  zu  dürfen. 

Mit  der  tiefen  Submission  etc. 

Königsberg,  den  11.  März.  1800.  — 


Aus  welchen  Gründen  der  König  von  der  Ausführung 
seines  Projekts  Abstand  genommen  hat,  ist  unbekannt. 


Aura.    Die  gesperrt  gedruckten  Stellen  sind  von  mir  hervorgehoben 
worden.  Tsch. 


Kritiken  und  Referate. 


Gegen  einen  Aufsatz  Yeckenstedts. 

In  No.  31  des  II.  Jahrganges  der  "Wochenschrift  „Von  Nah  und  Fern" 
hat  deren  Herausgeber,  der  Dr.  phil.  Edmund  Veckenstedt,  einen  Aufsatz 
(„Auf  den  Lettenburgen")  veröffentlicht,  welcher  meine  Landsleute  und  mich 
persönlich  in  ganz  gröblicher  Weise  angreift.  Ist  es  mir  auch  vollständig 
einerlei,  wie  dieser  Herr  über  mich  urteilt,  so  ist  es  mir  doch  nie  und  am 
wenigsten  in  der  gegenwärtigen  Zeit  und  vor  einem  deutschen  Publikum 
gleichgiltig,  wenn  jemand  meine  Heimath  schmäht,  der  hier  in  Curland 
Gastfreundschaft  und  Existenz  gefunden  hat.  Ich  säume  demgemäß  nicht, 
jenem  Angriff  den  folgenden  Protest  entgegenzustellen,  in  welchem  ich 
auch  die  gegen  mich  gerichteten  Sätze  des  ersteren  kritisiert  habe,  um  den 
Wert  Veckenstedts  möglichst  deutlich  erkennen  zu  lassen. 

1.  Wie  wenig  der  Herr  Dr.  zu  beobachten  versteht,  erhellt  daraus, 
daß  er  trotz  einem  mehrjährigen  Aufenthalt  in  Curland  nicht  gemerkt  hat, 
daß  das  kleine  Häuflein  der  baltischen  Deutschen  heutzutage  nicht  um 
sociale  Privilegien  für  sich  kämpft,  sondern  mit  den  evangelischen  Letten 
und  Ehsten  und  für  sie  um  den  Fortbestand  der  Cultur,  welche  das  eine 
Zehntel  der  hiesigen  Einwohner,  die  Deutschen,  den  übrigen  neun  Zehnteln, 
Letten  resp.  Ehsten,  in  600  Jahren  aufgeprägt  hat. 

2.  Der  Herr  Dr.  phantasiert,  wenn  er  von  3  Mill.  Letten,  Liven, 
Finnen  und  Ehsten  im  baltischen  Lande  spricht,  und  wenn  er  letzteres  statt 
bis  Narva  —  bis  Petersburg  rechnet!  Vor  ein  paar  Jahrzehnten  gab  es 
eine  Mill.  Letten  mit  Einschluß  derer  in  den  Gotivernotnents  Witebsk  und 
Kowno  (ca.  200  000),  jetzt  ist  die  Zahl  in  Liv-  und  Kurland  auf  ca.  1  Mill. 
gestiegen.  Nicht  ganz  ebensoviele  Ehsten  und  Liven  giebt  es,  „Finnen" 
gar  keine  in  irgend  einer  nennenswerthen  Zahl!!  Also  durch  die  Ver- 
größerungsbrille ein  rundes  Drittheil,  blos  eine  Million,  zuviel  gesehen! 


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Gegen  einen  Aufsatz  Vockenstedts. 


473 


3.  Wozu  die  wegwerferde  Bemerkung:  „Die  150000  (baltischen) 
Deutschen  haben  nur  dreizehn  Gymnasien  und  eine  Universität." 
Die  Zahl  der  dreizehn  Gymnasien  (zu  denen  fünf  deutsche  höhere  Real- 
schulen, welche  ihre  Schüler  zum  deutschen  Polytechnikum  in  Riga  ent- 
lassen, nicht  mitgerechnet  worden  sind)  scheint  bei  unsern  Volksbildungs- 
verhältnissen, bei  der  relativ  kleinen  Zahl  der  schon  gebildeten  Familien 
gegenüber  der  Gesammteinwohnerzahl,  keineswegs  so  klein  zu  sein,  wenn 
doch  in  dem  hochgebildeten  Deutschland  auf  ca.  41  Mill.  Einwohner 
383  Gymnasien  kommen.  Um  ein  gleiches  Verhältnis  herzustellen,  fehlen 
uns  nominell  nur  drei  Gymnasien,  re  vera  nicht  soviel,  da  mehrere  unserer 
Gymnasien  fast  von  unten  bis  oben  wegen  Ueberfüllung  mit  Schülern 
Parallelklassen  haben.  Unsere  eine  Universität  für  ca.  2  Mill.  Landes- 
Einwohner  entspricht  genau  den  21  deutscheu  Universitäten  für  ca.  41  Mill. 
Einwohner,  zeigt  aber  eine  viel  größere  Frequenz,  wenn  sie  bereits  ca.  1700*) 
Studenten  zählt  gegenüber  der  Durchschnittsfrequenz  von  ca.  800  Studenten 
in  Deutschland.  Mögen  nun  auch  von  diesen  1700  Studenten  einige  Hunderte 
aus  dem  Innern  des  Reiches  gebürtig  sein,  so  bleibt  der  Zuwachs  der 
Universität  Dorpat  aus  den  baltischen  Provinzen  immer  noch  ein  viel 
größerer  als  die  Universitäten  Deutschlands  aus  ihrem  Gebiete  haben.  Gilt 
dann  aber  noch  ein  wegwerfendes  Urteil  über  unsere  13  Gymnasien  und 
eine  Universität  für  die  150000  Deutschen  und  die  sonst  angeblich 
geknechtete  und  verwahrloste  baltische  nationale  Landbevölkerung?! 

4.  Es  ist  Poesie  oder  Unkenntnis,  wenn  der  Herr  Dr.  behauptet,  in 
Dorpat  sei  eine  „Germania"  aufgestellt  worden.  Zufällig  war  es  kein  Femi- 
ninum, sondern  ein  Masculinum,  keine  Germania,  sondern  ein  Flujgott,  die 
Arbeit  eines  baltischen  Bildhauers. 

5.  Ich  tibergehe  billig,  wie  energisch  der  Herr  Dr.  für  Ausbreitung 
und  Herrschaft  der  russischen  Sprache  und  der  griechisch-katholischen 
Kirche  und  für  die  angeblich  vorhandene,  wenn  nicht  Ueberlegenheit,  so 
Gleichheit  der  inner-russischen  Bildung  und  Cultur  mit  der  baltischen 
plaidirt. 

6.  Ich  schweige  von  der  Verdrehung,  als  ob  baltische  Barone  oder 
Pastoren  jemals  sich  zum  Ruhme  angerechnet  hätten,  sie  seien  nicht 
Nihilisten  und  von  der  perfiden  Verdächtigung,  als  ob  wir  doch  welche 
sein  könnten,  sofern  er,  der  Herr  Dr.,  als  Nihilisten  einen  Bekannten,  einen 
mythischen  Baron  Hackelberg  nennt,  einen  „deutschen Baron  russischer 
Nationalität"  (?!).   Einen  solchen  Namen  giebt  es  bei  uns  nicht.  Vielleicht 


*)  Genau  1693  im  Januar  1886. 
Altpr.  Monataacbrift  Bd.  XXIII.  Hft  5  u.  6.  31 


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474 


Kritiken  nnd  Referate. 


hat  ein  Schwindler  aich  zur  Autorität  des  Herrn  Dr.  gemacht!  Sage  mir, 
mit  wem  Du  umgehst  .... 

7.  Nun  kommen  wir  auf  das  schöne  Geschichtchen,  welches  der  Herr 
Dr.  unverfroren  seinen,  vielleicht  glaubigen,  Lesern  auftischt  über  die  an- 
geblich noch  bestehenden  Frohnverhältnisse  in  Kurland.  Der  „Lette"  sei 
„verpflichtet  drei  Tage  in  der  Woche  dem  Deutschen  zu  arbeiten  und  dürfe 
nur  drei  Tage  für  sich  arbeiten."  Daß  dieses  nicht  wahr  ist,  hätte  der 
Herr  Dr.  von  seinen  zahlreichen  Schülern  lettischer  Nationalitat  im  Libauschen 
Gymnasium  wissen  müssen.  Wozu  die  Autorität  des  mythischen  Hackelberg 
dafür  anführen,  was  ihn  der  Augenschein  bei  seinen  Touren  durch  Kurland 
lehren  konnte. 

Seit  einer  Generation  giebt  es  überhaupt  keine  Frohne  mehr 
in  den  baltischen  Provinzen  und  ca.  80  bis  85  Procent  alles  Banerlandes 
auf  den  Privatgütern  ist  in  Liv-  und  Kurland  bereits  gokauftes  Eigentum 
der  Bauern.  Der  kleine  Rest  ist  Pachtbesitz.  Dieser  Banerlandverkauf  ist 
in  gar  keiner  Weise  von  der  Krone  erzwungen,  sondern  durch  die  Initiative 
der  Gutsherrn  in  Livland  seit  den  40er  Jahren,  in  Kurland  seit  den  50er 
und  60  er  Jahren  ins  Werk  gesetzt.,  während  NB  die  Krone  selbst,  die  den 
dritten  Theil  von  Kurland  als  Domaine  besitzt,  noch  nicht  einen  ein- 
zigen Bauerhof  verkauft  hat. 

8.  Nach  anderthalb  Spalten  voll  politischer  Verleumdungen  gegen  die 
Kurländer  geht  der  Herr  Dr.  zu  einigen  ethnographischen  Notizchen  über 
(eine  halbe  Spalte),  die  natürlich  ein  vollständiges  und  anschauliches  Bild 
des  hiesigen  Völkergewirres  geben!!  Namentlich  werden  Ethnologen  und 
Chemiker  dem  Herrn  Dr.  sehr  dankbar  sein  für  den  Aufschluß,  daJ  die 
blonde  Haarfarbe  der  Finnen  und  Liven  von  dem  „salzigen  Hauch"  der 
„kühlen"  Seewinde  komme.  Auffallend  erscheint  dabei  dem  Laien,  dal  der 
bedeutend  stärkere  Salzgehalt  z.  B.  des  Mittelländischen  Meeres  die  schwarz- 
haarigen Umwohner  noch  nicht  blond  „gehaucht"  hat,  wie  die  weniger 
salzige  Ostsee  das  schon  fertig  gebracht. 

9.  Endlich  beehrt  der  Herr  Dr.  mich  mit  dreiviertel  Spalten  seines 
Ergusses.  Alles  Persönliche  bleibe  bei  Seite.  Die  Hauptsache  ist  hier  meine 
Jahrzehnte  lang  im  baltischen  Lande  betriebene  Erforschung  der  Heiden- 
burg-Stellen. Der  Herr  Dr.  will  sich  und  seine  Leser  von  mir  da  „ein- 
führen" lassen.  Aber  gegen  die  aufgetischten  Unrichtigkeiten  protestiere 
ich;  die  hat  er  nicht  von  mir.  Z.  B.  daß  pils-kalns  „Burg1'  heilen  soll, 
—  jenes  lettische  Wort  heißt  nur  Burgberg,  niemalsBurg!  — ,  oder  dal 
die  „Lettenbnrgen"  (sie!)  „aufgefüllte  Hügel  und  Berge"  seien.  Gewöhnlich 
pflegt  man  die  Begriffe  Burg  und  Berg  zu  unterscheiden.  Dafür,  daß  der 
Herr  Dr.  die  von  mir  gehörten  „Wortangaben"  auf  obigen  deutschsprach- 
lichen, logischen  und  historischen  Unsinn  bezieht,  fehlt  einem  gebildeten 


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Gegen  einen  Aufsatz  Veckenstedts. 


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Menschen  der  passende  Ausdruck.  Der  Herr  Dr.  scheint  niemals  in  seinem 
Leben  etwas  von  den  „Bauerbergen"  gehört  zu  haben,  die  zahlreich  in 
Preußen  gefunden  und  auch  dort  schon  oft  abgebildet  und  beschrieben  sind. 
Diese  altlettischen  Befestigungen  in  Preußen  und  in  Alt-Livland  (letzteres 
ist  ja  das  alte  deutsche  Coloniegebiet  zu  beiden  Seiten  der  Düna)  sind  nicht 
mit  den  Ägyptischen  pyramidalen  Wunderwerken  zu  vergleichen,  wie  der 
Herr  Dr.  ironisch  bemerkt,  sind  nicht  aufgeschüttete  Berge  (solches  meint 
allerdings  der  Volksglaube  und  die  Volk ssage,  aber  nicht  die  Wissen- 
schaft und  ist  von  mir  niemals  behauptet  worden),  sondern  es  sind  ganz 
natürliche  Hügel,  die  oft  durch  künstliche  Absteilungen  der  Abhänge,  durch 
Anlegung  von  Gräben  und  Wällen  (letztere  finden  sich  oft  ohne  Graben  am 
Bande  des  Burgplateaus  aufgeschüttet)  zur  Erschwerung  des  Zugangs,  wo 
dieser  eben  leichter  geschehen  konnte,  und  durch  Pallisaden  in  Verteidigungs- 
zustand gesetzt  waren.  Die  Letten-„Burgen"  selbst  existieren  nirgends  mehr, 
denn  es  waren  Baulichkeiten  von  Holz,  die  seit  Jahrhunderten  verbrannt 
oder  vermodert  sind,  und  so  ist  denn  auch  Herr  Dr.  Veckenstedt  trotz  der 
Ueberschrift  seines  Artikels  auf  keiner  einzigen  Letten-Burg  ge- 
wesen. Mauerwerk  war  den  heidnischen  Urbewohnern  des  Landes  unbe- 
kannt. Der  Herr  Dr.  zweifelt  an  der  Bedeutung  dieser  Berge  als  Burg- 
berge, weil  er  bei  einem,  wo  er  NB  „nach  seiner  Anweisung"  hat  graben 
lassen,  keine  Kohle  gefunden  hat,  er  weiß  aber  nichts  von  den  zahlreichen 
Funden  von  Kohle  u.  s.  w.,  ja  von  verkohltem  Getreide  auf  solchen  Burg- 
bergen, von  den  zahlreichen  Funden  der  regelmäßigsten  schönsten  Pallisaden- 
reihen  an  den  Bnrgplateau  -  Rändern.  Wo  das  Holzwerk  aber  eben  nicht 
verbrannt,  sondern  von  selbst  verfallen  und  vermodert  ist,  da  ist  hievon 
eben  nichts  zu  finden!  Beiläufig  bemerke  ich,  daß  in  Kurland  und  Süd- 
Livland  bis  jetzt  ca.  120  und  ca.  70,  zusammen  fast  200  solcher  Burgberge 
constatiert,  zum  Teil  auch  vermessen  und  gezeichnet  sind.  Der  Herr  Dr. 
hält  diese  Funde,  die  die  Anerkennung  aller  baltischen  Historiker  und  die 
so  trefflicher  Gelehrten  als  des  verstorbenen  Dr.  W.  Mannhardt -Dan zig  oder 
des  Prof.  Dr.  A.  Bezzenberger- Königsberg  in  Pr.  gefunden  haben,  mit 
„steifem  Nacken"  für  „Phantasterei".  Sollte  hier  der  „steife  Nacken"  nicht 
der  Eigensinn  des  Nichtwissens  sein  oder  der  Hochmut  des  Allein-wissen- 
wollens  ? 

10.  Der  Herr  Dr.  muthet  mir  zu,  ich  habe  seitdem  gegen  ihn  einen 
„Groll"  gefaßt.  Ich  habe  es  niemals  als  einen  Grund  des  Grolles  angesehen, 
wenn  sich  Jemand  einer  Erkenntnis  verschloß.  Aber  der  Herr  Dr.  hat  es 
nach  seinem  Charakter  sehr  unangenehm  empfunden,  als  ich  die  ersten 
Lieferungen  seiner  „Mythen,  Sagen  und  Legenden  der  2amaiten"  (Heidel- 
berg 1883)  in  der  lettisch- literarischen  Gesellschaft  und  in  der  Rigischen 
Zeitung  (December  1882)  höchst  milde  recensierend  andeutete,  der  wissen- 

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47G 


Kritiken  und  Referate. 


schaftliche  Wert  dieser  Sammlung  sei  für  die  Mythenforschung  zweifelhaft 
durch  die  Abhängigkeit  des  Heransgebers  von  seinen  Sammelgehilfen  (meist 
Schüler  des  Libauschen  Gymnasiums),  die  selbst  der  litauischen  Sprache  oft 
nicht  genügend  mächtig  und  in  der  Sache  zu  unerfahren,  vielfach  gewiß 
nicht  mala  fide,  unzuverlässiges  Material  herbeigeschafft.  Allerdings  wurde 
damals  auch  erzählt,  daß  einzelne  Schüler  ihrem  Lehrer  die  „Volkstraditionen" 
in  der  Klasse  während  der  Unterrichts-Stunden  fabriciert  hätten.  That- 
sächlich  bestimmte  Dr.  V.  die  Zahl  der  von  einzelnen  Schülern  aus  den 
Ferien  mitzubringenden  Märchen,  Sagen  u.  s.  w.  (5  —  10  —  15 . . . .)  Hatte 
der  Junge  nicht  so  viele  aufgabeln  können,  so  wurden  eigene  Dichtungen 
geliefert.  Das  ist  zuverlässiges  Material  für  die  Wissenschaft.  Uebrigens: 
diese  Thatsache  hörte  ich  erst  nach  meiner  zahmen*)  Recension  vom 
December  1882.  Wer  in  seinem  Leben  so  viele  Volkstraditionen,  wie  ich. 
selbst  aufgezeichnet  hat  und  durch  andere  sich  hat  aufzeichnen  lassen,  der 
weiß,  wie  groß  die  Gefahr  der  Täuschung  in  Folge  von  Unkenntnis  auf  der 
einen  und  Gefälligkeit  auf  der  anderen  Seite,  und  welch  große  Nüchternheit 
der  Kritik  da  notwendig  ist.  Letztere  erscheint  aber  ziemlich  unmöglich 
bei  mangelhafter  Kenntnis  der  Volkssprache,  woran  auch  Dr.  V.  zu  labo- 
rieren gehabt  hat.  Er  ist  eben  in  den  Händen  seiner  Sammelgehilfen  ge- 
wesen. Der  oben  besprochene  Artikel  „Auf  den  Lettenburgen"  scheint  eine 
Bezahlung  für  meine  Recension  vom  December  1882  zu  sein.  Hinc  illae 
lacrimae!  Dr.  A.  Bielenstein,  Pastor. 


Alterthumsgesellschaft  Prussia  1886. 

In  der  Sitzung  am  19.  Februar  wurde  zuerst  ein  Aufsatz  des  Herrn 
Pfarrer  Skierlo  aus  Angerburg  verlesen.  Derselbe  enthielt  das  statistische 
Material  von  der  Stadt-  und  Landgemeinde  Angerburg  in  Bezug  auf  die 
Sterblichkeit  im  Pestjahre  1710.  Da  die  Einwohnerzahl  der  Stadt  Aager- 
burg  und  der  19  Ortschaften,  welche  die  Landgemeinde  Angerburg  bildeten 
trotz  Schmidt's  vortrefflicher  Geschichte  das  Kreises  Angerburg  nicht  sicher 
nachweisbar  ist,  so  wurde  die  Einwohnerzahl  der  genannten  Plätze  aus  dem 
Jahre  1880  zur  Vergleichung  mit  der  Bemerkung  zu  Grunde  gelegt,  daß 
die  Kopfzahl  schon  wegen  des  damals  fern  von  Preußen  geführten  spanischen 
Erbfolgekrieges  viel  geringer  gewesen  sein  mußte.   Im  Jahre  1880  hatte 

*)  Man  vergleiche  die  ungleich  schärferen  Kritiken  in  dieser  Zeit- 
schrift Bnd.  XXH  S.  158  (anonym)  und  S.  346—352  (von  Bezzenberger)  und 
die  sehr  skeptische  im  Archiv  für  slavische  Philologie  Bnd.  IX  S.  12—82 
(von  A.  Brückner). 


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Alterthumsgesellschaft  Prussia  1886. 


477 


die  Stadt  Angerbarg  4827  Einwohner  and  im  Jahre  1710  starben  von  einer 
wahrscheinlich  geringeren  Bevölkerung  1111  Personen,  die  19  Ortschaften 
der  Landgemeinde  Angerburg,  wie  sie  1710  bestand,  hatten  1880  in  Summa 
7198  Einwohner,  es  starben  im  Jahre  1710  von  einer  geringeren  Bevölkerung 
2118  Personen.  Um  diese  Uebersicht  noch  zu  rectificiren,  war  für  die  Jahre 
1700 — 1720,  für  drei  Jahre  aus  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts 
und  für  die  Jahre  1800,  1806  und  1807  eine  Speciiikation  der  gestorbenen, 
der  getrauten  Paare  und  der  Geborenen  gegeben  Das  Jahr  der  größten 
Sterblichkeit  nach  dem  Jahre  1710  war  das  Jahr  1807.  Für  dasselbe  sind 
in  der  Kolumne  der  Verstorbenen  592  Personen,  in  der  der  getrauten 
Paare  48,  in  der  der  Geborenen  258  verzeichnet. 

Der  auf  die  Tagesordnung  gesetzte  zweite  Vortrag,  welchen  Herr 
Professor  Zander  freundlichst  übernommen  hatte,  mußte  wegen  Krankheit 
desselben  verschoben  werden  und  hielt  der  Vorsitzende  Dr.  Bujack  einen 
Vortrag  über  die  Wappen  des  deutschen  Ordens.  Die  Ordensstatuten  nennen 
drei  Kleidungsstücke  des  Ordensritters  und  die  Leichendecke  der  Ordeiw- 
kapelle,  welche  mit  dem  Ordenswappen  bezeichnet  sein  mussten.  Trotz 
dieser  so  zu  kennzeichnenden  geringen  Zahl  von  Gegenständen  und  trotz 
der  den  Ordensrittern  gebotenen  Einfachheit  gab  es  noch  verschiedene  andere 
Objekte,  die  das  Ordenswappen  trugen.  Schon  im  Prussia  -  Museum  giebt 
es  folgende  Gegenstände  mit  dem  genannten  Abzeichen,  einen  Altar  aas 
dem  vierzehnten  Jahrhundert,  die  Wange  eines  Kirchenstuhls  des  Hoch- 
meisters Friedrich  von  Sachsen,  aus  dem  Anfang  des  16.  Jahrhunderts,  aus 
Neuhausen;  einen  in  Wiskiauten,  Kreis  Fischhausen,  gefundenen  silbernen 
Fingerring,  aus  dem  Ende  des  12.  oder  aus  dem  Anfang  des  13.  Jahr- 
hunderts; ein  vor  Kurzem  erworbenes  Richtschwert  aus  dem  15.  Jahrhundert. 
Welche  Waffen  das  Ordenswappen  trugen  und  welche  nicht,  führte  zu  einer 
zusammenfassenden  Betrachtung  der  Ordenswaffen  and  za  einer  Unter- 
scheidung des  einfachen  Ordenswappens  und  des  Hochmeisterwappens. 
Während  das  Hochmeisterwappen  in  der  Vertheidungswaffe,  dem  Schilde, 
und  in  der  Kleidung  sich  je  nach  dem  Träger  und  in  den  Münzen  je  nach 
der  Regierungszeit  veränderte,  trat  eine  Veränderung  des  Wappens  für  das 
Petschaft,  das  Sekret,  seltener  und  für  die  Fahne,  das  Banner  gar  nicht  ein. 
Unter  denselben  wird  das  Hochmeister-  und  das  Ordensbanner,  welches 
letztere  der  Marschall  als  das  eigentliche  Ordensbanner  führte,  von  dem 
Sanct  -  Georgs  -  Banner  und  von  dem  Banner  mit  dem  Bilde  der  Jungfrau 
Maria  unterschieden.  Unter  Letzteren  wurden  die  fremdea  Ritter  zur 
Heeresfolge  auf  den  Kriegsreisen  gegen  die  Littauer  eingereiht.  Hieran 
schließen  sich  historische  Daten  über  die  Reihenfolge  der  Banner  wie  über 
die  Ehre,  der  Träger  des  Sanct-Georgs-Banners  zu  sein.  Eine  Besprechung 
der  Halbbrüder  des  deutschen  Ordens,  wie  der  bildlichen  and  figürlichen 


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478 


Kritiken  und  Referate. 


Darstellung  von  Ordensrittern  bleibt  einem  anderen  Mitgliede  in  einer 
spateren  Sitzung  vorbehalten. 

Zum  Schlüsse  erfolgte  die  Vorlage  von  31  Silberbarrenstücken,  welche 
der  Herr  Besitzer  Broczni  in  Pöppeln,  Kreis  Labiau,  auf  seinem  Grund  tmd 
Boden  gefunden  hatte.  Dieser  Fund  war  von  der  Oesellschaft  erworben  and 
darf,  obwohl  ihn  Herr  Regierungspräsident  Studt  für  den  Staat  dem  Ver- 
eine abgekauft  hat,  als  zum  Inventarium  der  Sammlung  vaterländischer 
Alterthümer  gehörig,  im  Prussia-Museum  weiter  aufbewahrt  werden.  Hierfür 
wird  Herrn  Regierungspräsidenten  Studt  der  Dank  der  Gesellschaft  von 
dem  Vorsitzenden  ausgesprochen.  —  Herr  Holphotograph  Gott  heil  hat  den 
Fund  in  natürlicher  Grösse  aufgenommen  und  die  wohlgelungene  Photo- 
graphie der  Gesellschaft  zum  Geschenk  gemacht. 

Ferner  waren  als  Geschenke  eingegangen:  ein  Tabatiere-Gewehr  vom 
Gymnasiasten  Moszeik,  und  eine  Generalkarte  von  allen  preussischen 
Staaten,  herausgegeben  im  Jahre  1790,  gestochen  von  Jack  in  Berlin,  vom 
Gymnasiasten  Moldehnke.  —  Gekauft  wurde  für  das  Prussia-Museum  ein 
Richtschwert  aus  der  Zeit  des  deutschen  Ordens,  welches  an  Länge  die 
Richtschwerter  des  17.  und  18.  Jahrhunderts  weit  überragt,  ein  messingener 
Leuchter  von  durchbrochener  Arbeit  vom  Jahre  1652,  welche  Zahl  auf  dem- 
selben in  kunstvoller  Weise  angebracht  ist,  und  eine  grosse  Wanduhr  aus 
dem  17.  Jahrhundert  mit  bemaltem  Zifferblatt,  auf  welchem  Joseph  in  der 
Grube  dargestellt  ist.  [Ostpr.  Ztg.  v.  19,  März  1886  No.  66.] 

In  der  Sitzung  am  19.  Mär/  er.  hielt  Herr  Rittergutsbesitzer  Hellbar  dt 
auf  Tengutten  einen  Vortrag  über  eine  Reise  auf  dem  La  Plata  und  über 
Sitten  und  Gebräuche  in  Paraguay.  Der  erste  Theil  umfaßte  die  Fahrt  auf 
dem  genannten  Strom  von  Buenos  Ayres  über  Corrientes  und  Assuncion 
nach  Rosario.  Der  Vortragende,  welcher  das  Jahr  1884  besonders  in 
Argentinien,  Paraguay  und  Süd-Brasilien  zugebracht  hatte,  um  sich  dort 
eventuell  anzukaufen,  gab  eine  sehr  anziehende  Schilderung  der  Flußfahrt 
und  der  anliegenden  Ufer  und  Städte  in  mehrfacher  Beziehung.  In  dem 
zweiten  Theile  charakterisirte  er  nicht  nur  den  Gaucho  und  den  wohl- 
habenderen Heerden-  und  Gutsbesitzer,  sondern  auch  das  sociale  und  politische 
Leben  in  den  Städten,  die  Regiorungs-  und  Militärmacht  mit  den  ihnen 
anhaftenden  Schwächen,  dazu  Photographien  und  Gegenstände  vorlegend, 
welche  der  Vortragende  dem  Prussia-Museum  schon  früher  als  Vergleichungs- 
stücke zu  den  praehistorischen  Sammlungen  geschenkt  hatte,  und  die  durch- 
reisten Gegenden  der  Pampas,  des  Gran  Chaco,  der  Vervalei  von  Rosario, 
des  südlichen  Brasilien,  Rio  Grande  do  Stil  u.  a.  in  Morgenstern 's  topographischer 
Karte  der  Republik  Paraguay  anzeigend.  Dieser  genannte  Kartograph, 
welcher  seine  Arbeit  trotz  der  Fortnahme  seines  gesammelten  Materials 
durch  die  Regierung  aus  dem  Gedächtnis  herzustellen  wußte,  erfuhr  eine 


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Alterthumsgesellschait  Prussia  188ß. 


479 


günstigere  Kritik  als  zahlreiche  Publicisten,  welche  in  ihren  Berichten  nur 
ein  persönliches  Interesse  verfolgen.  —  Außerdem  waren  in  der  Sitzung  die 
neuen  Accessionen  des  Prussia-Museums  vorgelegt:  ein  Zündnadelgewehr 
aus  der  Schlacht  von  Trautenau  1866,  ein  Chassepotgewehr  von  Metz  aus  1870, 
ein  Bajonett  eines  solchen,  ein  anderes  der  Garde  mobile,  ein  österreichischer 
Unterofficier-Säbel  vom  Schlachtfelde  von  Königgrätz  1866,  eine  österreichische 
Feldflasche  aus  Holz  für  Wein  und  Wasser  von  demselben  Schlachtfelde, 
eine  blecherne  französische  Feldflasche  von  Metz,  sämmtliche  Gegenstände 
vom  Major  v.  Sanden,  ebenso  eine  geschliffene  Glasflasche  mit  bleiernem 
Stöpsel,  welcher  die  Jahreszahl  1784  trägt,  eine  geschliffene  und  vergoldete 
Glasflasche  zur  Aufhebung  von  Rosenöl,  geschenkt  von  einem  Geber,  der 
nicht  genannt  sein  will.  Femer  wurden  gekauft:  zwei  als  Petschafte  in 
Tombak  gefasste  Karneole,  wie  sie  noch  vor  40  Jahren  an  dem  unteren 
Bande  der  Weste  getragen  wurden,  ein  Feuerstahl,  dessen  Griff  einen  laufen- 
den Hund  darstellt,  aus  dem  Anfang  dieses  Jahrhunderts,  eine  messingene 
Büchse  zu  holländischem  Tabak  mit  eingravirten  Bildern  auf  den  Sündenfall 
und  einer  holländischen  Inschrift,  eine  zweizinkige  Gabel  und  eine  große 
Nadelbüchse  aus  Berliner  Porzellan  mit  messingenem  Beschlag,  sämmtlich 
aus  dem  vorigen  Jahrhundert,  eine  große  eiserne  Kiste  mit  einem  Kunst- 
8chloas,  aber  ohne  Schlüssel,  geschenkt  von  dem  Magistrat  zu  Rastenburg. 
Zur  Münz-Sammlung  schenkte  Dr.  Levy  einen  Denar  des  Kaisers  Trajanus 
mit  wohlerhaltenem  Revers,  und  Konsul  Dr.  Jerosch  folgende  Münzen: 
ein  Dreigroschenstück  des  pohlischen  Königs  Sigismund  August  vom  Jahre  1562 
für  Littauen,  eine  holländische  silberne  Denkmünze  auf  das  Jahr  1702,  ein 
24-Mariengroschenstück  vom  Jahre  1706,  ein  holländisches  2-Schillingstück 
vom  Jahre  1768,  ein  eben  solches  von  West-Friedland  vom  Jahre  1787, 
eine  silberne  Denkmünze  auf  Aachen  ohne  Jahreszahl  mit  Inschrift  in  zwei 
concentrischen  Kreisen  und  Bild  auf  dem  Revers  in  Betreff  der  Heilquelle 
einen  halben  Franc  Napoleon  I  aus  dem  Jahre  13  der  Revolution,  Huldigungs- 
münze  auf  den  souveränen  Fürsten  Wilhelm  von  Oranien- Nassau  vom 
Jahre  1814  und  eine  kupferne  Marockanische  Münze  der  neuen  Zeit. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  17.  April  1886  No.  91.] 
Den  Vortrag  in  der  Sitzung  des  16.  April  hielt  Herr  Professor  Zander 
und  gab  ein  Lebensbild  des  Kanzlers  von  Wegnern.  Nicht  nur  persönliche 
Bekannntschaft,  sondern  auch  die  von  dem  einzigen  Sohne  des  Kanzlers, 
der  als  Rath  1.  Klasse  jetzt  in  Berlin  lebt,  dem  Vortragenden  gemachten 
Mittheilungen  verliehen  der  Zeichnung  des  edlen  Charakterbildes  ein  an- 
ziehendes Detail.  Heben  wir  von  den  äußeren  Verhältnissen  nur  dieses 
hervor:  Die  von  Wegnern,  welche  Vorfahren  des  Kanzlers  sind,  erhielten 
im  Beginn  des  80jährigen  Krieges  ihren  Adel,  die  mütterliche  Abstammung 
weist  aber  unter  den  Ahnen  die  Tochter  Luthers  auf,  welche  Georg  von 


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Kritiken  und  Referate. 


Kunheim  in  Preußen  heirathete.   Wenn  auch  der  Vater  und  der  Stiefvater 
des  Kanzlers  preußische  Generale  waren,  so  hatte  doch  Carl  Ludwig  August 
von  Wegnern,  geb.  1777,  keine  ganz  sorgenfreie  Jugend,  was  ihn  aber  weder 
in  seiner  religiösen,  kirchlichen  Richtung  noch  in  seinen  geistigen  Bestre- 
bungen beirrte.   Vierzehnjährig  bezog  er  die  Königsberger  Universität  und 
ward  als  Student  erst  eingesegnet,  nach  8  Jahren  wurde  er  Auskultator,  in 
seinem  19.  Lebensjahre  bestand  er  das  Assessor-Examen  und  21  Jahre  alt 
erhielt  er  seine  Anstellung  als  Rath  an  dem  Oberlandesgericht  zu  Inster- 
burg,  wo  er  nach  2  Jaliren,  also  1802  sich  mit  Emilie  Gräfin  zu  Eulenburg 
vermählte.   Die  Katastrophe  zu  Jena  und  Auerstädt  legte  auch  dem  mittler- 
weile nach  Neu-Süd-Preußen,  nach  Plock  im  Herzogthum  Warschau  ver- 
setzten Rath  von  Wegnern,  der  daselbst  auch  Kassen-Kurator  war,  schwere 
Prüfungen  auf.   Zuerst  hatte  er  seine  Frau  und  Kinder  zu  flüchten,  dann 
nach  dem  Einrücken  der  Franzosen  als  preußischer  Beamter  suspendirt, 
mußte  er,  da  er  als  Gefangener  nach  Frankreich  transportirt  werden  sollte, 
weil  er  die  preußische  Kasse  geborgen  hatte,  selbst  flüchtig  werden  und 
kam  1807  vor  Königsberg  in  so  traurigem  Anzüge  an,  daß  seine  Gattin, 
davon  benachrichtigt,  ihm  erst  Kleider  und  Stiefel  herausschicken  mußte. 
Stellenlos  und  doch  in  der  Nothwendigkeit,  für  seine  Frau  und  seine  drei 
Kinder  den  Unterhalt  zu  erwerben,  trug  er  sich  mit  mannigfachen  Plänen, 
eine  neue  Thätigkeit  zu  finden.   Pachtung  eines  Gutes  in  Ostpreußen,  Aus- 
wanderung nach  Amerika  oder  eine  Anstellung  in  Ost-Friesland  in  Hannover- 
schen Diensten  war  in  Aussicht  genommen,  als  bald  nach  dem  Frieden  zu 
Tilsit  ihm  die  Stelle  eines  Kreisgerichtsraths  in  Pr.  Eylau  angeboten  wurde. 
Hiemit  schließen  wir  die  Notizen  aus  dem  weniger  glücklichen  Theil  seines 
Lebens  und  theilen  von  seinen  ferneren  Schicksalen  noch  mit,  daß  er  noch 
fünf  Jahre  nach  seinem  50jährigen  Amtsjubilänm  als  Chefpräsident  des 
Oberlandesgerichts  in  Königsberg  bis  1849  thätig  war,  und  heben  ein  Hand- 
schreiben von  Ihren  Majestäten  des  Königs  Friedrich  Wilhelms  III.  und  des 
Königs  Friedrich  Wilhelms  IV.  hervor,  mit  welchem  letzteren  Schreiben  bei 
Gelegenheit  seines  Ausscheidens  aus  dem  Dienst  die  Verleihung  des  Schwarzen 
Adlerordens  verbunden  war.    Am  7.  November  1854  war  sein  Todestag,  an 
welchem  er,  wie  sein  Leben  hindurch,  seine  christliche  Gesinnung  bethätigte. 
—  Zum  Schluß  der  Sitzung  erfolgte  die  Vorlage  der  eingegangenen  Ge- 
schenke und  Erwerbungen  und  zwar  für  die  Sammlung  der  Steingerät  he : 
ein  undurchlochtes  Beil  aus  Diorit,  gefunden  an  dem  Teich  zu  Tilsit,  ge- 
schenkt, ein  durchlochtes  Beil  aus  Diorit-Gestein  mit  eigentümlich  abge- 
schnürtem Bahnende  und  ein  Bohrzapfen,  gefunden  auf  der  Kurischen  Neh- 
rung, gekauft;  für  die  Abtheilung  von  Ordenswaffen:  ein  eiserner  Schild, 
der  in  einer  Kapelle  aufgehängt  war,  gekauft;  für  die  Bibliothek  und  für 
die  Mappen:  Kirchenordnung,  wie  es  im  Herzogthumb  Preußen  —  gehalten 


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Alterthumsgesellschaft  Prussia  1886. 


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wird.  1568/25.  Novembris  in  2  Theilen  in  gr.  Quart,  gekauft;  eine  große 
Stecknadel  ans  Metall,  mit  welcher  eine  Piece  an  ein  Aktenstück  v.  J.  1739 
befestigt  war,  geschenkt;  eine  Photographie  des  Danziger  Rathhauses  und 
ein  Autograph  König  Friedrich  Wilhelms  III.,  geschenkt  von  Herrn  Rektor 
Frischbier.  [Ostpr.  Ztg.  v.  22.  Mai  1886.  No.  118  (Beil.)] 

In  der  Sitzung  am  21.  Mai  wurde  zuerst  ein  Aufsatz  eines  Ehren- 
mitgliedes der  Gesellschaft,  des  Herrn  Blell,  vormals  auf  Tilngen,  jetzt  in 
Gr.  Lichterfelde  bei  Berlin,  verlesen,  woselbst  seine  Waffenhalle  in  Kurzem 
ihre  Aufstellung  finden  wird.  Der  Verfasser  behandelt  in  seiner  Arbeit: 
„Ueber  die  Wappen  des  deutschen  Ordens"  eingehend  das  Ordenskreuz  der 
Halbbrüder  und  wendet  sich  dann  den  bildlichen  Darstellungen  des  Ordens- 
wappens zu,  um  aus  ihnen  einen  Schluß  zu  ziehen,  welche  Wandlungen 
und  Abänderungen  daßelbe  im  Laufe  der  Jahrhunderte  erfahren  hat.  Von 
den  Darstellungen,  abgesehen  von  den  Hinweisungen  auf  Voßbergs 
Preußische  Siegel  und  Münzen  kamen  besonders  in  Betracht  das  farbig 
bemalte  Epitaphium  des  Hochmeisters  Conrad  von  Thüringen  in  der  Kirche 
der  heiligen  Elisabeth  in  Marburg,  das  bemalte  Grabmal  des  Hochmeisters 
Luderus  von  Braunschweig  im  Dome  zu  Königsberg,  die  1888  vom 
Bayerischen  Maler  Herrn  Weinmaier  in  der  Schloßkirche  zu  Marienburg 
von  Kalktünche  befreiten,  in  Tempera-Farbe  ausgeführten  Wandmalereien 
von  7  Rittern,  das  merkwürdige  farbige  Bild  eines  Hochmeisters  in  Kriegs- 
tracht (zwischen  1407—22)  im  Innern  einer  Marienstatue  auf  dem  Haupt- 
altare  der  Marienkirche  in  Elbing,  die  im  15.  Jahrhundert  im  Dome  zu 
Marienwerder  angefertigten  Wandgemälde  dreier  Hochmeister  des  14.  Jahr- 
hunderts, die  derselben  Zeit  angehörigen  Tafelbilder  der  6  Hochmeister  von 
1450—97  im  Dome  zu  Königsberg  und  endlich  die  im  Kapitel 5aal  des 
Schlosses  zu  Marienburg  bloßgelegten  und  sichergestellten  Ueberreste  von 
Hochmeisterbildern  älterer  Zeit,  deren  Erhaltung  dem  Königlichen  Bau- 
meister Herrn  Steinbrecht  zu  verdanken  Ist,  einem  Manne,  der  die  ihm 
zugefallene,  ebenso  schwere  als  dankbare  Aufgabe  der  Wiederherstellung 
des  Ordensschlosses  zu  Marienburg  mit  vollster  Hingebung  zu  lösen  bemüht 
ist.  Das  Resultat,  zu  dem  der  Verfasser  kommt,  ist  dieses,  daß  das  eigent- 
liche Ordenswappen  im  Laufe  der  Jahrhunderte  fast  dasselbe  bleibt,  d.  h.  ein 
schwarzes  Kreuz,  dessen  Fußende  länger  ist  als  die  anderen  Theile  (Lateini- 
sches Kreuz)  und  mit  seinen  Enden  an  die  Schildwand  reicht  (Heroldsbild) 
auf  weißem  Schilde  und  ferner,  daß  das  Hochmeisterwap  pen,  unbeschadet 
des  Staatswesens,  von  ihren  Trägern  nach  Geschmack  und  Gefallen  abge- 
ändert werden  konnte  und  abgeändert  ist,  und  zwar  am  meisten  von  den 
beiden  letzten  Hochmeistern.  —  Hierauf  sprach  der  Vorsitzende  Dr.  Bujack 
über  alte  Stadtpläne  Königsbergs  und  legte  11  derselben  sammt  und  nach 
dem  Behring'schen  Plan  vom  Jahre  1618  vor.   Die  ältesten  Pläne  sind 


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Kritiken  und  Referate. 


daran  erkennbar,  daß  ihnen  die  Wälle  aus  der  Zeit  Gustav  Adolfs  (1696 
vollendet)  und  die  Sackheimer  Lutherische  Kirche  (1G46  erbaut)  fehlet. 
Der  bekannteste  Stadtplan  des  18.  Jahrhunderts  ist  der  LilienthaTsche, 
welchen  W.  Philipp  Kilian  1725  stach.   Derselbe  wurde  nach  dem  11.  No- 
vember 1764  neu  aufgelegt,  aber  die  Stellen,  an  denen  sich  im  alten  Plan 
der  Löbenicht,  die  Königlichen  Speicher  nebst  4  Gebäuden,  der  Sackheim, 
der  Anger,  der  Münchhof,  das  Löbenicht'sche  Rathhaus,  die  Löbenicht'sche 
Kirche,  das  große  Königliche  Hospital,  die  Katholische  Kircue,  die  Sack 
heimische  Kirche  befanden,  sind,  weil  dieselben  in  genannter  Zeit  ab- 
brannten, schwarz  schattirt.   Diesem  Brande,  dem  Eingehen  der  Kirchhöfe 
in  unmittelbarer  Nähe  der  Kirchen  und  der  Abtragung  der  alten  Altstädti- 
schen Kirche  ist  u.  A.  auch  die  Armuth  Königsbergs  an  Hausmarken  zu- 
zuschreiben.   Ueber  Letztere   hatte  Sprachlehrer  Herr  Gordack  einen 
Bericht  zum  Vortrage  übergeben.   In  demselben  waren  diejenigen  von  den 
Speichern  der  Lastadie,  von  dem  ehemaligen  Bienenkorb  an  der  Ecke  der 
Altstädtischen  Lang-  und  Schuhgasse  und  von  7  Altstädtischen  Holzstellen 
gesammelt  und  ihnen  die  auffallendsten  Namen  von  Speichern  angefügt, 
welche  u.  A.  dem  Pflanzen-  und  Thierreiche,  der  Geographie  und  einer 
Fülle  von  verschiedenartigen  Eigennamen  entlehnt  sind.   Einen  größeren 
Vorrath  von  landläufigen  Anschauungen,  aus  denen  die  Speichernamen  für 
Danzig  bis  zum  Jahre  1799  gewählt  waren,  wies  der  Berichterstatter  in 
Leubes  Handbuch  für  die  Danziger  Kaufmannschaft  nach,  in  welchem 
850  Speicherbezeichnungen  zusammengestellt  sind.     Im  Anschluß  an  die 
Speicher-Insel  Danzigs  und  das  Speicher-Revier  Königsbergs  giebt  Sprach- 
lehrer Herr  Gordack  noch  eine  übersichtliche  Schilderung  derjenigen  Ab- 
theilung des  Germanischen  Museums  in  Nürnberg,  welche  das  Handels- 
Museum  heißt,  bei  den  andern  Abtheilungen  nur  flüchtiger  verweilend,  um 
als  Pfleger  des  Germanischen  Museums  in  Königsberg,  die  Einheimischen, 
die  durch  Nürnberg  reisen,  auf  die  stete  Erneuerung  des  Besuchs  des  dortigen 
Museums  hinzuweisen,  aber,  wenn  er  vortheilhaft  sein  soll,  nach  vorange- 
gangener Durchsicht  des  vorherzubestellenden,  jährlich  neuerscheinenden 
Katalogs.  —  Hierauf  erfolgte  die  Vorlage   der  neuen  Accessionen  des 
Prussia-Museums  durch  den  Vorsitzenden.   Gekauft  waren  3  Autographen 
von  provinzieller  Bedeutung  und  zwar  von  York,  Scharnhorst  und  Gneisenan 
unter  je  einem  Glückwunschschreiben  aus  dem  Monat  Dezember  1808  an 
den  zum  Generalmajor  beförderten  und  in  den  Adelstand  erhobenen  Obrist 
Herrmann,  der  im  Jahre  1807  in  Stellung  eines  Kommandeurs,  als  die 
Franzosen  vor  die  Stadt  Pillau  rückten,  als  75 jähriger  Greis  die  Besatzung 
in  einen  Kreis  treten  und  mit  den  Worten  einen  Sarg  in  ihre  Mitte  stellen 
liess:  „Kameraden,  lebendig  übergebe  ich  die  Festung  nicht.   Hier  ist  mein 
Sarg.   Wer  mich  überlebt,  wird  hoffentlich  meine  Ueberreste  hineinlegen. 


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Alterthumsgesellschaft  Prussia  1886. 


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"Wer  ein  braver  Soldat  ist,  wiederhole  mit  mir  den  Schwur:  Preufcn  oder 
der  Tod!M  Alle  hatten  den  Schwur  geleistet  und  die  Festung  sich  bis  zum 
Frieden  gehalten.  —  Sonst  waren  noch  folgende  zahlreiche  Geschenke  ein- 
gegangen: von  Lieutenant  Herr  Baron  v.  Grothus:  Portrait  des  Staats- 
ministers v.  Schön,  von  Teichel  gestochen;  von  Fräulein  v.  Holleben:  ein 
in  Seide  gestickter  Geldbeutel  aus  dem  Jahre  1780,  ein  Schuh  aus  geripptem 
Seidenzeuge  4  Louis  quinze  und  ein  auf  Atlas  gedrucktes  Geburtstagsginlicht 
aus  derselben  Zeit;  von  Fräulein  v.  Bolschwing:  eine  mit  Füttern  ge- 
stickte Atlas  weste,  um  das  Jahr  1780  getragen  und  eine  Elle  mit  dem  ein- 
geschnitzten Namen  der  Besitzerin  und  der  Angaben  Klein  Baum  1777; 
von  Herrn  Stadtrath  Warken  tin:  zwei  Reisebestecke  in  gepreßten  Leder- 
Etuis,  ein  kleineres,  einfacheres  mit  Hornbelag-Griffen  vom  Jahre  1787  und 
ein  gröBeres  mit  schweren  silbernen  Griffen,  welche  die  richtige  Haltung 
des  Messer-  und  Gabel-Stils  in  der  Hand  darstellen,  vom  Jahre  1751,  säm ent- 
liehe oben  genannte  Gegenstände  werthvolle  Familienstücke,  über  welche 
die  Notizen  im  Prussia- Katalog  verzeichnet  sind;  von  Herrn  Oberförster 
Barkowski:  3  eiserne  Sporen  aus  dem  16.  und  17.  Jahrhundert,  gefunden 
in  der  Görlitz,  Kreis  Rasten  bürg;  —  zur  Bibliothek  vom  Gymnasiasten 
Dultz:  eine  Sammlung  rarer  und  merkwürdiger  Gold-  und  Silbermünzen 
Leipzig  1751  und  ein  Gebetbuch  „Allen  Häuft- Vätern  und  Hauß-Müttern  der 
löblichen  Alt-Städtischen  Christi.  Gemeine  zu  Königsberg  in  Preußen 
d.  1.  Decbr.  1670.   Halle  in  Sachsen  (in  sehr  grossen  Lettern  gedruckt).11 

Nachdem  sich  darauf  die  Gesellschaft  zur  Generalversammlung  kon- 
stituirt  hatte,  legte  der  zeitige  Kassenwart  Herr  Bildhauer  Eckart  die  von 
Herrn  Stadtrath  Warkentin  und  Herrn  Hauptmann  Ephraim  revidirten 
Rechnungen  des  Kalenderjahres  1885  vor  und  ertheilte  die  Generalversamm- 
lung auf  Antrag  der  Herren  Revisoren  dem  Vorstand  Decharge  für  die 
genannten  Rechnungen. 

[Ostpr.  Ztg.  vom  17.  Juni  1886,  No.  138.] 
Sitzung  vom  18.  Jini  1886.  In  der  letzten  Sitzung  vor  den  Ferien 
legte  auf  Veranlassung  des  Vorstandes  Herr  Freiherr  v.  <L  Trenck  einen 
1882  in  den  Besitz  des  Majoratsherrn  Grafen  v.  d.  Trenck  auf  Gräfl. 
Schakaulack  gekommenen  Zinnbecher  vor,  auf  den  wie  auf  mindestens  sieben 
andere,  sein  Ahnherr  Freiherr  Friedrich  Wilhelm  v.  d.  Trenck  (geb. 
1740  zu  Königsberg  und  gestorben  1792  zu  Paris)  während  seiner  beinahe 
zehnjährigen  Gefangenschaft  Zeichnungen  und  Dichtungen  seiner  eigenen  Kom- 
position eingekratzt  hatte.  Diese  Arbeit,  welche  der  Gefangene  bei  68  Pfund 
schweren  Ketten  und  in  einem  Ungeheuern  Halseisen  mit  einem  aus  einem 
Brett  gezogenen  Nagel  herstellte,  wäre  ihm  in  so  häufiger  Wiederholung 
und  in  immer  größerer  Vollendung  nicht  möglich  gewesen,  wenn  er  seine 
Schellen  nicht  durchsägt  und  die  GefängniÄwächter  durch  Zwischenkleben 


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Kritiken  und  Referate. 


von  Brodkrame  zwischen  die  Stücke  der  Handringe  nicht  getauscht  hätte. 
Bisher  ist  ein  solcher  in  dem  Jahre  1763  gravirter  Becher  in  den  Preußischen 
Pro  vinzial  blättern  Band  X  v.  J.  1856  p.  81  aus  dem  Besitz  des  Majorats- 
herrn Grafen  v.  d.  Trenck  und  ein  anderer  Becher  in  einer  besondem 
Schrift  des  Sächsischen  Archivrath  Dr.  Petzold  aus  dem  Besitz  des  König* 
von  Sachsen  den  Inschriften  nach  veröffentlicht.    Das  Heft  der  Alterthums- 
gesellschaft  Prnssia  für  das  laufende  Jahr  wird  mit  freundlich  ertheilter 
Erlaubnis  des  Besitzers  nicht  nur  die  Inschriften  und  die  Bezeichnung  der 
bildlichen  Darstellungen,  sondern  auch  eine  Gesammtansicht  dieses  vor- 
gelegten Bechers  und  die  virtuos  ausgeführten  Bilder  und  Inschriften  in 
genauer  bildlicher  Wiedergabe  enthalten,  wofür  Herr  Hofphotograph  Gott- 
heil  und  der  Direktor  der  Hartungschen  Druckerei,  Herr  Buske,  die  vor- 
bereitenden Schritte  in  sehr  dankenswerther  Weise  gethan  haben.  —  Der 
ferner  auf  der  Tagesordnung  stehende  Vortrag,  „Das  Gräberfeld  zu  Fürstenau, 
Kreis  Rastenburg,  konnte  nicht  gehalten  werden,  weil  derjenige,  welcher 
ihn  übernommen,  Herr  Dr.  Bujack,  durch  die  Betheiligung  an  dem  Be- 
gräbnis des  Herrn  Professor  Retzlaff  daran  behindert  war.   Herr  Pro- 
fessor Heydeck,  der  den  Vorsitz  übernahm,  verlas  einschreiben  des  Herrn 
Altrichter  ans  Wusterhusen  an  der  Dosse,  einen  Beitrag  zum  Wappen 
der  Ordensstadt  Neidenburg,  der  des  Hypothetischen  zu  viel  und  des  Sichern 
zu  wenig  enthielt.    Hieran!  spricht  Herr  Professor  Hey  deck  hinweisend 
auf  zwei  Figuren  von  Berliner  Porzellan,  welche  laut  letzter  Verfügung  des 
nun  verstorbenen  Justizbeamten  Lehrmann  dem  Prnssia-Museum  über- 
wiesen wurden,  über  die  Berliner  Manufaktur  des  vorigen  Jahrhunderte, 
besonders  Über  dieselbe  unter  Friedrich  dem  Groden  und  über  die 
künstlich  geschaffenen  Absatzqnellen.     Die  geschenkten  Figuren  stellen 
Abailard  und  Häloise  dar,  sie  geben  ein  charakteristisches  Beispiel  da- 
maliger künstlerischer  Auffassung.    In  Stellung  und  Ausdruck  zierlich,  mehr 
sinnlich  als  fromm,  sieht  namentlich  die  weibliche  Figur  in  ihrer  Nonnen- 
tracht recht  interessant  aus.   Hierauf  wurde  als  Accession  für  die  Schädel- 
Sammlung  ein  Frankenschädel  aus  Gondorf  im  Regierungsbezirk  Koblenz 
als  Geschenk  des  Herrn  Professor  Schneider,  saxnmt  dem  genauen  Bericht 
des  Finders,  Herrn  Dr.  Dombrowski,  vorgelegt.    Ein  Römischer  Kirchhof 
mit  Urnenbeisetzung  und  mit  Steinsärgen  war  in  der  spätem  Zeit  noch  von 
den  Franken  benutzt,  indem  sie  die  Sarkophage  zum  Theü  ihres  Inhaltes 
entledigten  und  in  denselben  Frankenleichen  niederlegten,  bisweilen  je  so- 
gar zwei,  so  thaten  sie  es  auch  mit  der  untersten  Schicht  der  Steinsarge, 
die  12  bis  14  FuJ  tief  standen.   In  diesen  wurde  auch  der  eingesandte 
Frankenschädel  gefunden.   Ferner  legt  Herr  Professor  Hey  deck  noch  eine 
Urne,  gefunden  bei  Taulensee,  Kreis  Osterode,  als  Geschenk  des  Herrn 
Hauptmann  Wiebe  vor,  die  in  Rücksicht  auf  ihr  Profil  und  ihre  schwarze 


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Alterthumsgesellschaft  Prussia  1886. 


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Färbung  der  Periode  der  Gesichtsurnen,  also  vorchristlichen  Zeit,  anzugehören 
scheint,  und  Urnenfünde  aus  dem  Galgenberg  bei  Kirpehnen,  Kreis  Fisch- 
hausen, als  Geschenk  des  Herrn  Rittmeister  von  Montowt  auf  Kirpehnen. 
Sie  stammen  sowohl  aus  Frauen-  als  Männer-Gräbern,  auf  jene  weisen 
thönerne  Spinnwirtel  hin,  auf  diese  eiserne  Reitzeuge,  ein  eiserner  Hobel 
und  ein  Schleifstein  von  bronzenen  Armbrust-  und  bronzenen  Sprossen- 
fibulen,  bronzenen  Spiralnngerringen,  verschmolzenen  gläsernen  Perlen  und 
bronzenen  Spiralen  und  einer  abgeriebenen  römischen  Bronzemünze  begleitet 
und  gehören  sämmtliche  der  sogenannten  Römischen  Periode  von  150  bis 
800  n.  Chr.  an. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  12.  Sept.  1886.  No.  218  (BeÜ.)] 


Mittheilnngen  and  Anhang. 


Eiii  angedrucktes  Schreiben  der  philosophischen  Facaltät  zu 
Königsberg  an  Immanuel  Kant,  d.  d.  30.  Juli  1801.  *) 

[Die  philosophische  Facultät  entbindet  Kant  von  der  Führung  des  Decanats, 
sichert  ihm  aber  den  weiteren  Bezug  der  Facultäts-Einkünfte  zu]. 
Mitgeteilt  von  Prof.  Dr.  Tschackert. 
Wir  haben  aus  Achtung  gegen  Ew.  Wohlgebohren  vieljährige  Ver- 
dienste um  unsre  Academie  und  aus  collegialischer  Freundschaft  reeolviret, 
Ewr  Wohlgebohreu  mit  dem  Decanate,  Ihrem  Wunsche  geniäfl,  gänzlich  zu 
verschonen,  jedoch  daJ  Ew.  Wohlgeborn  Ihren  bisherigen  Antheil  an  den 
Facultäts-Einkünften,  sowohl  an  Interessen  als  Initiations-Gebühren  ferner- 
hin erhalten,  dagegen  aber  die  Decanats-Emolumente  demjenigen  unter  uns 
zufallen,  welchen  die  Reihe  trift,  das  Decanat  zu  führen.   Wir  hoffen,  daß 
Ew.  Wohlgeboren  dieses  Ihren  Gesinnungen  ganz  gemäß  finden,  und  der 
Kürze  wegen  dieses  Schreiben  mit  Ihrem  Consentio  bezeichnet,  dem  zeitigen 
Decano  ad  Acta  zurückstellen  werden. 
Königsberg,  den  90.  July  1801. 

Decanus  und  Professors 
der  philosophischen  Facultät. 
Wald, 
h.  t.  Decan. 
[Darunter  schrieb  Kant  eigenhändig:] 
Consentio  I.  Kant. 
[Am  Rande  folgen  unten  die  Bemerkungen:] 
Legi  Wald,  Reusch,  J.  Schultz,  Kraus,  Hasse. 
[Die  Adresse,  welche  sich  auf  dem  vorletzten  Blatte  des  unten  bezeichneten 

Acten -Volumens  befindet,  lautet:] 
An 

des  Herrn  Professor  Kant 

Wohlgebohm. 

*)  Aus  einem  Volumen  betitelt:  „Acta  der  philosophischen  Facultät, 
das  Decanat  in  der  Facultät  betreffend,  seit  1801",  das  sich  im  Jahre  1886 
im  Aktenschrank  der  theologischen  Facultät  zu  Königsberg  vorfand  und 
jetzt  an  die  philosophische  Facultät  daselbst  abgeliefert  ist. 


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Ein  ungedruckter  Brief  des  Faustus  Socinus  etc. 


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Ein  ungedruckter  Brief  des  Faustus  Socinus 

an  Hieronymus  Moscorovius 
d.  d.  Racau,  5.  Juni  1603. 

Mitgeteilt  von  Prof.  Dr.  Tschackert. 

Fock  hat  in  seinem  Werke  „Der  Socinianismus"  I  (1847),  S.  179  über 
die  letzten  Lebensjahre  des  Faustus  Socinus  keine  detaillierten  Mittei- 
lungen gebracht.  Zur  Ausfüllung  dieser  Lücke  dient  der  Originalbrief 
des  Faustus  Socinus,  welcher  sich  in  der  hiesigen  Wallenrodt'schen 
Bibliothek,  Cod.  Mscr.  16.  fol.,  befindet.  Er  ist  adressirt  an  Hieronymus 
Moskorzowski  (=  Moscorovius),  einen  edlen,  frommen,  gelehrten,  roichen 
und  der  Sache  des  Socinianismus  eifrig  ergebenen  pomischen  Ritter,  der  im 
Jahre  1609  den  Catechismus  von  Kakau  in  lateinischer  Sprache  heraus- 
gab und  1626  starb.    (Vgl.  Fock  a.  a.  0.  I,  184  und  193.) 

Inhalt  des  Briefes:  Socinus  schickt  dem  Moscorovius  ein  Scriptum 
des  Barnaudus,  kann  sich  eine  von  diesem  angebotene  Medizin  nicht  ver- 
schaffen, leidet  an  heftigem  dreitägigem  Wechselfieber,  ermahnt  den  Mosco- 
rovius „er  möge  Gott  bitten,  daß  er  dem  Schreiber  Geduld  und  Seelenstärke 
verleihe",  wie  er  umgekehrt  für  das  Wohlergehen  des  Freundes  unausgesetzt 
brünstig  betet.  —  Wer  so  schreibt,  darf  nicht  ohne  weiteres  als  religiös 
„oberflächlich"  charakterisiert  werden ;  man  wird  also  zwischen  Socinus  und 
den  „Socinianern"  unterscheiden  müssen. 

Der  Brief  lautet  wie  folgt: 

[Faustus  Socinus  an  Hieronymus  Moscorovius.  J 
Salutein  a  Deo  et  Christo,  etc. 

Barnaudus  noster  misit  ad  me  hoc  suum  scriptum,  iubens,  ut,  ante- 
quam  Uli  reddendum  eurem,  cui  est  inscriptum,  tecum  illud  communicem. 
Poteris,  si  uelis,  illud  retinere  donec  perlegeris,  (quod  abs  te  istfc  commode 
posse  fieri  non  arbitror)  et  deinde  ad  me  primo  quoqne  oblato  fideli  nuncio, 
remittere  unä  cum  tuo  de  illo,  iudicio.  Idem  Barnaudus  mihi  significat. 
Deum  ipsi  donasse  medicinam  (utor  ipsius  uerbis)  aptam  natam  ad  conser- 
uandum  praesentem  uitam  breuem  et  aeramnosam  in  longitudine  dierum  et 
sanitate  durabili.  ac  monet,  si  uel  ego,  uel  tu  miserimus  ad  ipsum  eam 
[sc.  medicinam]  petitum  per  fidelem  aliquem  nuncium,  se  illam  ad  nos 
mi.ssurum.  Ego  huiusmodi  impensam  sine  snmmo  meo  incommodo  facere 
non  possum.  Ipse  quid  hic  facere  aut  uelis  aut  possis,  cogitabis.  Plura  ad 
te  scriberem,  sed  reliquiae  tertianae  febris  cuius  heri  secundum  accessum 
habui,  eumque  satis  grauem  et  molestum,  me  impediunt.  Post  tuum  hinc 
discessum,  altero  post  die,  inuasit  me  idem  febris  genus,  sed  post  duos  leues 
acceasus  me  liberum  reliquit.  quod  nunc  non  est  quod  sperem.  Et  bene 
mecum  agetur,  si  ualde  diu  me  non  detinuerit,  ut  annum  ab  hinc  tertium 


488 


Mittheilungen  und  Anhang. 


fecit.  Deum  ora,  ut  mihi  patientiam  et  animi  fortitudinem  eoncedere  ae 
samministrare  uolit.  Tu  autem  cura  ut  bene  ualeas ;  id  quod  a  me  uehemen- 
tissime  expetitur  et  a  Deo  precibus  asaidue  contenditur.  Dat.  Racouiae  die 
5.  Junij  anno  1G03. 

Tibi  ex  anirao  addictissimns 
in  Christo  frater  et  semua 

Faustus  Socinus. 

[Auf  der  Rückseite  die  Adresse:] 

Claris8imo  viro  Domino 
Hieronymo  Mofcorouio  etc.*) 


Privileg  über  Borkow  und  Roschütz. 

Mitgetheilt  von  A.  T  reich el. 

Die  nachfolgende  Urkunde,  im  Besitze  von  Dr.  phil.  A.  Wolff  in 
Neustadt,  ist  ein  Transsumpt  aus  brandenburgischer  Zeit  (1655)  eines 
Privilegs  des  deutschen  Ordens  über  die  Güter  Borkow  und  Roszic,  heute 
Roschütz,  im  Ostpommerschen  Kreise  Lauenburg  gelegen. 

Um  Aufsuchung  und  Abschrift  jener  Landveste  hatten  ersucht  die 
vier  Brüder  Borkowski,  Matthias,  David,  Albrecht  und  Reinhold. 

Diese  Urkunde  ist  im  Pommerellischen  Urk.  B.  nicht  vorhanden,  ebenso 
wenig  wie  der  Name  Rossicz  laut  Register  nicht  darin  vorkommt.  Dagegen 
ist  der  Name  Borkow,  wenn  er  auch  vorkommt,  auf  ein  anderes  Gut  gleichen 
Namens,  das  im  Kreise  Schlawe,  nordwestlich  von  Pollnow,  liegt,  zu  beziehen, 
welches  um  jene  Zeit  auch  vorhanden  ist,  da  es  schon  1267  genannt  wird. 
Auch  würde  es  sich  fragen,  wie  dies  Borkow,  das  1302  durch  Schenkung 

*)  Von  anderer  Hand  ist  darauf  polnisch  bemerkt: 
Wrok  potem  to  iest  1604 
umarl  tyn  mai  Boiy  Faustus 
Socinus  Senensis.  to  püfc} 
Jakub  Rymowai  [?]  Trybecki. 
mpp. 

d.  h.  Ein  Jahr  darauf,  d.  i.  1604,  starb  dieser  Gottesmann  Faustus 
Socinus  aus  Siena.    Dieses  schreibe  ich  Jakob  Rymowai  Trybecki,  mit 

eigener  Bland, 
[und  über  der  Adresse:] 
1603. 

NB.   Wlasna  reka  y  character  Fausti  Socini  Sen.  wrok  potym  umarL 
1604  [=  Eigene  Hand  und  Character  des  Faustus  Socinus  aus  Siena,  ein  Jahr 

darauf  starb  er,  1604]. 
[Jacob  Rymowai  scheint  der  Besitzer  des  Briefes  gewesen  zu  sein.] 


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Privileg  über  Borkow  und  Roschütz. 


489 


(1304  bestätigt)  an  das  Kloster  Bukow  kommt,  schon  1348  in  den  Besitz 

des  deutschen  Ordens  gelangt  sein  sollte. 

Auch  das  im  P.  U.  B.  76.  um  1241  erwähnte  Borechowo  kann  es  nicht 

sein,  weil  dies  damals  der  Castellanei  Gorrenczin  zugetheilte  Dorf  bei  Carthaus 

gelegen  hat  und  jetzt  untergegangen  ist. 

Darnach  verleiht  Girhard  von  Stegen,  Comraendator  in  Danzig,  auf 

Befehl  von  Hochmeister  Hinrich  Tusemer  1348  an  Barthus  de  Rossicz  die 

Güter  Rossicz  und  Borkow,  groß  40  Hufen  weniger  1  Morgen,  gegen  3Vs  Mark 

am  St.  Martinstage  zu  zahlen,  nach  2  Jahren  aber  gegen  4  Mark  und  den 

Ertrag  eines  Pfluges. 

Von  Gottes  gnaden  Wir  Friderich  Wilhelm,  Marggraff  X 
zu  Brandenburg,  des  Heiligen  Römifchen  Reichs  ErtzCämmerer 
vnd  Churfürft,  zu  Magdeburg,  in  Preuffen,  zu  Gülich,  Cleve,  Bergen, 
Stetin,  Pommern,  der  Caszuben  vndt  X  Wenden,  auch  in  Schlefien, 
zu  Croffen  vndt  Jägerndorff  Herzog,  Burggraff  zu  Nürnberg, 
Fttrft  zu  X  Halberftadt  vndt  Minden,  Graff  zu  der  Marek  vndt 
Ravensberg,  Herr  zu  Ravenftein.  Thun  hiemit  iedermänniglichen 
kundt,  infonderheit  denen  X  daran  gelegen,  vndt  solches  zu  wiffen 
von  nöthen,  wie  dafs  bey  Vns  Matthias,  David,  Albrecht  vndt 
Heinholdt  Borkowski  in  schuldiger  gebühr  X  demütige  ansuchung 
gethan,  Wir  geruhen  wolten  zu  verwilligen,  damit  in  Vnser 
Preussischen  Regiftratur  eine  alte  Landtfeft  vber  das  Gutt  X  Borkaw 
möchte  auffgesuchet,  vndt  zu  ihrem  behuff  glaubhafft  extradiret 
werden.  Wann  Wir  dann  solchem  ihrem  billigm affigen  X  Suppli- 
ciren  in  Gnaden  deferiret:  Als  hat  sich  auch  demnach  beregte 
gefuchte  Verschreibung,  zu  latein beschrieben,  nachrichtlich  gefunden; 
Welche  X  Wir  ihnen  also  von  wort  zu  worte  gleichlautig  hierunter 
gefetzt,  auszgeben  lassen. 

Univerf is  et  singulis  Chrifti  fidelibus  ad  quorum  praefentiam 
literae  praesentes  pervenerint,  Noa  frater  X  Girhardus  de  Stegen 
Commendator  in  Dantzk  conftare  volumus  publice  protestantes 
quod  Nos  de  jtissu  et  de  plenariä  voluntate  X  Viri  Reverendi 
Magiftri  Generalis  Fratris  Hinrici  Tusemer  et  praeeeptorum  Noftro- 
ruin  cont uliin us  Barthus  de  Rofficz  et  fuis  veris  haeredi-  X  bus 
et  succefforibus  bona  dicta  Rossicz  et  Borkow,  quae  quidem  men- 
furata  sunt  pro  XL.**  mansis  minus  unco,  Jure  Magdeburgensi  X 
cum  omnibus  ejusdem  juribus  ntilitatibus,  cum  judicio  majori  et 
minori,  exceptis  stratis  publicis  vulgariter  Landstraffe  dictis  quas  X 
ad  noftrum  dominium  servamus  judicandas  cum  pratis,  silvis  et 
piscinis,  nemoribus  et  lacubus,  metis  vel  graniciebus,  velut  ab 
antiquo   vifa   funt,   h're  (haereditarie)   in   perpetuum  et  quiete 

Altpr.  Monatwchrift  Bd.  XXIIL  Hft  5  a.  &  32 


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490 


Mitteilungen  und  Anhang. 


poff i-X  denda,  duntaxat  quod  praedictns  Barthus,  ac  sui  veri  haeredes 
et  sui  successorea  nobis  ac  nostris  fratribus  X  tres  marcas  et  dimi- 
diam  de  praedictis  bonis  duobns  annis  proxime  venturia  festig 
Sancti  Kartini  aolvere  sint  aftricti  quolibet  anno  nomine  X 
census,  Hiis  vero  exspiratis  annis  duobus  Barthus  et  sui  haeredes 
et  sueceffores  IUI  marcas  pruthen.  denar.  singulis  feftis  Scti 
Martini  X  nobis  et  nostris  fratribus  solvere  de  dictis  bonis  tene- 
buntur,  et  annonam  aratri  sicut  coeteri  idem  jus  habentes  dant. 
ipfe  dabit.  X  Volumus  etiam  ut  hanc  literam  habeat  et  servet  pro 
quadam  muneratione  et  fui  juris  defensione,  tarn  diu  donec  Magister 
Generalis  Vir  X  Venerandus  generalia  vel  specialia  Privilegia 
terrae  Pomeraniae  largiatur,  ut  quodque  in  hijs  affertum  vel 
insertum  fuerit,  jure  utilitatis  quod  X  praefatus  Bartusch  cum 
fuis  haeredibus  juftis  hijs  omnibns  libere  perfruatur.  In  cujus  rei 
testimonium  nostrum  Sigillum  praefentibus  X  appenfum.  Datum 
Dantzk  sub  anno  Dni  MCCCXLVHI  in  Caftro  Epy.«° 

Vhrkündtlich  mit  Vnserm  zur  Preuffifchen  Regierung  verord- 
netem Insiegel  bekr&fftiget.  Datum  Königsberg  den  3.  Febru&rii 
des  1665  ten  Jahres. 

Gottfrid  Freyherr  zu  Eylenburgk. 
Chriftoff  Troschk.  (?) 
Albrecht  v.  Kainein. 
Chriftoff  Freyherr  zu  Kitlitz. 

Rückseite:  Privilegium  super  Roszic  et  Borkow  a  Crucigeris 

A.o  1348. 
Num.  2800. 

Charte:  Pergament;  38,5  cm  lang;  36  cm  hoch;  zu  */•  um- 

geschlagen,  mit  Pergamentstreifen,  Siegel  fehlt 

_  _  .,      Deutsch  28,5  cmi  ,  ,    ,  ,  ,  _N 

Text:  24  Zeilen:        .   ^'       1  lang;  20  cm  hoch  (ohne  ü.) 
Latein  29,8  cm  |  6 


Privileg  über  die  Kirche  zu  Reinfeld, 

Mitgetheilt  von  A.  Trelchel. 

Die  folgende  Urkunde,  im  Besitze  von  Herrn  Dr.  A.  Wolff  in  Neustadt, 
ist  ein  1546  zur  Zeit  des  pommerschen  Herzogs  Philipp  zu  Stettin  gefertigtes 
Transsumpt,  welches  sich  Ernst  Krockow  hat  abschreiben  und  beglaubigen 
lassen  über  die  Errichtung  der  Kirche  St.  Johannis  des  (Taeufers)  Evange- 
listen in  Reinfeld,  nahe  bei  Dan  zig,  jetzt  im  Kreise  Carthaus  gelegen. 

Das  Original'  soll  in  Schlol  Bütow  gelassen  worden  sein.   Die  damals 


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Privileg  über  die  Kirche  zu  Reinfeld. 


491 


errichtete  Kirche  soll  immer  beim  Kloster  8uckau  bleiben  und  werden  ihr 
dazu  noch  die  Guter  Nestenpow  und  Richtow  mit  400  Hufen  Landes  gegeben. 
Fnndator  soll  Ratibor,  Herzog  zu  Danzig,  sein,  mit  Bewilligung  der  Brüder 
Suantopolk,  Wartislaw  und  Sambor.  Ausstellungsdatum  ist  vom  Johanni- 
tage  1210. 

Die  Urkunde  selbst  kommt  im  P.  U.  B.  nicht  vor  und  werden  auch 
die  darin  vorkommenden  Dörfer  Reinfeld,  Nestempol,  Richtowo,  Lappin, 
alle  vier  im  Kreise  Carthaus  gelegen,  gar  nicht  erwähnt,  auch  nicht  das 
zum  Landkreise  Danzig  gehörige  Zapelken.  Das  erwähnte  Prüssow,  welches 
übrigens  nicht  das  im  Kreise  Neustadt  bei  Zarnowitz  gelegene  Prüssau 
(P.  U.  B.  S.  258)  ist,  dürfte  leicht  wahrscheinlich  das  als  untergegangen 
gemeldete  Dorf  Prusicino  bei  Danzig  sein,  das  im  P.  U.  B.  S.  265  und  266 
allein,  dann  aber  auf  S.  320,  823,  429,  431,  472,  477,  480  in  Verbindung  mit 
dem  ebenfalls  im  Landkreise  Danzig  gelegenen  Sulmin  (urkundlich  Slomno 
oder  Slompno)  aufgeführt  wird.  Kommt  Prusicino  allerdings  erst  (Urk.  309) 
1279  vor,  so  auch  Sulmin  (Urk.  353)  erst  1283.  Beide  werden  sie  damals  mit 
anderen  als  im  Besitze  des  Klosters  Oliva  angeführt.  Doch  herrschte  zwischen 
Oliva  und  Sückau  über  ilire  Ausdehnung  ja  immer  Streit,  wie  selbst  die 
Urkunden  ergeben.  Doch  läßt  sich  auch  aus  der  Reihenfolge  der  Güternamen 
nichts  Gewisses  über  die  Identität  von  Prusicino  mit  dem  hier  erwähnten 
Prüssow  entnehmen  und  nur  die  nahe  Lage  des  Prusicino  mit  Sulmyn  läßt 
mich  diesen  Schluß  machen.  Sulmin  aber,  das  nach  Cramer's  Gesch.  von 
Btitow  wörtlich  identisch  mit  Richt-(spruch-)platz,  also  Richtowo,  sein  soll, 
kommt  im  P.  U.  B.  sehr  oft  vor;  wann  zuerst  und  daß  meist  in  Verbindung 
mit  Prusicino,  hatte  ich  schon  angeführt.  Reinfeld,  wenn  1210  schon  bestanden 
nnd  in  Suckau's  Besitze  gewesen,  hätte  im  P.  U.  B.  angeführt  werden  müssen. 

Die  tranasumirte  Urkunde  Ratibor's  scheint  mir  aber  falsch  oder 
mindestens  verdächtig  zu  sein. 

Herzog  Ratibor  lebte  zwar  um  1209  als  einer  der  vier  Söhne  Mestwin's  L, 
ist  aber  niemals  Herzog  von  Danzig  oder  wird  so  genannt,  sondern  sein 
Gebiet  war  das  Land  Belgard  an  der  Leba.  Nachdem  er  Deutsch-Ordens- 
ritter geworden  (se  et  sua  deo  et  ipsi  domui  sancte  Marie  dedicaverat 
P.  U.  B.  S.  292),  stirbt  er  1261  und  als  seinen  Todestag  verzeichnet  Schwengel 
den  6.  April  nach  einem  jetzt  verlorenen  Zuckauer  Menologium. 

Das  Kloster  Sückau  ist  schon  1210  durch  Mestwin  I.  in  Schweti, 
später  auch  in  Danzig,  gestiftet,  also  gerade  in  demselben  Jahre,  in  welchem 
die  Kirche  zu  Reinfeld  fundirt  und  dem  genannten  Kloster  zugesprochen 
sein  soll. 

Es  ist  auffallend,  daß  in  Mitten  jener  »lavischen  Namen  ein  von  einem 
pommerellischen  Fürsten  errichtetes  Dorf  mit  dem  rein  deutschen  Namen 
Reinfeld  (heute  sogar  Rheinfeld  geschrieben)  belegt  worden  sein  soll. 

32* 


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Mitteilungen  und  Anhang. 


Dürfen  wir  auch  annehmen,  daß  die  eigentliche  Urkunde  uns  nur  in 
einer  1546  gefertigten  deutschen  Uebersetzung  vorliegt,  ohne  daß  dies  aber 
in  gewohnter  Weise  gesagt  ist,  so  mahnt  uns  sowohl  das  gebrauchte  Deutsch 
an  eine  noch  spätere  Zeit  (also  vielleicht  auch  Transsumpt  verdächtig  I), 
wie  auch  die  darin  erwähnten  Beziehungen  diesen  Verdacht  rege  werden 
lassen.  Wie  zu  lesen,  wird  nämlich  besonders  hervorgehoben  die  wahre 
katholische  Religion  in  gemeldeter  Kirche  und  der  Grottesdienst  uralter 
katholischer  Lehre,  der  nicht  untergehen  soll,  also  Begriffe,  deren  Betonung 
einer  späteren  Zeit  zukämen,  die  uns  daher  so  neu  aumuthen,  als  ob  irgend 
eine  Besorgnis  in  der  Luft  schwebte,  wenn  schon  zugestanden  werden  muß, 
duß  die  pommerellischen  Fürsten  in  Klosterschenkungen  Vieles  geleistet 
haben;  doch  thaten  sie  dies  überall  etwa  zur  Rettung  der  eigenen  Seele  oder 
der  ihrer  Eltern,  die  getaufte  Heiden  waren. 

Es  kommen  also  in  den  gleichzeitigen  Urkunden  die  Worte  vor: 
pro  remedio  anime  oder  pro  intuitu  retribucionis  divine  oder  duetus  spiritn 
pietatis  oder  divina  favente  clemencia. 

Es  ist  zu  bedauern,  daß  in  der  Copie  keine  Notiz  über  die  Verfassung 
der  transsumirten  Urkunde  selbst  gegeben  ist,  wie  es  sonst  oft  genug  heißt, 
das  Privileg  u.  s.  w.  sei  wahr,  ganz,  unversehrt,  unverletzt  gewesen. 

Schließlich  dürfte  auffallen,  dafl  diese  Urkunde  vom  Fürsten  Ratibor 
allein  ausgestellt  ist,  sowie  daß  sie  ohne  die  sonst  stets  aufgeführten  Zeugen 
schließt.  Ratibor  kommt  im  P.  U.  B.  zwar  vielfach  in  den  vom  Vater  oder 
von  Brüdern  ausgestellten  Urkunden  als  Zeuge  vor,  selten  allein,  öfters 
zusammen  mit  seinem  Bruder  Sambor,  stellt  jedoch  selbst  nnr  zwei  Male 
allein  eine  Urkunde  aus  (Urk.  67  und  Urk.  180);  im  ersten  Falle  verleiht 
er  dem  Kloster  Zuckau  1238  (obschon  nach  einer  Vorurkunde  in  diesem 
Jahre  sein  Besitz,  in  welchen  er  1248  wieder  eingesetzt  wurde,  in  Händen 
seines  ihm  zuweilen  feindlichen  Bruders  Swantopolk  war)  das  Dorf  Zemblewo 
(Kr.  Neustadt),  frei  von  allen  Lasten  und  Abgaben ;  im  anderen  Falle  urkundet 
er  nur  (zwischen  1260  und  1260),  daß  Oxhöft  wieder  an  das  Kloster  Zuckau 
gegeben  sei.  Freilich  schließen  auch  diese  beiden  Urkunden  ganz  ohne 
Zeugen,  so  daß  hierin  doch  eine  gewisse  Üebereinstimmung  vorhanden  ist. 

Von  Gottes  genaden  wier  Philip  Hertzog  zu  Stettin,  Pommern, 
der  Cassuben  X  vnndt  Wenden,  Fürft  zu  Rügen,  Graff  zu  Gützkow, 
Bischoff  zu  Camyn  vnndt  Herr  der  Lande  Lawenburg  vnndt 
Bütow:  Auff  Anhalten  X  des  WolEdlen,  Vnsers  Lieben  getrewen 
Ernst  Krockow,  haben  wier  dasz  Fundationali fche  Vber  die  Kirche 
St.  Johannis  des  Evangelisten  in  Reinfeldt  nahe  X  bey  Dantxigk 
dem  Suckawifchen  Kloster  zugehöriges  Privilegium  ausz  dem 
Prothoculo  der  Geistlichen  (?)  Landtgütter,  so  zur  Zeit  unserer 
fürst  1.  Vorfahren  von  X  der  Cron  Pohlen  im  Schlosz  Bütow  gelassen 


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Privileg  über  die  Kirche  zu  Reinfeld. 


493 


worden,  von  Wordt  zu  Wort  abfchreiben  laffen,  deffen  Inhalt 
lautet  wie  folget.  X 

Wier  Ratibor  von  Gottes  gnaden  Herlzog  zu  Dantzig, 
Pommern  etc.  Ausz  bewilligung  Vnserer  fürstl.  Eltern  wie  auch 
angebohrner  Brüder  Schwantopolck,  X  Wartziszlaw,  Sambor,  haben 
wier  zwey  Meyl  Weges  von  Dantzigk  ein  Stück  Landes  gekaufft, 
auf  welchem  Grunde  wier  eine  Kirche  zu  Ehren  St.  Johanni  dem  X 
Apoftel  vndt  Euangeliften  auffgebawet  bey  welcher  Kirche  wier 
etliche  Wohnungen  für  die  Vnterthanen  aufgerichtet  vnd  selbig 
angefangenes  Dorff  zu  ewiger  ge-Xdechtnusz  Reinfeld  haben 
nennen  lassen.  Ein  halbe  Meyl  Weges  danon  nicht  weit  vom  Flusz 
Radnn  an  von  diefen  unferen  gekauften  grnndt  haben  Wier  X 
noch  zwey  Dörffer  ausgerichtet,  deren  eines  Neftenpow,  dasz  andere 
Richtow,  welche  Dörffer  mit  gewiffen  Warzeichen  begrentzet  sein 
anfänglich  X  an  den  freyen  Gut  Snlmyn,  Lapyn  ein  Spitalgut, 
wie  auch  an  den  freyen  Göttern  Zapelken  und  Prüffow  bisz  an 
die  grentze  des  Kloster»  Suckow.  Er-X-nandte  drey  Dörffer 
Reinfeld,  Neftenpow,  Richtow  mit  vier  hundert  Huben  Landes  mit 
newangefangenen  Feldern,  mit  Waeldem,  Wiesen,  Teichen,  Seen, 
Flüssen  X  gr°fz  unudt  klein  unndt  allen  Nutzbarkeiten  welche  in 
diesen  von  Vnsz  gekauften  Gründen  sein  oder  noch  werden  mögen, 
Vermachen  Vndt  Verfchreiben  Wier  anf  e-Xwige  Jahr  zu  dieser 
von  Vnsz  gefuudirten  Kirchen  in  Reinfeld,  mit  welcher  Kirchen 
vnd  allen  darzu  gehörigen  unudt  hierinnen  verschriebenen  Güttern 
die  Pröb-Xste  des  Klosters  Suckaw  unndt  beyliegenden  Kirch 
St.  Johannis  des  Teuffers  verwalten  sollen,  welche  dan  also  vorzu- 
stehen werdeu  schuldig  sein,  damit  die  X  Andacht  der  wahren 
Catholischen  Religion  in  gemelter  Kirche  stets  in  Schwang  gehe. 
Hergegen  Versicheren  Wier  sie  mit  diesem  fundationalischen  Privi- 
legio,  X  dasz  oftermelte  Reinfeldifche  Kirche  sampt  ihren  Güttern 
von  denen  Suckawischen  Probaten  vnd  von  der  Kirche  St.  Johannis 
des  Teuffers  in  Suckaw  auf  ei-Xnen  Berg  liegond  nimmermehr 
soll  können  gescheyden  oder  abgewendet  werden.  Ausz  diesen 
güttern  wirdt  ein  iedweder  Suckawischer  Probat  die  Nutzen  X  «ndt 
Einkünffte  zu  empfangen  haben  zu  Vnterhaltung  der  Kirche  vud 
seiner  Priesterlichen  Person,  zu  Vermehrung  des  Kirchen  Ziers, 
vndt  aufferbawung  X  des  Gottes  Diensts  darinuen.  Derowegen 
werden  fir  (!)  hieranff  bedacht  sein  dasz  sie  den  Gottes  Dienft 
Vralter  Catholischer  Lehr  nach,  nimmermehr  an  dieser  X  Kirche 
nicht  Vntergehen  lassen,  sondern  denselben  allen  Vermögen  nach 
unter  den  Vuterthanen  fortpflantzen  sollen.    Solches  zu  Ewigen 


4<»4 


Mittheilungen  und  Anhang. 


Ehren  Gott  dem  AJlmech— X^igen  vnd  feinen  Vielgeliebten  Junger 
vnd  Euangelisten  Johanni,  damit  er  vor  der  Göttlichen  Maiestät 
VnBer  Fürfprecher  sein  wolle.  Zu  ewiger  Verfiche-Xrung  haben 
Wier  dies  gegonwertige  Privilegium  mit  Bewilligung  Vnserer  Fürstl. 
Eltern  vnd  Gebrüderen  mit  Eygener  Hand  Vnterfchrieben  vnd 
Vnfer  X  fürstl.  Siegel  anhängen  laffen.  Gefchehen  in  der  Kirch 
zu  Reinfeld  am  Tage  St.  Johannis  des  Apoftels  vnd  Euangeliften, 
im  Jahr  Ein  Tausend  Zwey  hun-Xdert  vnd  sehen. 

Ratiborias  Dux  Gedanens.  et  Pommeraniae  mpp. 

(L.  S.) 

Vmh  Warhafftige  Verficherung,  dasz  gegenwertige  Copey 
gründtlich  nach  dem  Originalifchen  Privilegio  der  Fundation 
obgemelter  Kirch  in  Reinfeld  ausz  X  dem  Prothoculo  der  Geistl. 
Landgütter  von  Wort  zu  Wort  abgeschrieben  ist  betzeugen  Wiera 
mit  unser  fürstl.  Eygenen  Handt  undt  untergehangtem  Siegel  X 
neben ft  Vnterschreiben  Vnserer  Geheimen  Räthen.  Actum  Stetini 
die  quarta  Junii  (?)  Anno  Mill'smo  quingentesimo  quadragesimo  sexto. 
Philipus  Dux  Pommerania  Joannes  Benin  Secretarius. 

Laurentius  Putkamer  Secr. 

et  Scriba  iuratus  mpp. 
Ernestus  Ramel  Secret.  mpia. 


Charte:  56  cm  lang,  59  cm  hoch;  Pergament;  zu  Vs  umgebogen. 
Text:  Zeilen:  Introductio  5,  Transsumpt  20  [ohne  Unterschrift], 

Corroboratio  8  [o.  U.];  45,5  cm.  lang,  81,5  cm  hoch  (bis 

incl.  Philipus). 

Siegel:  anhängend  durch  zwei  Pergament-Streifen,  sich  kreuzend 
im  Siegel;  Ingesiegel  in  Holzbulle,  wovon  Schüefltheil 
wahrscheinlich  verloren. 

Wappen:  schildförmig,  neunfelderig,  mit  Greifen,  aufler  im  unteren 
Mittelfelde,  wo  die  Zwischenräume  eines  liegenden  Kreuzes 
mit  je  8  Punkten  ausgefüllt  sind. 

Dorsal-Aufschrift:    Privilegium   super  Reinfeld,  Neftenpohl 
Richtau  ä  Ratiboro  Praeposito  Zucovienfi  tum  Ecclae 
ibidem  S.  Joan.  Evangeliftae  donatis  et  inscriptis.  A.°  1210. 
Num.  19NO.  (?2) 
Privilegium  Reinfeld. 


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Universitäts-Chronik  1886. 


Universitäts  -  Chronik  1886. 


„Acad.  Alb.  Regim.  1886.  ü.u  (sie  statt  III)  Index  lection.  .  . .  per  hiem.  a. 

MDCCCLXXXVI/VII  a  d.  XV.  m.  Octobris  habendarum.  Regimontii. 

Ex  offic  Hartungiana.  (25  8.  4.)   Insunt  H.  Jordan!  analecta  epigra- 

phica  latina  (S.  3—9.) 
Verzeichniss  der  ...  im  Winter-Halbjahre  vom  15.  October  1886  an  zu 

haltenden  Vorlesungen  u.  der  önentl.  Anstalten.  Kgsbg.  Hartungsche 

Bchdr.  (10  S.  4.) 

14.  Juli.  ...  ex  decreto  ord.  philos.  .  .  .  Ernesto  Alberto  Kahle  Regimon- 
tano  summos  in  philos.  nonores  ante  hos  quinquaginta  annos  die  XIV. 
mens.  Julii  in  eum  conlatos  gratulans  quod  litterarum  amorem  per 
hoc  semisaeculare  spatium  praestiterit  insignem  renovavit  Carol.  Pape 
Dr.  phil.  P.  P.  O.  h.  t.  Decanus.   Regim.  Pr.  ex  offic.  Leupoldiana. 


20.  Juli.  Lection  es  Cursor,  quas  venia  et  consensu  ordin.  philos.  .  .  .  David 
Hilbert  phil.  Dr.  Die  Fortechritte  in  der  Theorie  der  binären  Formen. 
Ad  docendi  facult.  rite  impetrand.  .  .  .  habebit  indicit  Carolus  Pape 
phil.  Dr.  P.  P.  0.  ord.  philos.  h.  t.  Dec.  Regim.  Boruss.  typis  Leu- 
poldianis. 

28.  Juli.  Phil.  I.-D.  von  Franz  Thunert  (aus  Danzig):  Der  grosse  Krieg 
zwischen  Polen  und  dem  Deutschen  Orden.  1410  bis  1.  Februar  1411. 
Beilage:  Die  Quellen  zur  Schlacht  bei  Tannenberg.  Danzig.  Druck 
von  A.  W.  Kafemann.   (2  BL,  73  S.  8.) 

80.  Juli.  Medic.  I.-D.  von  Salomon  Schneierson  (aus  Polotzk,  Russland): 
Untersuchungen  üb.  eine  neue  Methode  der  quantitativen  Kreatinin- 
bestimmung.    Kgsb.    Gedr.  bei  E.  Erlatis.  (27  S.  8.) 

31.  Juli.  Phil.  I.-D.  v.  Maxim  11.  Glueck  (Tilsensis):  De  Tvro  ab  Alexandro 
Magno  oppugnata  et  capta.  Quaestiones  de  fontibus  ad  Alexandri 
Magni  histunam  pertinentibus  .  .  .  Regim.  Ex  officina  Liedtkiana 
(2  Bl.,  55  S.  8.) 

7.  Aug.  Med.  I.-D.  v.  Felix  Rosenhain  (prakt.  Arzt  in  Wormditt  geb.  zu 
Szittkehmen):  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Kynurensäurebildung  im 
Thierkörper.    Kbg.    Hartungsche  Bchdr.  (29  8.  8.) 

11.  Aug.  Med.  I.-D.  v.  Friedrich  Lullles  (prakt.  Arzt  ans  Kbg.):  Ueb.  die 
Zeit  des  Eintritts  der  Menstruation  nach  Angaben  von  3000  Schwan- 
geren in  der  Königl.  gvnaekologischen  Klinik  zu  Königsberg  i.  Pr. 
Kgsbg.  i.  Pr.    Gedr.  b.  A.  Kiewning.  (79  S.  8.) 

16.  Aue.  Pnil.  I.-D.  v.  Paul  Dobrlner  (aus  Schmalleningken) :  Bestimmung 
der  Siedepunkte,  der  Dichte  und  der  Ausdehnung  einer  Anzahl  von 
homologen  und  metameren  Aethern  normaler  Fettalkohole.  Kbg.  i.  Pr. 
Ostpr.  Zeitungs-  u.  Verl.-Druckerei.   (2  Bl.,  43  S.  8.) 

16.  Aug.  Phil.  I.-D.  v.  Jacob  Pinette  (aus  Dorbian) :  Ueber  das  spezifische 
Volumen  von  Phenolen  und  Phenoläthern  bei  ihren  Siedepunkten. 
Ebd.  (2  BL,  37  S.  8.) 

18.  Aug.  Medic.  I.-D.  v.  Emil  Korn  (prakt.  Arzt  aus  Kgsbg.):  Experimen- 
telle Untersuchungen  über  Kohlenstaubinhalationen  bei  lungenkranken 
Thieren.   Leipzig,  Druck  von  J.  B.  Hirschfeld.   (20  S.  8.) 

25.  Aug.  Phil.  I.-D.  v.  H.  Baumert  Oldesloeensis:  Apionis  quae  adHomerum 
pertinent  fragmenta.  Regimonti  Borussorum.  Tvpis  Leupoldianis. 
(2  BL,  55  S.  8.) 

25.  Aug.  Phil.  I.-D.  v.  Paalus  Rosenstock  Regimontanus:  De  Donato, 
Terentii,  et  Servio,  Vergilii  explicatore,  syntaxeos  latinae  interpretibus. 
Marggrabovae.   Ex  officina  Czyganiana.    (2  BL,  87  S.  8.) 


496  Mittheilungen  und  Anhang. 

Lyceum  Hosianum  in  Braunsberg  1886. 

Index  lectionum  .  .  .  pe  hiemem  a  die  XV.  Oct.  a.  MDCCCLXXXVI  usque 
ad  diem  XV.  Martii  a.  MDCCCLXXXVII  instituendarum  (h.  t.  Rector: 
Dr.  Willi.  Killing.  P.  P.  0.)  Brnnsbergae.  Tvpis  Heyneanis  (R.  Silt- 
raann).  (21  S.  4.)  Praecedunt  Prof.  Dr.  Wühelmi  Websbrodt  quae- 
stiones  grammaticae.    (S.  8—17.) 


Altpreussiscbe  Bibliographie  1885. 

(Nachtrag  und  Fortsetranfr.) 

Blokuzewskl,  Hans  (aus  Kgsb.  i.  Pr.)  Beitrag  zur  Lehre  der  freien  Gelenk- 
körper des  Kniegelenks.   I.-D.   Berlin.    (32  S.  8.) 
Burdach;  Privatdoc.  Dr..  üb.  d.  Sprache  des  jungen  Goethe.   [Yhdlgn.  d. 

37.  Vsmlg.  dtsch.  Fhilol.  u.  Schulmann.    Leipz.  S.  166—180.  4.J 
Frentzel-Beyuie,  Roh.  (aus  Grünhaide,  Kr.  Memel):  Die  Kapselexstirpatiou 

am  Kniegelenk.    I.-D.    Berl.    (32  S.  8.) 
Frledlaeuder,  Paul  Alfr.  (aus  Marien werd er) :  Ueb.  die  Convallaria  majalis. 

Medic.  I.-D.    Berlin  (32  8.  8.) 
Gordack,  Walt.    (Kbg.)   Nicht  preisgekrönte  Beantw.  der  v.  d.  Redact.  d. 

dtsch.  Schriftstellerztg.  (Spemann,  Stuttg.)  gestellt.  Frage  I.  „Wie  ist 

dem  überhandnehmd.  Dilettant ism.  in  d.  Litt,  am  besten  zu  steuern?" 

[Das  Magaz.  f.  d.  Litt.  d.  In-  u.  Ausl.  48.]. 
HaUing,  Dir.  C.  (Memel).   Der  Kaiserbote  (Adolf  Friedrich  Graf  v.  Schack) 

Vortr.    Progr.  d.  höh.  Töchtersch.  Memel.   (S.  3-27.  4.) 
|$etfart.|   Jtanbataf,  DbcrI.  Joft.  ®fr.,  üb.  b.  SJtytn.  o.  fcerbartö  u.  58enefe3  Sc^rc 

oom  Sittlichen  u.  o.  b.  fittC.  greifjeit.    (St^ulproar.)    jjreibcra.    (15  S.  4.) 
Iii  I>ler9  Dr.,  Frz.,  die  deutsch.  Predigten  u.  Katechesen  der  Er  inländisch. 

Bischöfe  Hosius  u.  Kromer.    (Festschrift  d.  ..Görree-Gesellscb."  zur 

Inthronisation  d.  Erzbisch,  v.  Köln,  Dr.  Phil.  Krementz.)  Köln. 

Bachen  in  Comm.  (VIII,  180  S.  Lex.  8.)  4.  — 
Hirschberg,  Heinr.  (aus  Hohenstein,  Ostpr.):  Operative  Behdlg.  der  Caries 

der  Fusswurzelknochen  m.  besond.  Berücksichtigung  des  Talus  u. 

Calcaneus.    I.-D.    Berlin.    (40  S.  8.) 
Hoffnung,  Jul.  (aus  Freistadt  Wpr.):  üb.  Haemoptoe  bei  Kindern.  I.-D. 

Berl.  (32  S.  8.) 

Jablonowski,  Geo.  (aus  Kgsb.  i.  Pr.)  üb.  d.  Einwirkg.  d.  Quecksilb.  auf  d. 

thierisch.  Organism.    I.-D.    Berlin  (36  S.  8.) 
Äähler,  SDlort.,      95erföf)ng.  bd).  (^riftutn  in  ibr.  »ebeutg.  f.  b.  cbriftl.  ©lauben  u. 

geben.  . . .  ©Hangen.   (42  ©.  gr.  8.)  —50. 
Ääljler.  ©uperintenb.  in  §cil9berg,  Xie  firdjl.  3uf*^c       c»ang.  Qemeinben  in 

ßrmlanb.   [ßoangcl.  @emeinbeblatt  14.] 
ftadfe'Sanstft.  «Pfarrer  D.  »ledyDonjig  f.   [6bb.  39.  (»eil.)] 
Äolcfftein.   Sanfte»)'*,  %,  ©efdudtfc  9lapolcon'ä  I.   3tuä  b.  ftranj.  ».  C.  o.  ©lümer. 

...   »eenbet  beb.  Dr.  «.  ö.  ftaldfrcin.   2.  rooblf.  »uäg.  in  7  5Bbn.   3.  Sb. 

(399  ©.)  5.  »b.  (396  S.)  6. 93b.  (441  S.)  je  2§Slftcn  a  1.50.  SRinben.  »runö. 
—  —  Die  Vereinigten  Staaten  u.  Brittisch-Nordamerika.    [Jahresber.  d.  Ge- 

schichtswissensch.  IV.  Jahrg.  1881.  Berl.  1885.  III.  S.  181-212]  Ree. 

[Mitthlgn.  a.  d.  histor.  Litt.  red.  v.  Ferd.  Hirsch.  XIU.  Jahrg  1.  HftJ 
ffalenber,  neu.  u.  alt.  oft«  u.  roeftpr.,  auf  b.  3.  1886.  Jtgdbfl.  Wartung.  (XXVIH, 

84  6.  12°.)  —45;  burdrfd).  —50. 
neu.  preu&ifd).,  a.  b.  &  1886.  ebb.  (83  6.  16<>.)  -25-  burdjfd).  -30. 
Kalischer,  Siegfr.  (aus  Thorn):  z.  Frage  üb.  d.  Einflufl  d.  erblich.  Belastg. 

auf  Entwickig.,  Verlauf  u.  Prognose  d.  Geistesstörungen.  I.-D.  Berlin 

(92  S.  8.) 


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Altpreussische  Bibliographie  1885. 


45)7 


Kalkschmidt,  Carl  (a.  Brannsb.),  Caanistische  Beiträge  zu  perforirenden 

Angenverletznngen.   I.-D.    Greifswald.    (31  S.  8°.) 
Kammer,  Ed.,  Ree.  [Herl,  philog.  Wochenschr.  18.] 

flattern  b.  in  b.  mittl.  ftlaff.  l)öf).  Schranft.  ju  erlcrncnb.  ©rfdEtid^tä^ahlcn.  Sfmgcft.  v.  b. 

Sehern  b.  ©ef(b.  am  Stöbt,  ©omn.  j.  SJanjig.  3>jg.  6.  Saunier.  (16  8.  gr.  8.) 
Kant,  Imm.*) 

[Kassnben]  r.  Wienkowski,  Die  poinmerschen  Kassuben.  [Mitthlgn.  d. 
geogr.  Gesellsch.  in  Wien  Nr.  12.] 

KaufTmann,  Dr.  Hugo,  Ueb.  Hartmanns  lyrik.  Wissensch.  Beil.  z.  d.  Progr. 
d.  städt.  Gvmn.  in  Danzig  f.  d.  J.  1885.    (96  S.  8.) 

KetrzjrnskI,  Dr.  Wojciech,  De  persecutione  Jadaeomm  Vratislaviensium  a. 
1453.  [Monumenta  Polomae  historica  Pomniki  Dziejowe  Polski  Tom. 
IV.  Lwow  1884.  p.  1—5.]  Annales  monasterii  Trebnicensis.  [ibd.  p. 
6 — 7]  Excerpta  Joannis  Dtugossi  e  fontibus  incertis.  [p.  7 — 15] 
Catalogi  episcoporum  Vladislaviensium.  [p.  16 — 30]  Chronica  terrae 
Prussiae.  [p.  37  — 40J  Annales  Golubiensis.  [p.  40— 43]  De  magna  strage 
a.  1410.  [p.  44 — 48]  Series  episcoporum  Culmenaium.  [p.  48 — 52]  Ma- 
gistri  generales  ordinis  Teuthonicorum  fratrnm.  [p.  53  —  561  Liber 
mortuorum  monasterii  Pelplinensis  ordinis  Cistercienais.  [p.  56—124] 
Calendarium  vetus  sive  tabula  defunetoram  patrum  et  fratrum  Car- 
tusiae  Dantiscanae.  fp.  125—136]  Fragmentum  Monologii  Olivensis. 
[p.  136—139.]  De  saneto  Adalberto  episcopo.  [p.  206— 221J  Miracula 
saneti  Adalberti.  [p.  221—238)  Vita  Sancti  Stanislai  episcopi  Craco- 
viensis.  (Vita  minor.)  fp.  238  —  285]  Miracula  sancti  Stanislai.  [p. 
285—378]  Vita  sancti  Stanislai  Cracoviensis  episcopi.  (Vita  major.) 
Auct.  fratre  Vincentio  de  ordine  fratrum  praedicatorum  [p.  379—438] 
Miracula  venerabilis  patris  Pmndothae  episcopi  Cracoviensis.  [p. 
439—500.]  Vita  et  Miracula  sanetae  Kyngae  ducissae  Cracoviensis. 
[p.  662—744.]  De  pincerna  ducis  Poloniae  a  morte  liberato.  [p. 
745—747]  Mors  et  Miracula  beati  Verneri  episcopi  Plocensis.  Auct. 
Johanne  decano  Plocensi.  [748—754]  Translatio  sancti  Floriani  I— III. 
]755— 762]  Miracula  sanetae  Hedwigis  reginae  Poloniae.  [763—769]  Vita 
sanetae  Salomeae  reginae  Haliciensis.  Auct.  Stanislao  Franciscano. 
[770—796.1  Dopetnienia.  przez  Dra  Wojciecha  KotrzvÄskiego  i  Dra 
Ludwika  Cwikhnskiego.  [ibd.  p.  904-910] 

Kk'iiast,  Herrn.,  üb.  d.  Entwirkelg.  u.  Oelbehälter  in  d.  Blätt.  v.  Hypericum 
u.Ruta.  I.-D.  Elbing.  (Kgsbg.,  Nürmberger.)  (49S.gr.  8.  m.  5Taf.)  1.- 

Killinir,  Wilh..  Die  Nicht-Euklidischen  Raumformen  in  analyt.  Behandlung. 
Mit  1  lithogr.  Tat".    Leipz.    Teubner.    (XI,  264  8.  gr.  8.)  6.80. 

—  —  Die  Mechanik  in  d.  Nicht-Euklidischen  Raumformen.    [Journal  f.  d. 

reine  u.  angew.  Mathem.  98.  Bd.  1.  Hft.  S.  1—48.] 

Klrchhoff,  G.,  Zur  Theorie  d.  Gleichgewichtsvertheilg.  d.  Elektricitat  auf 
zwei  leitenden  Kugeln.  [Sitzungsber.  d.  k.  preuß.  Akad.  d.  Wiss.  zu 
Berlin  43.  44.  45.   S.  1007- 1013.  J 

KirwcliHtein,  H.,  Oberl.  am  kgl.  Gvmn.  zu  Marienburg.  Phedre,  tragödio 
par  Racine.    Erkl.    Berlin,  Weidmann.    (94  8.  8.) 

Klcbg,  Prof.  Dr.,  Die  Trinkwasserversorgung  d.  Stadt  Zürich  u.  ihrer  Aus- 
gemeinden. Vortr.  Aussersihl.  (Zürich,  Rudolphi  &  Klemm).  (40  S. 
gr.  8.)  baar  n.  —60. 

—  —  üb.  Cholera  asiatica.   Nach  Beobachtgn.  in  Genua.   (Aus:  „Corresp.- 

Bl.  f.  Schweizer  Aerzte.'']    Basel,  Schwabe.    (18  S.  gr.  8.)  —80. 

 oon  b.  Juberfulofe.  ^atljoloa..  <Sfmc.  [9Som  $et3  jum  Wecr.  §ft.  7.  «pril.] 

Klebs,  Privatdoc  Dr.  Elimar  (Berlin),  Ree.  [Dt.  L.  Z.  No.  3. 15. 24. 28.  31. 87.] 
Kleba,  G.,  üb.  Bewegung  n.  Schleimbildung  d.  Desmidiaceen.   [Biolog.  Cen- 

tralblatt  V.  Bd.  No.  12.]   Krit.  Bemerkgn.  zu  d.  Abhdlg.  v.  Hansgirg, 


*)  Die  Kant  betreff.  Litt,  folgt  später  in  e.  besond.  Zusammenstellung. 


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498 


Mittheilungen  und  Anhang. 


Ueb.  d.  Polymorphismus  d.  Algen.  [No.  21.1  Beiträge  z.  Morphologie 
u.  Biologie  d.  Keimung.  (Mit  24  Holzscnn.)  [Untersuchgn.  a.  d. 
botan.  Institut  zu  Tübingen  hrsg.  v.  Prof.  Dr.  W.  Pfeffer.  I.  Bd. 
Hft.  IV.  S.  536-635.] 
Kleba,  Rieh..  Die  Handelssorten  d.  Bernsteins.  [Aus:  „Jahrb.  d.  k.  preuss, 
geol.  Landesanstalt."]  Berl.  1883.  (Kgsbg..  Hübner  &  Matz  1885.) 
(32  S.  Lex.  8.)  baar  n.  2.  — 

—  —  Das  Tertiär  v.  Heilsberg  in  Ostpr.  [Jahrb.  d.  kgl.  Preuss.  geolog. 

Landesanstalt  f.  d.  J.  1884.  S.  334-380.] 

Älöpper,  D.  Ulbert,  $cr  ungcroalfte  Kliffen  u.  ba«J  alte  Äleib.  Xer  neue  ©ein  u. 
bie  alten  Sdilaudie.  [jtjeoloß.  Stubicn  u.  ffritifen.  Jja^rft.  1885.  3.  §ft.  S. 
505 — 534.]  Eine  apologet.  Bede  Jesu  f.  seine  d.  Sabbatbruches  be- 
schuldigten Jünger.  Matth.  12,  1—8;  Marc.  2.  23—28;  Luc.  6,  1—5. 
[Zeitschr.  f.  wissensch.  Thool.  28.  Jahrg.  2.  Hft.  S.  129— 145/1  Die 
Erörterg.  d.  Verhältn.  v.  Glauben  u.  Werken  im  Jacobusbriefe  (Cap.  2, 
14—26.)  [ebd.  3.  Hft,  S.  280-319.1 

Knapp,  Friedr.,  ^cEm  patrtot.  2iebcr.    SilfH  SJerl.  con  SBtlb.  Sobaufe.    (15  S.  8.) 

&0(ft,  3obn-  8ölfi»(t.  weil.  ©nmn.»$rof.  Dr.  3-,  2cbrbud»  b.  citgtifdb.  ©prathc- 
1.  a.  u.  b.  <X.:  @(cmcntarburf)  b.  engl.  Spraye.  22.  9(uft.  neu  bcarb.  c. 
Äealaomn.'i'cbr.  Dr.  Jobn  Äodi.  Berlin,  ©nölin.   (IX,  279  S.  gr.  8.)  1.80. 

 Der  Valentinstag.  [Anglia  VIII.  Bd.  S.  242-2451  Ree.  [ebd.  2.  Hft.] 

Köhler,  L.,  Op.  80.  Kinder-Clnvierschule  in  faßl.  u.  fördernd,  theoret.-prakt. 
Anleite,  m.  100  Originalstücken  u.  Uebungen.  15.  Aufl.  Leipz. 
C.  F.  W.  Siegel's  Musikhdlg.   4°.  3.- 

[  Königsberg.]    Schlüters  Entwurf  f.  d.  Schloß  zu  Königsberg.  (VVochenbL 

f.  Baukunde.  Nr.  88.]  Hlldebrandt-Strehlen,  die  Nibelungen  in  Kgbg. 
[Das  Magaz.  f.  d.  Litt.  d.  In-  u.  Ausl.  47.] 

ftönigebtrger.  . . .  b.  gemütbüebe;  c.  tfalcnbcr  a.  b.  3.  1886.  o.  6.  2.  Äautenberg. 

SRobrungen,  Jlautcnberg.    (72  u.  35  S.  12°.)  baar  —30. 
Kopp,  A.  (Kgsbg.).  Apios  Homerlexicon.  [Hermes  20.  Bd.  2.  Hft.  S.  167— 180.] 

Zur  Quellenkunde  d.  Etvinologicum  Magnum.  [Rhein.  Mus.  f.  Philol. 

N.  F.  40.  Bd.  3.  Hft.  S.*  371—376.] 
Kossinna,  Dr.,  Gust..  /"«io/tounpos  [Zeitschr.  f.  dtschs.  Alterth.  u.  dtsehe. 

Litter.  N.  F.  XVII.  Bd.'  2.  Hft.  S.  268.]  Ree.  [Dtsehe.  Lit.  Ztg.  Nr.  3. 42.] 
Kownat/.ki,  F.  A.,  Etüde  snr  Alexandre  Ilardv.    Progr.-Abhdlg.  d.  KgL 

Gymn.  zu  Tilsit.   (21  S.  4.) 
Kraffert  Ree.  [Philol.  Rundschau  1.  12.  24.  31.] 

Krah,  E.,  Ree.  [Berl.  philol.  Wochenschr.  5.  Jahrg.  No.  33.  50.  —  Philolog. 

Rundschau  14.  40.  45.1 
Ärahmcr.   Ärit.  SKücfblide  auf  b.  Wuff.«2ürf.  «rieg  1877/7a   flatb,  «ufffifcen  o. 

fturopatfa  . . .  bearb.  v.  Jftrafjmer,  9»aj.   $>ft.  1— 4.   Berlin  Wittler  <fc  Sobn. 

(391  S.  gr.  8.)  8.50. 

—  —  $er  ruff.  flriegäfcbauplaty  in  f.  ßtnfluffe  auf  b.  bort  operirbn.  Ärmcen  im 

gelbjuge  1812  u.  b.  poln.  Snfurrectionöfriegc  1830/31 ;  e.  ©tubte.  [öetbeft 

g.  SRiUtär.2Üo<bcnblatt  4.  £ft.  6.  125—155.] 

Krebs,  Hugo  (Verf.  d.  Preisstückes:  „Der  Bürgermeister  v.  Breslau",  v. 

„Funken  u.  Flammen",  „Distelblüthen"  etc.)  Nirwana.  Neue  Dichtgn. 

vermischt.  Inhalts.   Tilsit  Lohauss'sche  Bchhdlg.  (69  S.  8.)  cart.  2.— 
Krebs.   Heerdboch,  est  preuss.   Hrsg.  im  Auftr.  d.  Heerdbuch-Gesellsch.  . . . 

dch.  deren  Geschättsl'ühr.  Gen.-Secr.  G.  Kreiss.    2.  u.  3.  Bd.  Berlin 

1884  u.  85.  Parey.  (XI,  229  u.  147  S.)  ä  2.-  (1-3.  :  10.-) 
Kreysern,  Geo.  (a.  Gumbinnen):  üb.  Schnittwunden  d.  Kehlkopfes.  I.-D. 

Berlin.    (32  S.  8.) 

[Kreyssig]  Wlttlch,  Dir.  Dr.,  Zum  Gedächtn.  d.  Direkt.  Prof.  Friedr.  KreysMir. 
(Progr.  d.  Realgvmn.  in  Cassel  S.  26—28.  4°.) 

Krieg,  Prof.  Heinr.,  Correspondenzblatt  d.  kgl.  stenogr.  Instituts  zu  Dres- 
den. ...  32.  Jahrg.  Dresden.  Dietze.  Huhle  in  Comm.  baar  n.  4.  — 


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Altpreussische  Bibliographie  1885.  499 

Dazu  als  Beibl.:  Echo  . . .  Ebd.  1.50.  u.  Lesebibliothek,  Stenograph. 
Ebd.  1.50. 

Krieg,  Prof.  Heinr.,  Lehrbuch  d.  Btenogr.  Correspondenzschrift  ...  14.  Aufl. 

Ebd.  (Vin,  80  S.)  1.50. 
Aroftö.  Dr.  ^r.,  fcilföbu*  f.  b.  Unterricht  in  b.  ©cfcb.  an  bbb.  £öd)terfd)ulcn.  2.  £bL 

3).  Mittelalter.  5.  »Infi.  9Wit  2  bift.  (lith.)  Wart.  (IV,  6-1  S.)  -80.   3.  Sic 

neuere  3eit.   «Kit  e.  fcift.  (d)romolitb.)  «arte.   (173  3.)  1.20. 
Ärüger,  weil.  Sup.  ^Jfr.  $erm.,  ©ebiebte.    9lacb  fm.  lobe  gefamtn.  u.  fjräg.  o.  feinen 

flinbern.    ßlbing.    Saunier  in  Gomm.    (VII,  104  6.  ßr.  8.)  1.50. 
Arügcr.  9left.  Garl       Satcrlanb.  ®efd)id)tc.   Scbcnäbilbcr  .  .  .   Eanjig  Hrf  (IV, 

114  S.  ßr.  8.)  cart.  -50. 
 fiteberftraufj  o.  jroei»  u.  breiftimm.  ©efängen  f.  Schulen.    9Juäg.  A.:  2RU 

93  Stehern.   8.  oerm.  u.  ob.  Slufl.  ebb.  (52  S.)  n.  —25. 

—  —  Seitfabcn  b.  ©cograpbie  u.  ©efebiebte  f.  Stalfsfcbulcn  ...  8.  ob.  Slufl.  $anjig. 

Bertling.    (32  S.  8.;  —25. 
Kruger.  Paul  (ans  Skaisgirren) :  ein  Beitrag  z.  Kenntniss  der  Abkömmlinge 

des  Hydroxylamins.    I.-D.    Berlin.    (54  S.  8.) 
— ,  Prof.  Dr.  Paul  (Kgsbg.),  Ree.  [Dtsche.  LZ.  8.] 

Kühne,  Ernst  (a.  Classenthal  Reg.-Bez.  Gumbinnen):  üb.  unsere  heutige 

Kenntn.  u.  Behandig.  d.  Lupus.    l.-D.    Greifswald.    (28  S.  8.) 
Kusel,  Dir.  Dr.  Ed.,  drei  Schulreden  (Gymn.-Progr.  )  Memel.  (S.  3-14.  4.) 
Kuhnert,  Ernst,  Ree.  [Berlin.  Philol.  Wochenschr.  44.] 

Vanbmaitn,  Sieftor  2t).,  35ie  brei  3icid>c  ber  9iatur.  Scitfab.  f.  b.  naturbefchr. 
Untere  an  ^öh.  3Hät>chcn«  u.  Wittclfcbulcn.  Ägflbg.  ©räfe  1884.  (VII,  192  6. 
gr.  8.)  1.60. 

Lange,  Bericht  üb.  d.  Ereignisse  der  Jahre  vom  1.  11.  1877  bis  31.  10.  1882 
auf  d.  geburtshilfl.  Abteilung  d.  gynäkolog.  Klinik  zu  Kgsbg.  i.  Pr. 
[Berl.  klin.  Wochenschrift  No.  26.  29.] 

Langendorff,  Prof.  O.,  üb.  elektriscbe  Reizung  d.  Herzens.  [Archiv  f.  Ana- 
tomie u.  Physiol.    Physiol.  Abt.  Hit.  III,  IV  S.  284-287.] 

Vehmonu.  ^aftoralbibliotbcf.  Samml.  oon  Äafualrcbcu  .  .  .  bräg.  o.  $fr.  Dr. 
tfcljtnann.   @otba.   Scblocfunann.   7.  iBb.  (375  S.  ßr.  8.)  geb.  6.— 

—  —  unbeweglich  in  (S^rifto !    ^rebigt,  3ur  ßrinncrung  an  b.  £ieberbid)tcr  3oad>im 

Keanbcr  geb.    [2luö:  „<paftoralbibliothcf".]    (Sbb.  (14  S.  gr.  8.)  —40. 

—  —  3ur  Erinnerung  an  b.  gciftl.  Sänger  ^ob.  §ccrmann.  [6o.  ©emeinbcbl.  9io.  39.J 
Leidig,  Dr.  jur.  E.,  die  Beziehungen  Gustav  Adolfs  zu  Danzig.    I.  Theil. 

[Ztschr.  d.  Wostpr.  Geschichtsvereins  Hft.  XIV  Danzig  S.  1—44.] 
Lemke,  Elisabeth,  üb.  prähist.  Funde  in  Rombitten,  Ostpr.  [Vorhandlpn.  d. 

Berlin.  Geaellsch.  f.  Anthropol.  etc.  Stzg.  v.  21.  Febr.  S.  86—897] 
Lentz,  F.  L.,  (Kgsbg.)  Zu  Plutarchos  [N.  Jahrbb.  f.  Philol.  u.  Päd.  131.  Bd. 

S.  39-40.  u.  S.  192.] 
tfcfcalb.  Janno,  im  Slbcnbrotb-   flalciboötopifchc  Grjäblung  in  16  «riefen.  Dreöben, 

2Kinbcn.   (VII,  181  S.  8.)  3.- 
Lewy,  Julius,  (Memel).    Die  Kieferklemmen  u.  ihre  Behandig.  1.-D.  Berlin 

(32  S.  8.  m.  1.  Taf.) 
Lcyde,  Ludw.  (Culm).  DeApollonii  Sophistae  lexico  Homerico.    Diss.  inaug. 

Lipsiae  (35  S.  8«.) 

Leyden,  Ztschr.  f.  klin.  Medicin.  Bd.  IX.  u.  X.  ä  6  Hfte.  Berlin.  Hirsch- 
wald,  ä  16.— 

 Ueb.  nervöse  Dyspesie  [Berlin,  klin.  Wochenschr.  No.  30.] 

Liebisch,  Th.,  üb.  e.  Ganiometervorrichtung  welche  z.  Messung  zersetzbarer 

Krystalle  dient  [N.  Jahrb.  f.  Mineral.,  Geol.  u.  Palaeontol.  1.  Bd. 

Stuttg.  S.  76  -77. J  üb.  d.  Totalreflexion  an  optisch  einaxigen  Krj'stallen 

|Ebd.  S.  245-253 j. 

Liebreich,  Ose.,  u.  Alex.  Langgaard,  D.D.,  medic.  Rocept-Taschenbuch.  Lf. 

2-20  u.  Nachtrag.  Berlin  Fischer.  (S.  49-992.  8.)  (compl.  10.80). 
Liebreich,  Dr.  Rieh.,  Atlas  der  Ophthalmoscopie.    Darstellg.  d.  Augeugrun- 


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500  Mittheilungen  nnd  Anhang. 


des  im  gesund,  u.  krankh.  Znstande,  enth.  12  Taf.  in  Farbendr.  Nach 
d.  Nat.  gemalt  u.  erlftnt.  3.  Aufl.  Fol.  (VIII,  31  S.  Berlin.  Hirsch- 
wald.) part.  32. 

LI*k,  Gust.,  Wiederholungsbuch  zum  Geschichtsunterrichte  in  Seminaren  u. 
Präparanden-Anstalten.   V.  Aufl.    Löban.    Skrzeezeek  (92  S.  8.)  —75. 

Lipschitz,  D&iuction  arithm&tmie  d'une  relation  due  k  Jacobi  ]Acta  mathe- 
matica  VII.  1.]  sur  les  so  mm  es  des  diviseurs  des  nombres  [Comptes 
rendus  hebdomad.  des  seances  de  1'Aead.  des  sc.  T.  100  p.  845—849.] 

Ussauer,  Dr.,  Untsuclm.  üb.  d.  sagittale  Krümmg.  d.  Schädels  b.  d.  Anthro- 
poiden u.  d.  verschied.  Menschenrassen  [Archiv  f.  Anthropol.  XV.  Bd. 
Supplement.    S.  9—120.  4to.] 

Satffltt,  (gbuarb,  (ftrauenburg),  Dir  SBeibe  b.  beil.  Dele,  b'ft-  u.  Hturgifd)  beteuebt 
u.  erflärt.   [Der  ftatboli!  65.  ^obrg.  91.  ft.  27.  Jabrg.  3uni»-£>ecbr.«£ft.] 

Loevy,  Sallv  fSchwetz)  Beiträge  z.  Casuistik  der  Lungen  -Echinococcen. 

I.-D.  Greifsw.  (25  S.  8.) 
«oetotntfjal,  %ül,  Ärout  u.  »üben.  .  .  Äg9bg.  S(bmtbt.  (100  3.  gr.  16.)  baar  1.— 
Lohmeyer,  Prof.  Dr.  Karl,    Grundriß  der   lateinischen  Palaeographie  v.  d. 

Urkundenlohre  von  Cesare  Paoll,  Staatsarchivar  u.  Prof.  zu  Florenz. 

Aus  d.  Italien,  übersetzt.    Innsbruck.    Wagnersche  Universit.-Bchh. 

(VUI,  79  S.  gr.  8.)  2.-- 
 unb  CbcrI.  «.  Uiomae,  fcilfdbud)  f.  b.  Untricbt  in  b.  btf*.  @cfcf>.  6.  j.  roeftfö!. 

^rieben.    fcaHe  a.  3..  »Ab.  b.  Söatfenl).  1886  (85).  (IV,  98  S.  gr.  8.)  1 — 
—  —  u.  —  —  ftilfdbud)  f.  b.  Untricbt  in  b.  branbenb.«preuf}.  ©efd>.  f.  bob.  2ebr» 

onftolt.  u.  Kittclfcbul.    <Sbb.  (V,  108  3.  gr.  8.  m.  1  geneal.  taf.)  1  — 
 ©itorob.  ©roMürft  o.  Sttaucn  (f  143o)  SJortr.  [HRittcilflrt.  b.  litou.  litt.  (*ri. 

10.  fcft.]  (II,  4.  3.  203-230.)   Wcc.  [Sit.  Gtralbl.  16.  28.  29.] 

(Nachtrag.) 

 Historischer  Atlas  von  Droysen.    Blatt:  „Die  Gebiete  des  deutschen 

Ordens"  revid. 

 ftolgenbe  %ttiUl  in:  magern.  fceutfoV  8iograpbte"  Sctprig  1875  ff.  1.  SKbmbt 

o.  Sranbenburg.  2.  Wlbrccbt  ftriebrid),  §crjögc  o.  ^reufjen  I,  293—310. 
310-314.  3.  Wtenburg,  Dtetri*  v.,  öodjm.  361—63.  4.  «nfclm,  8ifa>f 
o.  (Srmlanb.  477—78.  5.  8alto,  §erm.,  Sonbmciftcr.  H.  20—21.  6.  Saufen, 
Sodann  o.,  189-  90.  7.  JBlume,  8ürgermeift.  o.  SRarienburg.  745.  8.  Blu- 
menau, preufi.  ©efdHdbtöfdjrciber  747—48.  9.  8raunf<brocig,  Sutbcr  c,  §od}m. 
III,  275-76.  10.  8run  (SJomfacmS),  Grjbifcbof.  433-34.  11.  Gbriftwn, 
8if<bof  o.  8reuft.  IV,  175—176.  12.  Eamb,  9uca3,  preufe.  ©cidncbtfcbmber. 
785—86.  13.  Drumann,  ^rofeffor.  V,  486— 39.  14.  2>u3burg,  $eter  von, 
Gbronift.  492.  15.  ©lifabetb,  ÄurfürfHn  v.  »ranbenburg.  VI,  14—15.  16. 
Grli(b$baufen,  $odjm.  223—26.  17.  fcartfnoä),  (Sbriftopb,  © e f cb i  cti tf t^reiber 
X,  665-67.  18.  fcennenberger,  ©eograpb  k.  XI,  769—71.  19.  Jerofcbin, 
GDromft.  XIII,  779.  20.  Jungingen,  Jpodim.  XIV,  718-21.  21.  Äniprobe, 
$>o<f>m.  XVI,  295-297.  22.  Äimig.  i'ubolf,  $o<bm.  519—20.  23.  Äüa> 
meifter,  §ocbm.  XVII,  288—290.  24.  yubroig  ber  SBaicr  von  8ranbenburg 
XIX,  529-38.  25.  2ubwig  ber  ÄÖmcr  o.  «ranbenburg.  538-40.  26.  Har- 
burg, SBiganb  o.,  Gbjonift.  XX,  293—94.  27.  «RoSqua,  grbr.  2BUT>.  CJugenb« 
bunb)  XXn,  403-404. 

 in  „(Srftb,.  u.  ©rober'S  9Wgem.  encnflopfibie  b.  ©iffenfd&aftcn  Äünfte" 

folgenbe  Mrrtfel:  flarl  ftriebrid)  §erjog  o.  $»ol|'tctn«®ottorp.  2tc  ©cetion.  8p. 
33.  ©.  276-83.  «arl  fcerjog  ».  Äurlanb.  3.  283-87.  Rafimir  I-IV, 
«öntge  v.  «olen.  8b.  34.  204-226.  «effelsborf,  ©chbubt  bei,  SBb.  35, 
290—95.  Äniazeroica,  flarol.  8b.  37,  294—96.  Änipftro,  Job.ann  309—11. 
Rollontai,  fcugo,  8b.  38,  123—24. 

 in  „(Sncoflopäbic  ber  neueren  ©ef<6id>tc  b^räg.  v.  Sßilb-  ^erbft."  (®otba)  ©tele 

größere  unb  Heinere  Slrtifcl. 

8öref,  t^opelfen)  örgfinjungSfunb  f.  b.  »räbcrfelb  3mtcn,  Är.  SBcblou,  [Sifcgsfret.  b. 


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Altpreussische  Bibliographie  1885.  501 


«Itt^ßef.  $ruffta  1883/84.  Äadba.  S.  49.]  ^opelfen,  ©räbetfclb  [<Jbb.  49-51.] 
,  ^opelf™,  Sonbfclb  [8.  51-52.]   Xer  Pfahlbau  ju  ©onSlod  [52—53.1 
tfototnefi,  T>ir.  %to\.  St,  De  emendando  prologo  qui  est  in  Aeschyli  Septem 

adversus  Thebas  [Gvmn.-Progr.J  2)eutfd)>£ronc.  ®artn8.  (<5.  3—17.  4.) 

 Aeschyl.  Sept.  c.  Theb.  v.  «00-606  [Philologua  44  Bd.  S.  164-166.] 

Ladwich,  Arth.,  Aristarchs  Homerische  Textkritik  nach  d.  Fragmenten  d. 

Didvmos  dargest.  u.  beurth.  II.  Theil  Leipzig  Teubner  (VI,  774  S.) 

16.—  cplt.  28.— 
—  —  Ree.  [Berliner  philol.  Wochenschrift  No.  39.  49.  52.] 
tfiibtfe,  Siemen*  (ftontfc)  9tec.  [Stterarifäe  Äunbfäau  f.  b.  fat&ot.  Deutfälanb. 

11.  Sabrö.  6p.  280-281.] 
Lullies  Dr.  H.  (Kgsbg.)  Geographische  Erforschungen  in  Asien  [Geogr. 

Jahrb.  X.  Bd.  S.  471-5Ö2.J 
Magnus,  San.-R.  Dr.  A.,  die  Nasendonche,  ihre  Anwendu  :g  u.  ihre  Gefahren 

Königsb.  Härtung  (14  S.  gr.  8.)  —30. 
SRatef.  ©.,  UntcrfiKftungen  üb.  b.  (Sinflufc  b.  Samentrlger  oon  3uderrüben  .  .  . 

[ftttylinfl'ä  lanbroirtbfä.  3tfi.  34.  3ab,rfl.  11.  $jt.] 
SWarie  nburfl,  Tiie.  SRit  e.  Slbbilbung.  [«uS  aUen  SBelttbeilen  16. 3abrg.  S.  163—166.] 

Die  <bod>üffte  b.  I)eutf(b.  Stt'ttcrorbenö.  [(foang.  Ocmeinbeblatt.   9lr.  27.1 
Marold,  C,  Ree.  [Liternturblatt  f.  germ.  u.  roman.  Philol.  VI.  Jahrg.  No.  2.] 
Marschall,  Fridolin.  (Marien bürg):  zur  Casuistik  der  acuten  Phosphorver- 
giftung.    Diss.  inaug.  München  (31  S.  8.) 
Martens,  Wuh.,  Dr.  theol.  u.  jur.,  Regens  a.  D.,  die  Besetzung  des  päpstl. 

Stuhls  unter  den  Kaisern  Heinrich  IH.  u.  Heinrich  IV.  [Dove's  Zeitschr. 

f.  Kirchenrecht  XX.  Bd.  S.  139-255.  Bd.  XXI.  S.  1-98.]  Ree.  [Ebd. 

XX.  Bd.  S.  474—477.  Dtsch.  L.  Z.  No.  12.1 
Uflartty.  ft.       bie  §obcitärcd)te  über  ben  SBobenfee.  [ftnnaleu  beä  bcutfdjen  Metels. 

9lr.  4.  ®.  278—299.]  das  internationale  System  z.  Untdrückg.  des  Afri- 
kanischen Sklavenhandels  in  s.  heutig.  Bestände  [Archiv  f.  offen tl. 

Recht  I.  Bd.  Freiburg  i.  B.  S.  3-107.J 
Maschke,  Rieh.,  zur  Theorie  u.  Geschichte  der  Popularklage  1.  Beitrag. 

[Ztschr.  d.  Savigny-Stiftg.  f.  Rechtsgesch.  VI.  Bd.  2.  Hft.  Romanist. 

Abth.  S.  226-41.1 

Matzat,  Heinr.   Methodik  d.  geogr.  Unterrichts.   Mit  36  lithogr.  Tafeln. 

Berlin.  Parey.  (X,  382  S.  gr.  8.)  8.— 

 Ree.  [Lit.  Centralbl.  No.  41.  46.  Dtsche  L.  Z.  No.  13.  45.  52.J 

Mehlis,  Beschreibg.  d.  neuen  Gymnasialgebäudes  zu  Pr.  Stargardt.  (Gymn.- 

Progr.)  Stargardt.  (S.  I— VI  m.  1  Tafel.  4.) 
Mehler,  Prof.,  Beiträge  zur  Potentialtheorie  (Gymn.-Progr.)  Elbing  Riedel 

(35  S.  4.) 

Meier,  Herrn.,  Brutvögel  u.  Gäste  Louisenbergs  in  Ostpr.  [Ztschr.  f.  Orni- 
thologie 33.  Jahrg.  S.  90—96.] 

Mergnet,  H.,  Lexikon  zu  d.  Scliriften  Casars  und  seiner  Fortsetzer  m.  An- 
gabe sämmtl.  Stellen.  Lfg.  2-4.  Jena.  Fischer.  (Bd.  I.  S.  145—624. 
Lex.  8.)  &  8.- 

Merkel,  Prof.,  Dr.  F.,  Handbuch  d.  topograph.  Anat.  z.  Gebrauch  für  Aerzte. 
Mit  Holzsch.  1.  Bd.  1.  Lfg.  Braunschw.  Vieweg  &  Sohn.  (176  S.  gr.  8 
m.  1  Tabelle)  10.— 

Meyer,  Georg,  Die  Karier  [Beiträge  z.  künde  d.  indogerm.  sprachen  hrsg. 

v.  Dr.  A.  Bezzenberger.  X.  Bd.  Gotting.  S.  147—202.] 
Meyer,  Oberlandesgerichtsrath  (Marien werder)  Ist  die  Besitzklage  gegüb.  e. 

Widerklage  aus  d.  Recht  zulässig?  [Ztschr.  f.  dtsch.  Civüprozess. 

VIII.  Bd.  S.  451— 460.]   In  welch.  Fäll,  ist  nach  d.  Civilprozessordnung 

der  Erlass  e.  Versäumniflurtheils  zulassig?  [Ebd.  IX.  Bd.  S.  305—361.] 

Ree.  [Ebd.] 

Meyer,  Ober!.  Otto,  d.  geometr.  Zeichenunterricht  in  Quinta.  Beii  z.  Jah- 
resber.  des  kgL  Progymn.  Schweiz.  Büchner  (VI,  8.  S.  8°.) 


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502  Mittheilungen  und  Anhang. 

Michelson,  Dr.  P.,  die  Electrolyse  als  Mittel  zur  radicalen  Beseitigung  an 
abnormer  Stelle  gewachsener  Haare.  Mit  3  Abbildgn.  [Aus  „Berl. 
klin.  Wochenschr."]  Berlin.  Hirschwald  (19  8.  8.)  —40.  Bemerkung 
z.  d.  Arbeit,  des  Herrn  Dr.  v.  Sehlen  über  die  Aetiologie  der  Alopecia 
areata  (Area  Celsi).  [Virchow's  Archiv  f.  pathol.  Anat.  99.  Bd.  S.  572.J 
Zweite  u.  letzte  Bern.  [Ebd.  100.  Bd.  S.  576—78.]  Zum  Capitel  der 
Hypertrichosis  [Ebd.  S.  66-80.] 

Minkowski,  Herrn.  Untersuchungen  üb.  quadrat.  Formen  I.  [Acta  raathe- 
matica.  7  :  3.  Stockholm  S.  201— 258.]  üeber  positive  quadratische 
Formen  [Journal  f.  d.  reine  u.  angew.  Mathem.  Bd.  99.  S.  1—9.] 

SHittlKÜunflen  bcö  28cftpr.  Hrdjitcften»  u.  ^ngcnicucScreinS.  Danjtg.  Sauer.  §ft. 
IV.    (70  ©.  gr.  8.) 

Mittellumren  der  litau.  litterar.  Gesellsch.  Hft.  10.  (II.  4)  Heidelb.  Winter. 
\8.  171-298.) 

SRüftr«,  Oberl.  Dr.  Jtarl,  gricbrid)  b.  ©rofcc  u.  b.  flarbinal  Sinjenborf,  ftürftbifcM 

o.  »refllau  (IJrogr.  b.  ftabt.  Aealgnmnaf.)  Ägäbg.  3.  1—49.  4°.) 
VtocQet,  itnton,  Xanjiger  ftraucntrad)tcnbu#  ouö  b.      1601,  in  getreu,  ftafftmüe« 

Äcprobuftionen,  neu  bröfl  .  .  o.  ?l.  ^Bertling.  1>an$ig  1886  ("85.)  SR.  Skrtling. 

(16  6.  4.  m.  20  iaf.)  geb.  baar  8.— 
Wäütt,  $rof.,  2Reb  «3t.  (itömgöb.)  Die  pomifdjen  $uben  I— IV.  [X)ie  «Ration  2. 3afjrg. 

Hr.  50-52.    3übi(<f)C3  üiteraturblatt  14.  «Jaforg.  9lr.  40—52.]  Dftpreufeen 

einft  unb  tot.   [Die  «Ration.  3.  Satjrg.  <Rr.  8.] 
Moeller,  Dir.,  Geschichte  d.  altstädt.  Gymn.  z.  Königsb.  i.  Pr.  (Schluss) 

(Bericht  d.  altstädt.  Gymn.)  Kgsbg*.  Härtung.  (54  S.  4.) 
Moldenliauer,  Gustav,  Illustrierte  Weihnachtliche  Rundschau  über  d.  Litte- 
rarischen Erscheinungen  d.  J.  1885.  .  .  .  Unter  Mitwirk.  v.  Dir.  Dr. 

Wilh.  Büchner.  .  .  hrsg.  Weimar.  Weissbach.  (188  S.  gr.  8.)  —75. 
Monatsschrift,  Altpreussische  .  .  .  22.  Bd.  8  Hfte.   (IV,  692  S.  gr.  8  m.  2 

autogr.  Karten  u.  Croquis.)  9.— 
Moszclk,  Otto,  üb.  d.  Einfluss  d.  Temperatur  auf  d.  Absorptionsfähigkeit  d. 

Thierkohle.   [Arch.  f.  Anatom,  u.  Physiol.  Hft.  III/IV.  S.  276-283.] 
Müller,  Aug.  (Kgsbg.)  Der  Katalog  d.  arab.  Hdss.  der  Vicekönigl.  Biblioth. 

zu  Kairo  [Ztschr.  d.  dtsch.  Morgenl.  GeseUsch.  39.  Bd.  IV.  Hft  8. 

674-703.] 

 Der  3älam  im  SRorgcn«  unb  SIbenblonb.  (1.  33b.  VII.  646  8.  2er.  8°.  tn. 

eingebr.  ^oljfe&n.  11  laf.  u.  1  $ac).)  [Mgcm.  ®efätd)te  in  ©injelbarfteHungcn 

.  .  .  brög.  o.  Söul.  Cnden.]  »erUn.  ©rote. 
—  —  Ueber  Text  u.  Surachgebrauch  von  Jbn  Abi  Useibia's  Geschichte  der 

Aerzte  [Sitzungsberichte  d.  kgl.  Akad.  d.  Wissenschaften  zu  München 

1884,  philos.-phüol.  u.  bist,  Cl.  Hft.  V.  S.  853-977.J   Ree.  ITheoL 

Literaturztg.  10.  Jahrg.  Nr.  22.] 
Müller  I ,  ord.  Lehr.  Th.,  Grundzüge  d.  organ.  Chemie  (Progr.  d.  Löbenicht- 

schen  höh.  Bürgerschule)  Kgsb.  S.  3-25.  4".)  Forts.  (Ebd.)  1886  (S. 

3-21.  4to.) 

Mülverstedt,  Geh.  Archivr.  G.  A.  v.,  Das  Siegel  des  Pfarrers  Heinrich 
v.  Kaien.    [Der  Deutsche  Herold  XVI  No.  6.  8.  62-65.J* 

MUttrlch,  Prof.  Dr.  A.,  Beobachtungs-Ergebnisse  der  v.  d.  forstl.  Versuchs- 
anstalt .  .  .  eingericht.  forstl.  meteorol.  Stationen  hrsg.  11.  Jahrg. 
Berlin  Springer  haar  2.— 

 Sturmschäden  in  den  Tagen  vom  20.— 28.  Januar  1884.  [Ztschr.  f.  d. 

Forst-  u.  Jagdwesen  1.  Hft.J 

Nadrowski,  Rieh.,  der  Lautwandel  besonders  im  Griechisch  u.  Latein.  (Ein 
Beitrag  z.  indoeurop.  Wortkunde.)  (Gvmn.-Progr.)  Thorn  (14  S.  4.) 

9tatfa,  Dr.  Äeg.«  u.  2Rcb.«9l.,  ©eneral»SBerid)f  üb.  b.  öffcntl.  ©cfunbbeitSmef.  im 
9tcg.«»e».  «gflbg.  f.  b.  3abre  1881-1883  erftattet.  SRit  12  grapbifft.  Za\.  u. 
2  «ort.  Sbg.  öräfe  &  Unjer.   (VII,  340  6.  gr.  8.  m.  19  ©eil.)  baar  6.- 


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Altpreussische  Bibliographie  1885.  503 

Natfo,  Dr.  R.,  Reg.-  u.  Med.-R.,  Ueb.  d.  Hebammenweaen  im  Reg.-Bez.  Kgsbg. 

[Vierteljahrsschrift  f.  gerichtl.  Medicin.  N.  F.  XLII,  2.] 
Nauii)  n,  B.,  Fr.  Th.  v.  Frenchs.  [Archiv,  f.  experim.  Pathol.  u.  Pharmakol. 

Bd.  19.  Hft.  3.]  Berichtigung  (geg.  Simanowskv)  [Ztschr.  f.  Biologie 

21.  Bd.  S.  335.1 

Neuhaus,  Gymn.-L.  Otto,  die  Quellen  d.  Trogus  Pompejus  in  d.  persisch. 

Gesch.  (Hohensteiner  Gvm.-Progr.)  Osterode  i.  Ostpr.  1882.  4to.  (27  S.) 

1884.  (26  S.)  1885.  (29  S.) 
Neumann,  C.  -{-,  Physikalische  Geogr.  v.  Griechenld.  m.  besond.  Rücks.  auf 

d.  Alterth.  bearb.  von  Dr.  C.  Neumann,  weil.  o.  ö.  Prof.  u.  Dr.  J.  Partsch, 

0.  ö.  Prof.  Breslau  Köbner.  (XII,  476  S.  gr.  8.)  9.— 

9?rumann,  ftclij,  ^obaitn  ftriebrid)  o.  $ombarbt.  [oUqsberidjte  b.  9Uttf)tj5gcf.  ^Jruffia 
1883/84.  S.  90-36.] 

Neumann,  Prof.  Dr.  Franz  etc.,  Vorlesungen  üb.  theor.  Optik  .  .  .  hrsg.  v. 
Prof.  Dr.  E.  Dorn.  Leipz.  Teubner  (VIII,  310  S.  m.  Portr.  Franz  Neu- 
mann im  86.  Lebensi.  Nach  e.  Oelgemälde  v.  Louise  Neumann.)  9.60. 

—  —  Vorlesgn.  üb.  die  Theorie  der  Electricität  d.  festen  Körper  u.  des 

Lichtäthers  .  .  .  hrsg.  v.  Prof.  Dr.  Osk.  Emil  Meyer.  Ebd.  (XIII, 
374  S.  gr.  8.)  11.60. 
Stcumattn,  $rof.  Dr.  $r.  bic  »griffe  ®ut,  ©ertb,  ^reiä,  «ermögen,  SBirtbJcbaft, 
ertrag,  (Sinnobme  u.  ©mfommen.  [öanbbud)  b.  poltt.  Oefon.  b*äg.  d.  Dr.  ©uft. 
©cbönberg.  2.  «ufl.  93b.  I.  S.  129-190.]  3Me  «cftaltung  beS  greife«  [£bb. 
©.  263-934.] 

Neumann.  Josef  (aus  Wormditt):  üb.  Plasmazellen.    Eine  v.  <L  medizin. 

Fakult.  z.  Rostok  gekrönte  Preisschrift.  Rostock  (25  S.  8.) 
Hicolobiue.   ^eftalojjt  na3  ©•  §•  Wcolootuä.  [ftorbroeft;  fcrlg.  o.  9L  Sommer« 

8.  3<n)rg.  «r.  46.] 

Nietzki,  R.  u.  Th.  Benckiser,  üb.  Orthonitranilinsulfosäure  u.  üb.  e.  neue 

Darstellungsmethode  des  Orthonitranilins  [Berichte  d.  dtsch.  ehem. 

Ges.  18.  Jahrg.  No.  3.|  u.  0.  Göll,  üb.  Azonaphtalin  [Ebd.  No. 

8.]  —  —  u.  Th.  Benckiser,  üb.  Hexaoxybenzolderivate  u.  ihre  Beziehgn. 

zur  Krokonsäure  u.  Rhodizonsäure.  [Ebd.  Nr.  4.1 
9Htf$m«Wt,  fceinr.,  §ogia.    SlUpreufjtfcbeJJ  6po§  in  6  (Befangen.   SR»  2  ^Huftr. 

no*  Ortg.«3«d)n.  0.  $V  Soaöner.  Eanjig.  Sfcrüing.  (73  S.  12.)  1.20.  geb.  baar  1. 80. 
NötUng,  Privatdoc.  Dr.  Fritz  (Kgsbg.  i.  Pr.)  die  Fauna  d.  samländ.  Tertiärs. 

1.  ThL  (Lfg.  1.  2.  6.]  Nebst  (2  Bl.)  Tafel erklärgn.  u.  2  Texttaf.  Hrsg. 
v.  d.  k.  pr.  geol.  Landesanstalt.    Hierzu  Atlas  m.  27  Taf.  (VIII,  216  §. 

gr.  4.)  [Abhdlgn.  z.  geol.  Specialkarte  v.  Preuss.  ...  6.  Bd.  3.  Hft. 
erlin.]  n.  n.  20.— 

—  —  Die  Fauna  der  baltischen  Cenoman-Geschiebe.   Mit  8  Taf.  Berlin. 

G.  Reimer  (52  S.  4.)  9.—  (Paläontolog.  Abhdlgn.  2.  Bd.  4.  Hft.) 

—  —  Ueb.  Crustaceen  aus  dem  Tertiär  Aegyptens.  (Taf.  IV.)   [Sitzgsber.  d. 

k.  pr.  Ak.  d.  W.  z.  Berlin.  S.  487-500.]  Vorläuf.  Bericht  üb.  <L 
geogr.  Beschaff ht.  d.  Ost- Jordanlandes.  [Ebd.  S.  807—808.] 


Nachrichten. 

Deutscher  ElnheltSAchal verein.  Soeben  ergeht,  von  einer 
großen  Zahl  namhafter  Universitätslehrer  und  Schulmänner  unterzeichnet, 
ein  allgemeiner  Aufruf  an  alle  Universitäten  und  Schulen  Deutschlands, 
einen  „Deutschen  Einheitsschulverein"  zu  begründen.  Dieser  Verein 
darf  allgemeines  Interesse  beanspruchen,  denn  er  verfolgt  den  Zweck,  durch 
eine  maßvolle,  besonnene  Reform  des  Gymnasiums  die  so  oft  be- 


504 


Mittheilungen  und  Anhang. 


klagte  Zweiteilung  unseres  höheren  Schulunterrichts  wieder  zu  beseitigen 
und  an  Stelle  des  jetzigen  Gymnasiums  und  Realgymnasiums  wieder  eine 
höhere  Lehranstalt,  die  Einheitsschule,  zu  setzen,  welche  sich  den 
Kern  der  alten  humanistisch-gymnasialen  Bildung  bewahrt,  die- 
selbe aber  durch  Rücksichtnahme  auf  die  berechtigten  Forde- 
rungen der  Gegenwart  neu  kräftigt  und  verjüngt.  Alle  Diejenigen« 
welche  dem  Vereine  beitreten,  bezw.  die  konstituirende  Versammlung  des- 
selben am  5.  Oktober  1.  J.  in  Hannover  besuchen  wollen,  werden  gebeten, 
dieses  dem  mitunterzeichneten  Gymnasiallehrer  F.  Hornemann  in 
Hannover,  Marschnerstraße  51,  schriftlich  mitzuteilen.  Derselbe  er- 
teilt auch  jede  Auskunft  in  Sachen  des  Vereins. 

Berichtigung. 

In  Heft  I  —  II  des  XXIH.  Baudes  der  Altpreuß.  Monatsschrift  be- 
schäftigt sich  Herr  A.  Horn  gelegentlich  eines  „Nachtrags  zur  Schlacht  bei 
Tannenberg"  auch  mit  mir  ein  weuig.  Er  imputirt  mir,  „daß  ich  mit  Vor- 
liebe den  slavischon  Standpunkt  vertrete".  Von  Polen  uud  Rußlaud  her  bin 
ich  gewöhnt  zu  hören,  daß  „ich  mit  Vorliebe  den  deutschen  Standpunkt 
vertrete".  Billig  Denkende  werden  sich  daraus  wohl  zusammensetzen, 
welchen  Standpunkt  ich  einnehme. 

Ohne  aber  auf  die  Studie  des  Herrn  Horn  näher  einzugehen,  möchte 
ich  nur  die  40  Zeilen,  die  der  Verfasser  gleichsam  unter  meiner  Flagge 
schwimmen  läßt,  etwas  berichtigen:  Es  ist  nicht  richtig,  daß  Johann  v.  Posilge 
„der  bedeutendste  Geschichtsschreiber  des  Ostens  im  XV.  Jahrhundert"  war. 
Denn  von  allem  Andern  abgesehen,  hat  er  kaum  Vao  des  XV.  Jalirhunderts 
erlebt.  —  Es  ist  nicht  richtig,  dass  Dlugosz  Domherr  des  „Erzbischofs"  war. 
Die  Domherrn  gehören  der  Kirche  resp.  dem  Capitel  an.  —  Es  ist  nicht 
richtig,  daß  Krakau  jemals  einen  Erzbischof  hatte.  —  Es  ist  nicht  richtig, 
daß  Dlugosz  „Jurist"  war.  —  Es  ist  nicht  richtig,  daß  Dlugosz  die  Lebeus- 
rettung  des  Jagiello  durch  Zbigniew  Olesnicki  „erdichtet",  denn  sie  ist  ur- 
kundlich beglaubigt.  —  Es  ist  nicht  richtig,  daß  Zbigniew  Olesuicki  allge- 
mein verhaßt  war.  Im  Gegentheil.  —  Es  ist  nicht  richtig,  daß  Zbigniew 
„erster  Minister"  Jagiello»  gewesen  ist.  Es  gab  damals  in  Polen  noch  keine 
Minister.  —  Es  ist  nicht  richtig,  dass  von  1410  bis  zum  Tode  Jagiellos 
„etwa  20  Jahre"  verliefen.  Es  waren  (ohne  weitere  Circumscription  < 
genau  24.  —  Es  ist  nicht  richtig,  daß  Jagiellos  Sohn  Wladyalaw  IL  war. 
Es  war  Wladyslaw  HI.  —  Es  ist  nicht  richtig,  daß  Wladyalaw  einen  Kreuz- 
zug gegen  den  türkischen  Kaiser  unternahm.  Er  führte  nur  Krieg  gegen 
die  Türken.  —  Es  ist  nicht  richtig,  daß  Zbigniew  „um  Gnesen"  mit  irgend 
Jemanden  einen  Streit  hatte.  —  Es  ist  nicht  richtig,  daß  er  „entlassen"  wurde. 

Prof.  J.  Caro  in  Breslau. 

Druck  von  R.  Leupold  in  Königsberg  in  Pr. 


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Der  bairische  Geograph.*) 

Aus  den  nachgelassenen  Papieren 

de»  Herrn 

Victor  Ton  Ke lisch. 

Einleitung*. 

Als  ich  im  Jahr  1834  in  Bonn  zufällig  in  de  Buat's  Histoire 
des  Peuples  auf  die  Defcription  des  cites  et  regions,  situees  au 
cote  feptentrional  du  Danube  stieß,  ging  es  mir  ähnlioh  wie 
Karamsin,  ich  wußte  mit  diesen  wunderbaren  Namen  so  gut  wie 
nichts  anzufangen.  Im  Lauf  der  Jahre  begegnete  ich  noch 
mehrmals  dem  bairischen  Geographen,  —  bei  Hormayr,  Räumer, 
Ledebur,  Zeuß,  am  Eingehendsten  behandelt  bei  Schaffarik,  aber 
die  gezwungenen  Erklärungen  all  Dieser  konnten  mich  nicht 
befriedigen.  Seine  Ausleger  vindicirten  alle  ihnen  unbekannten 
Namen  den  Slaven  und  geriethen  auf  den  Abweg,  ganz  neue 
Völker  entdecken  zu  wollen.  Es  dürfte  deßhalb  nicht  überflüssig 
sein,  an  dies  wichtige  ethnographische  Dokument  nochmals  mit 
etwas  schärferer  Kritik  heranzutreten.  Es  handelt  sich  ja  doch 
nicht  um  längst  untergegangene  Volksstämme,  vielmehr  um  die 
Herkunft  von  Völkern,  die  mitten  unter  uns  leben  und  noch 
einer  größeren  Zukunft  entgegen  gehen.  So  um  die  Serben  und 
ihre  verschiednen  Zweige;  um  die  Bulgaren;  um  das  wichtige 
Zeugniß  dieses  Geographen,  daß  Magyaren  und  Ungarn  zwei 
ganz  verschiedene  Völker  sind,  ein  historisches  Faktum,  das  ja 
längst  fest  stehen  müßte,  wenn  man  das  gleichlautende  Zeugniß 
Nestors  nicht  absichtlich  ignorirt  hätte. 

*)  Vorliegende  Abhandlung  des  den  Lesern  dieser  Monatsschrift  von 
einem  früheren  Beitrag  her  bekannten,  leider  unserer  Provinz  durch  den 
Tod  entrissenen  gelehrten  Verfassers  ist  uns  als  opus  posthumum  von  Frau 
Bianca  von  Keltsch  auf  Stein  zum  Abdruck  übergeben  worden.  Wir  freuen 
uns  um  so  mehr,  diesen  Wunsch  hiemit  zu  erfüllen,  als  derselbe  mit  der 
Bezeichnung  der  Arbeit  von  Seiten  der  Professoren  der  vergleichenden 
Sprachwissenschaft  und  der  Geographie  an  hiesiger  Universität,  Herren  Dr. 
Bezzen  berger  und  Dr.  Hahn  als  einer  anregenden  und  zu  weiterer  Forschung 
auff ordernden  übereinstimmt. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIIL  Hft.  7  u.  &  33 


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500 


Der  bairische  Geograph. 


Der  bairische  GeogTaph. 

Der  Codex  latinus  M.  560  in  f.  auf  der  Königlichen  Bibliothek 
in  München  enthält  auf  Blatt  149  und  150  eine  kurze,  nur  zwei 
Seiten  betragende  Handschrift  aus  dem  Ilten  oder  12ten  Jahr- 
hundert, während  der  wirkliche  Verfasser  mehrere  Jahrhundert 
älter  ist.  Für  die  Keuntniß  des  frühen  Mittelalters  ist  sie  von 
großer  "Wichtigkeit.  Sie  stellt  eine  vollständige  Völker-Tafel 
vom  Ausfluß  der  Elbe  bis  zur  Mündung  der  Wolga  dar.  Ich 
habe  mir  von  dieser  Handschrift,  die  unter  dem  Namen  des 
bairischen  Geographen  bekannt  ist,  durch  Herrn  T.  M.  Auracher 
eine  neue  Abschrift  nehmen  lassen.  Es  sind  dadurch  auch  noch 
die  unbedeutenden  Fehler  der  Schmeller'schen  Abschrift  bei 
Schafiarik  *)  verbessert,  so  daß  der  unten  folgende  Text  auf  voll- 
ständige Korrektheit  Anspruch  machen  kann.  Die  in  der  Hand- 
schrift vorkommenden  Abkürzungen  sind  natürlich  beim  Druck 
nicht  beibehalten  worden. 

Descriptio  ciuitatum  et  regionum  ad  septentrionalem  pla- 
gam  danubii.  Isti  sunt  qui  propinquiores  resident  finibus 
danaorum  quos  uocant  nortabtrezi  ubi  regio  in  qua  sunt  ciuitates 
Uli.  per  duces  suos  partitae.  Vuilci  in  qua  ciuitates  XCV.  et 
regiones  IHI.  Linaa  est  populus  qui  habet  ciuitates  VH.  prope 
illis  resident  quos  uocant  bethenici.  et  smeldingon.  et  morizani. 
qui  habent  ciuitates  XI.  Juxta  illos  sunt  qui  uocantur  hehfeldi. 
qui  habent  ciuitates  VIII.  Juxta  illos  est  regio  quae  uocatur 
surbi.  in  qua  regione  plures  sunt  quae  habent  ciuitates  L.  Juxta 
illos  sunt  quos  uocantur  talaminzi.  qui  habent  ciuitates  XTTTI. 
Betheimaro  in  qua  sunt  ciuitates  XV.  Marharii  habent  ciui- 
tates XI.  Vulgarii  regio  est  inmensa  et  populus  multus  habens 
ciuitates  V.  eo  quod  multitudo  magna  ex  eis  sit  et  non  sit  eis 
opus  ciuitates  habere.  Est  populus  quem  uocant  merehanos. 
ipsi  habent  ciuitates  XXX.  Iste  sunt  regiones  quae  terminant 
in  finibus  nostris.    Isti  sunt  qui  iuxta  istorum  fines  resident. 

1)  Schaffarik  Slav.  Alterth.  II  S.  073.  Die  Abdrücke  beiHormayr,  Arch.  f. 
Oestr.  Gesch.  1827  und  bei  Räumer  Rogestun  18.*{(j,  sind  sehr  fehlerhalt.  Ein 
Face,  bei  Schieinann,  Rußland,  Pol.  u.  Livland  in  Onckens  allg.  Gesch. 


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Von  Victor  von  Keltsch. 


507 


08terabtrezi.  in  qua  ciuitates  plus  quam  C  sunt.  Miloxi.  in  qua 
ciuitates  LXVII.  Phesnuzi.  habent  ciuitates  LXX.  Thadesi 
plus  quam  CC.  urbes  habent.  Glopeani.  in  qua  ciuitates  CCCC. 
aut  eo  amplius.  Zuireani  habent  ciuitates  CCC.  XXV.  Busani. 
habent  ciuitates  CC.  XXX.  I.  Sittici.  regio  inmensa  populis 
et  urbibus  munitissimis.  Stadici.  in  qua  ciuitates  D.  XVI.  po- 
pulusque  infinitus.  Sebbirozi.  habent  ciuitates  XC.  Unlizi. 
populus  multus.  ciuitates  CCCXVIEL  Neriuani.  habent  ciui- 
tates LXXVIII.  Attorozi  habent  CXL.  VIII.  populus  ferocissimus 
Eptaradici.  habent  ciuitates  CCLXIII.  Uuillerozi  habent  ciui- 
tates CLXXX.  Zabrozi.  habent  ciuitates  CCXII.  Znetalici 
habent  ciuitates  LXX.  IÜI.  Aturezani.  habent  ciuitates  C.  im. 
Chozirozi.  habent  ciuitates.  CC.  L.  Lendici  habent  ciuitates 
XC.  VIII.  Thafnezi.  habent  ciuitates.  CC.  LVII.  Zeriuani. 
quod  tantum  est  regnum  ut  ex  eo  cunctae  gentes  sclauorum 
exortae  sint  et  originem  sicut  afnrmant  ducant.  Prissani,  ciui- 
tates LXX.  Uelunzani  ciuitates  LXX.  Bruzi.  plus  est  undique 
quam  de  enisa  ad  rhenum.  Uuizunbeire.  Caziri  ciuitates.  C. 
Ruzzi.  Forsderen.  liudi.  Fresiti.  Serauiei.  Lucolane.  Ungare. 
Uuislane.  Sleenzane.  ciuitates  XC.  Limsiri.  oiuitates  XXX. 
Dadosesani.  ciuitates  XX.  Milzane.  oiuitates  XXX.  Besunzane. 
ciuitates  II.  Uerizane.  ciuitates  X.  Fraganeo.  ciuitates  XL. 
Lupiglaa.  ciuitates  XXX.  Opolini.  ciuitates  XX.  Golensizi 
ciuitates  V. 

Sueui  non  sunt  nati  sed  seminati. 

Beire  non  dicuntur  bauarii  sed  boiarii  a  boia  fluvio. 

Wenn  man  dieses  Völker- Verzeichniß  anatomisch  zerlegt, 
so  ergiebt  sich,  daß  es  aus  sechs  Theilen  besteht.  Drei  derselben 
hat  der  Verfasser  selbst  in  besondern  Sätzen  angedeutet,  die 
Andern  ergeben  sich  aus  der  Reihenfolge  der  Volker  und  gewissen 
Nebenumstanden. 

Im  ersten  Abschnitt  werden  lauter  Volksnamen,  vom 
Obotritenlande  im  Nordfcn  bis  zur  untern  Donau  erwähnt,  die 
damals  bereits  dem  deutschen  Reich  zinspflichtig  waren.  Die 
Reihe  schließt  mit  den  Bulgaren  und  den  Worten  iste  fimt 

33* 


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508 


Der  bairische  Geograph. 


regiones,  que  terminant  in  finibus  nostris.  Darin  liegt  aber 
auch  der  Schlüssel,  daß  der  Verfasser  zwischen  866 — 870  sein 
"Werk  niedergeschrieben  hat.  Denn  nur  von  866—870  hatte 
Bulgarien  die  Oberhoheit  des  deutschen  Reiches  anerkannt. 

Der  zweite  Abschnitt  beginnt  mit  den  Worten:  isti  funt, 
qui  juxta  istorum  fines  resident.  Der  Geograph  zählt  nunmehr 
noch  einige  Völker  an  der  untern  Donau  auf,  die  dort  zwar 
Grenznachbaren  der  Ebengenannten,  aber  dem  deutschen  Reich 
nicht  mehr  zugehörig  sind. 

Im  dritten  Abschnitt  geht  er  den  alten  Handelsweg,  der 
aus  der  Ostsee  über  die  Düna  nach  Smolensk  und  von  da  den 
Dniepr  hinunter  bis  ins  schwarze  Meer  führte,  hinauf,  geht  dann 
östlich  an  die  Wolga  hinüber  und  auf  dem  zweiten  alten  Wasser- 
wege über  Wolga  und  Don  an  den  Pontus  zurück. 

Im  vierten  Abschnitt  nennt  er  die  Völker  am  Dniester, 
geht  über  Bug  und  Niemen  ins  Preußenland.  Der  Geograph 
schließt  diesen  Abschnitt  mit  den  Worten:  plus  est  undique, 
quam  de  Enisa  ad  Rhenum.  Das  ist  ein  sicheres  Zeichen,  daß 
dies  geographische  Aktenstück  in  Baiern  niedergeschrieben  ist, 
und  sich  nicht  blos  zufallig  nach  dem  Kloster  St.  Emeran 
verirrt  hat. 

Im  fünften  Abschnitt  zählt  der  Geograph  eine  Anzahl 
Völkernamen  auf,  die  notorisch  erst  seit  862  in  die  Geschichte 
eingetreten  sind,  namentlich  auch  die  Russen,  die  erst  durch 
ihren  Zug  von  Kiew  nach  Constantinopel,  866,  allgemein  bekannt 
geworden  sind.  Ueber  ihre  Größe  und  Zahl  kann  er  keine 
Auskunft  geben.  Daraus  schließe  ich,  daß  der  Geograph  seinen 
früheren  Aufenthalt  im  Osten  zu  dieser  Zeit  schon  beendet  hatte. 

■ 

Im  sechsten  Abschnitt  kehrt  er  ins  Abendland  zurück  und 
holt  noch  die  slavischen  Stämme  an  der  Oder  nach,  die  zu  der 
Zeit  noch  unabhängig  vom  deutschen  Reich  waren. 

Diese  Momente  muß  man  berücksichtigen,  um  den  wahr- 
scheinlichen Verfasser  dieses  wichtigen  Dokuments  zu  ermitteln. 
Alle  Indicien  scheinen  auf  eine  hochberühmte  Persönlichkeit 
jener  Zeit  hinzuweisen. 


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Von  Victor  von  Keltsch. 


509 


Der  heilige  Methodius  war  in  Theasalonich  in  Macedonien, 
einer  halb  slavischen  Stadt  geboren2),  war  früh  mit  seinem 
älteren  Bruder  Constantin,  dem  nachmaligen  heiligen  Cyrillus, 
in  den  geistlichen  Stand  getreten.  Beide  Brüder  hatten  dann 
den  Slaven  im  finnischen  Bulgaren-Reich  an  der  Donau  das 
Evangelium  gepredigt.  Im  Jahr  860  waren  sie  auf  Einladung 
der  Chasaren  nach  Cherson8)  gegangen,  dort  aber,  durch  bisher 
unaufgeklärte  Hindernisse  zwei  Jahr  lang  aufgehalten  worden, 
ohne  die  "Wolga  erreichen  zu  können 4).  Im  Jahr  863  hatten 
Methodius  und  sein  Bruder  sich  nach  dem  obern  Mähren  begeben 
und  dort  mit  solchem  Erfolg  für  die  Ausbreitung  des  christlichen 
Glaubens  gewirkt,  daß  sie  sich  den  Namen  der  Slaven-Apostel 
erwarben.  Im  Jahr  869  wurde  Methodius  zum  Erzbischof  von 
Pannonien  und  Mähren  von  Papst  Hadrian  H.  ernannt.  Er 
mußte  aber  schon  870  seine  Diöcese  verlassen  und  Schutz  gegen 
seine  Widersacher  bei  König  Ludwig  in  Rogensburg  suchen. 
Es  würde  also  die  Anwesenheit  des  Methodius  in  Regensburg 
mit  der  Abfassung  des  Berichts  zusammenfallen.  Soll  man  da 
nicht  annehmen,  daß  derselbe  auf  Veranlassung  des  Königs  Ludwig 
verfaßt  wurde?  Und  wer  anders  als  Methodius  konnte  so  genau 
orientirt  sein,  nicht  blos  über  die  Grade  seiner  eignen  Diöcese, 
über  die  Länder  der  untern  Donau,  und  über  die  weit  im  Osten 
gelegenen,  in  Deutschland  damals  kaum  dem  Namennach  bekannten 
Völker  slavischen,  finnischen  und  kaukasischen  Blutes.  Die 
Kenntniß  derselben  hatte  ja  Methodius  durch  seinen  langen 
Aufenthalt  in  der  Handelsstadt  Cherson  erworben.  Er  nennt 
diese  Völker  nicht  vage  durcheinander,  sondern  giebt  sie  in 


2)  Dudik  G.  v.  Mähren  I  S.  155  und  Ginzel  Gesch.  der  Slaven-Apostel. 

3)  A*oer  nicht  das  heutige  Cherson  an  der  Mündung  des  Dniepr,  sondern 
das  alte  Cherson  in  der  Krimm. 

4)  Man  geht  wohl  nicht  fehl,  wenn  man  diese  Hindernisse  in  Intriguen 
vennuthot,  welche  von  den  jüdischen  Ministern  und  Rathgebern  des  Chasaren 
Chagan  ihrer  Weiterreise  in  den  Weg  gelegt  wurden.  Ja  die  Chasaren 
lieferten  jetzt  freiwillig  alle  christlichen  Sklaven  ohne '  Lösegeld  an  die 
Byzantiner  aus,  um  allen  weitern  christlichen  Einfluß  oder  Bekehrungs- 
Vereuche  von  der  Wolga  fern  zu  halten. 


■ 


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510 


Der  bairiwhe  Geograph. 


bestimmter  Reihenfolge  und  nach  ihrer  Volkszahl.  Die  großen 
Zahlen  sind  keine  Uebertreihung.  Man  muß  hier  nur  seine 
Civitates  mit  Ulyssen  oder  Tausendschaften  übersetzen. 

Der  Geograph  hatte  die  TJeihe  der  neu  erschienenen  Völker 
mit  Erwähnung  der  Ungare  geschlossen.  Diese  waren  862  zum 
ersten  Mal,  wahrscheinlich  über  Galizien,  in  Deutschland  ein- 
gebrochen. Es  ist  daher  ganz  folgerichtig,  wenn  er  in  seiner 
Beschreibung  ebenfalls  auf  demselben  "Wege,  über  Vislane,  das 
"Weichselland,  an  die  Oder  zurückkehrt,  um  nun  noch  die 
slavischen  Stämme  herzuzählen,  die  870  noch  nicht  zum  deutschen 
Reich  gehören.  Denn  erst  nach  871  dehnte  Svatopluk  seine 
grossen  Eroberungen  auch  über  diese  Länder  aus.  So  stimmt 
auch  darin  der  Bericht  des  Geographen  mit  der  Geschichte 
überein. 

Da  diese  heidnischen  Slavenstämme  im  "Westen  an  die 
Diöcese  des  Methodius  grenzten,  so  zeigt  sich  der  Geograph 
hier  wieder  aufs  Genaueste  über  Namen  der  Gaue,  Größe  und 
Anzahl  ihrer  Burgbezirke  unterrichtet.  Die  gute  Kenntniß  der 
Verhältnisse  konnte  er  erst  gesammelt  haben,  seit  Methodius  in 
Pannonien  und  Mähren  das  Lehramt  verwaltete.  Es  sind 
Andeutungen  ,v)  vorhanden,  daß  er  auch  die  Bekehrung  der  Heiden 
zum  Christenthum  in  diesen  dunkeln  Ländern  schon  in  Angriff 
genommen  hat. 

Fassen  wir  alle  diese  Einzelheiten  zusammen,  so  gewinnt 
die  Hypothese,  daß  Methodius  der  Verfa  sser  dieses  ethnographischen 
Berichts,  König  Ludwig  der  Empfänger  desselben  gewesen,  an 
äußerer  und  innerer  Glaubwürdigkeit. 

Ehe  ich  mich  nunmehr  an  die  Erklärung  der  einzelnen 
Volksnamen  wage,  muß  ich  bemerken,  daß  die  Handschrift  sehr 
viele  Schreibfehler  enthält,   wodurch  manche  Namen  bis  zur 


5)  Es  giebt  in  diesen  Ländern  Ortsnamen  Zirke,  Zirkwitz,  Zerekwitz. 
die  ihren  Namen  von  Cerkiew,  die  griechische  Kirche,  haben,  während  die 
katholische  stet«  Kosciol  heißt.  Erstere  sind  wahrscheinlich  von  Methodina 
und  griechischen  Priestern  gestiftet. 


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Von  Victor  von  Keltsch. 


511 


Unkenntlichkeit  verdunkelt5)  sind.  Entweder  hat  der  Abschreiber 
einzelne  Worte  des  Originals  falsch  gelesen,  oder  es  passirt  ihm 
auch  gradezu  der  lapsus  calami,  daß  er  Buchstaben  oder  ganze 
Silben  versetzt  z.  B.  wenn  er  Glopeani  statt  Polgeani  schreibt. 
Bei  einiger  Aufmerksamkeit  wird  es  mir  hoffentlich  gelingen, 
die  entstellten  Namen  wiederherzustellen. 


„Beschreibung  der  Bezirke  und  Landschaften  im  nördlichen 
Erdstrich  der  Donau.   Zuerst  diejenigen,  welche  der  dänischen  Grenze 
benachbart  sind,  die  man  nennt:" 

„Nortabtrezi.  ein  Land,  in  dem  53  Burgwarde  unter  besondre 
Fürsten  vertheilt".  Die  Obotriten,  von  derTrave  bis  zur  Warnow 
mit  den  Hauptstädten  Miklinburg  und  Zwarina.  Seit  Karl  dem 
Großen  bereits  dem  deutschen  Reich  tributär,  sogar  dessen 
Bundesgenossen  gegen  die  überelbischen  Sachsen. 

„Vuilci  mit  95  Burgwarden  und  vier  Landschaften".  Die 
Wilzcn  oder  Lutizior  von  der  Warnow  bis  an  die  Odermündungen 
und  südlicher  bis  an  die  alte  Landesgrenze  der  Ukrani.  Der 
Geograph  ist  genau  unterrichtet;  denn  das  große  Volk  der  Wilzen 
bestand  aus  vier  Stämmen :  den  Kizzinen  und  Cirzipanen  nördlich 
von  der  Peene,  den  Tolesanten  und  Rhedarier  südlich  von  der 
Peene.  Ihr  Haupttempel  stand  in  Rhetra  an  der  Tollense. 
Sie  waren  das  wildeste  und  kriegerischste  Slavenvolk,  dessen 
Unterjochung  den  Deutschen  erst  nach  Jahrhunderte  langen 
Kämpfen  gelang. 

„Linaa,  ein  Volk,  das  7  Burgwarde  hat".  Die  Lingones 
des  Eginhard,  auf  dem  rechten  Elbufer,  von  dor  Elbe  bis  zur 
Stepenitz.  Ihre  Hauptstadt  war  Lunkini,  Lenzen.  Zu  ihrer 
Bezwingung  legte  Karl  der  Große  auf  dem  Höhbuck,  gegenüber 
von  Lentzen,  die  Feste  Hohbuoki  an. 

Ich  halte  sie  für  Nachkommen  der  Lingai  oder  Lingonen  des 


6)  Gibbon  hist.  of  ducline  Rom.  Emp.  VII  S.  251,  acceptirt  zwar  4600 
villages  fcattered  of  Russia  and  Poland.  aber  ohne  sich  an  die  Erklärung 
dieser  barbarischen  Namen  zu  wagen. 


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512 


Der  bairisehe  Geograph. 


Ptolemäus,  die  aus  der  Nieder-Lausitz  nun  bis  an  die  Elbe 
westwärts  gedrängt  sind. 

„Neben  ihnen  wohnen  Diejenigen,  welche  man  Bethenici, 
Smeldingon  et  Morizani  nennt,  mit  11  Burgwsrden".  An  die 
Lingonen  stoßen  nördlich  die  Smeldinger,  ihre  Hauptstadt  war 
Connoburg,  das  heutige  Connow  bei  Eldena.  Die  Orte  Groß- 
und  Klein-Schmölen  bewahren  noch  den  alten  Volksnamen. 

Die  Bethenici  aber  müssen  wir  als  südliche  Nachbaren  der 
Lingonen  suchen.  Sie  kommen  demnach  in  die  alten  Gaue 
Nieletici  *)  und  Ligzitzi  zu  stehen,  ersterer  nördlich  von  Havelberg 
am  Ufergelände  der  rechten  Elbseite,  letzterer  zwischen  Elbe 
und  Havel  gelegen.  Der  Namen  Bethenici  oder  wie  Schaffarik 
will  Wjetniker  stammt  vielleicht  her  von  den  Wethinnern,  den 
Ruderknechten  der  Wethinnen,  jenen  großen  flachen  schwer- 
fälligen Flußschiffen,  wie  sie  noch  heut  auf  dem  Niemen  im 
Gebrauch  sind,  früher  wohl  auf  allen  slavischen  Flüssen  gang 
und  gäbe  waren.  Man  denke  nur  an  die  Vethenici  Thietmars 
in  Meißen. 

Die  Orte  Böhne  und  Bützen  an  der  Havel  sind  wohl  noch 
Anklänge  an  den  Volksnamen. 

Der  Gau  Morizani  oder  Moraziani  lag  Magdeburg  gegenüber, 
von  der  Stremme  8)  bis  zur  Nuthe,  östlich  bis  zur  Temnitz.  Er 
ist  vielleicht  nur  ein  Ueberrest  des  ehemaligen  Landes  Maurungania 
zu  beiden  Seiten  der  Elbe.  Nach  der  fränkischen  Wandersago 
sollen  die  Franken  hier  zuerst  in  Germanien  Station  gemacht 


7)  Nieletici  kommt  vom  poln.  nieludny  öde,  unbewohnt.  Es  gab  drei 
Gaue  dieses  Namens,  bei  Havelberg,  bei  Würzen,  bei  Giebichenstein.  Erstere 
beide  sind  noch  heut  voller  Wald,  die  Ortschaften  nur  dünn  vorhanden. 
Ligzitzi  von  ligawiczny  morastig,  Boden,  auf  dem  man  nicht  stehen  kann. 

8)  Raumer  schiebt  noch  den  Gau  Zemzici  bis  Parey  an  der  Elbe 
hier  dazwischen.  Aber  Moriziani  soll  bis  an  die  Stremme  reichen.  Ich  setze 
daher  Zamzici  auf  das  rechte  Havelufer,  von  der  untern  Havel  bis  Semlin 
am  Ferchesar-See.  Die  in  der  Urkunde  von  946  (Leutsch,  Markgraf  Gero  S.  189) 
genannten  Namen  würde  ich  in  folgenden  Orten  finden:  Drogawici  Stro- 
dehne,  Mallingabuni  Molkenberg,  silva  und  insula  Porci,  Poregy,  Parey 
a.  d.  Elbe,  dessen  insulare  Lage  vollständig  paßt. 


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Von  Victor  von  Keltech. 


513 


haben.  Auch  die  Longobarden  rasten,  nach  ihrer  Herüberkunft 
aus  Scandinavien,  zuerst  in  Maurunganien,  ehe  sie  weiter  gen 
Golandia  nach  Osten  ziehen.  Nach  Prosper  von  Aquitanien 
erfolgte  diese  jüngere  Longobarden-Wanderung  erst  379  n.  Chr. 
Von  ihnen  sind  also  die  älteren  Longobarden  zu  unterscheiden. 
Letztere  saßen  nördlicher,  im  Bardengau. 

Der  Aufenthalt  der  Longobarden  an  der  Elbe  hat  jedenfalls 
länger  gedauert,  als  man  nach  Paulus  Diakonus  annehmen  muß. 
Denn  viele  Ortsnamen  in  dieser  Gegend  erinnern  an  die  nordische 
Heimath:  Skoringen  und  Möre,  z.  B.  Schorstädt,  Schorau,  Möh- 
ringen, Marzahn  °). 

„Neben  ihnen  sind  diejenigen,  welche  Hehfeldi  genannt 
worden,  die  8  Burgwarde  haben".  Sie  sind  die  Heveller  an  der 
Havel,  auch  Stodoraner  genannt.  Dasselbe  Volk,  welches  Alfred 
der  Große  Hefeldan  nennt  und  noch  zu  den  "Wilzen  rechnet. 

„Neben  ihnen  ist  das  Land,  welches  Surbi  genannt  wird. 
Ein  Land,  worin  sehr  Viele  sind,  mit  50  Burgen". 

Das  Sorbenland  auf  beiden  Seiten  der  Elbe.  Oestlich  reichte 
das  Gebiet  der  Sorben  bis  an  die  Spree,  denn  Jaxo  von  Köpenik 
heißt  noch  1157  Fürst  der  Sorben.  Es  bestand  aus  den  Gauen 
Cierwisti,  Ploni  mit  Jüterbogk,  Spriawani  ex  utraque  fluminis 
parte,  (also  Teltow  und  Nieder-Barnim)  Nicinti  (Beeskow-Storkow) 
und  Bernowe  (Ober-Barnim).  —  Die  Sorbische  Mark  auf  dem 
linken  Elbufer,  schon  um  806  gegründet,  wurde  nördlich  und 
östlich  von  der  Elbe,  westlich  von  der  Saale  begrenzt10).  Auf 
der  Südgrenze  lagen  Nierechowa  a.  d.  Mulde  und  der  "Wald  von 
Zwenkau.  Als  besondre  Zweige  des  Volks  werden  genannt  die 
Sorabi  Siusli  n),  die  Sysseln  K.  Alfreds,  und  die  Sorabi  Colodici. 
In  Letzteren  steckt  vielleicht  noch  der  alte  Name  der  Calncoren. 
Die  Gaue  der  sorbischen  Mark  waren :  Serimuet,  Colodidi,  Siusli, 
Scitici,  Quesici,  Chutici  (um  Schkeuditz)  und  Neletici,  doppelt, 
bei  Würzen  und  bei  Giebichenstein. 

9)  Riedel,  Mark  Branden!).    S.  117  und  S.  154. 
10)  Eginhard:  Sala  fluvius  Thuringos  et  Sorabos  dividit. 
•11)  Raumer  Regesten  Brandenb.  I  80  ff. 


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514 


Der  bairische  Geograph. 


Ursprünglich  scheint  das  Bisthum  Merseburg  das  ganze 
Sorbenland  bis  zur  Elbe  erhalten  zu  haben,  eben  so  wie  Branden- 
burg später  alle  rechtselbischen  Sorben  erhielt.  Thietmar  von 
Merseburg  beklagt  sich,  daß  so  viele  seiner  Diözesanen  ihm 
entfremdet  und  andern  Bisthümern  zugewiesen  seien. 

„Neben  diesen  sitzen  die,  welche  man  Talaminzi  nennt, 
mit  14  Burgwarden4'.  Nach  Thietmar  werden  sie  von  den 
Deutschen  Daleminzier,  von  den  Slaven  Glomaci  genannt.  Sie 
erstrecken  sich  von  der  Elbe  westlich  bis  zur  Chemnitz  12)  süd- 
lich bis  ans  Erzgebirge.     Ihre  Hauptstadt  war  Lommatzsch. 

„Betheimare,  worin  15  Burgwarde".  Abkunft  und  Ein- 
wandrung  der  böhmischen  Czechen  sind  noch  ein  ungelöstes 
Räthsel.  Die  Orte  Stragona  (stracha),  Striegau  und  Bro- 
dentia  (brod),  beide  bei  Ptolemäus,  sind  schon  czechische  Worte. 
Und  doch  waren  damals  zuerst  keltische  Bojen,  dann  suevische 
Markomannen  Herren  des  Landes.  Hält  man  dazu  die  geringe 
Kopfzahl,  mit  der  alle  ostgermanischen  Stämme  bei  ihrer  Aus- 
wandrung  im  Süden  erscheinen,  so  muß  man  fast  annehmen, 
daß  sie  nur  als  erobernder  Adel  in  diesen  Ländern  gesessen, 
das  eigentliche  Volk  aber  überall  schon  Slaven  gewesen  sind. 

„Marharii  haben  11  Burgwarde".  —  Die  Mährer. 

„Vulgarii,  ein  sehr  großes  Land  und  zahlreiches  Volk,  mit 
nur  6  Städten,  da  die  Volksmenge  dort  so  groß  ist,  daß  sie  keine 
befestigten  Städte  brauchen". 

Die  Donau-Bulgaren  sind  ursprünglich  ein  finnisches  Volk 
und  erst  später  im  Verkehr  mit  den  ihnen  unterworfenen  Slaven 
selbst  zu  Slaven  geworden.  Ihre  finnische  Nationalität  ist  ver- 
bürgt durch  alle  byzantinischon  Geschichtschreiber.  Theophanes 
und  Nicephorus  erklären  sie  für  Stamm- Verwandte  der  Hunnen 
und  Kutriguren  18).  Ihr  ursprünglicher  Name  lautete  "Wurugunden, 
Ourugunden,  Wurzaren  —  daraus  machte  die  griechische  Zunge 


12)  Baumer  Regesten  109  ad  ann.  906. 

13)  Schaffarik  II  S.  166. 


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Von  Victor  von  Keltsch. 


515 


Burgaren,  Bulgaren.  Aber  mit  den  Bulgaren  an  der  "Wolga 
haben  sie  nur  den  Namen  gemein.  Schon  seit  487  fingen  sie 
an  die  Nordgrenzen  des  Oströmischen  Reichs  zu  verheeren,  und 
setzten  diese  Raubzüge  fast  ein  Jahrhundert  lang  fort.  Ihre 
eigentliche  Heimath  ist  aus  Ptolemäus  und  Paulus  Diakonus 
nachzuweisen.  Sie  sind  die  Phrugundionen  des  Ersteren;  im 
"Wurgundaib  14)  des  Letzteren.  Da  Ptolemäus  die  Phrugundionen 
zwischen  Avarenen  und  Bulanen  nennt,  so  kommen  sie  an  die 
"Wkra,  zwischen  das  Bulanen-Land  Polexien  und  das  Avarenen- 
Land  Kujavien,  zu  stehen.  Von  hier  rücken  sie  südlich  an  die 
Grenzen  der  Avaren  in  Pannonien  und  des  Griechischen  Reichs. 
Im  Jahr  678  überschreiten  sie  die  Donau,  und  nehmen  feste 
Wohnsitze  im  alten  Mösien.  Die  hier  vorgefundenen  Slaven 
verpflanzen  sie  größten  Theils  nach  "Westen,  als  Grenzwächter 
gegen  die  Avaren.  Dies  neue  Bulgaren-Reich  war  nördlich  von 
der  Donau,  östlich  vom  Pontus,  südlich  vom  Balkan  begrenzt. 
Nach  dem  Sturz  des  Avaren-Reichs  wurde  ihm  sogar  ein  großer 
Theil  von  Pannonien  unterthänig. 

Im  Jahr  861  lö)  hatte  Methodius  den  Bulgaren -Fürsten 
Boris  und  seine  Großen  zum  Christenthum  bekehrt.  Deshalb 
weiß  der  Geograph  so  genau  über  Bulgarien  und  seine  Volks- 
zahl Bescheid! 

„Es  giebt  ein  Volk,  welches  man  Meheranos  nennt,  diese 
haben  30  Burgen".  Es  sind  die  Bewohner  des  untern  Mährens, 
dem  Landstrich  zwischen  der  serbischen  Morawa  und  dem  Timok. 
Sie  waren  Unterthanen  der  Bulgaren.  Mit  diesen  zugleich  hatten 
sie  die  Oberhoheit  des  deutschen  Reichs  anerkannt. 

Hier  schließt  der  Geograph  den  ersten  Abschnitt,  und  fahrt 
fort:  Isti  sunt,  qui  juxta  istorum  fines  resident:  also  die  südlichen 
Grenz-Völker  des  damaligen  deutschen  Reichs.  Sie  bilden  den 
zweiten  Abschnitt  des  Geographen,  und  zwar  zunächst: 

„Osterabtrezi,  worin  mehr  als  100  Burgen  sind".    Das  sind 

14)  Gau  der  Wumgunden,  Ugerland,  Wkranien  an  der  Wkra,  einein 
Nebenfluß  der  Weichsel. 

15)  Schaffarik  II  S.  181. 


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51G 


Der  bairiache  Geograph. 


die  östlichen  Obotriten  oder  Bodrizer.  Sie  waren  zu  jener  Zeit 
noch  ein  mächtiger  slavischer  Stamm,  weder  den  Bulgaren,  noch 
dem  deutschen  Reich  zinsbar.  Ihre  Wohnsitze  lagen  theils  im 
heutigen  Bacz-Boroder  16)  Comitat,  theils  im  Banat,  östlich  von 
der  Theiß,  nördlich  von  der  Donau. 

„Miloxi,  in  welchem  (Lande)  67  Burgen."  Schaffarik  ist  mit 
der  Erklärung  dieses  Namens  nicht  glücklich  gewesen.  Zeuß  17) 
erinnert  an  den  serbischen  Orts-  und  Personen-Namen  Milosch. 
Miloxi  oder  Miltschani  ist  aber  sicher  ein  uralter  Volksname  der 
serbischen  Slaven,  da  er  sieben  Mal,  immer  auf  serbischem 
Grund  und  Boden,  nachzuweisen  ist.  Zuerst  bei  Strabo,  die 
Mugillonen  oder  Mygillonen.  Da  Strabo  sie  in  Gemeinschaft 
von  Zumen  18),  Bulanen,  Sibinen  nennt,  so  kommen  sie  an  den 
Dniepr  zu  stehen,  von  Migilinsk  (Smolensk)  bis  Mohilew.  Wahr- 
scheinlich empfingen  die  Mugillonen  ihren  Namen  von  den  vielen 
Mogillen  um  Mohilew,  —  den  scythischen  Königsgräbern  am 
Bory8thenes.  Hierher  setzt  Schaffarik,  mit  guten  Gründen,  die 
Urheimath  des  serbischen  Volks.  Zum  zweiten  Mal  wird  ihr 
Name  genannt  von  Ptolemäus:  Igyllonen,  wohl  nur  Schreibfehler 
statt  Migyllonen.  Ptolemäus  setzt  sie  zwischen  Sudowiten 
(Jaczwingen)  und  Alaunen.  Mithin  schon  südlicher  als  Strabo, 
ins  heutige  Wolhynien.  Da  die  getischen  Kistoboken  das  Land 
Boiki  hinter  den  Karpathen  erst  um  380  räumen,  so  kann  die 
fernere  Süd- Wanderung  der  Serben  nach  Ost-Galizien  auch  erst 
um  diese  Zeit  erfolgt  sein.  Von  hier,  aus  dem  alten  Lande 
Boiki,  verpflanzt  Kaiser  Heraklius  640  Serben  nach  Macedonien. 
Da  ihnen  diese  Wohnsitze  nicht  gefallen,  wenden  sie  sich  nord- 
wärts und  lassen  sich  südlich  von  den  Avaren  nieder.  Konstantin 
Porphyrogeneta  beschreibt  ihre  Wohnsitze,  die  sich  von  der 
Sawe  bis  zum  See  von  Skodra  (Skutari)  erstrecken  an  der  Bosna. 
Drina  und  Raschko.  Man  muß  also  die  Miloxi  ins  heutige 
Bosnien  und  Montenegro  setzen.     Es  kommt  aber  auch  im 

16)  Worin  noch  der  Name  Bodrizer  steckt. 

17)  Zeufl  S.  616. 

18)  Suomi  sind  die  Finnen  des  Tacitus  und  Ptolemäus. 


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Von  Victor  von  Keltsch. 


517 


Peloponnes  ein  slavisches  Volk  Milenzi  vor,  vielleicht  ein  andrer 
Zweig  der  nach  Macedonien  verpflanzten  Serben.  Eben  so  ist 
in  der  ursprünglichen  Heimath  im  Norden  der  Name  noch  nicht 
erloschen.  Constantin  Porphyrogeneta  nennt  Smolensk :  Migilinska. 
Sechstens  heißen  die  Ober-Lausitzer  Sorben:  Milzinner  im  Lande 
Milska.  Und  schließlich  hat  auch  bei  den  Sorben  an  der  Spree 
der  Müggel-See  und  die  Müggel-Berge  noch  ein  Zeugniß  des 
alten  Volksnamens  hinterlassen. 

Dies  alles  zusammengenommen,  rechtfertigt  meine  Ver- 
muthung  eines  gemeinsamen  Volksnamens:  Mygillonen,  Milzer, 
Miltschaner  oder  Miloxi. 

Der  Balkan  war  damals  die  Nordgrenze  des  griechischen 
Kaiserthums.  Deshalb  nennt  der  Geograph  keinen  der  dort 
sitzenden  Slavenstämme.  Das  haben  Zeuß  und  Lelewel  bei  ihrer 
Erklärung  des  Geographen  übersehen. 

„Phesnuzi  haben  70  Tausendschaften".  Bei  den  Slaven 
Peczenjczi,  bei  den  deutschen  Chronisten  Pecenaci,  Pecinei, 
Petinei,  Petschenegen,  bei  den  Ungarn  Bisseni,  Bessi  genannt. 
Man  hat  bisher  die  doppelte  Einwanderung  der  Petschenegen 
nach  Europa  nicht  beachtet.  Nach  dem  bairischen  Geographen 
sitzen  bereits  zu  seiner  Zeit  Petschenegen  diesseit  des  Dniepr, 
also  19  Jahr  früher,  ehe  das  von  Constantin  Porphyrogeneta 
erzählte  Ereigniß,  Verpflanzung  der  östlichen  Petschenegen  von 
der  Wolga  nach  Lebedia  am  Psigol,  stattgefunden.  Das  stimmt 
auch  mit  dem  Briefe  des  Chasaren-Chagan  Josef  überein.  Dieser 
sagt:  Als  sein  Volk,  die  Chasaren,  an  der  Wolga  sich  nieder- 
gelassen, habe  es  von  dort  die  Feinde  bis  an  die  Donau  ver- 
trieben, wo  sie  noch  heut  Constantinopel  benachbart,  wohnen. 
Mithin  waren  diese  Donau -Petschenegen  die  Vorgänger  der 
Chasaren  an  der  Wolga.  Nach  Constantin  sitzen  auch  nur  vier 
Stämme  der  Petschenegen  an  der  Donau,  die  Uebrigen  östlich 
vom  Dniepr.  Der  alte  Wohnsitz  der  Petschenegen  an  der  untern 
Donau  heißt  bis  auf  den  heutigen  Tag  nach  ihnen  Beß- Arabien lö). 


19)  arab  =  Land  der  Biessi,  Petschenegen. 


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518 


Der  bairiache  Geograph. 


Erst  nach  Vertreibung  der  schwarzen  Ungarn  aus  Atelkusu  er- 
weiterten die  Petschenegen  ihre  Wohnsitze  von  der  Mündung 
der  Sulina20)  bis  Distra  (Silistria). 

Die  östlich  von  Dniepr  sitzenden  Petschenegen  wurden 
erst  889  durch  die  Chasaren  von  der  Ostseite  der  "Wolga  nach 
Lebedia  verpflanzt21).  Erst  viel  später  dehnte  sie  sich  westlich 
bis  an  die  Wasserfälle  des  Dniepr  aus. 

Ueber  die  Nationalität  der  Petschenegen  waltet  kein  Zweifel 
ob.  Daß  sie  Türken  sind,  bezeugt  Nestor.  Nach  den  Worten 
der  Anna  Comnena  sind  Patzinaken  und  Komanen  Sprachver- 
wandte.   Und  die  Letzteren  sind  Türken. 

Unser  Geograph  springt  nun  an  den  Dniepr  hinüber  und 
erwähnt  lauter  Volksnamen  mit  großen  Zahlen.  Er  nennt  zuerst 
die  Völker  längs  dem  Dniepr  bis  zur  Düna,  wendet  sich  dann 
östlich  zur  Wolga  und  geht  auf  dem  zweiten  alten  Wasser- 
wege, über  Wolga  und  Don  wieder  bis  ans  schwarze  Meer. 
Alle  diese  Völker  standen  sicher  mit  Cherson  in  Handelsver- 
bindung. Von  der  obern  Wolga  kamen  Schiffe,  sowohl  den 
Dniepr,  als  die  Wolga  und  den  Don  herab.  Es  waren  Pelz-  und 
Sklavenhändler,  die  bis  hoch  hinauf  in  diese  Länder  eindrangen, 
um  namentlich  Kriegsgefangene  einzukaufen  und  über  Cherson 
an  die  Muhamedaner  zu  verhandeln 22).  Von  diesen  ungebildeten 
Berichterstattern  scheint  der  Geograph  seine  Nachrichten  ein- 
gezogen zu  haben.  Daher  die  falsche  Schreibart  und  die  ober- 
flächliche Bezeichnung  der  Völker,  meist  nach  Städten  und 
Flüssen  benannt,  statt  der  eigentlichen  Volksnamen. 

„Thadesi  haben  mehr  als  200  Ulyssen".  Das  ist  sicher 
das  nämliche  Volk,  das  schon  300  Jahre  früher  von  Jornandes 
Tadzans  (Tartaren)  genannt  wird.  Es  sind  aber  keine  Mongolen, 
sondern  Türken.    Erst  nach  dem  Einbruch  der  Mongolen  ging 

20)  Karamsin  I  120,  197.  Sie  plünderten  die  vorüberziehenden  Schiffe 
der  Russen. 

21)  Lehrberg  Untersuchungen. 

22)  Dieser  Menschenhandel  wurde  meist  von  Jaden  betrieben,  daher 
der  Halt  des  Mittelalters  gegen  die  Juden.    Leo  Gesch.  v.  Italien  I. 


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Von  Victor  von  Keltsch.  519 

• 

der  bisher  für  türkische  Völker  gebräuchliche  Namen  M)  Tartaren 
aus  Mißverstand  auf  die  Mongolen  über. 

Man  nimmt  gewöhnlich  an,  daß  die  Hunnen  die  ganze 
frühere  Welt  umgestaltet,  alle  Völker  durcheinander  geworfen 
haben.  Das  trifft  aber  nicht  durchweg  zu.  Die  Wuth  der 
Hunnen  richtete  sich  hauptsächlich  gegen  die  gothischen  Völker. 
Ganz  anders  war  ihr  Verhalten  gegen  finnische  oder  türkische 
Stämme.  Nach  Jornandes  unterstützen  sie  sogar  die  Anten  gegen 
die  Gothen.  Nur  so  ist  es  zu  erklären,  daß  wir  beim  bairischen 
Geographen  auf  eine  Menge  alter  Bekannter  treffen,  die  wir 
schon  bei  Ptolemäus  und  Jornandes  erwähnt  finden.  Betrachten 
wir  die  arctoas  gentes,  die  der  Ostgothenkönig  Hermanrich  sich 
unterworfen,  so  nennt  Jornandes  bei  dieser  Gelegenheit  folgende 
Völker:  Golthes,  die  Galitanoi  in  Let-Gola  (Litthauer),  Etta 
oder  Cytha  =  Thiudos  24)  entweder  Lettenvölker  oder  Scythen  i.  e. 
Tschudenvölker,  Inauxingis  die  Jaczwingen;  Vasina  die  "Wessen; 
Beovenas  die  Beormas,  Biarmier;  Merens  die  Meeren;  Mordens 
die  Mordwinnen;  Reniinis  die  Tscheremissen ;  Caris  die  Karelen; 
Rogans  die  Roxolanen;  Tadzans  Tataren,  Torken;  Athaul  nach 
dem  türkischen  Atil- Wolga  benannt,  also  die  türkischen  Petsche- 
negen,  Vorgänger  der  Chasaren  und  Wolga-Bulgaren;  Nauego, 
das  scheint  bereits  der  Name  Nauegord,  das  slavische  Nowgorod 
zu  sein;  Bubegenas  verschrieben  für  Bulegenas  die  Poljänen; 
Coldas  die  Koaliten  20),  Chwalisen  am  Chwalisischen  Meer. 

Die  meisten  dieser  Völker  werden  wir  gleich  beim  bairischen 
Geographen  wiederfinden.  Und  was  das  Wunderbarste,  so  weit 
sie  nicht  inzwischen  unter  den  Russen  untergegangen  sind,  so 
sitzen  sie  noch  heut  in  denselben  Sitzen,  wie  vor  1500  Jahren. 

Die  Thadesi  sind  also  die  Tadzans  des  Jornandes,  die  Torken 
der  russischen  Annalen.  Sie  saßen  noch  1080  östlich  von  Pore- 
jeslavl 28).    Also  da,  wohin  auch  die  Thadesi  zu  stehen  kommen. 

23)  Neumann  Völker  des  südl.  Rußland  S.  9. 

24)  Thiud  heifit  gothisch  Volk. 

25)  Karamsin  I  S.  379. 
2G)  Karamsin  I  357. 


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520 


Der  bairische  Geograph. 


Der  Patriarch  Nikon  sagt  in  seinem  Nestor:  Die  Petschenegen, 
Torkmenen 27),  Torken  und  Polowzer  (Kumanen)  stammen  von 
Ismael  ab.  In  der  russischen  Geschichte  werden  die  Torki  zum 
ersten  Mal  erwähnt  984,  als  Wladimir  mit  ihnen,  als  Bundes- 
genossen, gegen  die  Bulgaren  an  der  Kama  zieht 28).  Die 
russischen  Geschichtschreiber  glauben,  sie  seien  erst  um  diese 
Zeit  in  Rußland  eingewandert.  Schon  aus  Ptolemäus  ist  das 
Gegentheil  zu  beweisen.  Dieser  nennt  bereits  Jorkeadi  im  süd- 
lichen Rußland.  Im  Jahr  1121  vertrieb  Wladimir  Monomach  die 
Torken,  Berendäer  und  Petschenegen  aus  Rußland.  Sie  zer- 
streuten sich  und  gingen  unter. 

Der  bairische  Geograph  giebt  den  Thadesi  200  Städte,  ge- 
braucht auch  hier  ausnahmsweise  urbes,  während  er  sonst  civi- 
tates  schreibt.  Bei  diesen  Türken  muß  man  jedoch  an  ein  No- 
maden-Volk denken.  Sie  streiften  auch  wirklich  vom  Don  bis 
zum  Dniepr.29)  Wahrscheinlich  hörte  der  Geograph  von  seinem 
Bericht-Erstatter  hier  zum  ersten  Mal  den  Ansdruck:  Ulyssen 
und  glaubte  dieß  am  Richtigsten  mit  urbes  übersetzen  zu  müssen. 

„Glopeani,  worin  400  Tausendschaften  oder  eher  mehr/' 
Das  ist  offenbar  nur  eine  durch  Nachlässigkeit  des  Abschreibers 
entstandene  Versetzung  von  drei  Buchstaben,  und  muß  richtig 
heißen:  Polgeani,  die  Poljänen  um  Kiew,  die  wirklich  ein  großes 
Volk  mit  eher  mehr  als  vierhundert  Tausendschaflen  waren. 
Schaffarik  erfindet  sofort  ein  slavisches  Volk  Kolpianer,  das  vor 
und  nach  ihm  Niemand  gekannt  hat.  Dem  steht  schon  die 
große  Zahl  entgegen. 

Auch  diese  Polgeani  sind  alte  Bekannte.  Es  sind  die 
Bulagenae  des  Jornandes,  die  Alauni  Scythae  des  Ptolemäus, 
die  Anten  der  Byzantiner.  —  Um  dieß  zu  erhärten,  muß  ich  auf 
die  betreffenden  Quellen  zurückgreifen. 

Ptolemäus  setzt  das  Alaunische  Gebirge  unter  62°  30'  L. 

27)  Die  Torkmenen  hatten  1074  Syrien,  1082  Jerusalem  erobert,  also 
zu  Nestors  Zeit. 

28)  Karamsin  I  S.  1GG. 

29)  Karamsin  II  124. 


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Von  Victor  von  Keltsch.  521 

und  55°  Br.,  also  nur  einen  Grad  vor  die  Riphäen,  an.  Es  ist 
demnach  der  Nordrussische  Landrücken.  Das  war  ohne  Zweifel 
die  erste  Station  der  Alaunen,  nachdem  sie  den  Ural  über- 
schritten. Dort,  weit  im  scythischen  Norden,  nennt  sie  zuerst 
Herodot  unter  dem  mißverstandnen  Namen  Melanchlänen 
(Schwarzröcke)  statt  Melau- Alanen;  Timäus  aber  als  Melanei- 
monen.  schwarze  Viehhirten.  Also  ein  schwarzhaariges  Nomaden- 
Volk  mitten  unter  den  gelbblonden  Finnen- Völkern.  Zur  Zeit 
des  Ptolemäus  finden  wir  die  Alaunen  bereits  in  zwei  Aesten 
nach  Südwesten  gewandert.  Die  Einen  mehr  westlich  an  den 
Bug,  wo  sie  als  Bulanen  (Bug- Alanen)  in  einem  neuen  Anten- 
Gau  30)  sitzen,  die  Anderen  südlicher  an  den  Dniepr,  wo  sie 
unter  dem  ähnlichen  Namen  Bulegenen,  oder  Poljänen  ein  großes 
Anten-Reich  gründen. 

Sie  haben  den  asiatischen  Namen  der  Yant-sai,  Anten 
für  Alanen,  mit  nach  Europa  herübergebracht. 

Ptolemäus  nennt  drei  Mal  den  Namen  der  Alaunen.  Ueber 
ihre  Wohnsitze  kann  demnach  kein  Zweifel  sein.  "Wenn  man  die 
Völker-Reihen,  in  denen  er  vorkommt,  genau  verfolgt,  so  trifft 
man  immer  in  die  Gegend  von  Kiew  als  Sitz  der  Alaunen.  Ptole- 
mäus nennt  ihren  Namen  mit  dem  Zusatz  Alauni  Scythae.  Er 
will  also  ihre  Nationalität  von  der  der  eigentlichen  Alanen,  der 
Rha  Kalanen81).  Noxolanen  und  Jazygen 82)  unterschieden  wissen. 
Die  wirklichen  Alanen  waren  ein  iranisches  Volk  mit  blauen 
Augen  und  blonden  Haaren33).  Die  Alauni  Scythae  waren  ein 
türkisches  Volk  mit  schwarzen  Haaren  und  dunkeln  Augen.  Der 
polnische  Adel  und  die  Klein-Russen  um  Kiew  unterscheiden 
sich  dadurch  noch  heut  vom  blonden  lechischen  Volksstamm. 

Seit  dem  Anfang  des  6.  Jahrhunderts  werden  sie  den 


30)  Antliaib  des  Paulus  Diakonus,  Gau  der  Anten. 
81)  d.  h.  Alanen  am  Rha,  der  Wolga. 

32)  Jazygen  oder  Jassii,  die  Alanen  an  der  Küste  des  Pontus.  Durch 
das  ganze  Mittelalter  heißt  die  Gegend  an  der  Nordküste  des  schwarzen 
Meeres,  vom  Dniepr  bis  zum  Don  Alan  in. 

33)  Neumann,  Völker  Rußlands  S.  38. 

Altpr.  MonaUsohrift  Bd.  XXJIL  Hit.  7U.H  34 


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522  Der  bairiaebe  Geograph. 


Griechen  durch  fortwährende  Einfälle  in  das  oströmische  Reich 
furchtbar.  Es  vergeht  selten  ein  Jahr,  ohne  daß  sie  in  Gemein- 
schaft der  theils  von  ihnen  unterworfenen,  theils  ihnen  benach- 
barten Slaven  plündernd  über  die  Donau  kommen.  Durch  diese 
enge  Berührung  mit  den  Slaven  werden  dio  Anten  so  rasch 
slavisirt,  daß  Jornandes  sie  für  den  dritten  Stamm  der  Slaven 
hält. 

Die  Macht  der  Poljänen  war  indeß  von  kurzer  Dauer.  Sie 
selbst  wurden  sehr  bald  den  Chasaren  zinspfiichtig.  Als  dann 
die  Waräger-Russen  Kiew  erobern,  wurden  auch  die  Poljänen 
unterworfen,  und  bald  darauf  ging  sogar  ihr  Name  in  dem  der 
herrschenden  Russen  auf. 

„Znireani  haben  325  Tausendschaften".  Das  sind  die  Sje- 
weraner  Nestors,  nordöstliche  Nachbarn  der  Poljänen,  um 
Tschernigow  und  an  der  Desna,  am  Sem  und  an  der  Sula.  Erst 
zwanzig  Jahre  später,  als  die  Russen  sich  in  Kiew  festgesetzt, 
verloren  sie  unter  Oleg  ihre  Unabhängigkeit. 

„Busani  haben  231  Tausendschaften".  Die  Butschaner 
westlich  vom  Dniepr,  in  Wolhynien. 34) 

„Sittici,  ein  Land  unzählbar  an  Völkern  und  befestigten 
Burgen."  Hier  spukt  noch  einmal  des  Jornandes  Scythia.  Ge- 
meint sind  offenbar  die  Tschudischen  Völker.85)  Da  der  Geo- 
graph sie  unmittelbar  hinter  den  vorangegangenen  Dniepr- Völkern 
nennt,  so  zählt  er  auch  die  Kriwitschen  von  Smolensk  zu  den 
Tschuden.  Nestor  erwähnt  die  Kriwitschen  ebenfalls  nicht  unter 
den  slavischen  Völkern.  Der  Hauptstock  des  Volkes  saß  nörd- 
lich bei  Isborsk.  Der  nach  Süden  gewanderte  Theil  hat  ohne 
Zweifel  erst  die  Serben  von  Migilinsk  vertrieben  und  sich  wie 
ein  Keil  zwischen  die  Dniepr-Slaven  und  die  Slaven  Nowgorods 
dazwischen  geschoben. 

Die  Tschuden  erstreckten  sich  von  Esthland   und  vom 


340  Zeuß  denkt  an  Bosnier! 

35)  Bayer  S.  373  Quid  autem  Czud  est  aliud,  quam  ipsum  Scythicum 
nomen. 


Digiti?  e<tky_Qaflgfc 


Von  Victor  von  Keltsch. 


523 


Peipus-See,  der  noch  Czudskoje  ozero  heißt,  bis  hinter  den 
Ladoga-See;  Ischoren,  Karelen,  Biarmier  sind  Stämme  dieses 
Volkes.  Die  Zawoloskaja  Czud  saßen  in  Sawolotschin,  das  Land 
zwischen  dem  Bjalo  Osero  uud  der  Petschora.  Aber  ihre  Spuren 
reichen  in  den  Tschuden-Gräbern  bis  weit  nach  Sibirien.  8ß) 

„Stadici,  in  welchem  (Land)  516  Tausendschaften  und  ein 
unzählbares  Volk."  Das  ist  wieder  ein  Schreibfehler;  statt 
Stadici  ist  zu  lesen  Slavici,  die  Shiven  Nestors  um  Nowgorod 
am  Umensee.  Dafür  spricht  schon  die  Bedeutimg  und  große 
Zahl,  die  der  Geograph  diesem  Volk  zuweist.  Von  den  südlichen 
Kriwitschen  sind  sie  durch  den  alten  Wald  von  Okow  (Wol- 
konski-Wald).  das  Quell-Gebiet  von  Dniepr,  Düna  und  Wolga 
geschieden.  Wenn  meine  oben  ausgesprochene  Vermuthung, 
daß  in  dem  Nauego  des  Hermanrich  schon  der  Name  Nauegord, 
Nowgorod,  enthalten  sei,  richtig  ist,  so  reicht  die  Macht  dieses 
nördlichsten  Slaven- Volkes  bis  in  ganz  dunkle  Zeiten  hinauf. 
Sie  sind  das  eigentliche  Mutter- Volk  des  russischen  Reichs.  In 
ihnen  sind  successive  Waräger,  Finnen,  Poljänen,  Chasaren, 
Komanen  und  Tataren  aufgegangen. 

Schaflarik  hat  auch  hier  wieder  ein  unbekanntes  Volk 
Staditzer  zur  Hand.  Schon  die  große  Zahl  516  hätte  ihn  be- 
denklich machen  sollen.  Er  will  auch  Staditz  in  Böhmen  damit 
iu  Verbindung  setzen.  Das  war  aber,  wie  der  Name  zeigt,  eine 
alte  Stuterei,  wahrscheinlich  die  Heimath  von  Libussa's  be- 
rühmtem Schimmel. 

„Sabbirozzi  haben  90  Tausendschaften."  Ich  suche  sie  am 
Sebesch-See  und  an  der  Düna,  um  Sebesch  und  Siboczyn.  Sie 
sind  identisch  mit  den  Sibinen  Strabo's,  die  äußerste  gens  Sito- 
num,  bis  wohin  Marbods  siegreiche  Waffen  gedrungen.  Hic 
Sveviae  finis!  sagt  Tacitus.37)  Die  Sebirozi  des  bairischen  Geo- 
graphen sind  sicher  ein  finnisch-tschudisches  Volk  ;  rozi  bedeutet 
stets  Finnen.    Aber  er  allein  erwähnt  ihren  Namen. 


36)  Ritter,  Asien  II,  S.  320. 

37)  Tacitus  Germania.   Sitonen  =  Cziuden. 

33* 


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524 


Der  bairische  Geograph. 


Als  die  nordischen  Wikinger  in  den  nächsten  Jahrhunderten 
die  Düna  bis  Seiburg  und  Opala  hinaufgehen,  finden  sie  kein 
Sibinen  Volk  mehr  an  der  Düna.  Dieselben  müssen  also  nach 
Süden  gerückt  sein. 

Der  Name  Sibinen  ist  aber  nicht  ausgestorben.  Er  lebt 
noch  heute  fort  in  dem  Cibin-Fluß,  der  Sibinenstadt  (Herman- 
stadt) und  dein  Landes-Namen  Siebenbürgen.38) 

Als  die  Magyaren  Ungarn  erobert  hatten,  erschien  dort  ein 
stammverwandtes  Volk,  das  angelockt  von  dem  Ruhm  und  den 
Thaten  der  Magyaren,  um  "Wohnsitze  und  Aufnahme  in  den 
Volks- Verband  bat.  Beides  wurde  ihnen  gewährt,  und  dieß  un- 
genannte* Volk  als  Grenz -Wächter  in  Siebenbürgen  angesiedelt. 
Hier  erhalten  sie  den  Namen  Szekler.30) 

Die  einheimischen  ungarischen  Geschichtschreiber  erklären 
die  Szekler  für  Nachkommen  der  Hunnen.  Der  Hunnische  Ur- 
sprung der  Szekler  gilt  für  ein  Dogma,  das  keiner  geschicht- 
lichen Rechtfertigung  bedarf.40)  Wäre  dieß  richtig,  so  müßte 
noch  mongolischer  Gesichts-Typus  und  mongolische  Augen- 
Stellung  unter  den  Szeklern  vorwiegend  sein.  Davon  ist  nichts 
zu  finden.  Im  Gegentheil  kommen  häufig  sogar  blondes  Haar 
und  blaue  Augen  vor.41)  Das  ist  ein  sichres  Anzeichen,  daß  die 
Szekler  kein  hunnisches,  sondern  eher  ein  finnisches  Volk  waren. 

Schon  der  Sprache  wegen  muß  es  ein  den  Magyaren  nahe 
verwandtes  Volk  gewesen  sein. 

Ich  nehme  an,  daß  die  Sebirozi  des  bairischen  Geographen 
mit  diesem  ungenannten  den  Magyaren  stammverwandten  Volk 
identisch  sind,  und  daß  erst  ihre  Ansiedlung  am  Cibin-Fluß, 
diesem  Fluß,  so  wie  dem  Lande  Siebenbürgen  den  Namen  ge- 
geben hat. 

Vielleicht  führt  auch  die  Gespannschaft  Zips  im  Norden  an 


38)  Hunfalvy,  die  Ungarn.    S.  74,  106. 

39)  Engel,  Gesch.  v.  Ungarn  I  S.  f>6,  72.   Hunfalvy   erklärt  Szekelyi 
durch  Bewohner  der  Mark  (Grenzland). 

40)  Hunfalvy  S.  135. 

41)  Derselbe  S.  252. 


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Von  Victor  von  Keltsch. 


525 


den  Karpathen  ihren  Namen  von  Sibinischen  Szeklern.  Daß 
auch  im  Westen  Szekler  angesiedelt  waren,  beweist  Hunfalvy.42) 

„Unlizi,  ein  zahlreiches  Volk  mit  318  Tausendschaften." 
Unter  den  slavischen  Stammen  erwähnt  Nestor  keine  Unlici 
oder  Uglitschen.  Sie  scheinen  daher  finnischer,  oder  sogar 
hunnischer  Abkunft  zu  sein.  Vielleicht  die  nördlich  ver- 
schlagenen Xüivoi  des  Ptolemäus. 43)  Ueber  ihre  Wohnsitze 
herrschen  Zweifel.  Einige  setzen  sie  an  den  Ugol,  jetzt  Orol. 
Andre  glauben,  daß  Uglitsch  an  der  obern  Wolga  von  ihnen 
den  Namen  habe.  Nach  der  Stelle,  an  welcher  sie  vom  bairischen 
Geographen  erwähnt  sind,  möchte  ich  beipflichten,  daß  sie  an 
der  obern  Wolga  zu  suchen  sind.  Nach  einer  von  Karamsin44) 
angezweifelten  Stelle  des  Nestor  sollen  sie  914  vor  dem  Woi- 
woden  Swjeneld  an  den  Dniester  geflohen  sein.  Und  dieß  dürfte 
durch  Constantin  Bestätigung  finden,  da  Letzterer  Ultiner  am 
Dniester  nennt. 

„Nerivani  haben  78  Tausendschaften. "  Es  liegt  allerdings 
nahe,  hierbei  zunächst  an  die  Neroma  Nestors,  und  an  das 
Nerewski  korec,  das  lettische  Viertel  in  Nowgorod,  zu  denken. 
Aber  unser  Geograph  ist  offenbar  dabei,  die  ihm  bekannt  ge- 
wordenen Wolga-Völker  in  möglichster  Reihenfolge  herzuzählen. 
Da  wäre  es  doch  ein  großer  Sprung  nach  Nordwesten  zurück, 
wenn  er  plötzlich  auf  die  lettischen  Neroma  an  der  Narwa  zu- 
rückgegriffen hätte.  Ich  halte  deühalb  dieß  Nerivani  verschrieben, 
statt  Merivani,  die  finnischen  Meria,  Meeren  um  Kostow  und 
Nerechta.  Möglicher  Weise  hat  der  Berichterstatter  des  Geo- 
graphen sie  nach  dieser  Stadt  benannt. 

„Attorozi  haben  148,  ein  sehr  wildes  Volk."  Es  sind  die 
Ersanen  um  Ardatow  und  Arsamas,  des  arabischen  Geographen 
lbn  Haukal  Artana,  deren  König  in  Arta  wohne.45)    Aber  Nie- 


42)  Hunfalvy,  Die  Ungarn  S.  137. 

43)  Ptolemäus  Europ.  Sarmatiun  Lib.  III.  §  25. 

44)  Karamsin  I.  S.  335. 
•15)  Karamsin  I,  S.  333. 


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526 


Der  Zairische  Geograph. 


mand  reise  bis  Arta,  denn  die  Bewohner  tödten  jeden  Fremden. 
Die  Ersanen  sind  ein  Theil  der  Mordwinen. 

„Eptaradici  haben  263  Tausendschaften."  Diese  sieben 
Stämme  sind  ohne  Zweifel  die  Etumager  des  ungenannten  No- 
tars Bela's.  Nach  dessen  Aussage  kamen  sie  aus  Dentu  Moger 
im  Orient.  Von  Hunfalvy46)  ist  Dentu  Moger  als  Urheimath 
der  Magyaren  im  Wogulenland  des  südlichen  Jngrien,  am  Tan- 
gut  (Irtisch)  nachgewiesen  worden.  Nach  Ueberschreitung  der 
Wolga  machten  sie  auf  russischem  Boden  zuerst  in  Susdal 
Station.  Da  die  Eptaradici  vom  Geographen  zwischen  Uglitschen, 
Meeren,  Ersanen  genannt  werden,  da  der  Geograph  auf  sie 
Wessen,  Tschuwaschen,  Woljaken  und  Tscherawissen  folgen 
läßt,  so  kommen  die  Eptaradici,  umgeben  von  lauter  Volks- 
stämmen der  obern  Wolga  in  die  Gegend  von  Susdal  zu  stehen, 
also  genau  dahin,  wo  die  Magyaren  um  870  noch  gesucht  wer- 
den müssen.  Erst  898 47),  also  28  Jahr  später,  als  der  Geograph 
seine  Volks-Namen  niedergeschrieben,  ziehen  die  Magyaren  unter 
Arpad  südwestlich,  an  Kiew  vorüber48),  überschreiten  die  nörd- 
lichen Karpathen,  erobern  Pannonien,  das  sie  sofort  unter  ihre 
sieben  Stammfürsten  vertheilen. 

Der  Anonymus  Belae  protestirt  drei  Mal  gegen  den  Namen 
Hungari,  der  den  Ettumoger  nur  von  Fromden  gegeben  sei. 
Daß  dieser  Name  schon  lange  vor  der  Einwanderung  der  Ma- 
gyaren bekannt  war,  geht  aus  Jornandes,  aus  dem  Vidsih-Lied. 
und  Hinkmar  von  Rheims  hervor.  Er  muß  also  früher  ein 
anderes  Volk  als  die  Magyaren  bezeichnet  haben. 

Die  ungarischen  Geschichtschreiber 40)  suchten  früher  die 
Heimath  der  Magyaren  an  der  Kuma,  verlockt  durch  die  Namens- 
Aehnlichkeit  der  Ruinen  der  Stadt  Madschar.  Klaproth  50)  hat 
mit  überzeugender  Gründlichkeit  nachgewiesen,  daß  Madschar 


46)  Die  Ungarn  oder  Magyaren  von  Paul  Hunfalvy. 

47)  Nestor  II  30. 

48)  Desgl. 

49)  Selbst  noch  Mailath,  trotz  dem  Gegenzeugniß  von  Klaproth. 

50)  Klaproth  Reisen  I  402. 


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Von  Victor  von  Keltsch. 


f>27 


alt-tartarisch  steinernes  Gebäude"  heiße,  daß  diese  Stadt  von 
den  Kiptschackschen  Tartaren  erbaut  sei,  daß  die  Inschriften 
auf  den  Leichensteinen  in  arabischer  Schrift  von  Mohamodanischen 
Tartaren  herstammen,  und  zwar  aus  den  Jahren  1347 — 1376. 
In  den  asiatischen  Geschichtschreibern  geschieht  der  Stadt  Groß- 
und  Klein- Madsch ar  öfters  Erwähnung.  Es  ward  bald  nach 
1400  zerstört.  Der  Anonymus  weiß  nichts  von  einer  Wanderung 
seines  Volks  an  die  Kuma,  ebensowenig  an  den  Don.  Der 
grade  Weg  von  Irtisch  führt  über  Susdal  und  Kiew  an  die 
nördlichen  Karpathen. 

Die  Anzahl  der  Magyaren  bei  ihrer  Einwanderung  in  Un- 
garn giebt  der  Anonymus  Belae  auf  216  000  an,  in  7  Stämme 
und  108  Geschlechter  eingetheilt.  Danach  würden  also  auf  jedes 
Geschlecht  genau  2  Tausendschaften  kommen.  Diese  Zahl 
stimmt  nicht  ganz  mit  dem  bairischen  Geographen,  der  263 
Tausendschaften  hat.  Beide  Zahlen  lassen  sich  in  Einklang 
bringen,  wenn  man  annimmt,  daß  nicht  alle  Magyaren  von  Sus- 
dal fortgezogen  seien.  Wir  finden  oben  in  der  Nähe  von  Sus- 
dal, an  der  untern  Oka  noch  zwei  finnische  Volksstämme,  deren 
Name  an  Magyaren  und  Eptaradici  (Heptaren)  erinnert,  die 
Meschteren  und  Teptiären.51)  Sie  flohen  erst  viel  später  vor 
Iwan  Wassili  zu  den  Baschkiren.  Erstere  zählen  heut  16  000, 
letztere  100000  Köpfe. 

,.Vuillerozi  mit  180  Tausendschaften."  Vom  See  Bielo 
Osero  bis  zur  Wolga  saßen  die  finnischen  Wessen.  Seit  862 
herrscht  Sineus,  Ruriks  Bruder,  über  diesen  äußersten  Vorposten 
des  Waräger  Reichs  in  Rußland.  Seine  Herrschaft,  bat  sich 
sicher  südlich  bis  an  die  Wolga  erstreckt,  da  die  Russen  auf 
derselben  bis  in's  Chasaren-Reich  schifften. 

„Zabrozi  haben  212  Tausendschaften."  Schaffarik  erklärt 
sie  für  Zaporoger.  Er  übersieht  nur  das  Eine,  daß  dieß  räuberische 
Kosacken  waren,  die  sich  erst  viele  Jahrhundert  später  an  den 
Porogen  des  Dniepr  festsetzten,  um  von  den  Schiffen,  die  die 


51)  AI.  Castren  altaisehe  Völker  S.  U2. 


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528 


Der  baltische  Geograph. 


Wasserfälle  passiren,  Tribut  zu  erheben,  resp.  sie  zu  plün- 
dern. 

Ich  halte  die  Zabrozi  schon  wegen  ihrer  Anzahl  für  ein 
größeres  Volk,  und  zwar  für  die  einst  so  gefürchteten  Sahiren. 
Sie  müssen  doch  unter  einem  neuen  Namen  irgend  wo  zu  finden 
sein.  Sie  geriethen  später,  durch  mannichfaltige  Niederlagen 
geschwächt,  unter  das  Joch  der  Bulgaren.  Diesen  sind  sie 
überdieß  stammverwandt,  da  sie  aus  dem  Kaukasus  hervorge- 
kommen sind.  Also  kein  finnisches  Volk.  Ich  halte  daher  Sa- 
hiren, Zabrozi  und  Tschuwaschen  52)  für  ein  und  dasselbe  Volk 
Den  letzten  Namen  erhielten  sie  erst  von  den  Tartaren,  als  sie 
ihre  Zelte  an  den  Ufern  der  Wolga  aufschlugen,  da  Ascha  tar- 
tarisch  Wasser,  reshen  Zelt  heißt. 

Da  der  Geograph  sie  Zabrozi  nennt,  so  hält  er  sie  für  ein 
finnisches  Volk;  rozi  bedeutet  bei  ihm  stets  Finnen.  Diese  An- 
sicht wird  noch  heut  von  den  meisten  russischen  Ethnographen 
getheilt.  Aber  die  äußere  Erscheinung  der  Tschuwaschen  steht 
dem  entgegen.  Sie  haben  dunkles,  meist  krauses  Haar,  dünnen 
Bart,  dunkelgraue  geschlitzte  Augen,  bleiche  Gesichtsfarbe. 
Ihre  Sprache  ist  jetzt  drei  Viertel  türkisch,  gemischt  mit  finni- 
schen und  tartarischen  Elementen.58)  Sollten  sich  nicht  auch 
noch  kaukasische  Wurzelworte  darin  vorfinden? 

Daß  die  Sahiren  Chwalisen  sind,  bezeugt  der  Brief  des 
Chasaren  Chagan. 

„Znetalici  mit  74  Tausendschaften."  Das  ist  der  böseste 
Schreibfehler  der  ganzen  Handschrift.  Ich  weiß  in  der  That 
nicht,  was  ich  mit  diesem  Namen  anfangen  soll.  Nach  dem 
Platz,  wo  der  Name  steht,  müßte  man  an  Tscheremissen  denken. 
Vielleicht  hieß  es  auch  wirklich  im  Original:  Zceramici.  Die 
Zahl  der  Silben  und  die  Vokale  würden  stimmen.  Die  Tschere- 
missen sind  ein  blondes  finnisches  Volk.    Ihre  Wohnsitze  liegen 


52)  Im  Polnischen  heißt  Scssuwacz  Hundejunge,  Jägerjunge,  wohl  von 
kriegsgefangenen  Sklaven  dieses  Volkes  entlehnt.  Cl'r.  Bandtke  poln.  Lexikon. 

53)  Müller,  Der  ugrisrhe  Volksstamm  II  S.  485. 


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Von  Victor  von  Keltseh. 


B29 


auf  dem  linken  Ufer  der  Wolga,  den  Tschuwaschen  (Zabrozi) 
gegenüber.  Nördlich  und  nordöstlich  davon  sitzen  die  Wotjaken 
(Atmurzani)  an  der  Wjätka.  Es  würde  also  die  Lesart  Zcera- 
mici  sowohl  mit  der  Reihenfolge  des  Geographen,  als  auch  mit 
der  "Wirklichkeit  übereinstimmen. 

„Aturezani  haben  104  Tausendschaften."  Auch  hier  ver- 
inuthe  ich  einen  Schreibfehler  und  zwar  Atmurzani;  das  würde 
die  finnischen  "Wotjaken  bedeuten,  die  sich  selbst  Ady-murt 
nennen64),  nördliche  Nachbaren  der  Tscheremissen. 

„Chozirozi  haben  250  Tausendschaften."  Es  sind  die  Kut- 
ziagiri  des  Jornandes  am  Don.  Nach  der  Angabe  desselben 6B) 
streiften  die  Kutzagiren  im  Sommer  in  den  Steppen  östlich  von 
Cherson  und  kamen  im  Winter  mit  ihren  Heerden  an  die  Küste 
des  Pontus.  Sie  sind  identisch  mit  den  Akaziren,  denn  Kuats 
und  Aka  heißt  Beides  weiß.  Die  Akaziren  saßen  zur  Zeit  des 
Ostgothenkönig  Hermanrich  weit  im  Norden,  an  der  Kutra,  und 
waren  das  südliehe  Grenzvolk  der  Aisten.  Von  diesem  Neben- 
fluß des  Niemen  führen  sie  noch  einen  dritten  Namen:  Kutra- 
giren.  Im  fünften  Jahrhundert  erscheinen  die  Akaziren  am 
Pontus,  neue  Wohnsitze  zu  suchen.  Nachdem  Attila  sie  besiegt, 
giebt  er  ihnen  seinen  Sohn  Ellak  zum  König.  Nach  Vernich- 
tung des  Hunnischen  Reiches  scheinen  Reste  der  Hunnen  zu 
den  Kutzagiren  geflohen  zu  sein,  und  sich  mit  ihnen  ver- 
schmolzen zu  haben.  Dieß  ist  wohl  der  Grund,  daß  Jornandes 
die  Kutzagiren  für  Nachkommen  der  Hunnen  erklärt.  Die 
Kutzagiren  sind  das  gefürchtetste  Reitervolk  in  den  Steppen 
des  Pontus.  Sie  müssen  ihre  Sitze,  am  Don  herab  bis  in  die 
Nähe  von  Cherson,  auch  noch  zur  Zeit  des  bairischen  Geographen 
inne  gehabt  haben,  da  derselbe  mit  ihrem  Namen  die  Reihe  der 
östlichen  Finnen- Völker  schließt. 

Wie  kommt  es  aber,  daß  der  Geograph  plötzlich  von  der 
Wolga  bis  zur  Mündung  des  Don  heruntergestiegen  ist,  ohne 


54)  Müller,  ugr.  Volksstamm  II  S.  388. 
f>5)  Jornandes  G.  5,  de  Srj'thiae  situ. 


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530 


Der  bairische  Geograph. 


hier  die  zwischen  Zabrozi,  Zceramici  und  Chozirozi  wohnenden 
Völker  der  Bulgaren  und  Chasaren  am  "Wolga -Ufer  ru  nennen, 
während  er  doch  beide  Völker  nachher  im  fünften  Abschnitt 
erwähnt.  Zufall  oder  Vergeßlichkeit  kann  das  nicht  sein.  Sie 
sind  augenscheinlich  von  dem  ersten  Bericht -Erstatter  nicht 
genannt.  Ich  kann  daher  nur  muthmaßen,  daß  beide  Völker  aus 
irgend  einem  Grunde  dem  Schiff  des  Berichterstatters,  der  die 
"Wolga  herab  und  über  den  Wolok  in  den  Don  ging,  verwehrt 
haben,  in  ihrem  Gebiet  zu  landen  oder  Handels- Verkehr  anzu- 
knüpfen. Führte  er  verbotne  "Waaren  mit  sich?  Oder  fürchteten 
sie  feindliche  Kundschafter  der  "Waräger  in  diesem  Schiff?  "War 
es  überhaupt  Politik  der  Chasaren,  keinen  Fremden  ihr  Land 
betreten  zu  lassen?  Mußten  doch  auch  Kyrill  und  Methodius 
in  Cherson  zurückbleiben,  ohne  das  Chasaren-Land  erreichen  zu 
können. 

Die  nun  folgenden  Namen  bilden  einen  neuen  Abschnitt, 
da  der  Geograph  sie  ohne  Zweifel  von  einem  zweiten  Bericht- 
erstatter erhalten  hat.  Derselbe  ging  den  Dniestr  hinauf,  und 
am  Bug  und  Niemen  hinab,   bis  er  ins  Preussen-Land  gelangt. 

Das  erste  Volk  dieser  Route,  die  ,,Lendici  mit  98  Tausend- 
schaften" sind  die  sttvLavi\vot  des  Constantin  Porphyrogeneta, 
die  im  "Winter  Schiffe  bauen  und  sie  im  Frühjahr  die  Flüsse 
hinabgleiten  lassen.  Sie  wohnten  am  südlichen  Bogh.  Die 
Städte  Lentischew  und  Lytyn  erinnern  noch  an  dieß  Volk. 
Schaffarik  verwechselt  sie  mit  den  Luzane  um  "Weliki  Luck. 

„Thafnezi  haben  257  Tausendschaften".  Die  Tagroi  des 
Ptolomäus,  Tiworzer  Nestors.  Sie  saßen  am  Dniester;  von  da 
herab  bis  ans  Meer. 

„Zerivani,  welches  ein  so  großes  Reich  ist,  daß  von  dort 
alle  Slaven Völker  ausgezogen  und  ihren  Ursprung  genommen 
haben".  Dies  sind  die  heutigen  Ruthenen  in  Ost-Galizien,  dem 
serbischen  Slavenstamm  angehörend ,  früher  nach  der  Stadt 
Tscherwenogrod  6e)  an  der  Gutschawa,  einem  Seitenfluß  des  Bug, 


6*1)  Karamsin  III  S.  330  und  Schaffarik  II  105.    Das  heutige  Czerao. 


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Von  Victor  von  Keltech. 


531 


Tscherwenen  genannt.  Deshalb  werden  sie  auch  falschlich  Roth- 
Russen  genannt.  Tscherwenen  ist  aber  nur  eine  Verstümmlung 
aus  Serbenen.  Nach  Bandtke  nennen  sich  die  südlichen  Serben 
Serwiani,  fast  derselbe  Name,  mit  dem  hier  vom  Geographen 
das  Stammvolk  im  alten  Boikenlande  genannt  wird.  Daß  von 
hier  der  südliche  Serben-Ast,  erst  nach  Macedonien,  dann  an 
die  Bosna  und  Drina  wanderte,  habe  ich  bereits  nachgewiesen. 

Da  Methodius  selbst  in  Thessalonich  geboren  war,  von  Jugend 
auf  mitten  mnter  Slaven  gelebt  und  gewirkt  hat,  so  mußte  er 
über  die  ursprüngliche  Heimath  des  serbischen  Volks  genau 
unterrichtet  sein.  Er  sagt  aber  „alle  Slaven",  mithin  scheint  er 
auch  noch  davon  Kunde  zu  haben,  daß  die  Serbenstämme  an 
der  Elbe  ebenfalls  von  hier  ausgezogen  sind. 

„Prissani  70  Tausendschaften".  Ein  nach  Prisk 67)  am 
Bug  (Brzesk  Litewsk)  genanntes  Volk.  Da  vom  Bug  bis  zum 
Pripet  die  Jadzwingen  saßen,  so  sind  diese  darunter  zu  verstehen. 
Die  Jadzwingen,  auch  Sudäer  genannt,  sind  der  südlichste  Ast 
der  preußisch-litthauischen  Völker.  Ihre  wichtigsten  Städte  waren 
Prisk  und  Drosiczyn  am  Bug,  Pinsk  am  Pripet,  Slonim  an  der 
Usla 68).  Von  Polen  und  Russen  wiederholt  bekriegt,  werden 
sie  1264  von  Boleslaus  V.  fast  völlig  ausgerottet. 

„Velunzani  70  Tausendschaften".  Nach  dem  Castrum  Velun 
benannt.  Also  die  Litthauer.  Wehm  an  der  Wilia  spielt  auch 
später  in  den  Kriegen  des  deutschen  Ordens  gegen  die  Litthauer 
eine  bedeutende  Rolle  69). 

„Bruzi".  Das  sind  natürlich  die  Preußen,  Pruteni  im  Lande 
Prutzia,  mit  den  oben  genannten  Prissani  und  Velunzani  stamm- 
verwandt. 

Die  vier  getisch-litthauischen  Völker  waren:  Jadzwingen, 
Litthauer,  Preußen  und  Letten.  Letztere  in  Samogitien  und 
Kurland  60).    Erst  hundert  Jahre  später  wurden  die  heidnischen 

57)  Script,  rer.  Prussicarum  II  S.  593. 

58)  ZeuB  S.  677  ff. 

59)  Script,  rerum  Pruss. 

KO)  Cfr.  Meinen  Aufsatz:  Nationalität  der  Aisten  und  PreuBen. 


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532 


Der  bairische  Geograph. 


Preußen  durch  den  Tod  des  heiligen  Adalbert  allgemein  bekannt 
in  der  ganzen  Christenheit.  Um  so  merkwürdiger  sind  die 
Worte,  mit  denen  der  Geograph  diese  Völkerreihe  schließt:  „Es 
ist  weiter  von  dort,  als  von  der  Enns  bis  an  den  Rhein".  Er 
will  damit  sagen,  es  sei  weiter  vom  Preußenland  bis  an  die 
bairische  Grenze  (Enns),  als  von  Letzterer  bis  an  den  Rhein. 
Und  diese  Maaßbestimmung  ist  genau  zutreffend.  Hatte  Methodius 
bereits  aus  seiner  Diöcese  einen  Sendboten  bis  zu  diesem  fernen 
Heiden volk  geschickt,  daß  er  so  genau  unterrichtet  ist? 

Im  fünften  Abschnitt  geht  der  Geograph  zunächst  wieder 
an  die  Wolga  zurück,  um  die  Bulgaren  und  Chasaren  nach- 
zuholen. Beide  scheinen  demnach  erst  durch  Cyrillus  und 
Methodius  in  den  Gesichtskreis  des  Abendlandes  gerückt  zu  sein. 
Die  darauf  folgenden  Volksnamen  aber  gehören  Völkern  an,  die 
damals  erst  neu  in  die  Geschichte  eingetreten  sind.  Von 
diesen  mag  der  Geograph  erst  durch  mündliche  oder  schriftliche 
Relation,  nach  seiner  Rückkehr  an  die  Donau,  und  nach  Mähren, 
Kenntniß  erlangt  haben. 

„Vuizunbeire".  Die  Bulgaren  an  der  Wolga;  weiße  Biren 
zum  Unterschied  von  den  Sahiren ,  den  schwarzen 61)  Biren, 
genannt.  Mit  den  Donau-Bulgaren  haben  sie  zwar  den  Namen, 
sonst  aber  nichts  gemein.  Diese  heißen  zwar  auch  schwarze 
Bulgaren,  sind  aber,  wie  ich  schon  oben  nachgewiesen,  finnische 
Wurugunden. 

Die  Bulgaren  an  der  Wolga,  entweder  nach  der  Stadt 
Bolgar,  oder  nach  der  Wolga  benannt,  sind  bisher  irrthümlich 
der  finnischen  Race  zugezählt  worden.  Nach  dem  sogleich  zu 
besprechenden  Briefe  des  Chasaren-Königs  müssen  sie  aber  ein 
kaukasisches  Volk  gewesen  sein. 

Ich  halte  sie  für  die  Saraguren  des  Priskus  •*),  weiße  Ogoren. 

Die  heutigen  Bulgaren  sind  Tartaren,  oder  richtiger  ein 

  • 

61)  Weiß  und  schwarz  bedeutet  nicht  die  Farbe,  sondern  groß  und 
klein,  oder  freies  und  untergebenes  Volk. 

62)  Zeuß  S.  714.  Sara  finnisch  weiß.  Kein  Volk  giebt  sich  selbst  den 
Namen,  sondern  erbält  ihn  von  seinen  Nacbbaren. 


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Von  Victor  von  Keltsch. 


533 


Miachvolk  von  Bulgaren  und  Tartaren,  ausgezeichnet  durch 
Schönheit  des  Körpers  und  hohe  geistige  Begabung  M),  ein  Volk, 
dem  noch  eine  bedeutende  Zukunft  bevorsteht. 

„Caziri  mit  hundert  Tausendschaften".  Das  mächtige 
Chasarenvolk  an  der  Wolga. 

Der  sonst  so  scharfsinnige  und  kritisirende  Schlözer  hat 
leider  drei  ganz  verschiedene  Völker,  Chasaren,  Akaziren  und 
weiße  Ungarn  für  identisch  gehalten.  Alle  seine  Nachbeter 
haben  deshalb  Chasaren  für  Finnen  erklärt64).  Dem  steht  aber 
das  ausdrückliche  Zeugniß  des  Chasaren  Chagan  Josef  entgegen. 

In  dem  zuerst  von  Johann  Buxtorf  bekannt  gemachten, 
neuerdings  von  Selig  Cassel  °5)  in  deutscher  üebersetzung  heraus- 
gegebenen Brief  des  Chasarenkönig  Josef  an  den  Rabbi  Chisdai, 
den  Leibarzt  des  Kalifen  Abderrahman  von  Cordova  (f  961), 
zählt  der  Chagan  zehn  Völker  auf,  die  mit  den  Chasaren  stamm- 
verwandt sind.  Alle  diese  Völker  sind  Unterthanen  des  Chagan. 
Mithin  ist  sein  Urtheil  über  die  Nationalität  derselben  vollgültig 
und  unanfechtbar. 

Die  zehn  Völker  heißen:  1.  Ogor,  2.  Dursu,  3.  Awar, 
4.  Aguan,  5.  Bassil,  6.  Tarian,  7.  Cosar,  8.  Sagidai,  9.  Bulgari, 
10.  Sabiri. 

Da  ich  die  meisten  als  ch walisische 66)  Stämme  des  Kaukasus 


63)  Müller,  ugr.  Volksstamm  I  S.  446. 

64)  Nur  Kuuik,  schwedische  Rodsen  II  225,  bezweifelt  dies  und  hiilt 
sie  für  Türken. 

65)  Selig  Cassel,  magyar.  Alterthümer.    S.  183. 

66)  Kaukasische  Völker,  kaukasische  Race  hat  heut  eine  andre  Be- 
deutung. Ich  greife  deshalb  auf  den  alten  Namen  Chwalisen  bei  Nestor  — 
aus  dem  biblischen  Hawila  herstammend  —  zurück,  womit  in  der  Genesis 
die  Iberer  des  Kaukasus  genannt  sind.  Die  Sprachen  der  kaukasischen 
Bergvölker  haben  nach  Schleicher  nichts  mit  den  andern  Sprachen  Europas 
gemein.  Folgen  wir  also  dem  Urtheil  der  Bibel,  in  dem  auch  wir  sie  für 
Hamiten  erklären.  Ich  kann  aber  der  Auslegung  Knobels  (Erklärung  der 
Genesis)  nicht  überall  beipflichten.  Ich  halte  nämlich  folgende  Völker  für 
die  fünf  Söhne  von  Kusch:  1.  Seba  (Esba),  die  Iberer  Spaniens,  2.  Hawila, 
die  Iberer  im  Kolchischen  Mohrenland  (Genesis  10,  7.  Uerodot  II  103). 
Schönheit  des  Körpers,  dunkle  Hautfarbe,  schwarzes  krauses  Haar  haben 


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534 


Der  bairische  Geograph. 


nachweisen  kann,  so  müssen  auch  die  übrigen,  bisher  den  Finnen 
zugezählten  Völker  der  gleichen  Nationalität  angehören.  Schon 
die  Zahl  zehn  spricht  dagegen  Chasaren  und  verwandte  Völker 
für  Finnen  zu  erklären.  Die  finnische  Race  theilt  sich  immer 
in  je  sieben  Stämme  ein,  eine  bei  ihnen  heilige  Zahl. 

Als  erstes  der  zehn,  mit  den  Chasaren  stammverwandten 
Völker  nennt  der  Brief  des  Chagan: 

1.  Ogor,  schon  bei  Agathias  und  Priskus Ä7)  Ogoren, 
Onoguren,  Utiguren  genannt.  Von  Justinian  werden  die  Ogor 
oder  Utiguren  im  Osten  der  Mäotis  bekriegt.  Jornandes  nennt 
sie  Hunuguren  oder  Hunugaren.  Auch  der  Geograph  von 
Ravenna  hat  noch  ein  Onogoria  an  der  Mäotis.  Nach  dem 
Zeugniß  des  Chasaren-Königs  können  die  Ogoren  also  weder 
Hunnen,  noch  Türken  sein. 

Man  muß  drei  ähnlich  lautende  Namen  wohl  unterscheiden : 
Ogoren,  Ugern  und  Uiguren  Ä8). 

a)  Ogoren.  Die  Ogoren  an  der  Kuma  waren,  wie  wir  eben 
gesehen,  Chwalisen.  Wenn  Nestor  diese  Ogoren  mit  den  weißen 
Ungarn09)  verwechselt,  so  ist  das  weniger  zu  verwundern,  als  wenn 
die  meisten  ungarischen  Geschichtsschreiber  die  Urheimath  ihres 
Volks  noch  immer  —  trotz  Klaproth  —  an  die  Kuma  verlegen 
wollen.  Die  Reste  der  Ogoren  scheinen  an  die  Mündung  der 
"Wolga  gezogen  zu  sein,  woselbst  Ibn  Feßlan 70)  schwarze  Chasaren 
erwähnt,  von  gelber  Farbe,  ins  Schwarze  spielend,  wie  die  Inder. 


beide  Iberer  gemein.  8.  Sabtha,  die  Aetbiopier  in  Saba  und  Meroe.  4.  Ratna. 
die  Ramnä  des  Ptolemäus,  die  indische  Kriegerkaate,  deren  Personifikation 
der  große  Held  Kama,  Erobror  von  Ceylon  ist.  Dazu  noch  die  zwei  Tochter- 
Völker:  Scbeba  (Sabücr  in  Karamanien)  und  Dedan  (Dachinabades)  im  heutigen 
Deckau.  5.  Sabthepa,  des  Plinius  multae  Sabaeorum  insulae,  die  Malaien 
auf  den  Inseln  Hinter-Indiens. 

67)  Zeuß  S.  715. 

68)  Klaproth  Mem.  rel.Asiel,  125.  Er  versteht  aber  unter  Ogaren :  Awaren. 

69)  Nestor  I  114.  „Diese  Ugern  hatten  sich  schon  unter  dem  Kaiser 
Heraklius  gezeigt  und  waren  mit  ihm  gegen  den  persischen  Zar  Kosru 
gezogen".    Aus  den  Byzantinern  entlehnt. 

70)  Klaproth  und  Zeuß  8.  723.    Memoires  relatifs  a  l'Asie  I.  p.  152. 


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Vou  Victor  von  Keltsch. 


535 


Die  weißen  Chasaren  aber  sind  nach  ihm  weiß  und  durch  Schön- 
heit ausgezeichnet. 

b)  Ugern.  Die  Ugern  gehören  zum  Finnischen  Volksstamm, 
der  Name  Uger  aus  dem  hohen  Norden,  war  schon  im  Alterthum 
bekannt.  Ptolemäus  nennt  Pagüriten,  i.  e.  Ugern  vor  Kälte  71) 
starrend.  Ferner  Sabinus:  Prope  glacialis  oceani  oras  habitant 
silvestres  homines  Ugari  sive  Ugri 72).  Bei  Nestor  sind  auch 
Ugra  genannt,  i.  e.  die  finnischen  Bewohner  von  Jugrien  jenseit 
des  Ural. 

c)  Uiguren.    Endlich  die  Uiguren 78)  sind  Türken  in  Turfan 

und  am  Altai.  Das  nächst  dem  vom  Chagan  als  stammverwandte 
Volk  sind 

2.  Dursu.  In  der  georgischen  Chronik  des  Vaktang 74)  werden 
Dursu-Kothi  [?]  genannt,  also  wohl  Misdephische  [?]  Kisten.  Denn 
auch  bei  Istachri  75)  werden  Tirseran,  nördlich  von  Ab  el  Awab  7Ä) 
dem  heutigen  Derbend,  erwähnt.  Unter  die  Dursu  muß  man  also 
Kisten  oder  Tschetschenzen  in  Daghestan  verstehen.  Jetzt  führt 
zwar  ein  Stamm  der  Osseten  am  obern  Terek  den  Namen  Turßo. 
Er  kann  diesen  Namen  aber  nur  durch  Erbschaft  überkommen 
haben.  Denn  die  Osseten  sind  iranischen  Blutes,  folglich  mit 
den  Chasaren  nicht  verwandt.  Sie  flohen  auch  erst  vor  Dschin- 
gischan  ins  kaukasische  Hochgebirge.  Sie  wurden  früher  bald 
Alanen,  bald  Jassii,  erst  in  neuerer  Zeit  Osseten  genannt.  Ihre 
frühere  Heimath  am  Don  habe  ich  oben  erwähnt. 

3.  Awar.  Die  Awaren  im  Kaukasus.  Sie  sind  aber  nicht 
zu  verwechseln  mit  den  türkischen  Awaren  in  Pannonien,  den 
Gegnern  Karls  des  Großen.    Die  kaukasischen  Awaren  gehören 


71)  nayos. 

72)  Sabin us  comment.  in  Virgil,  p.  50. 

73)  Klaproth  Reisen  II  490. 

74)  Klaproth  Keiften  II  62. 

75)  Ed.  Mordtraann  p.  87. 

76)  Pfbrdte  der  Pfordten  ,  von  wo  sich  die  große  Mauer  quer  durchs 
Gebirge  zieht. 


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53(5 


Der  bairische  Geograph. 


zum  le8ghischen  Stamm 77).  Ihr  Name  ist  vielleicht  nur  sprach- 
liche Umformung  aus  Iber  78).  In  den  Kriegen  der  Eussen  und 
Georgier  mit  den  Bergvölkern  spielte  der  Chan  der  Awaren  eine 
große  Rolle.    Seine  Residenz  war  Chunsak  an  der  Atala. 

4.  Aguan.  Die  alte  Landschaft  Albanien,  armenisch  Agho  van, 
an  den  Ostabhängen  des  Kaukasus  bis  zum  Kaspischen  Meer 
herab.  Jetzt  gehört  dieselbe  ebenfalls  zu  Lesghien.  Der  Name 
Aguan  ist  noch  erhalten  in  dem  lesghischen  Stamme  der  Akuschen. 

6.  Bassil.  Es  sind  die  Apsilier  der  Byzantiner,  die  heutigen 
Abazen  und  Abchasen.  Der  Chagan  nennt  ihr  Land  „das  Land 
Basan 79)  auf  den  Bergen  bis  zum  Meer  von  Constantinopel" 
(das  schwarze  Meer). 

6.  Tarian.  Muß  man  in  dem  vom  Chagan  erwähnten  Lande 
Tagat  i.  e.  Daghestan  suchen,  wo  noch  heut  der  Schamchal  von 
Torki  einer  der  mächtigsten  Fürsten  ist.  Die  Ebenen  am  Meer 
haben  jetzt  Tartarische  Völker  inne.  Aber  die  Tarakämei  in 
den  unzugänglichen  Schluchten  über  Derbent  sind  Lesghier,  und 
scheinen  die  letzten  Reste  der  Tarian  zu  sein. 

7.  Cosar.  Der  Chagan  sagt:  „Wir  sind  von  den  Söhnen 
Cosar  des  Siebenten  und  in  seinen  Tagen  wird  berichtet,  war 
die  Zahl  unsrer  Väter  gering  und  der  Heilige,  gesegnet  sei  sein 
Name,  gab  ihnen  Kraft  und  Stärke,  und  sie  führten  Krieg  mit 
vielen  Völkern,  die  mächtiger  waren  als  sie,  und  mit  Gottes  Hilfe 
vertrieben  sie  sie,  eroberten  ihr  Land,  ließen  sie  vor  sich  fliehen 
und  verfolgten  sie,  bis  sie  kamen  an  den  großen  Strom  Donau j 
wo  sie  bis  auf  den  heutigen  Tag  Constantinopel  benachbart 
wohnen;  die  Cosaren  aber  nahmen  ihr  Land  ein." 

Darauf  bespricht  er  ausführlich  den  Uebertritt  des  König 
Bulan  und  seiner  Großen  zum  Judenthum;  Einrichtungen  und 


77)  K.  F.  Neumann.  Völker  des  südl.  Raßlanda.    S.  94,  95. 

78)  Wie  die  Ibererstadt  Ußdnit  in  Aegypten,  von  den  Arabern 
Awar  genannt. 

79)  Klaproth  I  505.  Die  heutigen  Basiani  sind  Tartaren,  die  früher 
in  Ckirk  Madshar  in  der  Kuma-Steppe  gewohnt  und  vor  600  Jahren  im 
hohen  Gebirge  Zuflucht  gefunden  haben. 


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Von  Victor  von  Keltsch. 


537 


Lebensweise  im  Chasaren- Reich;  Ausdehnung  und  Grenzen 
dieses  Reichs. 

Aus  dem  Gesagten  entnehmen  wir  Folgendes: 

Der  Name  der  Chasaren  scheint  von  einem  Helden  Kosar 
hergeleitet,  der  zuerst  sein  Volk  an  die  Wolga  geführt  und  die 
Petschenegen  von  dort  verjagt  habe.  Woher  die  Chasaren  ge- 
kommen, verschweigt  der  Brief  des  Chagan.  Die  Byzantiner 
sagen  zwar  aus  dem  Lande  Berzelia.  Aber  wo  lag  das?  Sind 
es  die  Bergthäler  am  Berbela  im  Kaukasus?  Alle  Stammgenossen 
der  Chasaren  sind  ch walisische  Völker  des  Kaukasus,  daher  muß 
man  dies  von  den  Chasaren  erst  recht  folgern.  Da  ferner  die 
Kabaren  bei  Constantin  Porphyrogeneta  ausdrücklich  ein  cha- 
sarisches  Volk  genannt  werden,  so  liegt  es  nur  zu  nahe,  die 
grosse  und  kleine  Kabarda  am  Kuban  für  die  ursprüngliche 
Heimath  der  Chasaren  zu  halten.  Der  Uebertritt  der  Chasaren 
zum  Judenthum  spricht  ebenfalls  dafür,  sie  eher  für  ein  hami- 
tisehes  und  kein  japhetitisches  Volk  zu  halten.  Hamiten  mochten 
dem  Semitismus  einen  empfänglicheren  Boden  entgegenbringen. 

Von  der  Grösse  des  Chasarenreichs  giebt  der  Brief  des 
Chagan  folgende  Beschreibung: 

„Was  Du  endlich  mich  fragtest,  welches  die  Ausdehnung 
unsres  Landes  in  Breite  und  Länge  sei,  so  wisse,  es  dehnt  sich 
längs  eines  Stromes  nahe  am  Meere  von  Georgien80)  aus,  gegen 
Osten  zu,  vier  Monat 81)  weit ;  am  Strome  wohnen  neun  zahl- 
reiche Nationen  in  Dörfern,  Städten  und  Burgen,  und  alle  geben 
mir  Tribut;  von  da  wendet  sich  die  Grenze  nach  Georgien  hin, 
und  alle  Bewohner  der  Meeresküste,  einen  Monat  weit,  geben 
mir  Tribut.  Nach  Süden  hin  15  zahlreiche  und  mächtige 
Nationen  bis  Bab  el  abuab82),  und  sie  wohnen  auf  Bergen  und 
im  Lande  Basa  und  Tagat s8)  bis  zu  dem  Meer  von  Constan- 
tinopol  zwei  Monat  weit,  und  alle  geben  mir  Tribut,  und  an 

80)  Die  Wolga  und  das  Knspische  Meer. 
8L)  Vier  Monat  =  120  Tage -Reisen. 

82)  Derbent  am  Kaspischen  Meer. 

83)  Der  Kaukasus,  Abasien  und  Daghestan  bis  ans  schwarze  Meer. 
Altpr.  MouuUHchrift  Bd.  XXIII.  Hit.  7  u.  &  35 


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538 


Der  bairische  Geograph. 


der  Abendseite  dreizehn  Nationen  stark  und  mächtig,  die  an 
der  Küste  des  Meeres  von  Constantinopel  wohnen;  von  da 
wendet  sich  die  Grenze  nach  Norden,  bis  an  den  grossen  Strom 
Jaik  und  die  Leute  wohnen  da  in  Dörfern  ohne  Mauern, 
ziehen  in  der  ganzen  Steppe  umher  bis  an  die  Grenzen  der 
Jugrier,  zahllos  wie  Sand  am  Meere,  alle  geben  mir  Tribut  und 
die  Ausdehnung  ihres  Landes  ist  vier  Monate.  Ich  aber  wohne 
an  der  Mündung  des  Stromes  und  ich  dulde  nicht84),  daß  die 
Russen,  welche  auf  Schiffen  kommen,  übersetzen  zu  Jenen,  und 
ebenso  dulde  ich  nicht,  daß  ihre  Feinde,  die  zu  Lande  kommen, 
in  ihr  Land  ziehen,  und  ich  führe  schwere  Kriege  mit  ihnen, 
denn  wenn  ich's  duldete,  so  würden  sie  das  ganze  Land  Ismael  w) 
bis  Bagdad  verwüsten." 

Und  ein  Jahrhundert  später  ist  dieß  mächtige,  wohl  organi- 
sirte  Chasarenreich,  dem  Petschenegen,  Poljänen,  Alanen  und 
eine  Menge  finnischer  Stämme  unterworfen  gewesen,  vor  dem 
Perser  und  Armenier  gezittert,  plötzlich,  ohne  Sang  und  Klang, 
von  der  Erde  weggefegt.  Keine  geschichtliche  Quelle  berichtet, 
welchem  Feinde  es  erlegen.  Wir  können  nur  muthmaaßen,  daß 
das  Chasaren-Beich  vor  dem  Ansturm  der  Kumauen  zusammen- 
gebrochen  ist.  Der  zersetzende  Einfluß  des  Judenthums  hatte 
seinen  früheren  kriegerischen  Geist  depravirt. 

Nur  in  der  Krim  hat  sich  ein  Schattenreich  Gasaria  etwas 
länger  erhalten. 

Damals  scheint  auch  die  Masse  der  Juden,  die  aus  Klein- 
Asien  und  dem  Byzantinischen  Kaiserreich  bei  den  Chasaren 
zusammengeströmt  war,  Über  den  Dniepr  geflüchtet  und  in 
Schaaren  Podolien,  Galizien,  Polen  und  Litthauen  überfluthet 
zu  haben.  Woher  sonst  sollte  die  dichte  jüdische  Bevölkerung 
herstammen,  welche  seit  Jahrhunderten  obige  Länder  erfüllt? 


84)  Aus  Ihn  Fozlan  erfahren  wir  das  Gegentheil.  Danach  gab  der 
Chasarenkönig  nicht  blos  die  Erlaubnis,  sondern  machte  noch  ein  gutes 
Handelsgeschäft,  indem  er  sich  dio  Hälfte  der  Beute  abgeben  lißss.  (Karaxnsin.) 

85)  Die  Muhamedaner  und  Araber. 


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Von  Victor  von  Keltaoh. 


539 


8.  Sagidai  wird  das  acht©  Volk  genannt.  Schon  Prokop 
hat  -ayi'dai  und  Zvypi  in  der  Nähe  des  Kaukasus.  Beides  sind 
Tscherkessische  Stämme.  Noch  heut  heißen  die  Tscherkessen 
am  schwarzen  Meer  Dschiki 88)  (Ziehen),  die  Sagidai  aber  sind 
doch  wohl  die  heutigen  Schapsugen  am  Kuban.  In  den  russi- 
schen Jahrbüchern  wird  das  ganze  Volk  der  Tscherkessen:  Ka- 
sagen,  Kasachen  genannt.  Sie  selbst  nennen  sich  Adige,  dem 
obiges  Sagidai  zum  Grunde  liegt. 

9.  Bulgaren.  Von  Frähn,  Schlözer,  Klaproth  etc.  für  Finnen 
erklärt.  Da  der  Chasaren-Chagan  aber  sie  seine  Stammgenossen 
nennt,  können  sie  keine  Finnen  sein.  Damit  stimmen  die 
Arabischen  Quellen  überein:  Ibn  Fozlan  sagt:  Die  Sprache  der 
Chasaren  unterscheidet  sich  von  der  der  Türken  und  Perser, 
und  die  Sprache  keines  andern  Volks  stimmt  mit  ihr  überein. 
Desgleichen  Ibn  Haukal:  die  Sprache  der  Bulgaren  ist  dieselbe 
mit  der  der  Chasaren.  Dazu  tritt  noch  das  Zeugniß  des  Patri- 
archen Nikon  in  der  Nikon'schen  Chronik  des  Nestor:  Chwa- 
lisen  und  Bulgaren  stammen  von  Loths  beiden  Töchtern  ab; 
die  Türken  aber  sind  Ismaelitischer  Abkunft.  —  Nikon  weiß 
doch  sicherlich  Finnen  von  Türken  und  Chwalisen  zu  unter- 
scheiden. 

10.  Sabiri.  Das  zehnte  und  letzte  Bruder -Volk  der  Cha- 
saren. Ich  habe  schon  oben  bei  Zabrozi  erwähnt,  daß  ich  in 
den  Sahiren  Tschuwaschen  vermuthe.  Sabiri,  d.  h.  schwarze 
Biren  im  Gegensatz  zu  den  Bielobiri,  den  Weiß-Biren. 

Als  Klaproth  1807  seine  Reise  nach  dem  Kaukasus  antrat, 
erhielt  er  den  Auftrag  den  Ursprung  Polowzischer  Namen  zu 
ermitteln,  die  sich  in  Russischen  Chroniken  vorfinden.  Klap- 
roth 87)  stellte  fest,  daß  diese  Namen  der  Tscherkessischen 
Sprache  angehören.  Er  kam  zu  dem  Schluß,  es  müsse  eine 
Zeit  gegeben  haben,  wo  die  Tscherkessen  über  die  Kumanen 
(Polowzer)  geherrscht  haben.    Ich  vermuthe,  daß  bei  der  Auf- 


86)  Klaproth  Reisen  I  205. 

87)  Klaproth  Reisen  I  S.  68  u.  278. 

36* 


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540 


Der  bairisehe  Geograph. 


lösung  des  Chasaren-Reichs  der  muselmännische  Theil  der  Cha- 
saren  sich  freiwillig  den  Kumanen  unterworfen  und  in  diesem 
Volk  aufgegangen  ist;  daß  mithin  auf  diesem  "Wege  bei  der  nahen 
Verwandtschaft  der  tscherkessischen  und  chasarischen  Sprache, 
jene  Namen  auf  die  Kumanen  übergegangen  sind. 

Nach  dieser  fast  zu  langen  Auseinandersetzung  über  die 
Nationalität  der  Chasaren,  kehre  ich  zum  bairischen  Geographen 
zurück. 

Erst  862  waren  die  Waräger  übers  "Waräger  Meer  (die 
Ostsee)  herübergekommen  und  hatten  die  Herrschaft  über  die 
Slaven  Nowgorods,  über  die  Kriwitschen,  Tschuden  und  "Wessen 
angetreten. 

„Ruzzi."  864  erobern  die  Waräger  Russen  Askold  und  Dir 
Kiew  und  unterwerfen  sich  die  Poljänen.  866  ziehen  diese  kühnen 
Abenteurer  mit  einer  großen  Flotte  den  Dniepr  hinab  vor 
Konstantinopel.  Dort  scheint  ihnen  zuerst  der  Name  Russen  bei- 
gelegt worden  zu  sein.  Nach  dem  Patriarchen  Photius  herrschten 
die  Russen  damals  schon  über  eigne  Länder. 88)  Er  gab  den 
orientalischen  Bischöfen  Kunde  von  diesen  Ereignissen. 89) 
Photius  kann  also  möglicher  Weise  die  Quelle  sein,  aus  der 
unser  Geograph  brieflich  oder  mündlich  seine  neueren  Nach- 
richten in  einem  Hirtenbrief  über  Russen  und  die  ihnen  unter- 
gebenen Völker  erhalten  hat. 

„Forsderen".  Fors  heißt  scandinavisch  Wasserfall.  Hier 
sind  die  Anwohner  an  den  Dniepr -Fällen  geraeint.  Auf  dieser 
Straße  waren  schon  seit  839  90)  Waräger  aus  Skandinavien  nach 
Konstantinopel  gezogen.  Erst  die  Düna  hinauf  bis  Witepsk 
—  dann  zu  Lande  hinüber  nach  Miliniska  (Smolensk)  und  nun 
den  Dniepr  hinab.  Die  Namen  der  einzelnen  Fälle  des  Dniepr 
hat  Lehrberg91)  aus  der  alt-gothischen  Sprache  erklärt.  Sie 


88)  Karamsin  I  S.  305. 

89)  Karamsin  I  S.  96. 

90)  Karamsin  I  S.  382. 

91)  Lehrberg  Untersuchungen  S.  352. 


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> 

Von  Victor  von  Keltach. 


541 


wurden  ihnen  entweder  von  den  Warägern  gegeben,  oder  sie 
stammen  sogar  noch  her  von  den  Austrogothen  (Budinen),  die 
von  den  Zeiten  des  Herodot  bis  auf  Ptolemäus  in  diesem  Lande 
—  östlich  von  den  "Wasserfallen  bis  zum  Wolok  des  Don  (so 
weit  erstreckt  sich  der  südrussische  Landrücken,  das  Budiner 
Gebirge  der  Alten  — ),  angesessen  waren,  und  unter  Hermanrich 
ihre  höchste  Macht  erreichten. 

Der  Name  Deren  in  Forsderen  kann  daher  möglicher  Weise 
ererbt  sein  von  westgothischen  Therwingen.  Noch  wahrschein- 
licher aber  ist  es  Zusammenziehung  aus  Drawiern,  einem 
Slaven-Stamm  in  Wolhynien.  Später  besetzten  die  Petschenegen 
die  Wasserfälle,  und  erschlugen  972  hier  Swätoslaw  bei  seinem 
Eückzug  aus  Bulgarien  an  der  Donau.  Auch  unter  Wladimir 
reichte  die  Grenze  des  russischen  Waräger  Reichs  nur  bis  an 
die  Wasserfälle.  Als  dieser  das  hölzerne  Bild  des  Perun  in  den 
Dniepr  werfen  ließ,  befahl  er  seiner  Leibwache,  bis  an  die 
Wasserfalle  zu  ziehen,  um  zu  verhindern,  daß  seine  heidnischen 
Unterthanen  das  Götzenbild  wieder  herauszögen.92) 

„Liudi".  Das  sind  Finnen;  denn  Liudin  konec  heißt  das 
finnische  Stadt- Viertel  in  Nowgorod  (Liudiu  kelsi  [?]  finnische 
Sprache).  98) 

Da  der  Geograph  diese  Liudi  mit  Russen  und  Kriwitschen 
erwähnt,  so  scheint  der  Name  derselben  auch  erst  nach  862  bis 
nach  Constantinopel  gekommen  zu  sein.  Also  wohl  gleichzeitig 
mit  der  Nachricht  von  der  Berufung  der  Waräger  zur  Herr- 
schaft über  die  nördlichen  Slaven  und  Finnen-Stämme.  Weiter 
oben  hatte  der  Geograph  —  sicher  aus  andrer  Quelle  —  für 
diese  Ostsee  -  Finnen  den  Namen:  Sittici  =  Tschuden- 
Scythen. 

„Fresiti."  Mir  noch  unklar.  Auch  Kunik  94)  nennt  Fräsi, 
ein  fremdes  Volk.    Sind  es  die  Waräger  in  Nowgorod,  russisch 


92)  Karamsin  I  S.  375. 

98)  Schaffarik  II  S.  64  und  137. 

94)  Kunik,  schwedische  Reisen  I  S.  78. 


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542 


• 

Der  bairische  Geograph. 


"Warjazi,  skandinavisch  Vaeringr,  =  Heergenossen?  Oder  die 
lettischen  Noroma  Nestors?  Friesische  oder  fränkische  Kauf- 
leute in  den  nordischen  Städten  Nowgorod,  Isborsk,  Aldeigaborg, 
Opala  und  Paltask?  Unten  im  Süden  nun  mißverständlich  für 
ein  besonderes  Nord -Volk  gehalten?  Oder  steht  der  Name  des 
Freiß-Richters  96)  damit  in  Zusammenhang? 

„Seranici"  halte  ich  wieder  verschrieben  für  Screawici,  die 
Kriwitschen,  KQißarrjvoi  des  Constantin  PorphyTOgeneta.  Da 
die  Kriwitschen  um  Smolensk  und  am  Peipus-See  schon  früher 
unter  dem  Collektivnamen  Sittici  vom  Geographen  genannt  sind, 
so  versteht  er  jetzt  unter  dem  Namen  Screawici  wohl  nur  die 
Kriwitschen  von  Isborsk  und  die  Kunde  von  Berufung  der 
Waräger  kann  erst  nach  seiner  Heimkehr  nach  Süden  gelangt  sein. 
Von  Letzteren  war  862  Truwor,  Ruriks  Bruder,  zum  Fürsten 
erwählt  worden. 

„Lucolane".  Nach  der  Stadt  "Weliki  Luki  genannt.  Es 
ist  dasselbe  Volk,  das  bald  Lutschaner,  bald  Polotschaner  ge- 
nannt wird,  den  Kriwitschen  nahe  verwandt.  Schon  864  wer- 
den sie  von  Rurik  unterworfen. 

Auch  davon  scheint  die  Kunde  nach  dem  Süden  und  bis 
zu  Methodius  gekommen  zu  sein. 

Später  waren  die  Polotschaner  ein  mächtiger  Slaven-Stamm. 
Dlugosz  p.  20  sagt:  Brzeznia  fluvius  terram  Luciensem  distin- 
guens  a  Litwanis,  also  reichten  sie  noch  über  den  Dniepr  bis 
an  die  Beresina. 

„Ungare".  Das  ist  die  schwierigste  aber  auch  wichtigste 
Stelle  des  Geographen.  Es  gehört  viel  Muth  dazu,  ganz  neue 
Ansichten  zu  begründen,  alten  Forschungen,  die  bereits  gewisses 
Bürgerrecht  erlangt  haben,  entgegentreten  zu  wollen,  nach  gründ- 
licher Prüfung  aller  Quellen. 

Ich  halte  es  für  unzweifelhaft,  daß  Magyaren  und  Ungarn 
zwei  verschiedene  Völker  sind,  und  daß  eine  doppelte  Invasion 


95)  Karamsin  II  S.  51. 


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Von  Victor  von  Keltach. 


543 


Ungarns,  von  Norden  und  Süden  stattgefunden  hat.  Die  süd- 
liche fand  894,  die  nördliche  898  statt. 

Eben  so  wie  der  bairische  Geograph  Heptaradici  und  Ungare 
als  zwei  besondre  Völker  nennt,  unterscheidet  auch  Nestor  weiße 
und  schwarze  Ungarn.  Der  Unterschied  zwischen  beiden  Völkern 
tritt  aber  noch  deutlicher  hervor,  wenn  man  die  von  dem  un- 
genannten Notar  Königs  Bela  gesammelten  Nachrichten  über  die 
Einwanderung  seines  Volks,  mit  den  Aufzeichnungen  Constantin 
Porphyrogenetas  über  die  Ungarn  in  Einklang  bringen  will. 

Hören  wir  zuerst  nochmals  den  Anonymus  Belae  notarius, 
der  aus  alten  Volkssagen  geschöpft  hat. 

Er  läßt  die  Heta  Moger  aus  dem  fernen  Osten,  aus  dem 
Lande  Den  tu  Moger  96)  kommen,  wo  viele  Zobel,  Gold  und  Silber, 
und  Edelsteine  in  den  Flüssen  seien.  Ueber  den  Etil  (Wolga) 
setzen  sie  auf  Schläuchen  und  lassen  sich  erst  in  Susdal  nieder. 
Von  hier  ziehen  sie  unter  Führung  Arpads,  an  Kiew  vorbei, 
über  den  Dniepr  nach  Galizien  und  fallen  durch  den  Wald  Hovos, 
über  Ungvar  und  Munkacs,  in  Ungarn  ein.  Im  Fluge  erobern  sie 
ganz  Ungarn,  unterjochen  die  Slaven,  vertreiben  die  Walachen97) 
und  theilen  das  Land  unter  ihre  sieben  Anführer.  Nur  der 
Chasar  Marot  in  Bihar  leistet  ihnen  Widerstand  98). 

Damit  stimmt  der  russische  Annalist  Nestor  im  Wesentlichen 
üborein.  Er  sagt "),  indem  er  zuerst  über  die  Herkunft  der 
Slaven  und  ihre  Drangsale  durch  fremde  Völker  spricht:  Hierauf 
kamen  die  weißen  Ugern  und  erbten  das  slavonische  Land, 
nachdem  sie  die  Walachen  verjagt  hatten,  die  dies  Land  vorhin 
eingenommen  hatten.  —  Und  dann  weiter  unten  noch  ausführ- 


9f!)  Nach  Hunfalvy  (Herkunft  der  Ungarn.  Pesth  1864)  nennen  die 
Ostjaken  den  Irtisc.h  uorh  heut:  Tangat.  Dent  ist  also  das  Magyarenland 
am  Tobol  und  Irtisch. 

97)  Die  Nachkommen  der  alten  römischen  Colonisten  in  Dacien. 

98)  Feßler  Gesch.  v.  Ungarn  I  S.  50  wirft  die  Nachrichten  des  Anony- 
mus und  Constantin  Porphyrog.  willkürlich  durcheinander,  um  Geschichte  zu 
machen. 

99)  Nestor  bei  Schlözer  I  S.  114 


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Der  bairisrbe  Geograph. 


licher  10°):  Im  Jahr  808  zogen  die  Ugern  an  Kiew  vorüber, 
über  einen  Berg,  der  mm  der  Ugrisohe  genannt  wird.  Sie  kamen 
an  den  Dniepr,  und  standen  hier  in  Wesehen  (Zelten),  denn  sie 
marschirten  wie  die  Polowzer.  Sie  waren  vom  Orient  her- 
gekommen und  stürzten  durch  hohe  Berge,  die  die  Ugrischen 
(Karpathen)  genannt  werden.  Und  sie  fingen  an  die  dort  wohnen- 
den Wlaehen  und  Slaven  zu  bekriegen.  Denn  da  saßen  vorhin 
Slaven  und  Wlaehen,  und  nahmen  das  Slavonische  Land  ein. 
Nachher  aber  verjagten  Ugern  die  Wlaehen  und  erbten  101)  dieses 
Land  und  saßen  mit  den  Slaven  zusammen,  die  sie  unterjocht 
hatten.  Von  der  Zeit  an  ward  das  Land  Ungarn  genannt. 
Nestor  und  der  Anonymus  Belao  stimmen  also  darin  überein, 
daß  die  Magyaren  oder  Weißen  Ungarn  aus  dem  Orient  ge- 
kommen; daß  sie  mit  großer  Heeresmacht  an  Kiew  vorüber- 
gezogen und  über  Gaiizien  und  die  nördlichen  Karpathen  in 
Ungarn  eingebrochen  sind,  daß  sie  sofort  das  ganze  Land  er- 
obern, die  Slaven  unterjochen,  die  Walachen  verjagen. 

Daß  Magyaren  und  Weiße  Ungarn  identisch  sind,  wird 
durch  eine  dritte  Quelle  bestätigt.  Der  Mönch  Adamar  Cha- 
bonensis  102)  aus  dem  11.  Jahrhundert  erzählt,  daß  Bischof  Bruno 
von  Augsburg  den  König  Geisa  von  Alba  Ungria  getauft  habe; 
es  gebe  aber  auch  noch  ein  schwarzes  Ungarn. 

Wo  lag  nun  dieß  schwarze  Ungarn  und  woher  kamen  seine 
Bewohner?  Derselbe  Nestor  sagt  II  pag.  118:  „Und  wiederum 
gingen  die  Schwarzen  Ugern  vor  Kiew  vorbei,  wie  nachher 
unter  Oleg." 

Dieß  „wiederum"  bedingt,  daß  die  schwarzen  Ugern  schon 
früher  vorübergezogen,  jetzt  zum  zweiten  Mal  erscheinen,  und 
nachher  unter  Oleg  zum  dritten  Mal  vorüberziehen. 


100)  Nestor  bei  Schlözer  II  S.  106. 

101)  Schon  zu  Nestors  Zeiten  war  die  von  den  Magyaren  geflissentlich 
verbreiteto  Meinung,  sie  besäßen  Ungarn  in  Folge  des  Erbrechts,  als  Nach- 
kommen von  Attila  überall  gang  und  gäbe  geworden. 

102)  Gebhardi,  Gesch.  v.  Hungaru  uud  Pertz  Mon.  bist.  Germ.  VI,  129. 


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Von  Victor  von  Keltsch. 


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Die  schwarzen  Ugern  müssen  also  damals  östlich  von  Kiew 
gesessen  haben.    Alle  drei  Züge  sind  geschichtlich  nachzuweisen. 

836  erscheinen  die  Ugren  zum  ersten  Mal  an  der  Donau, 
um  den  Bulgaren  Hilfe  zu  leisten.  Leo  Grammatikus  nennt 
sie  abwechselnd  Ugroi,  Türken  und  Hunnen. 108)  Zum  zweiten 
Mal  wird  ihr  Name  als  eines  vorher  noch  nie  gehörten  Feindes 
genannt,  von  Hinkmar  v.  Rheims 104),  als  sie  862  das  Reich 
Ludwig  des  Deutschen  verheeren.  Da  die  Byzantiner  von  diesem 
Zuge  nichts  wissen,  wird  der  Zug  durch  Galizien,  nördlich  von 
den  Karpathen  gegangen  sein.  Der  dritte  Zug  trifft  nach  Re- 
gino  von  Prüm  105)  auf  das  Jahr  889,  also  in  die  Regierungszeit 
Olegs. 

Regino  läßt  das  Volk  der  Ungaren,  von  denen  man  seit 
Jahrhunderten  nichts  mehr  gehört,  noch  sie  genannt,  aus  den 
Scythischen  Reichen  und  Sümpfen,  welche  der  Tanais  in  seinem 
weiten  Lauf  durchströmt,  hervorwandern.  Diese  Worte  Regino's 
finden  bei  Constantin  Porphyrogeneta  noch  nähere  Ergänzung 
und  Bestätigung. 

Die  "Wahrheitsliebe  Constantins  ist  unbezweifelt.  Er  hält 
aber  nicht  immer  die  richtige  chronologische  Ordnung  ein.  Ueber 
manches  Ereigniß  mag  er  selbst  ungenügend  berichtet  worden 
sein;  anderes  lag  außerhalb  des  Griechischen  Gesichtskreises. 

Ich  muß  vorausschicken,  daß  er  diese  Ungarn  beständig 
Türken  nennt.  Man  war  ja  mit  der  Bezeichnung  Türken 
damals  ebenso  freigebig,  wie  früher  mit  dem  Namen  Hunnen, 
oder  im  Alterthum  mit  dem  Namen  Scythen. 

Constantin  Porphyrogeneta  sagt: l06)  Das  Volk  der  Türken 
wohnte  früher  nahe  bei  Chasarien  an  dem  Orte  Lebedia,  der 
nach  dem  Namen  des  ersten  Woywoden  Lebedias  genannt  war; 
Er  wurde  nach  seiner  Würde,  sowie  auch  die  Nachfolger  nach 


103)  Leo  p.  459. 

104)  Pertz,  M.  Germ.  I  458. 

105)  Pertz,  M.  Germ.  I  599. 

106)  Constantin  Porphyrogeneta  de  adm.  imp.  c.  88,  p.  168. 


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Der  bairiache  Geograph. 


ihm  Woywoden  genannt.  In  dem  erwähnten  Orte  Lebedia  ist 
ein  Fluß  Chidraas,  welcher  auch  Chizzylus  genannt  wird. 
Damals  wurden  sie  nicht  Türken,  sondern  Sabartoiasphaloi  aus 
irgend  einem  Grunde  genannt.  Die  Türken  bestehen  aus 
sieben  Stämmen;  einen  Herren  haben  sie  nie  gehabt,  weder 
aus  eigenem  Geschlecht,  noch  einen  Fremden;  sondern  es  gab 
Woywoden  unter  ihnen,  deren  erster  besagter  Lebedias  gewesen. 
Unter  107)  den  Chazaren  wohnten  sie  drei  Jahre  l08)  und  waren 
mit  den  Chazaren  in  allen  ihren  Kriegen  verbündet. 

Der  Chagan,  der  Fürst  Chasariens,  hatte  wegen  ihrer 
Tapferkeit  und  Hilfsleistung  dem  ersten  "Woywoden  der  Türken 
Lebedias  zur  Ehe  eine  wohlgeborne  Chazarin  gegeben,  des 
Rufes  seiner  Tapferkeit  und  des  Glanzes  seines  Geschlechts 
halber,  damit  er  von  ihr  Kinder  zeuge;  es  zeugte  aber  zufällig 
dieser  Lebedias  mit  dieser  Chazarin  keine  Kinder. 

Die  Patzinaciten ,  die  früher  Kagzar  gehiessen,  (denn 
dieser  Name  bedeutet  bei  ihnen  Adel  und  Tapferkeit),  waren 
als  sie  gegen  die  Chazaren  Krieg  erhoben  hatten,  besiegt  worden; 
sie  mußten  ihr  Land  aufgeben  und  sich  in  jenem  der  Türken 
niederlassen. 

Als  dadurch  nun  ein  Krieg  zwischen  den  Türken  und 
Patzinaciten ,  die  damals  Kagzar  genannt  wurden,  entstand, 
wurde  das  Heer  der  Türken  geschlagen  und  in  zwei  Theile 
zersprengt,  und  zwar  ließ  sich  der  eine  Theil  gegen  Osten  in 
der  Gegend  von  Persien  nieder  (wo  sie  noch  bis  zum  heutigen 
Tage  nach  dem  alten  Namen  der  Türken  Sabartoi  asphali 
heißen);  der  andere  Theil  nahm  Wohnsitz  gegen  Westen,  zu- 
gleich mit  ihrem  Woywoden  und  Anführer  Lebedias  an  den 
Orten,  welche  Atelkazu  genannt  werden  —  an  den  Flüssen 
Baruch,  Cubus,  Trullus,  Brutus  und  Seretus  —  wo  jetzt  das 
Volk  der  Patzinaciten  wohnt. 

107)  Selig-Casael  Mag.  Alterth.  S.  122  übersetzt :  Neben  Chasarien, 
aber  jura  mit  dem  Genitiv  heiBt  unter  zwischen,  cfr.  Schneider  Lex. 

108)  .T.  Kemper,  de  Ungarorum  ex  Lebedia  et  Atelcuza  demigratione 
S.  7  irrt,  wenn  er  diese  drei  Jahre  auf  den  Aufenthalt  in  Lobedia  bezieht. 


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Von  Victor  von  Kelt«ch. 


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Die  sogenannten  Kabaren  109)  leiten  ihr  Geschlecht  von  den 
Chazaren  her. no)  Da  sie  einen  Aufstand  gegen  ihre  Ober- 
herrschaft versucht  hatten,  entstand  ein  bürgerlicher  Krieg,  und 
die  Oberherrschaft  überwand  sie.  Da  wurden  die  Einen  von 
ihnen  getödtet,  die  Andern  entflohen  zu  den  Türken  und 
lagerten  sich  im  Lande  der  Patzinaciten,  befreundeten  sich  mit 
einander  und  wurden  Kabari  genannt;  daher  sie  auch  die 
Sprache  der  Chazaren  die  Türken  lehrten,  und  sie  haben  bis 
auf  den  heutigen  Tag  diesen  Dialekt.  Sie  brauchen  aber  auch 
die  andere  Sprache  der  Türken,  weil  sie  aber  durch  kriegerische 
Tapferkeit  und  Mannszucht  unter  den  acht  Stämmen  hervor- 
leuchteten und  im  Kampf  vorangingen,  so  erhielten  die  Kabaren 
den  ersten  Platz  unter  den  Stämmen,  den  sie  auch  bis  heute 
noch  behaupten.  Das  Volk  der  Türken  bestand  aber  nunmehr 
wie  gesagt  aus  folgenden  acht  Stämmen: 1U)  1.  Kabaren,  2.  Noki, 
3.  Megern,  4.  Kurtugermati ,  5.  Tarian,  6.  Genach,  7.  Kari, 
8.  Kasi. 


Diese  Türken  des  Constantin  Porphyrogeneta,  die  Ungari 
des  bairischen  Geographen,  waren  also  aus  acht  verschiedenen 
Volksstämmen  zusammengesetzt.  Die  Nationalität  jedes  Einzelnen 
läßt  sich  ziemlich  sicher  ermitteln.  1.  Wie  oben  erwähnt,  leiten 
die  Kabaren  ihr  Geschlecht  von  den  Chasaren  her.  Nach  ihrem 
Namen  zu  schließen,  stammen  sie  aus  der  großen  und  kleinen 
Kabardah  im  Kaukasus  her.  Dieß  würde  mithin  auch  die  Ur- 
heimath  der  Chasaren  gewesen  sein,  ehe  die  Letzteren  an  die 
"Wolga  gezogen.  2.  Neki:  Ich  halte  die  Neki  für  einen  Tschor- 
kessischen  Stamm,  die  heutigen  Besle-Negi.  Kein  anderer  Volks- 
name hat  Aehnlichkeit.  3.  Megern  sind  stets  mit  Magyaren  richtig 

109)  Der  Nubische  Geograph  Edrisi  erwähnt  eine  Chasarische  Leib- 
wache, bestehend  aus  12,000  Mann.  Vielleicht  waren  das  jene  Kabaren, 
die  sich  eine  Janitscharen  oder  Strelitzen-Stellung  angemaßt  haben  mochten, 
und  deßhalb  von  den  Chasaren  aus  dein  Lande  vertrieben  wurden. 

110)  Constant.  Porphyr  de  imperio  S.  39. 

111)  Constantin  de  imp.  c.  40. 


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Der  bairische  Geograph. 


gedeutet  worden;  es  kann  aber  nicht  das  ganze  Volk  sein, 
sondern  nur  eine  in  chasarische  Kriegsdienste  gegangene  Ab- 
theilung der  damals  noch  bei  Susdal  sitzenden  Eptaradici.  — 
4.  Auch  die  Kurtugermati  sind  als  finnische  Kutriguren  richtig 
erkannt.  nt)  B.  Tarian,  stammen  von  den  Tarian  aus  dem  Lande 
Tagat  (Daghestan)  ab,  wie  das  schon  oben  in  dem  Briefe  des 
Chagan  ausgeführt  worden  ist.  Es  sind  mithin  kaukasische 
Lesghier.  6.  Genach.  Halte  ich  für  Georgier  (Grusier)  von  den 
Bergen  um  Signach,  der  alten  Hauptfeste  von  Tschina  Kartli, 
im  nördlichen  Georgien.  7.  Kari.  Das  würden  finnische  Karelen 
aus  Karialand  am  Ladoga-See  sein.  Nach  Nestor  führte  schon 
früh  ein  lebhafter  Handelsweg  von  Ladoga  den  Wolchow  hinauf, 
die  Wolga  herab  bis  ins  Kaspische  Meer.  8.  Kasi.  Halte  ich 
wieder  für  lesghische  Kaukasier,  die  heutigen  Kasi-Kumücken 
(Tartaren)  vom  obern  Koißu. 11S) 

Die  Gesellschaft  der  schwarzen  Ungarn  hätte  somit  aus 
drei  finnisch-ugrischen  und  fünf  kaukasischen  Völkern  bestan- 
den. Auf  diese  Weise  erklärt  sich  auch  die  Doppelsprache,  die 
sie  —  nach  Constantin  Porphyrogeneta  —  reden:  türkisch  i.  e., 
magyarisch  und  chasarisch. 

Versucht  man  auch  noch  das  von  Constantin  Porphyro- 
geneta nicht  verstandene  Wort  Sabartoiasphali  zu  erklären,  so 
scheint  dieß  ein  Compositum  der  persischen  und  kaukasischen 
Sprache  zu  sein.  Asphali m)  heißt  persisch  (?)  Reiter,  sao 
tscherkessisch  Krieg,  barto  hat  vielleicht  analoge  Bedeutung 
mit  dem  iranischen  appat  verbunden,  zusammen.  Danach 
würde  Sabartoiasphali  =  Kriegsverbundene  Reiter  bedeuten. 
Mithin  der  richtige  Name  für  das  von  den  Chazaren  ange- 
worbene Söldnerheer. 11B) 


112)  Gebhardi  Gesch.  v.  Hungarn. 

113)  Güldenstädt:  Reise  in  den  Kaukasus,  S.  107  und  Eichwald: 
Theil  II.  nebst  Karte. 

114)  Parrot:  Versuch  der  Erkl.  vergeh.  Sprachen  I.  81.   Uphali  Herr 
sao  Krieg. 

115)  Kaiser  Leo  Gram,  nennt  sie  eine  colluvies  gentium. 


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Von  Victor  von  K  eltseh. 


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Die  "Wildheit  dieser  Schaaren  muß  aber  so  unerträglich 
gewesen  sein,  daß  die  Chasaren  sie  nur  drei  Jahre  im  eigenen 
Lande  ertragen  konnten.  Dann  versetzten  sie  dieselben,  als 
Militär-Colonie,  nach  Lebedia  am  Xigulus.  Das  kann  unmöglich 
der  Jugul,  westlich  vom  Dniepr  sein.  Es  ist  vielmehr  der 
Psigol, 116)  ein  östlicher  Nebenfluß  des  Dniepr,  in  dessen  Nahe 
Lebedia  liegt.  In  allen  Kriegen  der  Chasaren  konnten  die 
Ungarn  auch  von  hier  Heerfolge  leisten.  Den  Aufenthalt  der- 
selben in  Lebedia  kann  man  für  die  Jahre  836  bis  889  genau 
nachweisen.  Wahrscheinlich  begann  er  aber  schon  viel  früher. 
Denn  noch  heut  führt  die  Ukraine  von  den  schwarzen  Ungarn 
den  Namen  [?].  Es  ist  somit  außer  Frage,  daß  zur  Zeit  des 
bairischen  Geographen  die  Dngari  noch  jenseit  des  Dniepr  saßen. 

Nachdem  aber  862  die  Ungarn  in  einem  selbstständigen 
Kriegs-  und  Raubzug  zum  zweiten  Male  den  Dniepr  über- 
schritten hatten,  scheint  ihre  Unbotmäßigkeit  gegen  die  Chasaren, 
ihre  Raubsucht  gegen  die  benachbarten,  den  Chasaren  zins- 
pflichtigen Völker  so  groß  geworden  zu  sein,  daß  die  Chasaren 
sich  gezwungen  sahen,  ihnen  die  Petschenegen  auf  den  Hals 
zu  hetzen.  Sie  hatten  gerade  damals,  mit  Hilfe  der  Uzen,  die 
östlich  von  der  Wolga  noch  zurückgebliebenen  vier  Stämme 
der  Petschenegen  besiegt  und  sie  von  ihrer  Ostseite  auf  die 
Westseite  verpflanzt,  ja  dieselben  geradezu  im  Lande  der  Ungarn 
angesiedelt.  Es  entstand  sofort  Krieg  zwischen  den  Petschenegen 
und  Ungarn.  Letztere  wurden  besiegt  und  aus  Lebedia  ver- 
trieben.   Sie  nehmen  neue  Wohnsitze  in  Atelkusu. 

Die  La?e  dieses  Landstrichs  hat  ganz  unnöthiger  Weise 
zu  vielen  gelehrten  Streitigkeiten  llT)  geführt.  Sie  ist  ja  durch 
die  fünf  Flüsse  genau  gekennzeichnet.  Es  ist  fast  unbegreiflich, 


116)  Vielleicht  hat  auch  Constantin  Porphyrogeneta  den  Namen  nicht 
mit  X,  sondern  mit  y»  geschrieben. 

117)  Die  aschgraue  Möglichkeit  unglaublicher  Hypothesen  leistet  auch 
hier  wieder  Selig  Kassel,  indem  er  Atelkusu  an  die  Wolga  verlegt!  weU 
auch  diese  Atü  heifie  und  östlich  davon  das  Volk  der  Uzen  wohne. 


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Der  bairische  Geograph. 


wie  da  ein  Mißverstehen  möglich  geworden.  Brutos  ist  der 
Pruth,  Serethus  der  Sereth,  Trullus  der  Trolnsch,  Kubu  der 
Buseo,  Baruch  die  Prachowa.  Das  Land  Atelkusu  —  von 
türkisch  atil  Fluß  und  Kosu  Insel,  Land  zwischen  zwei  Flüßen  — 
lag  also  am  nördlichen  Ufer  der  Donau,  vom  Pruth  bis  gegen- 
über von  Distra  (Silistria).  Bis  hierher  dehnten  auch  später 
die  Donau-Petschenegen  ihre  Wohnsitze  aus. 

Constantin  Porphyrogeneta  giebt  aber  noch  eine  eigen- 
tümliche Erzählung,  deren  Motive  und  Folgerichtigkeit,  sowie 
er  sie  darstellt,  schwer  zu  verstehen  sind,  die  aber  in  ihrem 
wahrscheinlichen  Zusammenhang  von  den  allergrößten  Folgen 
für  die  Entwicklung  der  Ereignisse  jener  Zeit  geworden.  — 
Er  sagt: 118) 

Nach  einer  kurzen  Zeit  schickte  jener  Ghagan,  der  Fürst 
Chazariens,  Gesandte  zu  den  Türken  mit  der  Bitte,  daß  eine 
Cholandia  119)  zu  ihm  den  ersten  "Woywoden  bringen  möge.  Als 
nun  Lebedias  bei  dem  Chagan  Chazariens  angekommen  ist, 
fragt  er,  aus  welchem  Grunde  er  ihn  hätte  holen  lassen?  Damit 
Du,  weil  Du  verständig  und  tapfer  bist  und  der  Erste  unter 
den  Türken,  von  mir  zum  Fürsten  Deines  Volkes  erhoben 
werdest  und  damit  Du  unserem  "Worte  und  Befehle  gehorchest. 
Dieser  erwiderte  dem  Chagan:  Ich  schätze  dein  Wohlwollen  und 
deine  Wahl  außerordentlich  und  sage  dir  den  gebührenden  Dank 
dafür.  Da  ich  aber  nicht  befähigt  bin  zu  solcher  Herrschaft, 
kann  ich  nicht  gehorchen.  Aber  ein  andrer  Woywode,  der 
Salmutzes  genannt  wird  und  der  einen  Sohn  Arpades  besitzt, 
paßt  besser  dazu  als  ich.  Es  möge  lieber  von  jenen  Einer, 
entweder  Salmutzes,  oder  Arpades  sein  Sohn  Herrscher  werden, 
und  deinen  Wunsch  erfüllen.    Da  dem  Chagan  diese  Rede  ge- 


118)  Constantin  de  imperio  cap.  38,  p.  169. 

119)  Selig  Cassel  hält  es  für  unmöglich,  daß  oin  Schiff  von  der  Donau 
zu  den  Chasaren  fahren  könne.  Aber  schon  zu  Ptoleinäus  Zeiten  sitzen 
Ophlonos,  Schiffszieher  (von  wlov  Schiffsgeräth)  am  Wolok  des  Don,  um 
von  dort  die  Schiffe  in  die  Wolga  zu  schleppen. 


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Von  Victor  von  Keltech. 


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fiel,  so  schickte  der  Chagan  Leute  mit  ihm  zu  den  Türken,  um 
sich  darüber  mit  den  Türken  zu  besprechen.  Und  es  entschie- 
den sich  die  Türken,  daß  lieber  Arpades  zum  Fürsten  eingesetzt 
werden  sollte,  als  Salmutzes  sein  Vater,  weil  er  würdiger  und 
tüchtig  in  Einsicht,  Willen  und  Tapferkeit  sei  und  geschickt 
zu  solcher  Herrschaft.  Und  sie  erwählten  diesen  nach  Chaza- 
rischer  Sitte  zum  Fürsten  und  Zakanus,  indem  sie  ihn  auf  den 
Schild  erhoben.  Vor  dem  Arpad  haben  aber  die  Türken  nie- 
mals einen  Herrscher  gehabt.  Seit  dieser  Zeit  aber,  bis  auf  den 
heutigen  Tag,  wird  aus  diesem  Geschlecht  der  Herr  der  Türkei 
erwählt. 

Mit  dieser  Darstellung  steht  aber  in  offenbarem  "Wider- 
spruch, daß  Constantin  Porphyrogeneta  gleich  nachher  den 
Liuntika,  Arpads  Sohn  an  die  Spitze  der  Türken  stellt,  während 
er  selbst  dem  Arpad  weiter  unten  vier  Söhne  zutheilt,  unter 
denen  kein  Liuntika  ist.  Nach  dem  Anonymus  Notar  ist  Arpad 
bei  der  Eroberung  Ungarns  noch  jung  an  Jahren  und  scheint 
erst  minderjährige  Söhne  zu  haben.  Dieser  Vater  des  Liuntika 
muß  also  ein  andrer  Arpad  gewesen  sein,  und  wohl  derselbe, 
den  Leo  Grammaticus  zugleich  mit  Cusa  als  Feldherren  der 
Türken  nennt  12°),  als  er  die  Türken  gegen  die  Bulgaren  unter 
Simeon  aufreizt.  Ich  frage  nun,  welcher  Grund  kann  den 
Chagan  bewogen  haben,  mit  einem  räuberischen,  unbotmäßigen 
Kriegervolk  wieder  in  Verbindung  zu  treten,  das  er  doch  so 
eben  erst,  ziemlich  hinterlistig,  aus  seinen  Staaten  vertrieben 
hatte? 

Die  Gründe  dazu  liegen  ziemlich  klar:  Nachdem  es  dem 
Chasaren  Chagan  geglückt,  zuerst  die  Petschenegen  von  seiner 
Ostgrenze,  durch  diese  die  schwarzen  Ungarn,  und  zuletzt  noch 
die  Kabaren  los  zu  werden,  mochten  ihm  die  Magyaren  an  der 
Nordgrenze,  in  Susdal,  eben  so  unerträgliche  Nachbarn  sein. 
Wahrscheinlich  ließ  jetzt  der  Chagan  Letzteren  durch  den  Le- 
bedias den  Vorschlag  machen,  im  Verein  mit  den  schwarzen 


120)  Leo  Grammaticus  p.  267. 


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Der  bairische  Geograph. 


Ungarn  einen  kombinirten  Eroberungszug  nach  Pannonien  zu 
unternehmen.  Lebedias  war  in  der  Lage  über  das  Verlockende 
eines  solchen  Vorschlags  die  beste  Auskunft  zu  geben.  Im 
Jahr  892  hatte  König  Arnulf  die  Ungarn  gegen  Swatopluk  von 
Mähren  zu  Hilfe  gerufen.  Auf  diesem  Zuge  hatten  sie  Eeniituiß 
erlangt,  wie  leicht  eine  Eroberung  Pannoniens  ins  "Werk  zu 
richten  sei.  Die  Thatsache,  daß  die  Magyaren,  die  bisher  eine 
patriarchalische  Verfassung  von  Stamm -Ael testen  gehabt,  nun 
plötzlich  —  nur  auf  Vorschlag  des  Chasaren  Chagan  —  sich 
ein  erbliches  Oberhaupt  wählen,  ist  so  auffällig,  daß  doch  ganz 
besondere  Gründe  maßgebend  gewesen  sein  müssen.  Und  dieß 
kann  nur  die  projektirte  Eroberung  Pannoniens  gewesen  sein. 
Die  Weigerung  des  Lebedias,  sich  selbst  zum  Chagan  aufstellen 
zu  lassen,  ist  sehr  erklärlich,  da  er  wohl  übersehen  konnte,  daß 
die  Magyaren  sich  nur  der  Führung  eines  heimischen  Ober- 
•  feldherren  anvertrauen  würden.  Nur  zu  dem  nördlichen  Volk 
der  Magyaren  bedurfte  Lebedias  ein  Geleit.  Aus  dem  Anonymus 
geht  ferner  klar  hervor,  daß  Arpad,  der  Sohn  des  Almus  (Sal- 
mutzes)  dem  Volk  der  Etu  Moger,  also  den  Magyaren,  und  nicht 
den  schwarzen  Ungarn  angehört.  Von  diesen  an  der  nördlichen 
Wolga  sitzenden  weißen  Ungarn  oder  Magyaren  hat  aber  Por- 
phyrogeneta  keine  Kenntniß.  Auch  über  die  50  Jahre  vor  seiner 
Zeit  stattgefundene  Eroberung  Ungarns  geht  er  mit  wenigen 
Worten  fort.  Der  Eroberungszug  der  Magyaren  aus  Susdal  war 
über  Kiew  und  Galizien  gegangen,  hatte  mithin  die  Grenzen 
dos  griechischen  Reichs  nicht  berührt  und  so  scheint  dieser  Zug 
damals  bereits  vollständig  in  Vergessenheit  gerathen  zu  sein. 
Da  ferner  Constantin  sogar  den  Arpad  von  den  Petschenegen 
geschlagen  und  verfolgt  sein  121)  läßt,  so  verwechselt  er  offenbar 
die  Niederlage  der  schwarzen  Ungarn  und  deren  Flucht  nach 
Pannonien  mit  dem  Eroberungszug  der  Magyaren  dahin.  Beide 
Ereignisse  liegen  ja  auch  höchstens  drei  Jahre  auseinander  und 
stehen  gewiß  in  Zusammenhang!    Zwischen  den  schwarzen  Un 


121)  Constantin  Porphyrogeneta  de  iinper.  C.  38  p.  170. 


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Von  Victor  von  Keltach. 


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garn  und  den  Etu  moger  gingen  sicherlich  Boten  hin  and 
her.  m)  Den  am  Schluß  des  40.  Capitels  mitgetheilten  Stamm- 
baum von  Arpads  Söhnen  und  Enkeln  hat  Constantin  natürlich 
erst  aus  einer  zeitgenössischen  Quelle  geschöpft. 

Die  schwarzen  Ungarn  saßen  nur  wenige  Jahre  in  Atel- 
kusu.  Im  Jahre  892  hatten  sie,  wie  schon  erwähnt,  einen 
Raubzug  nach  Pannonien  und  Mähren  unternommen.  893  waren 
sie  auf  Anstiften  des  griechischen  Kaisers  in  griechischen 
Schiffen  über  die  Donau  gesetzt,  hatten  den  Bulgarenfürsten 
Simeon  geschlagen  und  sein  Land  verwüstet.  894  unternahmen 
sie,  auf  die  Kunde  von  Swatopluks  Tode,  einen  neuen  Raubzug 
nach  Pannonien.  Dieß  hatte  Simeon  benutzt,  sich  mit  den 
Petschenegen  verbündet,  und  die  zurückgebliebenen  Wachen 
der  Ungarn  überfallen,  Weiber  und  Kinder  erschlagen  und  das 
ganze  Land  verwüstet.  Als  die  Ungarn  von  ihrem  Zuge  heim- 
kehren, griffen  Bulgaren  und  Petschenegen  auch  die  Zurück- 
kehrenden an,  und  schlugen  sie  so  vollständig  aufs  Haupt,  daß 
nach  den  Annalen  von  Fulda  fast  ihr  ganzes  Heer  vernichtet 
wurde.  Der  Ueberrest  warf  sich  in  die  Siebenbürgischen  Kar- 
pathen und  zog  nach  Pannonien,  wo  sie  um  Bihar  sich  nieder- 
lassen. 

Der  Anonymus  notarius  erzählt:  Als  Arpad  ganz  Ungarn 
eroberte,  war  der  Chasar  128)  Marot  m)  von  Bihar  der  Einzige, 
der  ihm  mit  Erfolg  Widerstand  leistete. 

Wer  dieser  Chasar  ist,  woher  er  gekommen,  hat  bisher 
Niemand  gefragt. 126) 

Er  ist  ohne  Zweifel  der  Woiwode  der  chasarischen  Ka- 
baren.   Aus  dem  Blutbade,  das  Bulgaren  und  Petschenegen 

122)  Einen  solchen  Verkehr  zwischen  den  Türken  an  der  Donau  und 
ihren  nach  Persien  geflohenen  Stamm -Genossen  bezeugt  ausdrücklich  Con- 
stantin C.  38  p.  171. 

123)  Engel,  Geschichte  von  Ungarn  S.  68. 

124)  Dieser  Marot  scheint  identisch  mit  dem  Marcholt  von  Sieben- 
bürgen in  der  Altdeutschen  Helden-Sage  bei  W.  Grimm. 

125)  Feßler,  Geschichte  von  Ungarn  I  S.  55  will  die  Kabaren  in  den 
Paloizen  des  nördlichen  Ungarns  auffinden.   Mit  welchem  Recht? 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XX UL  Hft.  7  u.  a  36 


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564 


Der  bairiache  Geograph. 


unter  den  schwarzen  Ungarn  angerichtet  hatten,  muß  grade  der 
Chasarische  Klan  entkommen  sein;  sei  es,  daß  diese  als  chasarische 
Elite-Truppen  bessere  "Waffen  oder  bessere  Mannszucht  gehabt. 
"Wenn  auch  anzunehmen  ist,  daß  die  Trümmer  der  sieben  übrigen 
Stamme  sich  ihnen  angeschlossen,  so  waren  nach  der  doppelten 
Niederlage  jedenfalls  die  schwarzen  Ungarn  damals  zu  schwach, 
als  daß  man  ihnen  die  Eroberung  von  ganz  Ungarn  zuschreiben 
könnte.  Die  Macht  Marots  und  seiner  Ohasaren  mochte  eben 
hinreichend  sein,  nur  das  Gebiet  von  Biliar  zu  besetzen  und 
festzuhalten.  Daß  diese  Chasaren  um  Bihar  wirklich  die  Ka- 
baren sind,  folgt  aus  Constantin,  der  bestimmt  sagt :  „Sie  stehen 
noch  heut  in  allen  Kriegen  der  Türken  an  ihrer  Spitze.  Es 
steht  also  fest,  daß  die  schwarzen  Ungarn  schon  vor  den  Ma- 
gyaren in  Bihar  festen  Fuß  gefaßt  haben. 

Nach  seinem  Tode  scheint  Bihar  an  das  Haus  Moglut, 
Nachkommen  des  Hetu  Moger  Tuhutum,  der  das  westliche 
Siebenbürgen  erobert  hätte,  gefallen  zu  sein.  Aus  der  späteren 
Geschichte  erhellt,  daß  das  schwarze  Ungarn  nicht  blos  Bihar, 
sondern  auch  die  Umgegend  von  Fejervar  (Karlsburg)  umfaßte. 
Das  war  ein  fast  selbstständiges  Fürstenthum.  Erst  1003  wurde 
dieß  schwarze  Ungarn  von  König  Stefan  erobert  und  mit  dem 
übrigen  Ungarn  vereinigt. 126) 

Die  Glaubwürdigkeit  des  Anonymus  ist  vielfach  ange- 
zweifelt worden,  weil  er  sich  viel  Uebertreibungen,  viel  ruhm- 
redige Ausschmückungen  zu  Schulden  kommen  läßt.  Der  Sieg 
über  die  so  viel  später  erst  auftretenden  Kumanen,  Eroberung 
des  damals  noch  nicht  erbauten  Wladimir,  die  Namen  Bults 
und  Lehel,  ungarische  Feldherren  aus  der  Schlacht  am  Lech, 
die  er  als  Unterfeldherren  Arpads  nennt,  ist  offenbare  Geschichts- 
Fälschung.  Trotzdem  sind  seine  übrigen  Nachrichten:  Herkunft 
aus  dem  Orient,  Aufenthalt  in  Susdal,  Vorbeimarsch  an  Kiew, 
Einbruch  durch  die  nördlichen  Karpathen,  die  rasche  Eroberung 
von  ganz  Ungarn,  sicher  aus  alten  zuverlässigen  Quellen  ge- 


126)  Gebhardi  Geschichte  von  Ungarn  I,  S.  431. 


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Von  Victor  von  Keltsrh. 


555 


schöpft  Wenn  er  nichts  von  Lebedia,  Atelkusu,  nichts  von 
der  Niederlage  und  Flucht  vor  Bulgaren  und  Petschenegen  be- 
richtet, so  ist  das  kein  wissentliches  Verschweigen  von  That- 
sachen.  Der  Anonymus  kannte  einfach  den  Constantin  Porphy- 
rogeneta  nicht.  Er  schrieb  auch  nicht  die  Geschichte  der 
schwarzen  Ungarn,  sondern  seines  eignen  Volkes,  der  Magyaren, 
also  der  weißen  Ungarn.  Ohne  die  Kabaren  zu  nennen,  ohne 
die  Schicksale  der  ihnen  verbündeten  Ungarn  an  der  Donau  zu 
kennen,  weiß  der  Anonymus  dennoch,  daß  nach  Vertheilung  des 
eroberten  Landes  an  die  sieben  Stammfursten,  noch  eine  un- 
bezwungene  Landschaft  zwischen  Köröa  und  Bega  vorhanden 
ist,  über  die  ein  unabhängiger  Fürst  von  Chasarischem  Blut 
herrscht.  Ja  dieser  Marot  droht  den  Magyaren  sogar  mit  dem 
griechischen  Kaiser,  als  seinem  Bundesgenossen.  Kaiser  Leo 
hatte  ja  kurz  vorher  die  schwarzen  Ungarn  zum  Kriege  gegen 
Simeon  angestiftet.  m)  Das  ist  doch  zweifellos  Ergänzung  der 
von  Constantin  überlieferten  Ereignisse. 

Auch  die  zwei  verschiedenen  Eingangsthore,  nämlich  der 
Magyaren  durch  die  nördlichen  Karpathen,  der  schwarzen  Un- 
garn aber  durch  Siebenbürgen,  wie  Constantin  sagt,  bezeugen, 
daß  damals  zwei  verschiedene  Völker  fast  zur  selben  Zeit  oder 
höchstens  drei  bis  vier  Jahr  auseinander,  in  Ungarn  eingewan- 
dert sind. 

Wir  kommen  nun  zum  sechsten  Abschnitt.  Der  Geograph 
geht  über  „Wislane",  das  Weichselland  an  die  Oder  zurück. 
Während  er  bei  den  zuletzt  von  ihm  genannten  Völkern  nur 
die  Namen  derselben  zu  sagen  weiß,  sind  ihm  die  Gaue  in  der 
Nachbarschaft  seiner  Diöcese  wieder  vollständig  bekannt.  Er 
bestimmt  die  Größe  derselben,  indem  er  bei  jedem  die  Anzahl 
der  Grode  anzugeben  vermag.  Nur  über  die  Reihen-Folge 
scheint  er  nicht  ganz  im  Reinen  zu  sein. 

„Sleenzane  15  Grode".  Der  Gau  Zlesane,  bei  Thietmar 
Silensi,  nach  dem  Berg  Zlenz 128),  dem  heutigen  Zobtenberg, 

127)  Leo  Grammaticus  p.  267. 

128)  Stengel,  schles.  Pr.-Bl.  1832. 

36* 


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556 


Der  bairische  Geograph. 


benannt,  reichte  von  der  Oder  westlich  bis  an  den  Propsthainer 
Spitzberg,  und  vom  Riesengebirge  und  der  Neisse  nördlich  bis 
an  die  Katzbach  und  bis  zum  Rennweg  m)  bei  Goldberg. 

„Lunsici  30  Grode."  Die  Wenden  in  der  Nied  er -Lausitz. 
Sie  scheinen  schon  sehr  früh  hier  eingewandert  zu  sein,  da  ich 
die  Armalausi  der  Peutinger'  sehen  Tafel  —  nördlich  von  den 
Markomannen  —  hier  ansetzen  möchte.  Die  Grenzen  der  Lun- 
sici waren  östlich  der  Bober,  südwestlich  die  schwarze  Elster, 
nördlich  die  Sorben-Gaue  diesseit  der  Elbe.  Auch  schied  die 
Diöcesan-Grenze  zwischen  den  Bisthtimern  Meißen  und  Branden- 
burg Sorben  und  Wenden. 

„Dadosesani  20  Grode".  Der  Gau  Diadesi  oder  Diedesi 
Thietmars.  Ptolemäus  hat  in  derselben  Gegend  ligysche  Diduni 
bis  zum  Asciburgischen  Gebirge.  Auch  der  Gau  Diadesi  scheint 
ursprünglich,  ehe  die  Untergaue  Trebowane  und  Boborane  davon 
abgetrennt  worden,  bis  ans  Isergebirge  gereicht  zu  haben.  Seine 
Grenzen  waren  nördlich  die  Oder,  südöstlich  die  Katzbach  und 
der  Rennweg  über  den  Spitzberg  bis  zum  Kemnitz-Kamm  west- 
lich Queis  und  Bober. 

In  den  Kriegen  zwischen  Deutschen  und  Polen  wurde 
Diadesi  fast  vollständig  entvölkert,  so  daß  nicht  mehr  fest- 
zustellen ist,  ob  seine  früheren  Bewohner  wendisch  oder  lechitisch 
waren. 

„Milzane  30  Grode."  Das  sind  die  Milzianer  der  Ober- 
lausitz, ein  serbisches  Volk.  Schon  oben  ist  erwähnt,  daß  hier 
zum  fünften  Mal  ein  Name  erscheint,  der  an  die  Urheimath  der 
Mygillonen  am  Dniepr  erinnert. 

„Besunzani  mit  2  Groden."  Ledebur  setzt  dieses  Volk  in 
den  Besunt-Wald  an  der  Tolense.  Das  war  aber  kein  Gau,  son- 
dern nur  ein  Grenzwald,  der  die  Lande  Havelberg  und  Möritz, 
ebenso  Möritz  und  Veprowe  schied.  iao)  Es  ist  eher  anzunehmen, 
daß  dorthin  bei  Kriegszeiten,  ein  flüchtiger  Volkstheil  der  Be- 


129)  Rainweg,  Grenzweg. 

130)  Riedel,  Mark  Brandenburg  S.  281. 


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Von  Victor  von  Keltach.  557 

Bunzani  -verschlagen  sei.  Ich  suche  den  kleinen  Gau  Besnnzani 
an  der  Ausbeugung  der  Oder  bei  Wrietzen,  wo  etwas  später  der 
nach  letzterem  Ort  benannte  Gau  Rinziani m)  liegt.  Da  Besunzani 
trotz  seiner  Kleinheit  vom  Geographen  besonders  genannt  wird, 
so  kann  es  kein  Untergau  eines  größern  Gaues  sein.  Vielleicht 
waren  es  slavisirte  Biessi,  die  hier  hinter  der  Oder  Schutz  gesucht 
haben,  bei  Ptolemäus  aber  noch  an  den  Karpathen  (Beskiden) 
genannt  werden. 

Im  Wald  Blumenthal  bei  Biesow  sind  Mauerreste  einer 
alten  Stadt  vorhanden.  Ein  Biesdorf  liegt  dicht  bei  Wrietzen. 
Das  dürften  die  zwei  Bezirksburgen  gewesen  sein.  Beide  erinnern 
an  den  alten  Volksnamen. 

„Verizane  10  Grode."  Der  nördlichste  Gau,  den  der  Geograph 
hier  erwähnt.  Es  ist  schon  von  Ledebur  nachgewiesen,  daß  dies 
verschrieben  für  Ucrizane,  die  Ukraner  im  Uckerlande.  Da  nach 
Ptolemäus  genau  in  dieser  Gegend  ein  Volk  Awarpi 182)  zu  stellen 
kommt,  so  halte  ich  die  Ukraner,  schon  ihrem  Namen  nach, 
für  ein  awarisches  oder  türkisches,  also  uigurisches  Volk.  Es 
ist  zu  beachten,  daß  auch  die  Longobarden  bei  ihrer  Wanderung 
aus  Maurungania  an  der  Elbe  nach  Golandia  auf  ein  Hunds- 
köpfiges  Volk  treffen,  das  Menschenblut  trinkt,  daß  die  Ukraner 
sich  jedes  Mal  erheben  und  die  Grenzen  des  deutschen  Reichs 
verwüsten,  wenn  die  Ungarn  einen  Einbruch  nach  Deutschland 
unternehmen.  Das  deutet  auf  alte  Verbrüderung  mit  Ungarn, 
die  vielleicht  noch  aus  der  Zeit  herstammt,  als  dort  die  Awaren 
herrschten. 

„Fraganeo  40  Grode."  Auch  dies  halte  ich  verschrieben, 
für  Fraengawo  oder  Frawengo,  der  Frauengau,  das  Mägdeland 
König  Alfreds.  Dieser  bestimmt  seine  Lage  zwischen  Horiti, 
i.  e.  das  Horninland  (Oberschlesien)  und  Sermande,  i.  e.  das 
europäische  Sarmatien,  bis  zu  den  Riphäen  (Ural).  —  Danach 
würde  der  Frauengau  in  nachfolgenden  Grenzen  zu  stehen  kommen. 


131)  v.  Leutech,  Markgr.  Gero. 

132)  Alt-  und  Neu-Warp  erinnert  an  den  alten  Namen  der  Awarpi. 


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558 


Der  bairische  Geograph. 


Südlich  die  Murow,  westlich  die  Oder  bis  zum  Einfluß  der  Bartsch, 
nördlich  der  beim  Hunds-Paß  in  die  Oder  mündende  polnisch- 
schlesische  Landgraben,  und  von  Lissa  ab,  der  alte  limes138)  bis 
Bieganowo  bei  Peisern,  dann  östlich  die  Prosna  aufwärts  bis  zu 
deren  Quellen  und  wieder  zum  Ursprung  der  Murow.  Die 
40  civitates,  die  der  bairische  Geograph  dem  Frauengau  zutheilt, 
lassen  sich  in  40  alten  Städtenamen  (Grode)  in  dem  von  diesen 
Grenzen  umschriebenen  Gebiet  genau  und  richtig  nachweisen. li4) 
Auch  Paulus  Diakonus  sagt  ganz  bestimmt,  daß  man  das 
"Weiberland  an  den  äußersten  Grenzen  Germaniens  —  also  jeden- 
falls noch  diesseit  der  "Weichsel  —  zu  suchen  habe.  Er  läßt 
seine  Longobarden  hier  sogar  einen  längeren  Aufenthalt  nehmen. 
Da  dies  geschieht  nach  dem  Aufbruch  aus  "Wurgundaib  dem 
nördlichen  "Wurgimdenland  an  der  "Wkra,  und  vor  dem  Einmarsch 
ins  Rugiland  an  der  Donau,  so  stimmt  er  mit  König  Alfred 
überein,  der  das  Mägdeland  ja  ebenfalls  an  die  Grenze  Ger- 
maniens setzt. 

,,Lupiglaa  30  Grode.''  Ich  halte  ihn  für  das  Land  Lubus, 
das  spätre  Bisthum  Lebus.  Schaffarik  hat  bereits  nachgewiesen, 
daß  es  statt  Lupiglaa  Lupiglava  heißen  müsse,  also  Haupt  des 
Lübbe.  Da  Thietmar  diesen  Namen  niemals  nennt,  sondern  nur 
vom  Lande  an  der  "Warte  spricht,  so  hielt  er  es  für  sündhaft, 
den  götzendienerischen  Namen  Lupiglava  auszusprechen  oder 
gar  niederzuschreiben;  der  bairische  Geograph  giebt  diesem  Gau 
30  civitates.  Dies  bedingt  eine  viel  größre  Ausdehnung  desselben, 
als  das  nachmalige  Land  Lebus  nach  seinen  Grenzen  von  1336 
hat.  Es  reichte  mithin  auf  dem  rechten  Oder-Ufer  gewiß  bis 
nahe  an  Glogau  hinauf. 

Seine  Grenzen  habe  ich  bereits  anderweit185)  genauer  be- 


133)  Schon  bei  Ptolemäus,  Lage  von  Groß-Germanien  scheint  der 
Ihnes  erwähnt.  Unter  den  Städten  des  dritten  Klima  steht  Limiosalemn, 
das  trifft  genau  auf  Saula  am  limes. 

134)  Vergleiche  meinen  Aulsatz:  Wo  lag  das  Mägdoland?  im  59ten 
Bande  des  Neuen  Lausitzischen  Magazin  —  1883. 

133)  ct.  Mägdeland  8.  16. 


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Von  Victor  von  Keltsch. 


559 


schrieben.  Sie  reichten  westlich  bis  an  die  Spree,  nördlich  über 
die  Warte,  östlich  bis  an  die  Obra- Brüche,  wodurch  es  von  Polen 
geschieden  wird. 

Da  sowohl  Lupiglava  als  auch  Fraengo  an  Polen  grenzen, 
so  ist  es  wunderbar,  daß  der  Geo;>Taph  Pulanaland  mit  keinem 
"Wort  erwähnt.  Auch  König  Alfred  kennt  diesen  Namen  noch 
nicht.  Und  doch  waren  zu  der  Zeit,  als  Beide  ihre  geographischen 
Nachrichten  niederschrieben,  im  Sarmatenlande  wichtige  Begeben- 
heiten eingetreten,  die  Beiden  unbekannt  geblieben  sind.  Unter 
den  blonden  blauäugigen  Lechen  hatte  ein  altaisch-uigurisches 
Volk  mit  schwarzen  Haaren  und  schwarzen  Augen  (die  Bulanen 
des  Ptolemäus)  Wohnsitze  genommen.  Anfangs  wohl  nur  als 
Aldionen  186)  geduldet,  war  dies  Volk  bald  so  mächtig  geworden, 
daß  Piast  beim  Xamensfest  seines  Sohnes  Ziemowit  den  Landes- 
fürsten Popiel  selbst  zu  Gaste  bittet.  m)  Dies  spricht  schon  für 
Gleichberechtigung  beider  Stämme.  Bald  darauf  stürzt  derselbe 
Ziemowit  den  Popiel  vom  Throne,  rottet  seiu  ganzes  Geschlecht 
aus  und  sein  eignes  Volk,  die  Pulanen,  wird  herrschender  Adel, 
die  Lechen  hörige  Leute. 

Die  zwei  letzten  noch  übrigen  Gaue  grenzen  an  das  alt- 
mährische Bisthum. 

„Opolini,  20  Grode."  Das  ist  Oberschlesien,  hier  nach  der 
Hauptburg  Opol  (Oppeln)  vom  Geographon  benannt.  Durch  das 
ganze  Mittelalter  galt  Ober-Schlesien  als  ein  von  Schlesien  ab- 
gesondertes Land,  welches  das  Oberland,  Hornie-Land,  genannt 
wird.  Die  Bewohner  desselben  heißen  bei  K.  Alfred  Horiti. 
Bei  Cosmas  wird  das  Land  Chrowatia  altera,  zum  Unterschied 
von  Bielo  Chrowatia  bei  Krakau  genannt. 


136)  Aldionen  nach  Longobarden-Recht  auf  fremden  Grund  und  Boden 
Angesessene. 

137)  Die  beiden  Fremdlinge,  die  bei  diesem  Fest  erscheinen,  sollen 
Sendboten  des  Methodius  gewesen  sein.  Ihre  Absendung  müßte  aber  nach 
870  stattgefunden  haben. 


560 


Der  bairische  Geograph. 


Die  20  Grode  stimmen  genau  mit  den  20  Kastellaneien, 
die  Stenzel  hier  nachgewiesen  hat.1*8) 

Nördlich  wurde  das  Hornieland  durch  die  Murow  vom 
Frauengau,  und  durch  die  Neiße  vom  Gau  Zlesane  geschieden. 

„Golensizi  5  Grode",  i.  e.  Gallici,  Gallische,  Wälsche, 
"Wallachen,  die  Nachkommen  der  keltischen  Gotini  des  Tacitus 
am  Hercynischen  Walde.189)  Die  Umgegend  von  Troppau  hieß 
urkundlich  Golazisch,  oder  Golesisco.  Noch  heut  sitzen  um 
Walachisch-Meseritz,  Keltsch,  und  im  Beczwa-Thal  Walachen, 
die  sich  durch  weiß-blo-rdes  Haar,  Gesichtsfarbe  und  Kleidung 
von  den  dunkeln  Slowaken  Mährens  unterscheiden.  Auch  von 
den  Donau- Walaehen  sind  sie  durchaus  verschieden. 


138)  Stenzel  und  Tschoppe  S.  75. 

139)  Die  Gotini  sind  keine  Gothen,  sondern  Kelten,  ursprünglich  aus 
den  Cottischen  Alpen  hierher  gewandert. 


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Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natingen 

von 

C.  Beckherm. 

In  meiner  Abhandlung  „Das  propugnaculum  in  introitu 
terre  Nattangie",  Heft  3/4  des  Bandes  XXIII.  dieser  Zeitschrift, 
führte  die  Untersuchung  über  die  Lage  dieser  Befestigung  dazu, 
einen  kleinen  Theil  der  westlichen  Grenze  Natangens  fest- 
zustellen. Hierdurch  dazu  angeregt,  möchte  ich  es  versuchen, 
auch  dem  übrigen  Theile  dieser  Grenzstrecke  nachzuforschen, 
über  welche  die  Meinungen  bisher  noch  auseinandergehen.  Das 
Ergebniß  dieser  Nachforschung  wird  auch  zugleich  eine  weitere 
Bestätigung  meiner  in  der  gedachten  Abhandlung  ausgesprochenen 
Ansichten  sein. 

Die  oben  als  auseinandergehend  bezeichneten  Meinungen 
sind  bekanntlich  die  der  Herren  Dr.  Toppen  und  Dr.  Bender. 
Der  erstere  zieht  die  fragliche  Grenze  von  Hafestrom  ab  über 
Kaigen  nach  Labehnen,  läßt  sie  dann  einen  kleinen  einwärts 
gekehrten  Bogen  nach  der  Gegend  von  Pilzen  beschreiben,  von 
hier  aus  in  ziemlich  gerader  Linie  etwa  über  "Worienen  die  Elm 
erreichen  und  mit  diesem  Flüßchen  hinunter  zur  Alle  ziehen.  *) 
Die  von  Bender  gezogene  Grenze  fällt  bis  zum  Frisching  mit 
der  von  Töppen  zusammen,  liegt  von  hier  ab  aber  die  ganze 

1)  Vergl.  Atlas  zu  Töppens  hist.  comp.  Geogr.  —  Zur  leichteren  Orien- 
tirung  empfiehlt  sich  auch  die  Generalstabskarte,  und  zwar  die  Sectionen 
Cumehnen,  Pillau,  Königsberg,  Heiligenbeil,  Pr.  Eilau,  Wonnditt  und 
Heilsberg. 


5(32 


Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 


Strecke  entlang  auf  der  Grenze  der  jetzigen  Kreise  Heiligenbeil 
und  Pr.  Eilau.  2)  Die  Abweichung  ist  also,  wie  man  sieht,  eine 
nicht  unbeträchtliche.  Die  Wahrheit  dürfte,  was  den  größesten 
Theil  des  streitigen  Feldes  anbetrifft,  nach  der  alten  so  oft  zu- 
treffenden sprichwörtlichen  Redensart  auch  hier  in  der  Mitte 
liegen.  Um  dieses  zu  zeigen,  ist  zunächst  ein  kurzer  Rückblick 
auf  die  territoriale  Entwickelung  der  hier  in  Betrachtung  kom- 
menden Verwaltungsbezirke  des  Deutschen  Ordens  zu  werfen.  3) 
Im  Jahre  1251  erfolgte  die  Regelung  der  Verwaltung  in 
den  eroberten  Theilen  Preußens  und  damit  auch  die  Begründung 
von  Komtureien.  Zu  dieser  Zeit  entstanden  zunächst,  abgesehen 
vom  Culmerlande,  die  drei  Komtureien  Christburg  in  Pomesanien, 
Elbing  in  Pogesanien  und  Balga  (das  Haus  erbaut  1239)  in 
Warmien,  welchen  nach  wenigen  Jahren  die  von  Samland  mit 
dem  Hauptorte  Königsberg  (erbaut  1255),  Natangen  mit  Krouz- 
burg  (erbaut  ca.  1253)  und  Barten,  deren  Hauptort  wahrscheinlich 
Gerdauen  war,  folgten.  Es  liegt  auf  der  Haud,  daß  die  Gebiete, 
welche  diese  ursprünglichen  Komtureien  umfaßten,  sich  mit 
denen  der  altpreußischen  Landschaften,  in  denen  sie  errichtet 
wurden  und  deren  Namen  sie  zum  Theil  trugen,  deckten.  Eine 
Verschiebung  der  ursprünglichen  Grenzen  fand  zuerst  nach  der 
Erbauung  des  Hauses  Brandenburg  (12G6)  statt  durch  Zutheilung 
des  warmischen  Gebietes  Wuntenowe  (Huntenau)  und  des  nördlich 
daranstoßenden  bis  zum  Pregel  reichenden  Stückes  von  Warmien 

* 

an  die  Komturei  Natangen,  nunmehr  Brandenburg  genannt, 
während  Balga  den  südlichen  Theil  Natangens,  die  später  als 
solche  bezeichneten  Kammorämter  Pr.  Eilau  und  Worienen  er- 
hielt. Eine  weitere  Abtretung  natangischen  Gebietes  in  der 
nordöstlichen  Ecke  berührt  uns  hier  nicht.  Es  mußte  dem 
Orden  gleich  nach  der  Eroberung  der  Landschaften  daran  liegen, 
die  Hilfsquellen  derselben  nutzbar  zu  machen ;  daher  beauftragte 
er  eingeborene  Preußen,  denen  er  Vertrauen  schenken  durfte 


2)  Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  Ermlands  II,  383  ff. 

3)  Nach  Töppen'a  hißt.  comp.  Geogr. 


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Von  C.  Beckberrn. 


563 


und  welche  auch  bei  ihren  Landsleuten  in  Ansehen  standen, 
deren  persönliche  Verhältnisse  und  Leistungsfähigkeit  und  die 
localen  Verhältnisse  möglichst  genau  kannten,  mit  der  Ein« 
treibung  des  Zinses  und  Ueberwachung  der  sonstigen  Leistungen. 
Jedem  derselben  wurde  zu  diesem  Zwecke  in  der  betreffenden 
Komturei  ein  bestimmter  Bezirk  zugetheilt.  Es  ist  einleuchtend, 
daß  diese  Bezirke  überall  die  Grenzen  der  alten  Landschaften 
eingehalten  und  dieselben  nirgends  überschritten  haben  werden, 
weil  anders  der  beabsichtigte  Zweck  nicht  in  vollem  Maße  er- 
reicht worden  wäre,  indem  die  Kenntnisse  der  eingeborenen 
Aufseher  und  Zinseintreiber  sich  nur  innerhalb  ihrer  engeren 
Heimat  ganz  ausnützen  ließen.  So  entstanden  die  Kammer- 
ämter, welche  unter  dieser  Benennung  allerdings  erst  später  be- 
kannt geworden  sind,  nämlich  in  Brandenburg  Huntenau, 
Kreuzburg,  Knauten  und  Domnau,  in  Balga  Natangen,  Zinten, 
Pellen,  Woria  (Worienen),  Pr.  Eilau  und  Bartenstein.  Gleich- 
zeitig mit  ihnen,  meistens  aber  noch  später,  wurden  haupt- 
sächlich aus  militärischen  Rücksichten  außer  dem  Haupthause 
der  Komturei  noch  einige  andere  feste  Häuser  errichtet,  deren 
dem  betreffenden  Komtur  untergeordnete  Kommandanten,  die 
Pfleger,  zugleich  auch  mit  der  Verwaltung  der  ihrem  Sitze  be- 
nachbarten Gebiete  und  mit  der  Aufsicht  über  die  darin  liegen- 
den Kammerämter  betraut  wurden.  In  der  Komturei  Branden- 
burg residirte  ein  Pfleger  auf  dem  schon  früher  vorhandenen 
Hause  Kreuzburg,  auch  dürfte  die  vor  der  Gebietsveränderung 
der  Komtureien  schon  bestehende,  auf  der  Stelle  einer  Preußen- 
burg entstandene  Lemptenburg  (Lenzenburg)  der  Sitz  eines 
solchen  Beamten  gewesen  sein.  Von  den  Pflegerämtern  der 
Komturei  Balga  sind  hier  Bartenstein  (erbaut  ca.  1240)  und 
Pr.  Eilau  (ca.  1335)  namhaft  zu  machen.  Eine  Erweiterung 
erfuhren  dann  die  Komtureien  Brandenburg  und  Balga  im 
Jahre  1326,  die  erstere  durch  Zutheilung  des  mittleren,  die 
andere  durch  Zutheilung  des  südlichen  Theiles  der  Komturei 
Barten.  Die  ferneren  Vergrößerungen  können  hier  tibergangen 
werden.    Die  neue  Eintheilung  des  Landes  nach  der  Säculari- 


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584  Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Nat&ngen. 

sation  erfolgte  in  der  "Weise,  daß  die  Komtureien  aufgehoben 
und  deren  Gebiete  in  kleinere  Verwaltungsbezirke,  die  Haupt- 
ämter, zerlegt  wurden,  wobei  man  darauf  bedacht  war,  diese  so 
abzugrenzen,  daß  sie  möglichst  mit  den  früheren  Unterämtern, 
den  Pflegerämtern  u.  s.  w.  der  ehemaligen  Komtureien  zusam- 
menfielen und  besonders  auch  die  bisherigen  Abgrenzungen  der 
Kammerämter  erhalten  blieben,  um  den  gewohnten  geregelten 
Gang  der  Verwaltung  so  wenig  als  möglich  zu  stören.  In 
späterer  Zeit,  namentlich  im  17.  Jahrhundert  sind  jedoch  auch 
Verschiebungen  der  ursprunglichen  Grenzen  der  Aemter  nach- 
weisbar. Für  unsere  Gegend  brachte  diese  neue  Einrichtung 
nur  geringe  Veränderungen,  denn  das  neue  Hauptamt  Branden- 
burg umfaßte  den  ganzen  nordwestlichen  Theil  der  ehemaligen 
Komturei  zwischen  Haff  und  Alle  in  ihren  alten  Grenzen  und 
der  nordwestliche  Theil  der  Komturei  Balga  wurde  auf  der 
Grenze  der  Kammerämter  Zinteu  einerseits  4)  und  Pr.  E'lau  und 
Worienen  andererseits  in  die  Hauptämter  Balga  und  Pr.  Eilau 
getheilt. 

Diese  gedrängte  Uebersicht  über  die  territoriale  Entwicke- 
lung  der  in  Bede  stehenden  Verwaltungsbezirke  zeigt,  daß  es 
möglich  ist,  die  Grenzen  der  alten  Landschaften  aufzufinden, 
wenn  man  den  Grenzen  der  Hauptämter  resp.  der  Kammerämter 
nachgeht.  Einen  viel  unzuverlässigeren  "Wegweiser  geben  die 
Kirchspiele  ab.  Es  läßt  sich  zwar  annehmen,  daß  bei  der  ersten 
Einrichtung  der  ältesten  derselben  ebenso  wie  bei  der  der  Kammer- 
ämter die  Grenzen  der  alten  Landschaften  berücksichtigt  worden 
sind,  es  haben  aber  von  je  her  durch  Einschiebung  neuer  Kirch- 
spiele und  ganz  besonders  durch  die  neue  Eintheilung  nach  Ein- 
fuhrung der  Reformation  so  bedeutende  Veränderungen  in  ihren 
Abgrenzungen  stattgefunden,  daß  ihre  jetzigen  für  unsere  Unter- 
suchung im  Allgemeinen  ziemlich  werthlos  sein  werden,  wenn 
nicht  etwa  ihre  Beweiskraft  durch  besondere  Umstände  verstärkt 
wird.    Dasselbe  ist  auch  der  Fall  mit  den  jetzigen  Kreisgrenzen, 


4)  Pollen  war  inzwischen  mit  Zinten  vereinigt  worden. 


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Von  C.  Berkheim. 


565 


welche  wegen  der  so  sehr  veränderten  topographischen  und 
Bevölkerungsverhältnisse  nach  ganz  andern  Grundsätzen  gezogen 
sind  als  die  Grenzen  der  alten  Verwaltungsbezirke,  von  diesen 
also  oft  sehr  erheblich  abweichen. 

Das  vorzüglichste  Hilfsmittel  zur  Untersuchung  der  alten 
Grenzen,  die  Urkunden,  ist,  wenn  auch  nicht  in  dem  gewünschten, 
so  doch  in  ziemlich  ausreichendem  Maße  im  Cod.  dipl.  Warm., 
im  Cod.  dipl.  Pruss.  und  namentlich  in  dem  von  A.  Rogge  ver- 
öffentlichten Urkundenverzeichnisse  des  schwarzen  Hausbuches 
des  Amtes  Balga  vorhanden, 6)  ferner  in  desselben  Verfassers 
Schriftchen  „Die  Kirchen  des  Amtes  Balga".  Auch  das  in  dieser 
Zeitschrift  enthaltene  Verzeichniß  der  älteren  Urkunden  der 
"Wallenrodtschen  Bibliothek  °)  und  die  preußischen  Regesten 
von  Dr.  Perlbach  liefern  einige  einschlägige  Urkunden. 

Indem  ich  bei  dieser  Untersuchung  mit  dem  nördlichsten 
Punkte  der  Westgrenze  Natangens  beginne,  bin  ich  genöthigt, 
einen  dunkeln  Punkt  abermals  zu  berühren,  welchen  aufzuklären 
allerdings  schon  wiederholt,  und  zwar  von  kompetenter  Seite 
versucht  worden  ist.  8)  Es  handelt  sich  dabei  aber  um  einen  so 
interessanten  Theil  der  Chorographie  und  Geschichte  unserer 
Provinz,  daß  der  Forschungstrieb  immer  wieder  von  neuem  an- 
geregt wird;  daher  möge  auch  der  hier  unternommene  Versuch 
entschuldigt  werden,  welcher  nicht  eine  endgültige  Lösung  der 
Frage  bezwecken  soll  —  diese  ist  nur  zu  erwarten,  wenn  die 
etwaige  Auffindung  weiterer  Dokumente  der  Forschung  neue 
Anhaltspunkte  darbieten  würde  —  sondern  nur  zu  zeigen  beab- 
sichtigt, daß  es  möglich  ist,  zwischen  den  widerstreitenden 
Ansichten  einen  Mittelweg  zu  finden.  Wenn  ich  bei  dieser 
Untersuchung  auf  Grund  der  Urkunden  und  der  Terrainverhält- 


5)  Altpr.  Monateschr.  VI,  467  u.  VII,  97. 

6)  L.  c.  XI,  263. 

7)  L.  c.  XI,  1  u.  XII.  1. 

8)  Vergl.  Voigt,  Gesch.  PrenHens  I,  Beil.  Vm.  Töppen,N.Pr.Prov.  Bl.X., 
161  f.  f.,  XI,  280.  Derselbe  Hiat.  comp.  Geogr.  S.  130  f.  f.  Gebauer,  N.  Pr. 
Prov.  Bl.  VIII,  356,  X,  191. 


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566 


Diu  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 


nisse  zu  einem  andern  Resultate  gelange  als  Herr  Dr.  Töppen, 
so  wird  mir,  wie  ich  hoffe,  das  nicht  im  Hinblicke  auf  die 
unbestrittene  Autorität  dieses  hochverdienten  Gelehrten  als  An- 
maßung angerechnet  werden,  denn  die  in  den  betreffenden  Urkunden 
enthalteneu  dunkeln  Stellen  lassen  doch  immer  eine  verschiedene 
Auffassung  zu. 

Töppen  und  Bender  haben,  wie  schon  bemerkt,  überein- 
stimmend den  nördlichen  Theil  der  "Westgrenze  Natangens  von 
Hafestrom  her  mit  Ausschluß  von  Kaigen  Ä)  nach  der  Ein- 
mündung des  Stradick  in  den  Frisching  hin  gezogen,  gestützt 
auf  die  bekannte,  weiter  unten  genauer  zu  erörternde  Urkunde 
von  1246,  durch  welche  einer  von  den  Lübeckern  an  dem  Hafen 
der  Lipza  anzulegenden  Stadt  2500  Hufen,  in  Warmien  von  der 
Lemptenburg  aus  gegen  Lipza  und  Natangen  hin  abzumessen, 
verliehen  werden  sollen.  Sie  nehmen  danach  mit  Recht  das 
Dreieck  Lenzenberg,  Hafestrom,  Kobbelbude  als  warmisches 
Gebiet  in  Anspruch.  Mißt  man  nun,  so  gut  es  sich  auf  der 
Karte  ausführen  läßt,  dieses  Dreieck  aus,  so  ergiebt  sich  das 
Resultat,  daß  es  nur  etwa  ein  Drittel  des  durch  die  Urkunde 
bestimmten  ca.  3Vs  Quadratmeilen  betragenden  Areals  enthält. 
Daraus  folgt  die  Nothwendigkeit,  entweder  die  angenommene 
Grenzlinie  nach  Norden  und  Osten  oder  nach  Südosten  hin 
weiter  hinauszurücken,  um  den  Raum  für  das  erforderliche  Areal 
zu  gewinnen,  oder  denselben  anderweitig  zu  suchen. 10)  Im 
ersteren  Falle  würde  man  dann  das  in  Warmien  abzumessende 
Areal  im  Norden  durch  den  natangischen  Pregel  und  dessen 
eingegangenen  ehemals  an  Hafestrom  vorbeifließenden  Arm  und 
im  Osten  ungefähr  durch  eine  Linie  zu  begrenzen  haben,  welche 
von  Jerusalem  bis  an  den  Frisching  etwa  zwischen  Mahnsfeld 
und  Tharau  zu  ziehen  wäre.    Dem  steht  aber  der  Umstand  ent- 


9)  Sclunien  bei  Dasburg  (I.  103),  das  warmische  Slinia  der  Friedena- 
Urkunde  von  1249. 

10)  Das  wird  noch  schwieriger,  wenn  man  mit  Töppen  (N.  Pr.  Prov. 
Bl.  X,  180)  das  Areal  auf  7  Quadratmeilen  berechnet. 


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Von  C.  Beckherrn.  567 

gegen,  daß  südlich  von  Königsberg  natangisches  Gebiet 
lag,  in  welches  nach  einer  Urkunde  von  1327  vom  Kneiphof 
über  den  Haberberg  ein  "Weg  (die  jetzige  Vorstadt)  direct  hinein- 
führte. n)  Unter  Natangen  kann  hier  nur  die  alte  Landschaft 
verstanden  werden,  denn  von  der  späteren  Uebertragung  des 
Namens  derselben  auf  die  Gebietstheile  anderer  Landschaften 
kann  zu  jener  Zeit,  mit  Ausnahme  des  bei  Balga  gelegenen 
Kammerarates  Natangen,  noch  keine  Bede  sein.  Wollte  man 
dagegen  versuchen,  den  erforderlichen  Raum  in  südöstlicher 
Richtung  zu  gewinnen,  wodurch  zugleich  den  Umrissen  beider 
Landschaften  eine  mehr  abgerundete,  daher  natürlichere  Form 
gegeben  wäre,  so  würde  man  auch  hier  sehr  bald  auf  das 
Kammeramt  Kreuzburg,  das  altnatangische  Territorium 
Solidow  stoßen.12)  Es  bleibt  also  nur  die  Richtung  nach  dem 
Haffe  hin  übrig.  Dieser  folgend  betritt  man  nun  das  oben  an- 
gedeutete vielbestrittene  Gebiet,  über  welches  ich,  um  den  Gang 
der  Untersuchung  über  die  Grenze  nicht  zu  unterbrechen,  meine 
Ansicht  in  einem  Excurse  am  Schlüsse  dieser  Abhandlung  ent- 
wickeln will,  indem  ich  vorgreifend  bemerke,  daß  dadurch  die 
eben  besprochene  Grenzstrecke  keine  Abänderung  erleidet,  in 
ihrer  Lage  und  allgemeinen  Richtung  vielmehr  indirect  be- 
stätigt wird. 

Südlich  vom  Frisching  lag  das  warmische  Territorium 
"Wuntenowe,  das  nachherige  Kammeramt  Huntenau  (die  Huntau), 
dessen  Grenze  gegen  Natangen  der  "Wald  Dalwin  oder  Dalbehn 
(Albehne)  bildete,  von  dem  noch  Ueberreste  vorhanden  sind, 
welche  sich  nach  der  Lage  der  Orte  Conradswalde,  Amalienwalde, 
Hermannswalde,  Riemswalde,  Albeneck,  Albenort  und  Albenlauk 
einigermaßen  ergänzen  lassen.  Auch  Sollecken  wird  in  den 
Amtsrechnungen  des  18.  Jahrhunderts  noch  als  in  diesem  "Walde 
gelegen  erwähnt.  ")    Im  Osten  dieser  natürlichen  Grenze  zieht 


11)  Perlbach,  Altpr.  Monatsschr.  XVIII,  8,  No.  18. 

12)  Dusburg  III,  125. 

13)  Rogge,  Altpr.  Monatsschr.  Vm,  827. 


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568  Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 

eich  die  Grenze  zwischen  dem  Kirchspiele  Pörschken.  welches 
dem  Kammeramte  Huntenau  dem  Umfange  nach  entspricht,  und 
dem  Kirchspiele  Kreuzburg  hin.  Dieselbe  Grenze  scheidet 
jetzt  hier  auch  die  Kreise  Heiligenbeil  und  Pr.  Eilau 
und  ist  im  Allgemeinen  als  die  Grenze  der  alten  Land- 
schaften Warmien  und  Natangen  anzusehen,  wie  schon 
Bender  bemerkt  hat. 14) 

Weiter  südlich  begegnen  wir  den  urkundlich  zum  Kammer- 
amte Zinten  (resp.  Pellen)  gehörigen,  mithin  auf  warmischem 
Boden  gelegenen  Orten  Domlitten16),  Nemritten 16),  Clau- 
sitten  17),  Bükühnen 18),  Maraunen 1B),  und  dem  Walde 
Dinge,  welcher  nach  den  Amtsrechnungen  zum  Amte  Balga 
gehörte. 20)  Diesen  Orten  steht  auf  natangischer  Seite  zunächst 
Korschellen  gegenüber.  Dieser  jetzt  zum  Kirchspiele  Zinten 
gehörige  Ort  hatte  früher  bis  etwa  1584  dem  Kirchspiele  Kreuz- 
burg angehört. 21)  Er  ist  von  Kreuzburg  eine  Meile,  von  Zinten 
aber  nur  V*  Meile  entfernt  und  würde  also  wohl  von  Anbeginn 
diesem  zugetheilt  gewesen  sein,  wenn  man  nicht  die  alte  Land- 
schaftsgrenze bei  der  Abgrenzung  berücksichtigt  hätte.  Der 
benachbarte  Ort  Schmerkstein  lag  auch  im  Amte  Branden- 
burg28), also  ebenfalls  auf  natangischem  Boden.  Etwas  weiter 
im  Innern  finden  wir  die  Orte  Gr.  und  Kl.  Labehnen,  deren 
einer  von  Töppen  für  das  Labegow  der  Friedensurkunde  von  1249 
gehalten  wird,23)  woselbst  die  Natanger  eine  Kirche  bauen  sollten. 


14)  Zeitsohr.  f.  d.  Gesch.  Ermlands  II,  385. 

15)  Urkundenverzeichn.  bei  Rogge  a.  a.  O.  No.  96.  —  Zinten  und 
Pellen  waren  zeitweilig  unter  dem  einen  oder  dem  andern  Namen  mit 
einander  combinirt. 

16)  L.  c.  No.  107. 

17)  L.  c.  No.  93. 

18)  L.  c.  No.  248. 

19)  L.  c.  No.  42  u.  53. 

20)  Rogge,  Altpr.  Monatsschr.  V,  136,  Anmerk.  52. 

21)  Rogge,  Kirchen  des  Amtes  Balga,  S.  21. 

22)  Urk.  Verz.  b.  Rogge  No.  329. 

23)  Hist.  comp.  Geogr.  S.  19. 


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Von  C.  Beckherrn. 


509 


Diese  Ansicht  wird  dadurch  bestätigt,  daß  einer  dieser  Orte  in 
einer  Urkunde  des  Brandenburger  Hausbuches  auch  Labiau 
genannt  wird. 24)  Rogge  findet  zwar  das  alte  Labegow  bei 
Friedland,  woselbst  eine  Urkunde  ein  Gut  Labias  erwähnt,26) 
man  wird  aber  den  Namen  Labegow,  gesprochen  Labegau,  viel 
leichter  in  Labiau  als  in  Labias  wiederfinden.  Von  Schmerkstein 
am  Rande  der  Dinge  weiter  östlich  fortschreitend  treffen  wir 
auf  den  Ort  Krücken  (Krücke),  bekannt  durch  die  Niederlage 
der  Ordenstruppen  im  Jahre  1249,  welcher  nach  Dusburg  der 
Landschaft  Natangen  angehört.  20*)  Das  weiter  östlich  gelegene 
Pompicken  gehörte  noch  zum  Amte  Balga,  also  zu  "Warmien. 26  b) 
Südlich  von  diesem  Orte  finden  wir  den  alten  Grenzwall, 
welcher  sich  westlich  von  dem  von  Dusburg  erwähnten  natangi- 
schen  Orte  Görken  (Gerkin)27)  zwischen  Schläuthienen  auf 
natangischer  und  dem  westlich  davon  gelegenen  Schloß  berge 
auf  warmischer  Seite  über  Jerlauken  bis  zum  Schloßberge 
nördlich  Pilzen,  dieser  wieder  auf  natangischem  Gebiete, 
hinzog. 28)  Hier  hat  die  Grenze  beider  Landschaften  ihren  öst- 
lichsten Punkt  erreicht  und  wendet  sich  nun  nach  Südwesten. 

Als  erstes  urkundliches  Grenzmal  der  folgenden  Strecke 
auf  natangischer  Seite  begegnet  uns  hier  Lölken,29)  dann 


24)  1394.  Marienburg.  Conr.  v.  Jungingen,  HM.,  verleiht  dem  Ihlow 
30  Hufen  in  den  Feldern  Labehnen  und  Barselauken  und  15  Hufen  auf  dem 
Felde  Maraunen  mit  der  Mühle  zu  Labiau.  (Perlbach,  Altpr.  Mschr.  XI,  264). 

25)  Altpr.  Mschr.  VII,  526. 
26  a)  Dusburg  HI,  65. 

26b)  Rogge,  Kirchen  des  Amtes  Balga  S.  12,  Anmerk.  23b  u.  S.  14, 
Anmerk.  25,  3.  Abschn. 

27)  Dusburg  HI,  ia3. 

28)  Vergl.  meine  Abhandl.:  Das  propugnaculum  etc.  Bd.  XXIU,  S.  297 
dieser  Zeitschr.  Die  dort  erwähnten  kleinen  Wallstücke,  welche  am  süd- 
lichen Fuüe  des  Schloßberges  mit  der  Richtung  von  Westen  nach  Osten 
liegen,  scheinen  nicht  Ueberreste  einer  Landwehr  gewesen  zu  sein,  sondern 
zur  Befestigung  des  Schloßberges  gehört  zu  haben.  Sie  sollten  wahrschein- 
lich den  Zugang  von  Süden  her  sperren. 

29)  Urk.  Verz.  b.  Rogge  No.  208.  Daselbst  zu  lesen  Lölken  statt 
Colken. 

Altpr.  MoiittUachrift  Bd.  XXIII.  Hf t  7  u.  «.  37 


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570  Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 

Orschen  (Arischen),80)  Wildenhof,  Canditten  S1)  und  Hop- 
pe ndorf.92»)  In  dem  Räume  zwischen  der  Dinge,  Krücken, 
Pompicken  und  dem  eben  gedachten  Grenzwalle  liegen  nach 
der  warmischen  Seite  hin  noch  nahe  bei  einander  die  Orte 
Supplitten,  Alkehnen,  Wackern,  Skerwitten  und  Bor- 
n ebnen,  über  welche  keine  Urkunden  aufgefunden  werden 
konnten,  nach  Lage  und  Richtung  des  Grenzwalles  kann  es 
aber  nicht  bezweifelt  werden,  daß  diese  Orte  warmisches  Gebiet 
einnahmen. 3ab)  Durch  Urkunden  ist  dieses  erst  bei  den  etwas 
weiter  westlich  gelegenen  Husyehnen,  Rositten  und  Sodehnen 
(Sitteinen)  bezeugt. 88)  Daran  schließen  sich  weiter  südwestlich 
Gallingen  (Galeinen,  ehemals  Peterkeim)  84),  Augam  und 
Quehnen  (Keweinen). 85)  Hier  läßt  sich  die  Grenze  noch  ge- 
nauer feststellen.  Der  Zintensche  Kirchen-Visitations-Rezeß  von 
1543  hat  den  Vermerk,  daß  ein  Einwohner  von  Quehnen  das 
wüste  Gut  Auctogarben  an  der  eylauischen  Grenze  im  Besitz 
habe. 8e)  Auctogarben  heißt  Hochberg,  Hohenberg.  In  der 
Nähe  von  Quehnen  liegt  nur  ein  durch  seine  Höhe  ausgezeich- 
neter Berg,  nämlich  der  602  Fuß  hohe  Ramrasche  Berg  süd- 


80)  L.  c.  No.  327. 

81)  L.  c.  No.  262. 
82a)  L.  c.  No.  187. 

32b)  Die  Grenze  zwischen  den  Aemtern  Balga  und  Pr.  Eüau  muH  in 
dieser  Gegend  im  17.  Jahrh.  eine  Verschiebung  nach  Westen  erfahren  haben. 
In  einer  Beschreibung  des  Amtes  Pr.  Eilau  aus  dem  Anfange  des  18.  Jahrb. 
(Manusc.  auf  der  Wallenrodt'schen  Bibliothek),  welche  nach  Amtsrechnungen 
des  17.  Jahrhunderts  verfaßt  ist,  werden  nämlich  die  Orte  Pompicken,  Al- 
kehnen, Wackern,  Bornehnen  und  Sodehnen  als  zum  Amte  Pr.  Eilau  ge- 
hörig erwähnt.  Nun  lag  aber  von  diesen  Orten  nach  Urkunden  von  1475 
und  1558  Pompicken  (vergl.  Anmerk.  26b)  und  von  1584  Sodehnen  (vergl. 
Anmerk.  38)  im  Amte  Balga,  folglich  wird  das  ursprünglich  auch  der  Fall 
gewesen  sein  bei  den  andern,  von  denen  Bornehnen  auf,  die  übrigen  westlich 
der  Linie  Pompicken-Sodehnen  hegen. 

83)  L.  «.  No.  275. 

84)  L.  c.  No.  182  und  327. 

35)  L.  c.  No.  312. 

36)  Altpr.  Mschr.  VII,  608. 


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Von  C.  Beckhern). 


571 


östlich  des  genannten  Ortes,  und  bei  diesem  muß  Auctogarben 
jedenfalls  gelegen  haben.  An  der  südöstlichen  Seite  dieses 
Berges  zieht  in  nicht  bedeutender  Entfernung  der  Haupt- 
höhenzug des  Stablack  (die  westliche  wie  ein  Gebirgskamm 
gestaltete  Hügelkette)  vorüber;  dieser  dürfte  hier  also  als  die 
eigentliche  Grenzscheide  anzusehen  sein  und  das  um  so  mehr, 
weil  sein  östlicher  und  zum  Theil  auch  der  westliche  Fuß  auf 
eine  bedeutende  Strecke  von  unpassirbaren  Brüchen  und  Sümpfen 
begleitet  wird.  Noch  näher  dieser  natürlichen  Grenzscheide 
liegt  Garbnicken  und  weiter  zurück  Liebnicken  (Lipp- 
nicken), Sangnitten  (Santenitten),  Rimlack  und  Worschienen, 
sämmtlich  zum  Kammeramte  Zinten  gehörig. 87) 

Um  den  südlichsten  Theil  der  Westgrenze  Natangens  zu 
bestimmen,  ist  es  erforderlich,  die  nachstehenden  Urkunden 
einer  genaueren  Betrachtung  zu  unterziehen. 

1.  Die  Beschreibung  der  Grenze  zwischen  dem  Bisthum 
Ermland  und  dem  Gebiete  des  Ordens  vom  Jahre  1374.  88) 

Von  Wilknit  ab  soll  man  gehen  über  das  Fließ  Warne 
geradeaus  zu  einer  gezeichneten  Eiche  an  einem  Wege, 
dann  zu  einer  andern  Eiche,  welche  die  Ortgrenze  der 
Stadt  Mehlsack  bezeichnet,  so  daß  das  Dorf  Peythunen 
dem  Bisthum  und  Schönborn  dem  Orden  verbleibt.  Von 
hier  soll  man  zu  der  Grenze  des  Dorfes  Guttenfeld  und 
weiter  zu  einer  gezeichneten  Eiche,  stehend  zwischen 
Guttenfeld,  Piauten  und  Seefeld,  gehen,  so  daß  Guttenfeld 
dem  Orden  und  Piauten  dem  Bisthum  verbleibt.  Von 
dieser  Eiche  ist  zu  gehen  zu  einem  Pfahle,  welcher  an  dem 
Flusse  Walsch  gesetzt  ist,  so  daß  das  Dorf  Wosekaym 
[nicht  mehr  vorhanden]  dem  Orden  und  Seefeld  dem  Bisthum 
in  ihren  alten  Grenzen  verbleiben.  Dann  soll  man  weiter 
gehen  zu  einem  gezeichneten  „Stucke"  auf  einem  Berge, 


37)  ürk.  Vera.  b.  Rogge  No.  251  u.  262. 

38)  Cod.  dipl  Pruas.  III.  No.  119.    Der  erste  und  letzte  Theil  sind 
hier  fortgelassen. 

37* 


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Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 


derart,  daß  "Woppen  und  Paulen  dem  Bisthum  und  Jotyne 
[nicht  mehr  vorhanden]  und  Schwadtken  dem  Orden  ver- 
bleiben. Von  hier  geht  man  nach  dem  See  Kewtir  hin 
[östlich  Paulen]  zu  dem  Punkte,  an  welchem  das  Dorf 
Kewtir  [nicht  mehr  vorhanden]  mit  Stabunken  grenzt. 
Kewtir  soll  dem  Orden,  Stabunken  dem  Bisthum  verbleiben. 
Von  demselben  Fließe  [es  ist  vorher  gar  nicht  erwähnt  — 
die  Drewenz]  soll  man  zu  den  Grenzen  des  Dorfes  Glandau 
gehen,  derart,  daß  dieses  Dorf  in  dem  Antheile  des  Ordens 
und  Stabunken  in  dem  des  Bischofs  in  ihren  alten  Grenzen 
verbleiben.  Ferner  geht  man  zu  der  Ortgrenze  von  Glandau, 
welche  dieses  Dorf  von  Workeim  scheidet,  dann  zur  Ort- 
grenze von  Hanshagen.  "Workeim  verbleibt  dem  Bischof, 
Hanshagen  dem  Orden. 

Folgt  man  dieser  Beschreibung  auf  der  Generalstabskarte, 
so  findet  man,  daß  die  Grenze  des  Bisthums  Ermland  in  ihrem 
mittleren  Theile  sich  genau  mit  der  nordöstlichen  Grenze  des 
jetzigen  Kreises  Braunsberg  deckt,  diese  ist  daher  besonders 
geeignet,  als  Grundlage  für  die  weitere  Untersuchung  zu  dienen. 

2.  Die  Grenzbeschreibung  vom  Jahre  1251. 89) 

Von  der  Mündung  der  Rune  in  das  Haff  soll  man 
aufwärts  gehen  bis  zu  deren  Quelle,  von  da  bis  zu  dem 
Walde,  welcher  Natangen  und  Plut  scheidet,  derart, 
daß  dieser  Wald  zur  Hälfte  an  das  Bisthum  fällt 
(ita  quod  nemus  idem  per  medium  Diocesis  nostre  cedat). 
Jenseits  des  Waldes  soll  man  zur  Alle  gehen,  so  daß  das 
Dorf  Katzen  eine  halbe  Meile  von  der  Grenze  entfernt  bleibt. 

Plut  ist  das  warmische  Territorium  dieses  Namens,  welches 
das  um  das  heutige  Kirchdorf  Piauten,  den  dabei  gelegenen 
Wallberg,  die  Stätte  des  ehemaligen  bischöflichen  Schlosses 
Plut,  und  den  Walschsee,  ehemals  ebenfalls  Plut  genannt,  herum- 
gelegene Gebiet  einnahm.    Aus  der  obigen  Urkunde  erfaliren 


39)  Cod.  dipl.  Warm.  D.  No.  26. 


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Von  C.  Beckherrn. 


573 


wir,  daß  es  an  Natangen  grenzte  und  von  dieser  Landschaft 
durch  einen  "Wald  geschieden  war.  Dieser  "Wald  wurde  durch 
die  Grenze  des  Bisthums  (die  jetzige  Kreisgrenze)  in  zwei  Hälften 
zerlegt,  so  daß  die  eine  Hälfte  auf  den  bischöflichen,  die  andere 
auf  den  Ordensantheil  des  getheilten  Gebietes  entfiel,  folglich 
muß  auch  von  dem  Territorium  Plut,  welches  dieser  "Wald  be- 
grenzte, ein  Theil  dem  Orden  zugefallen  sein,  nämlich  derjenige, 
welcher  nördlich  der  jetzigen  Kreisgrenze  liegt,  d.  i.  das  Kirch- 
spiel Guttenfeld.  Von  dem  "Walde  waren  im  Jahre  1325  noch 
Ueberreste  im  bischöflichen  Antheile  vorhanden,  nämlich  zwischen 
dem  "Walschsee  (See  Plut),  welcher  sich  damals  noch  bis  Piauten 
ausdehnte,  dem  Dorfe  "Woppen,  der  "Walsen  und  der  Grenze  mit 
dem  Ordensgebiete.  Das  bezeugt  die  Urkunde  No.  3  (s.  unten). 
Seine  Fortsetzung  nach  Norden,  der  Ordensantheil,  ist  also  längs 
der  "Walsch  hinauf  zu  suchen  und  zwar  bis  gegen  Hoppendorf, 
denn  dieses  lag,  wie  oben  gezeigt  worden,  in  Natangen.  "Weiter 
nach  "Westen  kann  er  sich  nicht  herumgezogen  haben,  denn 
Guttenfeld  wird  in  einer  Urkunde  von  1285  als  Feld  bezeichnet. 
(Vergl.  No.  4).  Ein  "Wald,  welcher  immer  eine  größere  oder 
geringere  Breite  besitzt,  bildet  keine  scharf  markirte  Grenze, 
daher  ist  hier  die  "Walsch,  welche  seinen  östlichen  Rand  be- 
gleitete, auf  der  Strecke  von  Woppen  nördlich  hinauf  bis  ungefähr 
zu  der  Biegung  westlich  gegen  Hoppendorf  als  die  eigentliche 
Grenze  zwischen  "Warmien  und  Natangen  anzusehen. 40)  Das 
Territorium  Plut  erstreckte  sich  nördlich  über  Guttenfeld  hinaus, 
denn  nach  Urkunde  No.  4  wurde  dem  Scumant  zusammen  mit 
Guttenfeld  auch  Gr.  und  Kl.  Steegen  verliehen  bis  zum  "Walde 
bei  Drogowitegen.  Das  ist  unzweifelhaft  der  jetzige  Steegener 
"Wald,  welcher  sich  an  den  oben  zuletzt  behandelten  Theil  des 


40)  Diejenigen  Grenzwälder,  in  oder  an  denen  sich  keine  zu  bestimmt 
markirenden  Grenzscheiden  geeignete  Terraingegenstände  vorfinden,  seien 
es  natürliche,  wie  Flußläufe  und  langgestreckte  schmale  Bergrücken  oder 
künstliche,  wie  Wälle,  Landwehren,  müssen  als  neutrales  Gebiet  betrachtet 
werden. 


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Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 


Kammeramtes  Zinten  anschließt  Kl.  und  Gr.  Steegen  gehörten 
Überdies  zum  Kirchspiele  Guttenfeld.  Auch  für  diesen  nördlichen 
Theü  des  Territoriums  Plut  kann  von  Gr.  Steegen  ab  die 
Walsen  im  Allgemeinen  als  Grenze  gegen  Natangen  ange- 
nommen werden,  welche  ihre  Fortsetzung  in  dem  Haupthöhen- 
zuge des  Stablack  fand.  Weniger  bestimmt  kann  die  Aus- 
dehnung des  Territoriums  Plut  nach  Süden  hin  angegeben  werden ; 
wir  ersehen  nur  aus  Urkunde  No.  5,  daß  das  Dorf  Lichtenau 
ursprünglich  zur  Kirche  Piauten  gehört  habe. 

3.  1325.  Das  Domkapitel  verschreibt  dem  Marquard 
ßorwurm  32  Hufen  in  dem  "Walde  zwischen  Pluth  und 
dem  Felde  Wuppen.  Begrenzung:  Anfang  an  dem  "Wasser 
Walsen,  wo  sie  den  Weg  von  Wuppen  nach  Poykyn  [nicht 
mehr  vorhanden]  durchschneidet  auf  30  Seil  gegen  Wuppen 
neben  dem  Wege  geradeaus  zu  einem  Grenzmale,  von  da 
zu  einer  Eiche  neben  dem  See  [Walschsee]  gegenüber  dem 
Schlosse  [Plut].  Von  hier  den  See  hinab  zu  einem  andern 
Grenzmale  in  dem  Walde,  welcher  von  den  Preußen  der 
heilige  Wald  genannt  wird.  Von  dort  33  Seil  zu  dem 
Walde  gegen  Poykyn  hin  und  dann  zum  Anfangs- 
punkte. 41) 

4.  1285.  Balga.  Der  Landmeister  Conrad  von  Thierberg 
verschreibt  dem  Sudauer  Scumant  das  Dorf  Steynio  [Steegen] 
mit  seinem  Gebiete  bis  zum  Walde  bei  Drogowitegen,  die 
Wiese  Penkowes  und  das  Feld  Labalaucs  [d.  i.  zu  deutsch 
Gutenfeld].  Unter  den  Zeugen :  Härtung,  Komtur  zu  Balga.  *') 

5.  1326.  Verschreibung  des  Domkapitels  über  70  Hufen 
zum  Kirchdorfe  Lichtenau.  Bis  zur  Erbauung  einer  eigenen 
Kirche  sollen  die  Einwohner  bei  Piauten  eingewidmet 
bleiben. 

6.  Beschreibung  der  Grenze  zwischen  dem  Bisthum 
Ermland  und  dem  Ordensgebiete  vom  Jahre  1254. ") 

41)  Cod.  dipl.  Warm.  D.  No.  221. 

42)  Cod.  dipl.  Pruas.  I,  No.  168. 

43)  Cod.  dipl.  Warm.  D.  No.  91. 


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Von  C.  Beckherrn. 


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Von  der  Mündung  der  Rune  in  das  Haff  aufwärts  zu 
gehen  bis  zu  einem  Tannenwalde  [Mehlsacker  Heide], 
welcher  zu  dem  Bisthume  gehören  soll;  von  da  geradeaus 
zu  dem  "Walde,  welcher  Plut  und  Natangen  in  der 
Richtung  auf  den  Grenzpunkt  mit  Wore  scheidet. 
Durch  die  Mitte  dieses  Waldes  weiterzugehen  bis  zur 
Alle.  (A  quo  —  von  dem  Tannenwalde  —  directe  proce- 
ditur  usque  ad  nemus,  quod  dividit  Plut  et  Natangiam 
versus  confinium  Wore,  per  cuius  nemoris  medium  eundo 
usque  ad  fluvium  Alne.) 

Wore  ist  ein  altes  Territorium,  ein  Theil  des  späteren 
Kammeramtes  Woria  oder  Worienen  der  Komturei  Balga,  dessen 
ursprüngliche  Zugehörigkeit  zu  Warmien  oder  Natangen  nicht 
sicher  festgestellt  ist.  Das  confinium  Wore  ist  der  Punkt, 
an  welchem  die  Gebiete  von  Plut,  Natangen  und  Wore 
aneinander  stießen.  Der  Wald,  welcher  in  Plut  längs  der 
Grenze  mit  Natangen  sich  hinzog,  nahm  seine  Richtung  auf 
diesen  Punkt,  dieser  hat  also  an  einem  der  beiden  Enden  des 
Waldes  gelegen.  Im  Norden  ist  nur  warmisches  und  natangi- 
sches  Gebiet  zu  finden,  daher  ist  das  confinium  am  südlichen 
Ende  zu  suchen.  Aus  Mangel  an  weiteren  Anhaltspunkten 
läßt  es  sich  nicht  bestimmt  ermitteln,  wie  weit  der  Grenzwald 
sich  südlich  über  die  Bisthumsgrenze  oder  jetzige  Kreisgrenze 
hinaus  erstreckt  habe;  ich  vermuthe  sein  südliches  Ende  da,  wo 
die  Walsen  aus  ihrem  nord-südlichen  Laufe  sich  westlich  gegen 
den  Walschsee  wendet  und  wo  wir  später  den  Ort  Woppen 
finden.  Hier  an  dem  Knie  der  Walsch  möchte  ich  auch 
das  confinium  Wore  suchen,  von  dem  aus  längs  der  Walsch 
nach  Norden  hinauf  die  Ostgrenze  von  Plut  und  die  Westgrenze 
von  Natangen,  in  südlicher  oder  nahezu  südlicher  Richtung  aber 
die  Ostgrenze  von  Plut  und  die  Westgrenze  von  Wore  noch 
eine  Strecke  neben  einander  hinliefen.  Von  diesem  Punkte 
ging  ferner  die  Grenze  zwischen  Wore  und  Natangen  in  nord- 
östlicher Richtung  aus.  Sie  läßt  sich  weiterhin  nur  annähernd 
bestimmen,  zunächst  durch  den  Ort  Worlack,  welcher  urkund- 


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Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natalen. 


lieh  als  im  Kammeramte  Worienen  gelegen  erwähnt  wird.  44) 
"Weiter  nach  Nordosten  hin  liegen  Landsberg,  "VVoymanns  und 
"Worienen,  welche  Toppen  als  Ortschaften  des  Kammeramtes 
"Worienen  aufzählt. 45)  Derselbe  läßt  in  seinem  Atlas  als  Ost- 
grenze  im  Allgemeinen  die  Elm  bis  gegen  die  Alle  hin  gelten, 
ich  möchte  hier  jedoch  noch  den  Ort  Worglitten  mit  in  die 
Grenze  hineinziehen,  und  zwar  weil  sein  Name  die  Wurzel 
"Wor  enthält.  Im  südwestlichen  Theile  des  gedachten  Kammer- 
amtes macht  Töppen  die  Orte  Petershagen  und  Glandau  nam- 
haft. Hier  würde  ich  die  Grenze  aus  demselben  Grunde  noch 
bis  über  Workeim  hinausrücken  und  diese  dann  in  nordwest- 
licher Richtung  die  Grenze  von  Plut  südlich  "Woppen  erreichen 
lassen.  Die  Hineinziehung  der  Orte  Worglitten  und  Workeim 
in  die  Grenzen  des  Territoriums  Wore  scheint  mir  deshalb  an- 
gezeigt zu  sein,  weil  ihr  Name  dieselbe  Wurzel  enthält  wie  der 
des  Territoriums  und  weil  sie  nicht  fern  von  denjenigen  Orten 
liegen,  welche  anerkanntermaßen  zu  demselben  gehören,  ins- 
besondere von  denen  mit  gleicher  Abstammung  ihrer  Namen. 
Dieses  Verhältniß  dürfte  die  Zusammengehörigkeit  dieser  Orte 
in  irgend  einer  Beziehung  andeuten.  Dagegen  ist  es  nicht 
statthaft,  aus  diesem  Grunde  auch  die  Orte  Worschienen  und 
Wormen  des  Kammeramtes  Zinten  in  die  Grenzen  des  Terri- 
toriums Wore,  wie  es  zur  Zeit  der  Ankunft  des  Deutschen 
Ordens  bestand,  hineinzuziehen,  denn  sie  waren  von  diesem 
thateächlich  durch  dazwischenliegendes  natangisches  Gebiet  ge- 
trennt, wie  oben  nachgewiesen  worden  ist.  Wenn  ein  Zusammen- 
hang zwischen  beiden  Theilen  jemals  stattgefunden  haben  sollte, 
so  würde  derselbe  in  eine  sehr  frühe  Zeit  zurückzuverlcgen 
sein,  in  welcher  Preußen  von  anderen  Völkern  bewohnt  und 
seine  Eintheilung  eine  andere  gewesen  sein  mag,  als  der  Orden 
bei  seiner  Ankunft  sie  vorfand. 4<J)    Trotzdem  daß  ein  nicht 

44)  Altpr.  Mschr.  XI,  271. 

45)  Hist.  comp.  Geogr.  S.  201. 

46)  Der  Umfang  des  Gebietes,  in  wolchem  Ortsnamen  mit  der  Wurzel 
Wor  vorkommen,  läßt  sich  noch  bedeutend  erweitern.    Es  erstreckt  sich 


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Von  C.  Berkheim. 


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unbeträchtlicher  Theil  der  eben  besprochenen  Ortsnamen  auch 
im  alten  Warmien  zu  finden  ist  und  der  Namo  der  Landschaft 
selbst  an  jene  Namen  und  den  des  Territoriums  "Wore  anklingt, 
möchte  ich  dieses  doch  nicht  als  zu  Warmien.  sondern  zu 
Natangen  gehörig  betrachten,  weil  erstens  es  wie  ein  Keil  tief 
in  natangisches  Gebiet  eindrang  und  zweitens  weil  es  später 
als  Kammeramt  mit  dem  auf  natangischem  Gebiete  errichteten 
Kammeramte  Pr.  Eilau  zum  Hauptamte  dieses  Namens  ver- 
einigt wurde. 

Das  Resultat  bezüglich  der  Ermittelung  der  warmisch- 
natangischen  Grenze  wird,  wie  es  sich  auf  Grund  der  Urkunden 
und  aus  chronikalischen  Nachrichten  ergeben  hat,  noch  wesent- 
lich bestätigt  durch  gewisse  Terrainverhältnisse,  welche  längs 

im  Westen  bis  in  die  Genend  von  Lunau,  Kr.  Brnunsberg,  woselbst  ein 
Feld  Worlauk  in  einer  Urkunde  von  1297  erwähnt  wird  (Cod.  dipl.  Warm. 
No.  101),  und  bis  Mohrungeu,  wo  die  Orte  Woritten  und  Workallon  liefen, 
im  Süden  bis  nach  Osterode,  wo  Worleinen  und  nach  Allenstein,  wo 
Woritten  zu  finden  ist.  Die  Östlichsttin  Punkte  bezeichnen  Worplack  bei 
Rössel  und  Wormen  bei  Schippenbeil,  den  nördlichsten  Worwegen  (Wor- 
beynen,  Worwein)  zwischen  Zinten  und  Ludwigsort.  Iunerhulb  dieses 
Bezirks  sind  außer  den  den  oben  bezeichneten  engeren  Kreis  bildenden  noch 
zu  nennen  Worruditt,  Wormen  bei  Olommen,  südlich  Pr.  Eilau,  und  das 
nicht  mehr  existirende  1308  urkundlich  erwähnte  Worayne,  westlich  Mehl- 
sack. (Cod.  dipl.  Warm.  No.  117).  Vereinzelt  kommen  außerhalb  vor 
Worienen  bei  Königsberg  und  Worgullen  bei  Johannisburg.  Eine  andere 
Gruppe  wird  gebildet  von  Worpillen  bei  Insterburg,  WorupÖhnen  bei 
Gumbinnen,  Worehlen  bei  Darkehmen  und  Woreningken  bei  Kaguit.  Auch 
in  Westpreußen  kommen  einige  vor,  nämlich  Wordel  bei  Flatow,  Dt.  Krone 
und  Danzig  und  Worle  bei  Neustadt.  Bemerkenswerth  ist  noch,  daß  um 
das  Jahr  1M7  ein  Besitzer  von  Schwengels  und  Sperglienen,  beide  in  der 
Nähe  von  Wormen  und  Worschienen  südlich  Zinten  gelegen,  den  Namen 
Michel  Wörnern  fuhrt.  (Urk.  No.  22t!  bei  Kogge).  Es  würde  violleicht 
lohnend  sein,  wenn  ein  Sprachforscher  auch  diese  Namengruppen  zum 
Gegenstände  einer  Untersuchung  machte,  wie  es  mit  andern  bereits  ge- 
schehen ist.  (Vergl.  Nesselmann,  Ueber  altpr.  Ortsnamen.  N.  Pr.  Prov. 
131.  V,  4,  249,  '2öi.  Neumann,  Ueber  Damerau  u.  s.  w.  Ebendas.  211 
Toppen,  ebendas.  VIII,  107.  Hierüber  auch  Kolberg  in  Zeitschr.  f.  d.  Gesch. 
Ermlauds.  Bezzenberger,  Die  litauisch-preuß.  Grenze.  Altpr.  Mschr.  XIX,  G51. 
Derselbe,  Ueber  die  Verbreitung  einiger  Ortsnamen  in  Ostpr.  Altpr. 
Mschr.  XX,  123.) 


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Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 


der  gefundenen  Grenzlinie  theils  gegenwärtig  noch  bestehen, 
theils  aus  Urkunden  hervorgehen.  Es  ist  bekannt,  daß  die  alten 
Völker,  namentlich  die  germanischen  Stämme  es  liebten,  die 
von  ihnen  bewohnten  Gebiete  von  denen  ihrer  Nachbarn  durch 
weite  Einöden  und  besonders  durch  ausgedehnte  Waldungen  zu 
scheiden.  Diese  Gewohnheit  finden  wir  auch  nach  den  Be- 
richten der  Chronisten  bei  den  alten  PreuBen,  und  die  hier 
untersuchte  Grenze  liefert  ebenfalls  ein  Beispiel  dafür.  Ver- 
folgen wir  dieselbe,  so  nehmen  wir  wahr,  daß  sie  auf  dem 
größesten  Theile  ihres  Zuges  von  Waldungen  begleitet  war. 
Der  Wald  von  Plut  im  Süden  fand  nordwärts  seine  Fort- 
setzung in  der  Wildniß  des  Stablack  mit  ihren  unzugäng- 
lichen Sümpfen  und  Brüchen  47)  und  weiterhin  in  dem  gegen- 
wärtig noch  existirenden  Pr.  Eilauer  Forste.  Nach  kurzer 
Unterbrechung  begegnen  wir  dann  der  Dinge,  welcher  sich 
nördlich  der  Wald  Dalbehn  anschloß.  Ueber  die  ehemaligen 
Terrainverhältnisso  längs  der  Grenzstrecke  nördlich  des  Frisching 
sind  wir  nicht  unterrichtet.  Die  Lücken,  welche  dieser  natür- 
liche Grenzgürtel  gegenwärtig  aufweist,  sind  wahrscheinlich  erst 
unter  der  Axt  der  deutschen  Einzöglinge  entstanden,  denn  die 
meisten  werden  von  Ansiedlungen  deutschen  Namens  einge- 
nommen. Von  den  künstlichen  Verstärkungsmitteln,  von  welchen, 
wie  die  Germanen  so  auch  die  Preußen  außerdem  neben  dem 


47)  1516.  Claus  von  Bach  verschreibt  dem  Groger  Bierwolf  den 
Ritterkrag.  Au 8er  andern  Leistungen  hat  er  dafür,  wenn  es  gefordert  wird, 
mit  vier  Pferden  und  einem  Wagen  oder  Schlitten  drei  Reisen  zu  thun  auf 
die  Jagd  gegen  Pellen  oder  Augam  [in  der  Nähe  des  Stablack].  —  1535. 
Georg  von  Polenz  verschreibt  dem  Jost  von  Uders  das  Gut  Uders  [nicht 
bekannt].  Er  soll  auf  der  Jagd  bei  Augam  helfen.  —  1563.  Herzog 
Albrecht  verschreibt  dem  Nickel  von  Lipnicken  12  Hufen  zu  Worschienen 
[am  Stablack].  Er  hat  sich  des  Jagens  und  Schießens  in  der  WildniÄ 
zu  enthalten  und  von  seinen  Bienen  die  Hälfte  des  Honigs  abzugeben.  — 
1619.  Johann  Sigismund  verschreibt  dem  Wolf  Heinr.  ErbtruchseU  zu  Wald- 
burg die  Güter  Augam  und  Quehnen,  dazu  freies  Brenn-  und  Bauholz  in 
der  Eilauer  Heide  und  in  der  Stablackschen  Wildnifl.  (Rogge  No.  173, 
202,  251  u.  321.) 


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Von  C.  Beckherrn. 


579 


natürlichen  Grenzschutze  noch  Gebrauch  machten,  sind  bei 
unserer  Grenze  bis  jetzt  erst  die  spärlichen  Ueberreste  des 
Landwehrwalles  bei  Schlauthienen  und  Pilzen  aufgefunden  worden. 


Excurs  über  die  Stadt  der  Lübecker  in  Samland  und  ihr 

Landgebiet  in  Warmien. 

Die  Stellung  der  in  der  vorstehenden  Abhandlung  ge- 
nannten Forscher  zu  dieser  Sache  ist  in  den  Hauptpunkten  die 
folgende.  Voigt  hält  alles  Land  zwischen  Pregel  und  Frisching 
in  der  Nähe  des  Haffs  für  natangisches  Gebiet;  daher  sucht  er, 
gestützt  auf  den  Passus  der  unten  mitgetheilten  Urkunde  von 
1246  (No.  2),  welcher  über  die  Abmessung  der  2500  Hufen  in 
"Warmien  handelt  das  für  die  Stadt  der  Lübecker  bestimmte 
Areal  in  einem  als  jetzt  untergegangen  anzusehenden  Lande, 
welches  er  den  Theil  des  frischen  Haffes  zwischen  Königsberg, 
Lochstedt,  Pillau,  Balga  und  Brandenburg  fast  ganz  ausfüllen 
läßt.  Davon  soll  der  nördliche  Theil  zu  dem  alten  Witlande, 
der  südliche  zu  "Warmien  gehört  haben.  Der  dieses  Land  durch- 
strömende Pregel  mündet  irgend  wo  zwischen  Balga  und  Pillau 
ins  Haff.  Hier,  wo  er  mehrere  Inseln  bildet,  befindet  sich  der 
Hafen  Lipze  und  an  diesem  liegt  die  Stadt  der  Lübecker,  von 
der  er  vermuthet,  daß  sie  noch  um  das  Jahr  1258  bestanden 
habe.  Diesen  Ansichten  stimmt  Gebauer  im  Allgemeinen  bei. 
Töppen  dagegen  deutet  die  betreffende  Stelle  der  angezogenen 
Urkunde  in  dem  Sinne,  daß  die  2500  Hufen  in  dem  bekannten 
Dreieck  nordöstlich  Lenzenburg  abzumessen  seien,48)  welches 
ihm  ausreichenden  Raum  dazu  bietet,  während  es  in  Wirklich- 
keit nur  etwa  den  dritten  Theil  davon  enthält.  Er  verwirft 
daher  gänzlich  die  Voigtsche  Auslegung  der  Urkunde  und  somit 


48)  Beiläufig  bemerkt,  ist  die  Lenzenburg  in  dem  Atlas  zu  Töppen's 
hist.  comp.  Geogr.  an  einer  unrichtigen  Stelle  gezeichnet,*  sie  liegt  nicht 
nördlich  des  Frisching  bei  Wangitt,  sondern  V4  Meile  südwestlich  Brandenburg. 


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Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 


auch  dessen  Hypothese  über  "Witland  und  die  Ausdehnung 
Warmiens  ins  Haff  hinein  und  behauptet,  daß  der  nördliche 
Theü  des  frischen  Haffes  seit  der  Ankunft  des  Deutschen  Ordens 
keinerlei  nennenswerthe  Veränderungen  erlitten  habe.  Die  für 
die  Untersuchung  wichtige,  der  Stadt  der  Lübecker  gegenüber 
gelegene  Insel  findet  er  in  der  untersten  der  drei  Pregelinseln 
bei  Königsberg.  Eine  wichtige  Stelle  endlich  in  dem  Privi- 
legium der  Stadt  Fischhausen  von  1305,  aus  welcher  Gebauer 
Schlüsse  auf  die  Lage  der  Stadt  der  Lübecker  zieht,  wird  von 
Töppen  auf  Fischhausen  bezogen. 

Der  leichteren  Orientirung  halber  stelle  ich  nun  nach  der 
Zeitfolge  die  Urkunden  zusammen,  welche  der  Untersuchung  zu 
Grunde  zu  legen  sind,  indem  ich  ihrem  Inhalte  nur  die  den 
Gegenstand  der  Untersuchung  betreffenden  Stellen  entnehme. 

1.  1242  d.  31.  Dez.  Thorn.  Der  Landmeister  H.  von 
Preußen,  welcher  erfahren  hat,  daß  die  Lübecker  in  Sam- 
land  eine  zum  Hafen  für  Seeschiffe  geeignete  freie  Stadt 
anzulegen  beabsichtigen,  theilt  ihnen  mit,  daß  er  ihnen 
einen  dazu  passenden  Ort  und  die  Hälfte  der  zwei  Drittel 
des  Gebietes  abtreten  wolle,  welche  bei  der  Theilung 
Samlands  zwischen  dem  Bischof  und  dem  Orden  dem 
letzteren  zufallen  würden. 4ft) 

2.  1246  d.  10.  März.  Thorn.  Heidenreich,  Bischof 
von  Culm,  entscheidet  als  Schiedsrichter  den  Streit  des 
Ordens  mit  den  Bürgern  von  Lübeck  über  die  Anlegung 
einer  freien  Stadt  im  Samlande,  bei  welchem  der  Orden 
behauptet  hat,  daß  der  darüber  abgeschlossene  Vertrag50) 
durch  Nichteinhaltung  desselben  seitens  der  Lübecker  hin- 
fällig geworden  sei.  Der  Bischof  bestimmt:  der  Orden 
baut  am  Hafen  der  Lipza")  eine  Stadt,  wobei  die 


49)  Woelky-Philippi,  Neues  Preuß.  Urkundenbuch  No.  140. 

50)  Diese  wichtige  Urkunde  ist  bisher  nicht  aufgefunden  worden. 

51)  Lipza  ist  der  alt«  Name  des  Pregels  nach  der  Urkunde  über  die 
Begrenzung  der  Bisthümer  von  1243:  Tertiam  quoque  limitavimus  sicut 
claudit  recens  mare  ab  occideute  ad  fluinen,  quod  dicitur  Pregora  sive  Lipza. 


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Von  C.  Beckherm. 


581 


Bürger  mit  Streitrossen  und  Schiffen  Beistand  leisten.  In 
der  Stadt  errichtet  der  Orden  eine  Burg.  Die  Bürger- 
schaft erhält  ein  Sechstel  von  Samland  und  in  "Warmien 
2500  Hufen.  Die  Abmessung  derselben  soll  von  Lempten- 
burg  [Lenzenburg]  aus  erfolgen,  auf  der  einen  Seite 
[von  Lemptenburg]  am  Ufer  hin  gegen  die  Lipza, 
auf  der  andern  Seite  gegen  Natangen  hin,  bis  daß 
in  Warmien  selbst  in  einem  zusammenhängenden 
Stücke  die  Hufenzahl  voll  wird.     (Habebunt  etiam 

cives  in  "Warmia  mansos  duo  milia  et  quingentos 

a  Lemptenburc  contra  Lipzam  mensurandos  in  litore  in 
una  parte,  et  in  altera  contra  Natangiam,  donec  in  ipsa 
"Warmia  contigue  ipsorum  mansorum  numerus  impleatur). 
Die  Bürger  erhalten  außerdem  die  Fischerei  bis  Witlands- 
ort. 52)    Die  Lemptenburg  verbleibt  dem  Orden,  die  Bürger 
dürfen  sie  aber  ausbauen;  bevor  der  Bau  der  Stadt  beginnt, 
ist  sie  dem  Orden  wieder  einzuräumen.    Die  inneren  Ge- 
bäude dürfen  die  Bürger  jedoch  in  die  Stadt  übertragen. 63) 
Diejenige  Stelle,  welche  von  der  Abmessung  der  2500  Hufen 
in  dieser  Urkunde  handelt,  macht  sie  zur  wichtigsten  für  den 
Gegenstand  unserer  Untersuchung.  Um  sie  richtig  zu  verstehen, 
versetze  man  sich  im  Geiste  auf  den  allgemein  als  die  alte 
Lemptenburg  anerkannten  Lenzenberg  bei  Brandenburg,  den 
Ausgangspunkt  der  Messung.    Nimmt   man  hier  zuerst  eine 
solche  Stellung  an,  daß  man  seine  linke  Seite  der  Pregel- 
mündung  zukehrt,  so  gewahrt  man,  daß  sich  der  vorgeschriebenen 
Messung  auf  dieser  Seite  keine  Schwierigkeiten  entgegenstellen, 
denn  man  hat  hier  den  Pregel  und  auch  das  Haffufer,  welchem 
entlang  gemessen  werden  soll,  daß  aber  auf  der  andern  Seite 
ganz  "Warmien  durchmessen  werden  kann,  ohne  jemals  Natangen 
zu  erreichen.    Nimmt  man  nun  eine  Stellung  an,  in  welcher 
man  die  Grenze  Natangens  gerade  zur  rechten  Seite  hat,  so 

52)  Die  Landzunge  an  der  sudwestlichen  Ecke  des  Samlands,  wo  an 
dem  damaligen  Tief  1270  das  Ordenshaus  Lochstädt  erbaut  wurde. 

53)  Woelky-Philippi,  Neu9s  Preui.  Urkundenb.  No.  177. 


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58'2  Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 

läßt  sich  zwar  wieder  die  Messung  auf  dieser  Seite  ausfuhren, 
auf  der  andern  dagegen,  der  linken,  stellt  sich  hier  unmittelbar 
neben  dem  eingenommenen  Standpunkte  das  Haff  als  unüber- 
windliches Hinderniß  entgegen  und  es  fehlt  hier  der  Pregel  und 
das  Ufer,  längs  dem  gemessen  werden  soll.    Da  die  Annahme 
ausgeschlossen  ist,  die  beiden  streitenden  Parteien  hätten  in 
dem  Bischof  von  Culm  einen  mit  den  geographischen  Verhält- 
nissen des  Landes  ganz  unbekannten  Mann  als  Schiedsrichter 
in  einer  so  wichtigen  Angelegenheit  angenommen,  welcher  so 
unsinnige  Bestimmungen  erlassen  konnte,  wie  anscheinend  die 
über  die  Abmessung  der  2500  Hufen,  so  ist  man  gezwungen, 
für  die  damalige  Zeit  Terrainverhältnisse  anzunehmen,  welche 
von  den  gegenwärtigen  sehr  verschieden  sein  mußten,  damit 
den  für  die  Messung  gegebenen  Anweisungen  gefolgt  werden 
konnte.  M)    Diese  Anweisungen  nun  setzen  an  Stelle  der  jetzigen 
Wasserfläche  des  Haffes  die  Existenz  eines  ausgedehnten  zu 
Warmien  gehörigen  Striches  festen  Landes  voraus,  welcher  sich 
in  nordwestlicher,  nördlicher  und  nordöstlicher  Richtung  von 
der  Lenzenburg  erstreckte  und  nach  diesen  Richtungen  hin  von 
dem  Pregel  begrenzt  wurde,  dessen  Ausmündung  in  das  Haff 
der  Anlegung  eines  Hafens  günstig  war.    Von  dieser  nordwest- 
lich von  der  Lenzenburg  gelegenen  PregelmÜndung  aus,  so  wird 
weiter  vorausgesetzt,  hat  sich  das  Haffufer  des  gedachten  Land- 
striches zur  Lenzenburg  hingezogen,  und  zwar  derartig,  daß 
wenigstens  ein  bedeutender  Theil  dieses  Ufers  die  Lenzenburg 
mit  einer  ungefähr  senkrechten  Richtung  auf  die  weiter  süd- 
östlich vorüberziehende  natangische  Grenze  getroffen  hat.  Eine 
unbefangene  Prüfung  der  obigen  Urkunde  muß  zu  dieser  Er- 
klärung als  der  natürlichsten  führen,  während  eine  auf  die 
jetzigen  Terrainverhältnisse  sich  beziehende  immer  eine  ge- 
zwungene sein  wird.    Daher  kann  ich  auch  der  Deutung  des 
Herrn  Dr.  Toppen  nicht  beistimmen,  denn  dieser  will  die 


64)  In  ähnlichem  Sinne  hat  auch  Voigt  diese  Stelle  der  Urkunde 
aufgefaßt. 


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Von  C.  Berkheim. 


583 


Messung  auf  der  einen  (rechten)  Seite  nach  Natangen  aus- 
fuhren lassen,  auf  der  andern  längs  des  jetzigen  Haffufers 
gegen  den  Pregel  hin.  Das  ist  aber  nicht  die  andere  (linke), 
der  Richtung  nach  Natangen  also  entgegengesetzte 
Seite,  es  ist  vielmehr  die  Richtung  nach  der  Front  mit  einer 
Neigung  zur  natangischen  Seite  hin,  welche  schließlich  wieder 
zur  natangischen  Grenze  führt.  Eine  derartige  Messung  ent- 
spricht durchaus  nicht  der  vom  Aussteller  der  Urkunde  ge- 
gebenen Anweisung.  Aus  dieser  Urkunde  läßt  sich  auch  noch 
das  Folgende  ohne  allen  Zwang  herauslesen.  Der  Orden  soll 
in  der  zu  gründenden  Stadt  eine  Burg  erbauen.  Es  ist  selbstver- 
ständlich, daß  dieser  Bau  zuerst  vorgenommen  werden  mußte,  um 
sogleich  einen  festen  Punkt  gegen  feindliche  Angriffe  in  dem 
noch  nicht  unterworfenen  Lande  zu  gewinnen.  "Wir  sehen 
ferner,  daß  den  Lübeckern  die  Lenzenburg  bis  zum  Beginn  des 
Aufbaues  der  Stadt  eingeräumt  werden  soll,  sie  soll  also  einst- 
weilen die  Stelle  der  in  der  Stadt  anzulegenden  Burg  vertreten. 
Dieser  Bestimmung  konnte  sie  aber  bei  der  nicht  ganz  unbe- 
deutenden Entfernung  nur  dann  entsprechen,  wenn  zwischen 
dem  Bauplatze  der  Stadt  und  der  Lenzenburg  eine  sichere 
Verbindung  herzustellen  war,  welche  im  Falle  der  Noth  das 
schnelle  Heranziehen  der  auf  der  Lenzenburg  untergebrachten 
Reservemannschaft  der  Lübecker  —  sie  sollten  Streitrosse  zum 
Baue  stellen  —  ermöglichte.  Es  mußte  daher  zwischen  den 
beiden  Punkten  festes  Land  vorhanden  sein,  auf  welchem  die 
berittene  Besatzung  der  Burg  schnell  und  sicher  bis  zum  Pregel 
und  dort  mittels  bereitgehaltener  Fähren  und  auf  Brücken  zum 
Bauplatze  gelangen  konnte.  Die  Lübecker  sollten  den  Bau  der 
Stadt  zwar  auch  durch  Gestellung  von  Schiffen  unterstützen, 
diese  konnten  aber  bei  der  Lenzenburg  nicht  immer  zur  Ein- 
schiffung der  Mannschaft  bereit  liegen,  und  außerdem  war  der 
Transport  zu  "Wasser  zu  sehr  von  "Wind  und  "Wetter  abhängig 
und  die  Ein-  und  Ausschiffung  von  Mann  und  Roß  viel  zu 
zeitraubend.  Die  Entfernung  von  der  Lenzenburg  bis  zum 
gegenüberliegenden  Ufer  der  Landzunge  von  Peyse,  woselbst, 


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584 


Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natanj^en. 


wie  weiter  unten  dargelegt  werden  soll,  die  Stadt  lag,  beträgt 
ca.  I1/*  Meile,  die  nach  der  jetzigen  Pregelmündung,  wo  nach 
Töppen'8  Auslegung  die  Stadt  zu  suchen  wäre,  über  Land  mehr 
als  das  Doppelte.  Die  Heranziehung  der  Truppen  von  der 
Lenzenburg  zur  Unterstützung  war  also  von  jenem  Punkte  aus 
viel  leichter  und  schneller  zu  bewirken  als  von  diesem.  Dasselbe 
gilt  von  einem  nothwendig  werdenden  Eückzuge  der  Arbeiter 
und  Bedeckungsmannschaft  zur  Lenzenburg.  Diese  Burg  würde 
für  den  Bauplatz  an  der  jetzigen  Pregelmündung  der  bedeuten- 
den Entfernung  halber  überhaupt  kaum  noch  als  Stützpunkt 
und  Zufluchtsort  gelten  können. 

3.  1257  d.  14.  Mai.  Königsberg.  Heinrich,  Bischof 
von  Samland,  urkundet  über  die  Theilung  des  Berges,  auf 
dem  die  Burg  Königsberg  steht.  Von  den  drei  Theilen, 
dem  Platze,  auf  dem  die  Bausteine  liegen,  der  Vorburg 
und  der  zuerst  erbauten  Burg,  wählt  der  Bischof  den 
letzten.  Dann  wird  vom  Pregel  aus  nordwärts  ein  Areal 
abgemessen,  (dessen  Grenzen  sich  jetzt  durch  folgende 
Punkte  bestimmen  lassen:  Ostseite  des  löbnichtschen 
Hospitals,  löbnichtsche  Kirche,  östliches  Ufer  des  Schloß- 
teiches, Knie  der  Chaussee  Königsberg-Quednau  südöstlich 
Maraunen,  Sägerhof,  Neue  Bleiche,  Pregel),  welches  eben- 
falls in  drei  Theile  zerlegt  wird.  Fällt  dabei  der  Mühlen- 
teich, von  dem  der  Orden  zwei  Drittel  beansprucht,  in  das 
Drittel  des  Bischofs,  so  wird  dieser  anderweitig  ent- 
schädigt. y°) 

4.  1258  d.  11.  März.  Elbing.  Anselm,  Bischof  von 
Ermland,  und  H.,  Bischof  von  Culm,  Schiedsrichter 
zwischen  dem  Bischof  H.  von  Samland  und  dem  Viceland- 
meister  Gerhard,  bestimmen,  daß  innerhalb  dreier  "Wochen 
die  Theilung  Samlands  erfolgen  soll-  Verschiedene  Be- 
schwerdepunkte, darunter  auch  der  über  die  Belehnung  der 


56)  Perlbach,  Preuß.  Regest.  No.  542. 


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Von  C.  Beckherrn. 


685 


Lübecker  mit  einem  Drittel  von  Samland  und  Über  deren 
Aufhebung  werden  fallen  gelassen.66) 
Durch  die  Aufhebung  der  Belehnung  der  Lübecker  mit 
dem  Gebiete  im  Samlande  mußte  natürlich  die  Entwickelung 
der  jungen  Kolonie  sehr  beeinträchtigt  werden.  Es  liegt  nicht 
fern,  den  Grund  zu  dieser  Maßregel  in  der  inzwischen  erfolgten 
Erbauung  des  Ordenshauses  Königsberg  (1256)  zu  suchen,  neben 
welchem  sich  auch  bald  die  Anfänge  einer  Stadt  zeigen.  (Ein 
Pfarrer  von  Königsberg  wird  schon  1258  erwähnt.  Vergl.  No.  6). 
Beide  hatten  für  die  weiteren  Pläne  des  Ordens  eine  viel 
günstigere  Lage  in  strategischer  Hinsicht  als  die  Stadt  der 
Lübecker;  das  Emporblühen  der  letzteren  zu  hemmen  zu  Gunsten 
der  schnelleren  Entwickelung  Königsbergs  lag  also  ganz  im 
Interesse  des  Ordens. 

5.  1258  d.  12.  März.  Elbing.  Dieselben  beurkunden, 
daß  beide  Theile  sich  verpflichtet  haben,  innerhalb  eines 
Monats  nach  Ostern  Samland,  soweit  es  bewohnt  wird 
(inhabitatur) ,  zu  theilen,  ebenso  die  Insel  Nergia  [die 
frische  Nehrung].  Die  Theilung  der  Insel  Nestland 
wird  von  späterer  Anregung  des  einen  oder  des 
anderen  Theiles  abhängig  gemacht.  Die  im  Pregel, 
welcher  die  Grenze  der  Diöcese  gegen  Süden  bildet,  ge- 
legenen Inseln  sollen  zu  dem  Theile  gehören,  von 
welchem  sie  durch  die  größere  Tiefe  des  Flusses 
geschieden  werden,  (de  fluvio  pregore,  per  quem  pre- 
dicta  dyocesis  ad  meridiem  limitatur,  sio  ab  utraque  parte 
est  acceptatum,  quod  insule,  que  sunt  in  ipso  pertineant 
ad  illam  partem,  a  qua  per  maiorem  profunditatem  fluvii 
dividuntur),  wenn  aber  Flüsse  anderer  Namen  daselbst 
eine  Insel  bilden,  wird  der  Pregel,  sei  er  grösser  oder 
geringer,  als  Grenze  angenommen.  ö1) 


56)  Cod.  dipl.  Pruaa.  I,  No.  114. 

57)  Cod.  dipl.  Pruas.  I,  No.  115. 

Altpr.  MonntMchrift  Bd.  XXIII.  Hf t  7  u.  8. 


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586 


Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 


Hieraus  erhellt,  daß  die  Insel  Nestland  keine  der  Pregel- 
inseln  war,  und  daß  diese  letzteren  nicht  in  sich  getheüt, 
sondern  nur  als  ganze  vertheilt  werden  sollten. 

6.  1258  d.  3.  Mai.  Elbing.  Gerhard  von  Hirzberg, 
Vicelandmeister,  ur kündet,  daß  er  Samland  zwischen  den 
äußeren  Hagen  und  die  Nehrung  in  drei  Theile  getheüt 
habe.  [Der  sehr  complicirte  Theilungsmodus  des  sam- 
ländischen  Continents  mit  der  Landzunge  von  Witlandsort 
und  der  Nehrung  kann  hier  übergangen  werden.  "Wichtig 
ist  aber  das  Nachstehende.]  „Die  Insel  schräge  gegen- 
über der  Stadt"  (insula  ex  transverso  civitatis)  ist 
ebenfalls  getheilt  worden,  und  zwar  so,  daß  19  Seile 
auf  dem  unteren  Ende  dem  ersten  Drittel,  18  Seile  auf 
dem  oberen  Ende  dem  zweiten  Drittel  und  18  Seile  in  der 
Mitte  dem  dritten  Drittel  des  getheilten  Landes  zufallen 
sollen.  Der  Bischof  hat  diejenigen  Theile  des  aufgeteilten 
Landes  gewählt,  welche  das  erste  Drittel  bilden.  Unter 
den  Zeugen  wird  genannt:  Herr  Gyrhard,  Pfarrer  von 
Königsberg.  M) 

Die  Gebietstheilung  zwischen  dem  Orden  und  dem  Bischof 
vom  Jahre  1257  hatte  sich  auf  keine  der  vorhandenen  Inseln 
erstreckt  (vergl.  No.  3),  die  vom  12.  März  1258  betraf  nur  die 
Pregelinseln  (No.  5)  und  war  auch  bis  zum  Jahre  1322  noch 
nicht  zur  Ausführung  gekommen  (No.  11  s.  weiter  unten),  und 
in  Betreff  der  oberen,  bei  Königsberg  gelegenen  Pregelinseln 
ersehen  wir  aus  No.  9  und  No.  12  noch  besonders,  daß  sie  sich  im 
Jahre  1286  resp.  1322  noch  ganz  im  Besitze  des  Ordens  befanden. 
Die  Insel  „schräge  gegenüber  der  Stadt"  der  obigen  Urkunde 
konnte  mithin  keine  der  Pregelinseln  überhaupt  sein,  weil  sie 
eben  in  drei  Theile  zerlegt  wurde,  während  jene  nur  als  un- 
getheilte  Stücke  den  verschiedenen  Gebietstheilen  zugeschlagen 
werden  sollten  (No.  6),  und  insbesondere  keine  der  bei  der  Stadt 
Königsberg  gelegenen,  weil  diese  1286  noch  ungetheilt  im  Besitze 


68)  Cod.  dipl.  Pruss.  I,  No.  116. 


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i 


Von  C.  Beckherrn. 


587 


des  Ordens  waren  (No.  9).  Sie  kann  daher  nur  eine  im  Haff 
gelegene  Insel  gewesen  sein  and  ist  jedenfalls  identisch  mit  der 
Insel  Nestland,  welche  von  den  Pregelinseln  ausdrücklich  unter- 
schieden wird  und  deren  Theilung  kurz  vorher  von  einer  be- 
sonderen Uebereinkunft  abhängig  gemacht  worden  war  (No.  6), 
und  mit  der  „kleineren  Insel"  der  Urkunde  von  1263  (No.  8), 
von  welcher  der  Bischof  ein  Drittel,  nämlich  das  bei  der  Theilung 
von  1258  (No.  6)  ihm  zugefallene,  an  den  Orden  vertauscht. 
Die  Stadt,  welcher  diese  Insel  schräge  gegenüber  lag,  ist  also 
unzweifelhaft,  da  Königsberg  es  nicht  sein  kann,  wie  oben  gezeigt 
wurde,  die  Stadt  der  Lübecker  gewesen,  denn  eine  dritte  Stadt 
gab  es  im  Samlande  nicht.  M)  Daher  ist  sie  auch  identisch  mit 
der  „alten  Stadt"  der  Urkunde  No.  10.  Diese  hat,  wie  aus 
No.  10  zu  ersehen  ist,  an  irgend  einem  Punkte  der  Süd-  oder 
Südostküste  der  Landzunge  von  Peyse  gelegen  und  ihr  schräge 
gegenüber  also  die  Insel  Nestland  in  einer  sich  bis  zum  Lankefließ 
(Wasser  Medenow)  ausdehnenden  Bucht  des  Hafl'es,  in  welche 
der  Pregel  oder  ein  Hauptarm  desselben  mündete,  und  in  welcher 
nach  No.  9  die  Bürger  von  Königsberg  und  nach  No.  10  die 
von  Fischhausen  berechtigt  waren  zu  fischen.  Hier  bei  der 
Stadt  der  Lübecker  und  vor  der  Mündung  des  Pregels  (der  Lipza) 
befand  sich  auch  der  Hafen  der  Lipza.   (Vergl.  No.  2.) 


59)  Toppen  ist  der  Ansicht,  mit  dieser  Stadt  sei  die  Stadt  Königsberg 
gemeint  und  die  Insel,  welche  getheilt  wird,  sei  eine  der  Pregelinseln  bei 
Königsberg  gewesen,  und  zwar  die,  welche  zwischen  den  beiden  noch  im 
vorigen  Jahrhundert  vorhandenen  Mündungsarmen  gelegen  hat.  Der  Pregel 
hat  allerdings  in  früherer  Zeit,  wie  auch  aus  den  Urkunden  No.  6  und  No.  9 
hervorgehen  dürfte,  unterhalb  Königsbergs  mehrere  Inseln  gebildet.  Von 
diesen  erhielten  die  Bürger  Königsbergs  im  Jahre  1286  (No.  9)  die  eine, 
nämlich  die  nach  der  Stadt  zu  liegende,  sie  muß  sich  also  damals  noch  im 
Besitze  des  Ordens  befunden  haben  und  kann  nicht  schon  1258  vertheilt 
worden  sein.  Auf  die  von  dieser  durch  einen  Pregelarm,  den  jetzigen  Beek« 
flufl,  getrennten  noch  weiter  unterhalb  befindlich  gewesenen  Insel  paßt  aber 
die  Bezeichnung  „schräge  gegenüber  der  Stadt"  ganz  und  gar  nicht,  denn 
eigentlich  kann  man  diese  Bezeichnung  schon  auf  die  erstere  zwischenliegende 
Insel  nicht  anwenden,  da  die  Stadt  Königsberg  damals  noch  jenseits  des 
Schlosses  in  der  Gegend  der  polnischen  Kirche  lag. 

38* 

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588 


Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  NatAngen. 


T.  1268.  Königsberg.  Bischof  Heinrich  von  Samland 
nrkundet,  daß  er  45  Seile  den  Pregel  aufwärts  erhalten 
habe  von  dem  letzten  Seil  der  vorigen  Theilung,  vom 
Pregel  1/i  Meile  gegen  Samland  hin,  der  Orden  dagegen 
80  Seile  den  Pregel  abwärts  und  1/t  Meile  nach  Samland 
hinein.  Die  Zuflüsse  des  Pregels  sollen  auf  eine  bestimmte 
Entfernung  gemeinsam  sein  mit  Ausnahme  der  Gewässer, 
welche  dem  Bischof  schon  bei  der  ersten  Theilung  zu- 
gefallen sind.  60) 

8.  1263  d.  1.  Januar.  Elbing.   Bischof  Heinrich  von 
Samland   vertauscht   mit  dem  Hochmeister  Anno  gegen 
50  Hufen  im  Culmerlande  seine  Burg  in  Königsberg,  das 
Allodium  bei  derselben,  ein  Drittel  der  Mühle  bei  Lauth, 
30  Hufen  bei  Absowe  [nicht  mehr  vorhanden],  30  Hufen 
am  Ende  der  Güter  der  Bürger  der  Stadt  Königsberg 
[bei  Lawsken],  die,  wenn  sie  nicht  die  gehörige  Breite 
erhalten  können,  noch  weiter  den  Pregel  abwärts  verlängert 
werden  sollen,  und  ein  Drittel  der  „kleineren  Insel".51) 
Von  der  „kleineren  Insel"  ist  schon  oben  unter  No.  6  ge- 
handelt worden.    Die  Deutung  des  Wortes  „kleinere"  (minoris 
insulae)  ist  schwierig.    Man  könnte  vielleicht  annehmen  wollen, 
die  so  bezeichnete  Insel  sei  eine  der  drei  Pregelinseln  bei 
Königsberg  gewesen,  und  zwar  die  mittlerer  Größe,  also  die 
unterhalb  der  Stadt  gelegene;  dieser  Annahme  würde  aber  der 
Umstand  entgegenstehen,  daß  der  Bischof  von  dieser  Insel,  wie 
überhaupt  von  einer  Pregelinsel  keinen  Antheil  besitzen  konnte, 
wie  unter  No.  6  ausgeführt  worden  ist.    Wollte  man  dagegen 
eine  etwaige  Ungenauigkeit  des  Ausdrucks  gelten  lassen  und 
die  kleinste  der  drei  Inseln,  nämlich  den  Kneiphof,   als  die 
„kleinere  Insel"  ansehen,  so  würde  man  noch  ausdrücklich  durch 
die  Urkunde  No.  12  belehrt  werden,  daß  der  Bischof  erst  1322 
in  den  Besitz  der  Hälfte  dieser  Insel  gelangt  ist.    Es  bleibt 


60)  Perlbach.  Regest.  597. 

61)  Cod.  dipl.  Prnss.  I,  No.  143. 


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Von  C.  Berkheim. 


589 


daher  nur  übrig,  die  in  der  Haffbucht  gelegene  „Insel  schräge 
gegenüber  der  Stadt"  (No.  6),  auf  welcher  der  Bischof  factisch 
ein  Drittel  besaß,  als  die  „kleinere  Insel"  anzunehmen.  Ihre 
Bezeichnung  als  kleinere  wurde  sie  dann  dem  Umstände  ver- 
danken können,  daß  in  ihrer  Nähe  eine  größere,  vielleicht  eine 
von  der  Haffbucht  und  zwei  Mündungsarmen  des  Pregel  s  gebildete 
Insel  vorhanden  gewesen  wäre. 

O.  1286  d.  28.  Febr.  Königsberg.  Conrad  von  Thier- 
berg, Landmeister,  verleiht  den  Bürgern  von  Königsberg 
das  Culmer  Recht.  Sie  erhalten  das  Land  von  der  Stadt 
den  Pregel  abwärts  bis  zum  Felde  Lawsken  eine  halbe 
Meile  breit,  ausgenommen  die  Pfarrhufen  und  ein  Seil  am 
Pregel,  auf  dem  größeren  "Werder  oberhalb  im  Pregel 
von  der  nördlichen  Hälfte  d  er  Länge  nach  90  Seile. 
Von  dem  unteren  Theile  wird  das  der  Insel  des  Vogts 
gegenüberliegende  Stück  dem  Orden  und  den  Bürgern  zu 
gemeinsamer  Benutzung  vorbehalten.  Die  nach  der  Stadt 
zu  liegende  untere  Insel  erhält  die  Stadt,  die  Vogts- 
Insel  [Kneiphof]  behält  der  Orden.  Die  Bürger  dürfen 
im  frischen  Haff  fischen  vom  Pregel  bis  zum  Walde 
Poews  [Peyse].  M) 

Hier  wird  constatirt,  daß  zwischen  der  Landzunge  von 
Peyse  und  den  Pregelmündungen  eine  Bucht  des  Haffes  vor- 
handen war,  welche  sich  nach  dem  Schlußpassus  von  No.  10  bis 
zum  Lankefließ  (Wasser  Medenow)  hinauf  ausdehnte.  Ueber  die 
Inseln  vergl.  No.  6. 

10.  1299  d.  7.  April.  Schönewiek.  Bischof  Siegfried  von 
Samland  verleiht  der  Stadt  Schönewiek  [Fischhausen]  ein 
Privilegium. 63)  Sie  erhält  ein  Gebiet  in  folgenden  Grenzen. 
Vom  frischen  Haff  (recenti  stagno)  aufwärts  zu  gehen  vor 


62)  Perlbach,  Regest.  969. 

63)  Die  bischöfliche  Burg  Schönewiek  wurde  ca.  1264  erbaut  und  in 
ihrer  Nähe  1268  einige  Burglehen  ausgegeben. 


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590 


Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 


dem  "Walde  Rogys  bis  zu  einem  Grenzmale  am  Wege, 
welcher  vom  Dorfe  Singoren  (Laygayne)  [Legehnen]  her- 
kommt, in  demselben  Walde  von  diesem  Grenzmale  in 
schräger  Eichtung  über  den  Weg,  welcher  vom  Dorfe 
Megothen  (Wosian,  Woliten)  [nicht  mehr  vorhanden]  her- 
kommt bis  zu  gezeichneten  Bäumen  und  von  hier  hinab 
zum  vorgenannten  Wege  nach  der  Stadt  (versus  civitatem) 
und  dann  bis  zum  frischen  Haff.  Ein  kleineres  Stück  Land 
liegt  am  Bache,  welcher  über  die  Mühle  fließt,  drei  Seile 
breit  zu  beiden  Seiten  des  Baches  vom  zweiten  Graben 
neben  dem  Viehhofe  ab  bis  zu  dem  Graben,  welcher  in  das 
bischöfliche  Feld  an  dem  Bache  hinübergeht,  von  diesem 
Graben  geradeaus  hinüber  zu  dem  Theile  auf  der  andern 
Seite  des  Baches.  An  dieses  Grundstück  schließt  sich  ein 
anderes  in  der  Breite  von  3  Seilen  bis  zur  Grenze  der 
Einwohner  von  Geydow  [Geidau].  Von  hier  aus  zieht  sich 
die  Grenze  des  Stadtgebietes  die  Geidausche  Grenze  entlang 
bis  zur  Grenze  des  Hermann  von  Blodow  [Bludau]  hin, 
dann  von  dem  äußersten  Ende  derselben  bis  zu  einem 
Graben,  an  dem  ein  Grenzmal  steht.  Von  hier  soll  man 
weiter  gehen  bis  zum  Bache  Bludau  [Forkensches  Fließ] 
und  an  diesem  auf  der  inneren  [nördlichen]  Seite  hinunter 
nach  dem  frischen  Haff  hin  bis  zu  der  Landwehr  und  von 
hier  bis  zu  dem  Winterwege,  auf  welchem  man  zur 
Winterzeit  durch  den  Sumpf  [Hengstbruch]  nach  der 

„alten  Stadt"  geht.   (Damus  in  latum  tres  funes 

usque  ad  graniciam  illorum  de  Geydow  et  juxta  graniciam 
illorum  de  Geydow  [procedendo  usque  ad  graniciam  Her- 
man]ni  de  Blodow.  Ceterum  de  ultima  granicia  Hermanni 
[de  Bludow]  usque  ad  fossatum,  ubi  granicia  est  distincta 
et  ab  eadem  granicia  procedendo  usque  [ad  aquam  que 
Bl]odow  nuncupatur.  Item  juxta  eandem  aquam  in  latere 
viciniori  descendendo  versus  recens  mare  usque  ad  terre 
defensionem  et  abinde  usque  ad  viam  [hiemalem  qua  itur 
per  paludem  tempore]   yemali   versus   antiquam  civita- 


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Von  C.  Beckherrn. 


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tem.  M)  Von  dem  zwischen  der  Landwehr  und  dem  Winter- 
wege  liegenden  Theile  behält  sich  der  Bischof  ein  5  Seile 
breites  Stück  vor,  abzumessen  vom  Haff  her  in  den  Sumpf 
hinein.  Auch  behält  er  sich  vor  einen  in  den  Grenzen 
des  Damo  liegenden  Theil,  welcher  sich  von  der  Landwehr 
aus  neben  dem  nach  Bludau  führenden  Wege  durch  den 
Wald  Wischerod  erstreckt  und  von  dem  Wege  vor  diesem 
Walde  bis  zur  Grenze  von  Geidau.  Die  Bürger  dürfen  im 
Umkreise  einer  Meile  in  den  bischöflichen  Wäldern  Holz 
fällen,  im  Walde  von  Neplok  [Neplecken]  bis  zu  dem  Wasser 
Medenow  [Lankefließ]  und  dem  Haff.  Sie  erhalten  freie 
Fischerei  im  Haff  bis  zum  Wasser  Medenow. 86 •) 

Die  Grenzbeschreibung  der  Stadt  Fischhausen  beginnt  an 
einem  westlich  der  Stadt  am  Haff  gelegenen  Punkte,  führt  uns 
dann,  im  Ganzen  etwa  einen  Halbkreis  beschreibend,  nördlich 
um  die  Stadt  herum  und  endigt  im  Osten  in  dem  Hengstbruche 
an  einem  durch  diesen  Bruch  fuhrenden  Winterwege.  Daraus 
folgt,  daß  dieser  Weg  sich  dicht  am  Ufer  des  Haffes,  welches 
die  weitere  Grenze  bildet,  hingezogen  hat,  denn  sonst  würde  in 
der  Grenzlinie  eine  Lücke  bleiben.  Diese  Lage  des  Weges 
geht  überdies  auch  aus  der  Stelle  der  Urkunde  hervor,  in 
welcher  der  Bischof  sich  das  5  Seile  breite  Stück  vom  Haff  in 
den  Sumpf  hinein  vorbehält.  Dieser  Weg  besteht  theils  als 
Fahrweg,  theils  als  Fußweg  noch  gegenwärtig.  Er  folgt  von 
Fischhausen  aus  genau  dem  zuerst  Östlich  laufenden,  dann  sich 
südwärts  wendenden  Ufer  des  Haffes  und  hört  bald  nachdem 
er  den  Hengstbruch  verlassen  hat  an  dem  Punkte  auf,  wo  er 
von  einem  von  Neplecken  zum  Haffufer  führenden  Wege  durch- 
schnitten wird.  In  der  Grenzbeschreibung  wird  er  als  derjenige 
bezeichnet,  auf  welchem  man  zur  Winterzeit  nach  der  „alten 
Stadt"  geht.    Wo  ist  diese  alte  Stadt  zu  suchen?   Zur  genauen 


64)  Die  eingeklammerten  Stellen  bezeichnen  Lücken,  welche  aus  dem 
hier  gleichlautenden  Privilegium  der  Stadt  von  1905  ergänzt  worden  sind. 
66  a)  Cod.  dipl.  Prnss.  II,  No.  99. 


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Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 


Bezeichnung  eines  "Weges  ist  die  Angabe  zweier  bekannter 
Punkte  oder  Orte,  welche  er  verbindet  erforderlich.  Befindet 
man  sich  selbst  mit  Demjenigen,  dem  man  den  Weg  bezeichnen 
will,  an  einem  dieser  Orte,  so  ist  die  Angabe  dieses  letzteren 
nicht  durchaus  nothwendig,  man  unterläßt  dieselbe  daher  auch 
meistens  in  der  Praxis.  Denn  man  würde  sich,  um  z.  B.  den 
Weg  von  Rudau  nach  Laptau  zu  bezeichnen,  einer  Person,  mit 
der  man  sich  in  Rudau  befände  durchaus  verständlich  machen, 
wenn  man  sagte:  Der  Weg  nach  Laptau.  Diesem  bequemen 
Gebrauche  ist  auch  der  Aussteller  der  obigen  Urkunde  gefolgt. 
Er  befand  sich  mit  den  Bürgern,  denen  die  Bestimmungen  der 
Urkunde  galten  in  Fischhausen  und  bezeichnete  durch  die 
Worte  „versus  antiquam  civitatem"  die  Lage  und  Richtung 
eines  Weges,  welcher  von  Fischhausen  fort  nach  einer  alten 
Stadt  hin  führte  und  nicht,  wie  Herr  Dr.  Töppen  will,  von 
einem  Punkte  in  der  Grenzlinie  des  Gebietes  der  Stadt  Fisch- 
hausen in  diese  selbige  Stadt  hinein.  65  b)  In  letzterem  Falle, 
wenn  mit  der  „alten  Stadt"  Fischhausen  gemeint  wäre,  würde 
in  der  Grenzbeschreibung  der  zur  genauen  Bestimmung  erforder- 
liche andere  Endpunkt  des  Weges  fehlen,  dieser  also  gleichsam 
in  der  Luft  schweben.  Das  konnte  später  um  so  mehr  zu 
Irrungen  und  Streitigkeiten  Anlaß  geben,  als  der  in  Rede 
stehende  Weg  sicherlich  nicht  der  einzige  in  dem  Bruche  war, 
dessen  wirtschaftliche  Ausnutzung  bei  seiner  bedeutenden  Aus- 


65h)  Man  wolle  die  nachstehende  Stelle  der  obigen  Urkunde  beachten: 
Item  juxta  eandem  aquam  (nämlich  Bach  Blodow  oder  Forkensches  Fließ) 
in  latere  viciniori  descendendo  versus  recens  mare.  Sie  wird  auch  erst 
verständlich,  wenn  man  sich  vergegenwärtigt,  daß  der  Aussteller  der  Urkunde 
die  Grenze  von  seinem  Standpunkte  in  der  Stadt  aus  beschreibt.  Behält 
man  diese  Sachlage  im  Auge,  so  empfängt  man  beim  Lesen  der  Stelle,  welche 
über  den  Winterweg  handelt  unwillkührlich.  noch  ehe  man  der  Sache  näher 
getreten,  den  Eindruck,  daß  der  Aussteller  dabei  die  Richtung  von  sich 
fort,  nicht  die  auf  sich  zu  im  Sinne  gehabt  hat.  Bezöge  sich  die  Bezeich- 
nung versus  antiquam  civitatem  auf  Fischhausen,  so  müßte  der  Aussteller 
der  Urkunde  sich  ausnahmsweise  im  Geiste  auf  den  Punkt  versetzt  haben, 
an  welchem  der  Winterweg  die  Grenzlinie  des  Stadtgebietes  durchschneidet. 


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Von  C.  Beckherrn. 


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dehnung  notwendigerweise  verschiedene  Wege  erforderte.  Um 
alle  Irrungen  zu  vermeiden  ist  die  Grenzbeschreibung  sehr 
genau  abgefaßt  und  insbesondere  vermißt  man  in  ihr  nicht  die 
genaue  Bestimmung  der  die  Grenzlinie  berührenden  oder  durch- 
schneidenden Wege.  So  ist  z.  B.  in  dem  östlichen  Theile  der 
Grenze  der  von  Fischhausen  nach  Bludau  fuhrende  Weg  so 
bezeichnet:  Intra  viam  que  ducit  versus  Blodow,  also  ganz  in 
derselben  Weise  wie  der  Weg  nach  der  „alten  Stadt".  Im  west- 
lichen Theile  des  Stadtgebietes  ist  dagegen  die  Richtung  eines 
die  Grenze  durchschneidenden  Weges  vom  Standpunkte  des 
Ausstellers  der  Urkunde  in  entgegengesetztem  Sinne  aufgefaßt, 
nämlich  als  von  außen  her  in  die  Stadt  hineinführend.  Die  be- 
treffende Stelle  lautet:  De  eadem  granicia  [ascendendo]  in  trans- 
verso  ultra  viam  que  ducit  de  villa  Megothen  [nicht  mehr  vor- 
handen] usque  ad  arbores  signatas  et  de  eisdem  signatis  arboribus 
descendendo  ad  predictam  viam  versus  civitatem  [hier  steht 
nicht  antiquam!]  usque  ad  recens  mare.  Man  ersieht  hieraus 
deutlich,  daß  der  Aussteller  der  Urkunde  hier,  wo  er  sich  den 
Weg  als  von  außen  in  die  Stadt  hineinführend  vorstellte,  es 
nicht  unterlassen  hat,  beide  Endpunkte  des  Weges,  das  Dorf 
Megothen  und  die  Stadt  Fischhausen,  bestimmt  anzugeben,  weil 
ihm  die  einfachere  Bezeichnung  (Weg  von  Megothen)  nicht 
genügte.  Die  „alte  Stadt"  kann  überdies  auch  schon  deshalb 
nicht  in  Fischhausen  gesucht  werden,  weil  dieser  Ort  ja  erst 
durch  diese  Urkunde  zur  Stadt  erhoben  wurde,  diese  auch  nach 
einem  einheitlichen  Plane  angelegt  ist,  welcher  nirgends  das 
ehemalige  Vorhandensein  eines  älteren  Stadtheiles  (einer  Alt- 
stadt) erkennen  läßt.  Die  wenigen  Burglehen,  welche  der 
Bischof  im  Jahre  1268  in  der  Umgebung  seiner  Burg  ausgegeben 
hatte,  können  schwerlich  auf  den  Namen  einer  Stadt  überhaupt, 
noch  den  einer  alten  Stadt  Anspruch  machen. M)  Die  „alte 
Stadt"  in  Königsberg  zu  suchen,  ist  ebenfalls  unstatthaft.  Dort 
gab  es  damals  (1299)  weder  eine  alte  Stadt  noch  eine  Altstadt, 


66)  Ea  waren  ihrer  nnr  fünf.   (Vergl  Cod.  dipl.  Prua».  I,  No.  158.) 


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Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 


denn  die  um  die  polnische  Kirche  herumliegende  Ortschaft, 
welche  man  vielleicht  eine  Stadt  nennen  könnte,  existirte  erst 
seit  ca.  1258,  war  auch  1264  von  den  Preußen  zerstört  worden 
und  also,  vorausgesetzt  sie  wäre  wieder  aufgebaut  worden,  keine 
alte  Stadt.  Die  später  im  Jahre  1286  gegründete  Stadt  zwischen 
Schloß  und  Pregel  konnte  erst  zur  Altstadt  werden,  nachdem 
neben  ihr  im  Jahre  1300  eine  Neustadt,  der  Löbenicht,  ent- 
standen war.  Ferner  kann  man  nicht  die  Richtung  eines  unbe- 
deutenden Vicinalweges ,  wie  es  der  Winterweg  durch  den 
Bruch  unzweifelhaft  war,  nach  einem  über  vier  Meilen  entfernten 
Orte  bestimmen,  das  ist  nur  zulässig  bei  Hauptstraßen.  Endlich 
ist  noch  zu  beachten,  daß  dieser  Winterweg  durch  den  Bruch 
jedenfalls  zu  dem  Zwecke  angelegt  war,  die  „alte  Stadt"  in 
kürzerer  Zeit  und  mit  geringerer  Anstrengung  zu  erreichen, 
sobald  der  eingetretene  Frost  es  gestattete,  als  es  auf  dem  doch 
ebenfalls  vorhandenen  in  den  andern  Jahreszeiten  benutzten 
Wege  möglich  war,  denn  dieser  mußte  hier  den  Bruch  nördlich 
umgehen,  beschrieb  zu  seinem  Ziele  hin  also  einen  Bogen, 
während  der  Winterweg  eine  möglichst  gerade  Linie  einhielt, 
denn  sonst  wäre  er  zwecklos  angelegt  worden.  Dieser  letztere 
ist  daher  auch  zugleich  der  Wegweiser  zu  der  gesuchten  „alten 
Stadt";  er  weist  aber  nicht  nach  Königsberg  hin  sondern  nach 
irgend  einem  Punkte  an  der  südlichen  oder  südöstlichen  Küste 
der  Landzunge  von  Peyse,  und  hier  lag,  wie  aus  No.  2  und  No.  6 
ersichtlich  ist,  die  Stadt  der  Lübecker.  Der  kürzeste  Weg  nach 
Königsberg  führte  in  ziemlich  gerader  Linie  nördlich  an  dem 
Bruch  vorüber,  ein  Winterweg  durch  den  Bruch  nach  dieser 
Stadt  hin  wäre  also  ein  Umweg  und  ganz  überflüssig  gewesen; 
ein  solcher  kann  daher  niemals  existirt  haben.  Den  Ausdruck 
„alte"  Stadt  betreffend,  ist  noch  zu  bemerken,  daß  er  zweifach 
gedeutet  werden  kann,  einmal  als  Gegenüberstellung  der  beiden 
Städte  Fischhausen,  der  jüngeren,  und  Stadt  der  Lübecker,  der 
älteren,  woraus  geschlossen  werden  müßte,  daß  letztere  damals 
(1299)  noch  existirt  habe,  was  nicht  wahrscheinlich  ist.  Die 
andere  größere  Wahrscheinlichkeit  für  sich  habende  Deutung 


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Von  C.  Beokherm. 


B95 


ist  die,  daß  das  Wort  „alt"  hier  in  der  Bedeutung  von  ehemalig 
gebraucht  ist,  ein  Gebrauch,  der  nicht  selten  vorkommt.  Hat  z.  B. 
Jemand  ein  Haus  erbaut  und  wird  dieses  nach  einem  Jahre 
durch  Brand  zerstört,  so  wird  der  Besitzer,  nachdem  er  an 
anderer  Stelle  sich  wieder  ein  Haus  errichtet  hat,  von  jenem 
als  von  dem  alten  Hause  sprechen,  obgleich  es  nicht  alt  war 
und  überhaupt  nicht  mehr  existirt,  vielmehr  nur  noch  die  Stelle  be- 
kannt ist,  auf  der  es  gestanden.  In  diesem  Sinne  wird  auch  die 
Bezeichnung  der  Stadt  der  Lübecker  als  alte  Stadt  aufzufassen 
sein,  woraus  sich  dann  ergeben  würde,  daß  sie  zu  jener  Zeit, 
von  den  Einwohnern  verlassen,  bereits  in  Trümmern  gelegen 
habe.  Daß  uns  nicht  einmal  ihr  Name  überliefert  worden  ist, 
läßt  sich  wohl  aus  der  kurzen  Zeit  ihres  Bestehens  in  einem 
dem  Deutschen  Orden  noch  nicht  völlig  unterworfenen  Lande 
erklären,  in  welchem  die  viele  Jahre  hindurch  sich  immer 
wiederholenden  Baub-  und  Verheerungszüge  der  heidnischen 
Preußen  die  ältesten  Pflanzstätten  der  deutschen  Kultur  oft 
spurlos  vernichteten.  Auch  dürfte  sie  unter  den  aus  Urkunde 
No.  4  sich  als  wahrscheinlich  ergebenden  Umständen  wohl  kaum 
zu  einiger  Bedeutung  gelangt  sein.  fl7) 

11.  1322  d.  19.  Mai.  Königsberg.  Der  Bischof 
Johannes  von  Samland  bringt  unter  andern  Beschwerden 
gegen  den  Orden  auch  die  vor,  daß  alle  vom  Pregel 


67)  Vielleicht  hat  der  Orden  die  Burg,  welche  er  in  der  Stadt  er- 
bauen sollte,  nach  dem  Verfalle  der  letzteren  noch  eine  Zeit  lang  im  Stande 
und  besetzt  gohalten,  denn  Dusburg  (HI,  1B6)  erwähnt  ein  gewisses  Schloß 
(castrum  quoddam),  in  Samland  an  der  Haffküste  ungefähr  Brandenburg 
gegenüber  gelegen,  welches  Tj74  von  den  Warmiern  unter  Glappo,  der  dabei 
in  die  Gefangenschaft  des  Komturs  von  Königsberg  geräth,  belagert  wird. 
Das  würde  ganz  gut  auf  die  Burg  in  der  Stadt  der  Lübecker  passen,  um 
so  mehr,  als  von  einem  andern  derartig  gelegenen  Schlosse  sich  weder  eine 
Spur,  noch  irgend  eine  Nachricht  erhalten  hat.  Daß  auch  von  jener  Burg 
keine  Spur  mehr  vorhanden,  ließe  sich  daraus  erklären,  daß  die  Stelle,  auf 
der  sie  gestanden,  jetzt  vom  Haffe  bedeckt  sein  kann,  denn  das  Ufer  wird 
hier  von  den  Fluten  des  Haffes  nicht  unbeträchtlich  angegriffen.  So  ist 
z.  B.  nach  Gebauer  (N.  Pr.  Prov.  Bl.  VHI,  356)  die  Stelle,  auf  der  da» 
adlige  Gut  Zimmerbude  gestanden,  bereits  um  viele  Ruthen  überschwemmt. 


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596  Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Na  tätigen. 

eingeschlossenen  Inseln  (de  omnibus  insulis  que  in 
fluvio  Pregore  concluduntur)  wie  in  früherer  Zeit,  so 
auch  jetzt  noch  immer  nicht  getheilt  wären.  Er 
bittet,  daß  die  Theilung  nunmehr  ausgeführt  werde. 68) 

13.  1322  d.  20.  Mai.  Königsberg.  Vergleich  des 
Landmeisters  Friedrich  von  Wildenberg  mit  dem  Bischof 
Johann  von  Samland.  Dem  Bischof  wird  das  Allodium 
Lauth,  die  Hälfte  der  Voigtsinsel  [Kneiphof],  ein 
Roßgarten  auf  der  Insel,  welche  sich  von  Königs- 
berg nach  Arnau  hinauf  erstreckt,  und  ein  Theil  der 
Insel  bei  Arnau  abgetreten.  ft9) 

Das,  was  aus  der  Auslegung  der  mitgotheilten  Urkunden 
an  Thatsächlichem  sich  ergiebt,  ist  kurz  zusammengefaßt  Folgen- 
des. Zu  der  Zeit  als  der  Deutsche  Orden  die  Eroberung  Preußens 
begann,  fand  er  an  Stelle  der  "Wasserfläche  des  frischen  Haffes, 
welche  jetzt  die  Spitze  seines  nordöstlichen  Busens  zwischen 
der  Landzunge  von  Peyse,  dem  Lenzenberge  bei  Brandenburg 
und  dem  Dorfe  Hafestrom  bildet,  dort  zum  größesten  Theile 
festes,  reichlich  von  dem  in  mehrere  Arme  getheilten  und  einige 
Inseln  bildenden  Pregel  bewässertes  Land  vor.  Das  Ufer  dieses 
Landstriches  hielt  von  Lenzenberg  aus  eine  bedeutende  Strecke 
die  Richtung  gegen  das  jetzige  Dorf  Zimmerbude  ein,  wendete 
sich  dann  aber  nordwärts  und  erreichte  das  jetzige  Haffufer  in 
der  Nähe  des  Lankefließes  (bei  "Widitten  mündend),  auf  diese 
"Weise  mit  dem  gegenüberliegenden  ungefähr  gleichlaufenden 
Ufer  der  Landzunge  von  Peyse  eine  Bucht  des  Haffes  bildend, 
in  welche  der  Pregel  oder  ein  Hauptarm  desselben  einmündete. 
An  dieser  Bucht  an  der  Küste  der  genannten  Landzunge  und 
nicht  fern  von  der  Pregelmündung  lag  die  Stadt  der  Lübecker. 
Ihr  schräge  gegenüber  befand  sich  in  der  Haffbucht  eine  kleine 
Insel  mit  einer  Längenausdehnung  von  550  Ruthen,  welche  einen 
Theil  der  Bucht  derartig  abschloß,  daß  hier  ein  natürlicher 


68)  Cod.  dipl.  Prosa  II,  No.  99. 

69)  Cod.  dipl.  Pruss,  II,  No.  100. 


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Von  C.  Berkheim. 


597 


Hafen  gebildet  war.  Die  Zeichnung  dieses  Landstriches  weiter 
auszuführen  vermeide  ich,  um  nicht  auf  das  Gebiet  der  Hypo- 
thesen zu  gerathen;  es  genügt  auch,  seine  ehemalige  Existenz 
Überhaupt  aus  der  Unmöglichkeit  nachgewiesen  zu  haben,  den 
Raum  für  den  größeren  Theil  des  auf  warmischem  Gebiete  abzu- 
messenden Areals  unter  den  gegenwärtigen  Land-  und  "Wasser- 
verhältnissen zu  finden  und  ferner  durch  die  unbefangene  Aus- 
legung der  obigen  Urkunden,  welche  ohne  allen  Zwang  zum 
Theil  sich  gegenseitig  ergänzen.  Dagegen  möchte  ich  es  nicht 
unterlassen,  hier  unter  Zugrundelegung  der  Beobachtungen  und 
Untersuchungen  unserer  heimatlichen  Geologen  Schumann  und 
Berendt  noch  einige  Bemerkungen  darüber  anzuschließen,  wie 
man  ^  sich  das  Entstehen  und  Vergehen  dieses  Landstriches  zu 
erklären  haben  wird. 

Die  Untersuchung  des  Bodens  der  Thalsohle  des  Pregels 
von  seiner  jetzigen  Mündung  ab  bis  weit  über  Königsberg 
hinauf  durch  Dr.  Schumann70)  hat  ergeben,  daß  in  einer  weit 
zurückgelegenen  Periode  das  Pregelthal  auf  dieser  Strecke  einen 
Theil  des  Haffes  ausgemacht  habe,  in  welches  sich  hier,  wie 
Dr.  Berendt  nachgewiesen  hat,  71)  der  Memelstrom  ergoß,  und 
daß  ferner  diese  Thalsohle  eine  Alluvion  dieses  Stromes  ist. 
Vergleicht  man  den  gegenwärtigen  unbedeutenden  Flächenraum, 
den  dieselbe  einnimmt  mit  dem  der  weit  ausgedehnten  Alluvionen 
an  den  Mündungen  unserer  großen  Flüsse,  namentlich  des 
Deltas,  welches  der  Memelstrom  bei  seiner  späteren  Ausmündung 
in  das  kurische  Haff  geschaffen,  so  wird  man  zu  der  Annahme 
geführt,  daß  er  auch  ein  gleiches  Produkt  seiner  bedeutenden 
Wassermasse  und  der  in  dieser  mitgeführten  Sinkstoffe  an  seiner 
ehemaligen  Mündung  ins  frische  Haff  zurückgelassen  haben 
müsse.  Diese  Annahme  findet  in  den  oben  erörterten  Urkunden 
ihre  Bestätigung,  und  das  durch  sie  nachgewiesene  Land  war 


70)  Das  Königsberger  Infusorienlager.   N.  Pr.  Prov.  Bl.  a.  F.  XII.  272. 

71)  Ein  geologischer  Ausflug  in  die  russischen  Nachbar-Gouvernements. 
Schrift,  d.  physik.  ökon.  Gesellsch.  1870. 


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Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen. 


eben  dieses  bis  zu  den  angedeuteten  Grenzen  vorgeschrittene 
Delta  des  Memelstromes,  durch  welches  nunmehr  seit  unbekannter 
Zeit  in  bescheideneren  Grenzen  der  Pregel  die  Wasser  seines 
beschränkteren  Flußgebietes  dem  Haffe  zuführte.  Wir  wissen 
nun  auch  aus  der  Beschaffenheit  der  andern  gleichartigen 
Bildungen,  daß  dieses  Land  ein  sehr  tief  gelegenes,  aus  "Wiesen, 
Brüchen  und  Sümpfen  bestehendes  gewesen  ist  und  finden  darin 
zugleich  eine  Erklärung  für  sein  verhältnißmäßig  schnelles  Ver- 
schwinden. 72)  Als  Ursache  desselben  eine  Katastrophe  anzu- 
nehmen, ist  keineswegs  nothwendig,  obwohl  nicht  ausgeschlossen 
ist,  daß  das  von  Dusburg  erwähnte,  im  August  des  Jahres  1303 
ganz  Preußen  heimsuchende  Erdbeben 78)  eine  plötzliche  allge- 
meine Senkung  dieses  Landstriches  herbeigeführt  haben  könnte ; 
es  läßt  sich  vielmehr  aus  einer  zu  jener  Zeit  währenden  säcularen 
Senkung  der  Erdrinde  genügend  erklären,  deren  wiederholte, 
mit  ebenso  allmählichen  Hebungen  abwechselnde,  wie  in  vielen 
Ländern  so  auch  in  unserer  Provinz  nachgewiesen  worden 
sind. 74)  Diese  Senkung  mußte  sich  zuerst  bei  den  dem  Haffe 
zunächst  gelegenen  Theilen  des  Deltas  bemerkbar  machen, 
indem  seine  Oberfläche  hier  früher  in  das  Niveau  des  Haffes 
trat  als  in  den  etwas  höher  gelegenen  übrigen  Theilen.  War 
die  sehr  langsam  vor  sich  gehende  Senkung  einmal  so  weit 
vorgeschritten,  so  nahm  alsbald  das  Werk  der  Zerstörung  auch 
ein  lebhafteres  Tempo  an,  denn  jeder  Sturm  aus  westlicher  oder 
südwestlicher  Richtung  setzte  die  bezeichneten  Theile  des  Landes 
so  tief  unter  Wasser,  daß  die  aufgeregten  Wellen  die  Rasen- 
narbe abschälen  und  dann  einen  großen  Theil  des  aufgewühlten 
Bodens  beim  Zurücktreten  der  Flut  in  die  entfernteren  Gegen- 
den des  Haffes  befördern  und  auf  dessen  Grunde  ausbreiten 


72)  Zn  Ende  des  ersten  Drittels  des  14.  Jahrhunderts  hat  der  nord- 
östliche Busen  des  Haffes  wahrscheinlich  schon  seine  jetzige  Ausdehnung 
ungefähr  erreicht  gehabt. 

73)  Script,  rer.  Pruss.  I,  170. 

74)  Schumann.  Hebung  und  Senkung  der  sfidl.  Küste  des  haltischen 
Meeres.  N.  Pr.  Prov.  Bl.  3.  F.  IX,  315  f.  f. 


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Von  C.  Beekhern). 


599 


konnten.  Das  konnten  schon  die  häufig  auftretenden  gewöhn- 
lichen Stürme  bewirken,  welchen  Einfluß  auf  das  schnelle  Ver- 
schwinden des  Landes  mußten  nicht  Orkane  ausüben,  über 
welche  uns  auch  aus  jener  Zeit  von  den  Chronisten  berichtet 
wird.  So  z.  B.  von  Simon  Grünau  7B>  über  den  Orkan  von  1309, 
welcher  den  Grund  zur  Versandung  des  Tiefs  bei  Lochstedt 
legte,  und  von  Detmar  7e)  über  die  ganz  Preußen  verheerenden 
von  1323  und  1327.  In  dieser  Weise  schritt  die  Zerstörung 
von  Westen  nach  Osten  fort.  Hier  liegt  nun  die  Frage  nahe: 
Wie  konnte  denn  der  kleine  noch  jetzt  bestehende  Theil  dieses 
Landstriches,  die  Thalsohle  unterhalb  und  oberhalb  Königsbergs 
und  der  auf  dieser  gelegene  Stadttheil  dem  Untergange  ent- 
gehen? Darauf  kann  geantwortet  werden:  Entweder  war  die 
Zerstörung  bis  zu  diesem  naturgemäß  etwas  höher  liegenden 
Theile  noch  nicht  vorgedrungen  als  die  sinkende  Bewegung  des 
Bodens  zum  Stillstande  kam,  um  dann  nach  einer  langen  Ruhe- 
pause in  eine  entgegengesetzte,  emporsteigende  überzugehen, 
welche  letztere  etwa  seit  dem  Anfange  unsers  Jahrhunderts 
beobachtet  worden  ist, ")  oder  die  vom  Hochwasser  des  Pregels 
mitgeführten  Sinkstoffe  waren  auf  dem  verhältnißmäßig  schmalen 
Baume  der  Thalsohle  hinreichend,  dem  durch  die  Senkung  be- 
wirkten Untertauchen  des  festen  Landes  das  Gleichgewicht  zu 
halten.  Weiter  unterhalb  war  das  nicht  mehr  möglich,  weil 
liier  mit  jedem  Schritte  der  durch  die  Sinkstoffe  auszufallende 
Kaum  der  divergirenden  Uferlinien  wegen  sich  bedeutend  ver- 
größerte und  die  in  ihrer  Masse  schon  verminderten  Sinkstofife 
außerdem  auch  noch  durch  die  oben  berührte  Wirkung  der 
Wellen  und  der  Fluten  des  Haffes  auf  dessen  Grunde  weiter 
vertheilt  wurden.  Was  den  von  der  Stadt  bedeckten  Theil  der 
Thalsohle  anbetrifft,  so  ist  hier  die  Senkung  durch  die  in  und 
bei  bewohnten  Orten  stets  stattfindende  Auffüllung  des  Bodens 


76)  Tract,  XI,  2. 

76)  Script.  r«r.  Pruaa.  III,  65,  66,  67. 

77)  Schumann,  N.  Pr.  Prov.  Bl.  3.  F.  IX,  318. 


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600  Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Na  tan  gen. 

mehr  als  ausgeglichen.  Die  Bohrungen  bei  Anlegung  von 
Brunnen  haben  hier  die  Schicht  der  Füllerde  in  einer  Mächtig- 
keit von  7  bis  12  Fuß  ergeben.  Besonders  interessante  Aufschlüsse 
giebt  die  Bohrung  des  artesischen  Brunnens  auf  dem  Domplatze 
im  Kneiphof.  Dieser  liegt  7  Fuß  über  dem  "Wasserspiegel  des 
Pregels.  Es  wurde  hier  zuerst  eine  Schicht  von  12  Fuß  Füll- 
erde durchbohrt,  bis  man  auf  eine  Schicht  natürlichen  Bodens 
traf. 78)  Diese  jetzt  5  Fuß  unter  dem  Spiegel  des  Pregels 
liegende  Schicht  muß  doch  wohl  mit  demselben  ungefähr  in 
gleichem  Niveau  gestanden  haben,  als  diese  Insel  ungefähr  um 
die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  anfing  überhaupt  oder  wenigstens 
dichter  bewohnt  zu  werden,  sie  ist  also  seit  jener  Zeit  um  etwa 
5  Fuß  gesunken,  denn  eine  wesentliche  Erhöhung  des  Spiegels 
des  Pregels  ist  hier  nicht  annehmbar,  weil  dieser  in  dem 
untersten  Laufe  des  Flusses  von  dem  des  Haffes  und  der  See 
abhängig  ist  und  deren  "Wasserspiegel  im  Mittel  constant  bleibt. 


78)  Schumann,  N.  Pr.  Prov.  Bl.  a.  F.  XII,  279. 


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1 


üeber  masurische  Sagen. 

Von 

Johannes  Sembrzycki. 

Zu  den  noch  nicht  genügend  durchforschten  Gegenden 
unserer  Provinz  gehört  vor  allem  Masuren,  meine  engere  Heimath, 
welcher  ja  eigentlich  erst  seit  Toeppen's  dankenswerthen  Arbeiten 
die  öffentliche  Aufmerksamkeit  in  etwas  höherem  Grade  sich 
zugewendet  hat.  Und  doch  bietet  sich  gerade  dort  dem  der 
polnischen  Sprache  kundigen  Forscher  noch  so  manches  dank- 
bare Feld.  Ein  solches,  bisher  nur  wenig  bearbeitetes  Gebiet 
bilden  auch  die  masurischen  Sagen.  Nur  weniges  von  ihnen 
ist  bis  jetzt  gesammelt  und  aufgezeichnet  worden.  Toeppen 
bietet  in  seinem  "Werke  „Aberglauben  aus  Masuren,  mit  einem 
Anhange,  enthaltend  masurische  Sagen  und  Märchen",  2.  Aufl., 
Danzig  18G7,  aus  den  zehn  masurischen  Kreisen  nur  dreißig 
Sagen,  während  z.  13.  Otto  Knoop  in  seinen  „Volkssagen,  Erzäh- 
lungen etc.  aus  dem  östlichen  Hinterpommern",  Posen  1885, 
aus  zwölf  Kreisen  307  Sagen  mitzutheilen  im  Stande  ist,  ohne 
auf  Vollständigkeit  Anspruch  zu  erheben,  —  wobei  allerdings 
zu  berücksichtigen  ist,  daß  Toeppen  die  Erzählungen  von  den 
Untererdschchen,  Kobolden,  Mahren  u.  s.  w.  unter  „Aberglauben" 
aufführt,  während  Knoop  sie  unter  die  Sagen  einreiht.  Es  ist 
in  Masuren  noch  mancher  Schatz  zu  heben,  aber  sowohl  in 
Bezug  auf  die  Sagen,  als  auch  nicht  minder  auf  Lieder,  Sprich- 
wörter und  Gebräuche,  ist  es  die  höchste  Zeit,  zu  retten,  was 
noch  zu  retten  ist,  da  die  Germanisation  so  schnelle  Fortachritte 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIII.  Hit.  7  u.  VS.  yy 


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602 


L'eber  mamiritiche  Sagen. 


macht,  die  junge  Generation  bereita  völlig  deutsche  Bildung 
erhält,  und  die  Eigentümlichkeiten  der  alten  polnisch  redenden 
Generation  mit  dieser  selbst  zu  Grabe  getragen  werden.  Schon 
1866  klagte  Toppen  in  der  Vorrede  zur  ersten  Auflage  seines 
oben  citirten  Werkes:  „Auch  in  Masuren  fangen  die  volks- 
tümlichen Ueberlieferungen,  wiewohl  sie  hier  noch  lebendiger 
sind,  als  anderwärts,  doch  auch  schon  an  sich  sehr  zu  ver- 
dunkeln; es  ist  also  hohe  Zeit,  für  ihre  schriftliche  Fixirung 
und  Erhaltung  Sorge  zu  tragen,"  und  dies  Wort  von  damals 
gilt  in  weit  höherem  Grade  heute  nach  zwei  Decennien,  in 
deren  Verlaufe  gewiß  schon  viel  verloren  gegangen  ist.  Solches 
aber  ist  sehr  zu  bedauern,  da  die  Sagen  eines  Volkes  in  mehr- 
facher Hinsieht,  als  Volksdichtungen,  als  geschichtliche  Trümmer, 
als  mythologische  Uoberreste,  als  Beiträge  zur  Cultur-  und  Sitten- 
geschichte immer  wichtig  bleiben  (Vergl.  Bechstein  über  den 
ethischen  Werth  deutscher  Volkssagen).    Man  sage  nicht,  das 
masurische  Volk  sei  arm  an  Sagen.    Zwar  so  zahlreiche  und  so 
schöne  Sagen,  wie  sie  Gegenden  aufweisen  können,  die  auf  eine 
mehr  als  tausendjährige  Geschichte  und  Cultur  zurückzublicken 
vermögen,  wie  z.  B.  das  Moselthal  mit  seiner  uralten  Augusta 
Trevirorum  (Vergl.  Fr.  Menk  „des  Moselthals  Sagen,  Legenden 
und  Geschichten,"  Coblenz  1840),  besitzen  die  Masuren  nicht, 
aber  dennoch  sind,  resp.  waren  sie  an  denselben  wohl  kaum 
weniger  reich,  als  an  Liedern,  und  dem  Forscher  bieten  ihre 
Sagen  in  mancher  Hinsicht  Stoff  zu  Betrachtungen,  wie  weiter 
unten  ausgeführt  werden  soll.    Es  gilt  nur  von  den  Masuren 
dasselbe,  was  O.  Knoop  von  den  pommerschen  Kassuben  erzählt: 
es  koste  Mühe,  etwas  aus  ihnen  herauszubekommen;  sie  scheuten 
sich  meist  zu  erzählen,  aus  Furcht,  verlacht  zu  werden.  „Unser 
Landmann/'  sagt  auch  Siemienski  (Podania  i  Legendy  polskie, 
ruskie,  litewskie.    Posen,  1845),  „wie  durch  das  Vorgefühl  ge- 
warnt, daß  die  Blüthe  seiner  Gefühle,  in  ungeweihte  Hände 
gerathen,  ihren  Wohlgeruch  und  ihre  Farbe  verliere,  befleißigt 
sich  beständiger  Vorsicht  und  wird  nicht  leicht  vor  dem  ersten 
Besten  ein  gehe  imniß volles  Wort  fallen  lassen  oder  ein  Lied 


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Von  J.  Sembrzycki. 


003 


singen  (pag.  X).  Da,  wo  er  nach  dem  ersten  "Worte  herplappert, 
was  ihm  in  den  Mund  kommt,  wo  er  weltliche  und  fremde 
Nachrichten  mit  den  seinigen  vermischt,  da  —  glaube  seinem 
Geschwätz  nicht  —  denn  für  immer  bereits  hat  er  die  geheimniß- 
volle  Farrenblüthe  verloren,  die  ihm  alle  geheimnißvollen  Schätze 
entdeckte"  (pag.  XII).  — 

Die  masurischen  Sagen  lassen  sich,  wie  man  bei  näherer 
Betrachtung  finden  wird,  in  zwei  Gattungen  gruppiren,  in  solche 
nämlich,  die  die  Masuren  aus  ihrer  alten  Heimath  Masovien*) 
herübergebracht  und  dann  an  hiesige  Oertlichkeiten  angeknüpft 
haben,  und  in  erst  hier  in  der  neuen  Heimath  entstandene. 
Zu  der  ersten  Categorie  gehören  alle  Sagen  von  den  in  Bergen 
versunkenen  Schlössern  und  Schätzen,  von  den  in  Seen  ruhenden 
Glocken,  von  den  Mahren,  Untererdschchen,  Wehrwölfen,  von 
dem  Farrenkraute  in  der  Johannisnacht  u.  s.  w. ;  zu  der  zweiten 
von  den  bei  Toppen  mitgetheilten  Sagen  folgende :  Die  Krügerin 
zu  Eichmedien  —  Geizbauch  —  Strafe  der  Unzucht  in  Kehl  — 
Teufelsaustreibung  zu  Claussen  —  Die  Andacht  in  der  Kirche  — 
Die  Schuldigen  in  Johannisburg  —  Der  Name  der  Stadt  Passen- 
heim und  die  folgenden. 

Daß  die  Sagen  der  ersten  Categorie  eigentlich  aus  Polen, 
speciell  aus  Masovien,  der  alten  Heimath  der  Masuren,  stammen, 
ersehen  wir  daraus,  daß  sie  nicht  den  Masuren  allein  eigen- 
tümlich, sondern  allgemein  -  slawische  sind,  daß  wir  sie,  oft  in 
ganz  derselben  Form,  bei  Polen,  Kassuben,  Wenden,  also  allen 
im  Osten  Deutschlands  wohnenden  Slawen,  und  auch  bei  den 
Litauern  wiederfinden.  Zu  den  bei  Toppen  pag.  126  und  127 
erzählten  Sagen  vom  Goldapper  Berge  und  vom  Berge  Grodzisko 
(Schlösser  versinken  zur  Strafe  für  die  Frevelthaten  der  Be- 
wohner) liefern  uns  Polen,  Kassuben  und  Wenden  Seitenstücke. 
Siemieiiski  erzählt  a.  a.  0.  pag.  58:  auf  den  hohen  Bergen  in 

*)  Daß  die  Masuren  im  14.,  15.  und  16.  Jahrh.  aus  Polen  hier  einge- 
wanderte Colonisten  sind,  haben  Toppen  (Geschichte  Maaurens  pag.  116 — 118) 
und  Ketrzynski  (0  ludnosci  polskiej  w  Prusiech  niegdys  krzyzackich, 
pag.  223  ff.)  bis  zur  Evidenz  erwiesen. 

39* 


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604 


Ueber  masurisclie  Sagen. 


Lubasz  habe  einst  ein  Schloß  gestanden,  das  aber  nebst  der 
Kirche  zur  Strafe  für  ein  Verbrechen  des  Schloßherrn  versunken 
sei ;  man  erblicke  dort  nächtlicher  Weile  Spukgestalten  und  ver- 
nehme unterirdischen  Choralgcsang.  In  der  wendischen  Lausitz 
am  Fußwege  von  Wittichenau  nach  Dubrig  hat  einst,  so  geht 
die  Sage,  ein  Schloß  gestanden,  das  wegen  der  Bosheit,  Unge- 
rechtigkeit und  Sittenlosigkeit  der  Besitzer  versank.  Der  nächt- 
liche Wanderer  vernimmt  dort  Geheul  und  Wehklagen  und 
sieht  Gestalten  aus  der  Erde  auftauchen  und  verschwinden 
(Neues  Lausitzisches  Magazin,  Görlitz  1837).  In  Hinterpommern 
hat  bei  Lossin  ein  Schloß  gestanden,  das  einer  Frevelthat  seiner 
Bewohner  wegen  in  die  vorbeifließende  Stolpe  versunken  ist. 
Einem  dort  einst  vorbeikommenden  Jünglinge  bot  eine  Jungfrau 
ein  Geldstück,  damit  er  ihr  in  der  Stadt  ein  Paar  Schuhe  kaufe, 
ohne  etwas  abzuhandeln;  da  der  Jüngling  dies  doch  that,  miß- 
glückte die  Erlösung  (Knoop  a.  a.  0.  pag.  51).  — 

Verwünschte,  in  Bergen  versunkene  Schlösser,  an  deren 
einstiger  Stätte  Nachts  Jungfrauen  um  Erlösung  bitten,  die  aber 
immer  mißlingt,  weil  die  damit  Betrauten  sich  hindern  lassen, 
trotz  Verbots  sprechen  oder  sich  umsehen,  die  in  scheußliche 
Gestalten,  Kröten  und  dergl.  sich  verwandelnden  Jungfrauen 
nicht  küssen  wollen,  finden  wir  wie  bei  den  Masuren  (Töppen 
pag.  126:  S.  vom  Berge  bei  Piotraschen;  pag.  129:  von  der 
Insel  Gilm;  pag.  132:  von  den  Goldbergen  bei  Neidenburg; 
pag.  134:  vom  Schlosse  Puppen),  so  auch  bei  den  Kassuben 
sehr  häufig  (Knoop,  pag.  6:  Suhloßberg  bei  Bütow  —  die  Jung- 
frau kann  nicht  erlöst  werden,  da  die  Betreffenden  trotz  Verbots 
sich  umsehen  oder  sprechen;  pag.  10:  das  verwünschte  Schloß 
in  den  Heischkuhlen  —  der  Erlösende  sieht  sich  um;  pag.  30: 
der  Schloßberg  zu  Belgard  —  die  Erlösung  der  drei  schwarz 
(nach  andern  weiß)  gekleideten  Frauen  mißglückt,  weil  der  Be- 
treffende si«.h  scheut,  eine  Kröte  zu  küssen;  pag.  57:  das  ver- 
wünschte Schloß  bei  Budow;  pag.  75:  der  Krötengrund  bei 
Dämmen  —  die  Erlösung  mißlingt  aus  demselben  Grunde  wie 
oben  in  Lossin;  pag.  90:  das  verwünschte  Schloß  bei  Schlawe; 


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Von  .T.  Sembrzvclci. 


605 


pag.  133:  verwünschtes  Schloß  bei  Polziu  —  die  Jungfrau  er- 
scheint alle  hundert  Jahre  in  Gestalt  einer  Kuh;  pag.  143:  der 
Burgwall  im  Veltowseo  —  in  jeder  Johannisnacht  zeigen  sich 
drei  singende  Jungfrauen).  Ebensolche  Sagen  haben  die  Litauer; 
vergl.  Mittheilungen  der  Litauischen  Litterarischen  Gesellschaft, 
9.  Heft,  pag.  170:  die  Sage  vom  Schloßberge  zu  Schabojeden 
(ein  alle  hundert  Jahre  sich  zeigendes  Schloß,  eine  verzauberte 
Prinzessin  in  Gestalt  einer  Kröte,  die  Erlösung  verfehlt,  da  der 
Betreffende  die  Kröte  nicht  küssen  will). 

Schätze,  die  meist  vom  Teufel  bewacht  werden,  kennen 
die  Masuren  (Toppen  pag.  130:  Sage  von  der  Burg  am  Satint- 
See;  pag.  134:  Sage  vom  Teufel swerder)  ebensowohl  wie  die 
Polen  (Siemienski  pag.  67:  ein  Schatz  in  Luboii  vom  Teufel 
bewacht  und  nur  durch  unschuldige  Hände  ohne  Beihülfe  von 
Eisen  zu  heben;  pag.  G9:  ein  Schatz  im  alten  Schlosse  zu  Komik 
vom  Teufel  in  Gestalt  eines  schwarzen  Hahnes  und  von  einer 
Jungfrau  bewacht  —  die  Hebung  mißglückt  wegen  Vergeßlichkeit 
der  Hebenden)  und  die  Kassuben  (Knoop  pag.  15:  ein  Dienst- 
mädchen sieht  einen  schwarzen  Mann  —  den  Teufel  —  bei 
einem  riesigen  Feuer  und  bittet  um  Kohlen,  die  sich  am  Morgen 
als  Gold  erweisen;  pag.  44:  der  Schatz  in  Schönehr  —  der  den 
Schatz  bewachende  Teufel  verführt  die  Leute  stets  zum  Reden, 
so  daß  die  Hebung  mißlingt;  pag.  63:  der  Schatz  zu  Grambkow  — 
der  Teufel  vereitelt  die  Hebung  des  in  einem  Berge  verborgenen 
Schatzes;  pag.  73:  Schätze  in  der  Giesebitz  und  in  der  hohlen 
Eiche  bei  Carzin,  vom  Teufel  in  Gestalt  eines  schwarzen  Kalbes 
und  eines  greulichen  Hundes  bewacht).  Die  von  Töppen  pag.  133 
von  den  Goldbergen  bei  Neidenburg  erzählte  Sage  von  einem 
Hirtenknaben,  der  seine  Mütze  in  die  Vertiefung  des  Berges 
hinabsenkte  und  sie  voll  Goldstücke  wieder  horaufzog,  findet 
sich  ganz  ebenso  bei  Siemienski  pag.  70  vom  Berge  Gniezninek 
bei  Gnesen,  wo  die  Mütze  zuerst  mit  Gold,  dann  aber  mit 
Steinchen  und  Laub  gefüllt  wioder  heraufkommt,  und  bei  den 
Litauern  in  der  Sage  vom  Tilsiter  Schloßberg,  wo  der  Hut  des 
Hirtenknaben  das  erste  Mal  mit  Goldstücken,  das  zweite  Mal 


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noi; 


lieber  mMiirißche  Sagen. 


mit  Krebsen  gefüllt  wird  (Mittheil.  d.  Litauischen  Litterar.  Ge- 
sellsch.  9.  Hft.  pag.  169  —  vergleiche  auch  die  Sagen  vom 
Skalwis  pag.  168).  Auch  die  Wenden  haben  dergleichen  Schatz- 
sagen, wie  die  Masuren  z.  B.  vom  Goldberge  im  Pozezdrzeschen 
"Walde  (Töppen  pag.  128),  so  von  dem  Geldkeller  auf  dem 
Löbauer  Berge,  von  dem  Limasberge  bei  Görlitz,  dem  Karls- 
frieden bei  Zittau,  vom  Schalkstein  bei  Neujonsdorf  u.  s.  w. 

Bei  Durchmusterung  der  von  Töppen  mitgetheilten  Sagen 
muß  es  uns  auffallen,  daß  eine  verhältnißmäßig  so  große  Anzahl 
(14  von  30),  die  am  Schlüsse  dieser  Blätter  noch  um  eine  ver- 
mehrt werden  soll,  von  Schlössern  und  Schätzen,  die  in  Bergen 
versunken  und  verborgen  seien,  handelt.  Es  hat  diese  Erscheinung 
ihren  Grund  darin,  daß  die  Masuren  bei  ihrer  Ankunft  in  den 
ehemaligen  heidnisch-preußischen  Landschaften  Sassen,  Galindien 
und  Sudauen  überall,  damals,  vor  drei  und  vier  Jahrhunderten, 
noch  recht  deutlich  erkennbare  Spuren  der  Ansiedelungen  und 
Verschanzungen  der  Preußen  vorfanden,  welche  fast  immer  auf 
Bergen  angelegt  waren,  und  daß  damals  vielleicht  häufiger  als 
heute  Pflug  und  Hacke  beim  Roden  und  Urbarmachen  an 
solchen  Orten  auf  verborgene  Schätze  an  Römermünzen,  Gold- 
spangen, Silberbarren  u.  s.  w.  stießen.  So  fanden  die  aus  der 
alten  Heimath  mitgebrachten  Sagen  hier  neuen  Boden  und  um- 
rankten mit  ihrer  Poesie  die  Stätten,  wo  einst  das  unterge- 
gangene Preußenvolk  gelebt.  Darum  wird  uns  denn  auch  von 
fast  allen  Bergen,  an  die  sich  Sagen,  wie  die  oben  erwähnten, 
knüpfen,  berichtet,  es  seien  dort  Alterthümer,  Kriegswerkzeuge 
und  anderes  Geräth  gefunden  worden,  so  vom  Berge  Grodzisko 
(schon  das  Wort  selbst  grodzisko,  von  grod  gebildet,  bedeutet 
eine  verfallene  Burg,  wie  z.  B.  auch  zamczysko,  von  zamek  ge- 
bildet, ein  verfallenes,  wüstes  Schloß),  von  der  Insel  Gilm  im 
Dobensee,  vom  Hügel  bei  Janowen  u.  s.  w.  (cf.  Töppen,  Ge- 
schichte Masurens  pag.  30—40).  Es  liegt  nahe,  den  Schluß  zu 
ziehen,  daß  auf  jedem  Berge,  in  dem  nach  der  Sage  ein  Schloß 
versunken,  ein  Schatz  verborgen  ist,  einstmals  eine,  wenn 
vielleicht  auch  zuweilen  schon  nachpreußische,  Verschanzung  und 


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Von  J.  Sembrzycki, 


607 


Ansiedelung  bestanden  habe,  und  wir  sind  zu  dieser  Annahme 
um  so  mehr  berechtigt,  wenn  uns,  wie  in  fast  allen  Fällen,  die 
Sage  mittheilt,  auf  dem  Gipfel  des  Berges  sei  eine  Vertiefung, 
ein  Brunnenloch  vorhanden  gewesen,  oder  wenn  wir  eine  solche 
noch  jetzt  auf  dem  Berge  wahrzunehmen  vermögen.  Toppen 
sagt  (Gesch.  Masurens,  pag.  40),  diese  brunnenartigen  Ver- 
tiefungen auf  mehreren  der  alten  Schloßberge  seien  räthselhaft 
und  möchten  bei  einigen  wohl  von  der  Natur  selbst  gebildet 
sein.  Gegen  letztere  Annahme  spricht  jedoch,  daß  diese  Ver- 
tiefungen sich  überall  auf  Schloßbergen  auch  bei  den  Litauern 
(so  auf  dem  Skalwis  bei  Paskalwen,  auf  dem  Schloßberge  bei 
Tilsit,  auf  dem  Berge  Negarbe  bei  Dimitröw  in  Zamaiten  und 
anderwärts),  bei  den  Kassuben  (Knoop,  pag.  4,  11,  31,  100,  119) 
und  bei  den  Wenden  (so  auf  den  sogenannten  Römerschanzen  bei 
Costebrau)  vorfinden.  Ich  stelle  daher  die  Behauptung  auf,  daß 
die  erwähnten  Vertiefungen  theils  Brunnen  waren,  die  zu  unten 
im  Berge  angelegten  Wasserreservoirs  führten  (vom  Berge 
Grodzisko  berichtet  Pfarrer  v.  Drigalski  1726  ausdrücklich,  man 
habe  fichtene  kienichte  Röhren  in  der  Erde  gefunden,  die  das 
Wasser  von  einem  eine  Viertelmeile  entfernten  See  bis  unter 
den  Berg  leiteten),  theils  aber  die  Rauchfänge  im  Berge  ver- 
borgener Höhlen  darstellten.  Daß  solche  Höhlen  oder  Keller, 
die  wohl  Zufluchtsorte  in  Zeiten  der  Gefahr  darstellten,  wirklich 
vorhanden  gewesen,  darüber  berichtet  Friedr.  Samuel  Bock  in 
Band  II  seines  „Versuchs  einer  wirthschaftl.  Naturgeseh.  von 
Ost-  und  Westpreußen,"  Dessau  1783,  vom  Burgberge  bei  Saal- 
feld und  vom  Berge  bei  Janowen,  südöstlich  von  Sorquitten 
(nach  dem  Bericht  des  Pfarrers  Riedel  um  1726).  Das  Vor- 
handensein solcher  Höhlen  würde  auch  das  plötzliche  Einsinken 
und  Zusammenstürzen  solcher  Berge  erklären,  wovon  Bock  loco 
citato  pag.  50—52  erzählt,  der  es  dem  Hervorsprudeln  von 
Quellen  zuschreibt,  die  aber  bei  Anlage  der  Höhlung  vielleicht 
absichtlich  dahin  geleitet  waren,  damit  den  zeitweise  gezwungen 
sich  darin  Aufhaltenden  das  Wasser  nicht  fehle.  Sehr  inter- 
essant ist  es,  daß  in  den  oben  erwähnten  Römerschanzen  bei 


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008  Ueber  masurische  Sagen. 

Costerau  im  "Webndischen  (Römer  sind  nie  in  jene  Gegend  ge- 
kommen) bei  Nachgrabungen  im  Jahre  1819  wirklich  im  Innern 
eines  Hügels,  des  sogenannten  Römerkellers,  eine  solche  200  bis 
300  Fuß  Flächeninhalt  haltende  und  6  bis  7  Ellen  hohe  Flucht- 
höhle entdeckt  wurde.  An  zwei  Seiten  des  Gemaches  befanden 
sich  oben  zwei  kleine  Oeffnungen,  wo  die  "Wand  etwas  durch 
Rauch  geschwärzt  war  (vergl.  Neues  Lausitzisches  Magazin, 
Görlitz  1837). 

Um  nun  wieder  zu  don  masurischen  Sagen  zurückzukehren, 
so  findet  sich  die  Erzählung  von  der  bei  Wiersbowen  in  einem 
Bruch  versunkenen  Glocke  ganz  ebenso  unter  den  Kassuben, 
wo  die  Glocken  der  Groß  -  Tuchener  Kirche,  als  dieselbe  ab- 
brannte,   in   den   Piochensee   geflogen   sein   sollen;   auch  im 
Glockonberge  bei  Persanzig  soll  eine  Glocke  versunken  sein 
(Knoop  pag.  19  und  139).*)  Nicht  minder  erzählen  die  Zamaiten, 
die  Glocke  der  katholischen  Kirche  zu  Crottingen  sei  einst  vom 
Winde  fortgeführt  in  der  Erde  versunken;  es  habe  sich  an 
dieser  Stelle  sodann  eine  Quelle  und  um  diese  herum  ein  Sumpf 
gebildet  (Veckenstedt,   „Die  Mythen,  Sagen  und  Legenden  der 
Zamaiten",  Heidelberg  1883,  II,  185).    Auch  im  Lukszta-See  in 
Zamaiten  ist,  wie  Siemienski  a.  a.  0.  pag.  80  mittheilt,  eine 
Glocke  versunken,  deren  allabendliches  trauriges  Geläute  wie: 
brolau,  brolau  (litauisch:  Bruder,  Bruder!)  klingt.   Sie  sehnt  sich 
nämlich  nach  der  andern  mit  ihr  zugleich  gegossenen  Glocke. 

Daß  die  Masuren  auch  die  Erzählungen  von  den  Unter- 
erdschchen  oder  Krasne**)  ludki  (bei  den  Kasehuben  dremni  oder 
drebni  ludki,  d.  h.  kleine  Leutchen,  genannt  und  geschildert 
mit  dicken  Köpfen,  angethan  mit  rothen  Mützen  und  weißen 


*)  Zeitungsnachrichten  zufolge  hat  man  Anfangs  November  d.  J.  im 
Madue-See  bei  Stargard  i.  P.  wirklich  eine  alterthümliche  Glocke  mit  Klöppel 
gefunden,  auf  der  die  Inschrift  vollständig  erloschen,  ein  Christusbild  aber 
noch  erkennbar  ist.  Sie  ist  an  das  Alterthums  -  Museum  in  Stettin  gesandt 
worden. 

**)  Krasne  ludki  d.  i.  zierliche  Leutchen,  vom  "Worte  krasic,  schmücken, 
zieren,  nicht  zu  verwechseln  mit  krasic,  okrasid,  mit  Fett  abmachen.  — 


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Von  J.  Seinbrzycki. 


609 


Kleidern;  bei  den  Wenden  als  ludki,  bei  den  Litauern  als 
berstnkai,  karlukai  bekannt),  von  den  Mahren  (bei  den  Polen 
zmora;  bei  den  Kaschuben  mora,  deutsch  die  Mahrt  und 
der  Mahrt  —  Knoop  pag.  82  und  Wiktor  Czajewski  „Kaszubi" 
Warschau  1883  pag.  29),  von  den  Werwölfen  (polnisch 
wilkolak),  vom  Farrenkraut  in  der  Johannisnacht  u.  s.  w.,  mit 
ihren  slawischen  Stammverwandten  gemeinsam  haben,  dies 
näher  auszuführen  darf  ich  mir  wohl  versagen,  da  es  theils  all- 
gemeiner bekannt  ist,  theils,  wie  von  Toppen  geschehen,  unter 
den  Aberglauben  von  den  dämonischen  Mächten  gerechnet 
werden  kann. 

Zum  Schlüsse  will  ich  hier  noch  einige  Sagen  mittheilen, 
die  ich  von  glaubwürdigen  alten  masurischen  Leuten  habe  er- 
zählen hören. 

I.  Oie  Sage  vom  Sarker  Berge. 

Unweit  des  bei  Lyck  belegenen  Dorfes  Sarken  befindet 
sich  am  Dorfwege  und  in  nicht  großer  Entfernung  von  dem 
See  ein  ziemlich  hoher,  theilweise  mit  Bäumen  bewachsener 
Berg,  von  dem  die  folgende  Sage  geht.  Ein  Wirth  des  Dorfes 
hatte  sich  vor  langen  Jahren  einmal  in  Lyck,  wohin  er  zu  einem 
Termin  gefahren  war,  verspätet  und  kehrte  erst  spät  Abends 
heim.  Als  er  nun  in  der  Nähe  des  Berges  sich  befand,  traten 
zwei  ganz  in  Schwarz  gekleidete  Frauen  mit  schwarzen  Federn 
auf  den  Hüten  heran  und  baten  ihn,  sie  bis  zum  Dorfe  mitzu- 
nehmen. Der  Wirth  erlaubte  ihnen,  hinten  aufzusteigen,  und 
fuhr  weiter;  da  aber  hinter  ihm  alles  todtenstill  blieb,  sah  er 
sich  um  —  zwei  schwarze  Mäuse  sprangen  im  selben  Augen- 
blicke vom  Wagen.  —  Von  einer  Vertiefung  auf  dem  Berge 
erwähnt  die  Sago  nichts  und  habe  ich  auch  selbst  nichts  be- 
merken können. 

2.  Die  gottlosen  Mädchen  in  Kumilsko. 

In  Kumilsko  lebte  einst  ein  Rector,  der  mit  seinen  Töchtern 
ein  gottloses  Leben  führte.    Einst  baten  die  Töchter  sogar  den 


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rtio 


Ueber  masurische  Sagen. 


Vater,  er  möchte  ihnen  auf  der  Orgel  zum  Tanze  aufspielen, 
was  der  schwache  Vater  auch  that,  und  die  Mädchen  tanzten 
nun  vor  dem  Altare.  Da  bemerkten  sie  plötzlich  eine  Hand, 
die  mit  großen,  feurigen  Buchstaben  die  Worte:  Wehe  euch 
Verfluchten !  an  die  Wand  schrieb.  Entsetzt  flohen  alle  aus  der 
Kirche.  Nicht  lange  darauf  fiel  der  Feind  ein  und  schleppte 
alle  in  die  Sclaverei. 

3.  Der  diebische  Todtengraber. 

In  der  Kirche  zu  Marggrabowa  befand  sich  früher  auf  der 
dem  Rathhause  zugekehrten  Seite  ein  jetzt  vermauerter  Ein- 
gang, der  zu  einem  Gewölbe  unter  der  Kirche  führte,  in  dem 
man  vornehmere  Todte  beisetzte.  Bei  der  vorhergehenden 
früher  gebräuchlichen  Ausstellung  der  Leichen  in  der  Kirche 
hatte  nun  vor  vielen  Jahren  der  Todtengräber  einmal  bei  einer 
Frauenleiche  werthvolle  Ringe  am  Finger  bemerkt  und  beschloß, 
sich  dieselben  anzueignen.  Zu  diesem  Zwecke  begab  er  sich 
Nachts  in  das  Gewölbe,  konnte  aber  den  einen  Ring  durchaus 
nicht  vom  Finger  der  Todten  bekommen.  Kurz  entschlossen, 
versuchte  er  den  Ring  mit  den  Zähnen  abzuziehen  und  biß 
dabei  der  Leiche  in  den  Finger.  Hierdurch  erwachte  die  nur 
scheintodte  Frau  und  richtete  sich  im  Sarge  auf.  Der  Todten- 
gräber floh  entsetzt  von  dannen ;  die  Frau  aber  begab  sich  nach 
Hause  und  lebte  noch  mehrere  Jahre. 

4.  Der  durch  Roden  entstandene  Teich. 

Vom  Oletzkoer  See  nur  durch  einen  wenige  Schritte  breiten 
Streifen  Land  getrennt  liegt  an  den  Stiflsländereien  ein  kleiner 
Teich.  An  dieser  Stelle  soll  einst  Wald  gestanden  haben.  Als 
man  nach  Abholzung  desselben  die  Stubben  ausrodete,  quoll 
aus  einem  der  dadurch  entstandenen  Löcher  das  Wasser  mit 
solcher  Gewalt  empor,  daß  es  diesen  Teich  bildete. 

5.  Das  Oletzkoer  Schloss. 

In  dem  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  abgebrannten 
Oletzkoer  Schlosse  sollen  sich  in  einem  Zimmer  an  der  Wand 


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Von  J.  Sembrzycki. 


unvertilgbare  Blutspuren  befunden  haben,  die  von  einem  Bruder- 
morde herstammten.  —  Von  dem  Schlosse  aus  soll  an  der  Stelle, 
wo  die  Lega  aus  dem  See  fließt,  ein  unterirdischer  Gang  nach 
dem  andern  Ufer  geführt  haben;  ein  ebensolcher  Gang  soll  vom 
Schlosse  nach  der  alten  Kaplanei  und  von  da  bis  unter  die 
Kirche  geführt  haben.  Eine  vom  Stiftsgarten  bis  zur  Denzer- 
schen  Scheune  neben  dem  "Wege  fortlaufende  Einsenkung  wird 
ebenfalls  als  ein  eingestürzter  unterirdischer  Gang  bezeichnet. 
—  Von  solchen  unterirdischen  unter  dem  See  fortlaufenden 
Gängen  giebt  es  auch  beim  Lycker  Schlosse  Sagen. 

6.  Die  Riesenfichte  in  der  Dalinitz. 

In  der  Dallnitz  bei  Lyck  soll  sich  einst  eine  Fichte  von 
riesigem  Umfang  befunden  haben,  von  der  das  Volk  mehrere 
Sagen  erzählte.  Man  konnte  mir  jedoch  weder  über  diese  Sagen, 
noch  über  die  Stelle,  wo  der  Baum  gostanden,  etwas  mittheilen. 
Ebenso  ist  mir  die  Sage 

7.  Vom  Bauern  Konopka  und  dem  Teufel 

in  ihren  Einzelheiten  nicht  mehr  erinnerlich.  Konopka  soll  in 
einem  Dorfe  bei  Angerburg  gewohnt  und  den  Teufel  so  über- 
listet haben,  daß  dieser  die  größte  Furcht  vor  ihm  hegte.  Als 
nun  später  einmal  der  Teufel  im  Schlosse  zu  Königsberg  spukte 
und  auf  keine  Weise  zu  vertreiben  war,  hörte  endlich  Herzog 
Albrecht  von  Konopka  und  ließ  ihn  holen.  Kaum  wurde  nun 
der  Teufel  des  Bauern  ansichtig,  so  floh  er  entsetzt  von  dannen ; 
Herzog  Albrecht  aber  gewährte  dem  Bauern  zum  Lohne  Steuer- 
freiheit für  sich  und  seine  Nachkommen. 

8.  Nächtliches  Licht  in  Kirchen. 

Sowohl  von  der  Kirche  zu  Stradaunen,  als  auch  von  der 
zu  Schareiken  wurde  mir  erzählt,  man  habe  einst  in  der  Char- 
freitagsnacht  die  Kirche  hell  erleuchtet  gesehen  und  den 
Glöckner  herbeigerufen,  damit  dieser  nachsehe,  was  die  Ursache 
sei;  sobald  man  jedoch  aufgeschlossen  habe  und  in  die  Kirche 
getreten  sei,  habe  man  alles  dunkel  gefunden. 


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612 


Uebcr  masnrische  Sagen. 


9.  Der  Hirschkopf  in  der  Kirche  zu  Marggrabowa. 

In  dieser  Kirche  hängt  vor  dem  Orgelchor  ein  hölzerner 
Hirschkopf  mit  schönem  Geweih  von  der  Decke  herab,  der  zum 
Kronleuchter  eingerichtet  ist.  E9  befindet  sich  an  ihm  ein 
"Wappen,  wohl  desjenigen,  der  diesen  Leuchter  in  die  Kirche 
stiftete.  Hirschköpfe  zu  Kronleuchtern  in  Kirchen  einzurichten, 
scheint  in  früherer  Zeit  allgemeiner  gewesen  zu  sein;  so  lesen 
wir  in  der  Altpr.  Monatsschr.  von  1883,  in  der  St.  Georgen- 
kirche zu  Rastenburg  habe  „als  Wandleuchter  ehemals  ein 
hölzerner,  früher  mit  Kerzenträgern  versehener  Hirschkopf  ge- 
dient, welcher  das  mächtige,  natürliche  Geweih  eines  Sechszehn- 
enders  trägt".  An  den  obenerwähnten  Hirschkopf  nun  knüpft 
sich  folgende  Sage.  Herzog  Albrecht  soll,  als  er  in  den  damals 
in  jener  Gegend  befindlichen  großen  "Waldungen  jagte,  einen 
mächtigen  Hirsch  aufgetrieben  haben,  der  verwundet  und  ver- 
folgt in  der  Hütte  eines  Einsiedlers  Zuflucht  suchte,  die  an  der 
Stelle  sich  befand,  wo  heute  die  Kirche  steht.  Zum  Andenken 
an  dieses  Ereigniß  soll  Herzog  Albrecht  Kirche  und  Stadt 
fundirt  und  das  Geweih  des  Hirsches,  zum  Kronleuchter  in 
obiger  Art  eingerichtet,  in  die  Kirche  gestiftet  haben. 


Sollten  vorstehende  Zeilen  zu  weiterem  Forschen  und 
Sammeln  die  Anregung  bieten,  so  wäre  ihr  Zweck  erreicht 
Das  Beste  wäre  wohl,  wenn,  nach  dem  Mustor  der  Litauischen 
Litterarischen  Gesellschaft  zu  Tilsit,  eine  Masurische  Litterarische 
Gesellschaft  sich  bildete,  um  Masuren  zu  erforschen  und  alles 
Bemerkenswerthe  durch  Aufzeichnung  und  Fixirung  vor  dem 
Vergessenwerden  zu  retten.  Conditio  sine  qua  non  wäre  natür- 
lich der  völlige  Ausschluß  von  revolutionär  -  politischen  soge- 
nannten Nationalitätsbestrebungen  und  somit  auch  der  Hoch- 
polen, deren  immer  nur  auf  das  Politische  gerichtete  Einmischung 
sich  noch  stets  als  unheilvoll  erwiesen  hat. 


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Eine  noch  heute  zeitgemässe  kirchenpolitische 
Denkschrift  des  Ministers  t.  Schön. 

Zehn  Jahre  sind  gerade  verflossen,  seitdem  die  konsti- 
tnirende  Generalsynode  durch  Annahme  und  Amendirung  des 
Synodalstatuts  der  protestantischen  Landeskirche  in  den  alten 
Provinzen  des  preußischen  Staate  den  Grund  zu  einem  Gebäude 
unprotestantischer  Hierarchie  gelegt  hat,  dessen  Krönung  auf 
der  zweiten  ordentlichen  Goneralsynode  ernstlich  versucht 
worden  ist.  Durch  das  Institut  der  Generalsynode  hat  das 
bis  dahin  absolut  regierende  Kirchenregiment  in  der  unirten 
evangelischen  Kirche  eine  Beschränkung  seiner  rechtlichen  Be- 
fugnisse erfahren,  welche  an  das  parlamentarische  Regiment  im 
weltlichen  Staat  erinnert.  Nur  sind  die  Machtbefugnisse  im 
weltlichen  Staat  anders  vertheilt  als  in  diesem  Kirchenstaat,  und 
ebenso  ist  die  Rolle  der  Opposition  in  dem  letzteren  derjenigen 
Richtung  zugetheilt,  welche  im  ersteren  auf  Seiten  der  Krone 
steht.  Trotz  diesem  essentiellen  Unterschiede  ist  das  kirchliche 
Parlament  genau  in  derselben  Weise  mit  der  Vertretung  des 
Königs  als  summus  episcopus  der  protestantischen  Kirche  in 
Konflikt  gerathen,  wie  seinerzeit  das  weltliche  Parlament  mit 
der  Regierung  auf  anderem  Gebiete.  Schon  diese  Constellation 
ist  geeignet,  das  höchste  Interesse  zu  erregen,  und  eine  genauere 
Betrachtung  herauszufordern.  Es  treten  neben  den  entscheiden- 
den Unterschieden,  welche  an  sich  zwischen  dem  Gebiet  der 
Kirche  und  dem  des  Staats  bestehen,  auch  Analogieen  hervor, 
welche  bekunden,  daß  auf  beiden  Gebieten  das  richtige  Fun- 


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614        Eine  noch  heute  zeitgemäße  kirchenpolitiache  Denkschrift 


dament  fehlt,  und  hieraus  ergiebt  sich,  daß  es  auf  beiden 
Gebieten  noch  anhaltender  und  heftiger  Kämpfe  bedürfen  wird, 
bevor  ein  befriedigendes  Gleichgewicht  hergestellt  sein  wird. 

Was  auf  dem  Gebiete  des  weltlichen  Staates  daran  fehlt, 
um  zu  einer  Ausgleichung  der  Gegensätze  zu  führen,  soll  hier 
nicht  erörtert  werden.  Es  geschieht  dies  alle  Tage  an  anderen 
Stellen.  Auf  kirchlichem  Gebiet  aber  fällt  sofort  und  zunächst 
in  die  Augen,  daß  die  parlamentarische  Vertretung  der  Kirche 
ganz  falsch  und  mit  Verleugnung  des  protestantischen  Grund- 
princips  konstruirt  worden  ist.  Das  Kirchenregiment  befindet 
sich  also  einer  Vertretung  gegenüber,  welche  nichts  weniger 
darstellt  als  dasjenige  Element,  an  welches  der  vermöge  der 
geschichtlichen  Entwickelung  absolut  regierende  summus  episco- 
pus  allein  gewisse  Rechte  abzutreten  befugt  sein  konnte,  wenn 
nicht  der  Geist  und  das  Wesen  der  protestantischen  Kirche  von 
Grund  aus  verfälscht  werden  sollte.  In  der  vom  römischen 
Priesterstaate  losgelösten  und  von  der  Priesterherrschaft  erlösten 
protestantischen  Kirche  bildet  die  Gemeinde  das  Grundelement, 
aus  welchem  sich  diese  Kirche  aufbaut,  und  von  welcher  jeder 
verwaltende  Faktor  ausgehen  und  beherrscht  werden  muß.  Jedes 
eigentliche  Regiment,  jedes  Moment  der  Herrschaft  von  oben 
her  ist  hier  grundsätzlich  auszuschließen,  wenn  überhaupt  von 
einer  Freiheit  des  religiösen  Bekenntnisses,  dieses  innersten 
Kerns  des  protestantischen  Bekenntnisses,  und  von  einer  Selbst- 
verwaltung der  evangelischen  Kirche  die  Rede  sein  soll.  Der 
landesherrliche  Despotismus  in  der  protestantischen  Kirche,  der 
sich  geschichtlich  entwickelt  hat,  weil  Luther  seine  Kirche  in 
den  Schutz  der  Landesherren  stellen  mußte,  und  der  aus  dieser 
geschichtlichen  Entwickelung  den  Titel  seiner  Berechtigung 
herleitete,  so  lange  nicht  ein  Anderes  an  seine  Stelle  gesetzt 
wurde,  oder  gesetzt  werden  konnte,  ist  bisher  erträglich  gewesen 
und  ertragen  worden,  weil  der  Landesherr  von  seiner  Gewalt 
immer  einen  gemäßigten  Gebrauch  zu  machen  genöthigt  gewesen 
ist,  und  selbst  in  katholischen  Ländern  aus  bewegenden  Ursachen 
nur  einen  sehr  gemäßigten  Gebrauch  gemacht  hat. 


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des  Ministers  v.  Srhön. 


filö 


Ganz  anders  stellt  sich  die  Sache,  wenn  der  Landesherr 
als  summus  episcopus  der  protestantischen  Kirche  eines  Theils 
seiner  Rechte  sich  zu  Gunsten  einer  Versammlung  entäußert,  in 
welcher  die  Gemeinde  so  gut  wie  gar  nicht  vertreten  ist,  welche 
sich  aber  trotzdem  anmaßt,  ein  Regiment  gesetzgebend  und  ver- 
waltend über  die  Gemeinde  auszuüben,  deren  Vertretung  ihr 
obliegen  sollte.  Diese  Generalsynode  ist,  wie  gesagt  worden  ist, 
der  Mund  der  Kirche.  "Wenn  aber  die  Herren  Stöcker  und 
Hegel  der  Mund  der  Generalsynode  sein  sollen,  so  springt  von 
selbst  in  die  Augen,  in  welchem  Maße  diese  Synodalordnung 
eine  grundsatzliche  Verfälschung  des  obersten  Princips  der 
protestantischen  Kirche  bedeutet.  Die  vor  zehn  Jahren  festge- 
stellte Kirchengemeinde-  und  Synodalordnung  enthält  vermittelst 
des  Filtrirsystems,  durch  welches  sie  aus  Wahlen  hervorgeht, 
die  eigentlich  nichts  weniger  als  Gemeindewahlen  sind,  ein 
hierarchisches,  despotisches,  büreaukratisches  Element,  welches 
im  geraden  Gegensatz  zu  dem  protestantischen  Gemeindeprinzip 
von  oben  her  durch  alle  Instanzen  durchsickert,  und  der  Ge- 
meinde wohl  eine  große  Vielthätigkeit  aufbürdet,  aber  keine 
Selbstbestimmung  in  kirchlichen  und  religiösen  Dingen  übrig 
läßt.  Daher  rührt  die  viel  beklagte,  vergebens  bekämpfte,  an- 
scheinend unüberwindliche  Gleichgiltigkeit  des  größten  Theils 
der  gebildeten  Volksklassen  gegen  die  Einrichtung  der  Kirche. 
Die  künstlich  in  früheren  Jahrzehnten  und  durch  Jahrzehnte 
hindurch  groß  gezüchtete  Orthodoxie  hat  es  verstanden,  das  vom 
Minister  Falk  in  zu  großem  Vertrauen  auf  den  Geist  der  Zeit 
unternommene  "Werk  der  Emancipation  der  protestantischen  Kirche 
von  dem  absoluten  Regiment  des  summus  episcopus,  der  unter- 
dessen auf  weltlichem  Gebiet  ein  konstitutioneller  Monarch  gewor- 
den ist,  von  Hause  aus  derart  zu  verpfuschen,  daß  an  die  Stelle  des 
landesherrlichen  Regiments  der  Despotismus  einer  bornirten, 
unduldsamen,  buchstabengläubigen  und  gewaltthätigen  Orthodoxie 
zu  treten  droht,  die  schon  so  weit  geht,  die  vorbehaltenen 
Rechte  des  summus  episcopus  und  gleichwie  die  katholische 
Hierarchie  auch  die  innersten  geistigen,  idealen  Interessen  des 


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(516       Eine  noch  heute  zeitgemäße  kirchen politische  Denkschrift 


Staates  anzutasten  und  einer  vielköpfigen  Hierarchie,  einer 
Summe  von  Päpstlein  zu  unterwerfen,  vor  denen  schon  Luther 
eindringlich  zu  warnen  sich  gedrungen  fühlte.  Es  wiederholt 
sich  somit  auf  kirchlichem  Gebiet  derselbe  Vorgang,  der  sich 
auf  weltlichem  Gebiet  abzuspielen  beginnt.  Die  Gemeinde  hier 
und  das  Volk  dort  wird  mit  scheinbaren  Rechten  ausgestattet, 
unter  deren  Deckmantel  sich  eine  despotische  Gewalt  zu  etabliren 
bestrebt  ist,  welche  über  den  Gemeinden  und  dem  Volke  schwebt. 
Man  mag  in  der  That  darüber  zweifelhaft  sein,  auf  welchem  der 
beiden  Gebiete  des  Volkslebens  man  zu  energischerem  Wider- 
stande sich  angeregt  und  verpflichtet  fühlen  soll. 

Wenn  man  bedenkt,  daß  es  sich  auf  dem  kirchlichen 
Gebiete  um  die  höchsten  idealen  Güter  des  menschlichen  Ge- 
schlechts in  seinem  Streben  nach  geistiger  und  sittlicher  Ver- 
vollkommnung handelt,  so  sollte  die  Wahl  eigentlich  nicht 
zweifelhaft  sein.  Für  die  Gleichgiltigkeit,  mit  welcher  die  ge- 
bildeten Klassen  des  Volks  den  Kämpfeu  auf  dem  kirchlichen 
Gebiete  zusehen,  ohne  sich  an  denselben  zu  betheiligen,  kann 
man  die  sichere  Ueberzeugung  erklärend  anführen,  daß  alle 
Gewaltmaßregeln  auf  diesem  Gebiete  ausgeschlossen  sind. 
Aber  auch  diese  Gleichmüthigkeit  wird  voraussichtlich  eine 
Grenze  finden  müssen.  Nach  dem  Ausspruche  eines  Staats- 
mannes, der  noch  immer  nicht  gebührend  gewürdigt  wird,  soll 
„der  heilige  Geist  zwar  über  den  Gemeinden  schweben, 
aber  nicht  als  besonderes  Wesen  im  Talar  und  Barett 
sich  bemerkbar  machen."  Da  die  jetzige  Generalsynode 
in  ihrer  Zusammensetzung  und  Tendenz  das  gerade  Gegenstück 
zu  dieser  Prinzipalforderung  darstellt,  so  ist  es  angebracht,  an 
der  Hand  einer  das  Wesen  der  Sache  erschöpfenden  Darstellung 
dieses  Staatsmannes,  die  mehr  positives  Christenthum  ent- 
hält, als  bisher  durch  „den  Mund  der  Kirche"  kund  gethan 
worden  ist,  und  kund  gethan  werden  wird,  die  historische  Ent- 
wickelung  der  Institution  zu  rekapituliren.  Der  Minister  v.  Schön 
äußerte  sich  vor  40  Jahren  (Dezember  184G),  als  Friedrich 
Wilhelm  IV.  einen  vorbereitenden  Versuch  mit  einer  General- 


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des  Ministers  v.  Schön. 


rtl7 


synode  der  unirten  evangelischen  Kirche  gemacht  hatte,  in  der 
nachstehenden  Denkschrift  folgendermaßen  über 

Die  Berlinische  Synode  1846. 

„Friedrich  "Wilhelm  III.  sagte  mit  einem  gewissen  Stolze 
von  sich:  er  sei  ein  Prosaiker.  Ja!  noch  mehr:  jede  nur  durch- 
blickende Idee,  jede  Regung  der  Phantasie  oder  des  Gefühls 
suchte  er  bei  sich  zu  unterdrücken.  Indem  er  keine  Idee  auf- 
kommen lassen  wollte,  wurde  es  ihm  schwer,  der  Phantasie  ihre 
Grenzen  anzuweisen  und  sein  lebhaftes  menschliches  Gefühl  in 
Zucht  und  Banden  zu  halten.  Daher  wollte  er  blos  und  allein 
Verstandesmensch  sein.  Alles,  worauf  er  Einfluß  hatte,  sollte 
nur  nach  einer  von  ihm  anerkannten  untergeordneten  Ordnung, 
so  viel  als  möglich,  zur  leichteren  Uebersicht  in  Gleichmäßigkeit 
vor  sich  gehen.  Der  Krieg  war  ihm  ein  wildes  Getreibe,  beim 
Exerciren  konnte  er  ausharren.  Das  Staatsleben  war  ihm 
vollends  ein  Chaos,  welches  zu  ordnen  oder  in  Ordnung  zu 
halten  er  Anderen  überließ.  Einzelne  ihm  begreifliche  Staats- 
operationen betrachtete  er  ohne  besonderes  Interesse,  aber  darauf, 
daß  kein  Geschäftszweig  dem  andern  zu  nahe  kam,  hielt  er 
strenge.  Den  besten  Vorschlag,  den  z.  B.  der  Minister  des  Innern 
im  Geschäftskreise  des  Ministers  der  Finanzen  machte,  betrachtete 
er  als  Anmaßung.  Er  wollte  eine  Ordnung  halten,  wie  sie  im 
Frieden  beobachtet  wird;  alles,  was  von  Ideen  während  seiner 
Regierung  ins  Leben  trat,  betrachtete  er  kälter  und  von  sich 
entfernter,  als  dies  bei  seinen  Unterthanen  dor  Fall  war.  Zu 
dem  Jubel,  welcher  im  ganzen  Lande  wegen  der  Aufhebung  der 
Erbunterthänigkeit  stattfand,  machte  er,  wie  Scharnhorst  mir 
sagte,  ein  bedenkliches  Gesicht.  Nicht  weil  er  gegen  die  Sache 
war,  sondern  nur  wegen  der  Besorgniß,  ob  dabei  auch 
Ordnung  beobachtet  werden  würde.  Bald  nach  dem  Kriege 
war  der  König  auf  einer  Reiso  in  Landsberg  a.  W.  über  Nacht. 
Es  war  Sonnabend  Abends,  als  er  ankam.  Er  wollte  am  nächsten 
Morgen  dem  Gottesdienste  beiwohnen.  Um  dabei  nichts  zu 
unterlassen,   was  etwa  von  der  Gemeine   zu  beobachten  sei, 

Altpr.  Monat«Bohrift  Bd.  XXIIL  Htt.  7  u.  &  40 

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018       E'ne  n°ch  heut«  zeit  gemäße  kirehenpolitische  Dcnkwhrit't 


schickte  er  den  General  von  Witzleben,  wie  dieser  mir  mittheilte, 
zum  Geistliehen  des  Orts,  um  über  die  übliche  Form  des  Gottes- 
dienstes Erkundigung  einzuziehen.  Der  Geistliche  theilte  die 
Form,  welche  er  am  folgenden  Tage  beim  Gottesdienste  be- 
obachtet haben  würde,  mit;  setzte  aber  hinzu,  daß  er  auch  jede 
andere  Form,  welche  Se.  Majestät  befehlen  würde,  beim  morgenden 
Gottesdienste  zu  beobachten  bereit  sei.  Dies  Unbestimmte  in 
der  Antwort  des  Geistlichen,  diese  Bereitwilligkeit  des  Geist- 
lichen, in  jeder  Form,  welche  gewünscht  würde,  den  Gottes- 
dienst zu  halten,  regte,  wie  mir  der  General  v.  Witzleben  sagte, 
den  König  sehr  auf.  Dem  Könige  fehlte  der  Halt,  und  daß 
bei  sehr  verschiedeneu  Formen  Erbauung  möglich  sei, 
lag  ihm  zu  entfernt.  Dem  Geistlichen  fehlte  nach  des 
Königs  Meinung  das  Reglement,  wie  es  die  Armee  hat. 
Von  diesem  Tage  an  datirt  sich  das  Bemühen  des  Königs,  dem 
kleinen  Dienste  in  der  Kirche  eine  feste  Basis,  ja!  noch  mehr, 
eine  bis  in  das  kleinste  Einzelne  sich  ausdehnende  Vorschrift 
zu  geben.  Witzleben,  eines  Theils  nicht  Kopf  und  nicht  ge- 
bildet genug,  um  den  rechten  Standpunkt  des  Königs  hier  finden 
zu  können,  anderntheils,  ich  will  annehmen,  unbewußt  die  Sache 
als  Lieblingssache  des  Königs  mit  Eifer  aufnehmend,  um  dadurch 
seinen  Einfluß  auf  den  König  zu  erweitern,  schleppte  nun  alle 
Agenden,  deren  er  nur  habhaft  werden  konnte,  herbei,  um  diese 
mit  dem  König  durchzustudiren.  Einzelne  Geistliche,  welche 
längst  den  Maugel  an  hierarchischem  Wesen  in  der 
protestantischen  Kirche  bedauert  hatten,  boten  bereit- 
willig die  Haud,  und  so  entstand  im  Jahre  1817  die  Agende 
für  den  Hof  und  für  die  Armee.  Der  für  den  Hof  konnte 
man  noch  einen  Sinn  unterlegen,  theils  weil  der  Hofdienst  an 
sich  Aufgabe  der  Persönlichkeit  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
an  die  Willkür  eines  Andern  mit  sich  führt,  theils  aber  auch, 
weil  der  Hofmann  wie  im  Salon  auch  in  der  Kirche  seinen 
Dienst  zu  verrichten  hat,  also  hier  von  Erbauung  nicht  die  ßede 
sein  darf.  Aber!  für  die  Armee!  Für  eine  Armee,  welche  nur 
der  bewaffnete  Arm  des  Volkes,  also  integrirender  Theil  des 


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des  Ministers  v.  Schön. 


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Volkes  ist,  welches  in  der  Kirche  Erbauung  finden  soll,  eine 
andere  Art  des  Gottesdienstes  zu  bestimmen,  als  das  Volk  hat, 
und  den  Staatsbürger,  der  zufallig  bewaffnet  ist,  mit  physischer 
Gewalt  zu  diesem  Gottesdienste  zu  fuhren,  das  ist  Widerspruch 
in  sich.  Der  Appetit  kommt  beim  Essen  und  so  sollte  auch  die 
Hof-  und  Militairagende  bald  zum  Volke  gebracht,  das  Volk 
sollte  auch  hierin  uniformirt  werden.  Der  König  studirte 
fleißig  die  Einrichtung  der  russischen  Kirche!  und  es  mußte  der 
Satz:  Der  Kaiser  ist  das  Haupt  der  Kirche!  und  die  feststehende 
Tabulatur  in  dieser  Kirche  seiner  Persönlichkeit  zusagen.  Das 
Letzte  bestärkte  sein  Streben  nach  Uniformität,  und  er  wurde 
auch  gern,  wie  Peter  der  Große,  sich  als  Haupt  der  Kirche 
gerirt  haben,  wenn  ihm  nicht  der  Zustand  der  russischen  Kirche 
unter  Alexander,  dessen  Abhängigkeit  von  der  Geistlichkeit  ge- 
zeigt und  wenn  er  nicht  Aufregung  des  Volkes  gefürchtet  hätte. 
Die  kirchliche  Oberhauptschaft  sollte  nun  auf  diplomatischem 
Wege  geltend  gemacht  werden.  Man  negociirte  mit  den  einzelnen 
Geistlichen,  man  beförderte  die  bereitwilligen  zur  Annahme, 
man  beordente,  beschenkte  u.  s.  w.  Der  König  tibersah  nicht 
allein  alle  Einwendungen  gegen  die  Agende,  daß  sie  Christus, 
ultra  katholisch,  zum  Obersten  der  Gottheit  mache  (Du 
der  Höchste  in  der  Herrlichkeit  Gottes!  über  welche  Stellen 
Witzleben  selbst  erschrak,  als  ich  sie  ihm  zeigte),  daß  der 
längst  verworfene  Exorcismus  nur  überzuckert  wieder  vorgesueht 
sei  u.  s.  w.;  sondern  betrachtete,  wie  sein  Gespräch  mit  dem 
Consistorial-Director  Böckner  zeigte,  jedes  Bedenken  bei  An- 
nahme der  Agende  als  Akt  des  Eigensinns.  Die  Sache  blieb 
in  der  Schwebe,  bis  der  König  starb. 

Friedrich  Wilhelm  IV.  faßte,  die  Oberhauptschaft  fest- 
haltend, die  Sache  von  der  entgegengesetzten  Seite  an.  Fried- 
rich Wilhelm  HI.  wollte,  so  weit  es  ging,  von  oben  befehlen, 
er  fiel  mit  der  Thüre  ins  Haus.  Friedrich  Wilhelm  IV.  sagte: 
Die  Kirche  soll  sich  aus  sich  reformiren,  und  dabei 
wurden  alle  Einleitungen  und  Anstalten  getroffen,  daß  England 
hierbei  Vorbild  sei.    Hierdurch  wurde  zugleich  die  ganze 

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hierarchische  Partei  gewonnen.  Man  schickte  Geistliche 
nach  England,  man  ließ  Provinzial-Synoden,  Prediger-Conferenzen 
ohne  Princip  ins  Blaue  hinein  halten,  der  Wirrwarr  und  die 
Staubwolken  wurden  groß.  Von  den  Prediger-Conferenzen  ohne 
Beachtung  der  Grenzen  des  preußischen  Staats  abstrahirte  man 
bald,  da  man  sah,  daß  die  fremden  Geistlichen  wenig  Nahrung 
für  geistliche  Oberhauptschaft  und  als  Mittel  dazu  veraltete 
Rechtgläubigkeit  gaben.  Es  wurde  eine  königlich  preu- 
ßische Landes-Synode  ausgeschrieben.  Statt  aber  dazu 
die  Mitglieder  im  Geiste  des  Protestantismus  von  der  Gemeine 
wählen  zu  lassen,  überließ  man  die  Auswahl  Männern  ohne 
eigene  Meinung  und  ohne  Charakter,  und  so  kam  eine  Gesellschaft 
zusammen,  welche  größtentheils  aus  gedankenlosen  Orthodoxen 
und  anerkannten  Servilen  bestand.  Nur  wenige  hatten  den 
Muth,  sich  von  dem  kommandirten  Abendmahle  auszuschließen. 

Statt  nun  einfach  von  dem  Satze,  wie  ihn  unser  AUg.  Land- 
recht stellt,  auszugehen:  die  im  preußischen  Staate  lebenden 
Mitglieder  der  evangelisch  -  lutherischen  und  refor- 
mirten  Kirche  bilden  in  Beziehung  auf  den  Staat  eine 
Gesellschaft,  der  alle  Rechte  einer  solchen  gebühren, 
statt  diesen  Satz  festzuhalten  und  alle  Eingriffe  des  Staats  in 
das  Recht  der  Gesellschaft  zurückzuweisen,  und  das  ihr  zu- 
kommende Recht  der  Unabhängigkeit  zu  fördern,  blickten  bei 
den  Verhandlungen  immer  zwei  Zielpunkte  durch,  nämlich: 

1.  Bildung  einer  Landeskirche  (England), 

2.  die  größere  Befestigung  und  Ausdehnung  des 

Kirchenregimentes,  im  Gouvernement  also: 
Der  König  das  Haupt  der  Kirche! 
So  kam  man  zu  einem  Mischmasch  von  Presbyterialein- 
richtung  im  Kleinen,  wobei  das  Gouvernement  aber  auch  immer 
einwirken  soll,  und  zugleich  zu  einer  an  sich  servilen  Con- 
sistorialeiuriclitung  und  was  die  Hauptsache  war,  zu  einem 
gewaltigen  Kirchenregim ente.  Dies  Kopfüber  und  Durch- 
einander bahnte  zugleich  Hierarchie  und  Kirchendespotie  an, 
und  so  glaubte  jede  der  beiden  Parteien,  ihr  Feld  gehörig  zu 


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des  Mimstors  v.  Schön. 


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ebnen.  Prinzipienlos  mußte  die  Versammlung  zu  den  lächer- 
lichsten Fragen  kommen :  ob  nämlich  der  geistliche  Minister  als 
kirchlicher  Mann  zu  betrachten  sei?  Kommt  dies  Sammel- 
Snrium  zur  Ausführung,  dann  ist  die  englische  Oberhauptschaft 
mit  allen  ihren  Greueln  da. 

Einfach  die  Sache  betrachtet,  so  ist  eine  Gesellschaft  im 
Staate  da.  Diese  Gesellschaft  hat  ihre  gesetzgebende 
Macht  in  der  Versammlung  der  Abgeordneten  der  Ge- 
meinen. Die  Versammlung  wählt  einen  Ausschuß  als 
ausübende  Macht.  Der  Staat  nimmt  nicht  allein  von 
Allem  Notiz,  sondern  übt  ein  unbedingtes  Veto,  wo  er 
es  für  nöthig  findet,  aus.  In  dem  Augenblick,  wo  eine  Religions- 
gesellschaft in  einem  unconstitutionalen  Staate  ihre  ausübende 
Macht  (Kirchenregiment)  dem  Gouvernement  überläßt,  wird  sie 
"Werkzeug  des  Gouvernements,  und  ihre  "Würde  ist  dahin. 
Ebenso  ist  eine  protestantische  Kirchengesellschaft  als 
solche  aufgelöst,  und  der  Hierarchie  verfallen,  wenn 
sie  außer  der  Stimme  der  Gemeinen  noch  eine  Kirche 
als  darüberstehendes  "Wesen  annimmt,  von  welcher  Kirche 
in  Synodal  Verhandlungen  auch  geschwatzt  ist.  Dieser  heilige 
Geist  soll  zwar  über  den  Gemeinen  schweben,  aber  nicht  als  be- 
sonderes Wesen  im  Talar  und  Barett  sich  bemerkbar  machen.  Nach 
den  Synodalverhandlungen  ist  diese  Kirche,  ächt  katholisch,  die 
Hierarchie  oder,  ächt  russisch,  der  König. 

So  sind  Hierarchie  und  Kirchendespotie  zwar  Hand  in 
Hand  gegangen,  aber  Jeder  von  beiden  hatte  ein  besonderes 
Ziel.  Vox  populi  (Gott  in  seiner  Offenbarung  durch  den 
menschlichen  Geist)  wird  alle  diese  Uebertünchungen  und 
Drehungen  zu  Schanden  machen.  Amen! 

Luther  übergab  zwar  den  Gouvernements  das  Kirchen- 
regiment, aber  theils  machte  Luther  überhaupt  seine  Reformation 
von  Oben  nach  Unten  und  benutzte  die  Hab-  und  Herrschsucht 
der  Fürsten  als  Mittel  zum  guten  Zweck,  theils  war  damals 
noch  eine  sehr  finstere  Zeit,  Gemeinen  im  lutherischen  Sinne 
existirten  nicht,  das  Volk  war  kirchlich  ohne  Haltung.  Dazu 


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kam,  daß  alle  Staaten  Deutschlands  in  gewisser  Art  constitational 
waren,  neben  Reichstag  und  Kammergericht  beschrankt©  der 
Adel  noch  die  Willkür  der  Fürsten.  Heute  haben  wir  Gemeinen, 
und  es  ist  Tag! 

Das  Innere  der  protestantischen  Kirchengesellschaft  in 
unserem  Staate  konnte  niemals  Gegenstand  der  Verhandlung  der 
Kreis-,  Provinzial-  oder  General-Synode,  wie  die  ersten  beiden 
katholisch-  und  die  letzte  beamtenartig  zusammengesetzt  waren, 
sein.  Dem  Wesen  der  protestantischen  Kirche  nach 
können -nur  gewählte  Abgeordnete  der  Gemeinen  eine 
Synode  bilden,  und  die  ersten  beiden  Versammlungen  bestanden 
nur  aus  kirchlichen  Dienern  der  Gemeinen,  nämlich  aus  Geist- 
lichen, und  die  sogenannte  Berliner  Synode  war,  weil  die  Mit- 
glieder vom  Kirchenregimente  kommandirt  waren,  (Diener  hatten 
andere  Diener  und  Gleichgesinnte  berufen)  nur  ein  protestantisch- 
kirchlicher  "Wechselbalg,  der  seine  Anmaßung,  wie  bei 
Leuten  in  widerrechtlich  angemaßter  Stellung  in  der 
Regel  der  Fall  zu  sein  pflegt,  soweit  trieb,  sogar  über 
innere  Angelegenheiten,  nämlich  über  das  Glaubens- 
bekenntniß  der  Candidaten  zu  verhandeln.  Alle  drei 
Versammlungen  waren  nur  Werkzeuge  des  Kirchenregimentes, 
oder  besser  der  Kirchendespotie,  die  Berliner  Versammlung 
sogar  in  unwürdiger  Zusammensetzung  und  Gestalt,  und  so 
nicht  Stimme,  sondern  Gegenstück  der  Stimme  der 
Gemeinen. 

Die  Mitglieder  der  sogenannten  Berliner  Synode  mußten 
in  ihrer  ersten  Sitzung,  wenn  ihre  Einsicht  klar  und  ihr 
Gewissen  wach  war,  erklären: 

1.  sie  bildeten  keine  Synode  und 

2.  soll  die  Versammlung  Rathgeber  des  Kirchenregiments 

sein,  so  geht  der  Rath  dahin,  sie  zu  entlassen  und 
eine  Synode  zu  berufen. 

Angenommen,  es  trete  aber  eine  wirkliche  Synode  im  Sinne 
der  protestantischen  Kirche,  in  Beziehung  auf  die  protestantische 


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Kirchengesellschaft,  im  Preußischen  Staat  zusammen,  wie  kann 
sie  den  Frieden  in  dieser  Kirchengesellschaft  wieder  herstellen? 

In  Absicht  des  Aeußeren  giebt  dies  ein  früherer  Aufsatz 
an.  Aber  in  Absicht  des  Innern  und  des  Wesens  der  Gesell- 
schaft? 

Ohne  Statuten  keine  Gesellschaft,  ohne  Symbole 
keine  Kirchengesellschaft.  Nur  wie  Statuten  dem 
Gange  der  Cultur  der  Gesellschaft  folgen  müssen,  so 
auch  Symbole.  Die  jetzigen  Symbole  sind  in  ihrer 
Form  nur  Beweisstücke  des  Culturstandes  der  Zeit,  in 
welcher  sie  aufgestellt  sind. 

Satzungen,  welche  sich  Jahre,  ja  Jahrhunderte  lang  halten, 
müssen  Ideen  zu  Grunde  liegen,  welche  als  solche  in  ewiger 
Geltung  sind. 

Die  jetzt  angenommenen  Symbole  stellen  diese  Gottes- 
kinder in  so  grell,  grob  und  geschmacklos  sinnlicher  Form  dar, 
daß  diese  morsche,  veraltete  Form  zerbrochen  werden  muß.  Es 
kommt  also  darauf  an,  die  den  Symbolen  zum  Grunde  liegenden 
Ideen  in  einer  Form  darzustellen,  welche  dem  heutigen  Cultur- 
stande  angemessen  ist  Der  Kreis  der  sinnlichen  Verkörperung 
von  Ideen  in  Beziehung  auf  die  Kirche  hat  durch  den  Protes- 
tantismus neun  Zehntheile  seines  Terrains  verloren,  und  die 
Symbole  müssen  daher,  weniger  in  sinnlicher  Anschauung  als 
im  "Worte,  ihre  Form  suchen.  Die  Hauptsätze  des  Protestan- 
tismus werden,  insofern  sie  nicht  als  Erbstücke  des  Katholicismus 
sich  gedankenlos  fortgeschleppt  haben,  als  der  Fluch  jedes 
Andersglaubenden,  die  Augustinische  Lehre  von  der  Verrucht- 
heit  des  Menschen  u.  s.  w.,  welche  Erbstücke  als  Unrath  gleich 
im  Voraus  entfernt  werden  müßten,  in  einer  reinen  unserm 
Culturzustande  angemessenen  Form  ihre  Geltung  behalten  können. 

Und  so  kommt  es  darauf  an,  aus  dem  Schutthaufen 
symbolischer  Bücher  die  Goldkörner  herauszulesen, 
diese  in  angemessener  Form  für  die  nächstfolgende 
Zeit  als  Lehrsätze  hinzustellen  und  so  ein  neues  Sym- 
bolum  ohne  Bann  und  Fluch  gegen  den  Andersglauben- 


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f,24        Eine  noch  heute  zeitgemäße  kirrhenpolitiseho  Denkschrift 


den  der  protestantischen  Kirchengesellschaft  in  unserm 
Staate  zu  geben. 

Das  hier  und  in  einem  früheren  Aufsatze  Entwickelte, 
mit  der  heutigen  Richtung  und  dem  Stando  dos  Volks  in  kirch- 
licher Hinsicht  verglichen,  so  springt  die  Thatsache  in  die  Augen, 
daß  das  Volk,  ohne  den  heutigen  Stand  der  Sacho  klar  zu  sehen, 
und  ohne  die  Richtung  des  Gouvernements  in  der  gemißbrauchten 
Form  des  Kirchenregiments  zu  durchschauen,  sich  wie  ein 
Mensch  benimmt,  der  in  sich  die  Ueberzeugung  trägt,  daß  man 
seine  Täuschung  beabsichtige,  ohne  daß  er  klar  sieht,  wie  man 
dies  ausführen  wolle,  und  ohne  daß  er  Mittel  und  Wege  angeben 
kann,  wie  diesem  begegnet  werden  mag.  Indem  die  orthodox- 
hierarchisch-despotische Partei  mit  der  Consequenz,  wie  sie  bei 
an  und  in  sich  unlauteren  Dingen  eino  Zeit  lang  dadurch  sich 
halten  läßt,  daß  man  Alles,  was  Idee  ist,  daraus  zu  entfernen 
sucht,  und  rohe  Gewalt  durchblicken  läßt,  vorgeht,  benimmt  sich 
das  Volk  ungeberdig  und  balgt  sich,  statt  die  Sache  im  Prinzip 
zu  fassen,  mit  einzelnen  Sätzen  herum.  So  wissen  Tausende 
und  Tausende  nicht,  was  der  Ausschließung  von  Rupp  aus  dem 
Gustav-Adolf- Vereine  eigentlich  zum  Grunde  liegt,  nämlich  die 
Besorgniß,  dieser  Verein  werde  eine  Unterstützungsanstalt  für 
alle  in  unserm  Lande  verfolgten  protestantischen  Christen 
werden ;  und  doch  erhebt  sich  die  Masse  instinktartig  für  Rupp. 
Daß  Rupp  das  personificirte  Bild  dessen  ist,  der  die  hierarchi- 
schen Bande  sprengen  und  der  Kirchendespotie,  wie  sie  sich 
gerade  durch  Verdunkelung  der  Ansichten  des  Volkes  geltend 
machen  will,  entgegentreten  soll,  ist  unter  Hunderttausenden 
nicht  Einem  klar.  Aber  daß  der  Ausschließung  Rnpps  Unklar- 
heit nnd  selbstsüchtiges  Wesen  zum  Grunde  liegt,  steht  bewußtlos 
als  Glaubensartikel  bei  der  Menge  instinktartig  fest,  und  so 
schaart  sie  sich  in  Masse  gegen  das,  in  welchem  sie  Täuschung 
vermuthet,  und  wie  jeder  Volksbewegung  in  der  Form  des 
Instinkts  Ideen  zum  Grunde  liegen,  so  geben  diese  in  ihrer 
Allmacht  der  Opposition  die  Kraft,  welche  am  Ende  unaus- 
bleiblich jede  noch  so  fein  angelegte  und  ausgesonnene  Täuschung 


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des  Ministers  v.  Schön. 


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zunichte  macht.  Der  Weg  des  vorigen  Königs,  durch  Gewalt 
und  Negoeiation  mit  den  Geistlichen  ohne  Rücksicht  auf  das 
Volk  Kirchendespotie  zu  erlangen,  konnte  bei  dem  heutigen 
Culturstande  nicht  mehr  zum  Ziele  führen.  Aber  er  hatte  keine 
weitere  Folge,  als  daß  das  Gouvernement  in  einer  seiner  vielen 
Blößen  dastand,  und  die  Meinung,  welche  man  von  ihm  hatte, 
verkleinert  wurde.  Der  Weg,  welcher  jetzt  gewählt  und 
verfolgt  wird,  nämlich  das  Volk  in  seinen  eigenen 
Unklarheiten  und  Miserabilitäten  zum  Werkzeuge 
kirchlicher  Despotie  zu  machen,  ist  gefährlich;  denn 
Unrecht  durch  Gewalt  läßt  sich  folgenlos  gut  machen.  Aber 
entdeckte  beabsichtigte  Täuschung  erbittert,  und  läßt  einen  Keim 
des  Grolles  zurück,  der  nicht  zu  entfernen  ist. 

Friedrich  Wilhelm  III.  konnte  nach  seiner  Ordnungsliebe, 
ja!  nach  seiner  ganzen  Persönlichkeit  auch  in  kirchlichen  Sachen 
nicht  anders  handeln,  als  er  handelte.  Als  man  auf  Erfüllung 
seiner  Zusage  wegen  Repräsentation  drang,  ist  er,  wie  mir  der 
Cabinetsrath  Albrocht  sagte,  besonders  besorgt  gewesen,  daß 
Unordnung,  Anarchie  dadurch  verursacht  werden  könnte.  Erst 
als  er  dagegen  gesichert  zu  sein  glaubte,  ließ  er  die  Errichtung 
der  Provinzial-Landtage  zu.  So  hat  er,  wie  seine  nachgelassenen 
Papiere  zeugen  (wie  mir  unser  jetziger  König  sagte),  sich  bis 
zu  seinem  Tode  mit  Generalrepräsentation  beschäftigt,  aber 
theils  war  ihm  der  Begriff  der  constitutionalen  Monarchie  unklar, 
theils  hat  er  sich  damit  gequält,  die  Sache  in  eine  gewisse 
Ordnung  zu  bringen,  und  so  unterblieb  sie. 

Friedrich  Wilhelm  IV.  ist  in  sich  (durch  Delbrück  und 
besonders  durch  An^illon  dazu  getrieben)  in  positiver  Form 
religiös.  Die  ewige  Seligkeit  liegt  ihm  am  Herzen  und  diese 
Gefühlssache  (Delbrück  hat  sogar  eine  Gemüthswelt  geschrieben) 
ist,  seitdem  er  König  ist,  durch  seine  grell  pietistische  Umgebung 
in  hohem  Grade  gesteigert.  Jede  Abweichung  vom  positiven 
Christenthum  in  seiner  grellen  Gestalt  ist  seiner  Meinung  nach 
Satans  Werk,  und  diesem  entgegenzutreten  wäre  besonders 
Gewissenspflicht  eines  Königs  von  Preußen.    Die  militärische 


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C)2P>        Eine  noch  heute  zeitgemäBe  kirchenpolitische  Denkschrift 

Erziehung  von  der  einen  Seite,  und  die  laut  und  stark  sich 
äußernde  Volksstimme  von  der  andern  Seite  sollen  nun  beide 
in  Verbindung  den  Weg  des  Heils,  der  zum  Besten  des  Volks 
zu  wählen  ist,  anweisen,  und  so  mußte  der  zu  Tage  gekommene 
Mischmasch  von  Kirchendespotie,  von  Aufrechterhaltung  einer 
Kirche  im  Gegensätze  der  Gemeinen,  von  einem  stimmberech- 
tigten besonderen  Priesterthum  (Kreis-  und  Provinzial-Synoden), 
von  einer  General-Synode  von  Geistlichen  und  einzelnen  in 
pietistischer  Richtung  anerkannten  Männern  und  von  einer 
Landeskirche  (die  Königin  von  England  kann  nach  Hobbes  sacra 
verwalten,  Peter  der  Große  verwaltete  sie  wirklich)  entstehen. 

So  läßt  sich  der  Ausspruch:  Die  Kirche  soll  sich  aus  sich 
selbst  entwickeln,  mit  der  gewählten  Art,  wie  dies  geschehen 
soll,  vereinigen  und  annehmen,  daß  beiden  eine  gute  Absicht 
zum  Grunde  liege.  Wo  keine  Idee,  kein  Prinzip  in  seiner 
Klarheit  zum  Grunde  liegt,  wo  im  Gegentheil  einzelne  Thatsachen 
aus  finsterer  Zeit  die  Basis  dessen,  was  zu  thun  ist,  sein  sollen, 
da  müssen  aber  Widersprüche  zu  Tage  kommen,  und  dann 
können  jene  Thatsachen  nur  durch  entgegengesetzte  Thatsachen 
(Lichtfreunde  u.  s.  w.)  gehoben  werden." 

Aus  diesen  im  Vorstehenden  mitgetheilten  Erwägungen 
eines  Staatsmannes,  der  fünfzig  Jahre  seines  Lebens  der  freiheit- 
lichen Entwickelung  seines  Vaterlandes  gewidmet  hatte,  ergiebt 
sich  zunächst  eine  präcise  Kritik  des  Verfahrens,  welches  von 
den  beiden  Königen,  denen  er  gedient  hat,  eingeschlagen  worden 
war,  theils  um  die  beiden  Hauptrichtungen  der  protestantischen 
Kirche  zu  einer  einigen  evangelischen  Kirche  zu  verbinden, 
theils  die  Emancipation  dieser  Kirche  von  der  staatlichen  Be- 
vormundung vorzubereiten.  Daß  diese  Bestrebungen  auf  dem 
eingeschlagenen  Wege  nicht  zum  Ziel  gelangen  konnten,  zum 
Theil  deshalb,  weil  sie  theilweise  sich  widersprachen,  ist,  wie 
wir  meinen,  unwiderleglich  und  deutlich  dargethan  worden. 
Das  Ziel,  welchem  die  kirchliche  Bewegung  allmählich  zugeleitet 
werden  muß,  ist  ebenso  deutlich  bezeichnet  worden.  Die  pro- 
testantische Kirche  der  Zukunft  muß  zunächst  zu  ihrem  Grand- 


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des  Ministers  v.  Schön. 


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prinzip  zurückgeführt  werden,  dem  sie  durch  die  historische 
Elitwickelung  ihrer  Stellung  im  Staat  entfremdet  worden  ist. 
Aber  mit  Befremden  muß  man  wahrnehmen,  daß  in  den  seit 
der  Abfassung  dieser  Denkschrift  verflossenen  vierzig  Jahren 
nicht  nur  nichts  geschehen  ist,  um  die  protestantische  Kirche 
zu  einer  Reformation  „aus  sich  selbst  heraus"  zu  veranlassen, 
daß  vielmehr  das  in  ihr  enthaltene  unprotestantische  Prinzip, 
die  über  den  Gemeinden  schwebende  Kirche  im  Talar  und 
Barett  den  stärksten  Anlauf  nehmen  darf,  um  vollständig  durch- 
zudringen, und  die  freie  protestantische  Gemeinde  zugleich  einer 
katholischen  Hierarchie  und  einem  russischen  Cäsaropapismus 
zu  unterwerfen. 

Es  genügt  nicht,  wenn  man  sich  über  solche  heillose  Ideen- 
verwirrung damit  trösten  wollte,  daß  ein  solches  Beginnen,  wie 
es  sich  in  der  nächsten  Landtagssession  vermittelst  des  Hammer- 
stein'schen  Antrages  auf  der  politischen  Bühne  breit  machen 
wird,  nun  und  nimmermehr  zum  Ziele  führen  könne.  Auch 
wer  die  Ueberzeugung  hat,  daß  es  nicht  gelingen  könne  im 
neunzehnten  Jahrhundert  und  an  dessen  Ausgange  die  Refor- 
mation rückgängig  zu  machen,  und  die  protestantische  Kirche 
in  den  Schoß  der  allein  seligmachenden  römischen  Kirche  zurück- 
zuführen, wird  sich  nicht  für  berechtigt  halten  dürfen,  einem  so 
merkwürdig  interessanten  Schauspiel  mit  verschränkten  Armen 
zuzusehen.  Dies  um  so  weniger,  wenn  man  zu  gleicher  Zeit 
wahrnehmen  muß,  daß  die  herrschende  Realpolitik  vor  dieser 
Kirche,  die  sich  rüstig  an  die  Arbeit  macht,  sich  in  Compli- 
menten  erschöpft,  die  man  vor  zehn  Jahren  noch  für  geradezu 
undenkbar  gehalten  hätte.  Vermag  Jemand  anzugeben,  aus 
welchen  Gründen  die  reinste  von  allen  Idealen  und  Gefühlen 
grundsätzlich  absehende  Realpolitik  jene  Wendung  gemacht  hat, 
welche  das  Aufgeben  des  mit  Pomp  proklamirten  Kampfs 
zwischen  Priesterthum  und  Königthum  bedeutet,  obgleich  dieser 
Kampf  älter  ist  als  Kaiser  und  Papst? 

Wenn  es  in  so  verworrenen  Zeitläufen,  in  denen  alle  Be- 
griffe auf  den  Kopf  gestellt  werden,  die  noch  vor  Kurzem  für 


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628     Eine  noch  heute  zeitgemäße  kirchenpolitische  Denkschrift  etc. 

unantastbar  gelten  mußten,  vor  allen  Dingen  darauf  ankommt, 
das  protestantische  Gewissen  wach  zu  rufen  und  zu  schärfen, 
so  wird  man  die  hier  gebotene  Gabe  aus  dem  Nachlasse  eines 
goistigen  Helden  in  seiner  engeren  Heimath  doppelt  zu  schätzen 
und  zu  würdigen  wissen. 


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Nachträge  zu  dem  aufsatz  über  das  litauische  haus. 

Von 

A.  Bezzenberger. 

(Bnd.  XXIII  s.  34  ff.) 
Mit  einer  lithogr.  tafel. 

Die  besonderheit  des  von  herrn  oberlandesgerichtsrat  Wiehert 
mir  mitgeteilten  grundrisses  (fig.  21)  hat  mich  veranlaßt,  der 
Verbreitung  und  der  herkunft  des  hierin  dargestellten  typus  an 
ort  und  stelle  nachzugehen.  Es  ergab  sich  hierbei,  daß  genau 
dieselbe  hausform,  welche  herr  "Wiehert  beschrieben  hat  (s.  60 
aum.  38),  außerhalb  Gilges  nicht  vorzukommen  scheint  und  in 
den  haffdörfern  Karkeln,  Loye,  Inse  und  Nemonien  —  Tawe 
konnte  ich  in  folge  ungünstiger  Witterung  nicht  besuchen  — 
bestimmt  nicht  vorkommt;  es  fanden  sich  dagegen  zwei  häuser 
in  Tn.se,  welche  auf  den  Ursprung  dieser  form  licht  werfen 
dürften.  Das  eine  (eigentum  des  wirts  Besmen),  welches  für 
das  älteste  Inser  haus  und  für  über  100  jähr  alt  gilt,  steht  seinem 
grundrisse  nach  (fig.  I*))  den  in  fig.  21  und  in  der  hier  beige- 
fügten fig.  II**)  (welche  ich  selbst  in  Gilge  aufgenommen  habe) 

*)  a  =  flnr;  b,  b1,  ba  =  stube;  c  =  kammer;  d,  d1,  da  =  Vorratskammer; 
e  =  kol-en ;  f  ■=  stall ;  g  =  angebaute  kammer  von  bretterwerk ;  h  =  an  den 
Seiten  offene  halle,  über  welche  das  hausdach  fortgeführt  ist ;  i  =  kochstatte. 

**)  a  =  flur ;  b,  b1,  bs  =  stube  (b3  dient  zugleich  als  klete) ;  c  =  kammer ; 
d  =  vorratskämmerchen;  e  =  stall;  f,  f1,  f?  =  halle  (f1  und  f2  halboffen; 
zwischen  den  beiden  letzten  pfeilern  [nach  a  zu]  von  f9  und  tischen  den 
beiden  inneren  pfeilern  von  f1  befindet  sich  je  eine  halbtür);  g=  kochstätte; 
h  =  ofen. 


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630 


Nachträge  zu  dem  aufsatz  über  das  litauische  hau». 


geschilderten  häusern  so  nahe,  daß  an  seinem  zusammenhange 
mit  diesen  nicht  wohl  gezweifelt  werden  kann.  Es  unterscheidet 
sich  aber  wesentlich  von  den  letzteren  und  tritt  auf  die  seite 
der  gewöhnlichen  litauischen  bauweis©  1.  durch  das  fehlen  einer 
halle  längs  der  e  und  d  begrenzenden  außen  wand,  2.  durch  die 
Stellung  seiner  hinteren  eingangstür,  3.  dadurch,  daß  die  den 
räumen  b1  und  c  von  fig.  IL  entsprechenden  räume  d1  und  d2 
nur  von  außen  zugänglich  sind,  was  die  Vermutung  nahe  legt, 
daß  dieselben  angebaut  sind.  Erscheint  es  schon  hiernach  wahr- 
scheinlich, daß  der  in  rede  stehende  Gilger  typus  die  locale 
entwicklung  der  gewöhnlichen  preußisch  -  litauischen  hausform 
sei,  so  wird  dies  noch  wahrscheinlicher  durch  das  zweite  der 
erwähnten  Inser  häuser  gemacht,  von  welchem  ich  jedoch  keine 
abbildung  geben  kann.  Dasselbe  unterscheidet  sich  auf  seiner 
rückseite  in  nichts  von  z.  b.  fig.  4  —  es  hat  also  eine  glatte 
rtickwand  —  und  auf  seiner  Vorderseite  nur  dadurch  von  fig.  I, 
daß  die  hier  in  d1  befindliche  tür  fehlt,  daß  die  linke  Seiten  wand 
dieses  raumes  (bez.  der  vereinigten  räume  d1  und  d2)  mit  der 
linken  giebelwand  des  übrigen  hauses  nicht  eine  durchgehende 
fläche  bildet,  sondern  die  längswand  des  in  fig  I.  mit  f  be- 
zeichneten raumes  in  einem,  wenn  auch  nur  kleinen,  rechten 
winkel  trifft  (vgl.  den  durch  b1  und  c  in  fig.  II  gebildeten 
außenwinkel),  und  daß  sich  sowohl  vor  der  vorderen  haustür 
wie  vor  der  tür  der  vereinigten  räume  d1  und  d2  eine  schmale 
halle  befindet,  welche  beide  unter  einem  rechten  winkel  zu- 
sammenstoßen und  zusammenhängen.  Diese  tatsachen  weisen 
darauf  hin,  daß  der  anbau,  welchen  dies  haus  auf  der  linken 
seite  seiner  front  zeigt,  eben  ein  anbau  an  ein  ganz  gewöhnliches, 
oblonges  litauisches  haus  ist,  und  bestätigen  zugleich  die  Ver- 
mutung, daß  die  räume  d1  und  d2  der  fig.  I  unursprünglich  und 
angebaut  sind. 

Ich  neige  also  zu  der  annähme,  daß  die  eigentümliche 
Gilger  hausform  (fig.  21  und  fig.  IE)  nur  eine  Spielart  des 
preußisch  -  litauischen  grundtypus  (s.  61)  sei,  um  so  mehr,  als 
ich  in  Inse  eine  teilweise  recht  große  freiheit  in  der  behand- 


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Von  A.  Bezzenberger. 


031 


hing  der  häuser  bemerkte.  So  fand  ich  dort  ein  bauwerk, 
welches  von  weitem  ganz  ungeheuerlich  aussah,  sich  in  der  nähe 
aber  als  die  Vereinigung  von  drei  oder  vier  ganz  gewöhnlichen 
Wohnhäusern  ergab. 

Anbaue,  welche  dem  dl  und  d2  der  fig.  I  entsprechen,  habe 
ich  auf  einer  fahrt  durch  den  Heydekruger  kreis  recht  oft  be- 
merkt. Sie  kommen  ab«r  auch  sonst  vor.  Vgl.  fig.  III*),  den 
grundriß  eines  hauses  in  der  nähe  von  Laugallen  (unweit  des 
russischen  Grenzortes  Gorszdy). 

In  Wikiszken  bei  Kleszowen  (kr.  Darkehmen)  und  in 
Antszirgessern  bei  Niebudszen  (kr.  Gumbinnen)  sah  ich  je  ein 
haus  mit  einer  halle  längs  jeder  giebelseite.  In  dem  letzteren 
orte  wurde  mir  gesagt,  dieselbe  solle  die  lehmwände  des  betr. 
hauses  schützen;  sie  wurde  h^r  also  als  eine  erweiterung  des 
sog.  traufbrettes  aufgefaßt. 

Fig.  18  ist,  wie  ich  mich  bei  wiederholtem  besuche  dieses 
häuschens  überzeugt  habe,  nicht  richtig.  Der  räum  rechts  von 
der  flur  zerfiel  nämlich  früher  in  3  räume:  eine  hinterstubo, 
eine  von  der  haustür)  und  einen  stall  (rechts  von 

der  kammer);  der  letztere  hat  einen  besonderen  ausgang  (in  der 
front).  —  Daß  ich  dies  früher  nicht  bemerkt  habe,  lag  an  den 
sandmassen,  welche  dies  gebäude  ehedem  umgaben  und  einer- 
seits die  rechte  hälfte  desselben  unbewohnbar  machten  (in  folge 
wovon  sich  hier  das  vieh  ausbreitete),  andrerseits  am  sehen 
hinderten.    Jetzt  ist  es  etwas  freigelegt. 

Zu  den  älteren  nachrichten  über  den  litauischen  hausbau 
tritt  noch  die  folgende:  „nostri  progenitores  laborum  et  pericu- 
lorum  maris  pertaesi,  et  captivis  tarn  viris  quam  faeminis  onusti, 
coepere  in  tabernaculis  ad  focos,  more  militari,  adhuc  in  Sama- 
gitia  durante,  vitam  degere"  Michalonis  Lituani   de  moribus 


*)  a  =  flur;  b  =  stube;  c  =  nur  von  außen  zugängliche  kammer;  d  = 
küche  (genauer:  ei  .  bis  auf'  den  fußboden  herunter  geführter  rauchfang); 
e  =  ofen;  f=aus  bretterwerk  und  Strohgeflecht  hergestellter  an  bau,  der  zu 
wirtschaftlichen  zwecken  dient. 


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632 


Nachträge  zu  dem  aufsatz  über  das  litauische  haus. 


Tartaroram,  Lituanorum  etc.  fragmina  ed.  Grasser,  Basileae  1615, 
p.  24.  —  Das  citat  aus  Lasiczki  (s.  38 — 39)  ist  etwas  zu  er- 
weitern; es  geht  ihm  u.  a.  vorher:  „iidem  dem  aut  viceui,  plures 
uel  pauciores,  in  vno  tugurio  liuum,  lanam,  cannabim  pectunt, 
nent,  texunt,  vestes  conficiunt.  .  .  .  Disperse  per  syluas,  campos 
degunt.  rara  oppida,  nec  pagos  nimium  inultos,  arces  autem 
munitas  nullas  habent.  quorum  fonestrae  meridiem  versus  speo 
tant".  —  Über  die  lettischen  Wohnungsverhältnisse  finden  sich 
folgende  beachtenswerte  angaben  bei  Aug.  Wilh.  Hupel 
Topograph,  nachrichten  von  Lief-  und  Ehstland  II,  Riga  1777, 
s.  149:  „Nach  verhältniÜ  seines  Wohlstandes  hat  der  bauer  um 
sein  wohnhaus  ein  oder  mehrere  nebengebäude,  als  stalle, 
kleete  u.  d.  g.  alle  von  elenden  ansehen.  Arme  leben  mit  ihrem 
vieh  unter  einem  dach,  nur  durch  eine  Zwischenwand  abge- 
sondert, durchgängig  findet  man  hüner,  auch  oft  bei  den  Ehsten, 
schaafe,  ziegen  und  schweine  in  ihrer  stube.  Diese  ist  zugleich 
des  winters  die  küche;  des  sommers  kochen  sie  unter  freien 
himmel,  oder  in  einer  strauchhtitte ;  ordentliche  bauern  haben 
eine  besondre  sommerküche  von  pyramidenförmig  an  einander 
gestellten  langen  stangen,  zwischen  wolchen  zur  abhaltung  des 
regens,  baumrinden  liegen;  an  einem  in  der  mitte  befestigten 
querholz  hängt  der  grapen  über  dem  feuer:  solche  küchen 
brauchen  sie  mehr  wegen  des  waschens  als  wegen  des  speise- 
kochens,  weil  sie  des  sommers  viel  milch  und  kalte  speise 
essen";  das  s.  165:  „Auch  in  der  wohnimg  findet  sich  ein  unter- 
schied. Die  Letten  wohnen  zerstreut:  die  meisten  haben  neben 
ihrer  rauchstube  (rioge,  wo  sie  das  korn  dörren)  eine  warme, 
reinliche  kammer  mit  2  bis  3,  wenigstens  mit  einem  kleinen 
glasfenster,  in  welcher  sie  sich  gewöhnlich  aufhalten.  Bei  ihnen 
findet  man  mehrere  hölzerne,  auch  wohl  irdene  tischgeräte,  be- 
sondere Schlafdecken,  Obstgärten;  in  ihren  stuben  dulden  sie 
keinerlei  tiere,  höchstens  im  winter  etliche  hühner,  himde  und 
katzen.  Von  allem  ist  bei  dem  Ehsten  das  gegenteil,  er  lebt 
sehr  unreinlich,  hat  immer  einon  üblen  gcruch  bei  sich;  seine 
finstere    rauchstube    ist    ohne   fenster,   voll    tiere,  sonderlich 


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Von  A.  Bezzenborger. 


633 


scliaafe  u.  d.  g.,  die  daran  befindliche  kammer  ist  kalt,  finster 
und  ein  bloßes  magazin".  --  Über  den  russischen  hausbau  wußte 
ich  s.  45  anm.  nichts  zu  sagen;  nachträglich  habe  ich  in  dem 
schriftchen  De  Russorum  religione,  1582,  folgende  dürftige  notiz 
gefunden:  „Domus  rutenicae  ligneae  sunt  et  quidem  male  ma- 
teriatae.  Ita  tarnen  desipiunt,  ut  existiment  parietem  craticium 
lateritio  praeferendum  esse.  Caementi  apud  eos  nullus  fere 
usus  est". 

Schließlich  bemerke  ich,  daß  die  samländischen  bauern- 
häuser  durchaus  zu  dem  preussisch  -  litauischen  grundtypus  zu 
stimmen  scheinen,  und  daß,  worauf  mich  herr  professor  Henning 
aufmerksam  macht,  ein  Zusammenhang  zwischen  dem  litauischen 
und  dem  finnischen  hause  besteht. 


Altpr.  Monatwohrilt  Bd.  XXIII.  Hft.  7  u.  H. 


41 


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Kritiken  und  Referate. 

Nochmals  die  Chronik  yon  Olim 

Dem  freundlichen  Anerbieten  der  Redaction  dieser  Zeitschrift,  der  Ent- 
gegnung des  Herrn  Dr.  Fuchs  auf  meinen  Aufsatz  in  Bd.  21  „der  alte 
preußische  Chronist  in  der  Chronik  von  Oliva'4  meinerseits  einige  Worte 
hinzuzufügen,  entspreche  ich  nur  ungern,  da  die  Leser  der  Altpreußischen 
Monatsschrift  wohl  schon  genügend  mit  Peter  von  Dusburg  und  der  Chronik 
von  Oliva  unterhalten  sind  und  der  selbstbewußte  Ton,  den  Herr  F.  in  seiner 
Erwiderung  anschlägt,  zeigt,  daß  eine  weitere  Auseinandersetzung  mit  ihm 
nutzlos  ist.  Ich  pflichte  ihm  vollkommen  in  seinem  Schlußsatze  bei.  daß 
seine  Entgegnung  fast  nichts  bietet,  was  nicht  bereits  1884  von  ihm  vor- 
gebracht war,  nur  „kurz''  möchte  ich  dieso  dreißig  Seiten  lange  Wieder- 
holung nicht  nennen.  Sie  schien  ihm  nothwendig,  weil  meine  Methode  darin 
bestand,  daß  ich  seine  wichtigsten  Argumente  „einfach  ignoriere,  seine 
Gründe  mit  vornehmer  Nichtachtung  behandele,  kein  Wort  der  Entgegnung 
habe,  seine  Gründe  einfach  tot  schweige."  Diese  Anklage  wird  je  zwei  Mal 
am  Anfang  und  Ende  (406,  407,  431,  432)  im  Allgemeinen,  vier  Mal  (410. 
420,  421,  427)  bei  bestimmten  Veranlassungen  gegen  mich  erhoben.  Ich 
darf  den  Streitpunkt,  das  Alter  der  Ordensgeschichte  in  der  Chronik  von 
Oliva  und  ihr  Verhältniß  zu  Dusburg  und  Jeroschin,  wohl  als  bekannt 
voraussetzen  und  will  versuchen  so  kurz  als  möglich  die  Gründe,  welche 
Herr  F.  von  Neuem  vorbringt,  zu  beleuchten. 

Herr  F.  bleibt  S.  406-408  bei  der  Behauptung,  daß  die  beiden  Stellen, 
in  denen  sich  sachlich  die  Chronik  von  Oliva  mit  Jeroschin  berührt,  das 
Jagdgefolge  Herzog  Otto's  von  Braunschweig  und  die  in  Sartowitz  er- 
beuteten Frauen,  von  Jeroschin  der  Chronik  entnommen  sein  müßten  — 
mein  Hinweis,  daß  an  der  ersten  Stelle  der  Reimchronist  von  seinem  Auftrag- 
geber, dem  Enkel  Herzog  Otto's,  inspirirt  war,  wird  ignorirt,  daß  er  an  der 
zweiten  Stelle  das  Gedicht  desselben  vor  sich  hatte  (er  sagt  es  selbst),  be- 


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Nochmals  die  Chronik  von  Oliva. 


635 


zweifelt,  ohne  meine  Einschränkung  S.  631  zu  erwähnen.  Erst  wenn  man 
die  Abhängigkeit  des  Dichters  von  der  Chronik  für  erwiesen  hält,  müssen 
diese  Stellen  bei  ihm  aus  der  Chronik  stammen,  wir  sehen  aber,  dafl  sie  sich 
sehr  wohl  anders  erklären  lassen. 

S.  408—15  sucht  nun  Herr  F.  darzuthun,  daB  ich  den  Chronisten  mit 
Unrecht  grober  Fehler  geziehen  habe,  wie  sie  bei  einem  Zeitgenossen  nicht 
vorkommen  können.  Da  ist  zuerst  die  Ringangelegenheit:  et  in  signum 
huius  principatus  dominus  papa  annulum  ei  optulit  sagt  Dusburg:  dodit  eciam 
hanc  libertatem  ordinis  magistro,  quod  in  digitis  suis  anulo  (so  liest  Herr  F. 
mit  den  jüngeren  Handschriften,  obwohl  der  Plural  digitis  doch  auch  die 
gleiche  Form  anulis  verlangt),  posset  uti  berichtet  die  Chronik  :  „diese  letztere 
(Lesart)  läßt  einen  durchaus  richtigen  Sinn  zu'1,  sagt  Herr  F.  S.  409,  aber 
doch  durchaus  nicht  denselben,  wie  der  Ausdruck  Dilsburgs,  die  Stelle  kann 
wohl  aus  der  vollständigeren  Notiz  Dusburgs,  aber  nicht  diese  aus  jener  ent- 
standen sein  :  beide  f  ür  gleich werth  ig  zu  halten,  dazu  gehört  eine  starke 
Phantasie,  der  Chronist  dachte  vielleicht  an  die  Bestimmung  der  Decretalen 
HI  1  c  15,  daJJ  Dusburg  die  Investiturbulle  von  1243  im  Auge  hatte,  steht 
bereits  in  Toeppens  Anmerkung  zu  der  betreffenden  Stelle.  Die  Anmerkung 
68  des  Herrn  F.  über  den  Titel  Bischof  von  Culm,  den  Bischof  Christian 
von  Preuien  in  der  Chronik  von  Oliva  führt,  habe  ich  in  der  Tliat  nicht 
für  beachtenswerth  gehalten  und  bin  auch  heute  noch  dieser  Ansicht.  F. 
meint,  daß  ein  hoher  geistlicher  Würdenträger  im  14.  Jahrhundert  die  Stel- 
lung Christians  kernten  mußte  und  daß  der  alte  Chronist  sich  aus  der  Sonder- 
stellung Christians  im  Kulmerlaude  ein  früheres  Bisthum  Kulm  construirt 
habe.  Mir  genügt  der  Umstand,  daß  um  1310  die  Kühner  Kirche  officiell 
den  Bischof  Christian  für  ihren  ersten  Bischof  ansah  (wobei  ich  durchaus 
nicht  behauptet  habe,  daß  der  Chronist  von  Oliva  jenen  Bischofskatalog 
benutzt  hat)  allerdings,  um  die  Worte  priinus  Culmensis  episcopus  für  ein 
sicheres  Kennzeichen  des  14.  Jahrhunderts,  die  Anmerkung  des  Herrn  F. 
aber  tür  nicht  derErwähuuug  worth  zu  halten.  Und  in  dieselbe  Kategorie  gehört 
auch  die  mir  410  zur  Beachtung  empfohlene  Erörterung  A.  M.  XXI  243/44  über 
die  Berufung  des  Ordens  nach  Preußen:  mein  Spott  über  die  von  Herrn  F. 
angenommene  Benutzung  der  Kaiserurkunde  von  1226  oder  gar  ihrer  Vorlage 
hätte  ihm  doch  zeigen  können,  daß  ich  seine  Ausführungen  wohl  berück- 
sichtigt habe.  Die  Benntzung  der  Kaiserurkunde  folgt  nämlich  nach  Herrn 
F.  XXI  239/40  aus  der  Uebereinstimmung  folgender  ungewöhnlicher  Worte 
(er  läflt  sie  gesperrt  drucken) :  promisit  (K.  U.)  —  promittens  (Chr.),  et 
fratribus  (beide)  —  concedentes  (K.  U.)  —  concessit  (Chr.)  —  et  (beide)  — 
perpetuum  (K.  U.)  —  porpetuo  (Chr.)  Die  Benutzung  der  Kaiserurkunde  ist 
aber  die  Voraussetzung  sowohl  für  das  243/4  Ausgeführte,  als  auch  für  die 
Wiederholung  oben  410.    Ist  da  wirklich  eine  Widerlegung  noch  erforderlich  ? 

41* 


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636 


Kritiken  und  Referate. 


Danach  wird  man  sich  auch  nicht  weiter  wandern,  daß  Herr  F.  seinem 
Zeitgenassen,  „der  nach  mündlicher  Tradition  oder  aus  persönlicher  Kenntniß 
herausschrieb,"  die  Verwirrung  in  der  Chronologie  zutraut,  ebenso  die  Ver- 
wechselung der  Legaten,  nur  bei  dem  Kreuzzug  Ottokars  wird  ihm  die 
Sache  zu  arg  und  während  er  1884  noch  eine  andere  Erklärung  für  den 
Herzog  von  Oesterreich  und  Markgrafen  von  Mähren  suchte,  giebt  er  jetzt 
beide  als  interpolirt  preis. 

Sehr  unbequem  ist  Herrn  F.  der  Bericht  über  die  Gründung  des 
deutschen  Ordens,  auf  den  er  S.  412  übergeht.  Da*  Accaron  »ich  von  Accon 
nur  durch  einen  Haken  unterscheidet,  scheint  ihm  neu  zu  sein,  die  Hauptsache 
aber,  um  die  es  Pich  handelt,  sucht  er  mit  der  Wondung  zu  umgehen :  „doch 
ist  der  ganze  Passus  für  sich  betrachtet,  weder  für  P.s  noch  für  meine  An- 
sicht zum  Beweise  heranzuziehen".  Warum  nicht?  weil  wir  hier  in  der 
That  nur  ein  zum  Theil  absichtlich  gekürztes,  zum  Theil  flüchtiges  Excerpt 
(aus  welcher  Quelle  ist  für  das  Resultat  ganz  gleichgültig)  vor  uns  haben, 
wie  ich  XXI,  627,  628  ausführlich  begründet  habe.  Wie  der  Chronist  hier 
nachweislich  zu  Werke  gegangen  ist,  so  wird  er  eben  auch  an  anderen 
Stellen  verfahren  sein,  darum  bildet  gerade  diese  Ordensstiftung  den  Kern- 
punkt der  ganzen  Frage  —  aber  um  eine  geschmackvolle  Wendung  des 
Herrn  F.  zu  wiederholen  :  das  paßt  natürlich  nicht  in  seinen  Kram  —  darum 
schweigt  er. 

Aeusserst  gezwungen  und  gewunden  ist  die  S.  418  und  414  versuchte 
Erklärung  für  die  am  Schluß  der  Ordensgeschichte  berichtete  Unterwerfung 
aller  Preußen  durch  den  Comthur  von  Königsberg.  Es  ist  nur  gut.  daß 
Herr  F.  sich  nur  hypothetisch  auf  die  Zugehörigkeit  der  3  östlichen  Preußen- 
stümme  zu  Litauen  beruft  —  denn  der  Chronist  rechnet  sie  ausdrücklich  zu 
Preußen  —  aber  auch  seine  wirkliche  Erklärung:  (der  Chronist)  sah  die 
Macht  des  Ordens  und  die  Christianisierung  des  Landes  nach  scheinbar  end- 
giltiger  Besiegung  der  westlichen  Stämme  in  stetem  Wachsen,  sah  die  ersten 
siegreichen  Angriffe  auf  die  Östlichen  Grenzgaue  (NB.  auf  einen  einzigen. 
Wohnsdorf)  und  glaubte  sein  Werk  über  die  Eroberung  des  Landes  Preußen 
dadurch  zu  krönen,  daß  er  dieselbe  als  vollständig  abgeschlossen  hinstellte," 
also  mit  einer,  gelinde  gesagt,  großartigen  Uebertreibung!  Und  das  thut 
derselbe  Chronist,  der  sonst  immer  dem  parteiischen  Dusburg  entgegen  ge- 
halten wird,  der  auch  die  Fehler  des  Ordens  nicht  verschweigt!  „Welche 
Veranlassung  aber",  fragt  Herr  F.  „vergebens*',  „konnte  der  Verfasser  der 
Chronik  von  Oliva  um  1350  haben,  eine  solche  durch  die  blutigen  Aufstände 
grausam  widerlegte  Behauptung  gegen  die  Angabe  seiner  beiden  Vorlagen, 
Dusburg  und  Jeroschin,  aufzustellen"?  Die  Antwort  darauf  hat  bereits  1853 
Toeppen  in  seiner  Historiographie  S.  28  ertheüt:  „fast  scheint  es,  als  wenn 
die  reiche  Quelle  der  Dusburgischen  Chronik  den  Verfasser,  verführt  hat, 


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Nochmals  die  Chronik  von  Oliva. 


637 


von  der  früheren  Ordensgeschichte  noch  mehr  in  sein  Werk  aufzunehmen, 
als  dem  ganzen  Plane  nach  in  dasselbe  gehörte".  Jetzt  suchte  er  auf  jede 
Art  davon  loszukommen,  er  brach  ab,  indem  er  zu  dem  Zustand  überging, 
in  welchem  sich  Preußen  zu  seiner  Zeit,  d.  h.  um  1350  befand.  Die  von  mir 
nachgewiesenen  technischen  Ausdrücke  aus  dem  14.  Jahrhundert  erklärt 
Herr  F.  jetzt  als  stilistische  Aenderungen  des  Olivaer  Copisten,  der  auch  alle 
Stellen  interpolirt  hat,  in  denen  sich  die  Kenntnis  späterer  Ereignisse  ver- 
räth.  „Herr  P.  hält  es  eben  für  ganz  überflüssig  meine  für  jene  Ausmerzung 
angeführten  Gründe  irgendwie  zu  prüfen".  In  seinem  Eifer  übersieht  er,  daß 
in  der  Hauptstelle  S.  684  die  Worte  Et  licet  —  Oliva  längst  von  allen,  die 
sich  mit  der  Chronik  von  Oliva  beschäftigt  haben,  auch  von  mir  XXI,  630, 
als  ein  Zusatz  des  Olivaer  Chronisten  aus  der  gereimten  Grabschrift  Swanto- 
polks  erkannt  sind  —  der  Eingang  aber  Tunc  deus  —  imminuta  unterscheidet 
sich  im  Stil  nicht,  neben  princeps  kommt  hier  auch  dux  vor.  biblische 
Citate  zähle  ich  innerhalb  der  Ordensgeschichte  noch  vier  (vgl.  XXI  213). 
Herr  F.  konnte  sich  also  die  Berufung  auf  unbefangene  Beurtheilung 
hier  sparen. 

Damit  ist  der  erste  Theil  der  Wiederholungen  in  der  Entgegnung  er- 
ledigt. Beim  zweiten  hoffe  ich  die  Geduld  der  Leser  weniger  zu  ermüden. 
Er  besteht  S.  417-431  aus  den  17  (Herr  F.  zählt  bis  18,  aber  No.  15 
ist  in  der  Hitze  des  Gefechtes  abhanden  gekommen)  wichtigsten  Ab- 
weichungen der  Ordensgeschichte  von  Dusburg-Jeroschin.  1884  betrug  die 
Anzahl  der  erörterten  Stellen  noch  44,  wenigstens  ist  sie  jetzt  erheblich 
herabgegangen.  Von  diesen  sind  3  Nrn.  überhaupt  zu  streichen,  No.  6  der 
Kleinmuth  der  Besatzung  von  Balga,  den,  wie  F.  zugiebt,  auch  Jeroschin 
berichtet,  9.  die  Schlacht  bei  Säule,  wo  ich  auf  die  Zahl  50  gar  kein  Gewicht 
lege  und  sich  aus  dem  Bericht  Hartmanns  von  Heldrungen  ergiebt,  daß  auch 
im  13.  Jahrhundert  die  Litauer  als  „heiden"  schlechtweg  bezeichnet  wurden, 
endlich  12.  wo  Herr  F.  es  eine  total  abweichende  Darstellung  nennt, 
wenn  die  Chronik  von  Oliva  berichtet,  Swantopolk  habe  mit  Hülfe  der 
Preuß en  Sartowitz  vergeblich  belagert,  das  Culmerland  verwüstet  und  große 
eigene  Verluste  erlitten,  dagegen  Dusburg  erzählt,  der  Herzog  rief  die  Ab- 
gefallenen zusammen,  belagerte  Sartowitz,  die  Ritter  leisteten  ihm  aber 
Widerstand,  er  verwüstete  mehrfach  das  Culmerland,  verlor  aber  dabei  900 
Mann.  Die  folgende  ausführliche  Darstellung  Dusburgs  hat  dann  der  Chro- 
nist weggelassen,  es  wird  ihn  wohl  das  auf  seinen  Herzog  angewandte 
ehrenrührige  Citat  aus  Jeaaias  dazu  veranlaßt  haben.  Zwei  Stellen  enthalten 
absichtliche  Zusätze  des  Chronisten,  5.  die  artifices  und  currifices,  die  man 
im  14.  Jahrhundert  bei  Burgenbauten  verwandte,  und  11.  wo  der  Olivaer 
Mönch  absichtlich  die  Schuld  Swantopolks  milderte.  Drei  Steilen  erklären 
sich  durch  Mißverständniß  oder  abweichende  Beleuchtung  einzelner  von 


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638 


Kritiken  und  Referat«. 


Dusbnrg-Jeroschin  erzählter  Umstände,  sind  aber  keine  j.Originalnotizen*' 
1.  der  Rath  Bischof  Christians  und  der  anderen  Bischöfe  und  Edlen 
Mas o  wiens  an  Herzog  Conrad  den  deutschen  Orden  nach  Preußen  zu  be- 
rufen —  von  der  bei  Dusburg  befindlichen  Zeugenreihe  interessirte  den 
Chronisten  vou  Oliva  nur  der  erste  Culmer  Bisohof,  3.  die  Verlegung  von 
Thorn,  wobei  der  Chronist  übersah,  daß  Burg  und  Stadt  nicht  gleichzeitig 
verlegt  wurden;  16.  fratres  de  Kirsburg  desoendernnt  ist  nur  scheinbar  Ab- 
weichung von  Dusburg.  Um  Christburg  hatten  die  letzten  Kriegsereignisse 
gespielt  (Dusb.  III,  c.  02— G5),  dort  befand  sich  so  zu  sagen  das  Hauptquartier, 
jetzt  läßt  der  Meister  die  Bruder  nach  Natangen  vorrücken,  das  geschah  nach 
Ansicht  des  Olivaer  Chronisten  eben  von  Christburg  aus,  daß  sie  Elbing  und 
Balga  passirten.  ließ  er  fort,  und  dadurch  gehört  diese  Stelle  zugleich  in 
die  Reihe  der  folgenden  sieben,  in  denen  sich  die  Originalität  der  Chronik 
darin  zeigt,  daß  sie  weniger  hat  als  Dusburg  —  oder  wie  F.  meint,  dessen 
Fehler  vermeidet,  es  fehlen  nämlich  2.  die  Anwartschaft  auf  Preußen,  4.  die 
Namen  dor  polnischen  Fürsten  1238  (sind  ABC  und  D  drei  oder  vier 
Personen?),  7.  mons  bei  Scharndo  (Stibject  von  edificavit  ist  generacio, 
daher  der  Plural  der  spfttereH  Handschriften),  8.  der  Schuckenberg  10.  der 
zu  1243  nicht  mehr  passende  Hochmeister  Hermann  v.  Salza.  13.  diu  Worte 
de  castro  antiquo  bei  der  Verlegung  von  Culm,  18.  die  Erwähnung  der 
Altstadt  Königsberg.  Siebenmal  von  17  also  schließt  Herr  F.  ex  silentio. 
Es  bleibt,  nur  14.,  das  Erbauungsjahr  von  Christburg  1247  übrig,  das  ich 
stets  als  wirkliches  plus  angesehen  habe  und  17.  tota  Prussia  fidem  suscepit. 
Allerdings  halte  ich  mit  Toeppen  (1853)  und  Rethwisch  (1868)  den  großen 
Aufstand  von  1260  im  Sinne  des  1348  schreibenden  Olivaer  Chronisten  für 
eine  damals  längst  überwundene  Episode,  worüber  mit  Herrn  F.  zu  streiten 
mir  ebenso  nutzlos  erscheint,  wie  ihm  mit  mir  über  meine  Erklärung  dor 
Ausbreitung  des  christlichen  Glanbens  in  Preußen  —  wenn  es  aber  ihm 
S.  430  „noch  immer  unerfindlich''  bleibt,  „was  bei  dem  um  1348  zu  einer 
Zeit  also,  wo  Niemand  mehr  an  dio  Möglichkeit  einer  neuen  Erhebung  der 
Preußen  dachte,  schreibenden  Klosterchronisten  von  Oliva  diese  Versicherung 
sollte,  daß  die  Preußen  unterworfen  geblieben  seien  bis  auf  den  heutigen  Tag 
und  veraciter  ac  irrefragabiliter  sich  dem  Glauben  ergeben  hätten4,  so  will 
ich  ihn  doch  an  den  großen  Estonanfstand  des  Jahres  1343  erinnern,  den 
unser  Chronist  nach  Nachrichten  seiner  Ordensbrüder  von  Padis  S.  721—22 
erzählt  und  der  ihm  wohl  noch  1348  in  gutem  Andenken  war. 

Was  bleibt  nun  von  dem  S.  431  hervorgehobenen  materiell  Neuen  und 
den  positiven  Gründen  übrig?  Statt  seine  argumenta  ex  silentio  für  einen 
Wahrscheinlichkeitsbeweis  auszugeben,  hätte  Herr  F.  lieber  erklären  sollen, 
woher  denn  Dusburg,  wenn  seine  Hauptquelle  von  1226—56  die  alte  Ordens- 
geschichte  war,  gerade  in  einzelnen  Namen  so  viel  vollständiger  ist,  als 


Nochmals  die  Chronik  von  Oliva. 


830 


diese,  ich  habe  die  Liste  XXI,  626  zusammengestellt,  oder  wie  es  kommt, 
daß  die  Übereinstimmung  mit  Jeroschin  gerade  in  solchen  "Worten  beruht, 
die  dieser  des  Reimes  wegen  braucht,  —  auf  diese  Punkte  geht  er  wohlweislich 
eben  so  wenig  ein,  wie  auf  den  Anfang,  die  Ordensstiftung. 

S.  432—33  stellt  Herr  F.  endlich  noch  vier  Stellen  zusammen,  aus 
denen  sich  die  ,.kopflose  Compilationsmethode"  Dasburgs  ergeben  soll.  In 
der  ersten  Stelle,  der  Einnahme  der  drei  preußischen  Burgen  im  Culmer- 
lande  (III,  7),  vermag  ich  keine  Fuge,  aus  dor  die  Benutzung  zweier  Quellen 
ersichtlich  wäre,  zu  entdecken.  Die  Ueberscbrift  spricht  von  der  Zerstörung 
zweier  Burgen,  der  Text  nur  von  der  einer,  aber  in  der  Chronik  von  Oliva 
wird  auch  nur  eine  Burg  zerstört,  die  dritte  (Pipins),  während  Dusburg 
die  zweite  in  Flammen  aufgehen  läßt.  Ich  sehe  hier  nur  nicht  genaue 
Uebereinstimmung,  jedenfalls  konnte  D.  seine  Ueberscbrift  de  destructione 
duorum  castrorum  nicht  aus  der  Chronik  von  Oliva  nehmen.  —  Die  zweite 
Stelle  ist  c  24,  der  Schuckenberg,  ich  habe,  um  dies  nochmals  zu  erwähnen, 
bereits  1874  in  dieser  Zeitschrift  gezeigt,  dnß  dieses  Capitel  eine  spätere 
Reminifcenz  Dusburgs  ist,  wenn  es  die  Chronik  von  Oliva  nicht  beachtet, 
so  folgt  noch  nicht,  daß  sie  es  nicht  ebenso  vorfand,  wie  Jeroschin.  —  Die 
dritte  Stelle  III,  45 :  30  sagittarios  equites,  wofür  Chr.  v.  Oliva  30  sagittarios 
expeditos  .«chreibt,  während  Dusburgs  Quelle,  der  sogenannte  Bericht  Her- 
manns v.  Salza  (NB.  dessen  Vorlage)  von  30  pferden  spricht,  erklärt  Herr 
F.  für  Compilation  aus  beiden  Angaben  —  aber  die  sagittarii  des  Olivaers 
können  ebenso  gut  aus  Dusb.  (resp.  Jeroschin)  entnommen  sein.  Daß  c.  60 
Dusburgs  auf  c.  20  des  sog.  Berichts  zurückgeht,  gebe  ich  gern  zu,  aber 
daß  hier  dem  Ordenspriester  noch  andere  Quellen  zu  Gebote  standen,  zeigen 
die  in  der  Chronik  von  Oliva  nicht  vorkommenden  Capitel  61  und  65. 

Ich  fürchte,  ich  habe  die  Nachsicht  der  Leser  bereits  zu  lange  in  An- 
spruch genommen,  und  will  nur  noch  bemerken,  daß  ich  in  den  Ton,  den 
Herr  F.  anschlägt,  nicht  einstimme,  ebenso  wenig  kann  ich  seine  Beweisführung, 
die  darauf  hinauskommt  alles  Unbequeme  für  Interpolation  oder  stilistische 
Aenderung  auszugeben,  als  wissenschaftliche  Methode  anerkennen.  Wie 
unbefangene  Leser  der  beiden  Aufsätze  in  Bd.  21  die  Frage  beurtheilen, 
zeigt  der  kurze  Bericht,  welchen  die  Londoner  Academy  vom  7.  Febr.  1885 
(No.  666  S.  97)  darüber  gegeben  hat. 

Halle,  November  1886.  M.  Perlbach. 


640 


Kritiken  und  Referate. 


Die  Enfrwickelung  des  Kriegswesens  and  der  Kriegführung  in  der  Ritterzeit 
Ton  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  bis  zu  den  Hussitenkriegen  in 

3  Bänden  von  G.  Köhler.  Generalmajor  z.  D.  Zweiter  Band. 
Kriegsgesehichtliches  von  Mitte  de«  13.  Jahrhunderts  bis  zu  den 
Hussitenkriegen.  Breslau.  Wilh.  Köbner  1886.  (XXVII,  800  S. 
gr.  8.)  24  M. 

Der  jetzt  erschienene  2.  Band  dieses  umfangreichen  Werkes  enthält 
800  Seiten,  von  denen  275  der  Kriegsgeschichte  des  Deutschen  Ordens  in 
Preußen  gewidmet  sind.  Der  erste  Abschnitt  dieses  Theiles  des  Bnchos  be- 
handelt den  zweiten  großen  Aufstand  der  Preußen  gegen  den  Deutschen 
Orden  in  den  Jahren  12GJ  bis  1274.  In  der  Einleitung  entwirft  der  Ver- 
fasser eine  flüchtige  Skizze  des  Kriegsschauplatzes,  indem  er  dessen  Boden- 
beschaffenheit, die  Eintheilung  des  Landes,  die  verschiedenen  Volksstämme, 
deren  Leistungen  in  militärischer  Hinsicht,  ihre  Bewaffnung  und  Taktik 
kurz  berührt.  Eingehender  werden  die  Kriegsmittel  des  Ordens  behandelt, 
die  Anzahl  der  Ordensbrüder,  die  Dienstpflicht  der  Lehnsleute  und  der  Städte, 
die  Bewaffnung,  die  Burgen  und  Städte  und  doren  Befestigungsweise.  Nach- 
dem der  Verfasser  einen  flüchtigen  Rückblick  auf  die  vorhergegangenen 
Ereignisse  geworfen,  beschäftigt  er  sieh  mit  dem  Verhältniß,  in  welchem 
der  Orden  zu  der  ihm  feindlich  gesinnten  hohen  Geistlichkeit,  zu  dem  da- 
mals noch  schwachen  Polen  und  zu  Litauen  stand,  indem  er  in  Bezug  auf 
letzteres  bemerkt,  daß  sich  die  unverantwortliche  Ausdehnung  und  Zer- 
splitterung der  Kräfte  des  Ordens  vor  dem  Aufstande  der  Preußen  nur  durch 
das  gute  Einvernehmen,  in  welchem  er  mit  Mindowe  stand,  erklären  lasse. 
In  dem  durch  den  Aufstand  herbeigeführten  15  jährigen  Kriege  unterscheidet 
er  drei  Perioden  und  bezeichnet  die  erste  von  12GO  bis  1264  als  den  Nieder- 
gang des  Ordens,  in  der  zweiten  von  1265  bis  1268  zeigt  sich  ein  Gleich- 
gewicht der  Kräfte,  in  der  dritten  von  1270  bis  1274  marht  sich  ein 
allmähliches  Ermatten  der  Aufständischen  zuerst  bei  den  Samländern  und 
weiterhin  auch  bei  den  anderen  Stämmen  bemerklich,  welches  schließlich 
die  Unterwerfung  herbeiführt.  Es  mnss  davon  Abstand  genommen  werden, 
dem  Verfasser  in  der  fortlaufenden  Darstellung  der  Kriegsereignisse  hier 
wie  auch  weiterhin  zu  folgen,  dagegen  mögen  einige  Bemerkungen  aus  der 
Sclüußbetrachtung  hier  noch  eine  Stelle  finden.  In  dieser  wird  auf  den 
Mangel  einer  gemeinsamen  Leitung  der  Kriegsoperationen  auf  Seite  der 
Preußen  hingewiesen,  deren  vereinzelte  Unternehmungen  nicht  auf  die  Ver- 
treibung des  Ordens,  sondern  nur  auf  Raub  und  Verwüstung  gerichtet 
waren.  Sie  unterließen  es  daher  auch,  ihre  vereinten  Kräfte  auf  die  Er- 
oberung Königsbergs  und  Baigas  zu  richten,  dieser  wichtigen  Plätze,  welche 
die  Verbindungen  des  Ordens  mit  Deutschland  zur  See  vermittelten.  Die 
Eroberung  derselben  wäre  die  einzige  Möglichkeit  gewesen,  die  Herrschaft 


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Die  Ent Wickelung  des  Kriegswesens  und  dor  Kriegsführuug  etc.  641 

des  Orden«  abzuwerfen.  Mit  der  Unterwerfung  Samlands  uud  dessen  Um- 
grenzung mit  Burgen  hatte  der  Orden  sich  ein  Bollwerk  geschaffen,  das 
ihm  zur  Basis  für  seine  weiteren  Operationen  diente,  und  von  dem  aus  er 
im  Stande  war,  die  übrigen  Landschaften  zu  beherrschen.  „Die  Strategie, 
welche  der  Orden  in  dieser  Zeit  mit  seinen  unbedeutenden  Mittoln  ent- 
wickelte, macht  ihm  alle  Ehre  und  ließ  ihm  in  den  folgenden  Jahren  die 
reifen  Früchte  in  den  Schooß  fallen.  Man  wird  nicht  umhin  können,  den 
Standpunkt  der  Kriegführung  des  18.  Jahrhunderts  nicht  so  geringschätzig 
zu  behandeln,  als  es  gewohnheitsmäßig  geworden  ist." 

Der  nächstfolgende  Abschnitt  handelt  über  die  Feldzttge  des  Deutschen 
Ordens  in  den  Jahren  1330  bis  1332  gegen  Polen.  Seit  dem  Ende  des 
13.  Jahrhunderts  war  der  Orden  zwar  in  mächtig  ansteigendem  Aufschwünge 
begriffen,  aber  sein  Verhältniß  zur  hohen  Geistlichkeit  von  Livland,  zu 
Litauen  und  Polen  drängte  ihn  in  eine  gewaltthätige  Politik  hin,  welche 
den  Keim  schwerer  Bedrängniß  für  die  Zukunft  in  sich  trug.  Litauen  zu 
unterwerfen,  reichten  seine  Kräfte  nicht  aus.  er  konnte  nur  darauf  rechnen, 
pich  ihm  gegenüber  zu  erhalten ;  daher  machte  er  auch  die  unterworfenen 
litauischen  Stämme  der  Nadrauer,  Schalauer  und  Sndauer  nicht  zu  Unter- 
thanen,  sondern  rottete  sie  au»  und  verwandelte  ihr  Land  in  eine  Wildniß 
mit  fortificatorischen  Anlagen.  Polen  gegenüber  veraulaßten  den  Orden 
Rücksichten  der  Selbstorhaltung.  sich  Pommerellens  gewaltsam  zu  be- 
mächtigen, wodurch  Polen  zum  Kriege  gereizt  wurde,  welcher  schon  im 
Jahre  1327  durch  gegenseitige  Einfälle  seinen  Anfang  nahm.  Der  Orden 
hatte  inzwischen  große  Sorgfalt  auf  die  Kolonisation  und  Administration 
dea  Landes,  die  Erhöhimg  seiner  Wehrkraft  und  auf  die  Gründung  neuer 
Burgen  und  Städte  verwandt,  war  also  auf  den  Krieg  genügend  vorbereitet 
und  wurde  außerdem  jetzt  auch  wieder  durch  den  Zuzug  von  Kreuzfahrern 
unterstützt.  Unter  den  zahlreichen  Kriegsereignissen  verdient  das  von 
Plowcze  im  Jahre  1331  hervorgehoben  zu  werden  als  Beispiel  einer  aus 
einem  zufälligen  Rencontre  sich  entwickelnden  Schlacht,  ferner  als  Beispiel 
der  Belagerung  einer  mit  Mauern  versehenen  Stadt,  die  Einnahme  von 
Brzesc  ia32.  Am  Schlüsse  seiner  Darstellung  sagt  der  Verfasser:  „Die 
Fcldzüge  von  1330—32  sind  im  hohen  Grade  belehrend  für  die  Kriegführung 
des  Mittelalters  und  zeigen  namentlich  den  Unterschied  der  Zwecke,  die 
man  mit  der  De  popul  at  ion  eines  Landes,  welche  den  Gegner  zum  Frieden 
zwingen  sollte  und  mit  der  Invasion,  die  es  auf  Besitzergreifung  des 
feindlichen  Landes  abgesehen  hatte,  zu  erreichen  suchte.  Daß  die  De- 
popnlation  hier  zu  weit  getrieben  worden  ist.  haben  schon  Zeitgenossen 
erkannt." 

Im  dritten  Abschnitte  werden  uns  neun  Kriegsjahre,  nämlich  1%2 
bis  1370,  aus  der  Zeit  des  Hochmeisters  Winrich  von  Kniprode  vorgeführt. 


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G42 


Kritiken  und  Referate. 


Verfasser  gedenkt  zuerst  der  vom  Orden  geschaffenen  Wildniß  und  der  darin 
angelegten  Grenzbefestigungen,  deren  Spuren  zum  Theil  von  der  „Prussia" 
aufgefunden  worden  sind.  Dieses  starke  Defensivsystem  reichte  aber  nicht 
aus,  um  sich  der  Litauer  zu  erwehren,  es  war  dazu  vielmehr  auch  die  unaus- 
gesetzte Offensive  erforderlich,  jährlich  sich  wiederholende  Einfälle  in  des 
Feindes  Land,  um  ihn  zu  schwächen  und  von  den  eigenen  Grenzen  fern  zu 
halten.  Als  Stützpunkte  für  dieselbe  entstanden  nach  und  nach  die  weit  in 
die  Wildniß  vorgeschobenen  Burgen  Ragnit,  Tilsit,  Angerburg,  Insterburg  u.  a. 
Aber  alle  diese  Maßregeln  waren  noch  immer  unzureichend,  der  Hochmeister 
war  daher  bestrebt,  die  Litauer  von  derMemel  zurückzndrängen  und  diesen 
Strom  durch  neue  auf  dem  rechten  Ufer  anzulegende  Burgen  zu  beherrschen, 
welche  zu  Wasser  verproviantirt  werden  konnten,  für  die  Winterreisen 
Sicherheit  der  Verpflegung  gewährten  und  gestatteten,  diese  viel  weiter  in 
Feindesland  hinein  auszudehnen.  Dem  angedeuteten  Zwecke  galten  die  vom 
Verfasser  nun  geschilderten  Kriegszüge,  von  denen  der  vom  Jahre  1362  der 
interessanteste  ist.  Er  wurde  zur  Eroberung  der  litauischen  Burg  Kauen 
unternommen,  und  die  sehr  anschauliche  Beschreibung  der  Belagerung  der- 
selben giebt  einen  belehrenden  Beitrag  zur  Kenntniß  dieses  Zweiges  der 
mittelalterlichen  Kriegskunst.  Das  Pendant  dazu,  die  Schilderung  einer 
regelrechten  Feldschlacht,  liefert  der  letzte  der  die  preußische  Kriegsgeschichte 
behandelnden  Abschnitte  des  Werkes: 

Die  Schlacht  bei  Tannenberg  am  15.  Juli  1410.  Dieser  sehr  inhalt- 
reiche Abschnitt  führt  uns  zuerst  ein  in  die  Institutionen  des  Ordens.  In 
Bezug  auf  die  Hausmacht  desselben  werden  wir  belehrt  über  die  Stellung 
und  die  amtlichen  Wirkungskreise  der  Gebietiger,  der  eigentlichen  Ordens- 
brüder, der  dienenden  Brüder,  der  Graumäntler  und  Witinge.  ihre  Anzahl, 
Ausrüstung  und  Bewaffnung.  Sehr  ausführlich  wird  ferner  die  Wehr- 
verfassung des  Landes  und  der  Städte  behandelt,  die  verschiedenen 
Kategorien  der  Dienstpflichtigen,  ebenfalls  unter  Berechnung  ihrer  Anzahl 
und  mit  Angabe  ihrer  Ausrüstung  und  Bewaffnung,  endlich  die  Artillerie. 
Eine  ebenso  ausführliohe  Schilderung  erfährt  das  polnisch-litauische  Heer. 
Nach  einer  Darlegung  der  politischen  Verhältnisse  folgt  dann  die  Beschrei- 
bung der  Schlacht  bei  Tannenberg,  welche  uns  das  Bild  der  mittelalterlichen 
Fechtart  vorführt,  wie  es  vollkommener  in  keiner  der  vorhergegangenen 
Schlachten  geboten  wird.  Dieser  Abschnitt  schließt  mit  folgender  zugleich 
für  den  unparteiischen  Standpunkt  des  Verfassers  Zeugniß  ablegenden  Be- 
trachtung: „Wenn  man  einen  Blick  auf  das  Ganze  des  Feldzuges  zurück- 
wirft, so  kann  man  sich  nicht  erwehren  in  den  Operationen  polnischerseits 
einen  klaren  Kopf  herauszuerkennen.  Es  weht  Einen  etwas  von  dem  Geiste 
jener  Wissenschaft  an,  die  auf  die  glänzenden  Operationen  des  preußischen 
Heeres  in  den  letzten  Feldzügen  so  befruchtend  einwirkte  und  die  wir  mit 


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Die  Entwicklung  des  Kriegswesens  und  der  Kriegführung  etc.  643 


dem  Namen  Strategie  bezeichnen.  Es  frappirt  dies  um  so  mehr,  als  man 
sonst  in  jener  Zeit  auch  nicht  die  Spur  davon  findet  und  der  Feldzug  auch 
sonst  ohne  unmittelbare  Einwirkung  auf  die  Folgezeit  nach  dieser  Richtung 
hin  geblieben  ist.  Der  große  Gedanke  der  Concentration  der  Macht  des  ge- 
sammten  Ostens  auf  einen  einzigen  Punkt,  die  richtige  Wahl  dieses  Punktes, 
die  Direction,  die  dem  vereinigten  Heere  genau  auf  den  Schwerpunkt  der 
feindlichen  Macht,  auf  Marienburg  hin.  gegeben  wurde,  die  richtige  Be- 
rechnung und  Energie  in  der  Ausführung,  daß  mit  dem  Tage  des  Ablaufes 
des  Waffenstillstandes  die  feindliche  Grenze  überschritten  werden  konnte: 
in  alledem  erkennt  man  eine  geistige  Potenz  in  der  Leitung  des  polnisch- 
litauischen  Heeres  heraus,  die  zunächst  hinter  dem  Schleier  des  Geheim- 
nisses verborgen,  sich  durch  den  weiteren  Verlauf  der  Begebenheiten  in  dem 
Großfürsten  Witold  von  Litauen  decouvrirt.  Er  war  es  auch,  der  durch 
seine  persönliche  Einwirkung  das  polnische  Heer  und  deu  König  in  der 
Schlacht  festhielt,  nachdem  seine  eigonen  Litauer  aus  dem  Felde  geschlagen 
waren,  dann  aber,  nachdem  die  Macht  des  Ordens  niedergeworfen  war,  im 
eigenen  Interesse  dafür  sorgt,  daß  die  Niederlage  nicht  bis  zum  Untergange 
des  Ordens  ausgedehnt  wurde,  was  bei  seinen  ehrgeizigen  Plänen  ihm 
durchaus  nicht  genehm  gewesen  wäre.  Unter  allerlei  nichtigen  Yorwänden 
trennte  er  sich  später  vom  Könige  und  ging  in  sein  Land  zurück,  hat  aber 
auch  auf  den  dem  Orden  günstigen  Frieden  den  größten  Einfluß  ausgeübt. 

Von  preußischer  Seite  ist  man  sich  von  vornherein  der  ganzen  Gefahr 
vollständig  bewußt,  zitterte  aber  nicht  davor  und  das  ganze  Benehmen  des 
Hochmeisters,  indem  er  im  ritterlichen  Uebermuth  die  gesammte  Macht  des 
Ordens  mit  Einschluß  der  Mittel  der  Landesverteidigung  auf  einen  Wurf 
setzt,  zeugt  davon,  daß  der  Orden  immer  noch  mehr  nach  vorwärts  als  nach 
rückwärts  blickte  und  sein  Heil  nicht  in  die  Erhaltung,  sondern  in  die  Er- 
weiterung seiner  Macht  setzte.  Es  zeugt  aber  auch  davon,  daß  alle  die 
großen  Ereignisse,  welche  sich  außer-  und  iunerhalb  des  Ordenslandes  seit 
20  Jahren  vollzogen  hatten,  spurlos  beim  Hochmeister  und  man  kann  wohl 
sagen  beim  ganzen  Orden  vorübergegangen  waren.  In  der  Lage  des  Ordens 
wäre  die  größte  Vorsicht  geboten  gewesen.  Dennoch  würde  Niemand  über 
den  Operationsplan  einen  Vorwurf  machen  können,  wenn  der  Hochmeister 
dem  kühnen  Plan  geistig  gewachsen  gewesen  wäre.  Aber  die  Schärfe  des 
Urtheils  ging  ihm  sowohl  als  den  hohen  Gebietigern,  an  deren  Rath  er 
gebunden  war,  in  den  entscheidenden  Momenten  verloren.  Er  unterließ  es, 
den  Komtur  von  Sch wetz,  GrafReuß  von  Plauen,  zur  Schlacht  heranzuziehen, 
dessen  Gegenwart  dieselbe  wahrscheinlich  zu  Gunsten  des  Ordens  entschieden 
hätte.  So  wichtige  Dienste  derselbe  auch  später  geleistet  hat,  sie  werden 
nicht  aufgewogen  durch  den  eventuellen  Sieg  in  der  Schlacht.  Die  Schlacht 
selbst  ist  nun  vollends  charakteristisch  für  seine  Handlungsweise.    Sie  bot 


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VAA 


Kritiken  und  Referate. 


dem  Hochmeister  zwei  Momente,  wo  er  den  Sieg  hätte  davon  tragen  können : 
Die  Ueberraschung  nämlich,  die  er  durch  seine  plötzliche  Ankunft  bereitete, 
die  das  feindliche  Heer  in  einem  mehr  oder  weniger  wehrlosen  Zustande 
traf  und  die  Niederlage  des  litauischen  Heeres,  welche  die  rechte  Flanke 
des  polnischen  vollständig  bloßlegte  zu  einer  Zeit,  wo  der  Hochmeister  noch 
über  eine  völlig  intakte  Reserve  von  genügender  Stärke  zu  verfügen  hatte, 
die  er  in  die  Flanke  hätte  einbrechen  lassen  können.  Selbst  später  noch, 
als  er  sich  wirklich  dazu  anschickte  dies  auszuführen,  hätte  die  Maßregel 
noch  von  Erforg  sein  können,  obgleich  die  Haltung  der  polnischen  Armee 
sich  schon  wieder  befestigt  hatte.  Aber  er  schrak  von  Neuem  davor  zurück, 
alles  an  alles  zu  setzen,  wie  die  Umstände  es  in  diesem  Falle  gebieterisch 
forderten." 

Verfasser  stützt  sich  bei  seiner  Arbeit  auf  die  bewährtesten  Quellen, 
welche  er  sorgfältig  und  mit  Vorsicht  benutzt  ;  die  häufig  dariu  auftretenden 
"Widersprüche  hat  er,  wie  es  scheint  in  befriedigender  Weise,  beseitigt.  Die 
mangelhafte  und  verworrene  Chronologie  der  alten  Chronisten,  namentlich 
Dusburg's,  sucht  er  richtig  zu  stellen,  ob  mit  Erfolg  vermag  Referent  nicht 
zu  beurtheilen.  Der  den  streng  militärischen  Stil  vermeidende,  trotzdem 
aber  knapp  und  klar  gehaltene  Vortrag  wird  nicht  wenig  dazu  beitragen, 
auch  dem  Nichtmilitär  die  Darstellung  der  einzelnen  Kriegsactionen 
verständlich  und  das  Lesen  des  Buches  angenehm  zu  machen.  Nur  in  Be- 
treff zweier  Punkte  würde  eine  größere  Deutlichkeit  erwünscht  sein,  das 
ist  erstens  die  Aufstellung  der  taktischen  Einheit,  des  „Haufens"  (S.  695) 
und  zweitens  die  Beschreibung  gewisser  Schutzwaffen  an  einigen  Stellen, 
worin  auch  einem  nicht  ganz  Uneingeweihten  das  Verständniß  nicht  ganz 
leicht  wird.  Dem  wäre  vielleicht  auf  sehr  einfache  Weise  abzuhelfen  ge- 
wesen, im  ersten  Falle  durch  einige  in  den  Text  aufgenommene  einfache 
Figuren,  im  zweiten  durch  Hinweisung  auf  die  Abbildungen  gleicher  oder 
ähnlicher  Stücke  in  einem  die  Waffenkunde  behandelnden  Werke. 

Um  allen  denjenigen,  welche  sich  für  das  Kriegswesen  überhaupt, 
insbesondere  aber  denen,  die  sich  für  die  Kriegsgeschichte  Alt-Preußens 
interessiren  das  sehr  lehrreiche  Buch  auf  das  wärmste  zu  empfehlen,  wird 
diese  kurze  Anzeige  hoffentlich  genügen ;  denn  eine  eingehende  Besprechung 
oder  gar  eine  Kritik  zu  liefern,  wird  nicht  nur  durch  die  Rücksichtnahme 
auf  den  hier  zur  Verfügung  stehenden  Raum  verboten,  es  würde  vielmehr 
auch  ein  sehr  viel  Zeit  beanspruchendes  Studium  dazu  erforderlich  sein. 

B. 


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Handbuch  der  Provinz  Ostprenflen  für  1886/87.    Die  Marienbnrg.  645 


fcanbbud)  Uv  ^rabtnj  Cftyrevfre»  fü*  1886/87.   flacbroeiä  ber  innerhalb  berfefoen 
ib>cn  6ifc  Ijabenben  Staotö»,  9lcid)ß'  unb  3ctbfroerroattungö*!Bet)örben,  beren 
3JJilflIicbcr  unb  Qeamten,  auf  ©ruub  amttid)er  SRittbeilungen,  nad)  tf>rer 
3uftänbigfeit  georbnet  unb  jufammengei'teHt  pon  Sari  9t  ür  in  berge  r» 
@rfter  2beil:  ^Jrooinjial « Sebörben.    3roc^er  %r)ci(:  Jlqucrungäbejirfö', 
ÜRilitärocnpaltungö«  unb  SRcidjöbcböibcn,  9iameneregifter.  ftömgdberg  1886. 
Selbfroerlag  be$  §erauägeberä. 
Es  genügt,  auf  den  Titel  zu  verweisen,  um  dieses  —  seine  Vollständig- 
keit und  Zuverlässigkeit  vorausgesetzt  —  sehr  brauchbare  Nachschlage-  und 
Erkundigungsbuch*  allen  Behörden  und  nicht  weniger  dem  Publikum  zn 
empfehlen,  das  mit  ihnen  zu  thun  hat.    Die  Anordnung  ist  so  übersichtlich, 
dass  sich  mit  Leichtigkeit  feststellen  lässt,  wer  für  einen  gesuchten  Ort  der 
Richter,  Staats-  und  Rechtsanwalt,  Geistliche,  Amtsvorsteher,  Regierungs-, 
Eisenbahn-,  Postbeamte  etc.  ist,  und  umgekehrt  wieder,  wo  eine  dem  Namen 
nach  bekannte  Persönlichkeit  ihren  Amtssitz  hat.    Das  Handbuch  umfasst 
144  enggedruckte  Seiten.  & 


$ie  SRarienburg.  DeutfdjlanbS  erftc  Äulturftätte  im  Cften.  SJon  ?<berjant» 
tBcber.  SBerlin  1886.  »erlag  oon  2Bilf>.  Sricbrift  9tad)f. 
Wenn  das  vorliegende  Büchelchen  den  vorgesteckten  Zweck  erfüllt, 
das  Deutschthum  in  dem  von  Neuem  entbrannten  Kampf  mit  dem  Polonismus 
durch  den  Hinweis  auf  ein  grosses  Beispiel  in  der  Vergangenheit  zu  er- 
mutigen und  zu  kräftigen,  und  zugleich  zur  Unterstützung  der  schönen  Be- 
mühungen, das  alte  Ordenshaus  in  seinem  früheren  Glanz  wieder  herzustellen, 
zur  Abnahme  von  Loosen  der  dafür  bewilligten  Lotterie  anzuregen,  so  mag 
nicht  zu  genau  geprüft  werden,  ob  die  gegebenen  Mittheilungen  über  das 
alte  Pruzzenland,  den  deutschen  Orden  in  seinen  Anfängen,  seiner  Blüthe 
und  seinem  Verfall,  die  Hochmeister  und  ihre  Residenz  überall  auf  den 
besten  Quellen  beruhen.  Es  kam  dem  Verfasser  iücht  auf  eine  wissen- 
schaftliche Nachforschung,  sondern  auf  populäre  Darstellung  und  unter- 
haltende Schilderung  an.  Leider  ist  der  Text  mit  Druckfehlern  oft  der 
schlimmsten  Art,  weil  nur  dem  Geschichtskundigen  erkennbar,  übersät,  was 
die  Brauchbarkeit  des  Buches  schwer  beeinträchtigt.  Offenbar  hat  der  Ver- 
fasser selbst  die  Korrektur  gar  nicht  gelesen.  © 


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Mittheilungen  und  Anhang. 


Wie  der  letzte  Teufel  umkam. 

In  Raudischken,  Kreises  Genlauen,  Kirchspiels  Nordenburg  lag  ein 
Brnch  neben  dem  Walde.  Die  Leute  hatten  wohl  ihre  guten  Gründe,  wenn 
sie  dasselbe  „Teufelsbrwh"  nannten.  Der  Jäger  W.,  ein  muthiger  Mann, 
wollte  dieselben  indessen  nicht  gelten  lassen  und  ging  ums  Jahr  1820  eines 
Abends  hier  auf  den  Anstand.  Er  durfte  nicht  gar  lange  warten,  als  ein 
Fuchs  gerade  auf  ihn  los  kam,  der  zum  Staunen  des  Jagers  mit  jedem 
Sprunge  größer  wurde.  Schnell  entschlossen,  warf  W.  das  Gewehr  an  den 
Kopf,  kaum  hatte  er  dasselbe  aber  auf  den  Fuchs  abgeschossen,  als  es,  wie 
von  unsichtbaren  Händen  fortgerissen,  weit  in  den  Wald  hineinflog.  Es 
blieb  W.  nichts  übrig,  als  ohne  Waffe  heimzukehren  und  seinem  Brodherrn, 
Herrn  v.  S.  auf  Raudischken  den  Sachverhalt  wahrheitsgetreu  mitzutheilen. 
Herr  v.  S.  war  kein  allzugläubiger  Mann,  als  er  aber  am  andern  Morgen  mit 
W.  in  den  Wald  ritt,  um  das  Gewehr  zu  suchen,  staunte  er  nicht  minder, 
wie  sein  Jäger  am  Abend  zuvor.  Den  angeschossenen  Fuchs  fand  man 
zwar  nicht,  die  Stelle,  an  welcher  derselbe  gefallen,  sah  aber  so  aus,  als  ob 
ein  Eimor  Theer  an  dorselbeu  ausgegossen  sei.  Das  Gewehr  fand  man  nach 
langem  Suchen  unbeschädigt  im  Walde.  Der  Fuchs  aber,  den  W.  geschossen, 
soll  der  letzte  Teufel  gewesen  sein.  Die  Geschichte  ist  wohl  verbürgt,  denn 
der  Bruder  des  W.  lebt  noch  heute  in  D.,  hat  die  merkwürdige  Begebenheit 
aus  dem  Munde  des  Haupthelden  derselben  erfahren  und  erzählt  sie  gerne 
jedem,  der  sie  zu  hören  wünscht.  Adolf  Rogge. 


Käflauich,  Kößligß. 

Ein  beitrag  zur  geschichte  der  Königsberger  mundart. 
Von  A.  Bezzenberger. 
In  einem  sammelband  der  hiesigen  Universitätsbibliothek  (S.  42  fol.), 
welcher  gelegenheitsgedichte  (namentlich  eines  professor  Tb.  Wolder  und 
eines  secretär  Jacob  Klein)  enthält,  findet  sich  ein  von  Reicke  aufgestöbertes 
hochzeitsgedicht  aus  dem  Jahre  1672  in  Königsberger  Platt  ,  das  ich  wegen 
seines  alters  und  als  vermutlich  die  einzige  probe  dieses  idioms,  welche  als 
„käslausch"  bezeichnet  ist,  nebst  seinem  titel  hier  mitteile. 


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Küriaufch,  Kößligß. 


047 


Dp  be 

frriütge  «««Hebt 

3>et  C^renoeften  unb  SBollgelerbbcn 

$n.  $o0amt  $enrtd)  Meters  / 

Zrüflictigen  on  ftonfterfafirnen  Gonterß  bu  ber 

ßoangelif^cn  Äärdcn  ob  cm  ©aefbeem  / 
w«t  btr 
on  Xugcnb  «Wieden 

gungfr.  EUPHROSYN, 

rtö  rotjlanb 

SBol  <§f)ru>örbtgen  /  ©rota<btbd&ren  on  SBoHgelcbrben 
fcerrn  M.  GEOKGE  Weföeningft  / 

«Wahjelabtenen  (Stieben 
9lu  aroer 

©oa  e^riDörbigcn  /  3}ör  Sldjtba&rcn  unb  $Bolgelef)rben 

fcerrn  Ghriftorr  Siegers  / 

Srieflieiigen  Pfarren  ber  ©emecne  to  Japtau 

§art  Sörocn  ^läg  Dotter  / 

$5  ben  9.  gebr.  1672  loftig  gebolcn  roorb  / 

Uty  2öu»c  tagen  bö  fäöne  Äonft  bcö  fcerrn  «rübe« 

gamS  op  fien  2ltU)ofcn  gefdjreroen 
com 

Colicibanus. 
On  ön  be  SRuftcf  gebrockt 

von 

3obann  ©ebofttan  /  G.  93.  dopeltn.*) 

JWnigabtrg  / 

©cbvutft  bur(b  JribtTi*  9J«ufn«m  /  Gburfl.  »ranbtnb.  $of» 
unb  bnro  Ücab.  Vu$br. 


*)  Welcher  dichter  sich  unter  Coelicibanus  versteckt,  ist  bis  jetzt 
nicht  zu  ermitteln  gewesen.  Der  componist  dagegen  ist  der  durch  seine 
composätion  der  Parnaßblumen  von  Gertraud  Möllerin  bekannte  Johann 
Sebastiani,  über  welchen  Pisanski  berichtet  :  „er  war  zu  Weimar  den 
30.  Sept.  1622  geb.,  setzte  in  Italien  sich  in  der  musik  fest,  kam  darauf  1650 
nach  Königsberg,  wurde  hier  1001  capellmeister  bei  der  Schloßkirche  und 
starb  1081 "  [Reicke]. 


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i;4s 


Mitteilungen  und  Anhang. 


T7  inger  /  dö  jie  op  der  Kest 

|\  Ju  noch  weeten  frösch  to  hohlen 

Dö  jie  op  de  bunte  Schrollen 
Ju  verstahn  opt  aller  best : 
Dö  det  Hart  went  Spöl  söck1)  röhrt 
On  de  Spöhllied  söck1)  tom  danzcn 
Oen  dem  Winckel  eerst  verschantzen 
To  den  sötsten  Freuden  fohrt. 

Seet  /  hier  geit  et  oock  drop  an : 
Alle  Seyden  sön  getaagen  / 
De  geschmährde  Föddelbagen  / 
De  nich  mehr  sock  hohlen  kan  / 
Springt  on  strieckt  al  op  on  af  / 
On  de  grote  Baß  danewen 
Wöl  söck  möt  te  doenen  gewen: 
Alle  Finger  gaeu  öm  Draf. 

Oock  dö  BrUdgam  möt  der  Brüht 
(Dehn  dö  Hämmel  langet  Leewen 
Glöck  on  Seegen  wolle  geewen!) 
Schockt  söck  röds  to  gaen  veruht: 
Herr  Johannes  knockt  Höck  ohck  / 
Om  de  andern  op  to  föhren: 
Seet  /  wie  braaw  kann  hö  söck  röhren 
Oen  der  Engen  Spanschen  Brohck. 

Gaet  jie  Jungfern  den  herfähr  / 
Wenn  jie  eenmahl  sön  gebähden 
Möht  jie  frindtlich  wieder  trähden: 
Maeckt  den  Lüden  keen  Beschwähr. 
Kahm  jie  ön  den  Brüht  Danz  möt: 
So  bequähmt  ju  för  den  Lüden 
Denckt  et  ös  nu  öm  de  Tiehden 


Dat  man  Jungfer  Bruhts  Ju  heet. 

Gaet  on  danzt  denn  frösch  daheer! 
Springt  by  junen  jungen  Daegen  / 
Ehr  det  Oeller  möt  den  Plagen  / 
To  ju  körnt  on  möt  Besch weer : 
Seet  /  et  Ös  nu  alles  YhJ, 
Awer  jie  Bön  idel  Fyer : 
Sett  denn  an  /  öm  öhnen  Fryer 
Söhckt  öm  Danzen  hier  den  PrieB. 


On  Jie  andern  laet  so  lang  / 
Als  Jie  stahn  /  on  met  den  Fruen 
Brüht  on  Brüdgam  danzen  sehnen  / 
Ju  de  Tiedt  nich  tnaecken  bang: 
Denckt  /  det  Glöck  dat  geit  al  öm 
'Tos  an  Enn  /  an  Ju  öst  morgen: 
Woröm  heb  Jie  denn  to  sorgen? 
Geewt  er  nich  öhn  Ditcken  dröm. 

Wenn  de  Brüht  Danz  ös  geschöhn 
Waren  söck  oock  woll  gesellen 
Bohl  an  june  Siede  stellen: 
Ja  /  Jie  waren  wunder  söhn 
Wie  Sö  wareu  öm  Ju  stahn: 
Wie  Ju  waren  de  Stodenten 
Möt  ön  Hupen  Compclmenten 
Bodden  an  en  Danz  to  galin. 

Glöft  /  Stodenten-Volek  ös  goet 
Awer  /  wenn  sö  gliek  söck  bocken  / 
On  söck  noch  so  ahrtich  schocken 
Möt  dem  uhtgeleerden  Foot; 
Oes  nich  alles  daröm  wahr  / 
Wat  so  hötlich  för  Ju  »eggen: 
Doch  /  Jie  weetent '  uht  teleggen : 
Ohck  Ju  truhn  sö  nich  en  Hahr. 

Kinger  /  ergert  Ju  nich  dran 
Dat  öck  so  vertrulich  koose  / 
'Tos  hier  under  diser  Roose: 
Dö  nich  Scherz  verstahneu  kann 
Mach  ön  Suer  Eetick  sien; 
On  öck  wölt  woll  laeten  bliewen 
Ju  en  ander  mahl  to  schriewen 
So  /  als  öck  dir  mahl  erschien. 


1)  Unter  der  melodie  steht  dafür  seck. 


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Käflaufch,  Kößligß. 


649 


Einer  erläuterung  bedarf  hier  nur  ein  wort,  und  zwar  der  ausdruck 
käflaufch,  welcher  in  allen  mir  bekannten  Wörterbüchern  fehlt.  In  der 
folgenden,  von  Danzig  handelnden  stelle  des  Werkes  „Orbis  lumen  et  Atlantis 
jugatectaretecta:  Das  ist:  Newe  ausführliche  entdeck-  vnd  beschreibung  der 
gantzen  weltu  u.  s.  w.  Franckfurt  a.  M.  1658  s.  1075  bezeichnet  er  eine  be- 
sondere art  deutsch  zu  sprechen:  „Sie  reden  all  hochteutsch;  die  ansehn- 
lichsten reden  lauter  und  zierlich,  aber  das  gemeine  volck  etwas  gröber,  und 
auff  unterschiedliche  weisen,  das  sie  mit  einem  titel  Käßlau  fch  nennen. 
Die  polnische  sprach  ist  hie  nicht  weniger  nützlich,  als  gebräuchlich"  u.  8.  w. 
Nach  Hipler  Monumenta  bist,  Warmiensis  IV  14  ist  käslauisch  im  Erm- 
lande  eine  benennung  des  Plattdeutschen;  er  sagt:  „Diese  großartige  koloni- 
sation  zunächst  des  nördlichen  Ermlandes  unter  Heinrich  Fleming  dehnte 
sich  unter  dessen  nachfolgern  Eberhard  von  Neisse  und  dem  früheren  dom- 
propste  Magister  Jordan  auch  auf  den  mittleren  und  südlicheren  [teil]  des 
bistums  aus,  wo  nun  die  städte  Wormditt  (vor  1308)  und  Heilsberg  (L308),  die 
bürgen  Gutstadt  und  Wartenburg  (1325),  seit  1329  und  1364  städte,  nebst 
zahllosen  dörfern  gegründet  und  meist  mit  kulmischem  rechte  ausgestattet 
wurden.  Die  neuen  ansiedier  dieser  gegend  scheinen  meist  aus  der  schlesi- 
sehen  beimat  Arnolds,  namentlich  aus  dem  breslauer  distrikte,  eingewandert 
zu  sein,  woher  auch  noch  jetzt  die  ermländische  mundart  dieses  landstriches 
den  namen  führt,  während  der  dialekt  der  mit  käsebereitung  sich  befallen- 
den Niederdeutschen  von  dem  schlagfertigen  volkswitze  im  gegensatz  zu 
dem  Breslauischen  die  bezeichnung  des  Käslauischen  erhielt  So 
kommt  es,  daß  wir  den  ganz  Deutschland  durchziehenden  sprachlichen 
gegensatz  zwischen  Hoch-  und  Plattdeutsch  in  dem  wegen  der  freigebigkeit 
und  milde  seiner  fürsten  von  den  kolonisten  allgemein  gepriesenen  und  ge- 
suchten Ermlande  auf  dem  kleinsten  räume  unmittelbar  neben  einander 

haben  u  —  Hiernach  kann  es  keinem  zweifei  unterliegen,  daß  der 

obige  „Bruth  -  Danz"  wegen  seiner  nicht  -  hochdeutschen  spräche  die  be- 
zeichnung käflaufch  erhalten  hat.  Ob  Hiplers  erklärung  dieses  wort  es 
das  richtige  trifft,  ist  mir  dagegen  zweifelhaft,  weil  ich  in  dem  worte 
kößligß  (koeßligfehs)  ein  altes  synonymon  von  käslauisch  gefun- 
den zu  haben  glaube,  welches  mit  käse  nichts  zu  tun  hat.  Dies  wort 
erscheint  in  der  beschreibung  Königsbergs,  welche  Georg  Bruin  (al. 
Braun)  in  dem  werke  „Contrafactur  vnd  beschreibung  von  den  vor- 
nembsten  Stetten  der  weit"  UI  (Cöln  1582)  s.  43  und  in  dessen  lateini- 
scher Übersetzung,  den  „Civitates  orbis  terraruin"  DU  (Cöln  1593)  s.  43 
gegeben  hat.  Bruin  erzählt  dort  unter  anderem,  daß  die  Königsberger 
bürger  mit  holz  „gemeiniglich  wagenschott  geheißen"  (d.  i.  die  nieder- 
deutsche form  von  wagenschoß)  handelten,  und  fährt  dann  fort:  „Sie  ge- 
brauchen sich  der  deutschen  spraach:  darneben  .auch  einer  anderen,  ge- 


Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXIII.  Hft.  7  u.  & 


42 


650 


Mittheilungen  und  Anhang. 


meiniglich  Kößligß1)  genendt.  Aber  wie  die  dienstbotten  der  bilrger 
weit,  von  einander  bürtig,  also  sind  sie  auch  mit  der  spraach  einander  un- 
gleich. Jedoch  hat  in  der  landschafft  selbst  die  prutenisehe  spraach  über- 
hand^'. Daß  hier  kößligß  so  viel  wie  käslauisch  sei,  schließe  ich  an» 
dem  parallelismus  dieser  stelle  und  der  oben  angeführten,  welche  von  den 
sprachlichen  vorhältnißen  Danzigs  handelt,  sowie  aus  der  lautlichen  Ähn- 
lichkeit beider  Wörter.  Was  anderes  als  die  plattdeutsche  Volkssprache 
könnte  Bruin  denn  überhaupt  unter  kößligß  verstanden  haben?  Sind 
dio  ausdrücke  kößligß  und  käslauisch  aber  begrifflich  gleich,  so 
hängen  sie  sicherlich  auch  zusammen,  so  kann  man  ferner  bei  Hiplers  er- 
klärung  von  käslauisch  nicht  stehen  bleiben.  Läßt  sich  kößligß  doch  nicht 
auf  käslauisch  zurückführen,  enthält  es  doch  auch  nicht  den  leisesten 
anklang  an  breslauisch,  und  ist  doch  das  letztere  wort  als  bezeichnung 
der  hochdeutschen  spräche  in  Königsberg  kaum  jemals  vorgekommen. 

Ich  glaube  also  nicht,  daß  der  gegensatz  brcslauisch  —  käflauifch 
die  herkunft  des  letzteren  Wortes  klar  legt,  aber  ich  verkenne  nicht,  daß 
derselbe  mehr  als  rein  zufällig  zu  sein  scheint.  Vielleicht  ist  in  käflauifch 
eine  durch  breslauisch  nahe  gelegte  und  von  dem  erm ländischen  volkswitz 
vorgenommene  Umbildung  von  kößligß  zu  sehen,  welche  sich  in  der  folge- 
zeit  über  die  grenzen  des  Ermlandes  verbreitete.  Durch  diese  annähme 
würde  auch  der  umstand,  daß  die  niederdeutsche  Volkssprache  Königsbergs 
von  Bruin  als  kößligß  und  von  dem  Verfasser  des  Bruth-Danzes  als 
käf  lau fch  bezeichnet  wurde,  seine  einfache  erklärung  finden. 

Daß  in  kößligß  nicht  ein  schreib-  oder  hörfehler  Bruins  vorliegt, 
schließe  ich  aus  dem  familiennamen  Kösling,  der  in  Königsberg  recht 
häufig  und  offenbar  auf  kößligß  zu  beziehen  ist. 


Die  Kant-Bibliographie  des  Jahres  1885 

zusammengestellt  von 
R.  Reick«. 

Äonf*,  Jmman.,  affgem.  9Joturflcfd).  u.  Sbeoric  b.  §immct<J,  nebft  jnm  Supplcintutcn. 
fccrauäg.  p.  Äarl  Äc^rbacb,.  (191  6.  8r.  IG.)  [UniDcrfal.SBibliot&ef.  2eipä. 
$E>.  Ncclam  jun.    91r.  1954.  1955.]    geb.  -80. 

 Introduction  to  Logic  and  his  Essay  on  the  Mistaken  Subtilty  of  the 

Four  Flures.    Translated  by  Thomas  Kingsmill  Abbott,  B.  D., 
Fellow  and  Tutor  of  Trinitv  College,  Dublin.    With  a  few  Notes  by 
S.  T.  Coleridge.    London:  Lougmans,  Green.    (Pp.  104  8.)   G  sh. 
(cf.  Mind.  No.  41.    Jan.  1886.  p.  121.) 

1)  In  der  lateinischen  Übersetzung  steht  dafür  Koeßligfchs. 


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Die  Kant-Bibliographie  des  Jahres  1885. 


651 


Kant,  I.,  De  kracht  van  den  wil  in  het  beheerschen  van  ziekelijke  anndoeningen. 
Met  aanmerkingen  van  C.  W.  Hufeland.  Uit  het  Hoogduitsch.  Naar 
den  negenden  verbeterdeu  druk.  3  e  druk.  Leeuwarden.  Hugo  Suringar. 
(48  bl.  kl.  8.)  f  0,30. 

—  —  Traite*  de  pedagogie.  (Traduction  Jules  Barni.)  Avec  une  preTace,  des 

sommaires  analytiques  et  un  lexique  par  Raj'naond  Thamin.  charge 
du  cours  de  pedagogie  ä  la  faculto'  des  lettres  de  Lyon.  Paris,  libr. 
Alcan  (137  p.  18.)  1  fr.  50.  [cf.  Bulletin  critbjue  1886.  ler  Mars.) 

Xcr  Streit  um  Äant.  I— III.  [9leue  ßoangcl.  Äirdjenjeitung.  9lr.  14—16.] 

Abbat,  Francis  Ellingwood,  Ph.  D.,  Scientific  Theism.  London:  Macmillan; 
Boston:  Little  &  Brown.  (Pp.  XXHI,  219.)  rec.  Mind.  No.  43. 
July  1886.   p.  409—414. 

Adam,  C.  E..  Essai  sur  le  jugement  esthötiqne.  These.  Paris  libr.  Hachette 
&  O-  (4  Bl.,  255  S.  gr.  8.)  5.—  rec.  v.  G.  Fonsegrive  in:  Revue 
philosophique.    Tome  XXL.  p.  281—289. 

Amadol*,  Mariano,  Exposicion  y  critica  de  la  doctrina  de  Kant.  [Revista 
contemporanea  Madrid.] 

^neumfer,  Slemend  (Slrcdfau)  SRec.  üb.  Rroufc,  Sllb.,  3mm.  flont  rotber  fluno  ftifdjer. 
2af>r  1884.  [Öiter.  §anbroeifer  junädtft  f.  b.  fatb-  Dtfdjlb.  9lr.  375.  ©p.  9—13.] 

Beaassire,  Emile,  Les  prineipes  de  la  morale.  Paris.  Felix  Alcan.  (307  S.  8.) 
rec.  v.  Henri  Marion  in:  Rente  philos.  1886.  No.  2.  p.  173—180.  Rev. 

H.  Rashdall  in:  Mind.  Xo.  XL  IL  April  1886.  p.  273—275. 

—  —  Les  prineipes  formels  et  les  eonditions  subjectivea  de  la  moralite. 

[Revue  philos.  de  la  France.   T.  XIX.  p.  147-172.] 

9?erf,  2.  6.,  bie  Aufgabe  ber  ©cograpbie  [$om  ©tanbpunft  beS  Äantifdjen  AriticiSmuS]. 
(3ab,rcäbm^t  beä  ffiürttemb.  »cretnö  \.  $anbels"g.eoa.rapbie.  1882-1884.  ©tuttfl. 
1884.  (44  ©.)] 

Begl  Inger,  Johannes,  das  Weltgesetz  oder  neue  Theorie  der  allgem.  Schwere 
von  Johannes  Beglinger,  Verf.  der  Einheit  des  Weltalls.  Zürich, 
Cominissionsverl.  v.  Meyer  &  Zeller.  (494  S.  gr.  8.)  6,50. 

$cnfeer,  $[clene],  lieber  bie  Jbealität  oon  Kaum  unb  3"*-  ®»n  Seitrag  3.  Kapitel 
ber  „tronöfcenbentolen  Beftyctü."  [3tfd)r.  f.  ^f>Uof.  u.  pbüof.  flrit.  87.  33b. 

I.  fcft.  S.  1-48.J 

Bendlxaon,  Artur,  Kritiska  studier  tili  Kants  transcendentale  ästetik.  Aka- 
demisk  afhandling.  Upsala.  R.  Almqvist  &  J.  Wiksell's  boktryckeri. 
(73  S.  gr.  8.) 

5Br<tfd),  Dr.  Worifc,  3mm.  Äant,  ber  Reformator  ber  neuern  ^üofopbic.  [SJcrfelbe: 
Sie  ftlafftfer  ber  ^bUofop^ic.  2fß.  36-38.  ©.  1665-1804.] 


652  Mitteilungen  und  Anhang. 

©rofd),  Dr.  SRorife,  @cfammclte  effonä  u.  Gljaraftcrföpfe  3ur  neueren  Woiop&ie  u. 
Sit.  II.  ab.  2eir.j.  $ut&. 

(Sntlj.  u.  a. :  Äantiona  :  1.  3um  Inmbcrtjäfjrtgcn  3u^5um  ber  firitif  t>. 
rein.  $ft.  (1781—1881);  2.  Äant  u.  bie  ftaturforfebung.  (Sine  pI>ilof.  $rei3» 
fdnift;  3.  §mm.  Kant  unb  bie  ©egemoart. 
Calderwood,  Prof.  H.,  another  view  of  Green's  last  work.  [Mind.  No.  XXXVII.:  . 
Vol.  X.  p.  78-84.] 

Caporali,  E.t  il  pensiero  italiano  contemporaneo  in  Italia.  Critica  del  Kan- 
tismo negativo  di  Cesca,  e  del  Kantismo  neoplatonico  e  del  pessi- 
mismo  di  C.  Cantoni.  [La  Nuova  Scienza.  Dicembre  1884  —  Set- 
tembre  1885.] 

Cesca,  Dott.  Giov.,  Proefssore  di  filosofia  nel  R.  Liceo  di  Acc.  reale 
Sicilia,  la  dottrina  Kantiana  dell'  A  priori.  Studio  critico.  Padova- 
Verona.  Drucker  &  Tedeschi.  (XI,  279  S.  gr.  8.)  5  L.  Selbstanzeige  in; 
Tiertcljahrsschrift  f.  wies.  Phil.  IX.  129—130.  rcc.  v.  Geo.  S*mmel 
in:  Dtsche.  L.-Z.  1885.  No.  6.  Conr.  Hcrtnann  in:  Ztschr.  f.  Phil.  u. 
phil.  Krit.   Bd.  87.  S.  117-139. 

 l'origine  del  prineipio  di  causalita.  Saggio.    Ebd.  (VIII,  67  S.  gr.  8.) 

Selbstanz.:  Viert  eljahrsschr.  f.  teiss.  Phil.  IX,  130.  rec.  v.  Conr.  Hermann 
in:  Ztschr.  f.  Pliil.  u.  phil.  Krit.  Bd.  88.  S.  268-270.  -  Beide  Werke 
rec.  v.  Bern.  Percz  in :  Revue  philnsophique,  T.  XX.  p.  88  ff.  Mind. 
No.  38.    Apr.  1885.  p.  309-310. 

—  —  La  Filosofia  scientifica.  [Estratto  dalla  „Rivista  di  filos.  scientifica.u 
Anno  IV.  1884—5.]  Milano-Torino.  Fratelli  Dumolard.  (23  S.  8.) 

 La  Metempirica.  [Estratto  dalla  „Riv.  di  filos.  scient."  Anno  IV.]  Ebd. 

(27  S.  8.) 

Chlappclli,  Aless.,  nuovo  osservazioni  sulle  attinenze  frail  criticismo  Kantiano 
o  la  psicologica  inglcse  e  tedesca.  [La  Filosofia  delle  scuole  Italiane. 
Vol.  31.    Disp.  2.  Avrilo.] 

Cohen,  Prof.  Dr.  Herrn.,  Kants  Theorie  der  Erfahrung.  2.  neubearb.  Aufl. 
Berlin.  Ferd.  Dümmler.  (XXIV,  G16  S.  gr.  8.)  12.—  rec.  v.  Luden 
Arreat  in:  Rciw  philo*.  1886.  No.  2.  p.  183—85.  K.  Lossnitz  in: 
Dt.  L.-Z.  1886.  No.  12.  K<mr.  Hermann  in:  Blätt.  f.  liter.  Vnth. 
1885.  No.51.  Fr.  Staudinger  in:  Philos.  Monatshefte.  XXII,  402-408. 

Credaro,  Luigi,  il  Kantismo  in  Italia  [Raascgna  critica  di  opere  filosofiche, 
scientifiche  e  letterarie.    1885.    Agosto.  Sett.] 

 Qtiestioni  Kantiane  [La  Filosofia  delle  Scuole  Ital.  Vol.  32.    disp.  2.] 

Danriac,  Lionel,  M.  Ravaisson,  philosopho  et  critique.    [La  Critique  philo- 

sophique.    Xouv.  sor.  I.  Annee.  No.  17.  p.  34—55.] 
 Moraliates  Anglais  contemporains.  [Revue  philos.  T.  XIX.  p.  64—83.] 


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Die  Kant-Bibliographie  des  Jahres  1885. 


G53 


Dieterich,  Prof.  Dr.  Konrad,  Grnndzüge  der  Metaphysik.  Freiburg  i.  Br.  Mohr. 
(Vm,  85  S.  8.)  1,50.  rec.  v.  Mor.  Brasch  in:  Blatt  f.  lit.  Unth. 
1885.  No.  30.    v.  Sch(ubert)  S(oldcrn)  in :  Lit.  CentralU.  1885.  46. 

 Philosophie  u.  Naturwissenschaft,  ihr  neustes  Bündniss  und  die  moni- 
stische Weltanschauung.  2.  (Tit.-)  Ausg.  Freib.  i.  Br.  (1875)  (XI, 
90  S.  8.)  1.- 

$öberlein,  3uL,  SBorum  ^at  ber  Saum  bret  SMmenftonen?   [3tf<br.  f.  $bü.  unb 

pbU.  Ärit.   86.  53b.  6.  57— 72.J 
Döring,  A.  (Berlin),  Ueb.  d.  Möglichk.,  Logik  u.  Erkenntnisslehre  gesondert 

darzustellen.  [Viertel  jahrsschr.  f.  wiss.  Philos.  IX.  Jahrg.  S.  324—346.] 
 Ueb.  flcmtS  Scbre  von  »cgriff  u.  Slufgabe  ber  ^bilofopftie.  [^reufj.  Sabrbücb. 

56.  95b.  6.  fceft.  6.  464-481.] 
Dunan,  Charles,  les  theories  metaphysiques  du  monde  exterieur.  [Revue 

philos.  Vol.  XX.  p.  225-252.] 
Eckstein,  Frdr.,  das  Phänomen  der  Verdichtung.  Eine  natur-philos.  Studie. 

Wien.  Manz.  (48  S.  gr.  8.^  1,20.  rec.  Lit.  Ctralbl.  1885.  47.  Th(ilo)  in: 

Ztschr.  f.  exakte  Phil.    Bd.  XI Y.    S.  435. 
(*fircnberger,  Hnton,  SBcgriff  unb  Problem  ber  SRatcrte.   Gine  b,ift.«frit.  ©tubte. 

Ärem3.  (Stieberöfterr.  2anbc3«Cbcrrcal«  u.  öonbclöfdjute.)   (40  ©.  8.). 
Elsas,  Adolf,  rec.  Stadler,  Aug.,  Kants  Theorie  der  Materie.   Leipz.  1883. 

[Philos.  Monatshefte.  XXI.   S.  144-160.] 
Huden,  $rof.  Äub.,  Seiträge  jur  ©efeb.  b.  neuem  oomebml.  ber  beutfdben. 

©efammette  «bbblgn.  fceibelb.  1886.  Söeifj'S  SkrI.  (III,  184  ©.  8.)  3.20. 
Faje,  H.,  aur  l'origine  du  monde,  theories  coamogoniques  des  anciens  et  des 

modernes.  2.  &lit.  Par.  Ganthier-Villars.  (XI,  309  S.)  rec.  v.  Tannery 

in  :  Revue  philos.    T.  XX,  p.  519-529. 
FonsegriYe,  G.,  rec.  Seth,  Andrew,  the  developement  from  Kant  to  Hegel 

with  chapters  on  the  philosophy  of  religion.   Lond.  1882.  [Revue 

Philosoph.  T.  XIX,  p.  332-343.] 
Fontana,  Giacinto,  Genesi  della  filosofia  morale  contemporanea.    Milan o. 

Fratelli  Dumolard.    (Pp.  222.)   cf.  Mind.  No.  38.  April  1885.  p.  310. 
ftfanfe,  <Smil  (©nmnafiatlcbr.),  Untcifuebuitgen  über  ben  Stemm  unb  fein  SerbältniS 

ju  ben  fingen.  (®nmn.»$rogr.)   £>irf(b>rg.    (5.  3—15.  4.) 
Stege.  ®.  (Sena),  rec.  §.  Gobcn,  ba$  $rincip  ber  3nfinitcfimaI»Uletbobe  u.  feine 

©efätebte.   Berlin.    Summier.    f3tfcbr.  f.  $f>il.  u.  pbU.  Ärit.    93b.  87. 

6.  324—329.] 

Fricker,  Prof.  Dr.  Carl  Victor,  zu  Kants  Rechtsphilosophie.  [Memoriam 
Henr.  Theoph.  Franckii  die  XI.  mens.  Aug.  solemni  oratione  cele- 
brar.dam  indicit  .  .  .  Ups.    p.  3 — 21.  4.] 

0aUttl|,  $aft.  $cmä,  baS  Svangeltum  etneä  (Smptriften,   ©otba.   $ertbeä.  (V, 

108  6.  gr.  8.)  2.- 


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054 


Mittheilungen  und  Anhang. 


Gerhard,  Carl,  Kant's  Lehre  v.  d.  Freiheit.  Inaug.-D.  Halle.  (47  S.  8.) 
vervollstd.  u.  d.  T.:  Kant's  Lehre  von  d.  Freiheit  dargest.  u.  beurtH. 
Ein  Beitrag  zur  Lösung  d.  Problems  der  Willensfreiheit.  [Philos.  Monats- 
hefte. XXII.  Bd.  S.  1-59.]  spjk:  Heidelberg.  Verl.  v.  Geo.  Weis». 
(3  BL,  84  S.  gr.  8.)  2.—  reo.  v.  Sch.  S.  in:  Lit.  Centralbl.  1886.  51. 

Gerlach,  Prof.  Dr.  L.  (Dessau),  das  Dessauer  Philanthropin  in  s.  Bedeutung 
f.  d.  Reformbestrebungen  der  Gegenwart.  (Vortrag  geh.  auf  d.  Philo- 
logen vereinig,  zu  Dessau.)  (Neue  Jahrbb.  f.  Philol.  u.  Pädag.  II.  Abth. 
132.  Bd.  S.  1—20.  Verhandlungen  d.  37.  Versammig.  dtsch.  Philol. 
u.  Schulmänner  in  Dessau.    Leipzig.    S.  90—106.  4.] 

GliTckt,  G.  v.  (Berlin),  Moralische  Beurtheilung.  [Vierteljahrsschr.  f.  wiss. 
Philos.    IX.  Jahrg.    S.  33  —83.] 

Haas,  Dr.  Lorenz,  kgl.  Studienlohrer,  Der  ®otte§bcn>eiä*  Progr.  d.  Studien- 
anstalt.  SBurgfiaufen.    (31  6.  8.) 

Hanneqain,  A.,  rec.  L.  Le>y- Brühl,  l'idee  de  responsabilitä.  Par.  1884. 
[Revue  philos.   T.  XX,  p.  194-203.  312-319.] 

Hartmann 's,  Ed.  v.,  ausgewählte  Werke.  Wohlf.  Ausg.  1.  Heft.  Berlin. 
C.  Duncker.  (Inh.:  Kritische  Grundlegg.  des  transcendontal.  Realism. 
Eine  Siohtg.  u.  Fortbildg.  d.  erkenntnifltheor.  Principien  Kants. 
3.  neu  durchges.  n.  verm.  Aufl.   VIII,  139  S.  gr.  8.)  l.~ 

—  —  Philosophische  Fragen  der  Gegenwart.  Leipz.  Berlin.  Wilh.  Friedrich. 
(VIU,  298  S.  gr.  8.)  6.-  (S.  244-260:  Kant  u.  die  heut.  ErkenntmÄ- 
theorie.) 

Henrich,  Dr.  Adolf,  Kant's  Deduction  d.  rein.  Verstandesbegriffe.   (Beil.  z. 

Osterprogr.  d.  Gymn.)    Emmerich.    (60  S.  8.) 
Hensel,  Paul,  Ueb.  die  Beziehg.  des  reinen  Ich  bei  Fichte  zur  Einheit  der 

Apporception  bei  Kant.  I.-D.  Freiburg  in  Baden.  (48  S.  gr.  8.) 
Hercher,  Dr.  Bernh.,  der  Begriff  der  Realität.  Zur  Gesch.  u.  Kritik  d.  trans- 

scendental.  Idealism.    (Jahresber.  üb.  d.  Gymn.  Carolo-Alexandrin.) 

Jena.   (30  S.  4.)    Im  Buchhdl.  n.  d.  T.:  Zur  Geschichte  u.  Kritik  d. 

Begriffs  der  Realität.   Jena.   Doebereiner  in  Comm.   (30  S.  4.)  —80. 
Hodgson,  Richard,  the  consciousness  of  external  reality.    [Mind.   No.  89. 

July  1885.   p.  321-346.] 
Höfler,  A.  (Wien),  rec.  Kroraan,  Dr.  K.,  Unsere  Naturerkenntniß.  Kopen- 
hagen. 1883.  [Vierteljahrsschr.  f.  wias.  Philos.  IX.  Jahrg.  S.  353—368.] 
Howlson,  G.  H.,  Hnme  and  Kant.  [The  Journal  of  specul.  philos.  Vol.  XIX. 

Jan.  No.  1.] 

Janet,  Paul,  Element*  of  morals  translated  by  Mrs.  C.  R.  Corson.  Newyork. 

A.  S.  Barnes  &  Co. 
Kaier,  Emil,  die  Ethik  des  Utilitarismus.    Inang.-Diss.  d.  Universit.  Basel. 

Hamburg  n.  Leipzig.  Leop.  Voss.    (2  Bl.f  78  S.  gr.  8)  2.—  Selbatanz. 


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Die  Kant-Bibliographie  des  Jahres  1885. 


655 


in:  Vierteljfüirsschr.f.icis*.  Philo*.  X.  Jahrg.  S.  125.  rec.  v.  Fr.  Jodl  in: 

Dt.  L.-Z.    1886.  9. 
Katzer,  Archidiakon.  Dr.  (Pirna),  Kant's  Lehre  von  der  Kirche.  I.  [Jahrb. 

f.  protest.  Theol.   Jahrg.  1886.    1.  Heft.  (1885)   S.  29-85.] 
ftril,  Mobcrt,  3Bielanb  u.  3leinf>olb.    Criginal-Wittlicilgn.  d3  »eitrogc  j.  ®efa).  b. 

btfc^.  ©ciftcälcbenä  $r3g.   Scipj.  Scrlin.  ©üf).  gricbrid).   (VIII,  3G8  6. 

gr.  8.)  6.— 

Kerry,  B.  (Straßbg.  i.  E.),  Ueb.  Anschauung  u.  ihre  psychische  Verarbeitung. 

(Ausführg.  e.  am  10.  Jan.  d.  J.  vor  der  Strassburger  philos.  Facult. 

gehalt.  Habilitationsvortrages.    Erster  Artikel.    [Vierteljahrsschr.  f. 

wiss.  Philos.    IX.  Jahrg.    S.  433—493.] 
Kipper,  Paul  (aus  Sagau),  Geistesleben  u.  Descendenzlehre.  Ein  erkenntniß- 

theor.  -  kritisch.  Versuch.   I.-D.  der  Univers.  Jena.   Naumburg  a.  S. 

(67  S.  8.) 

Ältdjtter,  Sic.  Dr.  ftricbr.,  Äontä  Sebcutung  für  unf.  Seit.  [2>tfäe.  Scfefattc. 
Sonntagäbeil.  a-  Berlin.  Tageblatt.  1.  Wärj.  9lr.  9.  6.  70-71.] 

Knaoer,  Gust.,  Die  Dinge  an  sich,  das  „Ausser  -  uns",  das  für  unsere  Er- 
kenntniss  „Gegebene"  u.  unsere  Erfahrung.  (Im  Anschluss  an  Dro- 
bisch,  Kants  Dinge  an  sich  u.  sein  Erfahrungsbegriff,  Hamb.  u. 
Lpz.  1885.)    [Philos.  Monatshefte.  XXI.  Bd.  8.  Hft.  S.  479-491.] 

Koppelmann,  Dr.,  Kant's  Lehre  vom  analytisch.  Urtheil.  [Ebd.  XXI.  Bd. 
2/3.  Hft.  S.  65-101.] 

Kuttner,  Dr.  Otto,  Die  Bedeutung  der  regulativen  Ideen  Kants:  Die  Ato- 
mistik.   [Altpr.  Monatsschrift.  Bd.  XXII.  Hft.  1/2.  S.  59  -  75.[ 

—  —  Kants  Copernicanismus  auf  die  Begriffe  Notwendigkeit  und  Freiheit 

angewandt.    [Ebd.  Hft.  7,8.  S.  618-636.] 
Lasswitz,  K.  (Gotha),  Zur  Rechtfertigung  der  kinetisch.  Atomistik.  [Viertel- 
jahrsschr.  f.  wiss.  Phil.  IX.  Jahrg.  S.  137—161.    S.  147  nimmt  Verf. 
auf  Kaufs  nachgelass.    Xotizcn  „vom    Ueberg.  v.   d.  metaph.  A.  O. 
z.  Natune."  muh  „Propädeutik  zur  Physik"  gen.,  Rücksicht.] 

—  —  rec.  Cohen,  Herrn.,  das  Princip  der  Infinitesimalmethode  u.  seine 

Gesch.  Berl.  1883.    [Ebd.  S.  494-503.] 
 3um  Slnbcnfcn  an  ©corge  »erfden,  geb.  b.  12.  5K5rj  1685.   [ffcic  Wation. 

2.  Sa^rg.  7.  SRärj.  «r.  23.  3.  329-331.] 
 rec.  Ott  Vre!,  bic  <pt)Uofopf)te  ber  SRnfttf  (im  Verhältnis*  zu  Kant),  [©bb. 

9lr.  34.  ©.  508-510.] 
•      (Lanrie,  Prof.  S.  ofEdinbnrg)  Ethica;  or  the  Ethies  ofReason.  ByScotus 

Novanticus,    Author   of  Metaphysica   Nova    et   Vetusta.  Lond. 

Williams  &  Norgate.  (Pp.  191.  8.)  rec.  v.  Andr.  Seth  in:  Mind.  No.  40 

p.  594—598. 

Leclair,  A.  v.,  rec.  Straßburger  Abhdlgn.  z.  Philos.  Ed.  Zeller  zu  s. 


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T 
• 


666  Mittheilungen  nnd  Anhang. 


70.  Geburtstage.  Freib.  i.  Br.  u.  Tüb.  1884.  [Viertel jah  rasch  r.  f. 
Philos.  EX.  Jahrg.  S.  123-127.  betr.  d.  3.,  4.  u.  5.  Abhdlg.  v.  Laos, 
einige  Bemerkgn.  z.  Transscendentalphil.,  Vaihirtger  r.  Kant»  Widlegg. 
d.  Idealisnt.  u.  Windelband  fragmmt.    Bemerkgn.  z.  Lehre  v.  negat. 
Urthal.] 

Lehmann,  Rud.,  rec.  Schubert  -  Soldern,  üb.  Transcendenz  d.  Objects  u. 
Subjecta.  Leipz.  1882.  [Phüoa.  Monatshefte.  XXI.  Bd.  2/3.  Hft. 
8.  178—180.] 

Llpslns,  Rieh.  Adb.,  Neue  Beiträge  zur  wissenschaftl.  Grundlegung  der 
Dogmatik.  [Jahrbücher  f.  proteat.  Theol.  Jahrg.  1885.  S.  177  —288. 
869—453.  550—671.]  separat,  u.  d.  T.:  Philosophie  u.  Religion.  Neue 
Beiträge  z.  wiss.  Grdlegg.  d.  Dogmatik.  Leipz.  Barth.  (IV,  319  S. 
gr.  8.)  5.  —  rec.  v.  0.  Pfleiderer  in:  Dt.  L.  Z.  1885.  42.  —  u  —  in: 
Liter.  Ctralbl.  1886.  3.  J.  Gottschick  in:  Theol.  LZ.  1886.  Nr.  10.  + 
Lasson  in:  Ztschr.  f.  Phil.  u.  phil.  Krit.  89.  Bd.  S.  101—122. 

Lorm,  Hieronym.  (Dresd.)  Der  Pessimismus  in  der  Litteratur.  1.  Die  Be- 
gründung d.  modern.  Pessimism.  durch  Kant.  2.  Die  Fälschg.  d. 
modern.  Pessimism.  durch  Mode-Philosophen.  3.  Die  litter.  Konsequenzen. 
[Das  Magaz.  f.  d.  Litt,  des  In-  u.  Ausl.  No.  14—16.] 

Lotsfj,  M.  C.  L.,  Het  Vraagstuk  van  den  zedelijken  Vooruitgang.  Eerste 
Stuk :  Begrip  van  Zedelijkheid.  Utrecht :  J.  L.  Beyers.  (V,  139,  XXXI 
S.  8.)   cf.  Mind  No.  44.  Oct.  1886.  p.  596. 

mainitt,  Dr.  3.  (ftretb.  i.  SBr.)  rec.  Änauer,  b.  Slcflerionäbcgftffc.  2pj.  1881. 
[3if<fir.  f.  tyil  u.  phil.  «rtt.  93b.  87.  6.  105-111.]  rec.  »cbmfe,  $bnfto* 
logie  w.  ÄontianiSmuä.   Sifcnacb  1883.  [66b.  6.  322—324.] 

Marquardt,  Dr.  Ant.,  Kant  u.  Crnsius.  Ein  Beitrag  zum  richtigen  Ver- 
ständnÜ  der  crusianischen  Philosophie.  Kiel.  Lipsius  &  Tischler. 
(53  S.  gr.  8.)  1.60. 

Martlnean,  James,  Types  of  Ethical  Theory.  By  James  Martineau,  DD., 
LL.  D.,  Principal  of  Manchester  New  College,  London.  2  vols. 
Oxford:  Clarendon  Press.  (Pp.  XXIV,  479;  VIDI,  639.)  rec.  von 
H.  Sidgicick  in:  Mind  No.  39.  July  1885.  p.  426—442.  \ 

Merkel,  Karl,  Ueber  die  Entstehung  u.  inhaltl.  Veränderung  der  beiden 
philosophischen  Ausdrücke  a  priori  und  a  posteriori.,  I.-D.  Halle  a.  S. 
(56  S.  8.) 

Montargls,  Frederik,  l'esthetique  de  Schiller.  Paris.  Alcan  (203  S.  8.) 
Hontgomery,  Dr.  Edmund,  Space  and  touch.  I— III.    [Mind.  No.  38-40.  , 

Vol.  X.  p.  227-244.  377-398.  512-531.] 
aRünj,  Dr.  2BiIb.,  $te  ©runblagen  ber  Äant'fd)cn  ©rrennim&tbcorie.   eine  Cin«  $ 

fübrung  in  bie  ftritir  ber  reinen  Sernunft.   2.  »erb.  Hufl.   33re31au.  SBilb. 

Äocbner.  (V,  84  @.  gr.  8.)  1.80. 


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Die  Kant-Bibliographie  des  Jahres  1885. 


657 


Naumann,  A.,  Spencer  wider  Kant.  Eine  Erörterung  der  Gegensätze  von 
Realism.  u.  Kriticism.,  m.  besond.  Rücksicht  auf  das  egoistische  Moral- 
princip.  Hamburg.  Verl.  v.  Griifius  u.  Möller  (36  S.  8.)  rec.  v.  Thilo 
in:  Ztschr.  f.  exakte  Phil.  XIV,  226—27.  Dr.  Hann  Hcussler  in:  Ztschr. 
f.  Phil.  u.  phil.  Krit.  Bd.  89.  S.  328. 

Woiti.  2ubn>.,  9ogo3.  Urfprung  unb  3Befen  ber  Segriffe.  Seipjtg.  (Sngelmann. 
(XVH,  362  ©.  gr.  8.)  8.—  rec  v.  Carl  Abel  in:  Die  Nation.  3.  Jahrg. 
No.  5. 

Plllon,  F.,  l'idee  de  la  responsabilite  par  Le"  vy-Bruhl,  ancien  eleve  de  1'EcoIe 

normale  superieure.    1   voL  in  8.  (Hachette).    [La  Critique  philos. 

Nouv.  Se>.  Ire  annee.   No.  10.  p.  241-257.] 
Ree,  Dr.  Paul,  die  Illusion  dor  Willensfreiheit,  ihre  Ursachen  u.  ihre  Folgen. 

Berlin.    Carl  Duncker.    (2  Bl.,  54  S.  gr.  S.)  1.—    rec.  v.  Kr.  in:  Lit. 

Ctralbl.  1886.  2.    G.  v.  Giiycki  in  Dt.  L.-Z.    1886.  7.    M.  Wagner 

in:  Theol.  Litern  turbl.  1S86.  7. 

—  —  Die  Entstehung  des  Gewissens.  Ebd.  (V,  253  S.  gr.  8.)  4. — 
Reieke,  Rud.,  Aus  Kant's  Briefwechsel.  Vortrag,  geh.  an  Kant's  Geburts- 
tag den  22.  April  1885  in  der  Kant-Gesellscb.  zu  Königsberg.  Mit 
e.  Anhang,  enth.  Briefe  von  Jac.  Sigism.  Beck  an  Kant  u.  von  Kant 
an  Beck.  [Aus:  „Frankf.  Ztg.M  und  „Altpr.  Monatsschr."]  Königsberg. 
Beyer.    (73  S.  gr.  8.)    baar  n.  2.— 

 Die  Kant  -  Bibliographie  des  Jahres  1884.    [Aus  „Altpr.  Mon."J  Ebd. 

(7  S.  gr.  8.) 

Renonvier,  Esquisse  d'une  Classification  syste'matiquo  des  doctrines  philo- 
sophiques.  Vol.  I.  Paris.  1884.  Bureau  de  la  Critique  philos. 
(490  S.  8.)   Vol.  II.  1885.   (420  S.)  a  8.— 

Romnndt,  Dr.  Heinrich,  Grundlegung  zur  Reform  der  Philosophie.  Verein- 
fachte u.  erweiterte  Darstellg.  von  Imra.  Kants  Kritik  d.  rein.  Vernunft. 
Berlin.  Nicolai'sche  Verl.  -  Bchh.  (VII,  264  S.  gr.  8.)  5.—  rec.  Grenz- 
boten 1885.  18.  Th.  Weber  in:  Dt.  L.-Z.  1885.  21.  Theol.  Litblatt 
1885.  11.  Max  Reischic  in:  Theol.  L.-Z.  1885.  22.  Mor.  Brasch  in: 
Blätt.  f.  lit.  Vnth.  1885.  30.  Lit.  Ctralbl.  1886.  6.  Theob.  Ziegler  in: 
Dt.  L.-Z.  18S6.  6.  Luden  Arrmt  in:  Rente  philos.  T.  XVI.  p.  89—92. 

—  —  Die  Vollendung  des  Sokrates.    Immanuel  Kants  Grundlegung  zur 

Reform  der  Sittenlehre  dargestellt.  Ebd.  (VII,  304  S.  gr.  8.)  5.— 
rec.  v.  Konr.  Hermann  in:  Blätt.  f.  lit.  Unth.  1885.  51.  F.  Jodl  in: 
Ztschr.  f.  Phil.  u.  phil.  Krit.    S9.  Bd.  S.  129—134. 

—  —  £ic  2fcbajitapt>ilofopt)t«  ber  3nbcr.  [^reufeifäe  3af>rbüd>.  55.  93b.  ©.  181—190.] 
Royce,  Josiah  (Instructor  in  Philosophy  in  Harward  College),  The  religious 

aspect  of  Philosophy.  A  critique  of  the  basea  of  conduet  and  faith. 
Boston.  (XIX,  484  S.  kl.  8.) 


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ft58  Mittheilungen  und  Anhang. 

S(chaarschmldt),  C,  rec.  Schwertschlager,  Kant  u.  Helmholtz.  Freib. 

i.  Br.  1883.  [Philos.  Monatshefte.  Bd.  XXI.  S.  296—297.1  rec.  Kant's 

Prolegomena  and  metaphysical  foundations  of  natural  science.  Trans- 

lated  by  E.  B.  Bax.    Lond.  1883.    [Ebd.  S.  302-303.] 
Schlegtendal,  Walthcr,  Johann  Nikolas  Tetens'  Erkenntnistheorie.    Teil  I. 

Inaug.-Diss.    Halle  a.  S.    (77  S.  8.) 
edjlteib,  Dr.  2RatI)ia3,  bic  pf)ilof.  2cft>c  »on  3cit  unb  9laum.  [Der  ffatbolif.  3tfd)r. 

f.  fatf)ot.  SöifTcttfä.  u.  ftrrtf.  8eb.  65.  ^ctlirg.  33b.  n.  ©.  256—78.  362-65. 

581-607.  66.  »g.  33b.  I.  S.  11-30.  129-145.] 
SchwartzkopfT,  Gymn.-L.  Dr.  Paul,  die*  Freiheit  des  Willens  als  Grundlage 

der  Sittlichkeit.    Leipz.    Böhme.    (VI.  106  S.  gr.  8.)    1.  50.    rec.  v. 

C.  S.(chaarschnndt)   in:   Philos.  Montshftc.   XXI.  Bd.  S.  429-30. 

G.  v.  GizycM  in  Dt.  L.  Z.  1*85.  42. 
Secrelan,  Charles,  le  principe  de  la  raorale.  Lausanne  1884.  A.  Imer.  Paris. 

Monnerat.  (384  8.  8.)  6  fr.    rec.  v.  L.  Mariliier  in:   Revue  philos. 

T.  XX.  p.  297—312. 
—  —  Une  theorie  de  la  connaissance   (m.  Bez.  auf  Biedermann,  christl. 

Dogmatik.  Berlin.  I.  p.  51—173.)  [La  Critique  philos.  Nouv.  se>.  I. 

annee.  No.  4.  p.  254-272.] 
Seth,  Scottish  Philosophy:  a  comparison  of  tlie  Scottish  and  German  Answers 

to  Hume.  By  Andrew  Seth,  M.  A.,  Prof.  of  Logic  and  Philosophy 

in  the  University  College  of  South  "Wales  and  Monmouthshire.  Edin- 
burgh and  London,  Blackwood  &  Sons.  (Pp.  218.)  cf.  J.  Mind  No.  4L 

p.  120.  Xo.  42.  p.  267—272.  J.  A.  Stewart  in:  Academy  IHM.  Xo.  732. 

F.  Picavet  in:  Reime  phi.'os.  T.  XXII,  p.  195-200. 
SUtnthal,  Prof.  Dr.  H.,  allgemeine  Ethik.  Berlin.  Reimer  (XX,  458  S.  gr.  8.) 

9.  —  rec.  t\  G.  Simmel  in  Yierteljahrsschr.  f.  teiss.  Phil.   X.  Jahrg. 

S.  487-503.    Gloijau  in:  Ztnchr.  f.  Pliil  u.  phil.  Krit.  Bd.  88.  Hft.  1. 
Stöhr,  Dr.  Adf.,  Replik  gegen  Witte.   Eine  Vertheidigg.  meiner  Schritt  : 

Analyse  der  reinen  Natnrwissensch.  Kant's  geg.  Prof.  J.  Witte.  Wien. 

Toeplitz  &  Deuticke.  (IV,  23  S.  gr.  8.)  -  80. 
ettümpett,  f\o\.  2ubn>.,  Die  ©inleitg.  in  bie  ?tyÜof.  vom  Stanbpuntte  ber  ©efd). 

b.  ^üof.  Scipj.  ®eo.  93öf>me.  1886.  (VDI,  484  S.  flr.  8.)  6.  75.   rec.  r. 

0.  F(liu)cl)  in:  Ztschr.  f.  exakte  Philos.  XIV.  Bd.  S.  432-434. 
Taja,  Prof.  Donato,  l'unita   sintetica  Kantiana   e  l'esigenza  positivista. 

Napoli  1884  tip.  della  r.  Universita.  (29  p.  8.) 
Tannery,  Paul,  la  theorie  de  la  matiere  d'apres  Kaut.  [Revue  philos.  T.  XIX. 

p.  26—46.1 

Tarantino,  Giuseppe,  Saggi  filosofici.  Napoli.  Morano.  (353  p.  12.)  cf.  Bernard 
Perez  in:  Revue  philos.  T.  XX,  p.  320.  Conr.  Hermatm  in:  Ztschr. 
f.  Philos.  u.  phil.  Krit  Bd.  88.  S.  266—68. 


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Die  Kant-Bibliographie  des  Jahres  1885. 


659 


Tobler,  Ludw.,  rec.  Gerber,  Gust,  die  Sprache  u.  das  Erkennen.  Berlin. 

1884.  [Ztsrhr.  f.  Völkerpsychol.  n.  Spniehw.   XVI.  Bd.  S.  a36-339.] 
Valdarnlni,  Angelo,  Srritti  filosofici  e  pedagogici.  Firenze,  ooi  tipi  di  M.  Cellini 

e.  C.  alla  Galileiana.  (419  p.  16.)  L.  4.  50. 
Yold,  J.  Mourly,  Albrecht  Krause's  Darstellung  der  Kantischen  Raumtlieorie 

n.    der  Kantisch.   Lehre    von   d.   Gegenständen   beurt heilt.  [Aus: 

„Christiania  Vidensk.-Selsk.  Forhandl.]  Christ iania.  Dybwad  in  Comin. 

(29  S.  gr.  8.)  —  80.  rec.  v.  Thilo  in:  Ztschr.  f.  vraJctc  Phil.  Bd.  XIV. 

S.  197.  v.  Sch(ubert)-S(oldem)  in:  Lit.  Ctralbl.  1886.  13. 
Yolkelt,  Prof.  Johannes,  Erfahrung  n.  Denken.  Kritische  Grundlegung  der 

Erkenntnistheorie.    Hamburg  u.  Lpz.  1886.  Leop.  Voss.  (XVI,  556  S. 

gr.  8.)  13.—    rec.  v.  Thcod.  Lipps  in:  Gotting,  gel.  Anz.  1886.  No.  9. 

S.  372-393.    Otto  Pflcidcrer  in:  Protest.  KZ.  1886.  No.  3. 
Webb,  Thos.  EM  The  veil  of  Isis:  A  Series  of  Essays  on  Idealism.  Dublin: 

Hodges,  Figgis  &  Co.    London:  Longmans.   (XIII,  365  S.  8.)  rec.  in: 

Mind.  No.  38.  p.  299—300. 
Wehr,  Prof.  Hans,  die  Subjectivität  des  Raumes  u.  das  XI.  euklid'sche  Axiom. 

Wien.    (Pichler's  Wwe  &  Sohn.)    (45  S.  gr.  8.  m.  Figuren.)  1.— 
RMbcttittnn,  ^Jflul  §einr.,  Grfcnnen  u.  Sein.  Sofung  bcfl  ^roblemä  beä  ^beerten  unb 

Scalen,  juglcid)  eine  ©rörterung  bc3  nötigen  9lu3gangäpunfte$  u.  ber  $rtn» 

eipten  ber  ^btfofopfoie.   ftarlärube  u.  Seipjtg.   Skrt.  o.  ß.  JHcutfjcr.  (XJJ, 

240  6.  gr.  8.)  5.-    rec.  r.  Th.  Weber  in:  Dt.  L.-Z.  188Ö.  49. 
Wille,  Dr.  Emil,  Wilh.  Wundt's  irrthüml.  Auffassung  von  Hume's  u.  Kant's 

Seeleubegriff.    [Phüos.  Monatshefte  XXI.  Bd.  S.  276-284.] 
Witt,  Carl,  Kants  Gedanken  von  den  Bewohnern  der  Gestirne.  Vortrag. 

[Altpr.  Monatsschr.  Bd.  XXII.  Heft  1/2.  S.  76-90.] 
Witte,  Prof.  Dr.  J.  H.,  Kantischer  Kriticismus  gegenüber  unkritischem 

Dilettantismus.    Bonn.  Max  Cohen  &  Sohn.  (V,  66  S.  gr.  8.)  1.  20. 

rec.  v.  Luden  Arreat  in:  Rctme  philos.  1886.  No.  2.  p.  188—189. 

—  —  rec.  St öhr,  Dr.  Ad.,  Analyse  der  reinen  Naturwissensch.  Kant's. 

Wien  1884.  (Phüos.  Monatshefte.  Bd.  XXI.  S.  284—288.] 

—  —  Ein  kurzes  Wort  zu  O.  Gierke's  Beurtheilung  des  neuesten  Werks 

von  W.  Dilthey.  [Ebd.  XXII.  Bd.  Hft.  1/2.  (1885)  S.  99-104] 
Wondt,  Wilh.,  Zur  Kritik  des  Seelenbegriffs  gegen  WUle,  Ucb.  Wilh.  Wundts 
Grundbegriff  der  Seele  in  Philosoph.  Monatshfte.  XX.  1884.  S.  586 
bis  592.  [Philos.  Studien  hrsg.  v.  Wilh.  Wandt  II.  Bd.  3.  Hft.  Leipz. 
S.  483-494.J 

 Kant's  kosmolog.  Antinomien  u.  das  Problem  der  Unendlichkeit.  [Ebd. 

4.  Hft.  S.  495-538.] 
Zimmermann,  Bob.,  Jacob  Bernoulli  als  Logiker.    [Aus  „Sitzungsber.  d.  k. 

Akad.  d.  Wiss.u]  Wien.  Gerolds  Sohn  in  Comm.  (60  S.  Lex.  8.)  1.— 


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«?60 


Mittheilungen  und  Anhang. 


Zimmermann,  Rob.,  Kant  and  Comte  in  ihrem  Verhältniß  zur  Metaphysik. 

[Aus  „Sitzungsber.  etc.u]  Ebd.  (40  S.  Lex.  8.)  —.60. 
Zwerger,  Dr.  Max,  die  lebendige  Kraft  u.  ihr  Mafl.   Ein  Beitrag  zur  Ge- 
schichte der  Physik.  München.  Lindauersche  Bchh.  (Schöpping.)  (IV, 
290  S.  gr.  8.)  7.- 


ünlversitäts- Chronik  1886. 

(Fortsetzung:.) 

IB.  Oct.  Phil.  L-D.  v.  Oscar  Mey  (aus  Borken  Kr.  Pr.  Eylau):    Ueber  die 

Darstellung  binärer  Formen  auf  den  Normcurven.  Greifswald.  Druck 

von  F.  W.  Kunike.  (2  Bl.,  40  8.  8.) 
21.  Oct.  Lectiones  Cursor,  (juibus  .  .  .  Carl  Franklin  Arnold  theol.  Lic.  phil. 

Dr.  mores  et  sententias  Atheniensium  in  capife  XVII  actoruin  traaitas 
.  comperatione  eiusdem  lere  temporis  scriptornm  illustrabit  ad  docendi 

facult.  rite  impetrandam  .  .  .  indicit  Paulus  Tschackert  theol.  et  phil. 

Dr.  P.  P.  0.  ord.  theol.  h.  t.  Deoanus.  Regimonti  Borussor.    Ex  offi- 

ciana  Hnrtungia. 

29.  Oct.  Med.  I.-D.  v.  Max  Lares  prakt.  Arzt  (ans  Lyck):  Ueber  das  Ver- 
halten des  Muskelglvrogens  nach  der  Leberexstirpation.  Kgsb.  i.  Pr. 
Bchdr.  v.  R.  Leupofd.  (32  S.  8.) 

4.  Nov.  Phil.  I.-D.  v.  Arnold  Pitt  nar  Bertaswaldensis :  De  Meleagri  Mane- 
donii  Leontii  re  metrica.  Regiinontii.  Ostpr.  Ztgs.-  u.  Verl.-Dr.  (2  Bl., 
32  S.  8.) 

8.  Nov.  Lectiones  cursor.  quas  .  .  .  Carol.  Appel  phil.  Dr.  über  den  Einfluß 
der  provenzalischen  Litteratur  auf  die  italienische  ad  docendi  facultatem 
rite  impetr.  .  .  .  indicit  Carol.  Pape,  phil.  Dr.  P.  P.  0.  ord.  philos.  h. 
t.  Deoanus.  Regim.  Bor.   Ex  offic.  Leupoldiana. 

11.  Nov.  Phil.  I.-D.  v.  Max  Born  aus  Tilsit,  Beiträge  zur  Bestimmung  der 
Liohtbrechnngsverhältnisse  doppeltbrechender  Krystalle  durch  Prismen- 
beobachtungon.  [Aus:  N.  Jahrb.  f.  Mineral,  etc.  Beilageband  V.]  Stutt- 
gart. E.  Schweizer  bartVhe  Verlagshdlg.  (54  S.  8.) 

25.  Nov.  Phil.  I.-D.  v.  Conrad  Schmidt  aus  Königsberg:  Der  natürliche 
Arbeitslohn.    Jena.  Gustav  Fischer.    (4  Bl.,  55  S.  gr.  8.) 

Nro.  115.  SCmtl.  Skrjcidmife  beö  ^erfonalä  unb  ber  6tubircnben  ...  für  b.  fflint.« 
6em.  1886/87.  ÄaSbg.  §artunß'fd)c  ©d)br.  (35  S.  8.)  [93  (11  theol ,  6jur., 
27  med.,  49  phil.)  Doc.  4  Sprach-  u.  Exercitienmeister;  815  (21  ausl.) 
(235  theol.,  112  jur.,  237  med.  u.  231  philos.)  immatric.  Stud.  u.  11 
zum  Hören  d.  Vorl.  berecht.] 

29.  Nov.  Phil.  I.-D.  v.  Franz  Schroeter  (aus  Gr.  Lesewitz  bei  Marienburg 
in  Westpr.):  Ad  Thucydidis  librum  VII  quaestiones  philologicae.  Regi- 
monti Borussorum.  Typis  Leupoldianis.  (32  S.  8.) 


Altpreussische  Bibliographie  1885. 

(Schlass.) 

Ol  fers,  Dr.  E.  W.  M.  v.,  Moses  u.  die  Materialisten.  Eine  St  udie.  Königs- 
berg. (Jakubowski.)  (43  S.  gr.  8.)  n.  n.  1.30. 

Ostrodzki,  Isidor  (aus  Löbau  in  W.-Pr.)  der  Retropharyugealabscess  bei 
Kindern.   L-D.  Beri.  (36  S.  8.) 


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Alt  preußische  Bibliographie  1885. 


661 


*an*fc.  3o&.  Scop.   SBctbnaAtäfptcIe.   Eanjta..  9Socnifl.  1886(85).  (34  8.  16.) 
^afforße,  l'ouiö,  fluä  bcm  bcutia.cn  Seoilla.   Äulturfftjjen.    [Muä  allen  Seiten  u. 

Sanbcn.  3.  3abrg.  Sp.  805—828.]  »Uber  von  ber  Oftfccfüftc.  [Gartenlaube 

9tr.  34.] 

%*oftoro!blatt  f.  b.  Dtöcefe  ©rmlanb  f>rSg   o.  fr  fctplcr.  17.  Sabrg.  12  «rn.  ä  Va 

bi<3  1  SB.  4.  93raunö6crg. 
Pawlowski,  J.  N.,  §aupt(ef>rer,  populäre  ©efd)id^te  unb  SBefdjretlmna,  be3  Ü)anjiger 

Sanbfreifeä  mit  einem  Slntjange.  .  .  Eanjig.  SBcbct  (104  S.  gr.  8.  SRit  1  Äartc 

ar.  Sol.) 

—  —  Karte  vom  Danziger  Stadt-  und  Land-Kreise.    Nach  zuverlässigen 

Hilfsquellen  entworfen  und  gezeichnet.    Im  Anschluß  an  des  Verf.'s 

„populäre  Gesch.  u.  Beschreibg.  d.  Danziger  Landkreises"  u.  „Popul. 

Gesch.  Danzigs".  Lithogr.  color.  gr.  Fol. 
Perlbach,  M.,  Notiz  üb.  Dr.  Walter  Fuchs  d.  Verhältniß  d.  älter.  Chronik 

v.  Oliva  zu  d.  Chronicum  terre  Prussie  Peters  v.  Dusburg  in  d.  Altpr. 

Mon.  S.  193-260,  421-484.    [Neues  Archiv  d.  Gesellsch.  f.  ältere 

dtsch.  Geschichtskundo  X.  Bd.  S.  436.]  Ree.  [Gött.  gel.  Anz.  No.  8. 

S.  339—351.  Centralbl.  f.  Bibliothekswesen  II.  Jahrg.  S.  26-33.  138 

bis  140.  Dtsch.  Lit.-Ztg.  VI.  Jahrg.  No.  15.  32.  39.  41.1 
Petong,  Dr.  Rieh.,  die  Gründung  n.  älteste  Einrichtung  d.  Stadt  Dirschan. 

[Mit  2  autogr.  Karten. |  Kgbg.  Beyer.  (44  S.  gr.  8.)  baar.  n.  n.  1.— 
Pitsch,  J.,  (Gymn.-Lehr.)    De  proverbiis  nounulh's  Iatinis,  quao  cum  ger- 

manicis  quibusdani   congruere  videntur.    (Gymn.-Ber.)  Marien werd. 

Kanter.  (13  S.  4  to.) 
Plan^  kleiner,  v.  Danzig.  Chromolith.  Danzig.  Saunier.  (4  to.)  — 50. 

—  —  der  Speicher- Insel  in  Danzig  nach  d.  neuesten  Aufnahme  .  .  .  1 : 2500. 

(Ebd.)  4.~ 

Plaunmnn,  Gymn.-Lehr.  Emil,  „Markgraf  Rüdiger  von  Bechelaren"  v. 
F.  Dahn  u.  d.  Nibelungenlied  (Gymn.-Ber.)  Graudenz.  Rothe.  (S.  3 
bis  25  4  to.) 

^Pleljtoe.  Cberl.,  JRub.,  Sortrag  üb.  fcanS  o.  fcelb  u.  b.  „Stfiiuarjc  SBud)."  Referat 

u.  »emeifgn.  [tftfebr.  b.  b'ft.  ©cf.  f.  b.  $roo.  ?»ofen.  I.  Safjrg.  S.  571-72.] 
Plew,  Dr.  J.,  kritische  Beiträge  zu  den  Scriptores  historiae  Augustae. 

Straßburg.  Trübner  i.  Comm.  (32  S.  gr.  4.)  1.50. 
^ßolenj,  $erm,  (Sbnmtf  ber  .  .  .  Sioifittcnfcbcn  @ütcr.    9Jot^  actcnmäjj.  u.  anb. 

auttjent.  CucU.  jfgefteitt.   ^»fterburg.  Söilljclmt.  (45  ©.  4.) 
 £>.  ®d)lacbt  b.  ©r.  SögcrSborf  am  30.  ?lug.  1757,    [Unter&.  581.  Sonntagö» 

Seil.  }.  ^nfterburfl.  3t«-  «r.  8.] 
Prciss,  Dr.  H.,  Wilh.  Vatke's  Gesammtansicht  über  d.  Bücher  Samuelis  u. 

d.  Könige.    (Ztschrft.  f.  Wissenschaft].  Theol.  28.  Jahrg.  S.  257-280.] 

Zrväna  akarana.   [Ebd.  S.  385—392.] 
Prellwitz,  Dr.  Walther,  de  dialecto  thessalica.    Gotting.  Vandenhoeck  u. 

Ruprecht.  (63  S.  gr.  8.)  1.40. 

—  —  die  götternamen  Apollon  u.  Poseidon.  [Beiträge  z.  künde  d.  indogerm. 

sprachen.  IX.  Bd.  S.  327-331.]  Register  z.  Bd.  IX  [Ebd.  S.  339-344.] 
Preus»,  Paul  (Thorn).    Die  Beziehungen  zwischen  d.  anatom.  Bau  u.  d. 

physiolog.  Funktion  d.  Blattstile  u.  Gelenkpolster.  I.-D.  Berlin.  (39  S.  8.) 
Vrtufcc  u.  2>cutfd)e*  £>er  rcblidie.  6.  Ralenber  auf  b.      1886.  «Wobrungen.  Jtauten« 

berg.  55.  3abra..  «KuSg.  91r.  1-3. 
Preussen,  Polen,  Litauen,  etc. 

Abel,  Dr.  Carl,  Groß-  u.  Klein-Russisch,  aus  Ilchester-Vorlesgn.  üb.  vergl. 

Lexikographie  geh.  an  d.  Univ.  Oxford.   Im  Auttrage  d.  Verf.  aus  d. 

Engl,  übers,  v.  Rud.  Dielitz.  Leipz.  Friedrich.  (IV,  139  S.  gr.  8.)  6.— 
Acta  historica  res  gestas  Poloniao  lllustrantia  ab  anno  1507  usque  ad 

annum  1795.  Tom.  VIII.  Vol.  I.  Leguin,  privilegiorum  statutorumque 

civitatis  Cracoviensis  tomi  I  vol.  I.  [1507—1686.]  Krakau.  Friedlein. 

(XXXVH,  624  S.  Lex.  8.)  vol.  II.  (XXII,  S.  625-1204.)  a  24.- 


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662  Mittheilungen  und  Anhang. 

ttmrltinfl,  g.(  (8cfö)id|te  ber  SReoalcr  Sdnoarjenbfiupter  oon  ifjrem  Urfprung  an  bt3 

auf  bic  ©ogcinoart.  9ifld)  urfunbenmäfc.  Cucllcn  bcö  McDalcr  Sdiroarjenbäupter» 

9lrcf)io3  bearft.  (3n  3  ?fan.)  I.  Via..:  Die  erfte  »lüttjejeit  oon  1399  bis  1657. 

Steual.  SBaficrmann.  (136  S.  gr.  8.)  2.40. 
Archiv  f.  d.  Gesch.  Liv-,  Est-  u.  Ciirland«.  N.  F.  Bd.  XI.  a.  n.  d.  T.:  Neue 

Quellen  z.  Gesch.  d.  Untergangs  livländ.  Selbständigk.    Aus  d.  dän. 

Geh.  Archive  zu  Kopenhagen  hrsg.  von  C.  Schirren.  III.  Bd.  Reval. 

Kluge.  (VIII,  381  S.  gr.  8.)  7.50. 
Archiv  f.  slavische  Philologie.  .  .  .  hrsg.  von  V.  Jagic.  8.  Bd.  Berlin. 

Weidmann.  (VI,  676  S.  gr.  8.)  20.— 
Atenenm  pismo  nankowe  i  hterackie  .  .  .  1885.  (4  Bde.  8.) 
Balzer.    Henrioi  Sbignei  de  Gora  tractatulus  contra  crueiferos,  regni 

Poloniae  invasores.  wvdal  Dr.  Oswald  Balzer.   [Monuiuenta  Poloniae 

historica  Pomniki  Dziejowe  Polski.  T.  IV.  Lwow  1884.  S.  143-191.] 
—  Oratio  contra  crueiferos  (Thorunii  coram  arbiti-is  a.  d.  1464  habita) .  .  . 

[Ebd.  S.  192-205.] 
«Beheinucdjttarjaadj,  3Kar,  Die  maritime  u.  foloniale  Tbätigfcit  griebrid)  ffiifbelmS, 

b.  grofc.  Äurfürftcn.  \kl\ä>v.  f.  adß.  @efd).,  (Euttur«,  2itt.»  u.  Äunftgefd).  1885. 

$ft*.  3.  S.  196-216.] 
»erinfluter,  Dr.  Mi*.,  Buöführl.  Skcfd»rcibg.  ber  frier  j.  200 j.  ©ebäcbtn.  b. 

ßbiftcS  o.  ^otsbum  (29.  Oct.  1685)  begang.  ».  b.  fran^öf. » reform,  ©emeinben 

in  *»ranbcnburg « Greußen  .  .  .  Skrlin.   Mittler  u.  ©obn.   (2  551.,  103  S. 

gr.  8.)  1.25. 

$ernftcin.  $>crjog  9Ubrcd)t  o.  ^reufe.  an  bie  Stänbe  be§  ©tiftö  Gamin  roeg.  an« 
gehaltenen  SJcrnftcinö.  (Datum  Konigspergk  denn  24.  Juli  anno  1555.) 
pBaltifdie  ©tubien.  35.  ^abrg.  <5.  103  -105.]  Erwähnung  de«  Bernsteins 
iu  e.  Keiliuschrift.  Aus  e.  Briefe  v.  Jules  Oppert  an  Virchow. 
[Verhdlgu.  d.  Berlin.  Ges.  f.  Anthrop.  etc.  Stzg.  v.  21.  Febr.  S.  65-66.] 
Prof.  Schräder  die  Keilinschrift  auf  dem  Obelisk  Asurnasirabal's 
(geg.  Jul.  Oppert.)  [Ebd.  Sitzg.  v.  8.  Juli.  S.  807  —309.]  Jul.  Oppert 
üb.  d.  Keilinschrift  auf  d.  Obelisk  Asurnäsirabars  (widerlegt  Schräder) 
u.  Schradens  Erwiderung.    [Ebd.  Stzg.  v.  17.  Oct,  S.  372-373.] 

Skartbenburfl « ^reuften  auf  ber  SBcftfüftc  oon  Slfrifa  1681—1721.  Scrfafet  oom 
arofe.  ©cncralftabe,  »btl).  f.  Ärtegsgcfd).  STCit  1  Ueberfidjtöfarte  u.  5  S(i}j. 
[9luS:  „flricgägefcbicbtl.  ©injelfd>riftcn".J  SBcrl.  Mittler  &  Sob,n.  (89S.gr.  8.) 
2.-  (cf.  Grenzboten.  1885.  No.  23.) 

Brieflade,  est-  u.  livländische.  Eine  Sammlung  v.  Urkund.  zur  Adels- 
n.  Gütergeschichte  Est-  u.  Livlands.  II.  Theil.  Bd.  1  n.  2:  Schwedisch- 
poln.  u.  poln.  Zeit  v.  1561  —  1700,  hrsg.  v.  Ed.  Pabst  u.  Roh.  Baron 
v.  Toll,  mit  Regist.  v.  P.  Th.  Falck.  Riga.  Deubner.  (VIII,  103  S. 
Lex.  8.)  n.  n.  4.— 

Briefwechsel  zwischen  Dobrowsky  u.  Kopitar  (1808—28).  Hrsg.  v.  V.  Jagic. 

Mit  e.  Portr.  u.  2  lith.  Beil.   Petersb.  Berlin.    Weidmann  i.  Comm. 

(CVII,  751  S.  gr.  8.)  haar  n.  n.  9.— 
Brown,  J.  C..  Forests  and  forestrv  in  Poland,  Lithuania,  the  Ukraine  and 

the  Baltic  prov.  of  Russia.    Edinburg.  Oliver  &  Boyd.  6  sh. 
Brückner,  A.,  Lituanica  (Recensionen).  [Archiv  f.  slav.  Philol.  VIII.  Bd. 

2.  Hft,  S.  308-312.] 
Colonna  •  Walewskl,  Graf,  Beiträge  z.  Gesch.  d.  poln.  Münzstätten  1588 

bis  1624.  [Ztschr.  f.  Numismatik  XII.  S.  205-279  m.  Taf.  XV-XXXUJ] 

auch  sep.   Berlin.  "Weidman.  (75  S.  gr.  8.  m.  19  (photolith.  Taf.)  10.— 
<£o$tttaä.    Doä  JJcfanä  (Sosmaö  6b,ronif  oon  Böhmen  nacb,  ber  Sluägabc  ber  Monu- 

menta  Germaniae  übffct.  o.  ©co.  ©ranbaur.   2cipjtg.  §ran$  Diinder.  (Die 

@efd)i*tfd)rciber  b.  btfd).  SJorjt.  in  btfd).  SBcarb.  .  .  .  XII.  Sabrb.  »b.  XTV.] 

(VI,  246  ®.  8.)  4.- 
Dalton,  Herrn.,  Johannes  a  Lasco.  Bijdrage  tot  de  hervormingsgeschiedenis 

van  Polen,  van  Duitschland  eu  van  Engeland.   Uit  het  Hoogduitsch 


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Altpreußisehe  Bibliographie  1885.  663 


vertaald  door  P.  C.  van  Oosterzee.    Utrecht,  Kcmink  en  zoon.  (19  u. 
G40  S.  gr.  8.)  f.  6.— 
Dannenberg,  H.,  Zwei  unweit  Leba  gemachte  Münztunde.    [Ztsehr.  f. 
Numismatik.  Bd.  XII.  S.  2S0-306.  398  -401.  m.  Tat'.  Vin— XII.] 

Dlngosz,  J.,  Insignia  s.  clenodia  regis  et  regni  Polon.  z  kodeksu  Körni- 
ekiego    wvdal   Dr.    Celichowski   Poznan,    naklad.    bibl.  Körnickiej. 

(27  S.  4.)  2.- 

Donner,  O..  üb.  d.  Einfluß  des  Litauischen  auf  die  finnischen  Sprachen. 
[Internationale  Ztsehr.  f.  allgem.  Sprachwissensch.  1.  Bd.  2.  litt.] 

Dornelh,  J.  v..  die  Ivetten  unter  den  Deutschen.  Berlin.  Deubner.  (VI, 
127  S.  gr.  8.)  2.- 

Drucke  d.  Vereins  f.  niederdeutsche  Sprachforschung.  I.  Mittelniederdtsehe. 
Fastnachtsspiele.  Mit  Einleitg.  u.  Anm.  lirsg.  v.  N.  Seelmann.  (XL VII, 
86  S.  8.)  --  11.  Niederdeutsches  Reimbüchlein.  Eine  Sprnchsammlg. 
des  16.  Jahrh.  hrsg.  v.  W.  Seelmann.  (XXVIII,  122  S.)  Norden. 
Soltau.  a  2.— 

Ellerholz,  P.,  Handbueh  d.  Grundbesitzes  im  Deutseh.  Reiche.  Mit  An- 
gabe sammtl.  Güter,  ihrer  Qualität,  ihrer  Größe  [in  Culturart],  ihres 
Grundsteuer  -  Reinertrages;  ihrer  Besitzer,  Pächter.  Administratoren; 
der  Industriezweige,  Poststationen;  Züchtungen  specieller  Viehracen, 
Verwerthung  d.  Viestandes  etc.  Nach  amtl.  u.  authent.  Quellen  bearb. 

1.  Das  Königreich  Preußen.  4.  Lfg.  Prov.  Westpr.  2.  verb.  Aufl. 
Berlin.  Nicolais  Verl.  (XIV,  261  S.  gr.  8.)  H.— 

(*nbtulat,  $crnb-,  ©cftpr.  Trüffeln  für  c.  «mgstafct.  f^tftfjr.  b.  bift.  «cfeßf*. 
f.  b.  ilrou.  %\o]<n.    1.  3ob>fl.  8.  iL  4.  $jt.  3.  506-512.  «f.  J.  $c<f,  ebb. 

2.  ^abrg.  1.  <ÖH.  188(5.    S.  93-94.] 

Estreicher,  K.,  Bibliogrnfia  XIX  w.,  tom  X  zesz.  3  i  4.  Krakow,  Aka- 
demia  umiej,  druk.  Üniw.  Jag.  w  8  ce,  str.  VIII,  297-  489,  I— XXVII 
i  CXXXVIll-CCVU. 

Vilbel,  P.  Gonrab,  0.  Fr.  min.,  bcr  SWinorit  iviitrid)  o.  2ü|jclburg.  SBiidjof  o. 
Scmgaücn,  Curlanb  u.  Gbicmfcc.   ßüftor.  ^abrb.  b.  ÖörrcS'öcfcüftb,.  VI.  93b. 

3.  92—102.] 

Ferra!,  L.  A.,  il  proccsso  di  Pier  Paolo  Vergerio.  [Archivio  storico 
Italiano  Tomo  XV.  p.  201-220.  333-344.  T.  XVI.  p.  25-46.  153-169.] 

ftorftcr,  3upcrtut.  Cbcrpfarr.  D.  2f)-,  bie  coangcl.  3aljburger  u.  iljrc  Skrtrcibg. 

1731—32.  (27  3.  8.)  [tcr  coangcl.  @loub«  nach,  b.  ^cugniö  ber  @cfd).  9ir.  3. 

fcatlc  1884.  9iicmci)cr.)  —30. 
Jfournier,  Sluguft,  ^ur  <#cfd)id)tc  bc<J  2ugcnbbunbcä.   [$crf.  ^iftor.  Stubicn  u. 

3fi$$e"-    $rag.  icmpoh).  öcipj.  3"i)tag.  3.  301—3:50.] 
©oni,  $mgo,  3tcin,  3d)ön  u.  bic  Gutftcbung  bcs  Gbiftä  com  9.  Dftab.  1807. 

®knncr.  sJKaiiij.  (45  3.  gr.  8.) 

Geltler,  Dr.  Leop.,  Beitrüge  zur  litauisch.  Dialektologie.  [Sitzgsber.  d.  Ks. 

Akad.  d.  Wiss.  Philos.-hist.  Cl.  108.  Bd.  S.  339—406.] 
Geschiclitsblätter,  Hansische.    Hrsg.  v.  Verein  f.  Hansische  Geschichte, 

(13.)  Jahrg.  1884.  Leipzig.  Duncker  &  Humblot.  (170  u.  XXVUI  S.  gr.  8.) 

Girgensohn,  Dr.  Jos.,  Bemerkgn.  üb.  d.  Erforschg.  d.  livländ.  Vorge- 
schichte. Riga.  Kvmmel.  (19  S.  gr.  8.)  —60.  rec.  v.  K.  —  L(ohmeyer) 
in:  LH.  Vtralbl.  issti.  An.  4. 

öocfcc,  %.  o.,  Ulbert  Sucrbccr,  (Srjbtfdiof  d.  ^reufoen,  Sblanb  u.  (sftlonb.  ®cf<Wl. 
Tarftcüung.  3t.  Petersburg  1854.  (9liga,  jtnmmel'ä  SJcrl.  1885.)  (VI,  224  3. 
£cr.  8.  m.  4  Äpftaf.)  6.- 

*<o\\/,  Gen.-Lieut.  Frdr.  Frhr.  von  der,  Nachrichten  üb.  die  Familie  der 
Graten  u.  Freiherren  v.  d.  Goltz.  In  2  Abthlgn.  m.  19  (Lichtdr.-) 
Portr.,  4  Wappentaf.  in  Farbendr.  u.  12  Stammbäum,  zsgest.  Straß- 
burg. Schultz  &  Co.  Verl.  (VI,  527  u.  193  S.  gr.  4.)  nn.  30.- 

Gritzner,  M.,  n.  Ad.  M.  Hildebrandt,  Wapponalbum  der  gräfl.  Familien 


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Mitteilungen  und  Anhang. 


Dtschld».  u.  Oesterreich-Ungarns  etc.,  Lfg.  12—24.  Leipz.  T.  0.  WeigoL 

(120  heliotyn.  Taf.  m.  34  Bl.  Text  gr.  4.)  a  2  — 
Habenlcht,  H..  Heimatskarten  zum  Elemcntar-Atlns  No.  2.  Bl.  20.  Danziger 

Bucht.    22.  Kulinerland  u.  Pomesanien.  23.  Samland.  25.  Littauen. 

Gotha.  (Perthes.)  Chromolith.  fol.  ä  —20. 
—  Daas.  Erweiterte  Blätter.    Blatt  21.  Pommerellen.  Ebd.  —30. 
Haupt,  Dr.  Kenn.,  Aufzeichnungen  des  Franziskaners  Johannes  Schmidt 

von  E!mendingen  bei  Pforzheim  1356—1455.  No.  II:  Nota  von  den 

dütschen  herren  von  Prtisen.  [Alemania.  XIII.  Jahrg.  2.  litt.  S.  149— 150. J 
Mtnbtd.  Cbcrl.  Dr.        3unfd)cn  SBeiAfel  u.  ©Ibf.    (@cg.  Dr.  Sjulc'  Sortr. 

üb.  b.  Urcinroobntr  *ro.  SScidjfcl  u.  @lbc.  SKünd).  1884.)  ßtfAr.  b.  bift.  ©c» 

fctlfd».  f.  b.  $rot>.  $o|cn.  1.  3<»brß.  3.  u.  4.  fcft.  6.  513—538.] 
Jahrbuch  d.  Vereins  f.  niederdtsche.  Sprachforschung.  Jahrg.  1884.  X. 

Norden.  Soltau.  (III,  180  S.  gr.  8.)  4.- 
Kagelmacher,  Ernst,  Filippo  Maria  Visconti  u.  König  Sigismund.  1413—1431. 

Ein  Beitrag  zur  Gesch.  des  15.  Jahrh.  Berlin.  Frz.  Siemenroth.  (IX, 

121  S.  gr.  8.)  2.50. 

Kanteckl,  Dr.  dem.,  Polen  im  Mittelalter.  (Jahresberichte  der  Geschichta- 

wiasensch.  IV.  Jah-g.  1881.  Berl.  1885.  II.  S.  833—348.] 
Stnoop,  @t)mn.  •  Sehr.  Otto,  3talfcfagcn,  6rjäblun<?cn,  Aberglauben,  @cbrau<6e  u. 

SRärdjcn  ouö  b.  öftl.  £>intcrpommern.  ^ofen.  5ioIoroicj.  (XXX,  240  3.  gr.  8.)  5. — 
Korrespondenzblatt  d.  Vereins  f.  niede.-deutsche  Sprachforschung.  Red.: 

Vv.  H.  Mielck.  9.  Jahrg.  1884.  Hamburg.  Norden.  Soltau.  < 107  S.  gr.  8.)  2.— 
Kraszewski,  J.  I.,  Polska  w  czasie  trzech  rozbioröw  1772—1796,  studya 

to  h  storvi  tucha  i  obvczaju.  Tom  I.  1772—87.  Wvd.  II.  Poznan, 

nakl.  J.  K.  Zupanskiego.'  (XIII,  454  S.  8°.)  (cplt.  in  3  Bd.  33  M.)  . 
KHidener,  A.  v.,    zur   Naturgeschich.  d.  Elchs.   [Der  zoolog.  Garten. 

26.  Jahrg.  No.  11.] 
Kurtzraann,  L.,  Gesch.  der  Raczynski'schen  Bibliothek  in  Posen.  [Sep.- 

Abdr.  aus  dem  1.  Bde.  d.  Katalogs  der  Raczvnskischen  Bibliothek  zu 

Posen.)    Posen.  Docker  *  Com.  (36  S.  8.) 
Lebinski,  \V1.  Dr..  Matervaly  do  Slownika  hicirisko-polskiego  srednio-wiecznej 

laciuy  i  starozyt.  polskich.    Poznan.  (VII,  200  S.  8.) 
—  0  wojach  i  rycerzach  polskich.  Stud.  starozytu.   Warsz.  (126  S.)  [Sep.- 

Abdr.  aus  d.  Ateneum.J 
Leger,  Louis,  Le  monde  slave  au  XIX  siecle,  lecon  d'ouverture  du  cours  de 

langues  et  litteratures  d'  origine  slave,  professe  au  College  de  France. 

Paris.  L.  Cerf.  (31  S.  8.) 
Lenchs,  Adressbuch  aller  Lander  der  Erde  der  Kaufleute,  Fabrikanten, 

Gewerbetreibenden,  Gutsbesitzer  etc.,  zugl.  Handelsgeogr.,  Produkten- 

u.  Fabrik aten-Bezngs- Angabe.  11.  Bd.  Ost-  u.  Westpreussen.  7.  Aufl. 

1885-1888.    Nürnberg.  Leuchs  &  Co.  (363  S.  gr.  8.)  cart.  12- 
Vippcrt.  3ul.,  ©ermanen  u.  Slawen.    Tic  gcfgicfyl.  (Snmricflg.  ber  <8gfa|e  üjr. 

SBolfsroefcnö.  ^ßrag.  Xcutfd).  SScrcin.  (23  <3.  gr.  8.)  —  30.   [Sammlung  ge« 

mcinnü|jtgcr  Vorträge  btsg-  »•  btfd).  Vereine  j.  SBbrcüg.  gemcinnüjng.  fiennt» 

ntffc  in  tyrag  ftr.  100.J 
Mach,  A.  L.  v.,  Untersuchungen  üb.  d.  Wapp.  der  kassubisch.  Familie 

von  Mach.    | Vierteljahrsschrift  f.  Heraldik,  Sphragistik  u.  Geneal. 

XIII.  Jahrg.  2.  Hft.  S.  182- 198. J 
Macii9  Anton  v..  Aus  den  Kirchenbüch,  des  kathol.  Pfarramtes  zu  Sulleu- 

czyn  im  westpr.  Kreise  Carthans.  [Ebd.  4.  Hft.  S.  432  -439.] 
iWatttcitffcl,  ©uft.  «aron  o.,  »ibliogvapbifdje  9lotij  üb.  leitifebe  Sdjnftcn,  n>. 

1604—1871  in  b.  I)od)lcttifd>.  rc|'p.  poln.'liolänb.  iDfunbart  oeröffcntl.  mürben. 

3Kttau.    [3cp.««bbr.  bed  SKaga*.  b.  IcttMitter.  @cfcll!'a).| 
Mettig,  Dr.  C.  (in  Riga),  Liv-,  Est-  u.  Kurland  im  Mittelalter.  [Jahres- 
berichte d.  Geschichtswissensch.  IV.  Jahrg.  1881.  Berlin  1885.  IL 

S.  176-178.]  ...  in  d.  neuen  Zeit.    [Ebd.  III.  S.  49-54.J 


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Altpreußische  Bibliographie.  065 

Michovr,  Dr.  Heinr.  (Hamburg),  das  Bekanutwerden  Russlands  in  vor- 

Herberetein'scher  Zeit,   ein  Kampf  zwisch.  Autorität  u.  Wahrheit. 

Vortrag.  [Verhandlgn.  d.  6.  deutsch.  Geographentages  zu  Hamburg  am 

9.,  10.  u.  11.  Apr.  1885.  S.  119-130.] 
Monatsschrift,  Baltische,  hrsg.  v.  Frdr.  Bienemann.  32.  Bd.  12  Hfte. 

Riga.  Deubner.    (1.  Hft.  88  S.  Lex.  8.)  20.— 
Nestor.    Chronique  dite  de  Nestor.  Traduite  sur  le  texte  slavon-russe  avec 

introduction  et  commentaire  critique  par  Louis  Leger.  Paris  1884. 

(XXVIII,  399  S.  8.)  rec.  v.  V.  Jagic  in:  Archiv  f.  slav.  Philol  VHI. 

Bd.  4.  Hft.  S.  578-583.] 
Cnrfen,  Söilb,.,  SBeitr&ge  jur  neueren  ©e)d)id)te.   I.  3"™  3*°^*-  ft^t.  b.  ®r. 

II.  6in  angeblicher  »rief  beä  ftrbr.  o.  Stein.  III.  3ur  391aria»Stuart'$racie. 

©ießen.  (IV,  9  )  S.  8.)  [©iefecner  Stubieu  auf  bem  ©ebiete  ber  ©efd).  III.] 
Crben.   3ur  ©efd).  b.  DrbenS  ber  Sdjroertbrüber  in  2u>lanb.    [SBodjenblatt  ber 

3obannitcr«Crbcn3'$alien  SBranbenbura,.  9lr.  8.  9.] 
$oeld)au,  Cberl.  Dr.  9lrtb.,  bic  liötönbifcbe  ©efd)id)tüliteratur  im  3-  1884.  Siiga. 

«nmmclö  Serl.  (95  3.  12.)  1.— 
Przeglad  Polski  pod  redakeya.  dra  J.  Mvcielskiego.  1885.  Kraköw. 
Pntewodnlk  naukowy  i  literacki,  pod  redakeya;  A.  Krechowieckiego.  1885. 

Lw6w. 

Kcgesta  diplomatica  nee  non  epistolnria  Bohemiae  et  Moraviae.  Pars  rV. 
Annorum  1333—1346.  Opera  Joe.  Emier.  Vol.  I.  Prag.  (Gregr  &  Va- 
lecka.)    (160  S.  4.) 

Rcisekarte,  Forstliche,  von  Preussen.  Oestliche  Hälfte,  enth.  d.  Provinzen 
Ost-  u.  Westpr.,  Pommern,  Posen  u.  Schlesien,  sowie  Theile  von 
Brandenburg  und  Sachsen.  Lith.  Leipz.  (Rust.)  fol.  1.60. 

Rozprawj  i  sprawozdauia,  z  posiudzen  VV  vdziahi  historyczno-filozoficznego 
Akademii    umiejetnosci  tom  XVIII.  Krakow.  (325,  XLV  S.  gr.  8.) 

JHu(nourm,  Sdmlinfp.  o.  2).  Slrd)tuar  (Sari,  9iad)rid)ten  üb.  Stlt^ernau.  .  .  .  SDlit 
2  Uli).  2a\.  SRcoal  1880.  (Stiga,  jUjmmel'sJ  «erlag.  1885.)  (VI,  117  S.  gr.  8.)  2.50. 

Schäfer,  ^rof.  Dr.  2)ietr.,  bie  £>anfc  u.  ibre  fcanbelspolttif.  Sortrag.  3cna.  gifdjer. 
(32  3.  gr.  8.)  -75. 

£d|irm<mtt,  Stabtarduoar  Dr.  tbeob.,  Sluftlanb,  $olcn  u.  Stofanb  bis  inS  17. 
%al)t\).  Berlin,  ©rote.  (3.  161-482  gr.  8.  m.  eingebe.  §oljfdm.,  6  §olj« 
fdmittraf.,  2  fiart.  u.  2  #acf.)  [Mgcm.  ©cfd).  in  (Sinjclbarftügn.  brög.  ». 
mil).  Onden.  91.  u.  92.  «btb.  ä  3.-1 

—  Revals  Beziehgn.  zu  Riga  u.  Rußland  in  d.  J.  1483  bis  1505.  Brief- 
regesten  u.  Briete  aus  einem  Conceptbucho  d.  Revaler  Rathes.  Der 
Gesellsch.  f.  Gesch.  u.  Alterthskde.  der  Ostsee-Provinzen  Rußlands  zu 
ihrem  Jahresfeste  dargebracht  v.  d.  estländ.  literar.  Gesellsch.  Reval. 
Kluge.  (72  S.  gr.  8.)  2.- 

—  Gbaraftcrföpfc  u.  Sittcnbilbcr  au3  ber  baltifd).  ©efd).  b.  16.  3af>rb.  2.  ZiUU 
auSg.  Homburg  (1877).  SBcbre.  1885.  (IV,  151  3.  gr.  8.)  2.50. 

—  Das  herzogl.  Archiv  in  Mitau.  [Archival.  Ztschr.  hrsg.  v.  Frz.  v.  Löher. 
X.  Bd.  S.  84- 106. J 

«djtllbadj,  9Ud).,  Ucb.  b.  branbenburgifd).  Kolonien  an  b.  Äüftc  d.  ©uinea  in  9Mt- 
airita.  ßinc  gefd)id)tl.  Stubie.  (9Rit  ^Uuftr.:  grbr.  ffiilb.  b.  ©r.  Äurf.  u. 
Otto  ftriebr.  d.  b.  ©röben.)  [SöeftcrmannS  illuftr.  btfdje.  SKonatd&eftc.  ©cpt. 
$ft.  348.  5Bb.  58.  3.  828-837.] 

edjttJebel,  Oäfar,  (Sin  flurbronbenburgifeber  9lfritafab,rer  (nad)  bem  93ud)c:  „Oricn* 
talifdje  HeifcSBcfcbreibg.  be3  branbenburgifd).  Slbclitfien  ^ilgcrä  Ctto  ftricbridj 
to.  b.  «toben  :c.  SRaricnroerber  1694).  (Stfd).  Heid)Ö  •  Hnj.  SRr.  41— 43.J 
Der  Referent  läßt  Otto  Frdr.  v.  d.  Gröben  noch  in  höherem  Alter  »eine 
preuß.  Amtshauptmannschaften  mit  den  Jfarzer  [sie]  Aemtern  Osterode 
u.  Höllenstein  vertausch.  „  Vermuthlich  auf  dem  Hohenstein  [sie] 
selbst  ixt  er  endlich  als  7lger  am  30.  Juni  1728  vstorb." 

Scriptores  rerum  Polonicarum  Tom.  VIH.  Epistolae  ex  archivo  domus 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXI H.  Hft.  7  u.  8.  43 


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666 


Mittheilungen  und  Anhang. 


Radzivilianae  depromptae.   Krakau.  (Friedlein.)  (XXIV,  295  8.  m.  4 
facsm.  Portr.)  10.— 
eeeberg,  %,  «uS  alten  3«tcn.   Sebenabtlber  auS  Äurlonb.  Stutig.  Steinfopf. 

(231  6.  8.)  2.50. 

«i$ung«bertd)te  ber  gelebrt.  eftnifä).  «efcHf*.  ju  Dorpat.  1884.  Dorpot.  (2etpj. 

Äötjler  in  Comm.)  (IV,  339  6.  8.  m.  1  Steintafel.)  n.  n.  1.— 
Sitzungsberichte  d  kurland.  Gesellsch.  f.  Lit.  u.  Kunst  nebet  Veröffentlichgn. 

des  kurld.  Prov.-Museums  aus  d.  J.  1884.  (Mitau.  3  Bl.  68  u.  10  S.  8. 

m.  5  Taf.) 

Sitzungsberichte  der  Gesellsch.  f.  Gesch.  u.  Altthskde.  der  Ostseeprovinzen 
Rußlands  aus  d.  J.  1884.  Riga.  Kymmel.  (2  Bl.  167  S.  gr.  8.) 

erijje«.  Cftpreu&ifd)e.  1-6.  [»rcnjboten.  44.  Slabrg.  Hr.  15.  16.  18.20.24.28.] 

Slownik  geograficzny  Krölewstwa  polskiego  i  innvch  krajöw  slowianskich  . . . 
Zeszvt  49—60.  Warszawa.  (t.  V.  960  S.) 

Sosnowskl,  M.  E.,  u.  L.  Kurt/mann,  Katalog  der  Raczvnski'schen  Biblio- 
thek in  Posen.  4  Bde.  Posen.  Decker  &  Co.  (58,  CDXLI,  485;  XV, 
953;  XI,  667  ;  277  S.  gr.  12.)  30.- 

Sprawozdanle  z  czvnnosci  zakladu  narodowego  imienia  Ossoliriskich  za 
rok  1885.  Lwow.  (91  8.  8.) 

Stadeiniann,  Dr.  Rud.,  Preußens  Könige  in  ihrer  Thätigkeit  f.  die  Landes- 
cultur.  III.  Tbl.  Frdr.  Wilhelm  II.  Leipz.  Hirzel.  (VIII,  236  S.  gr.  8.) 
6.—  [Publicationen  aus  d.  kgl.  preuB.  Staatsarchiven.  25  Bd.] 

Stent,  m)r.,  «bbanblungcn  u.  «ftenftücfe  j.  ©cfcb-  ber  prcufeifdj.  Steformjeit  1807 
bis  1815.   Seipj.  Wunder  &  fcumblot.   (IX,  410  S.  gr.  8.)  8.— 

—  Die  preufc.  {Regierung  nad)  b.  Stuqe  b.  greibrn.  com  Stein  im  3-  1808. 
3üaf)rf)rit  u.  Xidtfung  au§  b.  fteber  eine«  3fitgenoffen.  [$eutfd?c  Jleoue  X. 
gcbr.'öft.  S.  157-162.1 

Stronczyriskl,  Kazimierz,  Dawne  monety  polskie  dynastvi  Piastow  i  Ja- 
giellonöw,  czesc-  II :  Monety  pierwszych  czterech  wieköw  w  porzadek 
chronologiezv  ulozione  i  opisane.  Piotrköw.  Warszawa,  C.  Wilauowski. 
1884  (XVI,  221  S.  4.  m.  3  u.  22  lith.  Taf.)  5  Rub. 

2trt)f,  2.  o.,  »eitrige  j.  ©eftb,  b.  Rittergut.  SiolanbS.  2.  ibeil.  b.  letttfebe 
Diftrict.  3)reöben.  (»erl.  ^utttommer  <fc  Wüblbred)t.)  (609  S.  gr.  8.)  20.— 

Szczepanskl,  F.  v.,  Rossica  <fe  Baltica,  Verzeichnis  der  in  u.  üb.  Rußland 
u.  die  halt.  Provinzen  im  J.  1884  erschienenen  Schrillten  in  deutsch., 
französ.  u.  engl.  Sprache.  I.  Jahrg.  Reval.  Lindfors'  Erben.  (62  S.  12.) 
baar  n.  —40. 

Ulanowski,  Bolesl.,  Najdawniejsze  ksiqgi  sadowe  Krakowskie,  Antiquissimi 
libri  judiciales  terrae  Cracoviensis  pars  I.  ab  1374—90.  editionem 
curavit.  (Starodawne  prawa  polskiego  pomniki  tom  VIII.)  Cracoviae 
sumpt.  Acad.  litter.  1884.    (XXIU,  361,  24  S.  4.  m.  6  lith.  Taf.) 

—  Inscriptiones  clenodiales,  ex  libris  judicialibus  palatinatus  Cracoviensis 
collegit  et  edidit.  Accedunt  inscriptiones  ex  actis  consistorii  et  capituli 
Cracoviensium,  nec  non  ex  libris  judicialibus  Lublinensibus  descriptae 
(Starodawne  prawa  polsk.  pomniki,  tom  VII  zeszvt  8).  Ebd.  1885. 
(XV,  S.  277-626  4) 

—  ein  Beitrag  z.  Quellenkde.  der  Hist.  Polonica  des  Johannes  Dhigosz. 
[Neues  Archiv d.  Gesellsch. f. alt.  dtsche. Geschichtskde.  X. Bd. S. 391-394.] 

Urkundenbach,  Dortmunder,  bearb.  v.  Dr.  Carl  Rubel.  I.  Bd.  2.  Hälfte 

[NO.  548-873.]  1341-1372.    Dortmund.  Koppen.  (XXVII  u.  S.  377 

bis  737  gr.  8.)  9.- 
Urkunden  •  Buch  der  Stadt  Lübeck  hrsg.  v.  d.  Vereine  f.  Lübeck.  Gesch. 

u.  Altthskde.  7.  Thl.  11.  u.  12.  Lfg.   Lübeck.  Grautoff.  S.  801-934 

gr  4.)  a  3.- 

Urrtinbenbiid),  pommerfcf)e3  IL  93b.  2.  Bbtl).  1278—1286.  8eotb.  u.  bräfl-  o. 
9lrd)iuor  Dr.  Äobgero  $rümet*.  Stettin,  d.  b.  9ioljmer.  (XX  u.  S.  389 
biö  619  gr.  4)  6.- 


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Alt  preußische  Bibliographie.  667 

I 

Wagner,  Dr.  P.  (in  Coblenz),  Deutscher  Orden  im  Mittelalter.  [Jahres- 
berichte d.  Geschichtswissensch.  IV.  Jahrg.  1881.  Berlin  1885.  DI. 
S.  172-175.]   Provinz  Preußen  in  d.  neuen  Zeit.  [DX  S.  45-48. J 

Wlslocki,  Wladisl.,  Przewodnik  bibliograficzny  .  .  .  Kok  VIII.  Krakow. 
Gebethner.  (XXIV,  256  S.  gr.  8.) 

Wolter,  Ed.  (Petersb.),  reo.  Litau.  u.  lett.  Drucke  des  XVI.  u.  XVJI.  Jahrb., 
hrsg.  v.  A.  Bezzenberger.  IV.  Hft.  [Archiv  f.  slav.  Philol.  VIDI.  Bd. 
S.  524—531.1  rec.  Jurgevic,  Versuch  e.  Erkläre,  litau.  Fürsten-Namen 

,     (russ.)  Moskau.  1884.  (29  S.)  [Ebd.  S.  531-536.] 

Zychllnskl,  Teod.,  Zlota  ksiega  szlachty  polskiej.  Rocznik  I— VII.  Poznan. 
Leitgeber.  1879-85. 

Prowc,  A.,  (Thorn)  Zum  siebzigsten  Geburtstag  d.  Grafen  Schack.  [D.  Ma- 
gazin f.  d.  Litt.  d.  In-  u.  Ausl.  No.  23.  8.  441.] 

^nt$,  fcanS,  StoatengefAid)te  b.  SlbcnblanbeS  im  Mittelalter  (S.  1—320  gr.  8.  mit 
fcoljfd).  u.  $ttf.)  [«ügem.  @efd).  in  (Binjelbarfteuungcn  .  .  .  $r3g.  p.  Mit). 
Dndcn.  SBerlin.  ®rotc.| 

 Äec.  [©tötter  f.  Itter.  Untbltg.  9lr.  2.  11.  14.  17.  25.  35.  39.] 

PUtter,  OberlanbcSgertdjtöratb,  A.,  HRaricnmerber  im  3-  1336-1393.  [3tfd)r.  b. 
hiftor.  herein«  f.  b.  Äeg.'93ej.  2Rarienioerber.  19.  §ft.  S.  1—20.1 

Büttner,  ©life,  Wärmen  vom  Jborner  $feffcrfud)en.  2R»t  «•  xitel « 3Uuftr. 
2.  Vufl.  $anj.  Bertling.  (59  S.  8.)  cart.  1.25. 

Radau,  sur  la  d&ermination  des  orbites.  [Bulletin  astronomique.  Janv.]  au 
sujet  de  la  condensation  des  nebuleuses  [ebd.  Juillet]  Tables  de  1'  inte- 
grale (Z.)  [Annales  de  l'observatoire  de  Paris.  Partie  theorique,  t.  XVDTI.] 
[Bulletin  des  sciences  mathematiques.  II.  serie.  Tome  IX.  Fevr.]  sur 
la  loi  des  densites  ä  l'interieur  de  la  Terre.  [Comptes  rendus  hebdoma- 
daires  des  seances  de  l'Acad.  des  sc.  Par.  T.  C.  No.  15.J  Elements 
de  la  comete  Brooks  [Ebd.  T.  C  I  No.  12.1 

Kadde,  Gust.,  Talysch,  d.  Nordwestende  des  Albura  u.  sein  Tiefland.  Eine 
physisch-geograph.  Skizze.  [Petermann's  Mitthlgn.  aus  Just.  Perthes' 
geogr.  Anstalt.  81.  Bd.  S.  254—267.]  Zweiter  Nachtrag  zur  Ornia 
caucasica  [Ztschr.  f.  Ornithologie.  4te  Folge  13.  Bd.  S.  74—81.] 

Raiita,  Joh.,  Elemente  u.  Ephemeride  des  periodischen  Tu  ttle' sehen  Cometen 
(1790  II)  für  seine  Erscheinung  i.  J.  1885  [Astron.  Nachrichten  Bd. 
112.  2674.]  Verbesserte  Ephemeride  des  Tuttle'schen  Cometen.  [Ebd. 
No.  2680.  81.] 

JHeforotblättet.   91u3  bem  Streife  b.  oftbeutfdjen  freien  religiöf.  Ocmeinben.  $rdg.: 
Grengel.  6.  3ab,rg.  12  92rn.  (95.)  ßgäbg.  93raun  u.  SBeber  in  Comnt.  tjalbj. 
boor  1.50. 

Rehdans,  Dr.,  gtora  b.  nädjften  Umgegenb  6tro3burgä  ...  2.  Z$eü.  fflin'enfd). 

Beil.  j.  ©nmn.«$roar.  <Stra3b.  &ubricf>.  (42  6.  8.) 
Relcke,  Rud.,  s.  Kant-Bibliographie. 

Reiter-Predigten,  neue.   Vergleichende  Rückblicke  auf  einige  Vorschriften 

d.  alten  Reit-Instruction  u.  d.  Grundsätze  e.  wissenschaftl.  begründ. 

Reitkunst.  Kgsbg.  Härtung.  (VIDI,  289  S.  gr.  8.)  4.— 
SRiefc,  2ubn>.,  ©runbprobleme  b.  römifd).  ©cfdj.  in  il)r.  oerfdjicb.  'Jluffaffung  bei 

9tcmfe  u.  SRommfen.  [^reufe.  3aljrbb.  56.  »b.  S.  543—588.] 
Rockel,  Karl  Johs.,  de  allocutionis  usu,  qualis  sit  apnd  Thucydidem,  Xeno- 

phontem,  aratores  atticos,   Dionem,  Aristidem.   Diss.  inaug.  Kgsb. 

(1884.)  Koch  u.  Reimer.  (56  S.  gr.  8.)  baar  n.  1.— 
iKodner,  fceinr.,  Die  erfte  freie  religiöl'e  Oemeinbe  u.  ü)r  Stifter.   SBortrog  .  .  . 

[»eformblätt.  %ai)ta.  VI.  3.  18—27.] 
Roedlgcr,  J.,  Eine  Bibüotheksordnung  der  ehemaligen  Schlossbibliothek  z. 

Kgsbg.  i.  Pr.  aus  d.  XVI.  Jahrh.   [Centralbl.  f.  Bibliothekswesen 

2.  Jahrg.  S.  421-423.] 
JKogg«,  $fr.  »bolf,  XaS  ©ebetbud)  ber  Äurfürftin  Knna  o.  SBranbenburg.  [Sifegäber. 

b.  «IttbSgef.  flruffia  1883/84.  ftgsbg.  1886.  €.  9-20.]  cf.  Altpr.  Mon. 

48* 


668  Mittheilungen  und  Anhang. 


R[oquette],  Afdalb.],   3um  Jubiläum  ber  fronjöftfdjen  Jtolonie  in  ÄöniflSbcrfl. 

[<5oang.  ©cmcinbcbl.  9lr.  43.] 
Rosenbaum,  Georg,  Beiträge  zur  Casuistik,  Aetiologie  u.  therapeut.  Ver- 
wendung des  Erysipelas.  Greifswalder  l.-D.  Perleberg.  (33  S.  a) 

Rosenkranz,  P.  H.,  der  Indicator  u.  seine  Anwendung.  Für  d.  prakt.  Ge- 
brauch bearb.  4.  umgearb.  u.  sehr  verm.  Aufl.  Mit  7  Tafeln  u.  135 
Holzschnitten.  Berl.  Gaertner.  (VIII,  160  S.  gr.  8.)  geb.  7.— 

Wotetiitß,  (ScinbriAtcr  j.  2ncf)  Sanbfa&rcr  u.  Sanbftreicber.  [ärdbto  f.  Strofrtdit.  34. 

93b.  3.  323-333.J 

Rudenlk,  Georg,  (aus  Seeburg  i.  Ostpr.)  Lateinisches  ego  im  Altfranzösischen. 

I.  -D.  Halle.  (45  S.  8.) 

Rfühl]  F.,  9iec.  [*tt.  Gcntralbl.  9lr.  1.  4.  16.  27.  29.  30.  37.J 

Mupp,  Dr.  3uL,  ber  ©laubc  an  bic  Sclbftbcftimmung  u.  boä  eoangeüum.  [Sieform' 
blättcr.  Sabrq.  VI.  5?r.  1.  S.  1-14.] 

«<»<!,  6b.,  Sdjlaglicmcr  jur  SolfSbübung.  fön  10  $ftn.)  1.  §ft.  Dürnberg.  SBorlein 
u.  Go.  (80  3.  8.)  —60. 

Salkowski,  Prof.  E.,  Zur  Kenntniß  d.  Giftes  der  Miesmuschel.  [Virchows 
Archiv  f.  pathol.  Anat.  u.  Phvsiol.  102.  Bd.  S.  578-592.]  Physiolo- 
gische Chemie.  [Jnhresber.  üb.  d.  Leistungen  u.  Fortschritte  i.  d. 
gesammt.  Medicin.  XIX.  Jahrg.  1.  Bd.  1.  Abth.  S.  109—64.)  üeber 
d.  Vorkommen  d.  Phenacet ursaure  im  Harn  n.  die  Entstehg.  d.  aromat. 
Substanzen  heim  Herbivoren.  [Ztschr.  f.  phvsiol.  Chemie.  IX.  Bd.  S. 
229-237.)  Zur  Kenntniß  d.  Pferdeharns.  [Ebd.  S.  241—245.] 

—  —  ,  e  A.  I.eube  Trattato  dell'urina.  Milano-Napoli,  Leon.  Vallardi  edit. 
Sara  1  vol.  in-8.  di  ca  500  p.  con  36  fig.  —  L.  10. 

Salkowski,  H.,  üb.  d.  Schmelzpunkt  u.  d.  Trennung  von  Gemischen  von 
Phenvlessjgsänre  u.  Hvdrozimmtsaure.  (Ber.  d.  dtsch.  ehem.  Gesellsch. 
18  Jahrg.  S.  321- 326. J 

Sammlang  Shnkospearescher  Stücke.    Für  Schulen  hrsg.  v.  Dir.  E.  Schmidt. 

II.  A  midsumtner  night's  dream.  2.  verb.  Aufl.  (61  S.  gr.  8.)  Danzig. 
Saunier.  —60. 

Samuel,  Prof.  Dr.  S.  in  Kgsbg.,  die  histogenetisehe  Energie  n.  Symmetrie 
des  Gewebswachsthums.  fVirchow's  Archiv  f.  path.  Anat.  101.  Bd. 
S.  389-429.]  Ucber  dio  Cholera-Intoxication.  [Berl.  klin.  Wochen- 
schrift No.  36.J 

Santo,  Th.,  in  Kgsbg.,  Bemerkungen  über  Gleichungsauflösung.  [Archiv  d. 
Mathem.  u".  Physik.  2.  Reihe  II.  Theil.  S.  332-336.]  Die  Abbildung 
des  Aeussern  eines  Kreisbogeupolygons  auf  eine  Kreisfläche.  [Ebd. 

III.  Theil  S.  1-  44. J 

Stfiad,  $er  Äricgöjuig  bcö  bcutfdjcn  OrbcnS  nadb,  ber  3nfcl  ©ot^Ianb  .  .  .  3Jor« 
lefung  .  .  .  ^ntferburg.  SÖilbdmt.  (10  3.  4.) 

[cd)cff»ct).  6.  2.,  Äricflöratl)  3.  ©.  Scfjcffncr,  ein  oitprcufeifdjer  Patriot  u.  Sd)rift« 
fteder.  [$anj.  Hcitung.  ^»ciCafle  3.  Nr.  15  099.  15103.  15  106. J 

gdjicffcrbctfer,  Dr.  (Sari  ibcobor,  ©ruft  von  Siebolb.  SSortrog  .  .  .  [Jtgöbg.  §ar» 
tungfae  3tft.  3Jr.  108  1.  Söcilagc.j 

Schleflerdecker,  Dr.  P.,  Mittheilung,  betreffend  das  von  mir  verwandte 
Anilingrün.  [Ztschr.  f.  wissenseh.  Mikroskopie.  Bd.  II.  S.  51—63.]  Be- 
merkung zu  dem  Aufsatz  von  List  :  Zur  Verwendung  des  Anilingrüns. 
[Ebd.  S.  223-224.J 

edjinbomefi,  Hob.,  £cr  (Scmüfcgartcn.  Jturje  Anleitung  jur  Änlagc  unb  ©in« 
rid)tung  bcffclbcn  .  .  .  Stanjtg.  Slrt.  (47  3.  gr.  8.)  —50. 

ctfjirrmadier,  $rof.  Dr.  ftriebr.  3Büb.,  >bann  Stlbrcdjt  I.  §erjog  0.  SRccflcnburg. 
2  Steile.   Söiümar.  fcinftoif.  (XVI,  775  u.  403  3.  gr.  8.)  20.- 

edjlcntljcr.  ^au(,  ftrau  ©ottidjeö  u.  bic  bürgcrlidje  flomöbic.    @in  Äulturbilb  a.  b. 
^opfjeit.  SJcrl.  $>cr|j.  1886  (1885).  (4  »1.  267  3.  8.)  5.— 
Dolberg,  Jrhr.  Subaug  p.,  bänifäc  3d)aubül)ne.  $ic  porjüglidbjten  Äomöbicn.  $n 


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Altpreußische  Bibliographie.  669 


ber  5Itcjten  beutfdjcn  Ueberfcfcunß  m.  ©tnleitgn.  u.  Slnmerftm.  neu  Ijräg.  o. 

DD.  3ul.  öoffori)  u.  $aul  ed)(ennVr.  Sfq.  1-4.  (388  3.  ar.  8.)  A  1. 
Schienther,  R,  Ree.  Dt.  L.-Z.  No.  1.21.24  27.  49.  50.  Tic  Nation.  2.  S«bra. 

ftr.  14.  17.  19.  21.  22.  25.  27.  29.  31.  33.  35.  38.  39.  43-  46.  49.  50. 

3.  ScuVg.  91r.  1.  3.  5.  7.  9.  10.    2Mf*e.  fHunbfdiau.  12.  ^afjrq.  <pft.  2.  4.] 
Schmecke!,  Aug.,  (Jastrow  in  Westpr.)  De  Ovidiana  Pythaiyoreae  doctrinae 

adnnibratione.  Diss.  inaug.  philol.  Gryphiswadensiae  (89  S.  8.) 
Schmidt,  Alex.,  Zoologische  Beobachtungen  im  Revier  Gauleden  (Ostpr.) 

fZeitschr.  f.  d.  Forst-  u.  Jagdwesen.  9.  Hft.]  Beobachtgn.  in  Ostpr. 

üb.  Svrniom  nralense.  |Ztschr.  f.  Ornithol.  4.  F.  13.  Bd.  S.  82-89.] 
Schmidt,  AI.,  (Kgsbg.  i.  Pr.)  Ree.  [Dt.  L.-Z.  No.  50.1 

Schmidt,  Dr.  Carl  Eduard,  (Lotzen)  Parallel  Homer  oder  Index  aller  homerisch. 

Iterati  in  lexical.  Anordnung  zusammengestellt.  Gotting.  Vandenhoeck 

u.  Ruprecht.  (VIII,  250  S.  gr.  8.)  6.— 
Schmidt.  Ernst,  Gesch.  d.  königl.  Gymn.  zu  Marienbnrg  während  d.  Jahre 

1860—1885.  Festschrift  .  .  .  Marienburg.  Gicsow.  (24  S.  4) 
2djmibt.  Julian,  ©raf  Sco  Solftot.    [T>.  ©caenroart  Sb.  27.  91r.  (>.]  ScibmtJ  u.  b. 

^bealiömuS.  graament  o.  b.  btfd).  Sityefd).  f^reufe.  >brbb.  55.  2Jb.  S.  151 

bi3  170.]  «Ibolf  «Wcnjcl.  [Gbb.  56.  33b.  3.  628-30.]  Sßictor  fcuqo.  fSBcftcr« 

monn'S  ittuftr.  btfrf».  «DlonatcJfjcftc  30.  ^abrg.  5.  fr  58b.  IX.  3.  47—64.] 

SRommfcn'a  röm.  ©efd).  [fctfcb.  ttunbftfjau  11.  SMrp.  $b.  44.  3.  66-80.] 
Schneider,  J.  H.,  Mittheilungen  aus  d.  Geschichte  Dirschau's.   [Ztschr.  d. 

Westpr.  Geschichtsvereins.  Hit.  XIV.  S.  59—120.] 
Schoendoerffer,  Otto,  de  genuina  Catonis  de  agricultura  libri  forma.  Part.  I. 

Diss.  inaug.  Kgsbg.  (Koch  u.  Reimer.)  (89  S.  gr.  8.^  baar  n.  1.— 
Sdjopenbnucr,  9lrtf|-,  9l|)bonämcn  jur  SebcuöroeiöbeU.  fJtu§  „^arerga  tt.  ^arolipo» 

mena".]  2<8bd>.  Scipj.  1886(85).  »rodbnuS.  (Xin,  137  u.  XIII.  144  3.  8.)  A  2.  - 

—  —  Aforismi  sulla  saggezza  nella  vita  (dall1  opera  „Parerga  paralipomena") 

Traduz.  di  Oscar  dott.  Chilesotti.  Milano.  Dumolard  (VIII,  215  S.  8.)  L.  3. 

—  —  Heber  ben  2ob  uub  fein  Scrbätttüfi  jur  llnjcrftorbcirfcit  unferä  JöcfctuS  an 

fid).  2eben  ber  Gattung.  erbtidjfeit  ber  ©iqcnfdiaftcn.   [Sluö:  „Tic  2öelt  olä 

WxÜc  u.  »orftcüun«."]  Sfpj.  1886(85).  SBrocft)ouö.  (XV,  119  3.  8.)  2.— 
Asher,  Dr.  David,  das  Endergebnis  der  Sehopenhauer'sclion  Philo«,  in 

seiner  UebereinBtimmung  mit  e.  der  ältest.  Religionen.  Leipz.  Arnold. 

(100  S.  gr.  8.)  2.—  rec.  i\  Pietre  Gauthicr,  in:  Rente  philo*.  T.  XIX. 

p.  S4S—45.  Mind.  No,  3S.  —  Albert  Mnrwr  in:  Blatt,  f.  Vit.  Unthaltg.  JVo.  9. 
^robfdiamntct,       SBtHe  ober  $b<mtaftc?  firit.  i*ara[Icle  jur  3Öärbi«unfl  ber  $bi' 

Iofopbic  «.  ©djopenbnuer'ä.  [3tfd)r.  f.  %ty\o\.  u.  phtlof.  flrtW.  91.  '%  86.  Sb. 

3.  14-57.] 

Harpf,  Dr.  A.,  Schopenhauer  u.  Goethe.  Ein  Beitrag  zur  Entwicklungs- 
gesch.  der  Schopenhaner'schen  Philosophie.  [Philos.  Monatshefte  XXI. 
Bd.  S.  449-475».] 

Rlbot,  T.,  La  Philosophie  de  Schopenhauer.   2e  Edition.  Paris.  Alcan. 

(178  S.  16.)  2  fr.  50. 
Springer,  5Rob.,  Hrtb.  Sdjopcnbouer  oor  b.  frcnijöf.  Äritif.  [effanä  jur  Äritif  u. 

Vhilof.  u.  w  «oetbe«2iteratur.  Winbcn  in  2».  Srunä.  S.  119-145.  gr.  8.] 
Weckesser,  Albert,  Der  empir.  Pessimism.  in  seinem  metaphys.  Zusammen- 
hang im  System  von  Ed.  v.  Hartmann.  I.-D.  Bonn.  (76  S.  8.) 
edjöt«.  weil.  Seiner.  9lufl.,  ©cfd).  ber  ^äbfloogrt  in  SJorbilbern  u.  Silbern.  12. 

Stufl.  .  .  .  yp,}.  Türr.  (VIII,  361  S.  flr.  8.)  4.- 
Schreiber,  üb.  experimentell  beim  Menschen  zu  erzeugende  Albuminurie. 

[Archiv  f.  experim.  Pathol.  u.  Pharmakologie.  XIX.  3.] 
Schriften  d.  naturforsch.  Gesellsch.  in  Danzig.  N.  F.  6.  Bd.  2.  Hft.  Danzig. 

Leipz.  Engelmann  in  Comm.)  (XLIII,  319  S.  gr.  8.  m.  6  Steintaf.)  8.— 
Schriften  d.  phvsik.-ökon.  Gesellsch.  zu  Kgsbg.  i.  Pr.  26.  Jahrg.  (VHI,  65 

n.  65  S.  m.  2  Steintat'.)  6.— 
Schroeter,  H.,  Construction  des  achten  Schnittpunctes  dreier  Oberflächen 


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670  Mittheilungen  und  Anhang. 

zweiter  Ordnung,  von  denen  7  gemeinschaftl.  Pnncte  willkürlich  u. 
unabhäng.  v.  einand.  gegeb.  sind,  f  Journ.  f.  d.  reine  n.  angew.  Mathe- 
matik. 99.  Bd.  S.  131  —  140.]  Bemerkungen  zu  dem  Aufsatze  von  Herrn. 
Francke  in  Dessau:  „Ueber  gewisse  Linien  im  Dreiecke.14  [Ebd.  S. 
283—85.1  Metrische  Eigenschaften  der  cubischen  Parabel  (Raumcurve 
8.  0.).  [Mathem.  Annalen  XXV.  Bd.  S.  293-318.] 
2d)ud),  Satcrtönbifcbe  erklungen,  ©rftcr  2eil:  JöietoSlaroa.  (Sine  @rjäblunfl 
au4  aItpommcrcaifd>er  Vergangenheit.  Xonjta.  Bertling.  1886  (1886).  (124  S. 
ar.  8.)  1.60. 

—  —  Eine  westpreuf ische  Dorfschule   im  Anfang  unseres  Jahrhunderts. 

[Ztschr.  d.  westpr.  Geschichtsvereins.  Hft.  XrV.  S.  45-57.] 
£di»IMatt,  preu&.  ...  7.  Sabrg.  52  Hrn.  (a  »/a  »gn.  gr.  4.)  Donj.  flrt.  oiertelj.  1.— 
Scholz,  Genre,  (pract.  Arzt  aus  Mehlauken.)  Casuistisch-forensische  Beiträge 

zur  Lehre  von  den  Schadelverletzungen.  I.-D.  Würzburg.  (48  S.  gr.  8.) 
Schulz,  Guilelmus,  (ans  Schwetz  in  Westpr.)  .Quaestionum  Juvenalianarum 

capita  tria.  Berlin.  Diss.  inanp.  Lipsiae.  (27  S.  8.) 
Cdjtoan,  fceinrid),  Der  SBüftcnrouber.  6t>araftcrbilb<r  auö  ber  Gentrai » Samara  .  .  . 

Haftenburg.  Jtoroaläti.  (210  S.  gr.  8.) 
edjfceidjel.  Hob.,  Camilla.  Sine  röm.  Hooelle.  [Dtfdjc.  Heoue.  X.  3abrg.  Äug.  Sept.] 
edjtterin,  $ofcpbtne,  ©r5ftn,   3m  gcuir.   «nonnm.  HoDeHen.  »erl.  0\olM'cbmtbt. 

(124  S.  12.)  -50. 

 3roei  Stauen.  [Sonntags » Slatt.  Heb.  H.  $bUUpS.  Hr.  21-27.]  3m  3Bcet>fcl 

ber  Seiten.  [DftbeutfaV  $olf3\eitung  Hr.  167  ff.] 
Scotland,  A.,  die  Odyssee  in  der  Schule.  Beilage  z.  Progymn.-Progr.  Neumark 

in  Westpr.  (28  S.  4.] 
 Homerisches.    [Nene  Jahrbb.  f.  Piniol.  131.  Bd.  S.  259-262.]  Krit. 

Untsuchgn.  zur  Odvssee.  [Philologus  44.  Bd.  S.  385-400.  592  -621. 

45.  Bd.  S.  1-17.] 

Seliger,  Max,  de  versibus  creticis  sive  paeonicis  poetarum  graecorum.  Diss. 

inaug.  philol.  Kgsbg.  (Gräfe  u.  Unzer.)  (52  S.  gr.  8!)  baar  n.  n.  1.— 
Sembrzyckl,  I.  K.,  Mazur  Wschodnio-pruski.  w.  Tylzy.  Sembrzycki.  11  Nrn. 

(nicht  mehr  erschienen.)  ^ 

—  —  Mazur  Tygodnik  chrzeseijanski  dla  polskich    ludzi.    W  Ostrodzie, 

Salewski  1884.  (47  Nrn.) 
 Prusko-polski  kalendarz  na  rok  1884.  Ebd.  Mit  IUustrat.  (132  S.  8.)  -60. 

na  rok  1885.  Ebd.  Mit  Illustr.  (150  S.  8.)  —60. 
 Kalendarz  ewanielicko-polski  dla  Mazur,  Szlaska  i  dla  Kaszuböw  na 

rok  zwyczajny  1886.  Toruniu,  Lambeck.  Mit  Illustr.  (64  S.  gr.  8.)  — 40. 
gebring,  SBilb-,  b«  SBelf!  bie  S^rn!  ©ebanfen  u.  ©ebiebte  jur  neueften  ©efd)td)te 

Deutfdjtanbä.   Hcit  »bbrud  ber  i.  b.  Horbbtfd).  SWgem.  3tg.  »cröffentl.  «riefe 

b.  Äönisä  ©eorg  o.  Hannover  u.  feineä  Agenten.   §eioelberg.   SBeifo.  (VIII, 

104  ©.  8.)  1.- 

eettegaft,        bie  Sanbroiribfcbaft  u.  tyr  Setrieb.  3.  flufl.  »rcMau.  Äorn.  (XV, 
607  S.  gr.  8.)  10.- 

 l'alimentazione  del  bestiame,  naovamento  rifusa  ed  auraentata  dal  dott. 

Hugo  Weiske.  Prima  traduz.  ital.  di  Alessandro  Vezzani  Pratonieri, 
illustrata  da  26  figure  disegnate  da  A.  Toller.  Firenze,  succ  Le  Monnier 
edit.  tip.  (XVI,  260  S.  8.)  L.  6. 

 Softem  ber  «dcr«ÄIafftfifatton.   [Hu3:  „Die  Sanbroirtbfdjaft  u.  t^r  »errieb."] 

Tabelle  qu.  gr.  fiol  SBreälau.  Äorn.  —50. 

 Der  Sbealtem.  u.  b.  btfdjc.  2anbroirtbfd)aft.  <£bb.  1886(85).  (VI,  131 S.  8.)  2.- 

Siede,  Jul.,  (aus  Wehlau):  Syntaktische  Eigentümlichkeiten  der  Umgangs- 
sprache weniger  gebildeter  Pariser  beobacht.  in  d.  scenes  populaires 
von  Henri  Monnier.  I.-D.  Berlin.  (68  8.  8.) 
Sleffert,  Prof.  Dr.  (Erlangen),  Ree.  [Dt.  L.  Z.  19.  39.  46.] 
gierte,  (Eugen,  Die  }panifd»e  ÄonigöfamUie.  [Ueber  2onb  unb  SRcer.  55.  95b.  Hr.  12. 
Ilud)  eine  2öfung  ber  ftrauenfrage.  [ßbb.  91r.  14.] 


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AltpreuSische  Bibliographie.  671 

Sferoka,  Dr.  Otto,  Ueber  die  erziehliche  Aufgabe  des  wissenschaftl.  Unter- 
richts auf  dem  Gvmnasiuui.  Antritts-Rede.  (Gymn.-Progr.)  Alleustein. 
Harich.  (S.  3-8.  *4to.) 

Simon,  Hennann,  (Culm,  Westpr.)  Zur  Casuistik  des  Empyema  pulsans 
subcutaneum  I.-D.  Greifswald.  (22  S.  8.) 

«imfott,  $rof.  8.,  3u  bcr  ©teile  üb.  b.  Äamphirtbril  bei  ©ibuhnb.  [gotfd)ungen 
>ur  fctf*.  ®ef$.  25.  95b.  ©.  369-873.]  3ur  Quedcnfritif  I.  II.  [66b. 
374—377.] 

etnungaberfdjtc  b.  9ütertf>umägcfc(Ifd)aft  $ruffia  in  ÄgSbg.  i.  $r.  im  40.  SeretnS« 

jabr.  (Xn,  117  S.  8.) 
Sfoniciff,  51mt3ri(^tcr  in  Ofterobe,  Die  llmbilbung  b.  b,anbel3red)tl.  ^nboffamentS 

ju  e.  aUgcm.  SBoHjugSform  für  bie  Uebertragur.g  »erbricfter  $orberung3rcä)te. 

(»eitrige  j.  <£rl«uterung  b.  btfd^.  Äc«tö.   3.  g.  9.  Sabrg.  6.  53-95. 

210-278.  525-589.1 
Sommer,  W.,  (Allenberg  bei  Wehlau.)   Ein  nener  Fall  von  Hypertrichosis 

circumscripta.  fVirchow's  Archiv  f.  pathol.  Anat.  102.  Bd.  S.  407—409.] 
Spude,  Ed.,  Geschichte  der  Stadt  Schönlanke  u.  Umgegend.  Dtsch.-Krone. 

Garms.  (104  8.  gr.  8.)  1.— 
Staatsrate,  bcr  preu&ifd)e,  uub  feine  SBieberberufung.  Dbne  Senufcung  arduoalifc&cr 

Duellen  oon  einem  Dftpreufeen.  Scipnig.  Dundcr.  (HI,  92  €.  gr.  8.)  1.60. 
Stamm,  Gvmnasiallehrer  Dr.,  Die  Partikelverbindung  „et  qnidem"  („ac- 

ouidem")  bei  Cicero.  (Gymn.-Ber.)  Rössel.  Kruttke.  (S.  3—16.  4to.) 
Stefrenhagen,  Dr.  Emil,    über  Normalhöhen  für  Büchergeschosse.  Eine 

bibliothek-technische  Erörterung.  Mit  e.  Anh.,  enth.  d.  Aufstellungs- 
plan d.  Kieler  Uuiversitäts-Bibliothek.  Kiel.  Lipsius  &  Tischer.  (119  S. 

gr.  8.)  4.- 

 Die  Entwicklung    der  Landrechtsglosse   d.  Sachsenspiegels.  V.  Die 

Bocksdorf  sehen  Additionen.    [Aus  „Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  W.  z. 

Wien."]  Wien.  Gerold's  Sohn  in  Comm.  (85  S.  Lex.  8.)  n.  n.  1.30. 
Steinbrecht,  C  die  Baukunst  des  Deutschen  Ritterordens  i.  Preussen.  I.  a. 

n.  d.  T.  Thom  im  Mittelalter.    Ein  Beitrag  zur  Baukunst  d.  Dtsch. 

Ritterordens.   Mit  14  Taf.  u.  39  Abbldgn.  Berlin.  Springer.  (VHI,  45 

S.  fol.)  24- 

—  —  Untersuchungs-  und  Wiederherstellungs-Arbeiten  am  Hochschloss  der 
Marienburg.  Sep.  -  Abdr.  a.  d.  Centralblatt  d.  Bauverwaltung.  Berl. 
Ernst  u.  Korn.  (8  S.  fol.) 

 lieber  b.  »aufunft  b.  btfdj.  KitterorbenS.   Sortrcg.   [Wittljlgn.  b.  Söeftpr. 

Slrcbitecten»  u.  Sn^en  «SJereinfi.  §ft  IV.  Donjig.  <5.  16—23.] 

Stetter,  Dr.,  Compendium  d.  Lehre  von  den  frischen  traumatischen  Luxa- 
tionen f.  Studirende  u.  Aerzte.  Berl.  Reimer.  1886(85.)  (Vin,  118  S. 
gr.  8.)  2.- 

Ztobbe,  Otto,  fcanbbucf)  b.  beutfd).  fyrioatreä)».  5.  JBb.  (Sd)lu&.)  1.  u.  2.  «ufl. 
(Srbre^t.  »eil.  fcerfc.  (X,  430  S.)  8.-  cplt.  60.60. 

etocdel.  G.  iJL,  b.  3nftitute  u.  gonbä  b.  fyroo.  Dftpr.  jur  ftörberung  »on  SRelio« 
rationen  u.  b.  Canbeöfultur  im  Allgemeinen.  I— V.  [®eorgine  9tr.  15.  16.  17.] 

etreljlff.  $r.,  $cutfd)e  2ieber  in  loteinifcfter  Ueberfefcung.  33erl.  fcempel.  (72®.  12.)  1.— 

Stuhruiann,  Joannes,  (Neustadt  i.  Westpr.)  De  vocabulis  notionum  philoso- 
phicarum  in  Epicteti  Ii  bris.  Diss.  Jenen  sis  .  .  .  Neustadt.  (60.  S.  8°.) 

Tesdorpf,  Dr.  W.,  der  Römerzug  Ludwigs  d.  Baiern  1327—1330.  Kgsbg. 
Koch  u.  Reimer  in  Comm.  (84  S.  gr.  8.)  baar  1.20. 

Tettau,  Dr.  W.  J.  A.  Frhr.  v.,  Beiträge  zu  e.  vergleichenden  Topographie 
u.  Statistik  von  Erfurt.  (V,  220  S.)  f  Jahrbb.  d.  kgl.  Akad.  gemein- 
nütziger Wissenschaften  zu  Erfurt.  N.  F.  13.  Hft.  Erfurt  Villaret. 
gr.  80  3.- 

Ib,om<t#,  Ober!.  VIfreb.,  Sitauen  nach,  b.  SBcgcbcridqtcn  im  «uSgange  b.  14ten  3abrb,. 

(ReoIflDmn.«Vroor.)  2ilfH.  (16  6.  4J 
Tischler,  Ueber  Gliederung  der  La-Tene-Periode  u.  üb.  d.  Dekorirung  d. 


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072 


Mittheilungen  und  Anhang. 


Eisenwaffen  in  dieser  Zeit.  Vortrag.  [Correspondenz  -  Blatt  d.  dtsch. 
Ges.  f.  Anthrop.,  Ethnol.  n.  Urgesch.  XVI.  Jahr«.  Nr.  9.  S.  157—161.] 

Toeppen,  Hugo,  Daniel  Campos'  Vorlauf.  Bericht  üb.  d.  bolivianische  Expe- 
dition nach  Paraguay.  [Mittheilungen  d.  geogr.  Ges.  in  Hamburg  1884. 
hrsg.  v.  L.  Friederichsen.]  Kartenskizze  von  Paraguay.  [Ebd.]  Hundert 
Tage  in  Paraguav.  Reise  ins  Innere.  .  .  .  Mit  1  Karte  [Ebd.]  auch 
sep.  Hamburg.  Friederichsen  &  Co.  (III,  264  S.  gr.  8.)  6.—  2Öonbcrun» 
gen  in  ^araauan.  [lieber  S?anb  u.  Wccr.  53.  33b.  91  .  19.] 

Ionriften«if<n,  Ueber.  ^raftifcbc  SRatbfAlaae  von  einem  SQanberer.  [©pradjlebrer 
©alter  fflorbod.)  Seipjig.  Carl  «Rettmer.  (58  ©.  12.)  -  50. 

Treichel,  A.,  (Hoch -Paleschken.)  Botanische  Notizen  VII.  [Sep.-Abdr.  aus 
d.  Ber.  üb.  d.  8.  Vsmlg.  d.  Westpr.  Botan.  -  Zoolog.  Vereins.  (Schrift, 
d.  Natnrf.-Ges.  z.  Danzig.  N.  F.  Bd.  VI.  Hft,  3.  S.  118-123.)  S.  1-6.] 
Zoolog.  Notizen  V.  [(Schriften  .  .  .  S.  124—126.)  S.  7—9.1  Pflanzen- 
kunde des  Pommerellischen  Urkundenbnchs.  Eine  hist.-botan.  Skizze. 
[(Schriften  .  .  .  S.  127-138.)  S.  10-21.]  Volkstümliche«  aus  d. 
Pflanzenwelt,  besond.  f.  Westpr.  VI.  [(Schriften  .  .  .  S.  139-181.  (44 
S.)]  Floristische  Standorte.  [Schriften  . . .  S.  182.]  I.  Beitrage  z.  Vbreitg. 
des  Schulzenstabes  u.  anderer  Botschaftsmittel.  II.  Beitrag  z.  Sator- 
formel.  HI.  Vom  Schlittknochen.  sogen.  Hund  u.  Bock  in  Pommerellen, 
Lausitz  u.  Mecklenburg.  [Verhandlgn.  d.  Berlin.  Ges.  f.  Anthrop., 
Ethnol.  u.  Urgesch.  Stzg.  v.  17.  Oct.  S.  391-  398/1  Steinkreise  u. 
Drillingssteine  bei  Odri,  Kr.  Könitz  (m.  3  Holzschn.)  ]Ebd.  S.  398-405.] 
Bericht  üb.  d.  Schloßberg  bei  Liniewo  -  Pommerellen.  [Ebd.  Sitzg.  v. 
21.  Nov.  S.  506-  507.]  Bericht  üb.  prahist.  Funde  aus  d.  Kreise  Lauen- 
burg i.  Ostpomm.,  —  aus  dem  Kreise  Neustadt  i.  Westpr.,  —  aus  &. 
Kreisen  Berent,  Carthana  u.  Pr.  Stargard.  [Ebd.  S.  508—514.]  ttadjtrag 
jui  $arfd)fau  u.  benen  ^arjforoSfi.  (ogl.  fcft.  8.  ©.  91  ff.)  f  3tfd)r.  b.  bift. 
SSereinS  f.  b.  Weg.'SBej.  STOarieiuoerber.  19.  §ft.  S.  84—88.]  $intcrpommcrfd)c 
©agen  u  2Rortf)cn  (betr.  Knoop.  3?olföfagcn.  erklungen  jc.  ouü  b.  öftt. 
ötnterpommern.  $ofcn  1885.)  [ebb.  ©.  89—90.  vgl.  auch  Ztschr.  f. 
Ethnol.  etc.  17.  Jahrg.  S.  117—118.]    3$om  93üimfc. 

Treltel.  Th.,  Bericht,  üb.  vier  Operationen  von  Cysticercus  intraoeularis 
[Archiv  f.  Augenheilkunde  15.  Bd.  3.  u.  4.  Hft.]  Ueber  Hemeralopie 
u.  Untersuchung  d.  Lichtsinnes.  [Gräfe's  Archiv  f.  Ophthalmologie. 
31.  Jahrg.  Abth.  I  S.  139-176.]  Ueber  d.  positive  centrale  Scotom  u. 
üb.  die  Ursache  d.  Sehstörung  bei  Erkrankungen  d.  Netzhaut.  [Ebd. 
S.  259-296.] 

Iriebel,  9t.,  Die  n>id)tigft.  2lbfd)mtte  b.  ÄirAengefd».  f.  eoang.  Sdjulcn  crjäblt  .  .  . 
ÄönigSbg.  SBon.  (29  6.  gr.  8.) 

2f (hadert,  $rof.  Dr.  ?$aul,  Goangcl.  ^otemtf  gegen  b.  rötn.  Stirpe.  ©ott|a.  ^Sertheö. 
(XV,  443  S.  gr.  8.)  8.- 

 Der  ©eift  ber  «Reformation  in  b.  ©egemuart.  (ISoang.  ©emcinbeblatt  9Jr.  45.] 

Papstthura  u.  Kirche  im  Mittelalter.  [Jahresberichte  d.  Geschichts- 
wissenschaft im  Auftrage  d.  hist.  Ges.  z.  Berl.  IV.  Jahrg.  1881.  Berl. 
1885.  II,  S.  185-201.]  Ree.  [Theol.  Litcraturztg.  No.  6.  14.  17.] 

Xljttl,  SN.  (in  Danjig),  Der  »bt.  (Sin  ©ang  auö  ^rcufjenö  Jtittcrjcit.  Spjg.  Stetfmct. 
(135  ©.  8.)  2.-  geb.  3.- 

Umlauff,  SBalbuin  I.,  tfontg  oon  3erufalctn.  9?acb  ben  Duellen  bargefteOt.  ($rogr. 
beö  JRealproRtjmn.  j.  Villau.)  ÄgSbg.  Wartung.  (©.  3—18.  4to. 

Ungewlttcr,  Prot.  Oberl.  Otto,  Die  landwirthschaltl.  Bilder  u.  Metaphern  in 
d.  poetischen  Büchern  d.  Alten  Testamentes.  (Progr.  d.  FrieUr.-Coll.) 
Kgsbg.  Härtung.  (43  S.  4  to.) 

Untersuchungen  üb.  die  speeifisen.  Volumina  flüssiger  Verbindungen:  I. 
TV.  Lossen,  Einleitung.  II.  Alb.  Zander  üb.  d.  speeifisch.  Volumina 
einiger  Allvl-,  Peopvl-  u.  verwandter  Verbindgn.  [Liebig's  Annalen  d. 
Chemie.  Bd.  214.  1882.  S.  81-193.1   HI.  Felix  Weger,  Untereuchg. 


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Altprenßische  Bibliographie.  673 

pesattigt.  u.  ungesättigter  Ester  u.  einiger  verwandter  Verbindgn. 
[Ebd.  Bd.  221.  1883.  S.  61  —  107.1  IV.  Alb.  Zander,  Normale  Fettsäuren 
u.  normale  Fettalkobolo.  [Ebd.  Bd.  224.  1884.  S.  56-95.]  V.  W.  Lossen 
u.  A.  Zander,  Untersuchgn.  einiger  Kohlenwasserstoffe.  [Ebd.  Bd.  225. 
1884.  8.  109-120.] 

Urban,  Oberl.  Emil,  Vorbemerkungen  zu  e.  Horazmetrik.    (Beil.  z.  Gvmn.- 

Progr.)  Insterburg.  (32  S.  4.) 
Urknndenhneh,  neues  preussisches,  Westpr.  Theil.  Hrsg.  v.  d.  westpr.  Ge- 

srbichtsverein.    II.  Abth  Urkund.  d.  Bisthüm..  Kirrben  u.  Klöster. 

Bd.  L  Urkdbch.  d.  Bisth.  Culm.  Bearb.  v.  Dr.  C.  P.  Woelky.  Hft.  II. 

Danz.  Bertling  in  Comra.  .(S.  281-526.  4.)  10.— 
Sfrb»)  bu  tfcrnoie.  ©cneralmaj.  o.,  üb.  praft.  7\clbbicnft»9lufg.    Wit  e.  Croqui«. 

2.  Slufl.  SBerl.  (Sifcnfdimibt.  (62  3.  8.)  1.20. 
Scrhanblungcn  b.  4tcn  ^rootnjiabSnnobc  f.  Oft«  u.  ffieftprcuften  1884  com  8.  biö 

18.  9loo.    Rgdbg.  Cftpr.  3tg3bructerei.  <X,  255  6.  gr.  8.) 
ftcrmäditnifc,  ein,  Strnuftenö  an  ben  betitfdien  Liberalismus,  firdtlicpen  nuc  politi« 

fd)en.  Gommentirt  oon  einem  Seterancn.  Äg3bg.  Wartung.  (III,  45  3.  gr.  8.)  —60. 
©craddinifj  ber  SBücberfammlung  b.  Ägl.  l'anbgcricfytä  in  ^nfterburg.    Jnftbg.  Söil« 

b,clmi.  (75  S  gr.  8.) 
©tetocfler,  2co,  Heber  ben  Wert  ber  grammatifefien  Scjiebungäfunftion  im  Gnglifdtcn. 

^rogr.»$Bciaabe  $anj.  Äafcmann.  (36  ®.  4.) 
Yoigt,  G.,  Ree.  [Dfsrhe.  L.-Z.  No.  6.  15.  22.  25.1 

Yolkmnnn,  Paul.  Ueber  Mae  Onllagb's  Theorie  der  Totalreflexion  für  isotrope 

u.  anisotrope  Medien.    IGöttinger  Nachrichten.  No.  10.  S.  336 — 358. 

1886.  No.  10.  S.  341-358.] 
5*olf*falcnbcr,  oft»  u.  roeftrr.,  auf  b  ^af>r  1886  .  .  .  Ägöbg.  Wartung.  —75. 
»olfefdlenber  f.  b.  ^roo.  Cftpr.,  TOeftpr.  ...  auf  b.  3-  1886.  18.  Sabrg.  Sborn. 

Sambecf.  (68  u.  115  3.)  -75. 
»olfbfdjulfrfiinb,  ber,  bjög.  p.  Kcct.  ©.  SRüOer.  49.  Jab,rg.   Ägobg.   Son.  (26 

")hn.  4.)  3.- 

V088,  zwei  Bronzesohwerter  von  Lüben,  "Westpr.  [Verhdlgn.  d.  Berl.  Gesellsch. 
f.  Anthropol..  Ethnol.  u.  Urgeschichte  S.  136—139  m.  2  Zinkogr.] 

Yosslas,  Dr.  A.,  Ueber  die  centrale  parenchymatöse  ringförmige  Hornhaut- 
entzündung (Keratitis  interstitialis  centralis  annularis.  [Berl.  klin. 
Wochenschr.j 

—  —  Zur  that8ächlichen  Berichtigung  d.  Herrn  R.  Jatzow.  [Graefe's  Archiv 

f.  Ophthalmologie.  31.  Jahrg.  III.  Abth.  S.  173- 186. | 
Wach,  Dr.  Adolf,  Handbuch  d.   deutsch.  Civilprozeßrechts.  I.  Bd.  Leipz. 

Duncker  &  Humblot.  a.  u.  d.  T.:  Systematisches  Handbuch  d.  dtsch. 

Rechtswisseusch.  .  .  .  hrsg.  v.  Karl '  Binding.  9.  Abth.  2.  Theil,  1.  Bd. 

(XVI,  690  S.  gr.  8.)  15.60. 
»alter,  ^rof.  Dr.        Ueber  3teformoerfud)c  ber  ©tbif,  fpecieO  ©ittc'*  »ueb,  üb.  b. 

ftrei^cit  b.  Sillens.  [StfAr  f-  TOUof.  u.  pbilof.  Äritit.  87.  SBb.  ©.  272-300.] 

9tec.  [(Ebb.  ©.  153-156.] 
Sieber,  2tbclf)eib,  ftür  Slnbere.  flooelle.  [SBcrliner  3onntagSblatt.  91r.  30.  31.] 
 ßftnfa  ftanua.  «ooefle.  (Gbb.  32.  33.] 

 »criebt  üb.  b.  Äönigoberger  internationale  Slusftellung.    [Berlin.  Tageblatt.] 

 3cin  SBeib.  6ine  oftpr.  ©eibnarttSgefcbiAte.  Nadjbr.  [Söeftpr.  3tg.  l.J 

•  —  2anv?tnfa.  9iooeüe.  [Neue  SÖelt.  Nr.  9—11] 

SBcgner.  (r.  ©alter  (auS  Danjig),  9lu3  1?cutftfi'?lfrtfa !  Jagebud)  u.  »riefe  c.  jungen 
2>cutfd).  aus  3lngra « $equcna.  [1882-84.]  9Rit  (eingebr.)  flart.  u.  4  3üuftr. 
(64  3.  gr.  8)  [Tic  btfd).  Golonialgebicte.  *r.  1.  fieipj.  ©dilörnp.]  1.— 

Weiss,  Ob.-Cons.-R.  Prof.  Dr.  Beruh.,  krit.-exeg.  Handbuch  üb.  d.  Evangelien 
d.  Markus  u.  Lukas.  7.  Aufl.  neu  umgearb.  [Mever's  krit.-exeget.  Kom- 
mentar üb.  d.  N.  T.  1.  Abth.  2.  Hälfte.  Gotting.  Vandeuhoeck  * 
Ruprecht.]  (X,  65-1  S.  er.  8.)  8.- 

 Ree.  [Theol.  Lit.-Ztg.  No.  21.] 


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674  Mittheilungen  and  Anhang. 

Wellmer,  Pfarr.  Aug.,  Die  geistl.,  insonderheit  die  geistl.  Oratorien  -  Musik 
unseres  Jahrh.  Ein  Beitrag  z.  Würdigung  d.  geiatL  Musik  in  ihr.  Be- 
deutg.  f.  d.  christl.  Gemeinde-  u.  Volksleben.  Vortrag.  Hildburghausen. 
F.  W.  Gadow  &  Sohn.  (60  S.  8.)  —70. 

Wernlch,  medie.  Geopr.  u.  Statistik.  Endemische  Krankhtn.  [Jahresber.  üb. 
d.  Leistgn.  u.  Fortschr.  in  d.  gesammt.  Med.  19.  Jahrg.  Ber.  f.  d.  J. 
1884.  I.  Bd.  2.  Abth.  S.  817— 351. J 

»tdjert,  Crnft,  brr  Sobn  feine«  Sater«.  91ot>eUe.  »erlin.  ®ofofcf)tnibt.  (231  ©.  8.)  3.— 

—  —  26  Xtenfrjafjre.  Suftfpiel  in  1  Sufjug.  (26  ©.  gr.  16.)   [Unioerfol » Qibliotlj. 

Hr.  2050.  2pj.  Äeclam.]  baar  —20. 

 ©in  JbqO  au«  betn  Seben.  [©(borer'«  ftamilienblatt.  6.  95b.  !Rr.  39.] 

 Tiie  ©enoffenfäaft  bramat.  »utoren.  [2Mf<b,e.  ©tbrtftftellerjtg.  9hr.  11.  13.] 

—  —  Ree.  [Magaz.  f.  d.  Litt.  d.  In-  u.  Aual.  No.  2.] 

Sie  fübre  tdj  meine  ^rojeffe  beim  9fmt*gerid)t?  Anleitung  üb.  b.  ©ang  b.  fyrojefe» 
Serf obren«  ...  23.  ob.  Wufl.  Söbau  JBeftpr.  ©rrjeejef.  (50  S.  gr.  8.)  1.— 

Sie  madje  td)  ©teuer«See[amatlonen?  .  .  .  Sbb.  (34  ©.  gr.  8.)  baar  —60. 

WIechert,  E.,  üb.  die  Leitungsfähigk.  d.  Serpentins.  (Mitthlg.  aus  d.  math.- 
phys.  Laboratorium  i.  Kgsbg.  i.  Pr.)  [Poggendorfs  Annalen  d.  Physik 
u.  Chemie.  N.  F.  Bd.  26.  Hft,  2.  S.  336.1 

Winkel  mann,  Ed.,  Acta  imperii  inedita  seculi  XIII  et  XIV.  Urkunden  u. 
Briefe  zur  Geschichte  d.  Kaiserreichs  u.  d.  Königr.  Sicüien  in  d.  J. 
1198—1400.  2.  Bd.  Mit  Untstützg.  d.  Gesellsch.  f.  ält  dteche  Ge- 
schichtskde.  Innsbr.  Wagner.  (VIII,  983  S.  Lex.  8.)  40.-  (1.  u.  2.:  70.-) 
 Ree.  [Gött.  gel.  Anz.  6.] 

Wlsotzkl,  Dr.  Emil,  zur  Methodik  Carl  Ritters.  [Progr.  d.  Friedr.  -  Wilh.- 
Schule.]  Stettin.  (8.  1-11.  4.) 

»fit,  ^rof.  <J.,  ®ric<b,ifdje  ®5tter«  u.  $elbengcfd)i(btcn.  $ür  b.  3"8<nb  «»•  ©$ul« 
au«g.  Hug«bg.  Sampart  u.  Comp. 

—  —  Myths  of  Hellas  or  Greck  tales,  told  in  German  .  .  .  tranalat.  into 

English  by  Francis  Younghusband.  London.  Longmans,  Green  &'  Co. 
3.  Aufl.  1884. 

 The  Wanderings  of  Ulysses:  A  sequel  to  „The  Troian  War."  Tranalat. 

from  the  German  by  Francis  Younghusband.  Ebd.  (240  S.  8.)  8  sh.  6  p. 
Wflst,  Dir.  Dr.  Ernst,  Ein  Lehrplan  für  den  latein.  Unterricht  auf  Realgymn. 

Progr.- Abhdlg.  Osterode  Ostpr.  (16  S.  4.) 
3«M,  (Sufl.,  @rof  Slbolf  ^ricbriäj  ».  ©$acf.   ©in  Uterar.  Portrait.  SBien.  «erolb'ä 

Sohn.  (82  ©.  8.)  1.- 

—  —  Üurgenje»,  fyoan,  jroei  bramat.  Diöjtungen.    Hu«  b.  Ruft,  überf.  u.  f.  b. 

btfa).  »ühne  bcarb.  o.  (Sug.  3abr(.  S3erL  JDeubner.  (138  ©.  8.)  2.50. 
 «nton  Kubinftcin'«  SRatineen  in  S3erÜn.  [Signale,  f.  b.  muftfalif$e  SBelt  9lr. 

67.]  Da«  3ubit5um  b.  S3erl.  UnioerfitSt.  [Ueber  2anb  u.  HReer.  54.  8b.  Kr.  48.] 
 Sorwort  ju  tÄonrfdjat«»».  3.  %,  Dblomoto.  Roman.  Slu3  b.  Stufe,  o.  «uft. 

Äcudjel.  SBerlin.  Deubncr.  6.— 
 Einleitung  j.  SRofcr,  JJaul,  Äeben«  <  ©Ijronif  mit  6  »oObilbem  o.  OSf.  föi$- 

nie««  u.  »anbjei<bnungcn  o.  C.  Äe&ler.    ©erl.  litbogr.  Jnftitut.  (4  91.  2ejt 

gr.  4.  m.  ?botogr.««Ibum  in  29  81.)  geb.  m.  Sdjlofc  16.— 
3anber,  Ärn$rafTen«3tenb.      bie  SBermaltung  ber  ©taat«fa)ulben  im  ftgr.  $reuften. ..  . 

£>anno»cr.  SReoer.  (48  S.  gr.  8.)  1.— 
Zeitschrift  d.  westpr.  Geachichtevereins.   In  zwanglosen  Heften.   Hfl.  14. 

Danz.  Bertling.  (VIII,  120  S.)  2.- 
3titf4rift  be«  biftor.  Serein«  f.  b.  Äcg.»5Bej.  SWarienroerber.  $ft.  14.  SRarienroerber 

1884.  ©elbfroerlog.   (2  »1.  91  u.  XVin  ©.  8.)  $ft.  15.  (Sbb.  (1  81.  ©. 

1-112.) 

dritttttft,  ftg«b.  Ianb«  u.  forftn>irtbfd&.  f.  b.  norböftl.  $rutfcb>nb    §r«g.  Äreife.  21. 

3abra-  Ägäbg.  Sentr  in  ©omm.  (52  Hrn.  a  1»/,  8g.  fol.)  »terteli.  3.— 
Ziemann,  Frz.,  de  anathematis  graecis.  Diss.  inaug.  Kgsbg.  (Koch  u.  Reimer.) 

(60  8.  gr.  8.)  1.20. 


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AltpreuBische  Bibliographie. 


675 


Zimmer,  Prof.  Pfr.  Lic.  Dr.  Frdr.,  Königsberger  Kirchenliederdiehter  und 
Kirchenkomponisten.  Vortrag.  Kgsbg.  Beyer  (40  S.  gr.  8.)  —80. 

—  —  35er  SrrfoQ  bcä  Äantoren»  u.  CrgamftenatnteS  in  b.  eoang.  2anbe§fird)c 

?Jrcuftcnä.  Seine  Urfad>en  u.  Sorl'djläge  jur  iBeffcrung.  Queblinburg.  SJietoeg. 
(88  S.  gr.  8.)  L— 

 «angel.  Sdjul«  u.  «trcbcncborarbuA  ...  1.  fcft.  9tu3g.  A.  Öbb.  (72  S.  8.)  —50. 

—  —  Uie  firdjenmufifalifebe  33ilbung  bet  Weift  Ii  d)en  u.  Äantoren.  [Coang.  ©emeinbe« 

blatt  9lr.  25.]  35a3  geft  ber  btfcf).  Äird>engefangoercine  in  Nürnberg,  [ßbb.  Nr. 
40.]  bie  firebenmuftfalifebe  9lu3bilbung  ber  Drgantften  u.  Äantoren  in  ^reufcen. 
[(Sbb.  Nr.  50.]  oergl.  Halleluja  hrsg.  v.  H.  Köstlin  u.  Th.  Becker. 
Hildburghausen.  7.  Jahrg.  No.  8.] 
Ztppel,  G.,  Ree.   [Berl.  philolog.  Wochenschrift  No.  3.]    [fciftor.  3tfd)r.  N.  fr 

18.  5Bb.  S.  265-67.  286  -87.  297-98.  301-2.] 
Zöppritz,  Prof.  Dr.  Karl,  Die  Fortschritte  der  Tiefseeforschung  1883  und  1884. 
[Geogr.  Jahrb.  X.  Bd.  1884.    2te  Hälfte  1885.  8.  385-400.]  Geogra- 
phische Erforschungen  in  Afrika.  [Ebd.  S.  445—471.]  Excessiver  Regen- 
fall. [Meteorologische  Ztsch.  2.  Jahrg.  S.  141.] 

S.  G.  Ncfrolog.  [Ägäbg.  fcortungfebe  3citung  Nr.  105.  SNünAener  «Hg. 
3tg.  Nr.  122.  6. 1793—94.]  Günther,  Siegm.,  Karl  Zöppritz.  Nekrolog. 
[Leopoldina  Hft.  XXI  S.  181—190.]  Herrn.  Wagner,  Karl  Zopp- 
ritz. [Verhdlgn.  d.  Gesellschaft  f.  Erdkunde  zu  Berlin.  Bd.  XII. 
S.  298-304.] 

3«t»,  $f"lipp,  3U  *>fn  Störungen  üb.  ©efefc  u.  Serorbnung  nadj  beutfebem  Neicfjä« 
ftaotäred)t.  [Slnnalcn  b.  btfd).  Setcbä  «.  301—319.]  Neidröfanjler  unb  ÄeidjS« 
tag.  (Xie  ©egenroart.  27.  95b.  Nr.  3.]  bie  ^rineipien  unferer  Golonialpolitif. 
[ebb.  Nr.  7.]  gürft  »törnard.  f©bb.  Nr.  13.]  3ur  feered»tlid>en  Sitcratur. 
[Äritifdje  «ierteljabräfarift  f.  ©efefcgebg.  u.  Äecbtäroiffcnfd).  N.  J.  »b.  VIDI. 
S.  369-375.]  Nec.  [®bb.  S.  376-398.  Dtsch.  L.-Z.  No.  5.  11.  49.  51. 
3>ie  öegenroart  Nr.  12.  Ztschr.  f.  d.  Privat-  u.  öffentl.  Recht  d.  Gegen- 
wart. XII.  Bd.  HI.  Hft,  XIII.  Bd.  1.  Hft.] 


Das  neueste  „Verzeichnis  einer  kostbaren  Sammlung  von 
Autographen  der  berühmtesten  Dichter,  Gelehrten  und  Schriftsteller  aller 
Nationen  des  17.— 19.  Jahrhunderts  (No.  XYII.  1887)  von  Otto  Aug.  Schulz 
in  Leipzig  (86  S.  gr.  8)  umfaßt  1332  verschiedene  Nummern,  darunter  sehr 
werthvolle  und  seltene  Briefe  u.  andere  Schriftstücke.  Wir  machen  aus  der 
durchweg  alphabetisch  geordneten  Sammlung  nur  auf  die  3  Nummern 
470—472  aufmerksam,  enthaltend  Kant,  Piece  autogr.  (Konzept):  Höchst 
interessante  philosophisch  -  medizinische  Abhandlung.  4  p.  pl.  fol.  Haupt- 
sächlich über  die  Grsundheit  und  die  Lebensdauer  der  Menschen.  M.  Portr. 
Selten.  175  M.  —  Lettre  autogr.  sign^e.  Königsberg  18.  Okt.  1797. 
1  p.  4.  60  M.  Schöner  Brief  an  Prof.  Kiesewetter.  Interessant  wegen  des 
theila  sehr  prosaischen,  theils  rein  wissenschaftlichen  Inhalte.  —  Feuillet 
d'album  1.  Nov.  1799.  1  p.  quer  8.  M.  Portr.  25  M. 


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«76 


Bitte.  —  Berichtigung. 


Freundliehe  Bitte  an  die  Leser,  besonders  an 
solche,  welche  zu  alten  Bibliotheken  Zugang  haben. 

Der  an  der  Spitze  des  evang.  Gemeindeblatts  1886,  No.  49  stehende 
Artikel  handelt  von  den  Flosculi  des  Johannes  Briesmann  und  hebt 
die  hohe  Wichtigkeit  dieser  reformatorischen  Erstlingsschrift  nnserer  Provinz 
gebührend  hervor.  Der  Artikel  erwähnt,  daß  die  Flosculi  nur  aus  der  Gieae- 
schen  Gegenschrift  bekannt  und  zugänglich  geworden  sind,  ein  Original- 
druck derselben  bisher  aber  nicht  vorfindlich  gewesen  ist;  dasselbe  trifft  zu 
auf  die  gleichfalls  in  jenem  Artikel  berührten  und  mit  den  Briesmann'schen 
Flosculi  identischen  „Assertiones  Lutheri"  des  Bischofs  Polenz,  die  vielleicht 
gar  nicht  einmal  noch  besonders  unter  diesem  Titel  gedruckt  sind. 

Die  Flosculi  sind  im  frühen  Herbst  1523  verfaßt  und  selbstverständlich 
auch  hier  in  Königsberg  gedruckt,  sie  sind  wahrscheinlich  auch  der  Erstlings- 
druck der  damals  gerade  zu  Königsberg  sich  etablirenden  Offizin  von  Hans 
Weinreich  —  der  ersten  und  lange  Zeit  einzigen  diesseits  der  Oder  —  welche 
danach  für  die  Reformation  in  Ostpreußen  so  sehr  rührig  und  einflußreich 
geworden.  Sollte  denn  nun  wirklich  kein  einziges  Exemplar  dieser  Original- 
ausgabe der  Flosculi  mehr  existiren?  Das  ist  nur  schwer  anzunehmen. 
Sollte  nicht  vielmehr  ein  solches  noch  in  mancher  Kirchen- 
oder Schul-  oder  Stadtbibliothek  schlummern,  zumeist  hier  in 
Ost-  und  Westprenßen? 

Deshalb  sind  alle  Freunde,  welche  zu  einer  solchen  Bibliothek  Zugang 
haben,  auf  das  Dringendste  im  Interesse  der  Wissenschaft  und 
Kirche  gebeten,  gütigst  nachspüren  zu  wollen,  ob  sie  ein  solches  Original- 
Exemplar  fänden.  Der  Fund  wäre  auch  noch  darum  so  wichtig,  weil  gar 
nicht  zu  wissen  ist,  ob  Giese  in  seiner  Gegenschrift  die  Flosculi  wirklich 
auch  strenge  wörtlich  übernommen  hat.  Indem  deshalb  die  Bitte  nochmals 
den  lieben  Lesern  ans  Herz  gelegt  werden  darf,  wird  zugleich  gebeten,  jede 
Nachricht  in  dieser  Sache  entweder  an  den  Professor  Tschacke rt  direkt 
(Königsstr.  82)  oder  an  die  Bedaction  der  Altpreußischen  Monats- 
schrift (Bibliothekar  Dr.  R.  Reick o)  gelangen  zu  lassen. 


Berichtigung  zu  den  Münzfunden  ans  Ost-  und  Westpreussen. 

A.  Aus  der  Umgegend  von  Danzig. 

Bemerkung:  Da  gerade  in  einem  Münzfund-Berichte  Ungenauigkeiten 
vermieden  werden  müssen,  so  mögen  auf  den  Seiten  377—404  dieses  Jahr- 
ganges folgende  Verbesserungen  gef.  vorgenommen  werden: 

S.  377,  Zeile  11  von  unten  muß  stehen  der  „Statthalter."  S.  378, 
Zeile  2  von  oben  muß  stehen  193w.  S.  378,  bei  No.  8  muß  stehen 
Ibrahim  II.,  Nach  Seite  882  muß  folgen  nicht  38,  sondern  383.  S.  383, 
Zeile  4  von  unten  muß  stehen  1872  et  1873.)"  S.  385,  Zeile  12  von  unten 
ist  das  Wort  darüber  zu  streichen.  S.  889,  Zeile  9  von  unten  muß  stehen 
cinetum;".   S.  400,  Zeile  4  von  unten  muß  stehen  in,  mit  Frieden;  | 


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Autoren  -Register. 


Baren^  Otto   van,    Landgerichts  -  Präsident   in    Insterburg,  Insterburger 

Kirchen-Nachrichten.  313-360. 
Ilaumtrart,  Dr.  Hermann,  Universitätsprofessor  in  Königsberg.  Zum  22.  April 

1886.    Ueber  Kants  Kritik  der  aesthetischen  Urteilskraft.  258—282. 
Beckherm,  Carl,  Major  a.  D.  in  Königsberg.  Das  „propugnaculum  in  introitu 

terre  Nattangie"  der  Chronik  des  Dusburg  (pars  III,  cap.  133).  283—308. 

—  —  ,  Die  westliche  Grenze  der  Landschaft  Natangen.    561 — 600. 
Bezzenberger,  Dr.  Adalbert,  Universitäts-Professor  in  Königsberg.  Über  das 

litauische  haus.   Ein  versuch.    (Mit  21  Zeichnungen).  34—79. 

—  —  ,  Nachträge  zu  diesem  aufsatz.    (Mit  3  Zeichnungen).  629—633. 

—  —  ,  Käflaufch.  Kößligß.    Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Königsberger 

Mundart.  646—650. 
Kielensteln,  Dr.  A.,  deutscher  Pastor  zu  Dohlen.    Gegen  einen  Aufsatz 

Veckenstedts.  472—476. 
Bolte,  Dr.  Johannes,  Gymnasiallehrer  in  Berlin,    Nachträge  zu  Alberts 

und  Dachs  Gedichten.  435—457. 
Caro,  Dr.  Jacob,  Universitäts-Professor  in  Breslau.   Berichtigung.  504. 
Conrad,  Georg,  Oberlandesgericbts  -  Referendar  in  Königsberg.  Ueber  ein 

Project  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt  Königsberg  (Friedricha- 

st«dt).  1—33. 

Fischer,  Dr.  L.  H.,  Gvmnasiallehrer  in  Berlin.  Nachlese  zu  Heinrich  Alberts 

Gedichten.   468"— 466. 
Friedeberg,  M.,  in  Tilsit.   Notizen  zur  Gründungsgeschichte  der  jüdischen 

Gemeinden  Altpreußens.    I.    H.  168—175. 


und  das  Chronicon  ölivense".  Zur  Entgegnung.  405—434. 
0.)  Recension.  151—154. 

Horn,  Alezander,  Rechtsanwalt  und  Notar  in  Insterburg.   Nachtrag  zur 
Schlacht  von  Tannenberg.    (Mit  einem  Plane).  142—160. 


in  Preußen  und  Litthauen  unter  Friedrich  Wilhelm  I.  93—137. 
185  244. 

f  Kellsch,  Victor  von,  Rittergutabesitzer  auf  Stein.  Der  bairische  Geograph. 

506-560. 

Kctrzynskt,  Dr.  Wojciech,  Director  des  Ossolinskischen  Instituts  in  Lem- 
berg. Das  Culmerland  und  die  Südgrenze  von  Pomesanien.  138 — 141. 

f  Lehn,  Dr.  Carl,  Universitäts  -  Professor  in  Königsberg.  Die  Philosophie 
und  Kant,  gegenüber  dem  Jahre  1848.  Tischrede,  gehalten  an  Kants 
Geburtstag  am  22.  April  1849.  80-92. 


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078 


Autoren  -  Register. 


Perlbach,  Dr.  Max,  Bibliothekar  in  Halle.  Nochmals  die  Chronik  von  Oliva. 
634-689. 

Reick?,  Dr.  Rudolf,  Bibliothekar  in  Königsberg.  Die  Kant-Bibliographie  des 

Jahres  1885.  650-660. 
t  Rogge,  Adolf,  Pfarrer  in  Darkehmen.   Die  Güter  Geduns.  804—312. 

—  —  ,  Wie  der  letzte  Teufel  umkam.  646. 

Roh.se,  G.,  Realgyranasiallehrer  in  Königsberg.   Recension.  155—158. 
Schön,  Theodor  von,  Staatsmin ister  und  Burggraf  von  Marienburg,  (f  23.  Juli 

1856).    Kirchenpolitische  Denkschrift.  613—628. 
Sembr/j  ckl,  Johannes,  Apotheker  in  Tilsit.  lieber  masurische  Sagen.  601—612. 
Trelchel,  A.,  Rittergutsbesitzer  auf  Hoch  -  Paleschken.   Privileg  überBorkow 

und  Roschütz.  488-490. 

—  —  ,  Privileg  über  die  Kirche  zu  Reinfeld.  490—494 

Tschackert,  Dr.  Paul,  Universitäts-Professor  in  Königsberg.  Johann  Al- 
brecht L  von  Mecklenburg,  in  seinen  Beziehungen  zur  deutschen 
Reformation  und  zum  Herzogthum  Preußen.  245—257. 

—  —  ,  Mitteilung  über  einige  von  Schirrmacher  jüngst  veröffentlichte  Briefe 

von  und  an  Herzog  Albrecht  von  Preußen  etc.  364—366. 

—  —  ,  Magister  Johannes  Malkaw  aus  Straßburg  a.  d.  Drewenz.  366—367. 

—  —  ,  Das  Projekt  des  Königs  Friedrichs  Wilhelms  III.,  neben  der  Uni- 

versität Königsberg  eine  katholisch-theologische  Fakultät  zu  errichten. 
Aktenmäßige  Darstellung.  467—471. 

—  —  Ein  ungedrucktes  Schreiben  der  philosophischen  Fakultät  zu  Königs- 

berg an  Immanuel  Kant.  d.  d.  8J!  Juli  1801.  486, 

—  —  ,  Ein  ungedruckter  Brief  des  Faustus  Socinus  an  Hieronymus  Moscoro- 

vius  d.  d.  Racau,  ß,  Juni  1603  .   487— 48a 
Wolsborn,  Dr.  Ernst,  Pfarrer  emeritus  in  Berlin.   Münzfunde  aus  Ost-  und 
Westpreußen  L  377—404. 


Sach- Register. 


Albert  —  Nachlese  zu  Heinrich  A.'s  Gedichten  458—466. 
—  —  Nachträge  zu  A.'s  und  Dachs  Gedichten.  435—457. 
Albrecbt  —  Mittheilung  über  einige  von  Schirrroacher  jüngst  veröffentlichte 

Briefe  von  und  an  Herzog  A.  von  Preußen.  364—866. 
Altpreuüen  —  Notizen  zur  Gründungsgeschichte  der  judischen  Gemeinden 

A's  L  II.    ifift- 175. 
AltpreußiMChe  Bibliographie  1885.   177—181.  368-376.  496-503.  660-675. 
Alterthumsgesellschaft    Prussia    in  Königsberg    1885      158—167.  1886 

361-363.  476-485. 
Ausstellung  —  Kulturhistorische  A.  für  Ost-  und  Westpreußen.  182—184 
Berichtigung    5ü4  G7JL 

Bibliographie  -  AltpreuflischeB.  1885.  177-181.  368-376.  496-503.  fiflO-fi75. 

Die  Kant-B.  des  Jahres  1885.  «50—660. 
Borkow  —  Privileg  über  B.  und  Roschütz.  488—490. 
Braunsberg  —  Lyceum  Hosiannm  in  B.  1886.     176.  496. 
Brief  —  Ein  ungedruckter  B.  des  Faustus  Socinus  an  Hieronymus  Moscoro- 

vius  d.  d.  Racau,  &  Juni  1603.  487-488. 
 Ueber  einige  von  Schirrmacher  jüngst  veröffentlichte  B— e  von  und 

an  Herzog  Albrecht  v.  Preussen  u.  über  einen  B.  des  Hofpredigers 

Funck  an  Johann  Albrecht  L  von  Mecklenburg.  364—366. 


Saoh  -  Register. 


079 


Chronlcon  —  Zu  „Peter  v.  Dusburg  und  das  C.  Olivense".  405—434. 
Nochmals  die  Chronik  von  Oliva.  634—639 

Culm  —  Das  C—  er  Land  und  die  Südgrenze  von  Pomesanien.  138—141. 

Dach  —  Nachträge  zu  Albert's  und  D's.  Gedichten.  435—457. 

Denkschrift  —  Eine  noch  heute  zeitgemässe  kirchenpolitische  D.  des  Mini- 
sters von  Schön.  613—628. 

Dusburg  —  Zu  „Peter  v.  D.  und  das  Chronicon  Olivense".  405—434. 

Friedrichsstadt  —  Ueber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten  Stadt 
Königsberg.  (F.)  1—33 

Friedrich  Wilhelm  III.  —  Das  Proiekt  des  Königs  F.  W.  III.,  neben  der 
Universität  Königsberg  eine  katholisch-theologische  Facultät  zu  errichten 
467-471. 

Funck  —  Mitteilung  über  einen  Brief  des  Hofpredigers  F.  an  Johann  Albrecht  L 

von  Mecklenburg.  SüiL 
tiedun  —  Die  Güter  G— b.  904—312. 

Gegellschaft  —  Alterthuma-G.  Prussia  in  Königsberg  158—167.  861—363. 
476—485. 

Haus  —  Über  das  litauische  IL   34—79.   Nachträge.  629—633. 
Hoslannm  —  Lvceum  IL  in  Braunsberg.    176.  496. 
Insterburger  Kirchenuachrichten.  818—360. 

Johann  Albrecht  L  von  Mecklenburg  in  seinen  Beziehungen  zur  deutschen 
Reformation  und  zum  Herzogthum  Preußen.  245—257. 

 Mittheilung  über  einen  Brief  des  Hofpredigers  Funk  an  J.  A.  L 

von  Mecklenburg.  364—366. 

Jüdisch  —  zur  Gründungsgesch.  der  j— en  Gemeinden  Altpreußens.  L  IL 
168-175. 

Käslausch,  Kösligß.  646—650. 

Kant  —  Die  Kant -Bibliographie  des  Jahres  1885.  650-660.  Ueber  K.'s 
Kritik  der  aesthetischen  Urteilskraft  258  -282.  Die  Philosophie  und  K. 
gegenüber  dem  Jahre  1848.  80—92.  Ein  ungedrucktes  Schreiben  der 
philosophischen  Facultät  zu  Königsberg  an  Immanuel  K.  d.  d.  SQ.  Juli 
1801.  dikl 

Katholisch  —  Das  Projekt  des  Königs  Friedrich  Wilhelms  III.,  neben  der 
Universität  Königsberg  eine  k.-theologische  Facultät  zu  errichten. 
467—471. 

Kirche  —  Insterburger  K— n-Nach richten.  318—360. 

Kirchenpolltisch  —  Eine  k— e  Denkschrift  des  Ministers  von  Schön.  613—628. 

Königsberg  —  Alterthumsgesellschaft  Prussia  in  K.  158—167.  361—363. 
476—485.  Käf  laufch,  Kößligß.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  K— er 
Mundart.  646—650.  Ueber  ein  Project  zur  Anlegung  einer  vierten 
Stadt  (Friedrichsstadt)  1—33.  Das  Projekt  des  Königs  Friedrich 
Wilhelms  III.,  neben  der  Universität  K.  eine  katholisch  -  theologische 
Facultät  zu  errichten  467  -471.  Universitäts  -  Chronik  1885.  1886 
175-176.    367  -36ft  495. 

Kulturhistorische  Ausstellung  für  Ost-  und  Westpreußen.  182—184. 

Litauen  —  Das  Yolksschsulwesen  in  Preußen  und  L.  unter  Friedrich 
Wilhelm  L    93-137.  185-244. 

Litauisch  -  Über  das  1— e  haus.  34—79.  Nachträge.   629—  6&S. 

Lyceum  Hosianum  in  Braunsberg  1886.    176-  496. 

Malkaw  —  Magister  Johannes  M.  aus  Straßburg  a.  d.  Drewenz.  366—367. 
Mecklenburg  —  Johann   Albrecht  L  von  M.  in  seinen  Beziehungen  zur 
deutschen  Reformation  und  zum  Herzogtum  Preußen.  245—257. 

MoscoroYius  —  Ein  Brief  des  Faust.  Socinus  an  Hieronymus  M.  487—488. 
Münzfunde  ans  Oat-  und  Weetpreußen.  L  377—404. 

Mundart  —  Käflaufch,  Kößligß.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Königs- 
berger M.  646—650. 


080 


Sach- Register. 


Natangia  —  Das  „propugnacnlum  in  introitu  terre  N— e.u   20— 3<>8. 

Oliva  —  Nochmals  die  Chronik  von  0.  634—639.  Zu  „Peter  von  Dusburg 
und  das  Chronicon  0Livensew.  405—434. 

Ostpreußen  —  Münzfnnde  aus  0.-  und  Westpr.  377—405. 

Philosophie  —  Die  P.  und  Kant  gegenüber  dem  Jahre  18-18.  80—92. 

Pomesanien  —  Das  Calmer-Land  und  die  Südgrenze  von  P.    138— 141. 

Preussen  —  Johann  Albrecht  I.  von  Mecklenburg  in  seinen  Beziehungen 
zum  Herzogthnm  P.  245—257.  Das  Volksschulwesen  in  P.  und 
Litthauen  unter  Friedrich  Wilhelm  L    93—137.  185-244. 

Privileg  über  Borkow  und  Roschütz.  488—490.  P.  über  die  Kirche  zu  Rein- 
feld. 490-494. 

Projekt  —  Ueber  ein  P.  zur  Anlegung  einer  vierton  Stadt  Königsberg  1 — 33. 
Das  P.  des  Königs  Friedrich  Wilhelms  Dil.,  neben  der  Universität 
Königsberg  eine  katholisch  -  theologische  Facultät  zu  errichten. 
467-471. 

Propugnacnlum  —  Das  „p.  in  introitu  terre  Nattangie".    283  -303. 

Recensionen  —  Arthur  Hobrecht.  Fritz  Kannacher.  Historischer  Roman. 
2  Bde.  151  —  154.  G.  Köhler,  Die  Entwickelung  des  Kriegswesens 
und  der  Kriegführung  in  der  Ritterzeit.  II.  Bd.  640— 614.  K.  Loh- 
meyer u.  A.  Thomas.  Hilfsbuch  für  den  Unterricht  in  der  brandenb.- 
preuss.  Geschichte.  —  Desgl.  für  den  Unterricht  in  der  deutschen  Ge- 
schichte bis  zum  westfälischen  Frieden.  155  —158.  Ces.  Paoli,  Grundriß 
der  lateinischen  Palaeographie  >md  der  Urkunden  lehre,  übersetzt  von 
K.  Lohmeyer.  155.  —  C.  Nurm berger,  Handbuch  der  Provinz  Ost- 
preußen für  188687.  615.  J.  Pederzan  i -Weber,  die  Marienburg.  LlÜL 
Gegen  einen  Aufsatz  Veckenst  edt  s.  472—476. 

Reformation,  Johann  Albrecht  L  von  Mecklenburg,  in  seinen  Beziehungen 
zur  deutschen  R.  und  zum  Herzogtum  Preußen.    245  —257. 

Heinfeld  —  Privileg  über  die  Kirche  zu  R..    41)0— 494. 

Roschütz  —  Privileg  über  Borkow  und  R.  488-490. 

Schlacht  —  Nachtrag  zur  Schlacht  von  Tannonberg.   142  —  150. 

Schreiben  —  Ein  ungedrucktes  S.  der  philosoph.  Facult.  zu  Königsberg  an 
Kant,  d.  d.  3LL  Juli  18U1.  48Ü, 

Socinus  —  Ein  ungedruckter  Brief  des  Faustus  S.  an  Hieronvmus  Moscoroviua 
d.  d.  Racau,  iL  Juni  1603.   4SI -488. 

Tannenberg  —  Nachtrag  zur  Schlacht  von  T.  142—150. 

Teufel  —  Wie  der  letzte  T.  umkam.  ü4iL 

Unlrersltats-Uironik  1885.    1886.    175-17K.   3<;7-3ftft    495.  Ü6Ü 
Volksschulwesen  —  Das  V.  in  Preußen  und  Litthauen   unter  Friedrich 

Wilhelm  L   93— 1H7.  is:,~244. 
Westpreussen  —  Münzfunde  aus  Ost-  und  W.  377—404. 


Druck  von  B.  Leopold  in  Königsberg  in  Pr. 


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